VfGH vom 20.02.2014, U1990/2013
Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz und Ausweisung der unter einer psychischen Erkrankung leidenden Beschwerdeführerin nach Armenien wegen aktenwidriger Bejahung der Prozessfähigkeit ohne schlüssige Auseinandersetzung mit begründeten Zweifeln an deren Vorliegen
Spruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Die Entscheidung wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin ist armenische Staatsangehörige und reiste in Begleitung ihres Gatten und ihres volljährigen Sohnes in das Bundesgebiet ein, wo sie am einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Zu ihren Fluchtgründen gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, ihr Sohn habe für die Partei "Blühendes Armenien" gearbeitet und im Rahmen dieser Tätigkeit auch illegale Tätigkeiten erbringen müssen. Als er sich schließlich geweigert hätte, an derartigen Handlungen mitzuwirken, sei er wiederholt verprügelt worden, weshalb er schließlich untergetaucht sei. Daraufhin seien die Beschwerdeführerin und ihr Gatte mehrmals von Personen, die ihren Sohn suchten, belästigt und sogar geschlagen worden. Deshalb hätten sie Armenien verlassen müssen. Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011 (AsylG 2005) ab, erkannte der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 1 Z 1 leg. cit. den Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zu und wies sie gemäß § 10 Abs 1 Z 2 leg. cit. nach Armenien aus. Mit Entscheidung vom wies der Asylgerichtshof die dagegen erhobene Beschwerde zur Gänze ab.
2. Am stellte die Beschwerdeführerin erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie im Verfahren ihre bisherigen Fluchtgründe aufrecht hielt und ergänzend vorbrachte, dass sich ihr psychischer Zustand seit Abschluss des ersten Verfahrensganges verschlechtert habe und sie u.a. an paranoider Schizophrenie leide, deren adäquate Behandlung in Armenien nicht möglich sei. Im Fall der Abschiebung würde sie in eine geschlossene Anstalt namens "Sevan" eingeliefert, wo sie sterben müsse.
2.1. Die Beschwerdeführerin legte auch Arztbriefe sowie Bestätigungen über einen stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung nach Abschluss des Erstverfahrens vor, die das Vorliegen psychischer Erkrankungen, u.a. einer paranoiden Schizophrenie, attestieren. Die Rechtsberatung der Beschwerdeführerin brachte in einer Stellungnahme vom vor, dass sie davon ausgehe, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Erkrankung die Tragweite ihrer Handlungen und Entscheidungen nicht zur Gänze einschätzen könne. Daher sei eine fachärztliche Stellungnahme darüber einzuholen, ob die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Beschwerdeführerin für die selbständige Führung eines Verwaltungsverfahrens ausreichend sei. Nach Einholung des Gutachtens könne beurteilt werden, ob allenfalls ein Sachwalter für die Beschwerdeführerin beantragt werden müsse. Dieser Stellungnahme schloss sich der gewillkürte Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin an. In der Folge wies das Bundesasylamt die Beschwerdeführerin einer medizinischen Begutachtung "gemäß § 10 AsylG 2005" durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin zu und fügte folgende Fragenliste an:
"1.) Leidet die Antragstellerin an einer Erkrankung?
2.) Wenn zu 1.) Antwort ja, besteht im Falle einer Überstellung nach Armenien die reale Gefahr, dass die Antragstellerin aufgrund dieser Erkrankung in einen lebensbedrohlichen Zustand gerät oder sich die Krankheit in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtert?
3.) Wenn zu 2.) Antwort ja, welche Maßnahmen wären aus medizinischer Sicht vor, während und nach der Überstellung nach Armenien notwendig, um eine derartige Gefährdung weitgehend zu minimieren?
4.) Wenn zu 2.) Antwort ja, ab welchem Zeitpunkt (konkrete Datumsangabe) ist die Überstellung/Abschiebung möglich?"
2.2. Das daraufhin erstattete Gutachten vom diagnostiziert "depressive Episoden mit Somatisierungstendenz" und fasst die Erkrankung der Beschwerdeführerin als "komplexe[s] psychiatrisch – internistische[s] Krankheitsbild" zusammen. Im Übrigen beantwortet das Gutachten die gestellten Fragen dahingehend, dass die Überstellung der Beschwerdeführerin unter fachärztlicher Aufsicht möglich und die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat notwendig sei. Auf das Vorliegen der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit geht das Gutachten nicht ein.
