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VfGH vom 16.03.2013, SV2/12

VfGH vom 16.03.2013, SV2/12

19750

Leitsatz

Abweisung der Anträge der Kärntner Landesregierung auf Feststellung der Rechts- bzw Verfassungswidrigkeit des ESM-Vertrags samt Auslegungserklärung, in eventu einzelner seiner Bestimmungen; vorgebrachte Bedenken betreffend eine Unionsrechtswidrigkeit sowie Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, das Gebot eines nachhaltig geordneten Haushalts, den Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltungsführung als auch der Überschreitung des verfassungsgesetzlich zulässigen Maßes der Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf internationale Organe nicht zutreffend; Auslegungserklärung nicht als gesetzesändernd oder gesetzesergänzend zu qualifizieren; innerstaatliche Genehmigung des Nationalrates daher nicht erforderlich

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antragsvorbringen, Vorverfahren und mündliche Verhandlung

1. Die Kärntner Landesregierung beantragt, gemäß Art 140a B-VG festzustellen,

"dass

1. der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland, BGBI. III Nr 138/2012, samt der 'Auslegungserklärung' der Vertreter der Vertragsparteien vom , BGBI. III Nr 138/2012, zur Gänze rechts- bzw. verfassungswidrig ist,

2. in eventu: dass

a) Art 5 Abs 6 litb und die Wortfolge '..., sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt' in Art 8 Abs 2 letzter Satz des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

und/oder

b) Art 9 Abs 2 und 3 und die Wortfolge '..., der nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 3 abgerufen wird' in Art 25 Abs 1 litc sowie Art 25 Abs 2 und 3 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

oder in eventu:

Art9 Abs 2 und die Wortfolge '2 oder' in Art 25 Abs 2 erster Satz des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

oder in eventu:

Art9 Abs 3 und die Wortfolge '..., der nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 3 abgerufen wird' in Art 25 Abs 1 litc sowie die Wortfolge 'oder 3' in Art 25 Abs 2 erster Satz des Vertrags zur Einrichtung des EuropäischenStabilitätsmechanismus

und/oder

c) die Wortfolge 'und beschließen, sie zu ändern' in Art 19 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

und/oder

d) Art 25 Abs 2 und 3 […] des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

und/oder

e) die Wortfolge 'der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats,' in Art 35 Abs 1 und die Wortfolge 'des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats,' in Art 35 Abs 2 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

und/oder

f) die Wortfolge 'und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden' in Art 32 Abs 5 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

und/oder

g) die Wortfolge 'Mitglieder und' in Art 34 erster Satz des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

und/oder

h) die 'Auslegungserklärung' der Vertreter der Vertragsparteien vom , BGBl III Nr 138/2012,

rechts- bzw. verfassungswidrig ist."

2. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation verweist die Kärntner Landesregierung auf Art 140a iVm Art 140 Abs 1 zweiter Satz B-VG und Art 139 Abs 1 zweiter Satz B VG und darauf, dass der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden: ESMV) als gesetzesrangiger Staatsvertrag im Bundesgesetzblatt unter BGBl III 138/2012 kundgemacht und am in Kraft getreten ist.

3.1. In der Sache begründet die Kärntner Landesregierung ihren Hauptantrag wie folgt (Zitat ohne Hervorhebungen im Original):

"[…] Zu den Verfassungsmäßigkeitsbedenken:

1. Zum Antrag auf Feststellung, dass der gegenständliche Staatsvertrag samt 'Auslegungserklärung' zur Gänze rechts- bzw. verfassungswidrig ist:

1.a.) Bedenken zur Transformation der 'Auslegungserklärung'

In der mit BGBl III Nr 138/2012 erfolgten Kundmachung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden kurz: ESMV) wird nach einleitender Promulgationsklausel der Genehmigungsbeschluss des Nationalrates gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG, der Beschluss zur Sonderkundmachung anderer Sprachfassungen dieses Staatsvertrages gemäß Art 49 Abs 2 B-VG und der Vertragstext in deutscher Sprachfassung verlautbart. In der Kundmachung wird in weiterer Folge über das Datum der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch die Republik Österreich, über das In-Kraft-Treten des Staatsvertrages und darüber informiert, welche anderen Vertragsparteien nach Mitteilung des Generalsekretärs des Rates der Europäischen Union den gegenständlichen Staatsvertrag ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben. Im Anschluss an diese Informationen wird vor Fertigung der Kundmachung Folgendes verlautbart:

'Ferner haben die Vertreter der Vertragsparteien, die am in Brüssel zusammengetreten sind, folgende Auslegungserklärung vereinbart:

Art8 Abs 5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden 'Vertrag') begrenzt sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt.

