VfGH vom 23.06.2014, SV2/2013

VfGH vom 23.06.2014, SV2/2013

19889

Leitsatz

Abweisung des Antrags des Verwaltungsgerichtshofes auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Liechtenstein wegen Ungleichbehandlung von selbständigen und gewerblichen Einkünften; unterschiedliche Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sachlich gerechtfertigt

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren

1. Mit seinem auf Art 140a B VG gestützten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof, "der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass Art 14 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl Nr 24/1971, verfassungswidrig ist."

2. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zur Zahl 2010/15/0039 die Beschwerde des Finanzamtes Bregenz gegen einen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (in der Folge: UFS) u.a. betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2005 und 2006 eines Mitbeteiligten anhängig, der in den Streitjahren in Österreich ansässig war und Einkünfte erzielte, die einer Betriebsstätte oder einer vergleichbaren festen Einrichtung in Liechtenstein zuzurechnen sind. In seinen Einkommensteuererklärungen für 2005 und 2006 führte der Mitbeteiligte diese Einkünfte aus Liechtenstein als unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte an und ordnete sie zur Gänze Art 14 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (in der Folge: DBA Liechtenstein), BGBl 24/1971, zu. Das Finanzamt erließ – nach einem Vorhalteverfahren – Einkommensteuerbescheide, in welchen es diese Auslandseinkünfte als unter Art 7 DBA Liechtenstein fallend – und damit nach dem DBA nicht steuerbefreit – beurteilte. Der Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Berufung und machte geltend, er sei ausschließlich als Journalist, Texter und Drehbuchautor tätig.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab der UFS der Berufung des Mitbeteiligten teilweise Folge, indem er einen Teil der Einkünfte als der Zuteilungsnorm des Art 14 DBA Liechtenstein unterfallend beurteilte. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Einzelnen angeführte Tätigkeiten seien als freiberuflich (schriftstellerisch oder schriftstellerisch-ähnlich) zu beurteilen (zB Entwicklung, Gestaltung, Text für Messemagazin; Konzeption, Redaktion, Textierung eines zweisprachigen Kundenmagazins, Text für ein Technik-Buch); diese unterlägen der Zuteilungsnorm des Art 14 DBA Liechtenstein. Andere Leistungen (zB Produktion und Gestaltung eines Buches, Gesamtkonzept Investor Relations PR, PR-Strategie, Produktion einer englischen Buch-Fassung) unterlägen hingegen der Zuteilungsnorm des Art 7 DBA Liechtenstein.

2.2. Nach Darstellung der Rechtslage legt der Verwaltungsgerichtshof seine verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt dar:

Die Unterscheidung zwischen Unternehmensgewinnen (Art7 DBA Liechtenstein) und Einkünften aus selbständiger Arbeit (Art14 DBA Liechtenstein) spiegle zwar die dem deutschen Rechtskreis eigentümliche Differenzierung der betrieblichen Einkünfte wider und entspreche auch durch die Anknüpfung an das innerstaatliche Recht (Art3 Abs 2 DBA Liechtenstein) im Kern der innerstaatlichen Unterscheidung zwischen selbständigen (§22 EStG 1988) und gewerblichen (§23 EStG 1988) Einkünften. Die Regelung des Art 14 iVm Art 23 Abs 1 und 2 DBA Liechtenstein führe zu einer massiven Begünstigung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Wörtlich führt der Verwaltungsgerichtshof dazu aus (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"In seinem Erkenntnis vom , G151/06, VfSlg 18030, hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass die Grenzen zwischen den betrieblichen Einkunftsarten, speziell diejenigen zwischen den Einkünften aus Gewerbebetrieb und den Einkünften aus selbständiger Arbeit, fließend und oft zufällig geworden sind und dass sich das betriebswirtschaftliche Umfeld freiberuflicher Tätigkeiten dem von Gewerbebetrieben stark angenähert hat. Unter diesen Umständen sei die Beschränkung einer Begünstigung von der Art, wie sie § 11a EStG 1988 einräume, auf die Bezieher von Einkünften aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft unter generellem Ausschluss bilanzierender Bezieher von Einkünften aus selbständiger Arbeit sachlich nicht zu rechtfertigen.

Im hier vorliegenden Fall begründet die Regelung des Art 14 iVm Art 23 Abs 1 und 2 DBA eine Begünstigung der Bezieher von Einkünften aus selbständiger Arbeit, da diese Einkünfte in Österreich von der Besteuerung (mit Progressionsvorbehalt) ausgenommen sind, während bei Unternehmensgewinnen lediglich die in Liechtenstein gezahlte Steuer angerechnet wird. Dass die Einkommensbesteuerung in Liechtenstein außerordentlich niedrig ist, muss als notorisch angenommen werden. Das Abkommen erreicht daher eine massive Begünstigung für Einkünfte aus selbständiger Arbeit: Unterliegen die Einkünfte – als Einkünfte aus selbständiger Arbeit – der Befreiungsmethode, so ergibt sich (wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich ist) für die vom Mitbeteiligten 2005 in Liechtenstein erzielten Einkünfte ('total steuerpflichtiger Erwerb' von 95.161 CHF abzüglich Versicherungsbeiträge) von 79.081 CHF (50.611,84 €) eine Steuerbelastung (unter Berücksichtigung weiterer steuerfreier Beträge; 'Total Landes- und Gemeindesteuer'; Steuer-Rechnung der Gemeinde Eschen vom ) von 2.881,05 CHF (gemessen an den Einkünften also etwa 3,6%). Unterliegen die Einkünfte hingegen als Unternehmensgewinne der Anrechnungsmethode, so ergibt sich (nach dem Bescheid des Finanzamtes vom ) eine Belastung dieser Einkünfte mit einer Einkommensteuer von insgesamt 16.915,26 € (also etwa 33,4%).

Wie ebenfalls der vorliegende Fall zeigt, sind die Grenzen zwischen selbständiger Tätigkeit (hier als Werbeschriftsteller; vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 83/13/0082, VwSlg. 5903 F) und gewerblicher Tätigkeit (Verfassung von Manuskripten für Inserate, Prospekte oder sonstige Werbemittel; PR-Berater; vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 82/13/40, ÖStZB 1983, 162, und vom , 91/13/0201) fließend."

Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis VfSlg 12.326/1990 (zu Art 24 Abs 3 des österreichisch-portugiesischen Doppelbesteuerungsabkommens) verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass Art 14 DBA Liechtenstein dem Wortlaut des OECD-Musterabkommens 1963 folge, seit 2000 aber nicht mehr dem internationalen Standard entspreche. Wörtlich führt der Verwaltungsgerichtshof dazu aus:

"[I]n der Fassung des Musterabkommens 1977 entfiel der Hinweis in Absatz 1 auf die 'ähnliche Art' (vgl. hiezu Philipp/Loukota/Jirousek, aaO, Z 14: 'bloß klarstellend'). Durch die Revision 2000 wurde sodann Art 14 des Musterabkommens ersatzlos entfernt. Begründend wurde hiezu ausgeführt, es bestünden keine beabsichtigten Unterschiede zwischen der Konzeption der Betriebsstätte im Sinn von Art 7 und der festen Einrichtung im Sinn von Art 14 oder zwischen der Gewinnermittlung und der Steuerberechnung nach Art 7 und 14. Hinzu komme, dass nicht immer Klarheit darüber bestanden habe, welche Aktivitäten unter Art 7 und welche unter Art 14 fielen. Als Folge der Streichung von Art 14 fielen Einkünfte aus freiberuflichen Leistungen und aus anderen Aktivitäten selbständiger Art als Unternehmensgewinne unter Art 7 (vgl. neuerlich Philipp/Loukota/Jirousek, aaO, Anm. 4).

Es hat sich also ein internationaler Standard herausgebildet, im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen nicht mehr zwischen 'selbständigen' und 'gewerblichen' Einkünften zu unterscheiden.

Insbesondere ist aber nicht ersichtlich, dass es einem internationalen Standard entsprechen würde, eine unterschiedliche Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden, je nachdem, ob es sich um gewerbliche oder selbständige Einkünfte handelt, auch wenn das OECD-Musterabkommen in Art 23A die Befreiungsmethode und in Art 23B die Anrechnungsmethode vorsieht, wobei beide Methoden auch miteinander kombiniert werden können (vgl. insbesondere Anmerkung 31 zum OECD-Musterabkommen). Eine differenzierte Anwendung auf gewerbliche Einkünfte einerseits und selbständige Einkünfte anderseits erscheint aber – auch vor dem Hintergrund der Aufhebung des Art 14 OECD-Musterabkommen – als ungewöhnlich. Überdies erfolgt eine derartige Differenzierung auch nicht in jenem Fall, in dem in Liechtenstein ansässige Personen Einkünfte beziehen, die in Österreich besteuert werden: Art 23 Abs 3 DBA sieht insoweit grundsätzlich die Befreiungsmethode vor; nach Art 23 Abs 4 DBA ist hingegen die Anrechnungsmethode nur für jene Einkünfte vorgesehen, die nach den Art 10, 11, 12 und 15 Abs 4 DBA in Österreich besteuert werden dürfen. Gewerbliche (Art7 DBA) und selbständige Einkünfte (Art14 DBA), die eine in Liechtenstein ansässige Person bezieht, werden demnach in Liechtenstein einheitlich nach der Befreiungsmethode behandelt."

Zur Bedeutung des OECD-Musterabkommens bringt der Verwaltungsgerichtshof wörtlich Folgendes vor (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"Die Orientierung am OECD-Musterabkommen entspricht internationalen Gepflogenheiten des Ausverhandelns von Doppelbesteuerungsabkommen. Das OECD-Musterabkommen sieht einerseits die Anrechnungsmethode vor und andererseits die Befreiungsmethode. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Zweifel, dass von Verfassungs wegen die Möglichkeit sowohl für Doppelbesteuerungsabkommen nach der Anrechnungsmethode wie auch für Doppelbesteuerungsabkommen nach der Befreiungsmethode offen steht.

Das OECD-Musterabkommen selbst schlägt allerdings nur entweder Art 23A oder (nur) Art 23B vor, also (im Wesentlichen, vgl. aber Art 23A Abs 2 OECD-Musterabkommen: gesonderte Behandlung von Dividenden und Zinsen) nicht die Kombination der Anrechnungs- und der Befreiungsmethode innerhalb eines Abkommens. Auch wenn nach der bereits oben erwähnten Anmerkung 31 zum Musterabkommen die Vertragsstaaten auch beide Methoden kombinieren können, so muss nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs eine derartige Kombination behutsam und mit Bedacht vorgenommen werden (vgl. hiezu auch die in der genannten Anmerkung angeführten Beispiele). Es bedarf jeweils einer sachlichen Rechtfertigung, wenn Österreich innerhalb eines Abkommens eine Kombination zwischen den beiden Methoden wählt, um dadurch eine konkrete Gruppe aus den in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen in einem nicht nur untergeordneten Ausmaß zu privilegieren. Dies insbesondere dann, wenn der andere Verhandlungspartner des Abkommens (hier also Liechtenstein) für seine Unternehmer eine Kombination aus Anrechnungs- und Befreiungsmethode gerade nicht will.

Insbesondere der Umstand, dass in Bezug auf die in Liechtenstein ansässigen Steuerpflichtigen das Abkommen keine unterschiedlichen Rechtsfolgen in Bezug auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorsieht, zeigt auf, dass Österreich die Ungleichbehandlung seiner Bürger nicht im Verhandlungsweg 'aufgezwungen' worden ist. Die Ungleichbehandlung zwischen Unternehmern mit Einkünften aus Gewerbebetrieb einerseits und solchen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit andererseits geht auf eine freie Entscheidung der österreichischen Seite (des Bundes beim Abschluss des Staatsvertrages, des Nationalrates bei der nach Art 50 Abs 1 B VG erforderlichen Genehmigung) zurück.

Würde im originär innerstaatlichen Recht eine fundamental unterschiedliche Einkommensteuerbelastung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf der einen Seite und Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf der anderen Seite normiert, stünde dies im Konflikt mit dem den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot des Art 7 Abs 1 B VG, weil Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zwischen den Beziehern dieser beiden Arten von betrieblichen Einkünften nicht bestehen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs kann nichts anderes gelten, wenn sich die Ungleichbehandlung aus generell abstrakten Normen in gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträgen iSd Art 50 Abs 1 B VG ergibt. Von Verfassungs wegen ist es nicht möglich, einen Verstoß gegen Art 7 Abs 1 B VG durch den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens zu immunisieren."

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes könne eine vergleichende Betrachtung zwischen zwei in Österreich in der Nähe der Grenze zu Liechtenstein ansässigen Unternehmern, die jeweils die Betriebsstätte ihrer unternehmerischen Tätigkeit (Annahme: ihre einzige Einkunftsquelle) jenseits der Grenze in Liechtenstein errichtet haben, gezogen werden. Dabei sei auf den notorischen Umstand Bedacht zu nehmen (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen),

"dass die Einkommensteuerbelastung in Liechtenstein stets auffällig niedriger ist als jene in Österreich. Es sei angenommen, dass die beiden Unternehmer Gewinne gleicher Höhe erzielen und solcherart ein gleiches Ausmaß an 'Leistungsfähigkeit' aufweisen. Aus der österreichischen Rechtslage einschließlich des DBA ergibt sich: Wird der Gewinn des Unternehmers den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet, so unterliegt er der Besteuerung nach dem österreichischen Einkommensteuertarif des § 33 Abs 1 EStG 1988 (im vorliegenden Fall: Steuerbelastung etwa 33%). Wird der Gewinn des Unternehmers den Einkünften aus selbständiger Arbeit zugeordnet, kommt nicht der österreichische Einkommensteuertarif des § 33 Abs 1 EStG 1988 zur Anwendung, sondern die schonende Liechtensteinische Besteuerung (im vorliegenden Fall etwa 3,6%).

