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VfGH vom 14.09.2018, UA1/2018

VfGH vom 14.09.2018, UA1/2018

Leitsatz

Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres zur Vorlage weiterer Aktenteile aus dem "Kabinettsakt" an den Untersuchungsausschuss des Nationalrates zur Untersuchung der politischen Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung; abstrakte Relevanz von Geschäftsstücken aus dem "Kabinettsakt" mit Bezug zur Aufgabenerfüllung des BVT für Untersuchungsausschuss; keine Vorlageverpflichtung des Schreibens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft betreffend die Ausarbeitung eines Aktionsplanes auf Basis der nationalen Anti-Korruptions-Strategie mangels abstrakter Relevanz; grundsätzlicher Beweisbeschluss stellt auf Vorlage von Akten und Unterlagen ab, die bei der vorlagepflichtigen Stelle im Zeitpunkt seiner Zustellung "vorhanden" sind

Spruch

I.Der Bundesminister für Inneres ist verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung folgende (Teile der) Ordnungszahlen der Stammzahl 34110/KBM/2018 vorzulegen:

OZ4 zur Gänze,

OZ5 zur Gänze,

OZ6: E-Mail vom , 9:30 Uhr, samt Anlage (Schreiben vom samt Beilage [E-Mails vom , 9:47 Uhr, vom , 8:56 Uhr, vom , 6:15 Uhr, und vom , 8:32 Uhr]), E-Mail vom , 16:26 Uhr, samt Anlage (E-Mail vom , 9:30 Uhr),

OZ7 zur Gänze,

OZ8 zur Gänze,

OZ11 zur Gänze,

OZ12 zur Gänze,

OZ13 zur Gänze,

OZ14 zur Gänze,

OZ15 zur Gänze,

OZ16 zur Gänze,

OZ17 zur Gänze,

OZ19: E-Mail vom , 16:46 Uhr, und E-Mail vom , 14:44 Uhr, samt Anlage (E-Mail vom , 16:46 Uhr),

OZ22: Schreiben vom samt Kopie des Kuverts, Schreiben vom , Deckblatt mit Eingangsstempel der WKStA vom samt Konvolut (E-Mail vom , 15:08 Uhr, samt Anlage [E-Mail vom , 12:00 Uhr], E-Mail vom , 15:01 Uhr samt Anlage [E-Mail vom , 5:58 Uhr], Schreiben vom , E-Mail vom , 19:12 Uhr, samt Anlage [E-Mail vom , 11:46 Uhr], E-Mail vom , 5:58 Uhr, E-Mail vom , 7:49 Uhr, samt Anlage [E-Mail vom , 12:00 Uhr]), Deckblatt mit Eingangsstempel der WKStA vom samt Konvolut (Schreiben vom samt Beilage [Visitenkarte], Schreiben vom ), Deckblatt mit Eingangsstempel der WKStA vom samt Schreiben vom , Deckblatt mit Eingangsstempel der WKStA vom samt Konvolut (Schreiben vom und E-Mail vom , 19:46 Uhr),

OZ23: E-Mail vom , 10:38 Uhr, samt Anlagen (E-Mail vom , 10:33 Uhr, und eine Dringliche Anfrage), E-Mail vom , 10:50 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 10:49 Uhr, 10:45 Uhr, 10:45 Uhr, 10:42 Uhr, 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr), E-Mail vom , 12:28 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 12:19 Uhr und 12:15 Uhr, und eine Dringliche Anfrage), E-Mail vom , 11:10 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr), E-Mail vom , 11:36 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 11:31 Uhr und 11:29 Uhr), E-Mail vom , 11:47 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 11:10 Uhr, 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr), E-Mail vom , 11:52 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 11:50 Uhr, 11:46 Uhr, 11:10 Uhr, 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr), E-Mail vom , 12:02 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 11:10 Uhr, 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr), E-Mail vom , 12:08 Uhr, E-Mail vom , 12:27 Uhr, E-Mail vom , 10:43 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr), E-Mail vom , 10:45 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 10:42 Uhr, 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr, sowie eine Dringliche Anfrage), E-Mail vom , 10:45 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 10:45 Uhr, 10:42 Uhr, 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr), E-Mail vom , 12:21 Uhr, samt Anlagen (E-Mails jeweils vom , 11:30 Uhr, 11:23 Uhr, 10:48 Uhr, 10:45 Uhr, 10:45 Uhr, 10:42 Uhr, 10:41 Uhr, 10:38 Uhr und 10:33 Uhr) und E-Mail vom , 12:39 Uhr,

OZ24 zur Gänze und

OZ25 zur Gänze.

II.Der Antrag wird zurückgewiesen, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres zur Vorlage der Ordnungszahlen 9, 10, 18, 20, 21, 26 und 29 bis 33 der Stammzahl 34110/KBM/2018 an den Untersuchungsausschuss betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bezieht.

III.Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Antrag

1.Mit ihrem auf Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG gestützten Antrag begehren die einschreitenden Abgeordneten zum Nationalrat,

"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Bundesminister für Inneres zur vollständigen Vorlage

- aller Akten und Unterlagen mit der Stammzahl 34110/KBM/2018 ('Kabinettsakt');

und

- des Schreibens der WKStA vom ;

an den BVT-Untersuchungsausschuss verpflichtet ist."

II.Rechtslage

1.Art53 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG, BGBl 1/1930 idF BGBl I 101/2014, lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs 3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."

"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

[…]

4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;

[…]"

2.§56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl 85 idF BGBl I 101/2014, (in der Folge: VfGG) lautet:

"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen

§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß § 27 Abs 4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.

(2) Bis zur Verkündung bzw. Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."

3.§§24, 25 und 27 der Anlage 1 zum Bundesgesetz vom über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410 idF BGBl I 99/2014, lautet:

"

Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 B-VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs 1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von § 58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß § 1 Abs 2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs 5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß § 56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß § 39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs 5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 56d Abs 7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß § 39 GOG bekannt zu geben.

Ergänzende Beweisanforderungen

§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.

(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß § 24 Abs 1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von § 58 vorzugehen.

(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs 2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs 2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs 2 wirksam."

"Vorlage von Beweismitteln

§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß § 24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß § 25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 24 Abs 4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß § 26 Abs 2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.

(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.

(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.

(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs 1 oder Abs 3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.

(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs 4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs 4 beschließt.

(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."

III.Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1.Der Nationalrat hat am auf Grund des Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder den Untersuchungsausschuss betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss) eingesetzt, dessen Gegenstand folgendermaßen umschrieben ist (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Untersuchungsgegenstand ist der Verdacht der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme durch OrganwalterInnen, sonstige (leitende) Bedienstete sowie MitarbeiterInnen politischer Büros des BMI auf die Aufgabenerfüllung des BVT samt damit in Zusammenhang stehender angeblicher Verletzung rechtlicher Bestimmungen im Zeitraum der ersten zwei Funktionsperioden des aktuellen BVT-Direktors vom bis zu seiner Suspendierung am im Bereich der Vollziehung des Bundes hinsichtlich

a. des Verwendens von Daten und Informationen inkl. des Unterlassens der Löschung, des Sammelns und Auslagerns von Daten sowie deren Weitergabe an Dritte;

b. der Vollziehung des § 6 PStSG und von Vorgängerregelungen (erweiterte Gefahrenerforschung und Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Extremismus, Terrorismus, Proliferation, nachrichtendienstlicher Tätigkeit und Spionage) inkl. der Ermittlungen zu rechtsextremen Aktivitäten durch das Extremismusreferat des BVT;

c. der Ausübung der Dienstaufsicht und Ermittlungen gegen Bedienstete des BVT wie Suspendierungen des Direktors und weiterer ranghoher Bediensteter;

d. der Zusammenarbeit mit den für den Verfassungsschutz zuständigen Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen bzw. ihren Vorgängerorganisationen hinsichtlich der lita bis c;

e. der Zusammenarbeit mit anderen obersten Organen und Ermittlungsbehörden (wie der StA und der WKStA sowie dem Bundeskriminalamt, BAK, LKAs, EGS) im Hinblick auf die von diesen aus Anlass der oben genannten Rechtsverletzung geführten Ermittlungen und Hausdurchsuchungen; sowie

f. der Besetzung leitender Funktionen und Personalauswahl (einschließlich Ernennung bzw. Betrauung von MitarbeiterInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerInnen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben).

