VfGH vom 03.03.2020, UA1/2020
Leitsatz
Rechtswidrigkeit eines Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates betreffend das Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses hinsichtlich der "mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung"; unzulässige Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes durch eigenständige politische Interpretation und Wertung des Verlangens durch die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss
Spruch
Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates vom , mit dem das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)" für teilweise unzulässig erklärt wird, ist rechtswidrig.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Anfechtung
Mit ihrer auf Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG gestützten Anfechtung begehren 53 das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)" unterstützende Mitglieder des Nationalrates,
"der Verfassungsgerichtshof möge
1. den Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates gemäß § 3 Abs 2 VO-UA vom , mit dem das Verlangen (1/US XXVII.GP) eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) für teilweise unzulässig erklärt wird (in Anlage 2 zu AB 33 BIgNR XXVII.GP), zur Gänze für rechtswidrig erklären; sowie
2. da die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss prozessual nicht handlungsfähig ist, ihre Zusammensetzung nicht namentlich feststeht und sie sich daher nicht selbst vertreten und auch keinen Vertreter bevollmächtigen kann, für die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss gemäß § 8 Abs 1 ZPO iVm § 35 VfGG einen Kurator bestellen."
II.Rechtslage
1.Art52b, Art 53 und Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG, BGBl 1/1930 idF BGBl I 101/2014, lauten:
"Artikel 52b. (1) Zur Überprüfung eines bestimmten Vorganges in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgebarung wählt der Ausschuss gemäß Art 126d Abs 2 einen ständigen Unterausschuss. Diesem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören.
(2) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.
Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.
(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.
(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 gefährden würde.
(4) Die Verpflichtung gemäß Abs 3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann.
Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über
1. die Anfechtung von Beschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates, mit denen ein Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird, durch ein dieses Verlangen unterstützendes Viertel seiner Mitglieder wegen Rechtswidrigkeit;
[…]"
2.§56c Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl 85 idF BGBl I 101/2014, (in der Folge: VfGG) lautet:
"a) Bei Anfechtung von Beschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates, mit denen ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird
§56c. (1) Die Frist zur Anfechtung eines Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates, mit dem ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird, beträgt zwei Wochen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, den der Präsident des Nationalrates gemäß § 4 Abs 2 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' festgestellt hat. Wurde ein Verlangen für gänzlich unzulässig erklärt, beginnt die Frist mit Beginn der Behandlung des Berichts des Geschäftsordnungsausschusses im Nationalrat.
(2) Die Anfechtung hat zu enthalten:
1. die Bezeichnung des Beschlusses bzw Berichts des Geschäftsordnungsausschusses;
2. den Sachverhalt;
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt;
4. die erforderlichen Beweise;
5. die Angaben und Unterlagen, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Beschluss rechtzeitig angefochten wurde.
(3) Der Anfechtung ist eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie des Verlangens der Anfechtungswerber sowie des Beschlusses bzw Berichts des Geschäftsordnungsausschusses anzuschließen.
(4) Parteien des Verfahrens sind die Anfechtungswerber, die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss und die Bundesregierung.
(5) Eine Ausfertigung der Anfechtung samt Beilagen ist der Bundesregierung mit der Mitteilung zuzustellen, dass es ihr freisteht, innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Äußerung zu erstatten.
(6) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen.
(7) Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses ist für rechtswidrig zu erklären, wenn die Anfechtung nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Der Untersuchungsausschuss gilt in dem Umfang, in dem der Verfassungsgerichtshof den Beschluss für rechtswidrig erklärt hat, als eingesetzt."
3.§33 und § 99 des Bundesgesetzes vom über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410 idF BGBl I 99/2014, lauten:
"§33. (1) Der Nationalrat kann aufgrund eines schriftlichen Antrags, der unter Einrechnung des Antragstellers (der Antragsteller) von mindestens fünf Abgeordneten unterstützt sein muss, einen Beschluss auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fassen. Darüber hinaus ist auf Verlangen von mindestens 46 seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.
(2) Solche Anträge und Verlangen sind in den Sitzungen des Nationalrates schriftlich einzubringen und haben den Gegenstand der Untersuchung gemäß Art 53 Abs 2 B-VG zu enthalten. Ein Antrag nach Abs 1 muss mit der Formel 'Der Nationalrat wolle beschließen' versehen sein und ist dem Präsidenten mit der eigenhändigen Unterschrift des Antragstellers oder der Antragsteller versehen zu übergeben. Die Eigenschaft als Antragsteller muss aus dem Antrag deutlich ersichtlich sein. Anträge und Verlangen, die ausreichend unterstützt sind, werden unverzüglich an die Abgeordneten verteilt.
(3) Für die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen gilt die 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' (VO-UA), die als Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz einen Bestandteil desselben bildet. Sofern diese Verfahrensordnung nicht anderes bestimmt, kommen für das Verfahren die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zur Anwendung.
(4) Der Nationalrat kann eine Debatte über einen Antrag bzw ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschließen. Fünf Abgeordnete können eine solche verlangen. Die Debatte erfolgt nach Erledigung der Tagesordnung und richtet sich nach den § 57a und 57b. Von Abgeordneten, die demselben Klub angehören, kann nur ein solches Verlangen pro Sitzungswoche eingebracht werden. Wird ein solches Verlangen von Abgeordneten mehrerer Klubs unterstützt, ist es dem Klub, dem der Erstunterzeichner angehört, anzurechnen. Gehört dieser keinem Klub an, gilt diese Bestimmung hinsichtlich des Zweitunterzeichners und so weiter.
(5) Ein Antrag gemäß Abs 1 kann vom Antragsteller (von den Antragstellern) bis zum Beginn der Abstimmungen im Geschäftsordnungsausschuss zurückgezogen werden. Ein Verlangen gemäß Abs 1 kann von der Einsetzungsminderheit bis zum Beginn der Behandlung des Berichtes im Nationalrat gemäß Abs 9 zurückgezogen werden. Der Präsident verfügt die Verteilung des Schreibens über die Zurückziehung an die Abgeordneten.
(6) Anträge bzw Verlangen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen sind am Schluss der Sitzung ihrer Einbringung dem Geschäftsordnungsausschuss zuzuweisen. Der Geschäftsordnungsausschuss hat binnen vier Wochen nach Zuweisung eines Antrags bzw eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Beratung darüber aufzunehmen und innerhalb weiterer vier Wochen dem Nationalrat Bericht zu erstatten.
(7) Der Nationalrat hat den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses in der auf die Übergabe an den Präsidenten nächstfolgenden Sitzung in Verhandlung zu nehmen.
(8) Die Debatte und Abstimmung folgt im Fall eines aufgrund eines Antrages gemäß Abs 1 erstatteten Berichtes den allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates. Abänderungs- und Zusatzanträge sowie Verlangen auf getrennte Abstimmung sind unzulässig.
(9) Insoweit der Geschäftsordnungsausschuss ein Verlangen gemäß Abs 1 nicht für gänzlich oder teilweise unzulässig erachtet, gilt der Untersuchungsausschuss mit Beginn der Behandlung des Berichts als in diesem Umfang eingesetzt und die Beschlüsse gemäß § 3 Abs 5 VO-UA werden wirksam. Der maßgebliche Zeitpunkt wird vom Präsidenten in der Sitzung festgestellt, im Amtlichen Protokoll festgehalten und unverzüglich veröffentlicht. In der Debatte findet § 60 Abs 3 Anwendung.
(10) Der Geschäftsordnungsausschuss hat auch außerhalb der Tagungen zusammenzutreten, wenn sich nach Abs 6 oder den Bestimmungen der VO-UA die Notwendigkeit hiezu ergibt. Der Untersuchungsausschuss kann auch außerhalb der Tagungen zusammenzutreten.
XV. Prüfungsaufträge an den Rechnungshof
§99. (1) Der Nationalrat kann auf Grund eines Selbständigen Antrages (§§26 und 27) beschließen, den Rechnungshof mit der Durchführung besonderer Akte der Gebarungsüberprüfung zu beauftragen.
(2) Eine Gebarungsüberprüfung ist auch ohne Beschluß des Nationalrates durchzuführen, wenn ein gemäß § 26 eingebrachter Antrag von mindestens 20 Abgeordneten schriftlich unterstützt ist und sich auf einen bestimmten Vorgang in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgebarung (Art122 Abs 1 B-VG) bezieht.
(3) Sind bereits drei Gebarungsüberprüfungen gemäß Abs 2 anhängig, darf kein weiteres Verlangen gestellt werden. Überdies darf kein Abgeordneter desselben Klubs ein diesbezügliches Verlangen unterstützen, solange zwei Gebarungsüberprüfungen, die auf Grund eines Verlangens von Abgeordneten des Klubs, dem er angehört, unterstützt wurden, anhängig sind. Als anhängig gilt eine Gebarungsüberprüfung bis zur Erstattung des Berichtes des Rechnungshofes an den Nationalrat.
(4) Ein den Erfordernissen der Abs 2 und 3 genügendes Verlangen ist vom Präsidenten am Ende der Sitzung dem Nationalrat bekanntzugeben.
(5) Der Präsident hat einen Beschluß im Sinne des Abs 1 beziehungsweise ein Verlangen im Sinne des Abs 2 unverzüglich dem Rechnungshof mitzuteilen.
(6) Der Rechnungshof hat dem Nationalrat über die Durchführung der Gebarungsüberprüfung gemäß Abs 1 oder Abs 2 zu berichten."
4.§1, § 3 und § 4 der Anlage 1 zum GOG-NR (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410/1975 idF BGBl I 99/2014, lauten:
"Antrag und Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
§1. (1) Der Nationalrat kann aufgrund eines schriftlichen Antrags den Beschluss auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fassen. Der Antrag muss unter Einrechnung des Antragstellers (der Antragsteller) von mindestens fünf Abgeordneten unterstützt sein.
(2) Der Nationalrat hat auf Verlangen von mindestens 46 seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. 46 Abgeordnete, die ein solches Verlangen unterstützt haben, bilden nach dieser Verfahrensordnung die Einsetzungsminderheit.
(3) Scheidet ein Abgeordneter, der ein Verlangen gemäß Abs 2 unterstützt hat, vor Beendigung der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses aus dem Nationalrat aus, kann jener Abgeordnete, der auf sein Mandat nachfolgt, der Einsetzungsminderheit angerechnet werden.
(4) Ein Abgeordneter, der ein Verlangen gemäß Abs 2 oder ein Verlangen oder einen Antrag gemäß § 53 unterstützt hat, darf bis zur Beendigung der Tätigkeit dieses Untersuchungsausschusses kein anderes Verlangen gemäß Abs 2 unterstützen.
(5) Ein Antrag oder ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist dem Präsidenten unter Angabe des Gegenstands der Untersuchung gemäß Art 53 Abs 2 B-VG in einer Sitzung des Nationalrates schriftlich zu überreichen. Eine inhaltliche Gliederung des Gegenstands der Untersuchung nach Beweisthemen ist zulässig, hingegen ist die Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche unzulässig. Ein Antrag nach Abs 1 muss mit der Formel versehen sein: 'Der Nationalrat wolle beschließen' und ist dem Präsidenten mit der eigenhändigen Unterschrift des Antragstellers oder der Antragsteller versehen, zu übergeben. Die Eigenschaft als Antragsteller muss aus dem Antrag deutlich ersichtlich sein. Anträge und Verlangen, die ausreichend unterstützt sind, werden unverzüglich an die Abgeordneten verteilt.
(6) Ein Verlangen gemäß Abs 2 kann einen Antrag auf Verkürzung der Frist gemäß § 53 Abs 2 enthalten.
(7) Ein Antrag gemäß Abs 1 kann vom Antragsteller (von den Antragstellern) bis zum Beginn der Abstimmungen im Geschäftsordnungsausschuss zurückgezogen werden. Ein Verlangen gemäß Abs 2 kann bis zum Beginn der Behandlung des Berichts im Nationalrat gemäß § 4 Abs 2 zurückgezogen werden. Der Präsident verfügt die Verteilung des Schreibens über die Zurückziehung an die Abgeordneten.
Beratung und Beschlussfassung im Geschäftsordnungsausschuss
§3. (1) Der Geschäftsordnungsausschuss hat binnen vier Wochen nach Zuweisung eines Antrags bzw eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Beratung darüber aufzunehmen und innerhalb weiterer vier Wochen dem Nationalrat Bericht zu erstatten.
(2) Erachtet der Geschäftsordnungsausschuss ein ihm zugewiesenes Verlangen gemäß § 1 Abs 2 oder einzelne genau zu bezeichnende Teile davon als unzulässig, so hat er die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit festzustellen und zu begründen.
(3) Der Geschäftsordnungsausschuss hat die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses nach den im § 30 GOG festgesetzten Grundsätzen zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss vertretenen Partei einem Untersuchungsausschuss angehört.
(4) Der Geschäftsordnungsausschuss darf den im Verlangen gemäß § 1 Abs 2 bezeichneten Untersuchungsgegenstand nicht ändern, es sei denn, alle in der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses stimmberechtigten Abgeordneten, die das Verlangen unterstützt haben, stimmen dem zu.
(5) Der Geschäftsordnungsausschuss wählt auf Grundlage des Vorschlags gemäß § 7 Abs 2 den Verfahrensrichter und den Verfahrensanwalt samt deren Stellvertreter und fasst den grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß § 24 sowie allenfalls einen Beschluss betreffend die Dauer des Untersuchungsausschusses gemäß § 53 Abs 2.
(6) Erachtet der Verfassungsgerichtshof gemäß § 56c Abs 7 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG), BGBl Nr 85, einen Beschluss gemäß Abs 2 für rechtswidrig, hat der Geschäftsordnungsausschuss unverzüglich die erforderlichen Beschlüsse gemäß Abs 5 zu fassen.
(7) Der Geschäftsordnungsausschuss hat auch außerhalb der Tagungen zusammenzutreten, wenn sich nach den Bestimmungen dieser Verfahrensordnung die Notwendigkeit dazu ergibt.
Einsetzung und Konstituierung eines Untersuchungsausschusses
§4. (1) Der Nationalrat hat den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über einen Antrag gemäß § 1 Abs 1 in der auf die Übergabe an den Präsidenten nächstfolgenden Sitzung in Verhandlung zu nehmen und über den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses abzustimmen. Die Debatte und Abstimmung erfolgt gemäß den allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates. Abänderungs- und Zusatzanträge sowie Verlangen auf getrennte Abstimmung sind unzulässig.
(2) Insoweit der Geschäftsordnungsausschuss ein Verlangen gemäß § 1 Abs 2 nicht für gänzlich oder teilweise unzulässig erachtet, gilt der Untersuchungsausschuss mit Beginn der Behandlung des Berichts als in diesem Umfang eingesetzt und die Beschlüsse gemäß § 3 Abs 3 und 5 werden wirksam. Der maßgebliche Zeitpunkt wird vom Präsidenten in der Sitzung festgestellt, im Amtlichen Protokoll festgehalten und unverzüglich veröffentlicht. In der Debatte findet § 60 Abs 3 GOG Anwendung.
(3) Die Einsetzungsminderheit kann nach Erstattung des Berichts des Geschäftsordnungsausschusses im Falle eines Beschlusses gemäß § 3 Abs 2 über die teilweise oder gänzliche Unzulässigkeit eines Verlangens auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG anrufen.
(4) Die Klubs machen die auf sie entfallenden Mitglieder und Ersatzmitglieder dem Präsidenten namhaft. § 32 GOG gilt sinngemäß.
(5) Der Untersuchungsausschuss ist unverzüglich zu konstituieren."
III.Sachverhalt, Anfechtungsvorbringen und Äußerung der Bundesregierung
1.Der Anfechtung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mitglieder des Nationalrates haben am folgendes Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs 1 zweiter Satz GOG-NR "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)" im Nationalrat eingebracht und dieses wie folgt begründet (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Untersuchungsgegenstand
Untersuchungsgegenstand ist die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unterstellte leitende Bedienstete an natürliche oder juristische Personen, die politische Parteien direkt oder indirekt begünstigten, im Zuge der
a)Vollziehung der § 12a, 14 bis 16, 18 bis 24a, 30, 31, 31b Abs 1 und 6 bis 9, sowie 57 bis 59 Glücksspielgesetz idjgF;
b)Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, ihre direkten oder indirekten EigentümerInnen sowie ihre Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen;
c)Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art 10 Abs 1 Z 1, 4-6 und 8-12, Art 11 Abs 1 Z 3 und 7, Art 12 Abs 1 Z 1 und 5 sowie Art 14b Abs 1 B-VG idjgF;
d)Vollziehung der § 121a BAO sowie Art 1 § 49a FinStrG idjgF in Bezug auf die in litb genannten Personen;
e)Umstrukturierung der Finanzaufsicht (BMF, Österreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe;
f)Bestellung von Organen (einschließlich Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführungen) von Unternehmungen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist;
g)straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos und gegen die Casinos Austria AG, ihre direkten und indirekten EigentümerInnen sowie Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen
einschließlich von Vorbereitungs- und Verdunkelungshandlungen im Zeitraum von bis
Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands
1. Managementscheidungen bei der Casinos Austria AG
Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren zur Besetzung von Funktionen in der Casinos Austria AG und ihren Tochterunternehmen sowie die Kommunikation zwischen den Eigentümern der CASAG bzw Mitgliedern der Gesellschaftsgremien sowie Amtsträgern. Dazu zählt die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen, die Willensbildung sowie die Überprüfung der jeweiligen persönlichen Eignung bei der Bestellung der GeschäftsleiterInnen (insbesondere Peter Sidlo) sowie des Aufsichtsrates der CASAG, die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen der Republik sowie die in Folge des Bekanntwerdens der Ermittlungen der WKStA getroffenen Maßnahmen.
2. Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes
Aufklärung über die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt, die Vorgangsweise und die politische Einflussnahme auf die Vollziehung des Glücksspielgesetzes sowie die Vorbereitung möglicher Gesetze im Glücksspielbereich einschließlich der Bemühungen von Dritten um bestimmte Handlungen seitens der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder ('Hintergrunddeals').
3. Begünstigung von Dritten
Aufklärung über die Einflussnahme von politischen FunktionsträgerInnen, leitenden Bediensteten sowie deren jeweiligen Büros auf die Vollziehung von Angelegenheiten betreffend Personen, die direkt oder indirekt Parteien oder WahlwerberInnen begünstigten einschließlich diese betreffende behördliche Ermittlungen sowie der Umgang mit Ansuchen um privilegierte Behandlung durch diesen Personenkreis.
4. Neustrukturierung der Finanzaufsicht
Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren in Zusammenhang mit der Reform der Finanzaufsicht, insbesondere den Kompetenzverschiebungen zwischen BMF, FMA und OeNB und die Neubesetzung der jeweiligen Organe. Dazu zählt auch die (versuchte) Einflussnahme Dritter auf die Reformüberlegungen.
5. Ermittlungen in der Ibiza-Affäre
Aufklärung über die politische Einflussnahme auf den Zeitablauf, die Vorgangsweise, Kommunikation und Strategie der behördlichen Ermittlungen in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos einschließlich der Tätigkeiten und Zusammensetzung der SOKO Ibiza.
6. Beteiligungsmanagement des Bundes
Aufklärung über die Einflussnahme der Bundesregierung auf die ÖBIB bzw ÖBAG, die Hintergründe, Strategien und Motive der Umstrukturierung der ÖBIB zur ÖBAG und die verwaltungsseitige Vorbereitung der entsprechenden Gesetzesnovellen sowie Aufklärung über das Funktionieren des Beteiligungsmanagements des Bundes.
7. Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen
Aufklärung über die Beeinflussung von Personalentscheidungen in Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung von Thomas Schmid zum Vorstand der ÖBAG, sowie von Mitgliedern von Aufsichtsräten als mögliche Gegenleistung oder Belohnung für die direkte oder indirekte Begünstigung politischer Parteien oder WahlwerberInnen.
8. Verdacht des Gesetzeskaufs
Aufklärung über die Einräumung von Einflussnahmemöglichkeiten an Dritte auf das Gesetzgebungsverfahren – sofern es der Vollziehung zuzurechnen ist - einschließlich Regierungsakten, als Folge der Begünstigung bestimmter politischer Parteien oder WahlwerberInnen.
[…]
Begründung
'Die Novomatic zahlt alle' – Es ist dieser Satz, gesprochen vom damaligen FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache im Ibiza-Video, der im Zentrum des Untersuchungsgegenstands steht. Der Verdacht steht im Raum, dass damals in der Theorie formuliert wurde, was später, als die FPÖ in die Regierung kam, gemeinsam mit der ÖVP umgesetzt werden sollte. Gegenwärtig ermittelt nach dem Ende einer türkis-blauen Regierung die Staatsanwaltschaft – wegen des Verdachtes von Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch.