Die Einkommensteuer ist auf die Besteuerung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ausgerichtet. Die einkommensteuerliche Ungleichbehandlung von Unternehmern mit Einkünften aus selbständiger Arbeit einerseits und von Unternehmern mit Einkünften aus Gewerbebetrieb andererseits bedarf somit einer sachlichen Rechtfertigung, die der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die aus dem DBA-Liechtenstein resultierenden Rechtsfolgen nicht erkennen kann.

Für Aktiveinkünfte steht nach dem DBA-Liechtenstein die Anrechnungsmethode im Vordergrund (vgl. den Diskussionsbeitrag von M. Lang in SWI 2009, 442 ff [443]: 'Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum bei sonst genereller Anwendung der Anrechnungsmethode im DBA mit Liechtenstein nur für Einkünfte nach Art 14 die Befreiungsmethode vereinbart wurde'). Das OECD-Musterabkommen sieht einen Art 14 (selbständige Arbeit) nicht mehr vor.

Der Sitz der Verfassungswidrigkeit befindet sich daher in Art 14 DBA: Wäre diese Bestimmung nicht (mehr) anzuwenden, wären die bisher diesem Artikel unterliegenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit – in Übereinstimmung mit dem internationalen Standard – ebenso wie gewerbliche Einkünfte dem Art 7 DBA (Unternehmensgewinne) zu subsumieren, sodass diese Einkünfte ebenfalls nach Art 23 Abs 2 DBA nach der Anrechnungsmethode zu behandeln wären."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes ob der Verfassungskonformität des Art 14 DBA Liechtenstein entgegentritt und die Abweisung des Antrages beantragt. Wörtlich führt die Bundesregierung dazu Folgendes aus (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"[3.1.] Der bloße Empfehlungscharakter des OECD-Musterabkommens

Was die Differenzierung zwischen betrieblichen und freiberuflichen Einkünften betrifft, sei zunächst darauf hingewiesen, dass die dem derzeitigen OECD-Musterabkommen entsprechende Zusammenführung der ehemals getrennten Verteilungsnormen für gewerbliche und freiberufliche Einkünfte in den Art 7 DBA (Unternehmensgewinne) erst im Zuge der Revision des Musterabkommens aus 2000 erfolgte. (Vgl. Model Tax Convention on Income and on Capital [Full Version] – OECD 2012, C[14]-1.) Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des geltenden DBA mit Liechtenstein entsprach diese Differenzierung der üblichen Vertragspraxis. Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass das UN-Musterabkommen auch in seiner geltenden Fassung (United Nations Model Double Taxation Convention between Developed and Developing Countries, United Nations, New York, 2011.) Art 14 weiterhin als Musterverteilungsnorm für Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorsieht, was zur Folge hat, dass Liechtenstein als UN-Mitgliedstaat die Beibehaltung des bestehenden Art 14 DBA nicht per se verwehrt werden kann, zumal Liechtenstein kein Mitgliedstaat der OECD ist und daher auch nicht das bei OECD-Mitgliedstaaten naheliegende Argument der vorrangigen Bindung an das Muster der OECD ins Treffen geführt werden kann. Das bestehende österreichische DBA-Netzwerk enthält darüber hinaus eine Vielzahl von älteren Abkommen, die nach wie vor eine dem Art 14 gleichlautende Regelung als spezielle Verteilungsnorm für Einkünfte aus selbständiger Arbeit enthalten, da es schon aus Kapazitätsgründen nicht möglich erscheint, ein umfangreiches Abkommensnetzwerk wie jenes Österreichs lediglich unter diesem Gesichtspunkt einer Totalrevision zu unterziehen. Der Weiterbestand von Art 14 im geltenden DBA-Liechtenstein kann daher nicht als ungewöhnlich angesehen werden, zumal das Musterabkommen nur Empfehlungscharakter (Vgl. Recommendation of the OECD Council concerning the Model Tax Convention on Income and on Capital vom , Model Tax Convention on Income and on Capital [Full Version] – OECD 2012, Appendix II, A-37 f.) hat und die Vertragsstaaten völkerrechtlich nicht gehindert sind, in ihren bilateralen steuerrechtlichen Beziehungen vom Muster abzuweichen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es auch nicht mehr erforderlich, näher auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Bedeutung des 'internationalen Standards' (Der VwGH verweist in diesem Zusammenhang auf VfSlg 12.326/1990 [zu Art 24 des DBA zwischen Österreich und Portugal], wonach es im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers liege, die in Art 24 conv. cit. normierte Gleichbehandlung nur in Fällen zu gewähren, für die sich ein internationaler Standard herausgebildet habe.) bei der Vertragsgestaltung einzugehen, zumal, wie bereits ausgeführt, das DBA-Liechtenstein hinsichtlich der Wahl der Verteilungsnormen dem im Jahr 1969 maßgeblich gewesenen Standard entspricht und Österreich im Zuge der Abkommensrevision 2013 sowohl die ab 2000 dem neuen Vertragsstandard entsprechende Vereinigung beider Verteilungsnormen zu einem einzigen Artikel über Unternehmensgewinne (Art7) als auch die einheitliche Anwendung der Anrechnungsmethode vorgeschlagen hat, was aber von Liechtenstein verweigert wurde.

[3.2.] Doppelbesteuerungsabkommen als Ergebnis völkerrechtlicher Kompromisse

Der Verwaltungsgerichtshof schließt aus dem Umstand, dass für in Liechtenstein ansässige Steuerpflichtige generell die Methode der Steuerbefreiung vorgesehen ist, dass Österreich die Ungleichbehandlung seiner Bürger nicht im Verhandlungsweg 'aufgezwungen' worden sei. Was die Wahl der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im DBA-Liechtenstein betrifft, ist es zunächst erforderlich, auf die Geschichte der Abkommensabschlüsse mit Liechtenstein näher einzugehen.