2.3. In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt vom wiederholten der Rechtsberater und der gewillkürte Rechtsvertreter ihre Bedenken ob der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Beschwerdeführerin, u.a. unter Verweis auf die Angaben einer Dolmetscherin, die erklärt habe, dass die Beschwerdeführerin den Inhalt einer Rechtsberatung nicht sinngemäß erfassen könne. Der gewillkürte Rechtsvertreter beantragte ein aktuelles Gutachten eines konkret genannten Facharztes für Psychiatrie, da das vorliegende Gutachten die Frage nach der Dispositionsfähigkeit der Beschwerdeführerin und der ausreichenden Wahrnehmung ihrer Interessen nicht beantwortet habe. In der Folge legte die gewillkürte Vertretung der Beschwerdeführerin einen Befund eines Facharztes und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Psychiatrie vom vor, der eine paranoide Schizophrenie und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und auf Grund dieser Erkrankung zu dem Schluss kommt, dass es "nur sehr schwer vorstellbar [scheine], dass die [Beschwerdeführerin] ihre Interessen ohne Hilfe ihrer Tochter entsprechend vertreten [werde] können."
3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen (Spruchpunkt II.). In der Begründung führt das Bundesasylamt u.a. aus, dass der physische und psychische Zustand der Beschwerdeführerin kein Abschiebungshindernis darstelle, da – wie sich aus dem medizinischen Gutachten vom ergebe – die Überstellung nicht zu einem lebensbedrohlichen Zustand führe. Hinsichtlich der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Beschwerdeführerin führt der Bescheid des Bundesasylamtes ausschließlich folgendes aus:
"Abschließend ist noch anzuführen, dass sie in sämtlichen Einvernahmen vor der entscheidungsfindenden Behörde einen guten Gesamteindruck machten.
Sie machten auch bereitwillig Angaben, machten klare Aussagen zu den ihnen gestellten und zur Abklärung des Sachverhaltes notwendigen Fragen und war keinesfalls feststellbar, dass sie in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt wären oder nicht in der Lage wären[,] Sinn und Inhalt von Handlungsabläufen und Fragestellungen bzw. Aussagen zu den angesprochen Themen vollinhaltlich zu erfassen. Letztlich führte nicht nur die [m]edizinische Begutachtung durch Dr. *. ********* zu einem Ergebnis, sondern […] erfüllte[n] sowohl die Erstbefragung als auch die Einvernahme vor dem BAA […] wie auch das Parteiengehör mit Rechtsberatung und [g]ewillkürter Vertretung ihren Zweck."
Auf das vorgelegte Gutachten vom geht der Bescheid des Bundesasylamtes inhaltlich nicht ein, sondern enthält dazu nur folgende Ausführungen:
"Soweit ihre [g]ewillkürte Vertretung des [W]eiteren beantragt ein aktuelles Gutachten von Dr *********, Vöcklabruck einzuholen[,] ist auf das Einbringen ihrer gewillkürten Vertretung vom und zu verweisen[,] wo angeführt ist, [']Bezugnehmend auf die Einvernahme vom und die beantragten Beweise wird ein aktueller medizinischer Befund des beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, Dr ****** *********, Facharzt für Psychiatrie, vorgelegt.'"
4. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Asylgerichtshof bringt die Beschwerdeführerin u.a. vor, dass sie auf Grund "des gesundheitlichen Zustandes und ihrer Verwirrtheit nicht alleine in der Lage" gewesen sei, "neue Gründe und sämtliche Zusammenhänge" darzulegen. Auch äußert die Beschwerdeführerin erstmals die Furcht vor einem Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung, was sie im bisherigen Verfahren "aufgrund der Unfähigkeit ihre Interessen im Asylverfahren zu wahren" nicht vorbringen konnte.
5. Die Rechtssache wurde am Asylgerichtshof einem männlichen Einzelrichter der Gerichtsabteilung "E 10" zugewiesen. Dieser wies die Beschwerde mit Entscheidung vom gemäß § 68 Abs 1 AVG ab und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien aus. Zum Vorbringen des gewillkürten Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin trifft der Asylgerichtshof folgende Feststellungen:
"Bereits mehr als 1 Monat vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides äußerte sich die nunmehrige Vertretung, welche sichtlich davon ausging, dass die bP so weit geschäfts- und einsichtsfähig ist, dass sie in der Lage ist, ein Vollmachtsverhältnis zu begründen, über den psychischen Zustand der bP, legte Bescheinigungsmittel vor und ging davon aus, dass es einem ärztlichen Befund folgend schwer vorstellbar sei, dass die bP ihre Interessen ohne Hilfe ihrer Tochter entsprechend vertreten wird können."
Sodann hält der Asylgerichtshof im Rahmen seiner Beweiswürdigung fest:
"Wenn die bPV davon ausgeht, die bP wäre nicht fähig gewesen, ihre Interessen im Verfahren wahrzunehmen, deutet der Akteninhalt auf das Gegenteil hin. So war die bP sichtlich in der Lage, den Einvernahmen zu folgen, sich an ihr bisheriges Vorbringen, bzw. an den bisherigen Verfahrenshergang zu erinnern und im Verfahren ihre Interessen, etwa durch die Vorlage von Bescheinigungsmitteln[,] wahrzunehmen.