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1. Datenverwendung

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Datenverwendung durch das BVT, inklusive des Empfangens, Speicherns, Löschens, Weitergebens von Daten und Informationen sowie der Protokollierung. Dazu zählt die Aufklärung über die Beteiligung von Organwaltern, MitarbeiterInnen politischer Büros und (leitenden) Bediensteten des BMI (entweder zusammenwirkend oder jeweils für sich alleine) an Rechtsverletzungen durch BeamtInnen des BVT sowie die Einflussnahme auf das BVT aus parteipolitischen Motiven etwa durch Kabinettschef M. K. und anderer Kabinettschefs in Zusammenarbeit mit dem stv. Direktor und sonstigen leitenden Bediensteten des BVT insbesondere in den Fällen 'T[.]', 'L[.]', 'M[.]'.

2. Extremismus

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Ermittlungen des Extremismusreferats des BVT inklusive der Ermittlungen zu deutschnationalen Burschenschaften, der Identitären Bewegung und der Verwertung der Ermittlungsergebnisse (dazu zählt auch die Mitnahme von Daten und Informationen durch Unbefugte) sowie auf die (sachlich ungerechtfertigte) Zuordnung von Sachverhalten zu extremistischen Aktivitäten.

3. Hausdurchsuchungen

Aufklärung über Planung und Durchführung der Hausdurchsuchungen sowie über den Umgang mit und die Herkunft von Vorwürfen, die zu diesen Hausdurchsuchungen geführt haben. Dazu zählen u.a.

a.Ungereimtheiten bei den genannten Hausdurchsuchungen, insbesondere durch die Zuziehung der EGS anstelle der Zuziehung von Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA), des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) oder der Landeskriminalämter (LKA)

b.die Mitwirkung des Generalsekretärs im BMI sowie von MitarbeiterInnen der politischen Büros im BMI.

4. Kooperationen

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Zusammenarbeit des BVT mit anderen inländischen Behörden, insbesondere mit den Landesämtern für Verfassungsschutz. Dazu zählt auch die Behinderung von Ermittlungen anderer Behörden.

5. Schutz der Obersten Organe

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Tätigkeiten zum Schutz der Regierungsmitglieder und Abgeordneten, insbesondere der angebliche Einbruch und die angebliche Abhöranlage im Büro des Vizekanzlers.

6. Organisation

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Organisationsstrukturen und Besetzung leitender Funktionen und dienstrechtlicher Maßnahmen samt Suspendierungen in Zusammenhang mit dem BVT zu Gunsten bestimmter politischer Netzwerke. Dies umfasst auch die Ernennung bzw. Betrauung von MitarbeiterInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerInnen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben.

7. Auswirkungen

Aufklärung über die Folgen der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung des BVT auf die öffentliche Sicherheit und den Staatsschutz sowie über die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten."

1.2.Der Präsident des Nationalrates hat den Bundesminister für Inneres am ersucht, dem vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am Tag davor gefassten grundsätzlichen Beweisbeschluss zum genannten Untersuchungsausschuss zu entsprechen, in dem u.a. "das Bundesministerium" für Inneres als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes binnen vier bzw. bei einer mit begründeter Stellungnahme bekanntgegebenen schwierigen Aktenlage oder bei Klassifizierung der Stufe 2 oder höher nach dem Bundesgesetz über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates (Informationsordnungsgesetz – InfOG), BGBl I 102/2014, binnen acht Wochen verpflichtet genannt wird.

1.3.Der Bundesminister für Inneres übermittelte dem BVT-Untersuchungsausschuss Akten im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand in 20 Teillieferungen zwischen 25. Mai und .

1.4.Am erging ein von je einem Vertreter/je einer Vertreterin aller fünf in diesem Untersuchungsausschuss vertretenen Fraktionen unterfertigtes Schreiben an den Bundesminister für Inneres, in dem Bedenken hinsichtlich der Vollständigkeit der vorgelegten Akten und Unterlagen zum Ausdruck gebracht wurden. Abschließend ersuchte der Untersuchungsausschuss "das Bundesministerium" für Inneres (sowie genannte nachgeordnete Dienststellen), nochmals zu prüfen, welche ihm vorliegenden Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand umfasst seien und diese dem Untersuchungsausschuss ehestmöglich, längstens bis zum , vorzulegen.

1.5.Daraufhin wurden vom Bundesminister für Inneres weitere einzelne Akten und Unterlagen an den BVT-Untersuchungsausschuss übermittelt.

1.6.Da auch diese Aktenvorlagen als ungenügend angesehen wurden, forderten mehr als ein Viertel der Mitglieder des BVT-Untersuchungsausschusses am "das Bundesministerium" für Inneres gemäß § 27 Abs 4 VO-UA (näher begründet) auf,

"binnen zwei Wochen seinen Verpflichtungen zur Vorlage von Beweismitteln an den Untersuchungsausschuss über die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss) (3/US) nachzukommen und Akten und Unterlagen im Sinne des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats vom im Umfang des Untersuchungsgegenstandes vorzulegen, darunter insbesondere:

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses vom des Bundesministers für Inneres und seines Büros, insbesondere jegliche interne und externe Korrespondenz betreffend die Hausdurchsuchungen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insb. zu Beweisthema 3.

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses vom aus dem Ministerkabinett, insbesondere jegliche interne und externe Korrespondenz des Kabinetts betreffend die Hausdurchsuchungen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insb. zu Beweisthema 3.

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses vom des Generalsekretärs des BMI und seines Büros, insbesondere jegliche interne und externe Korrespondenz betreffend die Hausdurchsuchungen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insb. zu Beweisthema 3.

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses vom der Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit des BMI und ihres Büros, insbesondere jegliche interne und externe Korrespondenz betreffend die Hausdurchsuchungen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insb. zu Beweisthema 3.

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses vom betreffend die Betrauung der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) mit der Durchführung der Hausdurchsuchungen, sowie deren Planung und Vorbereitung, in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insb. zu Beweisthema 3.

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses betreffend die interne Korrespondenz und Dokumentation der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), insb. zu Beweisthema 3.

Sämtliche noch nicht übermittelte Anhänge und Dokumente, auf welche in dem seitens des Bundesministeriums für Inneres samt aller nachgeordneten Dienststellen an den Untersuchungsausschuss übermittelten Schriftverkehren (insb. E-Mails) verwiesen wird oder diesen beigefügt sind.

Vollständige Terminkalender aller OrganwalterInnen, sonstigen Bediensteten sowie MitarbeiterInnen politischer Büros des BMI, soweit diese vom Untersuchungsgegenstand umfasst sind.