Die Verdachtslage erhärtete sich bei der Bestellung des FPÖ-Bezirksrates Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG. Laut Medienberichten und veröffentlichten Chatprotokollen steht der Verdacht im Raum, dass der Novomatic gegen Geld (Spende an FPÖ-Mandatar) und Postenvergabe (Einsatz für Sidlo) bessere gesetzliche Rahmenbedingungen (Casinokonzessionen) in Aussicht gestellt wurden – hier besteht also der Verdacht des Gesetzeskaufs.
Die Causa Casinos könnte aber nur die Spitze des Eisbergs sein. Der nun verlangte Untersuchungsausschuss hat zum Ziel, die politische Verantwortung der türkis-blauen Bundesregierung zu klären. Vor allem muss im Sinne demokratischer Kontrolle geklärt werden, ob neben den bislang bekannten Fällen noch weitere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Maßnahmen der türkis-blauen Bundesregierung nur deswegen getroffen wurden, weil illegale Geldflüsse und/oder Postenvergaben versprochen wurden.
Zum Untersuchungsgegenstand im Besonderen:
Zum bestimmten, abgeschlossenen Vorgang:
Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären[…]. Der hier zu untersuchende Vorgang besteht in seinem Kern aus der politischen Absprache über eine ungebührliche Bevorteilung von Dritten in ausgewählten Bereichen der Vollziehung des Bundes. Eine solche Absprache zur Bevorteilung erfolgt auf Grund einer bestimmten politischen Motivlage, ohne deren Kenntnis gewisse Sachverhalte nicht hinreichend erklärt oder überhaupt als Bestandteil eines inhaltlichen Komplexes erkannt werden können. Erst durch die Offenlegung der Motivlage – im konkreten Fall das Erbringen einer Gegenleistung für die vorausgegangene Begünstigung politischer Parteien - erhalten diese Vollziehungshandlungen ihren größeren Sinn und werden als Teile eines gemeinsamen Vorgangs erkennbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Existenz einer solchen Motivlage nicht freiwillig offenbart wird, sondern im Gegenteil erst durch entsprechende Untersuchungen aufgeklärt werden muss.
Zu diesem Zweck ist der Untersuchungsgegenstand zunächst mit dem Verdacht der politischen Absprache zum Zweck der ungebührlichen Vorteilsgewährung bestimmt und wird sodann auf Grund der bestehenden Informationen auf einzelne Vollziehungsbereiche eingegrenzt. Diese in den lita bis g genannten Bereiche geben die zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Verlangens öffentlich bekannten Verdachtsmomente wieder. Das Verlangen umschreibt so jene Bereiche der Vollziehung, in denen sich die abgesprochene Vorteilsgewährung manifestiert haben soll. Es handelt sich dabei um Angelegenheiten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind (insb. Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG) bzw Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes darstellen.
Politische Absprache erfasst die Kommunikation und die Abstimmung von Handlungen von Mitgliedern der Bundesregierung, ihren Büros und unterstellten Bediensteten mit dem Ziel, ein gewisses Ergebnis zu erzielen. Die Feststellung der tatsächlichen Existenz der Absprache zur ungebührlichen Vorteilsgewährung ist Teil der Untersuchung und obliegt daher ausschließlich dem Untersuchungsausschuss selbst. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Ergründung der Motivlage im Bereich der Aufklärung über die politische Verantwortung zu verorten ist. Im Zuge der Vorlage von Beweismitteln ist von den vorlagepflichtigen Organen somit in Einklang mit der Judikatur des VfGH lediglich zu prüfen, ob Akten und Unterlagen eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand haben könnten.
Die Wendung 'ungebührliche Vorteile' stellt einen Überbegriff für verschiedene Formen der Privilegierung dar. Der für die Untersuchung relevante Bereich kann sich daher von der Übernahme bestimmter Inhalte in der Vorbereitung der Gesetzgebung, der Auswahl bestimmter Personen für Funktionen, dem Verzögern oder Beschleunigen gewisser Verfahren bis zur Weitergabe von Informationen aus Strafverfahren erstrecken. Entscheidend ist die Eignung, bestimmte natürliche oder juristische Personen im Vergleich mit anderen zu privilegieren. Tatsächliche Unsachlichkeit der unterschiedlichen Behandlung oder Rechtswidrigkeit ist nicht erforderlich, um vom Untersuchungsgegenstand erfasst zu sein.
Entscheidende Akteure sind auf Seite der Verwaltung die Mitglieder der Bundesregierung sowie Staatssekretäre in der Zeit der Regierung Kurz sowie deren KabinettsmitarbeiterInnen und Generalsekretäre. Hier gilt es zu klären, ob sie zusammengewirkt haben, um ein gewisses, Dritte begünstigendes Ergebnis zu erzielen.
Auf Grund der bisherigen Berichterstattung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diesen unterstellte leitende Bedienstete bei der Vorteilsgewährung eine wesentliche Rolle einnahmen. Ihnen muss zumindest eine gewisse Ingerenz auf das Verwaltungshandeln zukommen, da sonst jedenfalls eine abstrakte Eignung fehlt, um zum untersuchenden Vorgang beizutragen. Leitende Bedienstete werden daher ausdrücklich miteinbezogen. Nicht-leitende Bedienstete sind vom jeweils zuständigen Organ nichtsdestotrotz im Rahmen der Beweisanforderung aufzufordern, ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (siehe dazu VfgH UA1/2018 und UA3/2018).
Akteure auf dritter Seite sind natürliche oder juristische Personen, die eine politische Partei oder WahlwerberInnen direkt oder indirekt begünstigten. Sie sind mögliche Nutznießer einer Privilegierung. In der Regel wird in diesem Zusammenhang eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Situation erforderlich sein. In der Zielgerichtetheit der Vorteilszuwendung liegt die Abgrenzung zu normalem politischem Handeln.
Die zeitliche Abgrenzung erfolgt mit der Angelobung der Regierung Kurz am und endet mit . Das ist jener Tag, an dem eine außerordentliche Hauptversammlung der CASAG zur Abberufung von Peter Sidlo anberaumt war und der Verkauf der CASAG-Anteile der Novomatic an die Sazka Gruppe bekannt gegeben wurde. Der Vorgang ist somit abgeschlossen.
Vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind auch Vorbereitungs- sowie Verdunkelungshandlungen. Die Festlegung einer fortlaufenden Beweisvorlagepflicht im grundsätzlichen Beweisbeschluss wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen.
Zu lita:
Diese Formulierung schafft die Grundlage für die Aufklärung zu den Beweisthemen 1 und 2.
Die Vollziehung der genannten Bestimmungen des Glücksspielgesetzes umfasst insbesondere die Wahrnehmung der Aufsicht durch den Bundesminister für Finanzen in Hinblick auf die Vergabe von Konzessionen, die Beteiligungsverhältnisse und die fachlichen Anforderungen an Geschäftsleiter und Aufsichtsräte sowie die abgabenrechtlichen Bestimmungen. Es sind in der Aufzählung all jene Bestimmungen genannt, die in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu den Ermittlungen der WKStA genannt sind. Nicht umfasst ist unter anderem die Vollziehung der Strafbestimmungen, da bezirksverwaltungsbehördliche Kontrollen nach dem Glücksspielgesetz von vornherein dem Austauschverhältnis unzugänglich sind, das dem Untersuchungsgegenstand zu Grunde liegt. Die (versuchte) Beeinflussung des Bundesministers für Finanzen wäre wiederum über den Verweis auf § 19 leg.cit. sehr wohl erfasst.
Zu litb:
Mit politischer Einflussnahme auf die CASAG sowie die in wirtschaftlicher Beziehung zu ihr stehenden Unternehmen ist in einem weiteren Sinne die Verwaltung des Glücksspielsektors zu verstehen, einschließlich der Kommunikation von Organen des Bundes mit am Glücksspielsektor Interessierten und umgekehrt sowie das Beteiligungsmanagement des Bundes in diesem Bereich.
Unter direkte oder indirekte EigentümerInnen sind sowohl natürliche als auch juristische Personen zu verstehen, die im Untersuchungszeitraum entweder direkt Anteile an der CASAG hielten oder dies über zwischengeschaltete Personen – selbst wenn über mehrere Ebenen - taten (Mutter-Tochter- und Schachtel-Konstruktionen). Also auch jene Personen, die EigentümerInnen der EigentümerInnen usw waren. Tochterunternehmen sind jene der CASAG, also insbesondere die Casinos Austria International und die Österreichischen Lotterien, aber auch die Medial Beteiligungs-Gesellschaft m.b.H. ('MEDIAL'). OrganwalterInnen sind alle Vorstände, Aufsichtsräte, GeschäftsführerInnen, usw, je nach Rechtsform, über die Dauer des Untersuchungszeitraumes. Die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn zu einem beliebigen Zeitpunkt während des Untersuchungszeitraumes genügt.
Zu litc:
Diese Formulierung dient als Grundlage für die Aufklärung über den Vorwurf des Gesetzeskaufs. Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens zählt insbesondere die ressortinterne legistische Vorbereitung von der entsprechenden Kommunikation zwischen BundesministerIn, dem Kabinett bzw Generalsekretär und der zuständigen Abteilung bis hin zum Ministerialentwurf, die Kommunikation innerhalb der Bundesregierung und zwischen unterschiedlichen Ressorts sowie mit Dritten zum jeweiligen Gesetzesvorhaben, die Einholung von externer Expertise und die weitere Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens.
Es sind nur jene Gesetzgebungsverfahren erfasst, die unter die angegebenen Kompetenztatbestände fallen. Es handelt sich um jene Gesetzgebungskompetenzen, bei denen auf Grund der bisherigen Berichterstattung bzw auf Grund der mit dem jeweiligen Regelungsbereich zwangsläufig verbundenen wirtschaftlichen Interessen das Bestehen des im Untersuchungsgegenstand beschriebenen Austauschverhältnisses denkmöglich ist. Ausgenommen sind demgegenüber alle sicherheitspolitischen Gesetzgebungskompetenzen, das Bildungswesen, das Dienstrecht sowie auswärtige Angelegenheiten.
Von den 117 Regierungsvorlagen der XXVI.GP sind daher geschätzt 60% vom Untersuchungsgegenstand umfasst. Sehr wohl umfasst sind ReferentInnen- und Ministerialentwürfe, selbst wenn diese schlussendlich niemals der Bundesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt wurden.
Zu litd:
Die genannten Bestimmungen der BAO bzw des FinStrG regeln die Meldung von Schenkungen ab gewissen Wertgrenzen an das zuständige Finanzamt bzw die Sanktionen bei Verstößen gegen diese Meldepflicht. Schenkungen an Personen in oder im Umfeld von politischen Parteien bilden eine mögliche Umgehung der gesetzlichen Spendenverbote bzw vorgeschriebenen Transparenzbestimmungen. Auf Grund der Verdachtsmomente in Hinblick auf in Angelegenheiten des Glücksspiels involvierte Personen soll die Vollziehung der Schenkungsmeldungen für diesen beschränkten Personenkreis Teil der Untersuchung sein.
Zu lite:
Ab ihrer Angelobung bereitete die türkis-blaue Bundesregierung eine Reform der Finanzaufsicht vor. Dabei sollte es zu Kompetenzverschiebungen zwischen der Finanzmarktaufsicht, dem BMF und der Oesterreichischen Nationalbank kommen. Außerdem wurden die Organe der Oesterreichischen Nationalbank und der FMA neu bestellt. Der medialen Berichterstattung war in diesem Zeitraum zu entnehmen, dass zwischen den Regierungsparteien Vereinbarungen getroffen wurden, die jenen bei der Casinos Austria AG stark ähneln. Daher wird dieser Bereich ausdrücklich in den Untersuchungsgegenstand einbezogen und als Beweisthema 4 geführt. Umfasst sind alle Vorarbeiten, Verfahren und Entscheidungen für die Reform der Finanzaufsicht sowie für die Bestellung der Organe.
Zu litf:
Der Bund ist neben der Casinos Austria AG an einer Vielzahl von Unternehmungen direkt oder indirekt beteiligt. Mehrere Personalentscheidungen der türkis-blauen Bundesregierung erweckten den Eindruck, dass diese als Gegenleistung für die Begünstigung politischer Parteien erfolgten. Die Formulierung beschränkt sich absichtlich nicht auf die tatsächliche Ausübung der Eigentümerrechte, sondern umfasst auch informelles Vorgehen von Organen des Bundes, insbesondere dort, wo keine direkte Beteiligung des Bundes besteht. Die Einflussnahme von Organen des Bundes auf die ÖBAG ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Von der Formulierung nicht erfasst sind Anstalten, Stiftungen und Fonds des Bundes.
Zu litg:
Ziel der Untersuchungen zu diesem Beweisthema ist es, festzustellen, ob die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder anderer Behörden in solchen Verfahren von politischer Seite beeinflusst wurden, um etwa die politische Absprache der ungebührlichen Begünstigung zu verdunkeln.
Diese Formulierung umfasst zwei Fälle: einerseits all jene straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen, einschließlich verwaltungsstrafrechtlicher Ermittlungen, die egal aus welchem Grund (von Amts wegen, auf Grund von Anzeigen oder Privatanklagen) in Folge des Ibiza-Videos geführt werden, unabhängig davon, ob diese bereits eingestellt oder auf andere Art erledigt wurden oder nicht. Exemplarisch zu nennen sind die Verfahren gegen Hartwig Löger, Heinz-Christian Strache, Markus Tschank, Johann Gudenus sowie die 'Drahtzieher' des Ibiza-Videos. Andererseits sind Fälle von Ermittlungen umfasst, die gegen die Casinos Austria und deren direkte oder indirekte EigentümerInnen (insbesondere Medial, ÖBAG, Novomatic) sowie OrganwalterInnen geführt werden. Entscheidender Zeitrahmen für die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn ist jeder beliebige Zeitpunkt innerhalb des Untersuchungszeitraums. Somit sind auch die EigentümerInnen der EigentümerInnen sowie die OrganwalterInnen der Eigentümergesellschaften und so weiter sowie Personen umfasst, die zwar am EigentümerIn oder OrganwalterIn waren, jedoch nicht mehr am . Nur durch die Kenntnis dieser Verfahren kann die Aufklärung darüber gelingen, ob es politische Einflussnahmeversuche gab."
1.2.Der Geschäftsordnungsausschuss hat über dieses Verlangen in seinen Sitzungen am 8. und beraten sowie am ua mehrheitlich den angefochtenen Beschluss gefasst, das vorliegende Verlangen im hervorgehobenen Umfang gemäß § 3 Abs 2 VO-UA für teilweise unzulässig zu erklären (ohne die sonstigen im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Untersuchungsgegenstand:
Untersuchungsgegenstand ist die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unterstellte leitende Bedienstete an natürliche oder juristische Personen, die politische Parteien direkt oder indirekt begünstigen, im Zuge der
a)Vollziehung der § 12a, 14 bis 16, 18 bis 24a, 30, 31, 31b Abs 1 und 6 bis 9, sowie 57 bis 59 Glücksspielgesetz idjgF;
b)Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, ihre direkten oder indirekten Eigentümerinnen sowie ihre Tochterunternehmungen und jeweiligen OrganwalterInnen;
c)Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art 10 Abs 1 Z1, 4-6 und 8-12, Art 11 Abs 1 Z 3 und 7, Art 12 Abs 1 Z 1 und 5 sowie Art 14b Abs 1 B-VG idjgF;
d)Vollziehung der § 121a BAO sowie Art 1 § 49a FinStrG idjgF in Bezug auf die in litb genannten Personen;
e)Umstrukturierung der Finanzaufsicht (BMF, Österreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe;
f)Bestellung von Organen (einschließlich Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführungen) von Unternehmungen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist;
g)straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos und gegen die Casinos Austria AG, ihre direkten und indirekten EigentümerInnen sowie Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen
einschließlich von Vorbereitungs- und Verdunkelungshandlungen im Zeitraum von bis .
Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands
1. Managemententscheidungen bei der Casinos Austria AG
Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren zur Besetzung von Funktionen in der Casinos Austria AG und ihren Tochterunternehmen sowie die Kommunikation zwischen den Eigentümern der CASAG bzw Mitgliedern der Gesellschaftsgremien sowie Amtsträgern. Dazu zählt die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen, die Willensbildung sowie die Überprüfung der jeweiligen persönlichen Eignung bei der Bestellung der GeschäftsleiterInnen (insbesondere Peter Sidlo) sowie des Aufsichtsrates der CASAG, die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen der Republik sowie die in Folge des Bekanntwerdens der Ermittlungen der WKStA getroffenen Maßnahmen.
2. Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes
Aufklärung über die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt, die Vorgangsweise und die politische Einflussnahme auf die Vollziehung des Glücksspielgesetzes sowie die Vorbereitung möglicher Gesetze im Glücksspielbereich einschließlich der Bemühungen von Dritten um bestimmte Handlungen seitens der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder ('Hintergrunddeals').
3. Begünstigung von Dritten
Aufklärung über die Einflussnahme von politischen FunktionsträgerInnen, leitenden Bediensteten sowie deren jeweiligen Büros auf die Vollziehung von Angelegenheiten betreffend Personen, die direkt oder indirekt Parteien oder WahlwerberInnen begünstigten einschließlich dies betreffende behördliche Ermittlungen sowie der Umgang mit Ansuchen um privilegierte Behandlung durch diesen Personenkreis.
4. Neustrukturierung der Finanzaufsicht
Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und Verfahren in Zusammenhang mit der Reform der Finanzaufsicht, insbesondere den Kompetenzverschiebungen zwischen BMF, FMA und OeNB und die Neubesetzung der jeweiligen Organe. Dazu zählt auch die (versuchte)Einflussnahme Dritter auf die Reformüberlegungen.
5. Ermittlungen in der Ibiza-Affäre
Aufklärung über die politische Einflussnahme auf den Zeitablauf, die Vorgangsweise, Kommunikation und Strategie der behördlichen Ermittlungen in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos einschließlich der Tätigkeiten und Zusammensetzung der SOKO Ibiza.
6. Beteiligungsmanagement des Bundes
Aufklärung über die Einflussnahme der Bundesregierung auf die ÖBIB bzw ÖBAG, die Hintergründe, Strategien und Motive der Umstrukturierung der ÖBIB zur ÖBAG und die verwaltungsseitige Vorbereitung der Gesetzesnovellen sowie Aufklärung über das Funktionieren des Beteiligungsmanagements des Bundes.
7. Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen
Aufklärung über die Beeinflussung von Personalentscheidungen in Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung von Thomas Schmid zum Vorstand der ÖBAG, sowie von Mitgliedern von Aufsichtsräten als mögliche Gegenleistung oder Belohnung für die direkte oder indirekte Begünstigung politischer Parteien oder WahlwerberInnen.
8. Verdacht des Gesetzeskaufs
Aufklärung über die Einräumung von Einflussnahmemöglichkeiten an Dritte auf das Gesetzgebungsverfahren-sofern es der Vollziehung zuzurechnen ist-einschließlich Regierungsakten, als Folge der Begünstigung bestimmter politischer Parteien oder WahlwerberInnen."
Dem Bericht des Geschäftsordnungsausschusses ist – neben der Darstellung der Rechtslage – folgende Begründung für den angefochtenen Beschluss zu entnehmen (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"C. Teilweise Unzulässigkeit des Verlangens 1/US
1. Gegenstand der Prüfung
Nach § 3 Abs 2 VO-UA ist lediglich die Feststellung der (teilweisen) Unzulässigkeit eines Verlangens vorgesehen. Eine korrespondierende Beschlussfassung über die (teilweise) Zulässigkeit hat dagegen nicht zu erfolgen. Der Beschluss beschränkt sich daher auf die als unzulässig erkannten Teile.
Das gegenständliche Untersuchungsverlangen führt zunächst unter der Überschrift 'Untersuchungsgegenstand' einen in sieben Buchstaben untergliederten Text an. Daran schließen sich unter der Überschrift 'Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstandes' weitere acht Ziffern an, welche sich nur teilweise den zuvor angeführten Buchstaben zuordnen lassen, teilweise über diese hinausgehen.
§3 Abs 2 VO-UA sieht vor, dass der Geschäftsordnungsausschuss die (teilweise) Unzulässigkeit eines 'Verlangens gem. § 1 Abs 2' feststellen kann. Die Materialien[…] führen dazu an, dass Prüfungsgegenstand des Geschäftsordnungsausschusses der Untersuchungsgegenstand sei, der die Grundlage für alle weiteren verfahrensleitenden Beschlüsse (grundsätzlicher Beweisbeschluss, ergänzende Beweisanforderungen, Ladungsbeschlüsse) bildet. Prüfungsmaßstab sei Art 53 Abs 2 B-VG.