Im Vorgängerabkommen zum geltenden DBA mit Liechtenstein vom , BGBl Nr 214/1956, das in der Hauptsache nach dem Muster des österreichisch-schweizerischen Abkommens vom , BGBl Nr 251/1954, abgefasst war (Vgl. Watzke/Pollak/Philipp, Internationales Steuerrecht [1964] 288.), wurde bereits eine Differenzierung der Verteilungsnormen hinsichtlich gewerblicher Unternehmen (Art4) und freier Berufe (Art6) getroffen, wobei allerdings durch das Schlussprotokoll zu den Artikeln 2 – 9 entsprechend dem dort vorgesehenen System der ausschließlichen 'Quellenzuteilung' für beide Arten von Einkünften die Methode der Steuerfreistellung vorgesehen war. Auf Grund des Steuergefälles zwischen den beiden Vertragsstaaten ist dieses Abkommen aber zweckentfremdet dazu ausgenützt worden, durch Errichtung von Betrieben oder Betriebstätten in Liechtenstein der österreichischen Besteuerung auszuweichen. Österreich sah sich schließlich genötigt, den diesbezüglichen Teil II des Abkommens per Ende 1968 zu kündigen. (BGBl Nr 325/1968. Loukota, DBA-Liechtenstein auf de[m] Prüfstand des Verfassungsgerichtshofes, SWI 2014/1 [in Druck].) Im unmittelbar nach der Kündigung neu abgeschlossenen Abkommen vom , BGBl Nr 24/1971, das noch heute in Geltung steht, wurde versucht, die entstandenen erheblichen Steuerausfälle durch den Umstieg auf die Anrechnungsmethode zu korrigieren. Liechtenstein, das aus verständlichen Gründen für seine Ansässigen die generelle Methode der Steuerbefreiung wählte (Angesichts des generell niedrigeren Steuerniveaus in Liechtenstein hätte die Wahl der Anrechnungsmethode in Liechtenstein generell zum Ergebnis der Steuerfreistellung geführt, sodass aus der Sicht Liechtensteins schon aus Gründen der Verwaltungsökonomie die Befreiungsmethode der Anrechnungsmethode vorzuziehen war.), war aber, vermutlich im Hinblick auf die Erhaltung seiner Standortqualität, nicht bereit, Österreich den generellen Umstieg auf die Methode der Steueranrechnung zuzugestehen. Als Kompromiss wurde daher lediglich bei gewerblichen Einkünften, bei denen die größten Steuerausfälle zu korrigieren waren, dem Wunsch Österreichs auf Anwendung der Anrechnungsmethode nachgegeben. Im Gegenzug hat Österreich im Bereich der Freiberufler nachgegeben. (Loukota, aaO.)

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, wonach 'Österreich die Ungleichbehandlung seiner Bürger nicht im Verhandlungsweg aufgezwungen worden' sei, decken sich daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht mit der historischen Entstehungsgeschichte des Zustandekommens dieses Regelungssystems. Ein ähnliches Ergebnis erbrachten im Übrigen die Revisionsverhandlungen zum DBA-Liechtenstein aus dem Jahr 2013 (Vgl. Abänderungsprotokoll vom , BGBl III Nr 302/2013.), bei denen Liechtenstein ebenfalls einer von Österreich ursprünglich vorgeschlagenen generellen Methodenumstellung auf die Steueranrechnungsmethode die Zustimmung verweigerte.

Ferner wird aus der Sicht der Bundesregierung im Antrag des Verwaltungsgerichtshofes einem grundsätzlichen völkerrechtlichen Aspekt bei der Verhandlung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen keine ausreichende Beachtung geschenkt. Da das Musterabkommen der OECD im Gegensatz zu den Richtlinien der EU eine bloße Empfehlung an die Mitgliedstaaten darstellt, entspricht es der internationalen Verhandlungspraxis, dass seitens der Vertragsparteien entsprechend ihrer nationalen DBA-Politik Sonderwünsche, die vom Musterabkommen der OECD abweichen, vorgebracht werden. (Jirousek, Anmerkungen zur DBA-Politik Österreichs: eine Replik, SWI 2012, 157 [158]) Es entspricht daher nicht der Realität, dass Verhandlungen in der unkritischen Annahme standardisierter Vertragsmuster bestehen. Vielmehr gilt es regelmäßig, teils unterschiedliche, auf nationale Musterabkommen zurück zu führende Sonderwünsche aufeinander abzustimmen. Die generelle Ablehnung solcher Abweichungen vom OECD-Musterabkommen durch eine Vertragspartei würde zu einem Verhandlungsstillstand und in weiterer Folge zum Scheitern von Verhandlungen führen. Ein Doppelbesteuerungsabkommen setzt sich daher im Regelfall aus einer Summe von Kompromisslösungen zusammen, die ein gemeinsames und ausgewogenes Ganzes bilden. Wird nachträglich von einer Vertragspartei einseitig etwa in Form eines treaty override eine bestimmte Vertragsbestimmung nicht mehr oder nicht in der ursprünglich vereinbarten Weise angewendet, gerät das Gesamtgefüge des Abkommens aus den Fugen und wird im Regelfall zu Retorsionsmaßnahmen der anderen Vertragspartei führen. Dies muss sinngemäß auch für den Fall gelten, dass eine Bestimmung des Abkommens vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig festgestellt wird. In diesem Fall ist das DBA von den zu seiner Vollziehung berufenen Organen des betroffenen Staates nicht mehr anzuwenden, ohne dass der andere Staat an diese Feststellung freilich gebunden wäre. Damit wird idR der völkerrechtliche Grundsatz 'pacta sunt servanda' verletzt, nämlich dann, wenn eine der beiden Vertragsparteien nicht mehr in der Lage ist, die in der als verfassungswidrig festgestellten Norm enthaltenen Verpflichtungen gegenüber der anderen Vertragspartei zu erfüllen.

Liechtenstein würde es zu Recht als Völkerrechtsverletzung ansehen, wenn Österreich künftig ein Besteuerungsrecht an den Gewinnen einer in Liechtenstein gelegenen festen Einrichtung eines in Österreich ansässigen Freiberuflers ausübt. Durch die damit bedingte Hochschleusung der Besteuerung der Gewinne auf das Steuerniveau Österreichs wird die Konkurrenzsituation des Freiberuflers im Vergleich zu anderen Marktanbietern auf dem liechtensteinischen Markt empfindlich verschlechtert, was zur Schließung der Betriebe führen könnte. Es kann daher angesichts der von Liechtenstein vertretenen rechtspolitischen Haltung bei den bisherigen Vertragsverhandlungen damit gerechnet werden, dass sich Liechtenstein gegen eine solche Maßnahme zur Wehr setzen und auf Neuverhandlungen des Abkommens beharren wird. Dabei könnte sich Liechtenstein sogar auf die Argumente im Antrag des Verwaltungsgerichtshofes stützen und entsprechend den Empfehlungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Vereinheitlichung der Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auch auf Steuerfreistellung gewerblicher Gewinne drängen, womit wieder jener Zustand einträte, der seinerzeit zur Kündigung des alten DBA mit Liechtenstein geführt hat."