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses der Landespolizeidirektionen samt der für Verfassungsschutz zuständigen Organisationseinheiten gem. § 1 Abs 3 PStSG.

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses vom betreffend die Beratungsprotokolle und allfällige Verhandlungsprotokolle der Disziplinarkommission betreffend Disziplinarangelegenheiten von Mitarbeitern des BVT, insb. zu Beweisthema 6.

Sämtliche Akten und Unterlagen iSd grundsätzlichen Beweisbeschlusses der Landeskriminalämter."

1.7.Dieses Verlangen wurde dem Bundesminister für Inneres am zugestellt, der am weitere Akten und Unterlagen aus dem Bereich der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, nicht jedoch aus dem Ministerkabinett vorlegte.

1.8.Mit einem an die Parlamentsdirektion adressierten Schreiben vom teilte der Leiter der Sektion IV im Bundesministerium für Inneres mit, dass der Abgabe der (von der Sektion III des Bundesministeriums für Inneres u.a.) geforderten Vollständigkeitserklärung Zweifel am Umfang des Beweisbeschlusses entgegenstünden. Diese Zweifel würden ein Schreiben der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) vom sowie ein als Reaktion dazu verfasstes Schreiben der Sektion IV des Bundesministeriums für Inneres bzw. des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) vom betreffen. Diese beiden Schreiben erschienen insbesondere deshalb relevant, weil sie sich auf Umstände zum Beweisthema 3 beziehen würden, die schon zum Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses bestanden hätten.

1.9.Einem E-Mail des Leiters der Sektion III im Bundesministerium für Inneres an eine Antragstellerin vom ist einerseits zu entnehmen, dass die Verbindungsstelle des genannten Bundesministeriums die Beratungsprotokolle der Disziplinarkommission nach deren Vorliegen sowie Erlässe, die sicherheitspolizeiliche oder strafprozessuale Dokumentationspflichten zum Inhalt hätten, an die Parlamentsdirektion übermitteln werde, andererseits wird die unterlassene Lieferung aller Ordnungszahlen der für Akten des Kabinetts des Bundesministers für Inneres im Zusammenhang mit dem BVT vergebenen Stammzahl 34110 damit erklärt, dass nicht alle Akten (Ordnungszahlen) dieser Stammzahl mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun hätten.

1.10.Der Leiter der Sektion III im Bundesministerium für Inneres hat eine weitere Nachfrage eines Antragstellers beantwortet. Ein Mitarbeiter im Büro des Generalsekretärs im genannten Bundesministerium hat ein E-Mail samt Anhängen an das Parlament übermittelt.

2.Die Zulässigkeit ihres Antrages begründen die Einschreiter wie folgt:

2.1.Der BVT-Untersuchungsausschuss verfüge auf Grund eines entsprechenden Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates über 18 Mitglieder. Die Antragsteller seien fünf Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und würden somit mehr als ein Viertel seiner Mitglieder repräsentieren.

Eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofes durch ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses sei gemäß § 27 Abs 5 VO-UA zulässig, wenn ein informationspflichtiges Organ gemäß § 27 Abs 4 leg.cit. aufgefordert worden sei, seinen durch einen grundsätzlichen Beweisbeschluss oder ergänzende Beweisanforderungen konkretisierten Vorlageverpflichtungen nachzukommen, und das vorlagepflichtige Organ dieser Aufforderung nicht fristgerecht entsprochen habe.

Die Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA an den Bundesminister für Inneres, seinen Verpflichtungen aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss nachzukommen, sei am ergangen und dem Bundesminister für Inneres am zugestellt worden. Die zweiwöchige (Nach-)Frist habe am geendet.

Gemäß § 56f Abs 1 VfGG könne jeder dazu Berechtigte nach Ablauf der Frist gemäß § 27 Abs 4 VO-UA binnen zwei Wochen, somit bis , den Verfassungsgerichtshof anrufen. Der vorliegende Antrag werde somit binnen offener Frist gestellt.

Die Einhaltung der Bestimmung des § 106 des Bundesgesetzes vom über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410 idF BGBl I 41/2016, bilde keine Prozessvoraussetzung (vgl. VfSlg 19.973/2015; sowie VfSlg 16.752/2002 zu einem Verfahren nach [nunmehr] Art 140 Abs 1 Z 2 B-VG).

Die Meinungsverschiedenheit bestehe in Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Ablehnung durch den Bundesminister für Inneres, dem Untersuchungsausschuss folgende Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:

–alle Akten und Unterlagen der Stammzahl 34110/KBM/2018 ("Kabinettsakt") und

– Schreiben der WKStA vom .

Alle diese Akten und Unterlagen seien vom grundsätzlichen Beweisbeschluss sowie von der Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA umfasst. Es sei auch innerhalb der (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 leg.cit. keine Vorlage dieser Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss erfolgt.

Eine Unterrichtung über die Gründe der eingeschränkten Aktenvorlage durch den Bundesminister für Inneres, wie sie § 27 Abs 3 VO-UA anordne, sei nicht erfolgt.

Aus den dem Antrag beigelegten Schreiben von Bediensteten des Bundesministeriums für Inneres an den Parlamentsdirektor bzw. an ein Mitglied des Untersuchungsausschusses gehe hervor, dass das Bestehen der Vorlagepflicht in Hinblick auf die genannten Akten und Unterlagen bestritten werde.

Bereits eine tatsächliche Verweigerung der Aktenvorlage durch den Bundesminister für Inneres über das Ende der (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA hinaus müsse als Ablehnung iSd § 27 Abs 5 leg.cit. verstanden werden (vgl. dazu auch § 36a VfGG), zu deren Überprüfung der Verfassungsgerichtshof berufen sei.

2.2.In der Sache begründen die Einschreiter ihren Antrag folgendermaßen:

Ohne Kenntnis aller Akten und Unterlagen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung sei die Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss verfassungsgesetzlich übertragenen Kontrollauftrages nicht möglich (VfSlg 19.973/2015). Deshalb habe der Bundesverfassungsgesetzgeber in Art 53 Abs 3 B-VG eine "die Legislative einseitig und spezifisch begünstigende Sonderbestimmung" geschaffen, die dem Nationalrat besondere Möglichkeiten einräume, im Sinne einer Selbstinformation jene Informationen zu erlangen, "die zur Wahrnehmung seiner Kontroll- und Gesetzgebungsfunktion notwendig sind" (AB 439 BIgNR 25. GP). Diese bilde wiederum unstreitig eine Komponente des demokratischen Grundprinzips der Bundesverfassung.

Unbeschadet der ausdrücklichen Ausnahmen des Art 53 Abs 3 letzter Satz und Abs 4 B-VG bestehe eine Pflicht zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss nur dann nicht, wenn diese nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien. Die Beurteilung, ob eine Pflicht zur Vorlage bestehe, obliege zunächst dem vorlagepflichtigen Organ, schlussendlich dem Verfassungsgerichtshof.

Dem vorlagepflichtigen Organ stehe es jedenfalls nicht zu, die Informationsbeschaffung des Nationalrates (etwa durch tatsächliche Verweigerung oder absichtliche, einschränkende Interpretation des Untersuchungsgegenstandes) zu behindern, von Bedingungen abhängig zu machen (vgl. dazu bereits VfSlg 17.065/2003) oder die bloße, nicht näher begründete Behauptung des Nichtbestehens einer Vorlagepflicht entgegenzuhalten (vgl. VfSlg 19.973/2015 zur Frage der Begründungserfordernisse von Anträgen gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG). Ansonsten würde das verfassungsgesetzlich eingeräumte Recht des Nationalrates, umfassend Informationen zu erlangen, ins Leere laufen.