§1 Abs 5 VO-UA spricht davon, dass 'eine inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstandes nach Beweisthemen' zulässig sei. Im Handbuch, Rz 48 heißt es:
Wenn der Untersuchungsgegenstand gemäß § 1 Abs 5 VO-UA in Beweisthemen gegliedert ist, ist eine Änderung oder Ergänzung der Beweisthemen einer Änderung des Untersuchungsgegenstandes gleichzuhalten.
Angesichts des Wortlauts von § 1 Abs 5 VO-UA und der Gestaltung des zu prüfenden Untersuchungsverlangens 1/US unterliegen die unter der Überschrift 'Beweisthemen...' angeführten Ziffern (in der Folge: Beweisthemen) daher ebenfalls der Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuss.
Eine Prüfung und allfällige Feststellung der Unzulässigkeit der mit 'Begründung' überschriebenen Textteile des Verlangens ist angesichts der fehlenden rechtlichen Wirkung dieser Teile dagegen nicht angezeigt.
2. 'mutmaßliche politische Absprache'
Das Verlangen 1/US verstößt gegen das oben näher dargestellte Verbot der Sammlung nicht in Zusammenhang stehender Themenbereiche, und der Untersuchungsgegenstand stellt daher keinen 'bestimmten, abgeschlossenen Vorgang' iSd Art 53 Abs 2 B-VG dar.
Wie sich aus der Begründung des Verlangens ergibt, hat die Einsetzungsminderheit diese Problematik offenkundig erkannt und versucht daher als Kern der Untersuchung eine zunächst äußerst allgemein beschriebene, 'mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unterstellte leitende Bedienstete an natürliche oder juristische Personen, die politische Parteien direkt oder indirekt begünstigen, [...] einschließlich von Vorbereitungs- und Verdunkelungshandlungen im Zeitraum von bis ' darzustellen.
Zunächst ist festzuhalten, dass diese 'mutmaßliche politische Absprache' hinsichtlich des Inhalts und der handelnden Personen so allgemein und unspezifisch gehalten ist, dass sie für sich genommen das Kriterium der Bestimmtheit des Untersuchungsgegenstandes jedenfalls nicht erfüllen könnte.
Allerdings bezieht das Verlangen diese 'mutmaßliche politische Absprache' auf in mehreren Unterpunkten näher beschriebene Vollziehungsbereiche. Untersuchungsgegenstand sind daher jeweils nicht die unter den einzelnen Buchstaben genannten Vollziehungsbereiche, sondern die dazu mutmaßlich erfolgten Absprachen über ungebührliche Vorteile an Dritte.
Die so erfolgte 'Umklammerung' der unterschiedlichen Themenbereiche kann für sich jedoch nicht einen ausreichenden Zusammenhang herstellen: Wie oben erläutert wurde und sich insbesondere aus den Materialien ergibt, müsste ein inhaltlicher, persönlicher oder zeitlicher Zusammenhang begründet werden.
Ein inhaltlicher Zusammenhang mag zwar (teilweise) zwischen einzelnen der Buchstaben bestehen (dazu näher unten), durch die einleitende Klammer selbst entsteht er jedoch nicht: der Vorwurf einer 'mutmaßlichen politischen Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile' ist selbst so allgemein, dass er einen fehlenden inhaltlichen Konnex nicht ersetzen kann. Andernfalls könnte mit pauschal formulierten Verdachtsmomenten eines umfassenden Tatplans stets eine Sammlung verschiedenster Themen in einen Untersuchungsausschuss bewerkstelligt werden. Damit würde jedoch der Bedeutungsgehalt des Art 53 Abs 2 B-VG und des in seiner Umsetzung erlassenen § 1 Abs 5 2. Satz VO-UA völlig entkernt. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch Bezemek[…].
Die Klammer der 'mutmaßlichen politischen Absprache' erscheint daher als Umgehungskonstruktion. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Formulierung der Beweisthemen, welche den Vorwand des Abstellens auf eine umfassende politische Absprache gänzlich entfallen lassen, und sich vielmehr inhaltlich auf die Untersuchung unterschiedlichster Bereiche der Bundesvollziehung beziehen.
Durch die gewählte Formulierung wird auch kein ausreichender persönlicher Zusammenhang begründet. An Akteuren auf Seiten des Bundes werden genannt: Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unterstellte leitende Bedienstete. Der unbestimmte Begriff der leitenden Bediensteten umfasst nach den Vorstellungen der Einsetzungsminderheit, wie der Begründung zu entnehmen ist, KabinettsmitarbeiterInnen und Generalsekretäre sowie diesen unterstellte (weitere) leitende Bedienstete. Der im Titel des Verlangens genannten 'türkis-blauen Bundesregierung' gehörten 15 BundesministerInnen und 2 StaatssekretärInnen an. Nimmt man für jedes Bundesministerium einen Generalsekretär sowie rund 10 KabinettsmitarbeiterInnen an, so ergeben sich bereits daraus etwa 180 Personen, dazu kämen noch die nicht näher spezifizierten 'leitenden Bediensteten'. Auf Passivseite der 'Gewährung ungebührlicher Vorteile' stehen 'natürliche oder juristische Personen, die politische Parteien direkt oder indirekt begünstigten'. Auch in persönlicher Hinsicht kann die Formulierung des Verlangens daher keinen ausreichenden Zusammenhang begründen.
Der Untersuchungszeitraum von ungefähr zwei Jahren kann für sich allein genommen diese Mängel nicht ausgleichen.
3. Gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit
Vorweggenommen werden kann, dass nicht zwischen allen im Untersuchungsgegenstand genannten Buchstaben und Beweisthemen ein ausreichender inhaltlicher Zusammenhang besteht, wie noch näher zu erläutern sein wird.
Es stellt sich damit die Frage, ob dies zur gänzlichen Unzulässigkeit des Verlangens, oder nur zu einer teilweisen Unzulässigkeit führt.
Sowohl aus der Reihung der im Verlangen genannten Vollziehungsbereiche als auch aus ihrer zahlenmäßigen Gewichtung ergibt sich, dass die Einsetzungsminderheit im Verlangen einen Schwerpunkt im Themenkomplex Casinos Austria – Glücksspiel gesetzt hat.
Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht gebietet es, die aus rechtlichen Gründen nach Auffassung der Mehrheit erforderliche Feststellung der Unzulässigkeit auf das notwendige Maß zu beschränken.
Aus diesem Grund erscheint es angebracht, lediglich die teilweise Unzulässigkeit jener Teile des Verlangens festzustellen, die mit dem genannten Themenkomplex in keinem direkten Zusammenhang stehen und somit dem Bestimmtheitserfordernis des Art 53 Abs 2 B-VG und des § 1 Abs 5 2. Satz VO-UA zuwiderlaufen.
Sollte die Einsetzungsminderheit ein anderes Thema für dringender erachten, könnte sie gem. § 1 Abs 7 VO-UA das Verlangen bis zum Beginn der Behandlung des Ausschussberichts im Nationalratsplenum zurückziehen, und wäre so (auch in zeitlicher Hinsicht) nicht schlechter gestellt als bei einer Feststellung der gänzlichen Unzulässigkeit.
4. Litc) des Untersuchungsgegenstandes
Unter diesem Buchstaben wird die Untersuchung der mutmaßlichen politischen Absprachen zu Gesetzgebungsverfahren zu zahlreichen Kompetenztatbeständen verlangt. Zu dem insbesondere in den lita), b) und d) angesprochenen Themenkomplex der Casinos Austria bzw des Glücksspiels besteht ein inhaltlicher Zusammenhang lediglich hinsichtlich der Kompetenzgrundlage des Art 10 Abs 1 Z 4 B-VG: 'Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind; Monopolwesen'. Auf diesen Kompetenztatbestand stützt sich die in Beweisthema 2 genannte Reform des Glückspielgesetzes.
Bei den zahlreichen anderen aufgezählten Kompetenztatbeständen[…] ist ein solcher Zusammenhang nicht erkennbar, und wird im Verlangen auch nicht erläutert. Vielmehr wird in der Begründung ausgeführt, dass bei diesen Regelungsbereichen das Bestehen eines Austauschverhältnisses 'denkmöglich' sei. Das genügt jedoch nicht.
Festzuhalten ist weiters, dass abseits der konkret auf die Reform des Glückspielgesetzes bezogenen Teile die litc) nicht dem Erfordernis der Bestimmtheit genügt und auch aus diesem Grund unzulässig ist. Die Begründung des Verlangens selbst räumt ein, dass geschätzt 60% der Gesetzesvorhaben der türkis-blauen Bundesregierung betroffen wären, zuzüglich aller Vorentwürfe.
5. Lite) des Untersuchungsgegenstandes
Während sich hinsichtlich der Umstrukturierung der ÖBAG zur ÖBIB als Miteigentümerin der Casinos Austria AG gerade noch ein inhaltlicher Zusammenhang erkennen lässt[…], kann ein solcher bezüglich der Finanzaufsicht durch BMF, Österreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht nicht erblickt werden.
In der Begründung des Verlangens wird angeführt, dass die zwischen den Regierungsparteien in diesem Bereich getroffenen Vereinbarungen jenen bei den Casinos Austria 'stark ähneln' würden. Damit ist ein ausreichender inhaltlicher oder personeller Zusammenhang jedoch nicht dargetan. Bloße Ähnlichkeit kann das Vorliegen eines bestimmten Vorgangs iSd Art 53 Abs 2 B-VG nicht begründen.
Die Wortfolge betreffend die Finanzaufsicht und den Klammerausdruck ist daher wegen des fehlenden Zusammenhangs als unzulässig festzustellen.
6. Litf) des Untersuchungsgegenstandes
Wenn auch ein wesentlicher Teil des Themenbereichs Casinos und Glücksspiel die Besetzung von Leitungsfunktionen in der Casinos Austria AG betrifft, so kann dies dennoch nicht einen ausreichenden inhaltlichen Zusammenhang zu der in litf) verlangten Untersuchung aller Bestellungen von Organen in Unternehmungen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, begründen. Diese Formulierung ist vielmehr weit überschießend und umfasst zahlreiche Bestellungen, die mit dem Themenbereich Glücksspiel und Casinos in überhaupt keinem Zusammenhang stehen.
Aufgrund der gewählten Formulierung ist es hier auch nicht möglich, durch bloße Streichung von Wörtern eine Beschränkung auf einen zulässigen Umfang zu erreichen.
Darüber hinaus entspricht die litd) auch nicht dem Bestimmtheitserfordernis, zumal jede – auch noch so entfernte – mittelbare Beteiligung erfasst wäre.
Die litf) ist daher zur Gänze unzulässig.
Festzuhalten ist aber, dass gerade die mutmaßlichen Absprachen zu den Postenbesetzungen in den Casinos Austria auch durch die litb) bzw Beweisthema 1 abgedeckt sind, die nicht als unzulässig festgestellt werden.
7. Litg) des Untersuchungsgegenstandes
Hinsichtlich der mutmaßlichen Absprachen zur Beeinflussung strafrechtlicher Ermittlungen unterscheidet das Verlangen in der Begründung selbst zwischen zwei Fällen, nämlich den Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos einerseits, und den Ermittlungen gegen die Casinos Austria und deren EigentümerInnen und OrganwalterInnen andererseits. Dass zwischen diesen beiden Ermittlungen ein Zusammenhang bestehe, wird im Verlangen nicht behauptet.
Während bezüglich der Ermittlungen zu den Casinos Austria ein Zusammenhang zu diesem Thema anzunehmen ist, trifft dies auf die Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos nicht zu.
Sofern die litg) daher auf die Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos Bezug nimmt, ist sie unzulässig.
Sofern in den dazu geführten Ermittlungen tatsächlich Bezüge zum Thema Casinos Austria bestehen sollten, wären diese aufgrund der verbleibenden Teile der litg) ohnehin vom Untersuchungsgegenstand und der Vorlagepflicht erfasst.
Festgehalten wird, dass die litg) dahingehend verstanden wird, dass durch das Wort 'jeweiligen' vor 'Organwalterlnnen' ausgedrückt wird, dass nur solche OrganwalterInnen des Bundes als 'indirektem Eigentümer' erfasst sind, die eben mit der Wahrnehmung dieser Eigentümerrechte befasst sind, im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgaben. Untersuchungsgegenstand ist wie auch sonst aufgrund der 'Klammer' die 'mutmaßliche politische Absprache' im Zuge der genannten formalen Verfahren, nicht jedoch der Inhalt der Ermittlungen selbst, insbesondere sofern dieser dem Bereich Rechtsprechung zuzurechnen wäre.
8. Beweisthema 1
Die Formulierung 'Managemententscheidungen bei der Casinos Austria AG' verkennt, dass Untersuchungsgegenstand nur die Vollziehung des Bundes sein kann. Die Managemententscheidungen der Casinos Austria selbst können dagegen nach Art 53 Abs 2 B-VG nicht untersucht werden.
Die Überschrift des Beweisthema 1 ist daher insofern unzulässig.
9. Beweisthema 3
Bei diesem Beweisthema ist keine Abdeckung durch die bei den Untersuchungsgegenständen genannten Themenbereiche zu erkennen. Es besteht auch kein Konnex zum Themenbereich Casinos und Glücksspiel. Wieder ist die Formulierung weit überschießend, und kann nicht durch bloße Streichungen auf einen nur das Glücksspiel betreffenden Teil reduziert werden.
Neben dem fehlenden Zusammenhang wird auch das Bestimmtheitserfordernis nicht erfüllt. Das Beweisthema ist daher gänzlich unzulässig.
10. Beweisthema 4
Hier gilt das oben zu lite) Gesagte. Ein Zusammenhang der Neustrukturierung der Finanzaufsicht zu den Casinos und Glücksspiel besteht nicht, weshalb das Beweisthema zur Gänze unzulässig ist.
11. Beweisthema 5
Es ist auf das oben zu litg) Gesagte zu verweisen. Ein Zusammenhang der Ermittlungen zum Ibiza-Video mit dem Themenbereich Casinos und Glücksspiel besteht nicht, das Beweisthema ist daher zur Gänze unzulässig.
12. Beweisthema 6
Die Bezugnahme auf das generelle Beteiligungsmanagement des Bundes in der ÖBAG bzw ÖBIB ist überschießend, da dieses neben der Casinos Austria AG noch zahlreiche andere Beteiligungen betrifft. Sofern die Casinos Austria AG betroffen ist, greift ohnehin litb). Lediglich hinsichtlich der Umstrukturierung der ÖBAG zur ÖBIB kann ein Zusammenhang zu den Vorgängen rund um die Casinos Austria AG erkannt werden.
Die überschießenden Formulierungen betreffend das Beteiligungsmanagement im Allgemeinen sind daher unzulässig.
13. Beweisthema 7
Hier gilt das oben zu litf) Gesagte. Die allgemeine Formulierung ist im Hinblick auf den geforderten Zusammenhang zum Themenkomplex Casinos Austria und Glücksspiel überschießend.
Lediglich die Bestellung des Vorstands der ÖBAG ist durch lite) abgedeckt, die übrigen Teile sind unzulässig, weshalb auch die Überschrift in ihrer Allgemeinheit teilweise unzulässig ist.
14. Beweisthema 8
Verwiesen wird auf die Ausführungen zu litc) oben. Das Beweisthema ist in der vorliegenden Allgemeinheit überschießend und daher zur Gänze unzulässig, da zahlreiche Bestellungen erfasst wären, die in keinem Zusammenhang zum Thema Casinos und Glücksspiel stehen. Die Reform des Glücksspielgesetzes ist ohnehin durch litc) und Beweisthema 2 abgedeckt."
2.Die einschreitenden Mitglieder des Nationalrates begründen ihre Anfechtung inhaltlich wie folgt:
2.1.Mit der vorliegenden Anfechtung werde vom Verfassungsgerichtshof erstmals seit Neufassung des Art 53 B-VG bzw Erlassung des Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses über die Unzulässigkeit eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses begehrt.
Den Gegenstand des Verfahrens gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG bilde ausschließlich der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses gemäß § 3 Abs 2 VO-UA. Der Gesetzgeber habe die möglichen Anfechtungsgründe nicht beschränkt, wodurch jegliche Rechtswidrigkeit einen Anfechtungsgrund darstellen könne. Gleichzeitig stelle der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses den äußersten Rahmen des Verfahrens gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG dar (vgl VfSlg 19.973/2015 zu einem Beschluss gemäß § 27 Abs 4 VO-UA sowie VfSlg 20.217/2017 mwN im Hinblick auf Anträge nach Art 140 B-VG).
2.2.Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses in Anlage 3 zu AB 33 BIgNR 27. GP leide aus den folgenden Gründen zur Gänze an Rechtswidrigkeit:
2.2.1.Es bestünden in § 3 VO-UA keine näheren Anhaltspunkte, nach welchen Kriterien die Zulässigkeit zu beurteilen sei. Nach dem bloßen Wortlaut der Bestimmung wäre es rechtmäßig, ein Verlangen aus beliebigem Grund für unzulässig zu erklären. Ein solches Ausmaß an Unbestimmtheit stehe in einem Spannungsverhältnis oder gar in Widerspruch zum rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Der Ausschussbericht zur entsprechenden Novelle des GOG-NR führe zwar aus, dass Prüfungsmaßstab Art 53 Abs 2 B-VG sei. Dies gehe aus dem Wortlaut der Bestimmung jedoch nicht hervor und sei aus mehreren Gründen verfehlt.
2.2.2.Das B-VG kenne keine Ausnahmen von der Einsetzungspflicht gemäß Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG. Das B-VG enthalte insbesondere keine Bestimmung, nach der ein Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses über eine (teilweise) Unzulässigkeit – selbst wenn dieser funktionell für den Nationalrat tätig werde – der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses entgegenstehen könnte.
Art53 Abs 2 B-VG stelle keine Ausnahme zu Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG dar, weil die darin geregelten verfassungsrechtlichen Grenzen eines Untersuchungsgegenstandes unabhängig von der Art der Einsetzung des jeweiligen Untersuchungsausschusses gelten würden und somit keinen verfahrensrechtlichen Charakter hätten.
Auch die Ermächtigung des Art 53 Abs 5 B-VG an den einfachen Gesetzgeber, nähere Bestimmungen zu erlassen, ermögliche es nicht, die unbedingte Anordnung des Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG einzuschränken. Der Verfassungsgerichtshof habe zur mit Art 53 Abs 5 B-VG völlig vergleichbaren Regelung des Art 128 B-VG betreffend den Rechnungshof ausgesprochen, dass der einfache Gesetzgeber nur solche näheren Bestimmungen erlassen dürfe, die vom Inhalt der Verfassungsbestimmung umfasst seien (vgl VfSlg 3431/1958, 4106/1961, 6885/1972). Der einfache Gesetzgeber sei auf Grund des Art 53 Abs 5 B-VG lediglich berechtigt, nähere Bestimmungen insoweit zu erlassen, als der Verfassungsgesetzgeber nicht bereits Festlegungen getroffen habe. Er sei insbesondere nicht ermächtigt, von den Bestimmungen des B-VG abweichende oder gar widersprechende Regelungen zu treffen oder deren Zweck zu unterlaufen.
2.2.3.§3 Abs 2 VO-UA sei daher verfassungskonform so zu interpretieren, dass sich die Prüfung der Zulässigkeit eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf die formalen Kriterien des § 1 VO-UA beschränke. Dies decke sich auch mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, nach dem eine Prüfung der Zulässigkeit (im Gegensatz zur Prüfung auf Rechtswidrigkeit) eine Prüfung lediglich der formalen Voraussetzungen darstelle.
§1 Abs 2 und 5 VO-UA lege Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fest, die der einzige Maßstab für die Zulässigkeit eines Einsetzungsverlangens seien. So setze § 1 Abs 2 VO-UA die Zahl der notwendigen Unterstützungen mit 46 Abgeordneten fest. § 1 Abs 5 VO-UA verlange die schriftliche Übergabe des Verlangens an den Präsidenten des Nationalrates in einer Sitzung des Nationalrates unter Angabe eines Untersuchungsgegenstandes. Eine Gliederung nach Beweisthemen sei zulässig, die Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche jedoch nicht.
Hätte die einfachgesetzliche Bestimmung des § 3 Abs 2 VO-UA einen anderen Inhalt, wäre sie wegen Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bauprinzip der Bundesverfassung, insbesondere das aus Art 18 B-VG abgeleitete Bestimmtheitsgebot von Normen (auf Grund der Einräumung von Ermessen an den Geschäftsordnungsausschuss ohne jede Eingrenzung, in welchem Sinn das Ermessen auszuüben sei), gegen Art 53 Abs 1 B-VG sowie wegen Behinderung des dem Nationalrat verfassungsgesetzlich übertragenen Kontrollauftrages verfassungswidrig (vgl VfSlg 3431/1958 im Hinblick auf die festgestellte Verfassungswidrigkeit einschränkender Bestimmungen des Rechnungshofgesetzes).