Anschließend hebt die Bundesregierung den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei völkerrechtlichen Verträgen hervor und geht auf die im Antrag zitierte verfassungsgerichtliche Judikatur näher ein. Die Anwendung der Anrechnungsmethode auch für freiberufliche Einkünfte sei – wie bereits ausgeführt – an der Durchsetzbarkeit gegenüber dem Vertragspartner gescheitert. Wörtlich heißt es (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"[…] Obzwar die (mangelnde) Durchsetzbarkeit in Verhandlungen für sich allein nicht schon als Rechtfertigungsgrund für eine allfällige Verletzung der Gleichbehandlung angesehen werden kann, müssen die Abkommensverhandler auch Kompromisse eingehen und dadurch möglicherweise Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen. Die Frage ist dann, ob die jeweiligen Ungleichbehandlungen im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind. (Vgl. hierzu nochmals Abschnitt II.3.2. sowie Aigner , Der Gleichheitsgrundsatz und die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat, in Lang/Schuch/Staringer [Hrsg.] Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat [2005] 174 f.) Mit der Entwicklung der Wirtschaftsrealitäten der letzten Jahre sind die Spielräume des Gesetzgebers in den Augen des Verfassungsgerichtshofes offenbar enger und die von ihm anzustellende Vergleichbarkeitsprüfung strenger geworden. (Sutter, SWI 2013, 514 [517].) Im auch vom Verwaltungsgerichthof zitierten Erkenntnis VfSlg 18.030/2006 hat der Verfassungsgerichtshof zur Frage der Verfassungskonformität der differenzierenden Behandlung von Beziehern bestimmter Arten von Einkünften in § 11a EStG 1988 ausgeführt, 'dass die Grenzen zwischen den betrieblichen Einkunftsarten, speziell diejenigen zwischen den Einkünften aus Gewerbebetrieb und den Einkünften aus selbständiger Arbeit, fließend und oft zufällig geworden sind und dass sich das betriebswirtschaftliche Umfeld freiberuflicher Tätigkeiten dem von Gewerbebetrieben stark angenähert hat'. Unter diesen Umständen sei 'die Beschränkung einer Begünstigung von der Art, wie sie § 11a EStG 1988 einräumt, auf die Bezieher von Einkünften aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft unter generellem Ausschluss bilanzierender Bezieher von Einkünften aus selbständiger Arbeit sachlich nicht zu rechtfertigen'. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zielte somit im gegebenen Zusammenhang darauf ab zu vermeiden, dass bilanzierenden Beziehern von Einkünften aus selbständiger Arbeit im Jahr 2007 als einziger Gruppe von Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften jegliche steuerliche Begünstigung der Eigenkapitalbildung verwehrt geblieben wäre. Dafür erblickte der Gerichtshof keine sachliche Rechtfertigung.

Diese Entscheidung kann nach Auffassung der Bundesregierung bereits auf Grund des unterschiedlichen sachlichen Umfelds nicht automatisch auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei völkerrechtlichen Verträgen hinsichtlich der Wahl von Verteilungsnormen oder der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung umgelegt werden, zumal der Verfassungsgerichtshof im o.z. Erkenntnis ja auch nicht bezweifelt hat, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei stünde, für die verschiedenen Einkunftsarten des EStG auch spezifische Regelungen zu treffen. (Vgl. auch Loukota, aaO.) Unter Berücksichtigung des […] Umstandes, dass durch die Verwendung der spezifischen Verteilungsnorm für freiberufliche Einkünfte noch höhere Steuerausfälle verhindert werden konnten, kann aus der Sicht der Bundesregierung jedenfalls kein Hinweis darauf erblickt werden, dass im DBA-Liechtenstein der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht verfassungskonform genutzt worden wäre. Vielmehr erscheinen nach Auffassung der Bundesregierung die in Prüfung gezogene Regelung und die damit zusammenhängende unterschiedliche steuerliche Berücksichtigung je nach Einkunftsart dadurch sachlich gerechtfertigt. Nach Ansicht der Bundesregierung erscheint es auch bedenklich, den Umstand des Steuergefälles zwischen Österreich und Liechtenstein und die durch die Methodenwahl bedingte ungleiche Höhe der Besteuerung als Auslöser einer potentiellen Verfassungswidrigkeit anzusehen. Wäre dies tatsächlich so, müsste die Befreiungsmethode generell als potentiell verfassungswidrig angesehen werden, da es im Anwendungsbereich dieser Methode nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Quellenstaat das ihm zugewiesene Besteuerungsrecht nach Abschluss des Vertrags entweder nicht ausübt, zB im Fall von dauernden oder temporären Steuerbefreiungen (tax holidays) oder bei Einführung spezieller begünstigender Steuerregimes für bestimmte Branchen. Verfolgt man die vom Verwaltungsgerichtshof zu Grunde gelegte Argumentationsschiene könnten durch Rechtsänderungen im innerstaatlichen Recht des Quellenstaats nachträglich dauernde oder zumindest vorübergehende Verfassungswidrigkeiten bewirkt werden, nämlich dann, wenn einzelne Steuerpflichtige durch Maßnahmen des innerstaatlichen Rechts des Quellenstaats in den Genuss innerstaatlicher Steuervorteile kämen, die anderen Steuerpflichtigen desselben Staats verwehrt bleiben. (In diesem Sinne auch Loukota, aaO.) Somit läge es grundsätzlich in der Hand des Quellenstaats, im Fall von Abkommen mit Befreiungsmethode Verfassungswidrigkeiten in der Besteuerung des Ansässigkeitsstaats auszulösen. Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, dass eine solche Auslegung des Steuervertragsrechts zu erheblicher Rechtsunsicherheit für Investoren führen würde und sich damit als standortschädlich erwiese.

Im gegebenen Zusammenhang sollte auch nicht übersehen werden, dass auch in anderen Bereichen der durch das Musterabkommen der OECD geprägten Bestimmungen von Doppelbesteuerungsabkommen innerhalb derselben Einkunftsart unterschiedliche Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zur Anwendung kommen können, wie beispielsweise im Bereich von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Dienste der Hoheitsverwaltung eines der beiden Vertragsstaaten. Hier wird in nahezu allen bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen ungeachtet der im Fall von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit generell zur Anwendung kommenden Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Grund der Spezialnorm des Art 19 das ausschließliche Besteuerungsrecht an den sog. Kassenstaat zugeteilt, was unter bestimmten Umständen im Fall von Niedrigsteuerländern zu den gleichen Steuerbelastungsdifferenzen führen kann wie in dem der Vorlage zu Grunde liegenden Fall. Da die Verteilungsnorm des Art 19 OECD-Musterabkommen auf Regelungen in älteren zweiseitigen Abkommen zurückgehen, die seinerzeit geschaffen worden waren, um den Regeln internationaler Courtoisie und gegenseitiger Achtung souveräner Staaten Rechnung zu tragen (Vgl. Z 1 des Kommentars zu Art 19 OECD-MA.), wurde deren Beseitigung im Musterabkommen der OECD nie ernsthaft angedacht."