Vielmehr würden Akten und Unterlagen immer dann der Pflicht zur vollständigen Vorlage an den Untersuchungsausschuss unterliegen, sofern diese irgendeine abstrakte Relevanz für die Erfüllung des Kontrollauftrages des Untersuchungsausschusses hätten bzw. haben könnten, wie er durch den Untersuchungsgegenstand konkretisiert werde (vgl. dazu VfSlg 19.910/2014). Ohne Kenntnis solcher Akten und Unterlagen könne das Ziel eines Untersuchungsausschusses – "Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken" (AB 439 BIgNR 25. GP) – nicht erfüllt werden. In diesem Sinne führe auch der Ausschussbericht (AB 440 BIgNR 25. GP) zu § 24 VO-UA aus (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[Mit dem grundsätzlichen Beweisbeschluss, Anm.] soll Vorsorge getroffen werden, dass alle vom Untersuchungsgegenstand betroffenen informationspflichtigen Organe alle auf den Untersuchungsgegenstand Bezug habenden Akten und Unterlagen vorlegen. Damit soll der Untersuchungsausschuss von Beginn seiner Tätigkeit an eine möglichst umfassende Informationsgrundlage zur Verfügung haben."

Die Relevanz der Akten und Unterlagen mit der Stammzahl 34110/KBM/2018 ("Kabinettsakt") zur Erfüllung des Kontrollauftrags des BVT-Untersuchungsausschusses sei offenkundig:

Mit der Stammzahl 34110/KBM/2018 seien unstreitig Akten und Unterlagen des Ministerkabinetts versehen worden, die in Zusammenhang mit dem BVT stünden. Der Untersuchungsgegenstand des BVT-Untersuchungsausschusses beziehe sich ausdrücklich auf "politisch motivierte[…] Einflussnahme durch OrganwalterInnen, sonstige (leitende) Bedienstete sowie MitarbeiterInnen politischer Büros des BMI auf die Aufgabenerfüllung des BVT".

Der Informationsstand dieser genannten Personen über das BVT ergebe sich insbesondere aus den diesen zur Verfügung und mit dem BVT in Zusammenhang stehenden Akten und Unterlagen, die unter der genannten Stammzahl erfasst worden seien. Diese würden eine wesentliche Grundlage für die weiteren Handlungen dieser Personen in Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand bilden. Ohne Kenntnis des Informationsstandes der im Untersuchungsgegenstand genannten Personen sei dem Untersuchungsausschuss eine vollständige Aufklärung der Vorgänge rund um die Aufgabenerfüllung des BVT nicht möglich.

Das Schreiben der WKStA vom an das Bundesministerium für Inneres sei unstreitig vom Untersuchungsgegenstand erfasst und beziehe sich auf den Untersuchungszeitraum.

Der bloße Umstand, dass das Schreiben erst nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses, jedoch vor der Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA, in den Verfügungsbereich des Bundesministers für Inneres gelangt sei, entbinde diesen nicht von seiner Pflicht zur Vorlage des Schreibens an den Untersuchungsausschuss. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Art 53 Abs 3 B-VG, wonach "[a]lle Organe des Bundes, [...] einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen" hätten.

Ein Untersuchungsausschuss bestehe ab dem Zeitpunkt seiner Einsetzung bis zum Zeitpunkt seiner Beendigung. Somit würden auch die in Art 53 Abs 3 B-VG enthaltenen Pflichten über diesen gesamten Zeitraum hinweg gelten.

Das gemäß Art 53 Abs 3 B-VG erforderliche Vorlageverlangen werde auf Grund des dem Art 53 B-VG zugrunde liegenden Konzepts durch den vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates vor der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu treffenden grundsätzlichen Beweisbeschluss für die gesamte Dauer der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses ausgedrückt.

3.Der Bundesminister für Inneres hat dem Verfassungsgerichtshof Akten und Unterlagen mit der Stammzahl 34110/KBM/2018 sowie ein Schreiben der WKStA vom vorgelegt und eine Äußerung erstattet:

3.1.Zum Umfang des Beweisbeschlusses in zeitlicher Hinsicht äußert sich der Bundesminister für Inneres wie folgt: Der Präsident des Nationalrates habe ihn mit Schreiben vom – dem grundsätzlichen Beweisbeschluss entsprechend – um vollständige Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes gemäß den §§24 und 27 VO-UA ersucht. Dieses Schreiben sei im Bundesministerium für Inneres am eingelangt.

Der Untersuchungsgegenstand sei in zeitlicher Hinsicht auf die Zeit der ersten zwei Funktionsperioden des aktuellen BVT-Direktors vom bis zu seiner Suspendierung am beschränkt.

Die Übermittlung der Akten habe laut grundsätzlichem Beweisbeschluss binnen vier Wochen zu erfolgen, bei einer mit begründeter Stellungnahme bekannt gegebenen schwierigen Aktenlage binnen acht Wochen. Nach Rz 374 des Handbuches des Rechts der Untersuchungsausschüsse entstehe die Verpflichtung mit Zustellung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses.

Nach der derzeit geltenden Rechtslage bestehe keine ausdrückliche Regelung für die Frage, ob auch Akten, Unterlagen usw., die nach diesem Zeitpunkt entstehen würden oder entstanden seien, von diesem Beweisbeschluss erfasst seien.

Beim Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen sei diese Frage 2012 bereits einmal Gegenstand einer gutachterlichen Stellungnahme der Parlamentsdirektion gewesen. Darin werde auf ergänzende Beweisbeschlüsse verwiesen, in denen ausdrücklich festgehalten werde, dass (nunmehr auch) jene Akten vorzulegen seien, "die im Beweisbeschluss vom definiert wurden, aber aufgrund ihrer zeitlichen Entstehung nach diesem Beweisbeschluss bzw. dem sich daraus ergebenden Vorlagezeitraum durch die diesbezüglichen Beweisbeschlüsse noch nicht erfasst sind. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass dieser [Anm.: der ergänzende] Beweisbeschluss auch die weiteren laufend anfallenden Akten in diesem Sinne erfasst. Die organisatorische und zeitliche Handhabung der Vorlage dieser laufend anfallenden Akten ist zwischen dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses nach Rücksprache mit den Fraktionen und den vorlagepflichtigen Behörden zu vereinbaren."

Da auch die seit damals geänderte Rechtslage keine Regelung treffe, könne nach hier vertretener Ansicht nur der Schluss gezogen werden, dass Akten und sonstige Unterlagen vom grundsätzlichen Beweisbeschluss nicht erfasst seien, wenn sie zumindest nach der Zustellung des Beweisbeschlusses entstanden seien. Wie eben auch die Ausführungen zu dem damaligen ergänzenden Beweisbeschluss zeigen würden, wäre für solche späteren Akten und Unterlagen im Beweisbeschluss selbst auch eine Regelung vorzusehen, wie mit diesen in zeitlicher und organisatorischer Sicht umzugehen sei. Die grundsätzlich eingeräumte Frist von vier oder acht Wochen zur Vorlage, die mit der Zustellung des Beweisbeschlusses beginne, könne nämlich nur dann in Anspruch genommen werden, wenn diese Akten und Unterlagen zu Beginn der Frist bereits vorgelegen seien.