2.2.4.Eine verfassungskonforme Interpretation des § 3 Abs 2 VO-UA im ausgeführten Sinne gebiete sich auch deswegen, weil der Verfassungsgesetzgeber gerade nicht angeordnet habe, dass schon der Geschäftsordnungsausschuss zur Klärung der Verfassungskonformität eines Untersuchungsgegenstandes den Verfassungsgerichtshof anrufen könne. Im Gegenteil habe der Verfassungsgesetzgeber durch die Erlassung des Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG den Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses gemäß § 3 Abs 2 VO-UA über die (teilweise) Unzulässigkeit eines Einsetzungsverlangens zum ausschließlichen Anfechtungsgegenstand erklärt. Ein Beschluss oder ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR samt dem darin enthaltenen Untersuchungsgegenstand würde keinen tauglichen Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bilden.
2.2.5.Schließlich könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er mit § 3 Abs 2 VO-UA eine Regelung habe schaffen wollen, durch die eine allfällige Verfassungswidrigkeit eines Untersuchungsgegenstandes – nur weil diese in einem Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates anstatt in einem Beschluss des Nationalrates enthalten sei – in weiterer Folge nicht mehr geltend gemacht werden könne ("Fehlerkalkül"), nur weil der Geschäftsordnungsausschuss einen Beschluss über eine (teilweise) Unzulässigkeit unterlasse. Dies würde einen eindeutigen Wertungswiderspruch darstellen.
Genau die Schaffung eines solchen Fehlerkalküls wäre jedoch der Fall, wenn Art 53 Abs 2 B-VG (oder sonstige über § 1 Abs 2 und 5 VO-UA hinausgehende Gründe) tatsächlich der maßgebliche Prüfungsmaßstab des Geschäftsordnungsausschusses wäre(n). Es könne ausgeschlossen werden, dass eine solche Privilegierung gerade von auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates eingesetzten Untersuchungsausschüssen vom Verfassungsgesetzgeber gewollt gewesen sei. Schließlich würde es so auch dem Verfassungsgerichtshof unmöglich gemacht werden, zu einem späteren Zeitpunkt einen solchen Untersuchungsgegenstand auf dessen Verfassungskonformität zu prüfen.
2.2.6.Ein Verstoß gegen Art 53 Abs 2 B-VG führe in diesem Sinne für jeden Untersuchungsausschuss – wie nach alter Rechtslage – zur absoluten Nichtigkeit des Untersuchungsgegenstandes im Umfang der jeweiligen Rechtswidrigkeit und nicht zu einer "Unzulässigkeit" iSd § 3 Abs 2 VO-UA.
Eine solche wäre zunächst durch jene Organe, die gemäß Art 53 Abs 3 B-VG zur Mitwirkung verpflichtet seien, selbst zu beurteilen und in weiterer Folge vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, insbesondere in einem Verfahren gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG über Meinungsverschiedenheiten betreffend das Bestehen der Vorlageverpflichtung gegenüber dem Untersuchungsausschuss. Dem Verfassungsgerichtshof und nicht dem Geschäftsordnungsausschuss komme insofern die alleinige Kompetenz zur verbindlichen Feststellung einer Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsgegenstandes zu.
Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses, mit dem das Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses für teilweise unzulässig erklärt werde, sei insofern bereits deswegen zur Gänze rechtswidrig, weil der Geschäftsordnungsausschuss das Verlangen auf Einsetzung des genannten Untersuchungsausschusses nicht nur auf die Einhaltung der formalen Zulässigkeitskriterien hin geprüft habe, sondern durch eine Prüfung auf die Einhaltung aller gesetzlichen Kriterien vielmehr seine gesetzlichen Zuständigkeiten überschritten habe.
2.3.Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses sei aber selbst dann gegeben, wenn man mit der beschlussfassenden Mehrheit der Ansicht sei, dass Prüfungsmaßstab für das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sehr wohl Art 53 Abs 2 B-VG sei. Diese Ansicht könne auch nur das Ergebnis einer reduzierenden Interpretation des § 3 Abs 2 VO-UA sein, weil der Wortlaut dieser Bestimmung keine Einschränkungen kenne.
Sofern der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses die teilweise Unzulässigkeit damit begründe, dass das Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses nicht direkt zusammenhängende Themenbereiche sammle und daher kein "bestimmter Vorgang" sei, sei dem Folgendes entgegenzuhalten:
2.3.1.Das Verbot der Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche gemäß § 1 Abs 5 zweiter Satz VO-UA beziehe sich unzweifelhaft auf die Bestimmung des Art 53 Abs 2 B-VG, nach der nur ein bestimmter Vorgang Untersuchungsgegenstand sein dürfe.
Der Begriff des "bestimmten Vorgangs" sei weder im B-VG noch im GOG-NR näher konkretisiert und somit unbestimmt. Der Wortsinn lasse sowohl ein umfassendes Begriffsverständnis im Sinne von Vollziehungsbereichen oder -themen als auch ein enges Begriffsverständnis im Sinne eines einzelnen Verwaltungsaktes zu. Auch die wortgleichen Formulierungen in Art 52b B-VG bzw § 35 Abs 2" sowie 99 Abs 2 GOG-NR seien nicht konkretisiert. Der Begriff des "bestimmten Vorgangs" bedürfe insofern der Auslegung.
2.3.2.Ein extensives Verständnis des Begriffes "bestimmter Vorgang" in Art 53 Abs 2 B-VG sei schon im Hinblick auf die Kontrollfunktion des Parlaments geboten, die unstreitig eine Komponente des demokratischen Grundprinzips der Bundesverfassung bilde. Das B-VG stelle dem Nationalrat zur Verwirklichung seines ihm übertragenen Kontrollauftrages eine Reihe an Kontrollinstrumenten zur Verfügung. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stelle das weitestreichende Instrument des Nationalrates zur Wahrnehmung seines Kontrollauftrages dar. Der dem Nationalrat verfassungsgesetzlich übertragene Kontrollauftrag liefe jedoch weitgehend ins Leere, wäre ein Untersuchungsausschuss auf die Prüfung lediglich einzelner Handlungen beschränkt. In diesem Sinne führe auch der Ausschussbericht zur B-VG-Novelle aus:
"Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es in der Regel, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären."
Zu diesem Zweck stelle Art 53 B-VG in den Worten des Verfassungsgerichtshofes eine "einseitige und den Nationalrat spezifisch begünstigende Sonderbestimmung" dar, die es ihm ermögliche, die Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken zu erzielen.
2.3.3.Aus den Materialien gehe an weiteren Stellen hervor, dass der Begriff des "Vorgangs" weit zu verstehen sei: Im Ausschussbericht werde für einen bestimmten Vorgang alternativ ein inhaltlicher, personeller oder zeitlicher Zusammenhang als ausreichend angesehen. Bloße Bestimmbarkeit und Abgrenzbarkeit sollten genügen.
Diese reduzierten Anforderungen würden der Natur politischer Aufklärung entsprechen; denn die Notwendigkeit, etwas erst aufzuklären, setze denklogisch ein Maß an vorausgehender Unklarheit voraus. Ansonsten wäre Aufklärung nicht mehr erforderlich. Es wäre in diesem Sinne verfehlt, als Voraussetzung einer Untersuchung auch nur annähernd jene verdichtete Informationslage zu verlangen, die erst das Ergebnis der jeweiligen Untersuchung sein könne. Die Erfüllung einer solchen Voraussetzung wäre in jedem Fall unmöglich. Insbesondere sei es Wesensmerkmal einer Untersuchung, dass die ihr zugrunde liegenden Annahmen oder Verdachtsmomente im Zuge der Untersuchung auch noch widerlegt werden könnten.
Der Rechnungshof habe auf gleichartige Weise darauf hingewiesen, dass von ihm nicht verlangt werden könne, die erst im Rahmen seiner Prüfung erkundbaren Umstände bereits im Vorhinein darzulegen.
2.3.4.Lediglich "verschiedene, nicht zusammenhängende Vorgänge", die sich "über einen größeren und jeweils unterschiedlichen Zeitraum erstrecken, und die im Verantwortungsbereich mehrerer Bundesministerien verortet wurden", dürften laut Ausschussbericht zur B-VG-Novelle nicht Gegenstand eines Untersuchungsausschusses sein, weil sie nicht direkt zusammenhängen würden.
Der genannte Ausschussbericht führe dazu ein Beispiel aus der 23. Gesetzgebungsperiode an: Der "Untersuchungsausschuss hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten" habe in seinem Untersuchungsgegenstand ua den Fall K., die B.-Affäre, politische Einflussnahmeversuche auf andere Untersuchungsausschüsse, Vorwürfe illegaler Parteienfinanzierung, den Fall A. Z., die "Spitzelaffäre", den Fall H. sowie die "Visa-Affäre" und weiteres enthalten. Diese Vorgänge seien weder persönlich, noch inhaltlich, noch zeitlich in Zusammenhang gestanden und hätten den Wirkungsbereich mehrerer Bundesministerien betroffen.
2.3.5.Dass der Verfassungsgesetzgeber einem weiten Verständnis des Begriffes "bestimmter Vorgang" gefolgt sei und dementsprechend auch ein direkter Zusammenhang iSd § 1 Abs 5 VO-UA weit zu verstehen sei, ergebe sich zusätzlich aus dem Verweis auf die Regelungen über besondere Gebarungsprüfungen durch den Rechnungshof in Art 52b B-VG:
"Damit werden nach dem Vorbild der Regelung für besondere Gebarungsprüfungen durch den Nationalrat gemäß Art 52b B-VG auch Kriterien für die Formulierung eines Untersuchungsgegenstandes aufgestellt."
sowie
"Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es in der Regel, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären. Diese werden mit dem bereits in Art 52b B-VG verwendeten Begriff des 'Vorgangs' umschrieben."
Die als Vorbild für den Begriff des bestimmten Vorganges in Art 53 Abs 2 B-VG dienenden Regelungen des Art 52b B-VG (vgl auch § 35 Abs 2" sowie 99 Abs 2 GOG-NR) seien gesetzlich nicht näher bestimmt. Sie seien in der parlamentarischen Praxis und in Anerkennung durch die Lehre extensiv ausgelegt worden. Hengstschläger/Janko gingen etwa davon aus, dass nur solche Prüfaufträge, die "weder ein konkretes Kontrollobjekt noch einen bestimmten Gebarungszeitraum bezeichnen", die Anforderung eines bestimmten Vorganges nicht erfüllen würden.
2.3.6.Der Verfassungsgerichtshof habe in einem Verfahren gemäß Art 126a B-VG bereits insofern völlig vergleichbar ausgesprochen, dass der Prüfungsgegenstand des Rechnungshofes entweder durch sachliche oder zeitliche Eingrenzung ausreichend bestimmt werden könne. Bloße Bestimmbarkeit genüge (vgl ; , KR1/2018 ua).
2.3.7.Der Verfassungsgesetzgeber habe zudem die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Novelle des Art 53 B-VG bestehende extensive Auslegung und Praxis seinem Verständnis des Begriffes "bestimmter Vorgang" selbstverständlich zugrunde gelegt und nicht etwa als zu weit gehend oder überschießend zurückgewiesen. Er habe die bestehende extensive Praxis sohin normativ verfestigt und im Ergebnis bestätigt.
2.3.8.Beschlüsse des Nationalrates auf besondere Gebarungsprüfung bestimmter Vorgänge auf Grundlage der genannten Bestimmungen seien ua erfolgt:
– Zur Gebarung des BKA und der anderen Zentralstellen (Bundesministerien) hinsichtlich der Vollziehung aller dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Bestimmungen (885/A 20. GP):
"Der Rechnungshof wird gemäß § 99 GOG - NR mit der Durchführung einer Sonderprüfung der Gebarung des Bundeskanzleramtes und der anderen Zentralstellen (Bundesministerien) hinsichtlich der Vollziehung aller dienst-, besoldungs– und pensionsrechtlichen Bestimmungen einschließlich des Ausschreibungsgesetzes 1989 insbesondere auch im Hinblick auf finanzielle und laufbahnmäßige Begünstigung von Personen im politischen Nahebereich (zB Ministerbüro) der Regierungsmitglieder beauftragt."
– Zur Gebarung von BMF und ÖNB sowie Wertpapieraufsicht hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht (969/A 20. GP):
"Der Rechnungshof wird gemäß § 99 GOG - NR mit der Durchführung einer Sonderprüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen, der Oesterreichischen Nationalbank und der Wertpapieraufsicht hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht über die in Österreich tätigen Kreditinstitute insbesondere im Zusammenhang
- mit dem Versagen der Organe der Bankenaufsicht im Rahmen der Kontrolle der Rieger - Bank und der Diskont - Bank, das zu einer Schädigung zahlreicher Kleinanleger geführt hat,
- mit der Rolle der Bankenaufsicht bei den Karibikgeschäften der BAWAG sowie
- mit der Mißachtung der vom Rechnungshof bereits 1993 erhobenen Forderung, die Bankenaufsicht zu einem durchschlagskräftigen Kontrollorgan umzugestalten,
beauftragt."
– Zur Verkehrs- und Infrastrukturpolitik seit dem Jahr 2000 (3/URH2 22. GP):
"Die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik seit dem Jahr 2000 hinsichtlich der Bereiche Straße und Schiene, insbesondere die Finanzierung des 'Generalverkehrsplanes' sowie Management-, PPP- und LKW-Maut-Problemstellungen der ASFINAG."
– Zur Aufsichtspflicht des BMF, der OeNB und der FMA (5/URH2 22. GP):
"Die Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen, der Oesterreichischen Nationalbank und der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) einschließlich der Tätigkeit ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundes-Wertpapieraufsicht (BWA), hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht über die Geschäfte der Bank für Arbeit und Wirtschaft AG (BAWAG) einschließlich ihrer Tochterunternehmen, und zwar insbesondere deren 'Karibik-Geschäfte', Kredite, Haftungen, Garantien, Beteiligungen, Ver- und Rückkäufe von Aktien sowie sonstiger Geschäfte und Geldflüsse zur Verschleierung des tatsächlichen Vermögensstandes der BAWAG vor allem im Zeitraum des wahrscheinlichen Entstehens der Verluste von etwa 1,4 Mrd. €; dies betrifft im Besonderen die Jahre 1994 bis 2000, wobei auch der Zeitraum 2000 bis heute in die Betrachtung mit einzubeziehen ist, da der amtierende Finanzminister umgehend nach seinem Amtsantritt den Auftrag zur Gründung einer unabhängigen und weisungsfreien Allfinanzmarktaufsichtsbehörde gegeben hat."
– Zu acht verschiedenen Fragen bezüglich der "Schaltung von Inseraten durch bzw im Auftrag bzw im Interesse von Bundesministerien" (2079/A 24. GP).
– Zur Gebarung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, der ÖBB Holding AG sowie den nachgeordneten Gesellschaften des ÖBB-Konzerns und des Bundesministeriums für Justiz (2/URH2 24. GP):
"Die Gebarung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, der ÖBB Holding AG sowie den nachgeordneten Gesellschaften des ÖBB-Konzerns und des Bundesministeriums für Justiz, hinsichtlich
a) der Vorbereitung, Durchführung und Aufarbeitung von Finanztransaktionen der ÖBB Holding und den nachgeordneten Gesellschaften des ÖBB-Konzerns mit der Deutschen Bank und anderen beteiligten Finanzdienstleistern, der im Zusammenhang mit diesen Vorgängen beauftragten Gutachten, der darauf folgenden Auflösung von Managerverträgen inklusive der damit einhergehenden Vereinbarungen, (wie beispielsweise Abfertigungen) sowie des Stands etwaiger damit im Zusammenhang stehender gerichtlicher Verfahren;
b) des Ankaufs der ungarischen MAV Cargo, der damit im Zusammenhang stehenden Beratungsverträge sowie möglicher Provisionszahlungen, der bilanzmäßigen Bewertung im Zeitablauf sowie des Stands etwaiger damit im Zusammenhang stehender gerichtlicher Verfahren;
c) des Beschaffungswesens innerhalb des ÖBB Konzerns seit dem Jahr 2000, insbesonders der Beschaffung von Handys und des Abschlusses von Telekomdienstleistungsverträgen."
– Zu 16 Fragen hinsichtlich Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten (2087/A 25. GP).
– Zum Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (bzw des Bundeskanzleramtes in der Zuständigkeit des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien) sowie der im Eigentum des Bundes stehenden Bundestheater-Holding GmbH (1/URH2 25. GP):
"Die Gebarung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (bzw des Bundeskanzleramtes in der Zuständigkeit des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien) sowie der im Eigentum des Bundes stehenden Bundestheater-Holding GmbH hinsichtlich
a) der Vorbereitung, Durchführung und Umsetzung der rechtlichen Evaluierung des Bundestheater-Konzerns sowie der Effizienzanalysen von Bundestheater-Holding GmbH, Wiener Staatsoper GmbH, Burgtheater GmbH, Volksoper Wien GmbH und Art for Art Theaterservice GmbH,
b) der unzureichenden Wahrnehmung der strategischen Führungsrolle durch die Bundestheater-Holding hinsichtlich des mehrjährigen Finanzbedarfs und der finanziellen Entwicklung der Bühnengesellschaften,
c) des Kontrollversagens im Kulturressort angesichts nicht oder verspätet vorgelegter Finanzierungs- und Strategiekonzepte, verzerrter oder zumindest unüblich dargestellter Jahresabschlüsse sowie der allgemein sich immer dramatischer gestaltenden Liquiditätssituation des Konzerns und einzelner Bühnengesellschaften,
d) der Vertragsverlängerung von Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann im Jahr 2009, der Vertragsverlängerung von Bundestheater-Holding- Geschäftsführer Georg Springer im Jahr 2011 sowie der Vertragsverlängerung von Sektionschef Michael Franz durch die damalige Ministerin Claudia Schmied,
e) der Bestellung und Vertragsgestaltung von Peter F. Raddatz als externem Berater oder Gutachter für Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann."
2.3.9.Aus all dem folge, dass die dem Verständnis des Begriffes "bestimmter Vorgang" in Art 53 Abs 2 B-VG entsprechende, einfachgesetzliche Voraussetzung des § 1 Abs 5 VO-UA, nach der ein "direkter" Zusammenhang bestehen müsse, im Sinne einer historischen Interpretation der Absicht des Verfassungsgesetzgebers nur im Sinne dieser Verfassungsbestimmung und extensiv verstanden werden könne.
2.4.Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses sei zusätzlich auf Grund eines Verstoßes gegen das Verbot der Abänderung des Untersuchungsgegenstandes gegen den Willen des verlangenden Viertels der Mitglieder des Nationalrates gemäß § 3 Abs 4 VO-UA zur Gänze rechtswidrig:
2.4.1.Der Verfassungsgesetzgeber habe mit der Neuregelung des Rechtes der Untersuchungsausschüsse beabsichtigt, dass es dem verlangenden Viertel der Mitglieder des Nationalrates innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen freistehen solle, über Umfang und Gegenstand der Untersuchung zu bestimmen.
Ansonsten würde das durch Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG eingeräumte Einsetzungsrecht eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates ins Leere laufen. Schließlich lasse sich jeder Vorgang im Bereich der Vollziehung in Untervorgänge zerlegen oder als Teil eines größeren Vorganges verstehen. In diesem Sinne führe der Ausschussbericht zur B-VG-Novelle aus:
"Die Bestimmbarkeit und Abgrenzbarkeit eines Vorgangs schließt nicht aus, dass Untersuchungsgegenstand und Untersuchungsauftrag eine Untergliederung in einzelne Abschnitte bzw Beweisthemen aufweisen, zumal ein Vollzugsakt auch in einzelne Phasen zerlegt werden kann."
2.4.2.Die ausschließliche inhaltliche Gestaltungsbefugnis des verlangenden Viertels der Mitglieder des Nationalrates werde durch die Gesetzessystematik untermauert: Das Gestaltungsrecht der verlangenden Abgeordneten über den Untersuchungsgegenstand sei durchgängig gesetzlich abgesichert. So sei sowohl gemäß § 3 Abs 4 VO-UA eine Abänderbarkeit des Verlangens ohne Zustimmung des verlangenden Viertels der Mitglieder des Nationalrates ausgeschlossen, als auch gemäß § 53 Abs 4 VO-UA eine vorzeitige Beendigung ohne Antrag der verlangenden Abgeordneten verboten, als auch gemäß § 53 Abs 5 VO-UA die Verlängerung des Ausschusses nur auf Antrag der verlangenden Abgeordneten zulässig.