Zusammenfassend kommt die Bundesregierung daher zum Schluss,

"dass die Behauptungen des Verwaltungsgerichtshofes, soweit sich diese auf das Zustandekommen der Verhandlungsergebnisse beziehen, teilweise auf unzutreffenden Annahmen beruhen und dass die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen hinsichtlich der vermuteten Verfassungswidrigkeit des Art 14 DBA [Liechtenstein] deshalb nicht zutreffen. Nach Ansicht der Bundesregierung liegt die unterschiedliche Behandlung der Einkünfte gemäß Art 7 bzw. 14 [des DBA Liechtenstein] im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

, und ist daher Art 14 dieses Abkommens nicht verfassungswidrig."

II. Rechtslage

Die hier maßgeblichen Vorschriften des – mit Genehmigung des Nationalrates abgeschlossenen – DBA Liechtenstein, BGBl 24/1971, lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Artikel 3

ALLGEMEINE DEFINITIONEN

(1) […]

(2) Bei Anwendung des Abkommens durch einen Vertragstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, welche Gegenstand des Abkommens sind.

[…]

Artikel 7

UNTERNEHMENSGEWINNE

(1) Gewinne eines Unternehmens eines Vertragstaates dürfen nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt. Übt das Unternehmen seine Tätigkeit in dieser Weise aus, so dürfen die Gewinne des Unternehmens in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebstätte zugerechnet werden können.

(2) – (7) […]

[…]

Artikel 14

SELBSTÄNDIGE ARBEIT

(1) Einkünfte, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt. Verfügt sie über eine solche feste Einrichtung, so dürfen die Einkünfte in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.

(2) Der Ausdruck 'freier Beruf' umfaßt insbesondere die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische oder unterrichtende Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten und Wirtschaftstreuhänder.

[…]

Artikel 23

METHODEN ZUR VERMEIDUNG DER DOPPELBESTEUERUNG

(1) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in Liechtenstein besteuert werden, so nimmt Österreich, vorbehaltlich des Absatzes 2, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; Österreich darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

(2) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte, die nach den Artikeln 7, 10, 11, 12, 13 Absatz 2, 15 und 16 in Liechtenstein besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in Liechtenstein gezahlten Steuer entspricht. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die Einkünfte entfällt, die aus Liechtenstein bezogen werden.

(3) Bezieht eine in Liechtenstein ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in Österreich besteuert werden, so nimmt Liechtenstein, vorbehaltlich des Absatzes 4, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; Liechtenstein darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

(4) Bezieht eine in Liechtenstein ansässige Person Einkünfte, die nach den Artikeln 10, 11, 12 und 15 Absatz 4 in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Liechtenstein auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in Österreich gezahlten Steuer entspricht. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die Einkünfte entfällt, die aus Österreich bezogen werden."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art 140a B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Dabei ist auf die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge sowie auf Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, Art 140 B VG, auf alle anderen Staatsverträge Art 139 B VG sinngemäß anzuwenden.

Bei dem vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen DBA Liechtenstein handelt es sich um einen gemäß Art 50 Abs 1 B VG idF BGBl 59/1964 vom Nationalrat genehmigten Staatsvertrag. Auf dessen Prüfung nach Art 140a B VG ist somit Art 140 B VG sinngemäß anzuwenden.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B VG bzw. des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Der Verwaltungsgerichtshof beantragt die Feststellung, dass (der gesamte Wortlaut des) Art 14 DBA Liechtenstein verfassungswidrig ist. Diese Vorschrift regelt in Abs 1 die Verteilung der Besteuerungsrechte für Einkünfte aus freien Berufen und sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art und enthält in Abs 2 eine Definition des Ausdrucks "freier Beruf". Inhaltlich wendet sich der Verwaltungsgerichtshof dagegen, dass für Unternehmensgewinne und Einkünfte aus selbständiger Arbeit unterschiedliche Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden seien: Die Vorschrift des Art 23 Abs 1 DBA Liechtenstein sehe für Einkünfte aus selbständiger Arbeit iSd Art 14 DBA Liechtenstein eines in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen mit fester Einrichtung in Liechtenstein die Befreiungsmethode vor (womit das Besteuerungsrecht an solchen Einkünften Liechtenstein zustehe), wogegen für Unternehmensgewinne gemäß Art 23 Abs 2 die Anrechnungsmethode zur Anwendung gelange (womit in diesen Fällen Österreich das Besteuerungsrecht zustehe). Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die einer in Liechtenstein gelegenen festen Einrichtung zuzurechnen seien, seien somit unsachlich privilegiert gegenüber Unternehmensgewinnen, die in einer in Liechtenstein gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen seien. Da die Vorschrift des Art 14 DBA Liechtenstein seit der Revision des OECD-Musterabkommens 2000 keinem internationalen Standard entspreche, liege der Sitz der Verfassungswidrigkeit nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in Art 14 DBA Liechtenstein, denn wäre diese Vorschrift nicht anwendbar, wären die Einkünfte aus selbständiger Arbeit unter Art 7 DBA Liechtenstein (Unternehmensgewinne) zu subsumieren, für die nach Art 23 Abs 2 DBA Liechtenstein die Anrechnungsmethode zur Anwendung gelange.

Es ist im Hinblick auf die vom Verwaltungsgerichtshof dargelegten Überlegungen jedenfalls denkmöglich, dass er Art 14 DBA Liechtenstein in der angefochtenen Fassung in dem dem Antrag zugrunde liegenden Verfahren anzuwenden hat.

1.3. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einzelne Bestimmungen eines Staatsvertrages anfechtbar (VfSlg 19.750/2013). Dies wird durch die Vorschrift des § 66 Z 2 VfGG bestätigt, wonach das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auszusprechen hat, ob der gesamte Inhalt des Staatsvertrages oder nur bestimmte Stellen unanwendbar sind.

Vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens erweist sich jedenfalls Art 14 Abs 1 DBA Liechtenstein, der die Verteilung der Besteuerungsrechte für Einkünfte aus selbständiger Arbeit regelt, als zulässiger Anfechtungsgegenstand. Die Nichtanwendung des Art 14 Abs 1 DBA Liechtenstein bewirkt, dass die nach geltender Rechtslage unter diese Bestimmung zu subsumierenden Einkünfte im Wege der Auslegung des Abkommens als Unternehmensgewinne der Regelung des Art 7 DBA Liechtenstein zu unterstellen wären ( Lang , Doppelbesteuerungsabkommen und Gleichheitsgrundsatz, SWI 2014, 58 [71]), womit auch für diese Einkünfte aus selbständiger Arbeit die Anrechnungsmethode anzuwenden wäre. Mit dieser Bestimmung steht Art 14 Abs 2 DBA Liechtenstein in einem untrennbaren Zusammenhang.