3.2.Bei der Würdigung der angeforderten Akten führt der Bundesminister für Inneres einleitend Folgendes aus: Die Kanzlei des Kabinetts des Bundesministers im Bundesministerium für Inneres ordne Geschäftsstücke, die einen Zusammenhang mit dem BVT aufweisen würden, der Stammzahl 34110 zu. Aus dieser Stammzahl seien Akten, die den Untersuchungsgegenstand betreffen würden, dem BVT-Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt worden. Die Ordnungszahlen 9, 10, 18, 20, 21 und 26 seien am mit der Lieferung L4, die Ordnungszahlen 29, 30, 33 sowie die Ordnungszahlen 31 und 32 seien als vertraulich klassifiziert am mit den Lieferungen L16 und L17 der Parlamentsdirektion übermittelt worden. Es werde darauf hingewiesen, dass im Sachverhalt des vorliegenden Antrages bei der Auflistung der bereits gelieferten Akten die Ordnungszahl 33 nicht angeführt werde. Weiters werde bemerkt, dass die Ordnungszahlen 1, 2 und 3 im Jahr 2017 protokolliert worden seien.

Zu den einzelnen Ordnungszahlen der Stammzahl 34110/KBM/2018 vertritt der Bundesminister für Inneres die Auffassung, dass es sich bei den laufenden Zahlen 4, 5, 6, 7, 8, 12, 13, 14, 15, 16 und 19 um Eingaben von Bürgern handle, die offenkundig nicht dem Untersuchungsgegenstand zugerechnet werden könnten.

Die Ordnungszahl 11 enthalte statistische Daten, die dem Kabinett des Bundesministers und der Leiterin der Abteilung II/8 vom BVT zur Verfügung gestellt worden seien, und offenkundig nicht dem Untersuchungsgegenstand zugerechnet werden könnten.

Die Ordnungszahl 17 beziehe sich auf die Eingabe eines Bediensteten der Landespolizeidirektion Wien, die offenkundig nicht dem Untersuchungsgegenstand zugerechnet werden könne.

Die als vertraulich klassifizierte Ordnungszahl 22 enthalte Teile eines Strafrechtsaktes, dessen Inhalte vollumfänglich gemäß § 27 Abs 2 VO-UA vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vorzulegen seien. Ein Teil der genannten Ordnungszahl sei im Zuge der Korrespondenz-Übermittlung mit der Lieferung L17 am dem Parlament übermittelt worden.

Die Ordnungszahl 23 beziehe sich auf zwei näher bezeichnete, auf der Homepage des Parlaments abrufbare Dringliche Anfragen gemäß § 93 Abs 1 GOG-NR, die nicht den Untersuchungsgegenstand betreffen würden, sowie den E-Mailverkehr zur Koordinierung einer Beantwortung.

Die (im verfassungsgerichtlichen Verfahren als vertraulich klassifizierte) Ordnungszahl 24 sei dem Parlament mit der Lieferung L18 am übermittelt worden.

Auch die Ordnungszahl 25 beziehe sich auf eine auf der Homepage des Parlaments abrufbare Dringliche Anfrage, die nicht den Untersuchungsgegenstand betreffe.

Die Ordnungszahl 27 sei nach der Zustellung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses entstanden und betreffe Dokumente, die anlässlich der Koordinierung der Aktenaufbereitung für den BVT-Untersuchungsausschuss entstanden seien. Diese Aktenstücke, die die Aktenübermittlung an den BVT-Untersuchungsausschuss selbst betreffen würden, könnten offenkundig nicht auch selbst vom grundsätzlichen Beweisbeschluss umfasst sein.

Die Ordnungszahl 28 sei nach der Zustellung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses entstanden und betreffe den Schriftverkehr, der im Zusammenhang mit dem Konsultationsverfahren anlässlich des eingesetzten BVT-Untersuchungsausschusses geführt worden sei; auch diese Ordnungszahl könne daher offenkundig nicht selbst vom grundsätzlichen Beweisbeschluss umfasst sein.

Die Ordnungszahl 34 betreffe einen Auftrag zur Erstellung einer Information zu einem näher bezeichneten Entschließungsantrag, der erst nach Zustellung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses ergangen sei und daher nicht dem Untersuchungsgegenstand unterliegen könne.

Schließlich würde es sich bei den Ordnungszahlen 35, 36, 37 und 38 um Eingaben von Bürgern handeln, die in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht (teils offenkundig) nicht vom grundsätzlichen Beweisbeschluss umfasst seien.

Auch das Schreiben der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption vom sei in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht nicht vom Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses umfasst.

4.Die Parlamentsdirektion hat auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes Teile der vom Bundesminister für Inneres dem BVT-Untersuchungsausschuss vorgelten Akten und Unterlagen übermittelt sowie mitgeteilt, dass laut Auskunft des Bundesministeriums für Inneres gegenüber der Parlamentsdirektion die Seiten 41 und 47 der Lieferung 17 "unter der laufenden Nummer 22 Inhalt des Stammaktes 34110/KBM/2018" seien. Laut Auskunft des Bundesministeriums für Inneres sei ein näher bezeichneter, mit Lieferung 18 vorgelegter Akt durch das Kabinett des Bundesministeriums für Inneres "auch als laufende Nummer 24 der GZ34110/KBM/2018" protokolliert worden. Abschließend könne mitgeteilt werden, dass die laufende Nummer 33 des Stammaktes 34110/KBM/2018 vom Bundesministerium für Inneres mit Lieferung 16 übermittelt worden sei.

IV.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit

1.1.Gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs.

1.2.Nach Art 53 Abs 3 erster Satz B-VG haben u.a. alle Organe des Bundes einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung u.a. ihre Akten und Unterlagen vorzulegen. Gemäß § 27 Abs 1 erster Satz und Abs 3 VO-UA haben u.a. Organe des Bundes Beweisbeschlüssen iSd § 24 leg.cit. und ergänzenden Beweisanforderungen iSd § 25 leg.cit. unverzüglich zu entsprechen, bei einem Nicht- oder teilweisem Entsprechen ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten. Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß § 27 Abs 1 oder 3 VO-UA nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ gemäß § 27 Abs 4 leg.cit. (schriftlich begründet) auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Nach § 27 Abs 5 leg.cit. entscheidet der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist des § 27 Abs 4 VO-UA anruft oder der Ausschuss eine Anrufung auf Grund eines schriftlichen Antrages nach Ablauf der Frist des § 27 Abs 4 leg.cit. beschließt. Ein solcher Antrag ist nach § 56f Abs 1 VfGG nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß § 27 Abs 4 VO-UA zwei Wochen vergangen sind. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach § 56f Abs 3 VfGG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.

1.3.Die fünf antragstellenden Abgeordneten zum Nationalrat sind Mitglieder des BVT-Untersuchungsausschusses, der aus 18 Mitgliedern besteht. Sie forderten am (schriftlich begründet und unter Konkretisierung der Bereiche der vorzulegenden Dokumente) "das Bundesministerium" für Inneres gemäß § 27 Abs 4 VO-UA auf, binnen zwei Wochen seinen Verpflichtungen zur Vorlage von Beweismitteln an den genannten Untersuchungsausschuss nachzukommen und Akten und Unterlagen im Sinne des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates vom im Umfang des Untersuchungsgegenstandes vorzulegen. Diese Aufforderung wurde dem Bundesminister für Inneres am zugestellt, sodass die zweiwöchige (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 leg.cit. am endete.

