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VfGH vom 07.06.2013, U963/2012

VfGH vom 07.06.2013, U963/2012

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander infolge Zurückweisung des Asylantrags des Beschwerdeführers wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat trotz Vorliegens des Status einer subsidiär Schutzberechtigten der Ehegattin

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden. Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerde führer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,— bestimmten Prozess kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste 2008 über Ungarn in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und es wurde ihm in Ungarn der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Im Jahr 2009 lernte er im Rahmen eines Aufenthalts in Österreich seine nunmehrige Ehefrau, die ebenfalls somalische Staatsangehörige ist und der in Österreich internationaler Schutz zuerkannt wurde, kennen und ging mit dieser eine Beziehung ein. Am fand die Eheschließung der beiden statt; am wurde die gemeinsame Tochter geboren. Auf Grund des schlechten gesundheitlichen Zustands der Ehefrau des Beschwerdeführers nach der Geburt und einem damit verbundenen Aufenthalt in der Intensivstation von bis , auf den eine stationäre Behandlung der Ehefrau des Beschwerdeführers in der Abteilung für Nephrologie und Dialyse bis zum folgte, reiste der Beschwerdeführer nach der Geburt seiner Tochter nur kurz nach Ungarn aus, um seine persönlichen Gegenstände zu holen, und am erneut aus Ungarn nach Österreich ein, um sich um seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter zu kümmern. Laut dem der Beschwerde beiliegenden vorläufigen Patientenbrief vom war auch die Tochter des Beschwerdeführers nach ihrer Geburt in keinem guten gesundheitlichen Zustand und hatte sich in stationärer Behandlung befunden. Laut dem vorläufigen Patientenbrief war jedoch eine Entlassung des Kindes möglich, "sobald die häusliche Pflege durch die Eltern sichergestellt werden kann". Am wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers laut dem der Beschwerde beiliegenden Patientenbrief in ausgezeichnetem Allgemeinzustand entlassen.

1.2. Am stellte der Beschwerdeführer in Österreich einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz, den er damit begründete, dass er sich um seine Ehefrau und seine Tochter kümmern müsse. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 4 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005AsylG 2005), BGBl I 100 idF BGBl I 38/2011, mit der Begründung als unzulässig zurück, dass in Ungarn Drittstaatssicherheit vorliege, wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn aus und stellte fest, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn gemäß § 10 Abs 4 AsylG 2005 zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Asylgerichtshof.

2. Mit der angefochtenen Entscheidung wies der Asylgerichtshof die Beschwerde gemäß §§4 und 10 AsylG 2005 als unbegründet ab. Begründend führt der Asylgerichtshof dazu aus:

2.1. Der Beschwerdeführer genieße in Ungarn bereits Schutz in einem sicheren Drittstaat. Sein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich sei daher gemäß § 4 AsylG 2005 grundsätzlich unzulässig. Es sei nicht Ziel und Zweck der GFK, dass ein Vertragsstaat einem Flüchtling Asyl gewähre, wenn bereits ein anderer Staat in die Schutzpflichten betreffend diese Person eingetreten sei (Verweis auf Putzer , Asylrecht 2 , 2011, Rz 479). Eine Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 komme nicht in Betracht, weil dem Beschwerdeführer in Ungarn bereits asylrechtlicher Schutz zuerkannt worden sei und Asylberechtigte nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (in der Folge: Dublin II-Verordnung) fielen (Verweis auf Filzwieser/Sprung , Dublin II-Verordnung 3 , 2009, 67). Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs 2 AsylG 2005 seien nicht ersichtlich.

2.2. Die Ausweisung stelle keine Verletzung des Grundrechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK dar: Der Beschwerdeführer habe den Großteil seines Lebens in Somalia und die letzten vier Jahre hauptsächlich in Ungarn verbracht. Er habe sich zuvor immer nur kurzfristig in Österreich aufgehalten und sei erst vor wenigen Wochen dauerhaft in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Da der Beschwerdeführer als Grund für seine Antragstellung seinen Wunsch, in Österreich ein dauerhaftes Familienleben mit seiner Ehefrau und seiner Tochter zu begründen, angegeben habe, diene sein Antrag auf internationalen Schutz der Umgehung der Einwanderungs- bzw. Einreisebestimmungen. Das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich sei zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein mussten, zumal sich der Beschwerdeführer nur bei Vorhandensein ausreichender Mittel und nur drei Monate lang in Österreich hätte aufhalten dürfen. Das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich bestehe zudem erst seit kurzer Zeit und könne daher insgesamt gesehen "nicht als schutzwürdig betrachtet werden". Integrationsschritte habe der Beschwerdeführer nicht gesetzt.