Offensichtlich hatte die bPV auch keine Zweifel an der Urteilsfähigkeit der bP und geht von einem rechtsgültigen Vollmachtsverhältnis aus, was voraussetzt, dass die bPV der bP entsprechende Geschäfts- und Einsichtsfähigkeit zutraut."
In den Entscheidungsgründen führt der Asylgerichtshof im Zusammenhang mit der Frage, ob die in den vorgelegten Arztbriefen dargelegte psychische Erkrankung ein Abschiebungshindernis darstelle, aus, dass
"[a]ufgrund der hier vorliegenden psychischen Beeinträchtigung […] zwar dem Verfasser des zu erörternden Bescheinigungsmittels insoweit nicht entgegengetreten werden [mag], als hieraus ableitbar ist, dass eine Überstellung nach Armenien zu eine[r] Beeinträchtigung des psychischen Zustandes der bP führen, bzw. eine Wiederherstellung der psychischen Gesundheit erschwert bzw. verzögert werden kann, womit jedoch noch nicht gesagt ist, dass dies zu einer Verletzung von Art 3 EMRK führt."
Weitere Ausführungen zum Vorbringen der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin finden sich nicht.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, bei der Rückkehr in den Herkunftsstaat einen Eingriff in ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu befürchten, erachtet der Asylgerichtshof von der Rechtskraftwirkung des Vorerkenntnisses
"mitumfasst […], zumal […] das diese behauptetermaßen bestehende Furcht auslösende Ereignis bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft dieses Erkenntnisses entstand. Dass dies in diesem Verfahren nicht vortragen wurde, ist im Lichte des Grundsatzes ne bis in idem unbeachtlich […] und stellt allenfalls eine Änderung der Begründung des identen Begehrens (Gewährung von internationalem Schutz) dar […], weshalb eine inhaltliche Prüfung dieses Vorbringens durch einen Einzelrichter des selben Geschlechts wie die bP zu unterbleiben hat."
6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144a B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf den gesetzlichen Richter, auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art 47 GRC behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.
6.1. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Das Recht auf den gesetzlichen Richter sei dadurch verletzt, dass ein männlicher Einzelrichter die angefochtene Entscheidung erlassen habe. Auf Grund des Beschwerdevorbringens der Furcht vor einem Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung hätte die Rechtssache nämlich gemäß § 20 Abs 1 AsylG 2005 einer weiblichen Richterin zugewiesen werden müssen. Das Willkürverbot sei dadurch verletzt, dass auf Grund der aus dem Akt ersichtlichen Gutachten ein Sachwalterschaftsverfahren von Amts wegen eingeleitet werden hätte müssen. Art 47 GRC sei verletzt, da sich der Asylgerichtshof einen persönlichen Eindruck verschaffen hätte müssen, ob die Voraussetzungen für ein Sachwalterschaftsverfahren vorgelegen wären.
7. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. Rechtslage
1. Die §§9, 11 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl 51/1991 lauten idF BGBl I 5/2008:
"Rechts- und Handlungsfähigkeit
§9. Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen."
§11. Soll von Amts wegen oder auf Antrag gegen einen handlungsunfähigen Beteiligten, der eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, oder gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist, eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Behörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, die Betrauung einer Person mit der Obsorge oder die Bestellung eines Sachwalters oder Kurators beim zuständigen Gericht (§109 JN) veranlassen."
2. § 23 Bundesgesetz über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz – AsylGHG), BGBl I 4/2008 lautet idF BGBl I 147/2008:
"Verfahren
(1) Soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr 100, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs “Berufung” der Begriff “Beschwerde” tritt.
[…]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2. Ein derartiger, in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Asylgerichtshof bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung unterlaufen:
2.1. Die Prozessfähigkeit stellt gemäß § 9 AVG, der gemäß § 23 AsylGHG im Verfahren vor dem Asylgerichtshof anwendbar ist, eine Prozessvoraussetzung dar, deren Mangel in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist. Bei begründeten Zweifeln an der Prozessfähigkeit einer Verfahrenspartei muss der Asylgerichtshof gemäß § 11 AVG iVm § 23 AsylGHG die Bestellung eines Sachwalters für das betreffende Verfahren oder für einen weiteren Aufgabenkreis anregen, indem er das zuständige Pflegschaftsgericht ersucht, die Notwendigkeit der Sachwalterbestellung zu prüfen (vgl. ; , 2000/05/0012; Hengstschläger/Leeb , AVG, 2004, § 9 Rz 2; § 11 Rz 3).