1.4.Nach Ablauf der zweiwöchigen (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA können binnen zwei Wochen von allen dazu Berechtigten Anträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt werden (vgl. § 27 Abs 5 leg.cit. und § 56f Abs 1 VfGG). Der am von mehr als einem Viertel der Mitglieder des BVT-Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Antrag gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG erweist sich somit als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern dieses Untersuchungsausschusses gestellt. Die Einhaltung der Bestimmung des § 106 GOG-NR bildet keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfSlg 19.973/2015; vgl. auch VfSlg 16.752/2002 zu einem Verfahren nach [nunmehr] Art 140 Abs 1 Z 2 B-VG).

1.5.Trotz fehlender Definition des Begriffes Meinungsverschiedenheit für Verfahren nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG lässt das Art 53 Abs 3 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG zugrunde liegende und in § 27 VO-UA sowie in § 56f VfGG näher ausgestaltete Konzept des (Verfassungs-)Gesetzgebers deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann, um die Klärung einer konkreten Meinungsverschiedenheit, im vorliegenden Fall der unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss, herbeizuführen. Das Verlangen gemäß § 27 Abs 4 VO-UA stellt den äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG dar; ein auf diese Verfassungsbestimmung gestützter Antrag u.a. eines Viertels der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses an den Verfassungsgerichtshof konkretisiert das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand des Verfassungsgerichtshofes; das Thema seiner Entscheidung ist jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt (vgl. VfSlg 19.973/2015 unter Bezugnahme auf VfSlg 19.910/2014).

1.6.Mit ihrem Antrag begehren die Einschreiter die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres zur Vorlage aller Akten und Unterlagen mit der Stammzahl 34110/KBM/2018 ("Kabinettsakt") und des Schreibens der WKStA vom . Dem Vorbringen der Antragsteller zufolge sind dem BVT-Untersuchungsausschuss vom Bundesminister für Inneres bereits die Ordnungszahlen 9, 10, 18, 20, 21, 26 und 29 bis 32 der Stammzahl 34110/KBM/2018 vorgelegt worden. Darüber hinaus hat der Bundesminister für Inneres in seiner Äußerung vorgebracht, dem Parlament die Ordnungszahlen 22 (teilweise), 24 und 33 der genannten Stammzahl vorgelegt zu haben, was die Parlamentsdirektion – auf Nachfrage des Verfassungsgerichtshofes – in Bezug auf die Ordnungszahl 33 schriftlich bestätigt hat. Daraus folgt, dass insoweit keine Vorlageverpflichtung des Bundesministers für Inneres (mehr) besteht. Aus dem Schreiben der Parlamentsdirektion und den von ihr vorgelegten Unterlagen ergibt sich weiters, dass zwei Schreiben der WKStA an das Bundesministerium für Inneres, nämlich vom und vom , nicht nur im Akt 34110/22-KBM/2018 vorhanden, sondern auch Bestandteil des Aktes 34110/32-KBM/2018 (Seiten 41 und 47) sind, der dem Untersuchungsausschuss im Rahmen der Lieferung 17 vorgelegt worden ist. Der Inhalt eines anderen näher bezeichneten, dem BVT-Untersuchungsausschuss vorgelegten Aktes der Sektion I des Bundesministeriums für Inneres ist auch als Ordnungszahl 24 der Stammzahl 34110/KBM/2018 protokolliert worden. Da u.a. der Bundesminister für Inneres gemäß Art 53 Abs 3 B-VG (vgl. § 27 Abs 1 iVm § 24 Abs 1 VO-UA) verpflichtet ist, einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung alle seine Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen, kommt es auf die Frage der Identität von Aktenbestandteilen nicht an, sodass die Vorlage einer Unterlage als Bestandteil eines anderen Aktes (bzw. eines Aktes einer anderen Organisationseinheit) nicht von der Vorlageverpflichtung einer solchen Unterlage entbindet.

1.7.Der Antrag erweist sich somit als unzulässig, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres zur Vorlage der bereits vorgelegten Ordnungszahlen 9, 10, 18, 20, 21, 26 und 29 bis 33 der Stammzahl 34110/KBM/2018 an den BVT-Untersuchungsausschuss bezieht.

1.8.Die übrigen, nicht vorgelegten Ordnungszahlen der Stammzahl 34110/KBM/2018 und das Schreiben der WKStA vom können Teile der nach dem Verlangen gemäß § 27 Abs 4 VO-UA vorzulegenden Akten und Unterlagen im Sinne des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates vom im Umfang des Untersuchungsgegenstandes sein (ob sie es sind, ist Sache der vorliegenden Entscheidung). Damit wird – in Verbindung mit der Begründung des Antrages – in hinreichend konkreter Weise die Meinungsverschiedenheit umschrieben, zu deren Entscheidung der Verfassungsgerichtshof angerufen wird.

1.9.Der Antrag ist insoweit zulässig.

2.In der Sache

2.1.Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem Verfahren zur Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken. Er hat sohin im vorliegenden Fall ausschließlich zu beurteilen, ob die teilweise oder gänzliche Ablehnung der Vorlage von (konkret bezeichneten) Akten und Unterlagen zu Recht erfolgt ist oder nicht.

2.2.In seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 hat der Verfassungsgerichtshof u.a. Folgendes festgehalten:

"[…] Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Vorlageverpflichtung nach Art 53 Abs 3 B-VG – abgesehen von den in Abs 3 letzter Satz und Abs 4 normierten Ausnahmen – nur insoweit nicht besteht, als Akten und Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind. Die Beurteilung dieser Frage obliegt zunächst dem informationspflichtigen Organ. Besteht darüber eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Untersuchungsausschuss, einem Viertel seiner Mitglieder und dem informationspflichtigen Organ, so kann – bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen – der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG angerufen werden, der diese Frage letztgültig zu entscheiden hat.

[…] Das Vorbringen, Akten und/oder Unterlagen seien (nicht) vom Untersuchungsgegenstand erfasst, ist in einem Antrag gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG hinreichend detailliert zu begründen; die bloße Behauptung reicht dafür nicht aus. Fehlt eine derartige Begründung, ist dem Antrag schon aus diesem Grund der Erfolg insoweit zu versagen, es sei denn, es wäre für den Verfassungsgerichtshof evident, dass konkret bezeichnete Akten und/oder Unterlagen (nicht) vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind. […]"

2.3.1. Die Antragsteller bringen in der Sache vor, Akten und Unterlagen würden immer dann der Pflicht zur vollständigen Vorlage an den Untersuchungsausschuss unterliegen, sofern diese irgendeine abstrakte Relevanz für die Erfüllung des Kontrollauftrages des Untersuchungsausschusses hätten bzw. haben könnten, wie er durch den Untersuchungsgegenstand konkretisiert werde (vgl. VfSlg 19.910/2014). Ohne Kenntnis solcher Akten und Unterlagen könne das Ziel eines Untersuchungsausschusses – "Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken" (AB 439 BIgNR 25. GP) – nicht erfüllt werden.

Die Relevanz der Akten und Unterlagen mit der Stammzahl 34110/KBM/2018 ("Kabinettsakt") zur Erfüllung des Kontrollauftrags des BVT-Untersuchungsausschusses sei offenkundig:

Mit der Stammzahl 34110/KBM/2018 seien unstreitig Akten und Unterlagen des Ministerkabinetts versehen worden, die in Zusammenhang mit dem BVT stünden. Der Untersuchungsgegenstand des BVT-Untersuchungsausschusses beziehe sich ausdrücklich auf "politisch motivierte[…] Einflussnahme durch OrganwalterInnen, sonstige (leitende) Bedienstete sowie MitarbeiterInnen politischer Büros des BMI auf die Aufgabenerfüllung des BVT".