1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Antrag somit als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Auf Grund der sinngemäßen Anwendung des Art 140 B VG in diesem Verfahren nach Art 140a B VG hat sich der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung des vorliegenden Antrages auf die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken zu beschränken.

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof begründet die Verfassungswidrigkeit des Art 14 DBA Liechtenstein zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass die Grenzziehung zwischen gewerblichen und selbständigen Einkünften fließend sei und die Vorschrift iVm Art 23 Abs 1 und 2 DBA Liechtenstein zu einer Begünstigung der Bezieher von Einkünften aus selbständiger Arbeit gegenüber den Beziehern von Unternehmensgewinnen führe, die nicht dem internationalen Standard entspreche. Da Art 14 des OECD-Musterabkommens durch die Revision 2000 ersatzlos entfernt worden sei, bestehe ein internationaler Standard, wonach im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen nicht mehr zwischen selbständigen und gewerblichen Einkünften zu unterscheiden sei. Insbesondere sei es aber nicht ersichtlich, dass es einem internationalen Standard entsprechen würde, für selbständige und gewerbliche Einkünfte eine unterschiedliche Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden. Eine differenzierte Anwendung der Methoden sei ungewöhnlich, zumal Liechtenstein gewerbliche und selbständige Einkünfte einheitlich nach der Befreiungsmethode behandle.

Der Verwaltungsgerichtshof geht ferner davon aus, dass eine Kombination der Anrechnungs- und der Befreiungsmethode innerhalb eines Abkommens einer sachlichen Rechtfertigung bedürfe, wenn diese vom Vertragstaat gewählt würde, um eine Gruppe von Steuerpflichtigen in einem nicht untergeordneten Ausmaß zu privilegieren. Dies insbesondere dann, wenn der andere Verhandlungspartner des Abkommens (im gegebenen Fall Liechtenstein) für seine Unternehmer eine solche Kombination gerade nicht wolle. Die Ungleichbehandlung zwischen Unternehmern mit Einkünften aus Gewerbebetrieb und solchen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit gehe auf eine freie Entscheidung der österreichischen Seite zurück. Sie führe zu fundamental unterschiedlichen Einkommensteuerbelastungen dieser Einkünfte, die – würde sie im innerstaatlichen Recht normiert – mit dem Gleichheitsgebot des Art 7 Abs 1 B VG in Konflikt stünde. Nichts anderes könne nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes gelten, wenn sich die Ungleichbehandlung aus generell abstrakten Normen in gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträgen iSd Art 50 Abs 1 B VG ergibt. Von Verfassungs wegen sei es nicht möglich, einen Verstoß gegen Art 7 Abs 1 B VG durch Abschluss eines DBA zu immunisieren. Die Ungleichbehandlung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung, die der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die aus dem DBA Liechtenstein resultierenden Rechtsfolgen nicht erkennen könne.

2.3. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht begründet.

2.3.1. Doppelbesteuerungsabkommen sind – idR bilaterale – völkerrechtliche Verträge, in denen die Vertragspartner innerhalb des persönlichen und des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Vertragstaaten mit dem Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung regeln. Zu den zentralen Bestimmungen jedes Doppelbesteuerungsabkommens zählen Regelungen, welche die Zuteilung der Besteuerungsrechte festlegen (Verteilungsnormen). Diese bestimmen für die jeweiligen im Abkommen angeführten Einkünfte, ob der jeweilige Vertragstaat völkerrechtlich berechtigt ist, einen innerstaatlich bestehenden Besteuerungsanspruch durchzusetzen, oder ob er nach diesem Vertrag verpflichtet ist, auf den innerstaatlich bestehenden Anspruch zu verzichten.

Das DBA Liechtenstein sieht in diesem Zusammenhang sowohl für Unternehmensgewinne (Art7) wie auch für selbständige Einkünfte (Art14) vor, dass das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zukommt und der andere Vertragstaat (Quellenstaat) ein Besteuerungsrecht nur insoweit hat, als die Einkünfte einer im anderen Vertragstaat gelegenen Betriebsstätte bzw. einer festen Einrichtung zugerechnet werden können.

Für jene Fälle, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen in einer Verteilungsnorm dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht einräumt, bestimmen die Methodenartikel eines Doppelbesteuerungsabkommens, nach welcher Methode die Vermeidung der Doppelbesteuerung zu erfolgen hat. Hiebei kommen grundsätzlich zwei Methoden in Betracht: Nach der Befreiungsmethode verzichtet der Ansässigkeitsstaat auf die Besteuerung der im Quellenstaat erzielten Einkünfte unter Progressionsvorbehalt; nach der Anrechnungsmethode werden die im Quellenstaat erzielten Einkünfte vom Ansässigkeitsstaat unter Anrechnung der im Quellenstaat erhobenen Steuer belastet. Welche der beiden Methoden zur Anwendung gelangt, richtet sich nach der völkerrechtlichen Vereinbarung der betroffenen Staaten.

Art23 Abs 1 des DBA Liechtenstein sieht als Ausgangsregelung für eine in Österreich ansässige Person die Befreiungsmethode vor: Soweit Einkünfte nach dem Abkommen in Liechtenstein besteuert werden, nimmt Österreich diese Einkünfte von der Besteuerung aus. Für Unternehmensgewinne wird in Art 23 Abs 2 DBA Liechtenstein die Anrechnungsmethode vorgesehen, nach der Österreich die in Liechtenstein für dort steuerpflichtige Einkünfte bezahlte Steuer auf die in Österreich einzuhebende Steuer anrechnet. Für Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die ein in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger in Liechtenstein im Rahmen einer dort gelegenen festen Einrichtung erzielt, kommt somit die Befreiungsmethode zur Anwendung. Während Unternehmensgewinne unter Anrechnung der in Liechtenstein bezahlten Steuer in Österreich besteuert werden, unterliegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit (lediglich) der – vergleichsweise weit geringeren – Besteuerung in Liechtenstein.

2.3.2. Soweit der Verwaltungsgerichtshof seinen Antrag zunächst damit begründet, dass die Grenzen zwischen selbständiger Tätigkeit und gewerblicher Tätigkeit fließend seien und sich ein internationaler Standard herausgebildet habe, wonach im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen nicht mehr zwischen selbständigen und gewerblichen Einkünften zu unterscheiden sei, ist Folgendes festzuhalten:

Abgesehen davon, dass für Liechtenstein als Mitglied der Vereinten Nationen, das nicht der OECD angehört, auch das Musterabkommen der Vereinten Nationen in Betracht zu ziehen ist und dieses in der zuletzt beschlossenen Fassung aus 2011 weiter an der Unterscheidung zwischen selbständigen Einkünften (Art14 UN-Musterabkommen) und Unternehmensgewinnen (Art7 UN-Musterabkommen) festhält, kann aus dem vom Verwaltungsgerichtshof ins Treffen geführten Erkenntnis VfSlg 12.326/1990 keinesfalls abgeleitet werden, dass eine Regelung schon deshalb verfassungswidrig sei, weil sie keinem internationalen Standard entspreche. Selbst wenn daher die Annahme des Verwaltungsgerichtshofes zuträfe, dass die betreffenden Regelungen des DBA Liechtenstein keinem internationalen Standard entsprechen, folgt allein aus diesem Umstand noch nicht, dass die Regelungen gegen den Gleichheitssatz des Art 7 B VG verstoßen.