2.2. Derartige Zweifel liegen hier vor, auf Grund deren sich der Asylgerichtshof mit der Frage der Prozessfähigkeit der Beschwerdeführerin auseinandersetzen hätte müssen. Mehrere Arztbriefe und psychiatrische Gutachten attestieren der Beschwerdeführerin eine psychische Erkrankung, das Gutachten vom folgert, dass es nur schwer vorstellbar sei, dass die Beschwerdeführerin ihre Interessen alleine vertreten könne. Auch äußerten sowohl die Rechtsberatung als auch die gewillkürte Vertretung im Verfahren vor dem Bundesasylamt und in der Beschwerde an den Asylgerichtshof Zweifel an der Prozessfähigkeit der Beschwerdeführerin. Das durch das Bundesasylamt eingeholte Gutachten kann derartige Zweifel nicht ausräumen, diagnostiziert es doch eine psychische Erkrankung, beantwortet aber ansonsten – entsprechend dem Gutachtensauftrag – nur die Frage, ob eine Überstellung in den Herkunftsstaat für die Beschwerdeführerin lebensbedrohlich wäre, während die Prozessfähigkeit kein Gegenstand der Untersuchung war. Der Asylgerichtshof geht auch selbst vom Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung aus.
2.3. Eine schlüssige Begründung, warum der Asylgerichtshof die Prozessfähigkeit der Beschwerdeführerin angenommen und es unterlassen hat, die Bestellung eines Sachwalters anzuregen, bleibt der Asylgerichtshof schuldig.
Die Ausführungen des Asylgerichtshofes, wonach die Beschwerdeführerin "sichtlich in der Lage [war], den Einvernahmen zu folgen, sich an ihr bisheriges Vorbringen, bzw. an den bisherigen Verfahrenshergang zu erinnern und im Verfahren ihre Interessen, etwa durch die Vorlage von Bescheinigungsmitteln wahrzunehmen", widersprechen dem Akteninhalt. So macht die Beschwerdeführerin laut Niederschrift vom gerade nicht den Eindruck, dem Verfahrensablauf folgen zu können. Auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin einer Sachwalterschaft unterliege, antwortet diese, dass sie die Frage nicht verstehe. Auch auf die anschließende Frage, ob ihre "Handlungsfähigkeit ansonsten eingeschränkt" sei, geht sie inhaltlich nicht ein, sondern führt nur aus: "Ich habe große Angst ich stehe immer früh auf und habe abends Angst und kann nicht einschlafen." Auch kann sich der Asylgerichtshof nicht auf die Begründung der Prozessfähigkeit durch den Bescheid des Bundesasylamtes stützen, dass "nicht nur die [m]edizinische Begutachtung durch Dr. *. ********* zu einem Ergebnis [führte], sondern auch […] sowohl die Erstbefragung als auch die Einvernahme vor dem BAA, wie auch das Parteiengehör mit Rechtsberatung und [g]ewillkürter Vertretung ihren Zweck [erfüllte]", entbehrt diese doch jeglichen Begründungsgehalts. Die alleinige Tatsache, dass eine medizinische Begutachtung "zu einem Ergebnis", im konkreten Fall dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung, oder eine Einvernahme "ihren Zweck" erfülle – unabhängig davon, ob die Antworten der Beschwerdeführerin darauf schließen lassen, dass diese dem Verfahrensablauf folgen kann – kann das Vorliegen der Prozessfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht begründen.
Auch die Begründung, dass die Vertretung der Beschwerdeführerin ebenfalls "keine Zweifel an der Urteilsfähigkeit der bP [hatte] und […] von einem rechtsgültigen Vollmachtsverhältnis aus[geht], was voraussetzt, dass die bPV der bP entsprechende Geschäfts- und Einsichtsfähigkeit zutraut", widerspricht dem Akteninhalt, haben doch sowohl die Rechtsberatung als auch die gewillkürte Vertretung der Beschwerdeführerin gegenüber dem Bundesasylamt in ihrer Stellungnahme vom Zweifel an deren Prozessfähigkeit geäußert und die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens über die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit angeregt. Die Prozessfähigkeit ist im Übrigen unabhängig von der Frage der Gültigkeit des Vollmachtsverhältnisses zu beurteilen und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen (vgl. ).
3. Der Asylgerichtshof hat, indem er die Prozessfähigkeit aktenwidrig und ohne schlüssige Auseinandersetzung mit begründeten Zweifeln an deren Vorliegen bejaht hat, seine Entscheidung mit Willkür behaftet. Daran ändert auch nichts, dass es sich um ein Folgeverfahren handelt, ist doch in jedem Verfahren das Vorliegen der Prozessfähigkeit als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen. Die angefochtene Entscheidung ist daher schon aus diesem Grund aufzuheben, sodass sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen erübrigt.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
2. Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Die als "Erhöhungsbeitrag (ERV)" geltend gemachten Kosten sind schon deshalb nicht zuzusprechen, da diese bereits mit dem Pauschalsatz abgegolten sind (vgl. VfSlg 17.366/2004 zum Porto bei papierförmiger Einbringung).