2.4.3.Ob ein ausreichender Zusammenhang zwischen einzelnen Teilen bestehe, der es ermögliche, diese als einen einheitlichen Vorgang zu verstehen, sei letztlich eine politische Wertungsfrage. Der Verfassungsgesetzgeber habe aus diesem Grund in Art 53 Abs 1 B-VG eindeutig angeordnet, dass auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates ein Untersuchungsausschuss einzusetzen sei. Schließlich seien politische Auseinandersetzungen per definitionem durch divergierende politische Wertungen geprägt. Die Konsequenzen politischer Kontrolltätigkeit seien gleichermaßen ausschließlich politischer Art. Dass ein Vorgang Untersuchungsgegenstand sein dürfe, dessen nähere Beschaffenheit noch zweifelhaft sei, verstehe sich insofern von selbst, weil ein Vorgang, bei dem diese schon feststehe, gar keiner Untersuchung mehr bedürfe.
2.4.4.Die Begründung des Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses über die teilweise Unzulässigkeit des Verlangens auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses führe aus:
"Sowohl aus der Reihung der im Verlangen genannten Vollziehungsbereiche als auch aus ihrer zahlenmäßigen Gewichtung ergibt sich, dass die Einsetzungsminderheit im Verlangen einen Schwerpunkt im Themenkomplex Casinos Austria - Glücksspiel gesetzt hat."
Die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss suche sich nicht nur eine reduzierende Deutung des Untersuchungsgegenstandes aus, sie deute diesen vielmehr um. Welche anerkannten Methoden der Interpretation sie dabei angewandt habe, sei unklar und daher auch nicht für Dritte nachvollziehbar. Vielmehr habe sich die beschlussfassende Mehrheit für die Streichung eines bestimmten, ihre Argumentation stützenden Teiles entschieden, den eigentlichen Vorgang (die mutmaßliche Absprache) jedoch unberührt gelassen. Sie habe insofern das Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung (den Beschluss über die teilweise Unzulässigkeit) vorweggenommen und erst dann mit rechtlichen Argumenten hinterlegt. Es handle sich bei der Vorgangsweise der beschlussfassenden Mehrheit daher nicht um eine Zulässigkeitsprüfung, sondern in Wirklichkeit um eine Abänderung.
Die beschlussfassende Mehrheit ändere den Untersuchungsgegenstand in einer bestimmten Art durch Streichungen ab, wie es noch dazu von den die Einsetzung verlangenden Mitgliedern des Nationalrates abgelehnt worden sei. Gerade eine solche Abänderung sei der Mehrheit des Geschäftsordnungsausschusses aber auf Grund von Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG iVm § 3 Abs 4 VO-UA untersagt, habe sie doch selbst jederzeit die Möglichkeit, durch Beschluss einen Untersuchungsausschuss mit dem von ihr gewünschten Untersuchungsgegenstand einzusetzen.
In der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses am habe der Abgeordnete Gerstl entsprechend ausgeführt, dass von der Mehrheit eine Abänderung des Einsetzungsverlangens beabsichtigt werde:
"Man habe den Fraktionen, die das Verlangen gestellt haben, daher gestern den Antrag übermittelt, den er, so Abgeordneter Gerstl, hiermit formal einbringe, in dem der Teil, den man als nicht zulässig erachte, konkret herausgestrichen werde; somit sei jetzt ein Antrag vorhanden, der einen Untersuchungsgegenstand, der einen abgeschlossenen Vorgang betreffe, enthalte und man könne den Untersuchungsausschuss sofort einsetzen."
2.4.5.Wäre die Argumentation der beschlussfassenden Mehrheit im Hinblick auf den mangelnden inhaltlichen Zusammenhang zutreffend, hätte sie im Sinne des von ihr selbst beauftragten Gutachters zur Feststellung der gänzlichen Unzulässigkeit des Verlangens gelangen müssen. Denn entweder bestehe zwischen den verschiedenen Teilen des Verlangens ein direkter Zusammenhang, wodurch das Verlangen zur Gänze zulässig wäre, oder ein solcher bestehe nicht, wodurch das Verlangen zur Gänze unzulässig wäre.
Die beschlussfassende Mehrheit habe jedoch im Gegenteil auf – nach Ansicht der Anfechtungswerber – willkürliche Art einen neuen inhaltlichen Zusammenhang definiert. Ein solches Vorgehen sei jedenfalls rechtswidrig.
2.5.Zusammengefasst ergebe sich, dass der vom verlangenden Viertel der Mitglieder des Nationalrates gewählte Untersuchungsgegenstand im Gegensatz zur Ansicht der beschlussfassenden Mehrheit den gesetzlichen Vorgaben aus folgenden Gründen entspreche:
2.5.1.Die gesetzlichen Vorgaben würden das verlangende Viertel der Mitglieder des Nationalrates insbesondere dazu verpflichten, den Untersuchungsgegenstand hinreichend zu konkretisieren und abzugrenzen, "maW: zu bestimmen". Der Verfassungsgesetzgeber habe mit Art 53 Abs 2 B-VG eine äußerste Grenze für die Formulierung eines Untersuchungsgegenstandes festgelegt. Auch der Ausschussbericht spreche in diesem Zusammenhang von "Kriterien für die Formulierung des Untersuchungsge[ge]nstandes". Bestimmtheit sei laut Ausschussbericht im Sinne von bloßer Bestimmbarkeit zu verstehen:
"'Ein bestimmter Vorgang' im Sinne des Art 53 Abs 2 B-VG ist ein bestimmbarer und abgrenzbarer Vorgang in der Vollziehung des Bundes."
Weitergehende Konkretisierungsanforderungen würden nicht nur dem zwangsläufigen Ausmaß an Unklarheit im Vorfeld einer tatsächlichen Untersuchung, sondern auch dem politischen Charakter der Untersuchung und somit der inhaltlichen Gestaltungshoheit des verlangenden Viertels der Mitglieder des Nationalrates zuwiderlaufen.
2.5.2.Die geforderte Konkretisierung und Abgrenzbarkeit solle es insbesondere den vorlagepflichtigen Organen ermöglichen, den Umfang der Untersuchung abzugrenzen und die abstrakte Relevanz von Akten und Unterlagen für die Untersuchung zu beurteilen. Dafür sei es notwendig, durch entsprechende nachvollziehbare Fakten die sachliche Grundlage für die Bestimmbarkeit des Untersuchungsgegenstandes darzulegen. Zu diesem Zweck komme insbesondere die Angabe der handelnden Akteure, der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, der maßgeblichen Handlungen, des relevanten Zeitraumes, des auslösenden Verdachtes oder der Zielrichtung der Untersuchung im Untersuchungsgegenstand in Frage.
2.5.3.Alle diese alternativen Möglichkeiten zur Konkretisierung würden im Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses kumulativ vorliegen. Der gewählte Untersuchungsgegenstand verschränke
"- die handelnden Akteure (Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre sowie ihnen jeweils unterstellte leitende Bedienstete),
- die - soweit vorhanden - jeweils einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (vgl lita, c und e),
- die maßgebliche Handlung im Bereich der Vollziehung des Bundes (Absprache über das Gewähren von Vorteilen),
- den relevanten Zeitraum ( bis ),
- den auslösenden Verdacht (Gewähren ungebührlicher Vorteile an Personen, die politische Parteien begünstigen) und
- die Zielrichtung der Untersuchung (mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung)"
zu einem einheitlichen Untersuchungsgegenstand. Der Untersuchungsgegenstand werde so auf jenen Bereich eingeschränkt, zu dem entsprechende sachliche Grundlagen bzw Verdachtsmomente vorliegen würden.
Kein Element des Untersuchungsgegenstandes könne im vorliegenden Fall – im Gegensatz zu früheren Untersuchungsgegenständen (vgl zB den unbestimmten Untersuchungsgegenstand des Hypo-Untersuchungsausschusses) – für sich allein betrachtet werden. Gerade auf Grund des komplexen, die Untersuchung auslösenden Sachverhaltes müsse die Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes durch eine Kombination mehrerer Elemente erfolgen.
2.5.4.Wie die Begründung des Verlangens auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses ausführe, bildeten das Ibiza-Video, die darin getätigten Aussagen sowie die dazu später in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen dazu passenden Handlungen, insbesondere in Zusammenhang mit der Bestellung von Peter Sidlo als Teil eines "Hintergrunddeals", die sachliche Grundlage der Untersuchung. Erst auf Grund des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos hätten Maßnahmen der türkis-blauen Bundesregierung, die zuvor als unzusammenhängend erschienen seien, einem größeren einheitlichen Vorgang zugeordnet werden können. Die Begründung des Verlangens lege dar, dass über die bislang bekannten Fälle hinaus jenen Verdachtsmomenten nachgegangen werden solle, nach denen Maßnahmen der türkis-blauen Bundesregierung deswegen bzw auf eine bestimmte Art getroffen worden seien, weil sie Teil einer dahinter stehenden Absprache über die Begünstigung politischer Parteien gewesen seien. Ob sich dieser Verdacht bestätige, habe der Untersuchungsausschuss zu klären.
Bei der Formulierung des Untersuchungsgegenstandes seien insbesondere folgende sachliche Grundlagen herangezogen worden, um die vom Vorgang betroffenen Teilbereiche zu identifizieren:
– die öffentlich breit diskutierte Aussage im Ibiza-Video "Novomatic zahlt alle" im Hinblick auf die lita, b, d, e und f;
– Berichte über einen "Hintergrunddeal mit den Blauen" im Hinblick auf lita bis f;
– die Aussage im Ibiza-Video, nach der "die verdammte FMA" abgeschafft werden müsse im Hinblick auf lite;
– die wiederholte Konversation im Ibiza-Video über mögliche Gegenleistungen ("What do you want?") unter Nennung von Investitionsmöglichkeiten, bundeseigenen Gebäuden, Aufträgen, Kunstsammlungen und Gesetzesänderungen im Hinblick auf lita bis d und g;
– die Aussagen im Ibiza-Video über Spenden an Vereine und die Meldepflichten an den Rechnungshof im Ibiza-Video im Hinblick auf litg;
– die Aussage von Ex-Vizekanzler Strache im Ibiza-Video, nach der Privatisierungen eine Möglichkeit der Gegenleistung wären im Hinblick auf litc, e und f;
– die Forderung der "Oligarchennichte" nach Gesetzesänderung zum Zwecke der Privatisierung des österreichischen Wassers im Hinblick auf litc;
– die Aussagen im Ibiza-Video "Die Spender sind Idealisten, sie wollen weniger Steuern zahlen" im Hinblick auf litc;
– die wiederholte Nennung im Ibiza-Video von N., H. G.-H., G. G., ua als Spender im Hinblick auf litd, f und g;
– die Aussagen im Ibiza-Video zum Glücksspielmonopol und Glücksspiellizenzen im Hinblick auf die lita, b, c und g;
– die weiteren Enthüllungen zur Genese der Bestellung von Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos Austria im Hinblick auf lita, b, c, insbesondere das Inaussichtstellen von Gesetzesänderungen gegenüber der N.;
– die Aussage im Ibiza-Video "Wenn du eine bestimmte Summe Geld ausgibst, bekommst du Macht. Macht verändert das Gesetz. Wenn du das Gesetz verändern kannst, bekommst du was du willst" im Hinblick auf litc unter Ausschluss jener Gesetzgebungskompetenzen, die nicht zur Erfüllung wirtschaftlicher Interessen geeignet sind;
– die bekannt gewordenen Befragungsergebnisse der WKStA im Hinblick auf litb, c, e und f;
– die Antworten des Bundesministers für Finanzen auf die Dringliche Anfrage 187/J, 27. GP, im Hinblick auf lita, b, e und f;
– die Vorwürfe zur parteipolitischen Besetzung der SOKO Tape bzw Ibiza, vgl dazu insbesondere die Anfragebeantwortungen 4101/AB, 4134/AB, 4136/AB und 4146/AB in der 26. GP sowie 9/AB, 11/AB, 130/AB und 131/AB in der 27. GP im Hinblick auf litg;
– die erhobenen Tatsachen auf Grund der Anfragebeantwortungen 1717/AB, 3603/AB, 3606/AB, 3247/AB, 3745/AB, 3754/AB, 3755/AB, 3807/AB, 3796/AB, 3806/AB, 3809/AB, 4013/AB, 4027/AB, 4078/AB und 4088/AB in der 26. GP sowie 118/AB, 199/AB und 217/AB in der 27. GP im Hinblick auf lita, b, d, e und f;
– die veröffentlichten Chatprotokolle des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache mit anderen Mitgliedern der Bundesregierung, dem Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen sowie leitenden Bediensteten der Bundesministerien einerseits und Mitgliedern des OeNB-Direktoriums, eines Vorstandes der ÖBB-Holding, Mitgliedern der Organe von CASAG sowie ÖBAG usw andererseits im Hinblick auf lita bis f.
2.5.5.Im Ibiza-Video angesprochene Bereiche, die nicht in die Vollziehung des Bundes fallen würden (zB Kauf der Kronen Zeitung), die zu allgemein gehalten seien (zB Vergabe von Aufträgen) oder zu denen keine ausreichenden Verdachtsmomente vorliegen würden bzw nachträglich hervorgekommen seien (zB Einflussnahme auf Gesetzgebung im Bereich der Sicherheitspolitik oder der öffentlichen Verwaltung), seien nicht in den Untersuchungsgegenstand aufgenommen worden.
2.5.6.Dem verlangenden Viertel der Mitglieder des Nationalrates könne das umfangreiche Ausmaß des zu untersuchenden Missstandes und der daraus folgende Aufklärungsbedarf nicht negativ angelastet werden. Mit einem Skandal der Reichweite des Ibiza-Videos habe zu Recht niemand rechnen können.
Die Anfechtungswerber würden Wert auf die Feststellung legen, dass ihnen die Überflüssigkeit der Untersuchung schon aus demokratiepolitischen Gründen lieber gewesen wäre; die schockierenden Enthüllungen des Ibiza-Videos machten dies jedoch erforderlich. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Gesetzgebungsverfahrens und der Verwaltung müsse durch entsprechende Aufklärung wiederhergestellt werden.
2.6.Die im Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses unter "II." angeführten Beschlussteile würden aus den folgenden Gründen zusätzlich an Rechtswidrigkeit leiden:
2.6.1.§3 Abs 5 VO-UA bestimme, dass "eine inhaltliche Gliederung des Gegenstands der Untersuchung nach Beweisthemen" zulässig sei. Die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss vertrete die Ansicht, dass die inhaltliche Gliederung nach Beweisthemen im Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses ebenfalls der Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuss unterliege.
Dies sei insofern verfehlt, als bereits aus dem Wortlaut der genannten Bestimmung hervorgehe, dass es sich bei den Beweisthemen um ein aliud im Vergleich zum Untersuchungsgegenstand handle. Die Formulierung von Beweisthemen sei gesetzlich nicht verpflichtend. Sie könnten zwar zur Auslegung des Untersuchungsgegenstandes herangezogen werden, jedoch nicht über diesen hinausgehen und hätten keinen selbständigen normativen, sondern insbesondere prozesshaften Charakter.
2.6.2.Diese Ansicht werde durch § 24 Abs 3 und § 41 Abs 1 VO-UA bekräftigt, nach denen die Beweisthemen für den Gang der Beweiserhebung leitend seien.
Der Ausschussbericht zur Novelle des GOG-NR führe aus:
"Da solche Vorgänge, auch wenn sie grundsätzlich näher definiert werden, erfahrungsgemäß ein hohes Maß an Komplexität aufweisen, soll im Antrag bzw Verlangen nach Möglichkeit auch eine inhaltliche Gliederung nach Beweisthemen erfolgen."
Es entspreche der langjährigen parlamentarischen Praxis, die Arbeit des Untersuchungsausschusses nach Beweisthemen zu gliedern und aufeinanderfolgend abzuarbeiten. Darüber hinausreichende rechtliche Bedeutung komme den Beweisthemen nicht zu.
3.Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie dem Anfechtungsvorbringen wie folgt entgegentritt:
3.1.Zu den Bedenken im Hinblick auf die inhaltliche Entscheidung über das Verlangen durch den Geschäftsordnungsausschuss:
3.1.1.Nach Ansicht der Bundesregierung würden die Anfechtungswerber den Inhalt des Art 53 B-VG verkennen. Art 53 Abs 1 B-VG sehe zunächst vor, dass Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden könnten. Gemäß Art 53 Abs 1 erster Satz B-VG könnten Untersuchungsausschüsse durch Beschluss des Nationalrates eingesetzt werden (also durch Mehrheitsbeschluss; siehe Art 31 B-VG und § 82 GOG-NR). Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG sehe vor, dass darüber (über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch Mehrheitsbeschluss) hinaus ein Untersuchungsausschuss auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates einzusetzen sei.
Art53 Abs 2 B-VG enthalte eine nähere Regelung betreffend den in Abs 1 genannten Untersuchungsausschuss, und zwar betreffend den zulässigen Gegenstand seiner Untersuchung (Untersuchungsgegenstand). Diese Bestimmungen müssten aufeinander bezogen verstanden werden. Die Regelung des Art 53 Abs 2 B-VG gelte unterschiedslos sowohl für Untersuchungsausschüsse, die durch Beschluss des Nationalrates, als auch für solche, die auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder eingesetzt würden: Beide hätten die Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG zu erfüllen. Die Auffassung der Anfechtungswerber, dass auf Verlangen jedenfalls ein Untersuchungsausschuss einzusetzen sei (dessen Untersuchungsgegenstand die Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG jedoch nicht notwendigerweise bzw nicht vollumfänglich zu erfüllen brauche), sei demnach unzutreffend.
Ebenfalls unzutreffend sei daher nach Ansicht der Bundesregierung auch, § 3 Abs 2 VO-UA einschränkend zu interpretieren. Nach dieser Bestimmung solle der Geschäftsordnungsausschuss die (gänzliche oder teilweise) Unzulässigkeit eines Verlangens feststellen, wenn er ein ihm zugewiesenes Verlangen als unzulässig erachte. In der Begründung des zugrundeliegenden Initiativantrages (719/A 25. GP, 26) werde dazu ausdrücklich Folgendes gesagt:
"Der Geschäftsordnungsausschuss hat die Zulässigkeit von Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 1 Abs 2 zu prüfen und hat gegebenenfalls die teilweise oder gänzliche Unzulässigkeit festzustellen. Prüfungsgegenstand des Geschäftsordnungsausschusses ist der Untersuchungsgegenstand, der die Grundlage für alle weiteren verfahrensleitenden Beschlüsse (grundsätzlicher Beweisbeschluss, ergänzende Beweisanforderungen, Ladungsbeschlüsse) bildet. Prüfungsmaßstab ist Art 53 Abs 2 B-VG."
Dass unter dem Begriff der "Zulässigkeit" (bzw "Unzulässigkeit") nicht nur formale Voraussetzungen zu verstehen seien, ergebe sich auch aus Folgendem: Der Inhalt des Begriffes der Zulässigkeit in § 3 Abs 2 VO-UA sei in erster Linie nicht nach "allgemeinem Sprachgebrauch" zu ermitteln, sondern danach, welche Bedeutung die VO-UA diesem Begriff beimesse. Wie sich unmissverständlich aus § 1 Abs 5 VO-UA ergebe, seien darunter nicht nur formale, sondern auch inhaltliche Voraussetzungen, nämlich insbesondere die Übereinstimmung mit Art 53 Abs 2 B-VG, zu verstehen (arg. "die Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche [ist] unzulässig"). Auch die Lehre gehe einhellig davon aus, dass Art 53 Abs 2 B-VG Prüfungsmaßstab der gemäß § 3 VO-UA zu treffenden Entscheidung sei.
Hinzu komme, dass gemäß § 4 Abs 2 VO-UA der Untersuchungsausschuss (nur) in jenem Umfang als eingesetzt gelte, soweit der Geschäftsordnungsausschuss "ein Verlangen [...] nicht für gänzlich oder teilweise unzulässig erachtet". Auch daraus ergebe sich implizit, dass der Geschäftsordnungsausschuss die Übereinstimmung des Untersuchungsgegenstandes mit Art 53 Abs 2 B-VG zu beurteilen habe.
Vor allem aber hätte die Auffassung der Anfechtungswerber zur Folge, dass die Rechtsschutz- und Kontrollfunktion des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG auf eine bloße Überprüfung der Einhaltung der formalen Voraussetzungen eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingeschränkt wäre.
3.1.2.Die Bundesregierung gehe davon aus, aus § 3 Abs 2 VO-UA ergebe sich in eindeutiger Weise, dass der Geschäftsordnungsausschuss bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit des Verlangens die Übereinstimmung mit Art 53 Abs 2 B-VG zu prüfen habe. Sollte sich auf Grund dieser Zuständigkeit des Geschäftsordnungsausschusses ein Wertungswiderspruch ergeben, der § 3 Abs 2 VO-UA mit Verfassungswidrigkeit belasten könnte, könnte diese Frage (lediglich) in einem Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art 140 Abs 1 B-VG geklärt werden.