2.3. Die Voraussetzungen für die Erlangung eines humanitären Aufenthaltstitels aus Gründen der Familienzusammenführung seien in § 41a Abs 9 und § 43 Abs 3 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und AufenthaltsgesetzNAG), BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011, geregelt. Dem Beschwerdeführer stünden gesetzlich vorgesehene Aufenthaltstitel zum Zweck der Familienzusammenführung zur Verfügung. Auf diese Weise würden die Interessen des Beschwerdeführers an seinem Privat- und Familienleben auf durchaus angemessene Weise im Gesetz berücksichtigt.

2.4. Gemäß § 4 Abs 4 AsylG 2005 sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 EMRK ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zulässig. § 4 Abs 4 Z 2 und 3 AsylG 2005 umschrieben Fälle, in denen das Vorliegen eines Familienlebens iSd Art 8 Abs 1 EMRK unwiderleglich vermutet werde; der Bestimmung könne jedoch nicht "der Inhalt beigemessen werden, dass in den darin genannten Fällen die in Art 8 Abs 2 EMRK angeordnete Interessenabwägung jedenfalls zu entfallen hätte und somit sämtliche in Betracht kommenden öffentlichen Interessen unbeachtlich wären". Eine sachliche Rechtfertigung für eine Privilegierung der Fälle mit Drittstaatsicherheit gegenüber den übrigen Fällen mit Familienbezug durch den ausnahmslosen Entfall der in Art 8 Abs 2 EMRK vorgeschriebenen Interessenabwägung wäre auch nicht erkennbar. So habe auch der Verfassungsgerichtshof zur Vorläuferbestimmung in § 4a Abs 3 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 — AsylG), BGBl I 76/1997 idF BGBl I 101/2003, ausgesprochen, dass in den Z 1 bis 3 Fälle aufgezählt seien, in denen unwiderleglich das Vorliegen eines Familienlebens, nicht aber eine Verletzung desselben vermutet werde (Verweis auf VfSlg 17.340/2004).

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144a B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG gegen alle Formen der rassischen Diskriminierung sowie im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

3.1. In den Fällen des § 4 Abs 4 Z 2 und 3 AsylG 2005 sei eine weitere Abwägung gemäß Art 8 EMRK gerade nicht mehr vorzunehmen. Die vom Asylgerichtshof vorgenommene gegenteilige Interpretation widerspreche dem klaren Wortlaut der Bestimmung und sei auch nicht durch das vom Asylgerichtshof ins Treffen geführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 17.340/2004 belegbar. Ergänzend führt der Beschwerdeführer an, dass die Vorschrift losgelöst von der Definition der "Familienangehörigen" iSd § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005, die auf eine Eheschließung bereits im Herkunftsstaat abstellt, zu sehen ist (Verweis auf Putzer , Asylrecht 2 , 2011, Rz 494), weil in § 4 Abs 4 AsylG 2005 explizit nicht von "Familienangehörigen", sondern von "Ehegatten, eingetragenen Partnern und Kindern" die Rede sei. All dies habe der Beschwerdeführer bereits in seiner Beschwerde an den Asylgerichtshof sowie den ergänzenden Stellungnahmen nachvollziehbar dargelegt.

3.2. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei rechtmäßig als subsidiär Schutzberechtigte in Österreich aufhältig, sodass die Ausnahme des § 4 Abs 4 Z 3 AsylG 2005 zur Anwendung gelangen hätte müssen. Der Asylgerichtshof habe der Bestimmung einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und somit Willkür geübt.