Ohne Kenntnis des Informationsstandes der im Untersuchungsgegenstand genannten Personen sei dem Untersuchungsausschuss eine vollständige Aufklärung der Vorgänge rund um die Aufgabenerfüllung des BVT nicht möglich.

Das Schreiben der WKStA vom an das Bundesministerium für Inneres sei unstreitig vom Untersuchungsgegenstand erfasst und beziehe sich auf den Untersuchungszeitraum.

2.3.2. Demgegenüber vertritt der Bundesminister für Inneres zu den einzelnen, dem BVT-Untersuchungsausschuss nicht vorgelegten Ordnungszahlen der Stammzahl 34110/KBM/2018 die Auffassung, diese seien offenkundig nicht dem Untersuchungsgegenstand zuzurechnen bzw. würden diesen nicht betreffen, seien vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vorzulegen und könnten (teils in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht, teils offenkundig) nicht vom grundsätzlichen Beweisbeschluss umfasst sein bzw. nicht diesem unterliegen.

2.3.3. Der Antrag ist u.a. darauf gerichtet, dass der Verfassungsgerichtshof die Verpflichtung des "Bundesminister[s] für Inneres zur vollständigen Vorlage […] aller Akten und Unterlagen mit der Stammzahl 34110/KBM/2018 ('Kabinettsakt')" feststellen möge. Da der Äußerung des Bundesministers für Inneres zu entnehmen ist, dass nur der Akt 34110/KBM/2017 die Ordnungszahlen 1, 2 und 3 aufweist und im Jahr 2018 die Protokollierung unter der Stammzahl 34110/KBM/2018 mit Vergabe der Ordnungszahl 4 fortgesetzt worden ist, und für den Verfassungsgerichtshof kein Anlass besteht, daran zu zweifeln, besteht keine Verpflichtung zur Vorlage dieser Ordnungszahlen an den BVT-Untersuchungsausschuss, weil sich der Antrag nicht auch auf die Herausgabe von Ordnungszahlen der Stammzahl 34110 aus dem Jahr 2017 bezieht.

Hinsichtlich der übrigen Akten und Unterlagen, zu deren Vorlage der Bundesminister für Inneres nach dem Antrag verpflichtet sein soll, ist zunächst zu untersuchen, ob sie "im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung" iSd Art 53 Abs 3 B-VG liegen. Der Bundesminister für Inneres hat in seiner Äußerung darauf hingewiesen, dass die "Kanzlei des KBM im Bundesministerium für Inneres […] Geschäftsstücke die einen Zusammenhang mit dem BVT aufweisen der Stammzahl 34110 zu[ordnet]." Damit sind Mitarbeiter des Bundesministers davon ausgegangen, dass der jeweilige Inhalt des Geschäftsstücks einen Bezug zur Aufgabenerfüllung des BVT hat. Allein schon deshalb besteht angesichts des weit formulierten Untersuchungsgegenstandes kein Zweifel daran, dass die Ordnungszahlen 4 bis 38 der Stammzahl 34110/KBM/2018 zumindest eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand haben bzw. haben können (vgl. VfSlg 19.910/2014 zu einem Verfahren nach Art 126a B-VG); es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Akten und Unterlagen der Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss mit dem Untersuchungsgegenstand übertragenen Kontrollauftrages dienen können. Da für den Verfassungsgerichtshof evident ist, dass diese Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob der Bundesminister für Inneres das von ihm behauptete Fehlen eines Zusammenhanges mit dem Untersuchungsgegenstand hinreichend begründet hat (vgl. VfSlg 19.973/2015).

Soweit der Bundesminister für Inneres in seiner Äußerung die Nicht-Vorlage des Großteiles der Ordnungszahl 22 der Stammzahl 34110/KBM/2018 damit begründet, dass es sich dabei um Teile des Strafrechtsakts handle, deren Inhalte vollumfänglich gemäß § 27 Abs 2 VO-UA vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vorzulegen seien, ist ihm Folgendes zu entgegnen: Nach § 27 Abs 2 VO-UA sind Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, vom Bundesminister für Justiz vorzulegen. In den Erläuterungen (AB 440 BlgNR 25. GP, 14) zu dieser Bestimmung wird ausgeführt, dass die laufende Tätigkeit von Strafverfolgungsbehörden "in der Regel durch ein Zusammenwirken von Staatsanwaltschaft und Polizei geprägt [ist]. Im Sinne der Verfahrensökonomie wird in diesen Angelegenheiten die Aktenvorlage beim Bundesminister für Justiz konzentriert."

Im vorliegenden Fall wurden sowohl Unterlagen, die an die WKStA gerichtet waren, als auch deren Schreiben an das Bundesministerium für Inneres zum Kabinettsakt 34110/22-KBM/2018 genommen und damit formal Bestandteil eines Aktes des Bundesministeriums für Inneres, sodass § 27 Abs 2 VO-UA keine Anwendung findet und somit nicht zu prüfen ist, ob es sich um Unterlagen handelt, die sich auf die laufende Tätigkeit von Strafverfolgungsbehörden beziehen.

Im Gegensatz dazu weist das Schreiben der WKStA vom , das Anregungen für die Ausarbeitung eines Aktionsplanes auf Basis der nationalen Anti-Korruptions-Strategie betrifft, nicht einmal die geforderte abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand auf, sodass schon aus diesem Grund keine Verpflichtung des Bundesministers für Inneres besteht, dieses Schreiben dem BVT-Untersuchungsausschuss vorzulegen.

2.4.1. In zeitlicher Hinsicht vertreten die Antragsteller die Auffassung, der bloße Umstand, dass ein Schreiben erst nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses, aber vor der Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA in den Verfügungsbereich des Bundesministers für Inneres gelangt sei, entbinde diesen nicht von seiner Pflicht zur Vorlage der Schreibens an den Untersuchungsausschuss (das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Art 53 Abs 3 B-VG, nach dem "[a]lle Organe des Bundes, […] einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen" hätten). Ein Untersuchungsausschuss bestehe ab dem Zeitpunkt seiner Einsetzung bis zum Zeitpunkt seiner Beendigung, weshalb auch die in Art 53 Abs 3 B-VG enthaltenen Pflichten über diesen gesamten Zeitraum hinweg gelten würden. Das gemäß Art 53 Abs 3 B-VG erforderliche Vorlageverlangen werde auf Grund des dem Art 53 B-VG zugrunde liegenden Konzepts durch den vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates vor der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu treffenden grundsätzlichen Beweisbeschluss für die gesamte Dauer der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses ausgedrückt.

2.4.2. Demgegenüber vertritt der Bundesminister für Inneres diesbezüglich die Ansicht, dass für die Frage, ob auch Akten, Unterlagen etc., die nach dem Zeitpunkt der Zustellung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses entstehen würden oder entstanden seien, von diesem Beweisbeschluss erfasst seien, keine ausdrückliche Regelung bestanden habe und auch nach der derzeit geltenden Rechtslage bestehe. In einer gutachterlichen Stellungnahme der Parlamentsdirektion aus dem Jahr 2012 iZm dem Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen sei auf ergänzende Beweisbeschlüsse verwiesen worden. Da auch die seit damals geänderte Rechtslage keine Regelung treffe, könne nur der Schluss gezogen werden, dass "Akten und sonstige Unterlagen vom [g]rundsätzlichen Beweisbeschluss nicht erfasst sind, wenn sie zumindest nach der Zustellung des Beweisbeschlusses entstanden sind. […] Die grundsätzlich eingeräumte Frist von 4 oder 8 Wochen zur Vorlage, die mit der Zustellung des Beweisbeschlusses beginnt, kann nämlich nur dann in Anspruch genommen werden, wenn diese Akten und Unterlagen zu Beginn der Frist bereits vorgelegen sind."