Vor dem Hintergrund, dass sowohl der Initiativantrag betreffend die Neufassung des Art 53 B-VG (718/A 25. GP) als auch die Änderung des GOG-NR bzw Erlassung der VO-UA (719/A 25. GP) am selben Tag im Nationalrat eingebracht, demselben Ausschuss (dem Geschäftsordnungsausschuss) zur Behandlung zugewiesen und in zeitlicher Abfolge (10. bzw ) vom Nationalrat beschlossen worden seien, werde davon auszugehen sein, dass der Inhalt des Art 53 B-VG dem Nationalrat (zudem seiner Mehrheit von zwei Dritteln) bei Beschluss der Änderungen des GOG-NR bekannt gewesen sei. Auch dies spreche gegen verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 3 Abs 2 VO-UA (vgl VfSlg 9280/1981, 17.786/2006, 19.954/2015, 20.191/2017).
Der von den Anfechtungswerbern behauptete Wertungswiderspruch liege nach Ansicht der Bundesregierung nicht vor:
Die VO-UA sehe eine Beschlussfassung über die (Un-)Zulässigkeit durch den Geschäftsordnungsausschuss nur bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf Verlangen (und nicht auch bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch Mehrheitsbeschluss) vor. Sie erfülle damit eine besondere Funktion im Verhältnis von Verlangen und parlamentarischer Mehrheit; das Verlangen der Minderheit stehe "unter dem Vorbehalt der Prüfung durch die Mehrheit". Um die Minderheitenrechte bezüglich der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu wahren, sehe Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG wiederum eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses vor.
Einer solchen Konstruktion bedürfe es für den Fall nicht, dass ein Untersuchungsausschuss durch Mehrheitsbeschluss eingesetzt werde. Dessen ungeachtet könne bzw dürfe auch der Nationalrat selbst nur Untersuchungsausschüsse einsetzen, deren Untersuchungsgegenstand die Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG erfülle. In dieser Hinsicht bestehe zwischen der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch Beschluss des Nationalrates einerseits und dessen Einsetzung auf Grund eines Minderheitsverlangens andererseits kein Unterschied, der unterschiedliche Fehlerfolgen bei Vorliegen eines (ganz oder teilweise) unzulässigen Untersuchungsgegenstandes annehmen ließe.
Im Übrigen werde durch die Zuständigkeit des Geschäftsordnungsausschusses kein Fehlerkalkül statuiert, das von Einfluss auf die Fehlerfolge eines unzulässigen Untersuchungsgegenstandes wäre.
Maßgeblich für die Beantwortung der Frage nach der Fehlerfolge eines unzulässigen Untersuchungsgegenstandes sei ausschließlich das positive Recht. Auf das Fehlerkalkül als solches komme es dabei nicht an, weil es sich bei diesem um eine rechtswissenschaftliche Konstruktion handle, die eine zweckmäßige Beschreibung des positiven Rechtes ermögliche.
Das positive Recht enthalte jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Frage der Zulässigkeit des Untersuchungsgegenstandes eines Untersuchungsausschusses nur deswegen einer rechtlichen Beurteilung durch andere Stellen (etwa den Verfassungsgerichtshof im sonstigen Verfahren gemäß Art 138b Abs 1 B-VG) entzogen sei, weil die Zulässigkeit des zugrunde liegenden Verlangens bereits einmal vom Geschäftsordnungsausschuss aus Anlass der Einsetzung des Untersuchungsausschusses geprüft worden sei. Vor allem könne die Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuss nicht etwa mit einem Verwaltungsverfahren verglichen werden, in dem eine Behörde in Vollziehung der Gesetze subjektive Rechte und öffentliches Interesse zu berücksichtigen habe. Vielmehr handle es sich beim Verfahren gemäß § 3 VO-UA um ein innerparlamentarisches, mit dem die VO-UA die Beurteilung der Zulässigkeit eines (Minderheits-)Verlangens zunächst der Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss vorbehalte (wobei die Rechtmäßigkeit des vom Geschäftsordnungsausschuss gefassten Beschlusses in der Folge ihrerseits der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterliege).
Des Weiteren beziehe sich die Zuständigkeit des Geschäftsordnungsausschusses nicht auf einen bereits gesetzten Rechtsakt, sondern auf einen noch nicht abgeschlossenen parlamentsinternen Vorgang. Aus einer solchen internen – einer behördeninternen "Genehmigung" vergleichbaren – "Kontrolle" könne nicht der Schluss abgeleitet werden, diese Kontrolle solle dem Verlangen eine erhöhte Bestandskraft verleihen (und somit ein Fehlerkalkül statuieren).
Zusammengefasst ergebe sich daher nach Ansicht der Bundesregierung, dass die Fehlerfolgen eines (ganz oder teilweise) unzulässigen Untersuchungsgegenstandes eines Untersuchungsausschusses nicht davon abhängen würden, ob der Untersuchungsausschuss durch Mehrheitsbeschluss oder auf Grund eines Verlangens der Minderheit eingesetzt worden sei, sodass auch der von den Anfechtungswerbern behauptete Wertungswiderspruch nicht vorliege.
3.2.Zu den Bedenken im Hinblick auf den zulässigen Untersuchungsgegenstand:
3.2.1.Die Formulierung des Art 53 B-VG gehe auf das Bundesgesetz BGBl I 101/2014 zurück, mit dem die Untersuchungsausschüsse des Nationalrates neu geregelt worden seien. Zuvor sei in Art 53 B-VG in der bis zum geltenden Fassung der Gegenstand von Untersuchungsausschüssen nicht definiert gewesen, habe sich aber aus dem Zusammenhalt mit Art 52 B-VG ergeben, nach dem sich das Interpellationsrecht auf die Geschäftsführung der Bundesregierung beziehe.
Im entsprechenden Ausschussbericht 439 BlgNR 25. GP, 4 (siehe auch schon die Begründung zum entsprechenden Initiativantrag 718/A 25. GP, 14 f.) werde zum Gegenstand von Untersuchungsausschüssen Folgendes ausgeführt:
"Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es in der Regel, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären. Diese werden mit dem bereits in Art 52b B-VG verwendeten Begriff des 'Vorgangs' umschrieben. 'Ein bestimmter Vorgang' im Sinne des Art 53 Abs 2 B-VG ist ein bestimmbarer und abgrenzbarer Vorgang in der Vollziehung des Bundes. Die Untersuchung kann mithin nur inhaltlich zusammenhängende Sachverhalte betreffen. Das Wort 'ein' wird hier als unbestimmter Artikel und nicht als Zahlwort verwendet. Die Forderung eines inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhangs schließt aus, dass mehrere, unterschiedliche Vorgänge oder Themen in einem Untersuchungsausschuss untersucht werden, die nur lose miteinander verknüpft sind, etwa weil es sich um Vorgänge innerhalb des Zuständigkeitsbereiches eines Bundesministeriums handelt. Zugleich ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Vorgang auch den Zuständigkeitsbereich mehrerer Bundesministerien betrifft, soweit er sonst einen inhaltlichen Zusammenhang aufweist. Die Bestimmbarkeit und Abgrenzbarkeit eines Vorgangs schließt nicht aus, dass Untersuchungsgegenstand und Untersuchungsauftrag eine Untergliederung in einzelne Abschnitte bzw Beweisthemen aufweisen, zumal ein Vollzugsakt auch in einzelne Phasen zerlegt werden kann."
Im Anschluss an diese Ausführungen werde die Zulässigkeit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen an Hand konkreter Beispiele erörtert:
"Entsprechend diesen Vorgaben würde z. B. die – nach alter Rechtslage mögliche – Einsetzung des 'Untersuchungsausschuss[es] hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten' (129/GO, XXIII. GP) nicht mehr zulässig sein. In diesem Untersuchungsausschuss sollten verschiedene, nicht zusammenhängende Vorgänge, die sich über einen größeren und jeweils unterschiedlichen Zeitraum erstreckten, und die im Verantwortungsbereich mehrerer Bundesministerien verortet wurden, untersucht werden. Hingegen wäre z. B. die Einsetzung des 'Noricum Untersuchungsausschuss[es]' (siehe AB 1235 d.B., XVII. GP) auch nach neuer Rechtslage ein zulässiger Untersuchungsgegenstand. Dabei wurde die 'Untersuchung 1. wie und auf welcher Grundlage es zur Erteilung der Genehmigungen von Exporten von Kriegsmaterial gekommen ist, das schließlich tatsächlich an die kriegsführenden Staaten Irak und Iran geliefert wurde; 2. wie es zur Umgehung der in diesen Bewilligungen festgelegten Bedingungen sowie der im Kriegsmaterialexportgesetz vorgesehenen Kontrollen gekommen ist; und 3. der politischen und administrativen Verantwortlichkeiten im Laufe der Genehmigung und der Überprüfung der Exporte sowie der Aufklärung der Vorwürfe' beschlossen."
Aus dem Ausschussbericht ergebe sich zunächst, dass Untersuchungsgegenstand zwar "ein bestimmter Vorgang" der Vollziehung sei, dass das Wort "ein" allerdings als unbestimmter Artikel zu verstehen sei. Dementsprechend wäre Art 53 Abs 2 B-VG dahingehend zu lesen, dass Untersuchungsgegenstand "ein bestimmter Vorgang oder mehrere bestimmte (zusammenhängende) Vorgänge der Vollziehung" sein könnten.
Weiters ergebe sich aus dem Ausschussbericht, dass Art 53 Abs 2 B-VG einen "inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhang" fordere. Diese Aussage beziehe sich auf den Ausdruck "bestimmter Vorgang".
Art53 Abs 2 B-VG werde daher bei einer Gesamtbetrachtung seiner Zielsetzung und des Ausschussberichtes dahingehend zu verstehen sein, dass Untersuchungsgegenstand ein (einziger) bestimmter Vorgang sei. Von einem solchen könne auch dann gesprochen werden, wenn es sich zwar um mehrere Vorgänge handle, diese aber in einem inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhang stünden.
3.2.2.Gegenstand des Verlangens 1/US 27. GP seien die Vollziehung bestimmter Bestimmungen des Glücksspielgesetzes, die Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, die Vorbereitung durch Kompetenzbestimmungen bezeichneter Gesetzgebungsvorhaben, die Vollziehung finanz(straf)rechtlicher Bestimmungen in Bezug auf Personen, die der Casinos Austria AG nahestünden, die Umstrukturierung der Finanzaufsicht, die Bestellung von Organen in staatsnahen Betrieben sowie straf- und disziplinarrechtliche Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos und gegen die Casinos Austria AG.
Die Aussagen des späteren Vizekanzlers im sogenannten Ibiza-Video würden keinen "Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes" darstellen und seien damit auch kein tauglicher Untersuchungsgegenstand.
Vielmehr sei zu untersuchen, ob die einzelnen Teile des Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einen "bestimmten Vorgang" iSd Art 53 Abs 2 B-VG bilden würden, wobei darunter auch mehrere bestimmte Vorgänge in einem inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhang fallen könnten.
Zur Beantwortung dieser Frage sei eine Heranziehung der Lehren vom Prozessgegenstand in den verschiedenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren schon deshalb nicht möglich, weil es sich beim Untersuchungsausschuss um ein Instrument der politischen Kontrolle handle, dessen Ergebnis nicht die rechtliche Beurteilung von Sachverhalten sei. Wohl aber werde man davon ausgehen können, dass der Untersuchungsausschuss der Klärung der politischen Verantwortung für einen "bestimmten Vorgang" diene, weshalb der Gegenstand des Untersuchungsausschusses auch vor dem Hintergrund abzugrenzen sei, die politische Verantwortung (ausschließlich) für diesen Vorgang zu klären.
Die politische Verantwortung für bestimmte Vorgänge könne zwar einerseits nicht mit der "verfassungsmäßige[n] Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen" gleichgesetzt werden, über die der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 142 B-VG erkenne; sie könne andererseits aber auch nicht unabhängig vom Zuständigkeitsbereich der Verantwortlichen gesehen werden. Dabei werde nicht übersehen, dass sich der Untersuchungsgegenstand seit der Neuformulierung des Art 53 B-VG nicht mehr auf die "Geschäftsführung der Bundesregierung" iSd Art 52 B-VG beschränke. Dafür, dass die politische Verantwortung in einem Zusammenhang mit dem Zuständigkeitsbereich des Verantwortlichen stehe, spreche vielmehr, dass Untersuchungsgegenstand ein bestimmter Vorgang "im Bereich der Vollziehung des Bundes" sei (wobei auch der Begriff der "Vollziehung" weit zu verstehen sei; vgl IA 718/A 25. GP, 14).
In erster Linie werde daher davon auszugehen sein, dass durch einen Untersuchungsausschuss die politische Verantwortung eines bestimmten (allenfalls eines noch unbestimmten, aber zu ermittelnden) Organes, insbesondere eines bestimmten Bundesministers oder mehrerer bestimmter Bundesminister, geklärt werden solle.
3.2.3.Das Verlangen der Anfechtungswerber dürfte nach Ansicht der Bundesregierung die Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG nicht erfüllen:
Das Verlangen sei nicht auf die Klärung der politischen Verantwortlichkeit eines bestimmten Bundesministers oder mehrerer bestimmter Bundesminister für einen konkreten, klar bestimmten (oder bestimmbaren) Vorgang iSd Art 53 Abs 2 B-VG innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs bzw ihrer Zuständigkeitsbereiche ausgerichtet, sondern auf diverse Vorgänge, die lediglich unter dem eher allgemeinen Thema der "mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" bzw der "mutmaßlichen politischen Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile" (vgl aus der Begründung des Verlangens: "Die Novomatic zahlt alle.", S 3) in das "Zentrum des Untersuchungsausschusses" gestellt werden sollten. Ein – wenn auch bestimmtes – Thema, das keinen "bestimmten Vorgang" darstelle, sei kein zulässiger Untersuchungsgegenstand; ebenso wenig wie bestimmte Vorgänge, die "lediglich einem gemeinsamen Generalthema zuordenbar" seien. Das vorliegende Verlangen sei daher auf keinen zulässigen Untersuchungsgegenstand gerichtet.
Demnach stelle sich die Frage, ob durch Unzulässigerklärung bestimmter Teile des Verlangens ein zulässiger Untersuchungsgegenstand hergestellt werden könne. Nehme man etwa – mit dem Geschäftsordnungsausschuss, der dies unter Berufung auf den quantitativ überwiegenden Teil der Verlangensthemen tue – an, dass die Punkte a (Vollziehung bestimmter Bestimmungen des Glücksspielgesetzes), b (Einflussnahme auf die Casinos Austria AG) und d (Vollziehung finanz[straf]rechtlicher Bestimmungen in Bezug auf Personen, die der Casinos Austria AG nahestünden) einen "bestimmten Vorgang" bildeten und daher zulässiger Untersuchungsgegenstand sein könnten, so gelte dies nicht in gleichem Maße für alle unter den Punkten c (Vorbereitung durch Kompetenzbestimmungen bezeichneter Gesetzgebungsvorhaben), e (Umstrukturierung der Finanzaufsicht), f (Bestellung von Organen in staatsnahen Betrieben) und g (straf- und disziplinarrechtliche Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos, soweit sie sich nicht gegen die Casinos Austria AG richten würden) aufgezählten Themen.
Zu Punkt c (Vorbereitung durch Kompetenzbestimmungen bezeichneter Gesetzgebungsvorhaben):
Untersuchungsgegenstand sollten alle Gesetzgebungsvorhaben sein, die sich auf die genannten Kompetenztatbestände stützen würden. Aus der Begründung des Verlangens gehe hervor, dass dies geschätzt 60 % der Gesetzesvorhaben der damaligen Bundesregierung betreffe. In Bezug auf den eingegrenzten zulässigen Untersuchungsgegenstand betreffend die Vorgänge im Glücksspielbereich sei dafür jedoch ausschließlich Art 10 Abs 1 Z 4 B-VG ("Bundesfinanzen", "Monopolwesen") einschlägig. Die übrigen genannten Kompetenztatbestände (etwa "Bundesverfassung[…]", "Bankwesen", "Zivilrechtswesen", "Strafrechtswesen", "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie", "Gesundheitswesen") seien diesbezüglich irrelevant. Dem Geschäftsordnungsausschuss könne demnach nicht entgegengetreten werden, diese Teile als unzulässig erklärt zu haben. Die Anfechtungswerber würden auch nicht vorbringen, in welchem inhaltlich bestimmten Zusammenhang diese Teile mit den übrigen Themen des Verlangens stünden.
Zu Punkt e (Umstrukturierung der Finanzaufsicht):
Gleiches gelte in Bezug auf die Umstrukturierung der Finanzaufsicht; auch sie stehe in keinem bestimmten Zusammenhang mit den übrigen Themen des Verlangens.
Zu Punkt f (Bestellung von Organen in staatsnahen Betrieben):
Das Thema der Bestellung von Organen in staatsnahen Betrieben könnte zwar grundsätzlich einen zulässigen Untersuchungsgegenstand bilden. Vor dem Hintergrund, dass dieser Teil des Verlangens sehr allgemein gehalten sei (und sich der Teil des Verlangens betreffend die Umstrukturierung der Finanzaufsicht als unzulässig erweise), scheine dieser Punkt jedoch in keinem bestimmten Zusammenhang mit den übrigen Themen des Verlangens zu stehen. Die Bundesregierung schließe sich daher der Auffassung des Geschäftsordnungsausschusses an, nach der sich dieser Punkt – weil eine Einschränkung auf die Bestellung von bestimmten Organen rechtlich nicht möglich wäre – zur Gänze als unzulässig erweise.
Zu Punkt g (straf- und disziplinarrechtliche Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos):
Entsprechend der bisherigen Einsetzung von Untersuchungsausschüssen werde zunächst davon auszugehen sein, dass straf- und disziplinarrechtliche Ermittlungen in einer bestimmten Angelegenheit mit dieser Angelegenheit einen gemeinsamen, bestimmten Vorgang bilden könnten, wenngleich die politische Verantwortlichkeit für diese Ermittlungen ein anderes oberstes Organ (Bundesminister bzw Bundesministerin für Justiz) trage (siehe das Verlangen auf Einsetzung des Hypo-Untersuchungsausschusses, 1/US 25. GP; Gegenstand dieses Untersuchungsausschusses seien nicht nur Angelegenheiten gewesen, die zum Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Finanzen, sondern überdies solche, die zu jenem des Bundesministers für Justiz gehörten hätten [so etwa Punkt 44 {Aufklärung über erfolgte mögliche Einflussnahmen auf strafrechtliche Verfahren}]).
Für jene straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen, die sich auf Themen beziehen würden, die keinen zulässigen Untersuchungsgegenstand bildeten, gelte jedoch, dass auch deren Untersuchung nicht zum "bestimmten Vorgang" iSd Art 53 Abs 2 B-VG gehöre.
Zu den Beweisthemen:
Die Unzulässigerklärung bestimmter Beweisthemen resultiere im Wesentlichen aus der Unzulässigerklärung bestimmter Themenbereiche des Untersuchungsgegenstandes. Die Bundesregierung schließe sich der Auffassung des Geschäftsordnungsausschusses an, nach der sich die entsprechenden Teile als unzulässig erweisen würden.
3.2.4.Nach Ansicht der Bundesregierung sei die Ansicht der Anfechtungswerber, unter einem bestimmten Vorgang sei alles zu verstehen, was konkretisier- und abgrenzbar sei, schon deshalb verfehlt, weil sie darauf hinauslaufe, dass Untersuchungsgegenstand alles sein könne, was benannt werden könne, möge es auch in keinem Zusammenhang stehen. Wäre diese Auffassung zutreffend, käme dem Tatbestandsmerkmal des "bestimmten Vorgangs" in Art 53 Abs 2 B-VG keine Bedeutung zu.
3.3.Zu den Bedenken im Hinblick auf das Gestaltungsrecht der verlangenden Abgeordneten:
Die Bundesregierung schließe sich zunächst der Auffassung der Anfechtungswerber an, dass der Untersuchungsgegenstand des Verlangens durch teilweise Unzulässigerklärung verändert worden sei. Die Lehren vom Prozessgegenstand in den verschiedenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren könnten jedoch nicht herangezogen werden, weil es sich beim Untersuchungsausschuss um ein Instrument der politischen Kontrolle handle. Auch gelte es als maßgeblich zu beachten, dass die vorgesehene Änderung des Verlangens durch den Geschäftsordnungsausschuss (die parlamentarische Mehrheit) gesetzlich ausdrücklich vorgesehen sei (siehe auch § 33 Abs 9 GOG-NR), indem es ihm zur Aufgabe gemacht werde, die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit des Verlangens festzustellen. Mit einer teilweisen Feststellung der Unzulässigkeit sei aber zwangsläufig eine Änderung des Verlangens verbunden. Dem Geschäftsordnungsausschuss komme demnach eine "negative Abänderungsmöglichkeit" zu.