3.3. Der Asylgerichtshof habe aber auch den konkreten Sachverhalt außer Acht gelassen, indem er die "exzeptionellen Umstände des vorliegenden Falls" — nämlich insbesondere den Umstand, dass die Ehegattin und das Kind auf Grund der schweren Erkrankung auf die Anwesenheit des Beschwerdeführers angewiesen seien — im Rahmen der von ihm vorgenommenen Abwägung im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK nicht berücksichtigt habe. Dadurch habe der Asylgerichtshof auch gegen Art 8 Abs 2 EMRK verstoßen. Eine Ausreise der Ehefrau des Beschwerdeführers mit deren gemeinsamer Tochter sei auf Grund des anhängigen Asylverfahrens — das Verfahren hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten sei noch nicht abgeschlossen — nicht möglich. Durch die Erlassung einer Ausweisungsentscheidung werde auch dem Beschwerdeführer die sichtvermerksfreie Wiedereinreise nach Österreich auf Grund seiner Asylberechtigung in Ungarn verunmöglicht. Die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Familienlebens im Rahmen von Besuchen sei daher nicht möglich. Eine Familienzusammenführung im Rahmen des NAG sei nur unter Erfüllung der Voraussetzungen des 1. Teils des NAG vorgesehen. Da die Ehefrau nach Ausreise des Beschwerdeführers aber nicht in der Lage wäre, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, würde die Familienzusammenführung bereits am Fehlen des Einkommens scheitern. Zudem verfüge der Beschwerdeführer in Ungarn über keinerlei familiäre Bindungen, was der Asylgerichtshof im Rahmen seiner Abwägung hätte berücksichtigen müssen. Überhaupt habe sich die Behörde im Rahmen der Ausweisungsentscheidung nicht oder nicht ausreichend mit den für Art 8 EMRK relevanten Kriterien auseinandergesetzt.

4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der den Beschwerdebehauptungen wie folgt entgegengetreten wird:

Die Beschwerdebehauptung, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers und die gemeinsame Tochter aktuell noch an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden würden, sei aktenwidrig. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei am in gutem bzw. ausgezeichetem Allgemeinzustand entlassen worden. Es sei außerdem unzutreffend, dass der Beschwerdeführer 2009 mehrmals jeweils "rechtmäßig" zum Zweck eines Kurzaufenthaltes von Ungarn nach Österreich eingereist sei. Zu den rechtlichen Erwägungen hinsichtlich der vorgenommenen Interessenabwägung gemäß Art 8 Abs 2 EMRK verweist der Asylgerichtshof auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005AsylG 2005), BGBl I 100 idF BGBl I 38/2011, lauten:

"Drittstaatsicherheit

§4. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Fremde in einem Staat, zu dem ein Vertrag über die Bestimmungen der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz oder die Dublin - Verordnung nicht anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht, wenn einem Fremden in einem Staat, in dem er nicht gemäß § 8 Abs 1 bedroht ist, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht oder im Wege über andere Staaten gesichert ist (Asylverfahren), er während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt ist und er dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - hat, sofern er in diesem gemäß § 8 Abs 1 bedroht ist. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

(3) Die Voraussetzungen des Abs 2 sind in einem Staat widerlegbar dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention, der EMRK und des Protokolls Nr 6, Nr 11 und Nr 13 zur Konvention umgesetzt hat.

(4) Trotz Schutz in einem sicheren Drittstaat ist der Antrag auf internationalen Schutz nicht als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine mit der Zurückweisung verbundene Ausweisung zu einer Verletzung von Art 8 EMRK führen würde. Die Zurückweisung wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat hat insbesondere zu unterbleiben, wenn

1. der Asylwerber EWR-Bürger ist;

2. einem Elternteil eines minderjährigen, ledigen Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde oder

3. dem Ehegatten, dem eingetragenen Partner oder einem minderjährigen ledigen Kind des Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.

(5) Kann ein Fremder, dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Abs 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen, die nicht in seinem Verhalten begründet sind, nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit der Entscheidung zurückgeschoben oder abgeschoben werden, tritt die Entscheidung außer Kraft.

Zuständigkeit eines anderen Staates

§5. (1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

(2) Gemäß Abs 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs 1 Schutz vor Verfolgung findet.

[…]

Verbindung mit der Ausweisung

§10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

[…]

(2) Ausweisungen nach Abs 1 sind unzulässig, wenn

[…]

2. diese eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

d) der Grad der Integration;

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

[…]"

III. Erwägungen

1. Die — zulässige — Beschwerde ist begründet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. ge währleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Dis kriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung ist ein Indiz für Willkür (zB VfSlg 13.372/1993).