2.4.3. Zunächst ist festzuhalten, dass gemäß Art 53 Abs 3 B-VG die Verpflichtung, Akten und Unterlagen vorzulegen, mit dem Umfang des Gegenstandes der Untersuchung beschränkt ist, der in Art 53 Abs 2 B-VG als "ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes" umschrieben wird. Aus diesen Regelungen ergibt sich in sachlicher Hinsicht eine zeitliche Dimension, worauf sich ein Untersuchungsgegenstand und darauf aufbauend die Vorlageverpflichtung beziehen kann. Darüber hinausgehend sieht die Bundesverfassung keine zeitliche Beschränkung der Vorlageverpflichtung vor; diese besteht daher grundsätzlich bis zum Ende des Untersuchungsausschusses. Art 53 Abs 3 B-VG erfordert schließlich zur Auslösung der Vorlageverpflichtung ein "Verlangen". Die nähere Konkretisierung und Ausgestaltung der Einsetzung sowie des Verfahrens der Untersuchungsausschüsse erfolgt gemäß Art 53 Abs 5 B-VG im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (vgl. AB 439 BlgNR 25. GP, 7).

Gemäß § 22 Abs 1 VO-UA erhebt der Untersuchungsausschuss die Beweise u.a. auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und der ergänzenden Beweisanforderungen im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes. Der grundsätzliche Beweisbeschluss, der gemäß § 3 Abs 5 VO-UA vom Geschäftsordnungsausschuss zu fassen ist, verpflichtet gemäß § 24 Abs 1 leg.cit. u.a. Organe des Bundes "zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands", wodurch der Untersuchungsausschuss von Beginn seiner Tätigkeit an eine möglichst umfassende Informationsgrundlage zur Verfügung haben soll (AB 440 BlgNR 25. GP, 13). Er ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen (§24 Abs 3 VO-UA). Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Zudem kann der Geschäftsordnungsausschuss Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Gemäß § 26 Abs 1 VO-UA hat der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Beweisbeschlüsse und ergänzende Beweisanforderungen ohne unnötigen Aufschub an die betreffenden Organe zu übermitteln.

Der Geschäftsordnungsausschuss hat daher in umfassender Weise dafür zu sorgen, dass der Untersuchungsausschuss seine Tätigkeit aufnehmen kann. Wird in weiterer Folge die Anforderung weiterer Erkenntnisquellen erforderlich, so eröffnet § 25 VO-UA die Möglichkeit ergänzender Beweisanforderungen u.a. in Bezug auf bestimmte Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Der Untersuchungsausschuss kann solche gemäß § 25 Abs 1 leg.cit. auf Grund eines schriftlichen Antrages eines Mitgliedes beschließen, oder ein Viertel seiner Mitglieder kann solche gemäß § 25 Abs 2 erster Satz leg.cit. verlangen.

Die einfachgesetzliche Rechtslage lässt dem Geschäftsordnungsausschuss – vor dem Hintergrund des Art 53 Abs 3 B-VG, der die grundsätzliche Verpflichtung der Organe (ohne zeitliche Beschränkung) begründet, während der Dauer des Untersuchungsausschusses alle Akten und Unterlagen vorzulegen, sofern diese einen Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufweisen, hinsichtlich der konkreten Vorlageverpflichtung allerdings auf das Verlangen abstellt – einen gewissen Spielraum zur Festlegung des relevanten Zeitraums. Es muss jedenfalls gewährleistet sein, dass dem Untersuchungsausschuss zu Beginn seiner Tätigkeit eine möglichst umfassende Informationsgrundlage zur Verfügung steht. Es obliegt allerdings der Entscheidung des Geschäftsordnungsausschusses anzuordnen, ob die Organe auch verpflichtet werden, nach der Zustellung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses entstehende Akten und Unterlagen, die im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen müssen, vorzulegen.

Zur Feststellung des Umfangs der Vorlageverpflichtung ist daher auch die Interpretation des grundsätzlichen Beweisbeschlusses bzw. ergänzender Beweisanforderungen erforderlich.

Im vorliegenden Fall wird im grundsätzlichen Beweisbeschluss im hier interessierenden Zusammenhang Folgendes festgelegt:

"Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern auch sämtliche mit dem Beweisthema und den jeweiligen Akten im Zusammenhang stehende schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, die bei der vorlagepflichtigen Stelle vorhanden sind.

Die Übermittlung hat grundsätzlich binnen 4 Wochen zu erfolgen, bei einer mit begründeter Stellungnahme bekanntgegebenen schwierigen Aktenlage 8 Wochen. Sollte eine Klassifizierung der Stufe 2 oder höher nach dem InfOG bestehen, so hat die Übermittlung binnen 8 Wochen zu erfolgen. […]"

Der in Rede stehende grundsätzliche Beweisbeschluss enthält die Formulierung, dass näher bezeichnete "vorhandene" Akten und Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist vorzulegen sind und stellt damit auf das Vorhandensein von Akten und Unterlagen bei den vorlagepflichtigen Stellen ab. Da die Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen mit Zustellung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses an das vorlagepflichtige Organ entsteht, hat das vorlagepflichtige Organ alle seine zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Akten und Unterlagen – von den in Art 53 Abs 3 letzter Satz und Abs 4 B-VG normierten Ausnahmen abgesehen – im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand vorzulegen.

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Bundesminister für Inneres dazu verpflichtet ist, alle seine am (Datum der Zustellung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses an den Bundesminister für Inneres) vorhandenen Akten und Unterlagen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand – von den in Art 53 Abs 3 letzter Satz und Abs 4 B-VG normierten Ausnahmen abgesehen – dem BVT-Untersuchungsausschuss vorzulegen.

2.5. Die inhaltliche und zeitliche Beurteilung zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Bundesminister für Inneres – von den in Art 53 Abs 3 letzter Satz und Abs 4 B-VG normierten Ausnahmen abgesehen – verpflichtet ist, dem BVT-Untersuchungsausschuss alle seine am vorhandenen (Teile der) Ordnungszahlen – außer die bereits vorgelegten Ordnungszahlen 9, 10, 18, 20, 21, 26 und 29 bis 33 – der Stammzahl 34110/KBM/2018 vorzulegen.

V.Ergebnis

1.Der Bundesminister für Inneres ist verpflichtet, dem BVT-Untersuchungsausschuss die im Spruchpunkt I. genannten Akten und Unterlagen vorzulegen.

2.Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres zur Vorlage der bereits vorgelegten Ordnungszahlen 9, 10, 18, 20, 21, 26 und 29 bis 33 der Stammzahl 34110/KBM/2018 an den BVT-Untersuchungsausschuss bezieht.

3.Im Übrigen ist der Antrag als unbegründet abzuweisen.

4.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung nicht nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2018:UA1.2018
Schlagworte:
Nationalrat, Untersuchungsausschuss, Verschwiegenheitspflicht, Amtsverschwiegenheit

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