Die verschiedenen Themen des Verlangens hätten auch andere zulässige Abgrenzungen des Untersuchungsgegenstandes ermöglicht. Die Bundesregierung vermöge dem Geschäftsordnungsausschuss allerdings nicht entgegenzutreten, wenn dieser zunächst nach dem größtmöglichen zulässigen Untersuchungsgegenstand suche, um in weiterer Folge jene Teile des Verlangens als unzulässig festzustellen, die mit diesem so gebildeten Untersuchungsgegenstand in keinem bestimmten Zusammenhang stünden, sodass noch von einem "bestimmten Vorgang" gesprochen werden könnte.
Die Erforderlichkeit der "Änderung" (im Sinne von Einschränkung) des Untersuchungsgegenstandes sei schließlich dem Umstand geschuldet, dass das Verlangen zu weit gefasst gewesen sei. In praktischer Hinsicht gelte es auch zu bedenken, dass die das Verlangen unterstützende Minderheit auch die Möglichkeit (hier: gehabt) habe, das Verlangen zurückzuziehen (§1 Abs 7 VO-UA), wie dies in der Vergangenheit auch schon so gehandhabt worden sei (so beim Verlangen auf Einsetzung des BVT-Untersuchungsausschusses; 2/US 26. GP).
3.4.Zu den Bedenken im Hinblick auf die Entscheidung betreffend Beweisthemen:
Die Bundesregierung weise darauf hin, dass eine inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstandes nach Beweisthemen zwar gemäß § 1 Abs 5 VO-UA zulässig, aber nicht erforderlich sei. Die Beweisthemen könnten einerseits zur Auslegung des Untersuchungsgegenstandes herangezogen werden, andererseits könnten sie über diesen nicht hinausgehen.
Gegenstand der Entscheidung des Geschäftsordnungsausschusses sei gemäß § 3 Abs 2 VO-UA "das Verlangen" (und nicht etwa der als "Gegenstand" bezeichnete Teil des Verlangens). Da der Untersuchungsgegenstand und seine Gliederung nach Beweisthemen aufeinander bezogen seien (§1 Abs 5 VO-UA), könne in der Streichung von Beweisthemen auch keine unzulässige Vorgehensweise des Geschäftsordnungsausschusses erblickt werden, betreffe die Streichung doch nicht einzelne Beweisthemen, die den vom Geschäftsordnungsausschuss als zulässig erachteten Untersuchungsgegenstand, sondern ausschließlich jene Teile der Beweisthemen, die die vom Geschäftsordnungsausschuss als unzulässig erachteten Themenbereiche des Untersuchungsgegenstandes betreffen würden.
IV.Erwägungen
1.Zur Zulässigkeit
1.1.Gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Anfechtung von Beschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates, mit denen ein Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird, durch ein dieses Verlangen unterstützendes Viertel seiner Mitglieder wegen Rechtswidrigkeit.
1.2.Gemäß Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG ist ein Untersuchungsausschuss auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates einzusetzen (vgl auch § 1 Abs 2 erster Satz VO-UA: "mindestens 46 […] Mitglieder"). Nähere Bestimmungen trifft nach Art 53 Abs 5 erster Satz B-VG das GOG-NR. Gemäß § 3 Abs 1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen vier Wochen nach Zuweisung eines Antrages bzw eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Beratung darüber aufzunehmen und innerhalb weiterer vier Wochen dem Nationalrat Bericht zu erstatten. Erachtet der Geschäftsordnungsausschuss ein ihm zugewiesenes Verlangen gemäß § 1 Abs 2 VO-UA oder einzelne genau zu bezeichnende Teile davon als unzulässig, so hat er gemäß § 3 Abs 2 VO-UA die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit festzustellen und zu begründen. Nach Erstattung des Berichtes des Geschäftsordnungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit (das sind gemäß § 1 Abs 2 zweiter Satz VO-UA [mindestens] 46 Abgeordnete, die das Verlangen unterstützt haben) nach § 4 Abs 3 VO-UA im Falle eines Beschlusses gemäß § 3 Abs 2 VO-UA über die teilweise oder gänzliche Unzulässigkeit eines Verlangens auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG den Verfassungsgerichtshof anrufen. Die Frist zur Anfechtung eines Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates, mit dem ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird, beträgt gemäß § 56c Abs 1 VfGG zwei Wochen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, den der Präsident des Nationalrates gemäß § 4 Abs 2 VO-UA festgestellt hat. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach § 56c Abs 6 VfGG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber innerhalb von vier Wochen.
1.3.Der Geschäftsordnungsausschuss hat mit Beschluss vom das Verlangen von 54 Mitgliedern des Nationalrates auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)" teilweise für unzulässig erklärt. Der Präsident des Nationalrates hat als Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses (vgl § 4 Abs 2 VO-UA und § 33 Abs 9 GOG-NR) den , 21:34 Uhr, festgestellt.
1.4.Die am von 53 das in Rede stehende Verlangen unterstützenden Mitgliedern des Nationalrates beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Anfechtung gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG erweist sich somit als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern des Nationalrates eingebracht. Die Einhaltung der Bestimmung des § 106 GOG-NR bildet keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (vgl VfSlg 20.304/2018 mwN; vgl auch VfSlg 16.752/2002 zu einem Verfahren nach [nunmehr] Art 140 Abs 1 Z 2 B-VG). Da auch sonst keine Prozesshindernisse vorliegen, erweist sich die Anfechtung als zulässig.
2.In der Sache
2.1.Gegenstand des Verfahrens nach Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG ist der (Mehrheits-)Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses, mit dem das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von (mindestens) einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates gemäß Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird. Er wird durch den angefochtenen Umfang der Entscheidung des Geschäftsordnungsausschusses begrenzt. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem Verfahren zur Entscheidung über die Anfechtung eines Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken. Er hat sohin im vorliegenden Fall ausschließlich zu beurteilen, ob die teilweise Unzulässigkeitserklärung des in Rede stehenden Verlangens durch den Geschäftsordnungsausschuss aus den in der Anfechtung gemäß § 56c Abs 2 Z 3 VfGG dargelegten Gründen rechtswidrig ist oder nicht.
2.2.Die einschreitenden Mitglieder des Nationalrates bringen zur Begründung ihrer Anfechtung zusammengefasst vor, der angefochtene Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses, mit dem das Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses für teilweise unzulässig erklärt werde, sei insofern bereits deswegen zur Gänze rechtswidrig, als der Geschäftsordnungsausschuss das in Rede stehende Verlangen nicht nur auf die Einhaltung der formalen Zulässigkeitskriterien hin geprüft habe, sondern durch eine Prüfung auf die Einhaltung aller gesetzlichen Kriterien vielmehr seine gesetzlichen Zuständigkeiten im Sinne des § 3 Abs 2 VO-UA überschritten habe.
Sofern der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses die teilweise Unzulässigkeit damit begründe, dass das Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses nicht direkt zusammenhängende Themenbereiche sammle und daher kein "bestimmter Vorgang" sei, sei dem entgegenzuhalten, dass ein extensives Verständnis der zitierten Wortfolge schon im Hinblick auf die Kontrollfunktion des Parlaments geboten sei. Auch die einfachgesetzliche Voraussetzung in § 1 Abs 5 VO-UA, nach der ein "direkter" Zusammenhang bestehen müsse, sei im Sinne einer historischen Interpretation der Absicht des Verfassungsgesetzgebers extensiv zu verstehen. Nach den Materialien genüge für einen "Vorgang" dessen Bestimmbarkeit und Abgrenzbarkeit. Der Verfassungsgesetzgeber habe die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Novelle des Art 53 B-VG bestehende extensive Auslegung und Praxis seinem Verständnis des Begriffes "bestimmter Vorgang" (vgl auch Art 52b B-VG) zugrunde gelegt sowie diese Praxis normativ verfestigt und bestätigt.
Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses sei zudem auf Grund eines Verstoßes gegen das Verbot der Abänderung des Untersuchungsgegenstandes gegen den Willen des verlangenden Viertels der Mitglieder des Nationalrates gemäß § 3 Abs 4 VO-UA zur Gänze rechtswidrig. Der Verfassungsgesetzgeber habe mit der Neuregelung des Rechtes der Untersuchungsausschüsse beabsichtigt, dass das verlangende Viertel der Mitglieder des Nationalrates – innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen – über Umfang und Gegenstand der Untersuchung bestimmen könne (ansonsten würde das durch Art 53 Abs 1 zweiter Satz B-VG eingeräumte Einsetzungsrecht eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates ins Leere laufen). Die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss habe sich nicht nur eine reduzierende Deutung des Untersuchungsgegenstandes ausgesucht, sondern diesen vielmehr umgedeutet. Sie habe keine Zulässigkeitsprüfung, sondern eine Abänderung vorgenommen und auf willkürliche Art einen neuen inhaltlichen Zusammenhang definiert. Wäre die Argumentation der beschlussfassenden Mehrheit im Hinblick auf den mangelnden inhaltlichen Zusammenhang zutreffend, hätte sie zur Feststellung der gänzlichen Unzulässigkeit des Verlangens gelangen müssen.
Der vom verlangenden Viertel der Mitglieder des Nationalrates gewählte Untersuchungsgegenstand entspreche den gesetzlichen Vorgaben, indem er die handelnden Akteure, die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, die maßgeblichen Handlungen, den relevanten Zeitraum, den auslösenden Verdacht und die Zielrichtung der Untersuchung des Untersuchungsausschusses verschränke.
Die von der beschlussfassenden Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss vertretene Ansicht, die inhaltliche Gliederung nach Beweisthemen im Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses unterliege ebenfalls der Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuss, sei insofern verfehlt, als Beweisthemen ein aliud im Vergleich zum Untersuchungsgegenstand seien, deren Formulierung nicht verpflichtend sei. Sie könnten zwar zur Auslegung des Untersuchungsgegenstandes herangezogen werden, hätten aber keinen selbständigen normativen Charakter.
2.3.In ihrer Äußerung bringt die Bundesregierung zusammengefasst vor, die Bestimmungen des Art 53 Abs 1 und 2 B-VG müssten aufeinander bezogen verstanden werden, sodass auch ein Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates die Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG erfüllen müsse. Unter dem Begriff der "Zulässigkeit" in § 3 Abs 2 VO-UA seien – insbesondere vor dem Hintergrund der Bestimmungen des B-VG, der VO-UA, der Materialien zur VO-UA sowie der Rechtsschutz- und Kontrollfunktion des Verfassungsgerichtshofes – nicht nur formale, sondern auch inhaltliche Voraussetzungen zu verstehen (insbesondere die Übereinstimmung mit Art 53 Abs 2 B-VG).
Das in Rede stehende Verlangen dürfte die Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG nicht erfüllen, weil es nicht auf die Klärung der politischen Verantwortlichkeit eines bestimmten Bundesministers oder mehrerer bestimmter Bundesminister für einen konkreten, klar bestimmten (oder bestimmbaren) Vorgang iSd Art 53 Abs 2 B-VG innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches bzw ihrer Zuständigkeitsbereiche ausgerichtet sei, sondern auf diverse Vorgänge, die lediglich unter dem eher allgemeinen Thema der "mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" bzw der "mutmaßlichen politischen Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile" in das "Zentrum des Untersuchungsausschusses" gestellt werden sollten. Die Bundesregierung schließe sich der Auffassung des Geschäftsordnungsausschusses an bzw trete diesem nicht entgegen, wenn er durch Unzulässigerklärung bestimmter Teile des Verlangens einen zulässigen Untersuchungsgegenstand herstelle. Da der Untersuchungsgegenstand und seine – zulässige, aber nicht erforderliche (vgl § 1 Abs 5 VO-UA) – Gliederung nach Beweisthemen aufeinander bezogen seien, könne in der Streichung von Beweisthemen auch keine unzulässige Vorgehensweise des Geschäftsordnungsausschusses erblickt werden, betreffe die Streichung doch nicht einzelne Beweisthemen, die den vom Geschäftsordnungsausschuss als zulässig erachteten Untersuchungsgegenstand, sondern ausschließlich jene Teile der Beweisthemen, die die vom Geschäftsordnungsausschuss als unzulässig erachteten Themenbereiche des Untersuchungsgegenstandes betreffen würden.
Letztlich schließe sich die Bundesregierung der Auffassung der Anfechtungswerber an, dass der Untersuchungsgegenstand des Verlangens durch teilweise Unzulässigerklärung verändert worden sei, was jedoch gesetzlich ausdrücklich vorgesehen sei (vgl § 33 Abs 9 GOG-NR), indem es dem Geschäftsordnungsausschuss zur Aufgabe gemacht werde, die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit des Verlangens festzustellen. Mit einer teilweisen Feststellung der Unzulässigkeit sei zwangsläufig eine Änderung des Verlangens verbunden (dem Geschäftsordnungsausschuss komme eine "negative Abänderungsmöglichkeit" zu). Die Erforderlichkeit der "Änderung" (im Sinne von Einschränkung) des Untersuchungsgegenstandes sei dem Umstand geschuldet, dass das Verlangen zu weit gefasst gewesen sei (die das Verlangen unterstützende Minderheit hätte das Verlangen zurückziehen können; vgl § 1 Abs 7 VO-UA). Der Geschäftsordnungsausschuss habe zunächst den größtmöglichen zulässigen Untersuchungsgegenstand gesucht (auch andere zulässige Abgrenzungen des Untersuchungsgegenstandes wären auf Grund der verschiedenen Themen des Verlangens möglich gewesen) und in weiterer Folge jene Teile des Verlangens als unzulässig festgestellt, die mit dem so gebildeten Untersuchungsgegenstand in keinem bestimmten Zusammenhang stünden, sodass noch von einem "bestimmten Vorgang" gesprochen werden könnte.
2.4.Der angefochtene Beschluss ist aus folgenden Gründen mit Rechtswidrigkeit belastet:
2.4.1.Art53 Abs 1 B-VG legt fest, dass der Nationalrat durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen kann; darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen. Nach Art 53 Abs 2 B-VG ist Gegenstand der Untersuchung ein bestimmter, abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes, was alle Tätigkeiten von Organen des Bundes einschließt, durch die er – unabhängig von der Höhe der Beteiligung – wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt (eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen). Nähere Bestimmungen trifft gemäß Art 53 Abs 5 erster Satz B-VG das GOG-NR.
Mit der Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, wird dem Nationalrat ein Instrument der politischen Kontrolle eröffnet (Kahl, Art 52b B-VG, in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 7. Lfg. 2005, Rz 4). Die Befugnisse, die dem Untersuchungsausschuss durch Art 53 B-VG und die Ausführungsbestimmungen in der VO-UA übertragen werden, sollen eine wirksame parlamentarische Kontrolle durch den Nationalrat ermöglichen.
Der Wahl des Anliegens sind zunächst keine Grenzen gesetzt; es ist allein der politischen Wertung von Abgeordneten des Nationalrates anheimgestellt, welches Anliegen der politischen Kontrolle durch einen Untersuchungsausschuss zugeführt werden soll. Es bedarf weder eines Verdachtes noch eines Anlasses. Da mit Art 53 Abs 1 B-VG einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates ein Minderheitsrecht eingeräumt wurde (siehe AB 439 BlgNR 25. GP, 2), kommt der verlangenden Minderheit – im Sinne der wirksamen Ausgestaltung dieses Rechtes – grundsätzlich auch das Recht zu, das zu untersuchende Thema frei zu bestimmen, in das gegen ihren Willen nicht eingegriffen werden darf.
2.4.2.Ein Verlangen kann jedoch nur dann zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses führen, wenn der Vorgang, der untersucht werden soll, den Anforderungen des Art 53 Abs 2 B-VG entspricht:
Soweit Art 53 Abs 2 B-VG vorsieht, dass Gegenstand der Untersuchung ein "bestimmter […] Vorgang" zu sein hat, erläutern die Materialien (AB 439 BlgNR 25. GP, 4) diesen Begriff als "bestimmbare[n] und abgrenzbare[n] Vorgang" in der Vollziehung des Bundes. Die Untersuchung könne – so die Materialien weiter – "mithin nur inhaltlich zusammenhängende Sachverhalte" betreffen. Das Wort "ein" werde als "unbestimmter Artikel und nicht als Zahlwort verwendet". Die "Forderung eines inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhangs" schließe aus, "dass mehrere, unterschiedliche Vorgänge oder Themen in einem Untersuchungsausschuss untersucht werden, die nur lose miteinander verknüpft sind, etwa weil es sich um Vorgänge innerhalb des Zuständigkeitsbereiches eines Bundesministeriums" handle. "Die Bestimmbarkeit und Abgrenzbarkeit eines Vorgangs" schließe nicht aus, "dass Untersuchungsgegenstand und Untersuchungsauftrag eine Untergliederung in einzelne Abschnitte bzw Beweisthemen aufweisen, zumal ein Vollzugsakt auch in einzelne Phasen zerlegt werden" könne.
Dazu sieht § 1 Abs 5 VO-UA vor, dass eine inhaltliche Gliederung des Gegenstandes der Untersuchung nach Beweisthemen zulässig, eine Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche hingegen unzulässig ist.
Vor dem Hintergrund, dass der Verfassungsgesetzgeber bei der Beschlussfassung über Art 53 Abs 2 B-VG und insbesondere über die Verwendung des Begriffes "bestimmter […] Vorgang" das "etablierte parlamentarische Konzept" (so Konrath/Neugebauer/Posnik, Das neue Untersuchungsausschussverfahren im Nationalrat, JRP 2015, 216 [218]) aus Art 52b B-VG und § 99 Abs 2 GOG-NR – der in Ausführung von Art 126b Abs 4 B-VG ergangen ist – vor Augen hatte (AB 439 BlgNR 25. GP, 3; der Begriff wird in der Praxis weit ausgelegt [vgl dazu Konrath/Neugebauer/Posnik, aaO, 218; Kahl, aaO, Rz 4; Zögernitz, Nationalrat-Geschäftsordnung4, 2020, 622]), sind keine zu strengen Anforderungen an die Bestimmtheit des Gegenstandes der Untersuchung (Art53 Abs 2 B-VG) zu stellen. Der den Bestimmungen des Art 52b B-VG und des § 99 Abs 2 GOG-NR gemeinsame Begriff des "bestimmten Vorganges" bewirkt in dem dort relevanten Zusammenhang der Gebarungsüberprüfung eine sachliche Einschränkung der jeweils von der Minderheit verlangten Prüfung (Zögernitz, aaO, 622) in dem Sinne, dass der zu untersuchende Vorgang – der Prüfungsgegenstand – konkret, abgegrenzt und im Prüfungsauftrag hinreichend konkretisiert sein muss (Kahl, aaO, Rz 4; vgl auch Hengstschläger, Rechnungshofkontrolle – Kommentar zum fünften Hauptstück des B-VG "Rechnungs- und Gebarungskontrolle", 2000, 211).
Der so definierte Untersuchungsgegenstand begründet den Rahmen des Tätigkeitsbereiches des Untersuchungsausschusses, bindet diesen und bildet gleichzeitig die Begrenzung der diesem übertragenen Zwangsbefugnisse. Zugleich dient die Festlegung des Untersuchungsgegenstandes aber auch dem Schutz der betroffenen Organe, weil damit deren Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen konkretisiert sowie der Umfang bestimmt wird, innerhalb dessen sie Ersuchen um Beweiserhebungen Folge zu leisten haben. Da der Untersuchungsausschuss an den Untersuchungsgegenstand und die damit verbundenen Zielsetzungen gebunden ist und er im Rahmen des Beweisverfahrens konkrete Fragen untersuchen soll, sowie weil die Grenzen der Verpflichtungen vom Verfahren betroffener Organe und Dritter vom Verfassungsgerichtshof einer Überprüfung unterzogen werden können, muss der Untersuchungsgegenstand, vor allem aus rechtsstaatlichen Gründen, hinreichend bestimmt sein. Durch das Erfordernis des Vorliegens eines bestimmten Vorganges wird es umgekehrt aber auch nicht ins Belieben der betroffenen Organe gestellt, welche Beweismittel sie dem Untersuchungsausschuss vorlegen.