Ein solcher Fehler ist dem Asylgerichtshof unterlaufen:

2. Nach § 4 Abs 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, wenn der Fremde in einem sicheren Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann. Trotz Schutz in einem sicheren Drittstaat ist — so die Regelung des § 4 Abs 4 Satz 1 AsylG 2005 — der Antrag auf internationalen Schutz nicht als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine mit Zurückweisung verbundene Ausweisung zu einer Verletzung von Art 8 EMRK führen würde. Sodann ordnet § 4 Abs 4 Satz 2 AsylG 2005 ausdrücklich an, dass die Zurückweisung wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat insbesondere zu unterbleiben hat, wenn unter anderem gemäß Z 3 dieser Bestimmung "dem Ehegatten […] oder einem minderjährigen ledigen Kind des Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde".

3. Der Ehegattin des Beschwerdeführers wurde in Österreich der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Asylgerichtshof geht in der angefochtenen Entscheidung nun deswegen davon aus, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zurückzuweisen (und mit einer Ausweisungsentscheidung nach § 10 AsylG 2005 zu verbinden) ist, weil dem Beschwerdeführer der Schutz in einem sicheren Drittstaat zukomme und § 4 Abs 4 Z 3 AsylG 2005 nicht die Unzulässigkeit der Zurückweisung des Antrags wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat anordne, sondern nur besage, dass mit der Ehegattin ein Familienleben vorliege, womit eine Zurückweisung des Antrags (und damit verbunden die) Ausweisung des Beschwerdeführers in den sicheren Drittstaat nur nach Maßgabe der Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 EMRK zulässig sei.

Damit unterstellt der Asylgerichtshof § 4 Abs 4 Z 3 AsylG 2005 einen denkunmöglichen Inhalt. Dass die Beziehung zu einem Ehegatten unter den Schutz des Familienlebens gemäß Art 8 EMRK fällt, hätte in § 4 Abs 4 Satz 2 Z 3 AsylG 2005 keiner besonderen Regelung bedurft. Satz 1 dieser Bestimmung würde ausreichen, um die Rechtsansicht des Asylgerichtshofes, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers nur nach Maßgabe des Art 8 Abs 2 EMRK zulässig ist, zu begründen. Soll dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, Überflüssiges anzuordnen, muss § 4 Abs 4 Z 3 AsylG 2005 ein eigenständiger Inhalt zukommen, der sich auch aus dem insoweit klaren Wortlaut dieser Bestimmung erschließt: Im besonderen Fall, dass dem Ehegatten des Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, hat die Zurückweisung des Antrags des Asylwerbers auf internationalen Schutz wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat zu unterbleiben. In diesem Sinn hat auch der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.340/2004 zur Vorgängerbestimmung des § 4a Abs 3 Z 3 AsylG 1997 ausgeführt, dass "die in den Z 1 bis 3 genannten Fälle nur Beispiele sein sollen, in denen — ohne nähere Detailprüfung — die Drittstaatsicherheit unbeachtlich ist" (dass der Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis in der Folge vor allem Ausführungen zum Familienbegriff macht, hängt mit den dort vorgebrachten Bedenken gegen die genannte Regelung des AsylG 1997 zusammen).

4. Indem der Asylgerichtshof die insoweit eindeutige Anordnung des § 4 Abs 4 Z 3 AsylG 2005, dass in diesem Fall die Zurückweisung des Antrages wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat (und damit verbunden die Ausweisung in diesen) zu unterbleiben hat, missachtet hat, hat er dieser Gesetzesbestimmung einen denkunmöglichen Inhalt unterstellt. Die angefochtene Entscheidung ist daher schon aus diesem Grund aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich der Asylgerichtshof insbesondere auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, welche Bedeutung dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer in Ungarn asylrechtlicher Schutz zuerkannt wurde, im Verfahren vor dem Asylgerichtshof zukommt.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die angefochtene Entscheidung ist daher schon deshalb aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. Ein über die antragsgemäß zugesprochenen Kosten hinausgehender Ersatz der Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,- kommt nicht in Betracht, weil dem Beschwerdeführer mit Beschluss vom Verfahrenshilfe auch im Umfang der einstweiligen Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr gewährt wurde. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,— enthalten.