2.3.3. Wenn der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Methodenkombination für Unternehmensgewinne und Einkünfte aus selbständiger Arbeit meint, dass es einer sachlichen Rechtfertigung bedürfe, wenn innerhalb eines Abkommens von einem Vertragstaat eine Kombination zwischen den beiden Methoden gewählt würde, um dadurch eine Gruppe in einem nicht nur untergeordneten Ausmaß zu privilegieren, und er eine solche Rechtfertigung nicht zu erkennen vermag, ist Folgendes zu berücksichtigen:

Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es dem Gesetzgeber frei steht, für die verschiedenen Einkunftsarten des EStG 1988 auch spezifische Regelungen zu treffen, wenn diese jeweils sachlich gerechtfertigt sind (VfSlg 18.030/2006). Eine solche Rechtfertigung liegt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall vor.

Die Anrechnungsmethode wurde für in Liechtenstein gelegenen Betriebsstätten zuzurechnende Unternehmensgewinne mit dem Abkommen vom , BGBl 24/1971, in Abänderung der bis dahin geltenden Rechtslage eingeführt, um Steuergestaltungen vorzubeugen. Das Vorläufer-DBA vom , BGBl 214/1956, sah für diese Einkünfte die Befreiungsmethode vor. Der Abschnitt II dieses Vorläufer-Abkommens war von Österreich mit Wirkung ab aufgekündigt worden, um dem "zu beobachtenden erheblich ansteigenden Trend zu Einkommens- und Vermögensverlagerungen aus Österreich nach Liechtenstein" entgegenzuwirken (vgl. EB zur RV19 BlgNR 12. GP, 11). Mit dem unmittelbar nach der Kündigung neu abgeschlossenen Abkommen vom , BGBl 24/1971, das noch heute in Geltung steht, sollte einerseits den wirtschaftlichen Interessen beider Länder Rechnung getragen werden, zugleich aber durch eine Reihe von Bestimmungen der Anreiz zu Einkommens- und Vermögensverlagerungen, die vom Abkommen ausgehen können, beseitigt und die missbräuchliche Inanspruchnahme der Abkommensvorteile ausgeschaltet werden. Als eine dieser Maßnahmen wurde für verschiedene Einkünfte, darunter auch für Unternehmensgewinne, nicht aber für jene aus selbständiger Arbeit, in Art 23 Abs 2 DBA Liechtenstein die Anrechnungsmethode vorgesehen.

Unter Berücksichtigung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bei der Methodenwahl wäre die Beibehaltung der Befreiungsmethode für Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus der Sicht des Gleichheitssatzes dann bedenklich, wenn die Gründe, die für die Wahl der Anrechnungsmethode bei den Unternehmensgewinnen ausschlaggebend gewesen sind, in vergleichbarer Weise für selbständige Einkünfte zuträfen. Dies wird vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Antrag aber nicht ins Treffen geführt und ist auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht der Fall:

Selbständige Einkünfte unterscheiden sich von den gewerblichen Einkünften – ungeachtet des Umstandes, dass die Abgrenzung zwischen diesen Einkunftsarten in Randbereichen fließend ist – jedenfalls darin, dass die einkünfteerzielende Tätigkeit vom Steuerpflichtigen im Regelfall persönlich unter Einsatz – zum Teil auch berufsrechtlich verankerter – besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt wird. Dies ist auch für den Bedeutungsinhalt des Art 14 DBA Liechtenstein zu beachten (vgl. auch Lang , Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, 1991, 83). Das Besteuerungsrecht des anderen Staates für solche Einkünfte erfordert neben dem Vorliegen einer festen Einrichtung, dass diese Einkünfte der festen Einrichtung zuzurechnen sind, womit die persönlich ausgeübte Tätigkeit auch funktional dieser Einrichtung zuzuordnen sein muss.

Vor diesem Hintergrund treffen aber die für die Wahl der Anrechnungsmethode maßgebenden Gründe, einer zu beobachtenden Einkünfteverlagerung entgegenzuwirken, für Einkünfte aus selbständiger Arbeit – nach wie vor – nicht in vergleichbarer Weise zu, da Einkünfte aus selbständiger Arbeit – jedenfalls in einer Durchschnittsbetrachtung – nur innerhalb enger Grenzen verlagert werden können.

Während im Fall von Tätigkeiten, die zu Unternehmensgewinnen führen, die bloße Verlagerung bestimmter betriebswirtschaftlicher Funktionen unter Einsatz von Personal und sachlicher Ressourcen in eine im Quellenstaat gelegene Betriebsstätte zur Verlagerung von Einkünften führt, erfordert die Verlagerung selbständiger Einkünfte, dass die zu Einkünften führende persönliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen der im Quellenstaat gelegenen Einrichtung zuzurechnen ist, was im Regelfall voraussetzt, dass die Tätigkeit vom Steuerpflichtigen nicht nur persönlich im Quellenstaat auszuüben ist, sondern dieser auch funktional zuzurechnen sein muss. Dies zeigt auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum DBA Liechtenstein, die für die Frage einer Zurechnung der selbständigen Einkünfte eines in Österreich ansässigen Wirtschaftstreuhänders zu einer festen Einrichtung in Liechtenstein einen strengen Maßstab angelegt und Feststellungen darüber für erforderlich erachtet hat, ob und von wo aus der Steuerpflichtige seine in Österreich ansässigen Klienten betreut und wo der im Auftrag der Klienten abzuwickelnde Kontakt mit den österreichischen Behörden stattfindet ().

2.3.4. Dem Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht gefolgt werden, wenn er aus der mit Blick auf eine Investitionsbegünstigung zur Stärkung des Eigenkapitals gebotenen Gleichbehandlung von – nur fließend abgrenzbaren – selbständigen und gewerblichen Einkünften ableitet, dass für die betreffenden Einkünfte eine Verankerung unterschiedlicher Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sachlich nicht gerechtfertigt sei. Der Gesetzgeber verletzt den Gleichheitssatz nicht, wenn er mit der Zielsetzung, Einkünfteverlagerungen vorzubeugen, im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes für Unternehmensgewinne die Anrechnungsmethode verankert und für in dieser Hinsicht in einer Durchschnittsbetrachtung nicht vergleichbare selbständige Einkünfte weiterhin die Befreiungsmethode vorsieht.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:SV2.2013