Im Hinblick darauf, dass ein Minderheitsverlangen der Überprüfung durch den Geschäftsordnungsausschuss unterzogen wird und dessen (dieses Verlangen für ganz oder teilweise unzulässig erklärender) Beschluss im Rahmen eines Verfahrens gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden kann, hat schon das Verlangen der Minderheit das Vorliegen der verfassungsrechtlich geforderten Voraussetzungen (Vorliegen eines bestimmten, abgeschlossenen Vorganges im Bereich der Bundesvollziehung; Art 53 Abs 2 zweiter und dritter Satz B-VG) nachvollziehbar darzulegen.
Aus dem Verlangen muss sich ergeben, dass es sich um einen Vorgang der Bundesvollziehung handelt; weiters haben sich aus dem Verlangen die ausreichende Bestimmtheit und der erforderliche Zusammenhang zu ergeben. Die Untersuchungsziele sind näher festzulegen und es ist auszuführen, welche Themenbereiche der Untersuchungsausschuss im Rahmen seines nachfolgenden Beweisverfahrens untersuchen soll; jeder einzelne dieser Bereiche hat einen ausreichenden Zusammenhang mit dem festgelegten Vorgang aufzuweisen, der darzulegen ist; diese Parameter müssen geeignete Grundlagen bilden, um dem Untersuchungsausschuss zur Erreichung seiner Prüfziele eine Beurteilung und Entscheidung zu ermöglichen. Es obliegt daher der Minderheit, ein hinreichend klar umrissenes Arbeitsprogramm für den Untersuchungsausschuss vorzugeben.
Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 56c Abs 6 VfGG, über eine Anfechtung von Beschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses, mit denen ein Verlangen für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird, auf Grund der Aktenlage und ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen) zu entscheiden, sowie im Hinblick auf die befristete Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl § 53 VO-UA) hat die anfechtungsberechtigte Minderheit das Vorliegen der Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG bereits gegenüber dem Geschäftsordnungsausschuss darzulegen und nicht erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof diesem gegenüber zu begründen (vgl VfSlg 20.304/2018).
2.4.3.Prüfungsgegenstand nach Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof ist allerdings nicht das Verlangen, sondern der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates, mit dem ein Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird.
2.4.4.Gemäß § 3 Abs 1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen vier Wochen nach Zuweisung eines Antrages bzw eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Beratung über einen Antrag oder ein Verlangen auf Einsetzung aufzunehmen und innerhalb weiterer vier Wochen dem Nationalrat Bericht zu erstatten. Nach § 3 Abs 2 VO-UA hat er, erachtet er ein ihm zugewiesenes Verlangen gemäß § 1 Abs 2 VO-UA oder einzelne genau zu bezeichnende Teile davon als unzulässig, die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit festzustellen und zu begründen. Der Bericht des Geschäftsordnungsausschusses an den Nationalrat gemäß § 3 Abs 1 VO-UA hat in einem solchen Fall den Beschluss über die (teilweise oder gänzliche) Unzulässigkeit eines Verlangens gemäß § 1 Abs 2 VO-UA samt Begründung zu enthalten (AB 440 BlgNR 25. GP, 8).
Gemäß § 3 Abs 4 VO-UA darf der Geschäftsordnungsausschuss den im Verlangen gemäß § 1 Abs 2 VO-UA bezeichneten Untersuchungsgegenstand nicht ändern, es sei denn, alle in der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses stimmberechtigten Abgeordneten, die das Verlangen unterstützt haben, stimmen dem zu.
2.4.5.Der Geschäftsordnungsausschuss hat nach diesen Bestimmungen zu prüfen, ob das Verlangen die verfassungsrechtlich festgelegten Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG erfüllt (Vorliegen eines bestimmten abgeschlossenen Vorganges im Bereich der Vollziehung des Bundes; Art 53 Abs 2 zweiter und dritter Satz B-VG). Dem Geschäftsordnungsausschuss obliegt bei seiner Prüfung nach § 3 Abs 2 VO-UA nicht die Kontrolle der Zweckmäßigkeit des Verlangens bzw des Untersuchungsgegenstandes; vielmehr ist allein die Verfassungsmäßigkeit des Verlangens zu überprüfen.
2.4.5.1.Gemäß § 3 Abs 2 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss, wenn er ein Verlangen nach § 1 Abs 2 VO-UA als (teilweise) unzulässig erachtet, die einzelnen Teile des Verlangens genau zu bezeichnen und die (teilweise) Unzulässigkeit des Verlangens zu begründen. Dies dient unter anderem der Abgrenzung des Gegenstandes eines möglichen Verfahrens nach Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG. Der Verfassungsgerichtshof prüft die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses im Umfang und im Hinblick auf die seitens des Geschäftsordnungsausschusses ins Treffen geführten und seitens der Anfechtungswerber bestrittenen Gründe.
2.4.5.2.Die Anfechtungswerber behaupten, es sei unzulässig, einfachgesetzlich vorzusehen, dass der Geschäftsordnungsausschuss die Verfassungsmäßigkeit eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses am Maßstab des Art 53 Abs 2 B-VG zu prüfen habe; § 3 Abs 2 VO-UA sei daher jedenfalls verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sich die Prüfung der Zulässigkeit eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Geschäftsordnungsausschuss auf die formalen Kriterien des § 1 VO-UA zu beziehen habe und die Frage der Übereinstimmung des Verlangens mit Art 53 Abs 2 B-VG außer Betracht zu lassen habe.
Damit sind sie nicht im Recht: Bereits die Materialien zu § 3 Abs 2 VO-UA (AB 440 BlgNR 25. GP, 8) führen als Prüfungsmaßstab für die Beurteilung durch den Geschäftsordnungsausschuss ausdrücklich Art 53 Abs 2 B-VG an. Die VO-UA versteht die Übereinstimmung des Untersuchungsgegenstandes mit Art 53 Abs 2 B-VG jedenfalls auch als Voraussetzung, die der Geschäftsordnungsausschuss nach § 3 Abs 2 VO-UA zu prüfen hat. So enthält § 1 Abs 5 VO-UA, der Voraussetzungen für ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses festlegt, die Anordnung, dass eine inhaltliche Gliederung des Gegenstandes der Untersuchung nach Beweisthemen zulässig ist, eine Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themen hingegen unzulässig ist. Die in § 1 Abs 5 VO-UA vorgesehene Unzulässigkeit einer Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themen entspricht jener Umschreibung der Wendung "bestimmter Vorgang", die die Materialien zu Art 53 Abs 2 B-VG (AB 439 BlgNR 25. GP, 4) verwenden, und stellt die einfachgesetzliche Ausführung dieser Wendung dar. Daraus ist abzuleiten, dass § 3 Abs 2 VO-UA die Prüfung der "Zulässigkeit" (zumindest auch) als Prüfung der Übereinstimmung des Verlangens mit den Vorgaben des Art 53 Abs 2 B-VG versteht.
Zudem ist der Bundesregierung zuzustimmen, wenn sie darauf hinweist, dass sich vor dem Hintergrund der Einbringung der Anträge auf Neufassung des Art 53 B-VG einerseits sowie auf Änderung des GOG-NR bzw auf Erlassung der VO-UA andererseits am selben Tag, der Behandlung dieser Anträge durch den selben Ausschuss und der Beschlussfassung im Nationalrat an zwei aufeinanderfolgenden Tagen die Annahme verbietet, der Nationalrat habe einfachgesetzliche Regelungen ohne Bedachtnahme auf die am Tag davor beschlossene Verfassungsbestimmung erlassen (vgl VfSlg 20.191/2017 mwN).
2.4.5.3.Die Anfechtungswerber sind auch nicht im Recht, wenn sie weiter behaupten, eine verfassungskonforme Interpretation des § 3 Abs 2 VO-UA in dem Sinne, dass die Übereinstimmung des Verlangens mit Art 53 Abs 2 B-VG nicht durch den Geschäftsordnungsausschuss zu prüfen sei, sei auch deswegen geboten, weil der Verfassungsgesetzgeber gerade nicht angeordnet habe, dass schon der Geschäftsordnungsausschuss zur Klärung der Verfassungskonformität eines Untersuchungsgegenstandes den Verfassungsgerichtshof anrufen könne, sondern im Gegenteil der Verfassungsgesetzgeber durch die Erlassung des Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG den Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses gemäß § 3 Abs 2 VO-UA über die (teilweise) Unzulässigkeit eines Einsetzungsverlangens zum ausschließlichen Anfechtungsgegenstand vor dem Verfassungsgerichtshof erkläre und ein Beschluss oder ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses samt dem darin enthaltenen Untersuchungsgegenstand keinen tauglichen Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bilde.
Gerade weil nach den (verfassungs-)gesetzlichen Regelungen nicht das Verlangen, sondern der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses Gegenstand im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist, muss Prüfungsmaßstab für diesen Beschluss Art 53 Abs 2 B-VG sein; andernfalls wäre der Verfassungsgerichtshof auf die Nachprüfung bloß der Einhaltung der formalen Kriterien des § 1 VO-UA beschränkt, weil nur diese Inhalt des zu überprüfenden Beschlusses wäre.
Der Verfassungsgerichtshof ist zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates berufen; daraus ergibt sich, dass Art 53 Abs 2 B-VG Prüfungsmaßstab für die Prüfung der Zulässigkeit des Verlangens durch den Geschäftsordnungsausschuss nach § 3 Abs 2 VO-UA ist (vgl so im Ergebnis auch Konrath/Neugebauer/Posnik, aaO, 222; Scholz, Zum zulässigen Gegenstand parlamentarischer Untersuchungsausschüsse nach der Untersuchungsausschuss-Reform 2014, JRP 2015, 232 [242]).
2.4.5.4.Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses ist nicht bereits – wie es die Anfechtungswerber behaupten – aus dem Grund rechtswidrig, dass der Geschäftsordnungsausschuss die inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstandes nach Beweisthemen im Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses in die Prüfung einbezogen und auch im Rahmen dieser Streichungen vorgenommen hat. Wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung zu Recht ausführt, ist Gegenstand der Entscheidung des Geschäftsordnungsausschusses gemäß § 3 Abs 2 VO-UA das Verlangen. § 1 Abs 5 VO-UA, auf den sich die Anfechtungswerber in ihrer Argumentation der Sache nach stützen, regelt, dass eine inhaltliche Gliederung des Gegenstandes der Untersuchung in Beweisthemen in einem Antrag oder einem Verlangen auf Einsetzung zulässig ist. Daraus ist zu schließen, dass in dem Fall, in dem von einer solchen zulässigen, aber nicht zwingenden Gliederung in Beweisthemen in einem Verlangen Gebrauch gemacht wird, diese Teil des Verlangens werden. Damit sind auch die Beweisthemen grundsätzlich tauglicher Prüfungsgegenstand und können auch – bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen – durch Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses zulässigerweise gestrichen werden.
2.4.5.5.Der Geschäftsordnungsausschuss ist gemäß § 3 Abs 2 VO-UA auch befugt, nur einzelne genau zu bezeichnende Teile des Verlangens als unzulässig zu erklären. Eine Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss kann somit ohne Zustimmung der Abgeordneten, die das Verlangen unterstützt haben, einzelne Teile des Untersuchungsgegenstandes aus Gründen ihrer Unzulässigkeit streichen und diesen somit einschränken. Die entsprechenden Teile sind im Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses genau zu bezeichnen, und die Unzulässigkeit ist zu begründen (§3 Abs 2 VO-UA).
Gemäß § 3 Abs 4 VO-UA darf der Geschäftsordnungsausschuss den im Verlangen gemäß § 1 Abs 2 VO-UA bezeichneten Untersuchungsgegenstand aber nicht ändern, es sei denn, alle in der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses stimmberechtigten Abgeordneten, die das Verlangen unterstützt haben, stimmen dem zu. Eine Änderung des Untersuchungsgegenstandes ohne diese Zustimmung ist ausgeschlossen. Ebenso wenig darf eine Änderung der Beweisthemen, sofern diese im Sinne einer Gliederung des Untersuchungsgegenstandes im Verlangen enthalten sind, durch eine Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss erfolgen.
Soweit ein Verlangen rechtmäßig ist, muss diesem entsprochen werden. Einen Untersuchungsgegenstand, den die Minderheit in einem Verlangen formuliert, darf die Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss keiner inhaltlichen Änderung unterziehen. Streichungen, die materiell Änderungen sind, sind verfassungsrechtlich ebenfalls ausgeschlossen. Ausgehend davon, dass ein Untersuchungsausschuss eine wirksame politische Kontrolle der Vollziehung eröffnen soll, Art 53 Abs 1 B-VG einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates ein Minderheitsrecht einräumt und Art 53 B-VG nicht danach differenziert, ob ein Untersuchungsausschuss vom Nationalrat oder von einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates eingesetzt wird – wie dies im Übrigen auch von der Bundesregierung vertreten wird –, sind der Mehrheit enge Grenzen gesetzt, bei einem Untersuchungsgegenstand, den die Minderheit in einem Verlangen formuliert, Streichungen vorzunehmen. Eine teilweise Unzulässigkeitserklärung kommt damit nur ausnahmsweise in Betracht.
Im Einzelfall ist nachvollziehbar zu begründen, ob Teile des Untersuchungsgegenstandes abtrennbar sind, ohne dass der verbleibende Rest eine unzulässige materielle Änderung erfährt. Im Hinblick auf ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG ist es der Mehrheit übertragen, ihre Entscheidung entsprechend substantiiert und nachvollziehbar zu begründen (vgl auch § 3 Abs 2 VO-UA).
2.4.5.6.Die Mehrheit hält im vorliegenden Fall unter Punkt I.C.2. ("mutmaßliche politische Absprache") einleitend fest, dass "[d]as Verlangen 1/US […] gegen das […] Verbot der Sammlung nicht in Zusammenhang stehender Themenbereiche [verstößt] und der Untersuchungsgegenstand […] daher keinen 'bestimmten, abgeschlossenen Vorgang' iSd Art 53 Abs 2 B-VG dar[stellt]." Die Einsetzungsminderheit versuche als Kern der Untersuchung "eine zunächst äußerst allgemein beschriebene, 'mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unterstellte leitende Bedienstete […]' darzustellen". Es möge "zwar (teilweise) zwischen einzelnen der Buchstaben [ein inhaltlicher Zusammenhang] bestehen […], durch die einleitende Klammer selbst [entstehe] er jedoch nicht: [D]er Vorwurf einer 'mutmaßlichen politischen Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile'" sei selbst so allgemein, dass er "einen fehlenden inhaltlichen Konnex nicht ersetzen" könne. Auch in persönlicher Hinsicht könne die Formulierung des Verlangens keinen ausreichenden Zusammenhang begründen. Schließlich könne der Untersuchungszeitraum von ungefähr zwei Jahren für sich allein genommen diese Mängel nicht ausgleichen.
Unter Punkt I.C.3. führt die beschlussfassende Mehrheit weiters aus, sowohl aus der Reihung der im Verlangen genannten Vollziehungsbereiche als auch aus ihrer zahlenmäßigen Gewichtung ergebe sich, dass die Einsetzungsminderheit im Verlangen einen Schwerpunkt im Themenkomplex "Casinos Austria – Glücksspiel" gesetzt habe. Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht gebiete es, die aus rechtlichen Gründen nach Auffassung der Mehrheit erforderliche Feststellung der Unzulässigkeit auf das notwendige Maß zu beschränken. Aus diesem Grund erscheine es angebracht, lediglich die teilweise Unzulässigkeit jener Teile des Verlangens festzustellen, die mit dem genannten Themenkomplex in keinem direkten Zusammenhang stünden und somit dem Bestimmtheitserfordernis zuwiderliefen.
2.4.5.7.Die Anfechtungswerber bringen vor, dass die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss auf willkürliche Art einen neuen inhaltlichen Zusammenhang definiert und eine unzulässige Änderung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen habe.
Damit sind sie im Recht. Der Geschäftsordnungsausschuss überschreitet insofern die verfassungsrechtlichen Grenzen des Art 53 Abs 2 B-VG:
Die Entscheidung über die teilweise Unzulässigkeit des Untersuchungsgegenstandes wird im Wege einer politischen Wertung des Geschäftsordnungsausschusses herbeigeführt:
Die beschlussfassende Mehrheit zieht einen von ihr definierten Themenkomplex "Casinos Austria – Glücksspiel" als Bezugsgröße heran, um bei den einzelnen Vollziehungsbereichen, bei denen eine (Teil-)Streichung vorgenommen wird, den erforderlichen Zusammenhang zu untersuchen. Die einzelnen Bereiche, die einer Streichung unterzogen werden, werden jeweils in Bezug auf den von der Mehrheit selbst ermittelten "Schwerpunkt" im Hinblick auf das Vorliegen eines inhaltlichen Zusammenhanges geprüft. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass es "angebracht (erscheine), lediglich die teilweise Unzulässigkeit jener Teile des Verlangens festzustellen, die mit dem genannten Themenkomplex in keinem direkten Zusammenhang stehen und somit dem Bestimmtheitserfordernis des Art 53 Abs 2 B-VG und des § 1 Abs 5 2. Satz VO-UA zuwiderlaufen."
Die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss beschränkt sich somit nicht darauf, das Verlangen im Hinblick auf das Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen (Art53 Abs 2 B-VG) zu prüfen; vielmehr gewichtet sie das politische Anliegen selbst, gestaltet eigenständig einen Untersuchungsgegenstand und untersucht in weiterer Folge unter Zugrundelegung dieser gewonnenen Prämisse das Vorliegen des inhaltlichen Zusammenhanges bei den unter lita) bis g) aufgezählten "Bereichen" und den Beweisthemen.
Die Auffassung der Bundesregierung ist verfehlt, wenn sie in ihrer Äußerung davon ausgeht, dass es dem Geschäftsordnungsausschuss offen gestanden sei, "auch andere zulässige Abgrenzungen des Untersuchungsgegenstandes" vorzunehmen, und dem Geschäftsordnungsausschuss nicht entgegenzutreten sei, wenn dieser "nach dem größtmöglichen zulässigen Untersuchungsgegenstand sucht, um in weiterer Folge jene Teile des Verlangens als unzulässig festzustellen, die mit diesem so gebildeten Untersuchungsgegenstand in keinem bestimmten Zusammenhang stehen, sodass noch von einem 'bestimmten Vorgang' gesprochen werden könnte."
Dem Geschäftsordnungsausschuss ist die Aufgabenstellung übertragen, das Vorliegen der Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG zu überprüfen; ist er der Auffassung, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so hat er dies entsprechend zu begründen. Die verfassungsrechtlichen Rechtsvorschriften eröffnen jedoch keinen Raum dafür, es ins Belieben der Mehrheit zu stellen, ungeachtet dieser Rechtsauffassung – unter Zugrundelegung einer eigenständigen politischen Wertung – eine reduzierende Bewertung vorzunehmen und eine Teileinsetzung zu ermöglichen. Im Ergebnis ist die anfechtungswerbende Minderheit daher im Recht, dass der Geschäftsordnungsausschuss eine unzulässige Änderung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen hat.
2.4.6.Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss ihren Beschluss mit Rechtswidrigkeit belastet hat, indem sie entgegen Art 53 Abs 2 B-VG den verfassungsrechtlichen Vorgaben die Bedeutung beimisst, dass bei Annahme des Fehlens der verfassungsrechtlich geforderten Voraussetzungen an das Verlangen dieses einer eigenständigen politischen Interpretation und damit Wertung durch die Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss zu unterziehen ist, obwohl dies zu einer Änderung des Untersuchungsgegenstandes führt.
2.5.Ein Abspruch über den von den Anfechtungswerbern gestellten Antrag auf Bestellung eines Kurators für die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss gemäß § 35 Abs 1 VfGG iVm § 8 Abs 1 ZPO erübrigt sich schon deshalb, weil der Verfassungsgerichtshof in einem Verfahren gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG auf Grund der Aktenlage entscheidet (vgl § 56c Abs 6 VfGG), im vorliegenden Fall keine Veranlassung zur Einbeziehung des Anfechtungsgegners bestand und die Zustellung der vorliegenden Entscheidung gemäß § 13 Abs 6 GOG-NR an den Präsidenten des Nationalrates erfolgt (vgl auch den letzten Absatz der Materialien zu § 4 VO-UA [AB 440 BlgNR 25. GP, 9]: "Sämtliche Akte [zB. alle Anfechtungen beim Verfassungsgerichtshof] im Rahmen des Untersuchungsausschussverfahrens haben – den allgemeinen Regeln des GOG-NR entsprechend – im Wege des Präsidenten zu ergehen. Ebenso ist der Präsident Adressat für alle einlangenden Schriftstücke.").
V.Ergebnis
1.Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates vom , mit dem das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)" für teilweise unzulässig erklärt wird, ist rechtswidrig.
2.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2020:UA1.2020 |
Schlagworte: | VfGH / Untersuchungsausschuss, Nationalrat, Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Präjudizialität |
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