Art32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 des Vertrages stehen der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen.

Die oben genannten Punkte stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein.'

Der Text dieser — im Gefolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland vom (BVerfG, 2 BvR 1390/12) — von den Vertretern der Vertragsparteien des ESMV am vereinbarten 'Auslegungserklärung' war naturgemäß noch nicht Inhalt der Regierungsvorlage (1731 BlgStenProtNR XXIV.GP) und damit nicht Gegenstand der Beschlussfassung des Nationalrates am bzw. des Bundesrates am . Allerdings wurde dieses Dokument nachträglich keiner parlamentarischen Genehmigung gemäß Art 50 B-VG zugeführt, sondern ohne Genehmigung in dem am ausgegebenen Bundesgesetzblatt unter einem mit dem ESMV verlautbart.

Dass der 'Auslegungserklärung' jedenfalls völkerrechtliche Relevanz zukommt, wird durch folgende Umstände belegt: Mit E-Mail vom , das im Wege der Verbindungsstelle der Bundesländer den Landesamtsdirektoren zur Kenntnis gebracht wurde, teilte die Ständige Vertretung Österreichs bei der EU mit, dass in einer Sitzung der Vertreter der ESM-Vertragsparteien die in der Beilage angeschlossene Erklärung ohne Diskussion angenommen worden sei. Als Beilage war ein Ratsdokument vom angeschlossen, in dem u.a. Folgendes ausgeführt wird:

'On 14 September, the Eurogroup agreed, that the parties to the Treaty could, as a follow-up to the above mentioned judgement [Anmerkung: das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom betreffend Vereinbarkeit des Ratifikationsgesetzes zum ESMV mit der Verfassung], adopt a declaration interpreting how certain provisions of the Treaty should be applied once it enters into force, the elements of which constitute an essential basis for the consent of the contracting States to be bound by the provisions of the Treaty. The Presidency will, on behalf of all Parties, notify accordingly the General Secretariat of the Council in its quality of the Depositary of the Treaty.'

Im genannten Ratsdokument ist in der Folge der vorbereitete Text der Erklärung in den einzelnen Vertragssprachen wiedergegeben, wobei auffällt, dass — sieht man von einem anderen Datum des Treffens ab — die Erklärung mit dem Satz eingeleitet wird, dass die Vertreter der Vertragsparteien des ESMV 'agree on the following interpretative declaration' ('vereinbaren folgende Auslegungserklärung'). Danach folgt der im Bundesgesetzblatt wiedergegebene Text mit dem bemerkenswerten Schlusssatz, die Erklärungspunkte zu Art 8 Abs 5, Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 [ESMV] […] 'stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein.'

Damit ist die Intention ersichtlich, der im erwähnten Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts aufgenommenen Maßgabe Rechnung zu tragen, dass der [ESMV] [...] nur ratifiziert werden darf,

'wenn zugleich völkerrechtlich sichergestellt wird, dass

[…] die Regelung des Artikel 8 Absatz 5 Satz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus diesem Vertrag der Höhe nach auf die in Anhang Il des Vertrages genannte Summe in dem Sinne begrenzt, dass keine Vorschrift dieses Vertrages so ausgelegt werden kann, dass für die Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung des deutschen Vertreters höhere Zahlungsverpflichtungen begründet werden;

[…] die Regelungen der Artikel 32 Absatz 5, Artikel 34 und Artikel 35 Absatz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht der umfassenden Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates entgegenstehen.'

In der Begründung führte das Bundesverfassungsgericht aus, die Bundesrepublik Deutschland müsse 'deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie an den ESM-Vertrag insgesamt nicht gebunden sein kann, falls sich der von ihr geltend gemachte Vorbehalt als unwirksam erweisen sollte' (vgl. BVerfG, 2 BvR 1390/12, Abs 253 und 259).

Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass die 'Auslegungserklärung' auf einer Vereinbarung der Vertragsparteien beruht und ihr — unter dem Eindruck des Urteils des Bundesverfassungsgerichts — besondere völkerrechtliche Relevanz für die Auslegung und Anwendung des ESMV beigemessen wird, ja die Bindung an den ESMV und damit das Schicksal dieses Vertrages von der Beachtung der Erklärungspunkte abhängig gemacht werden. Die Vertragsstaaten haben damit die 'Auslegungserklärung' in einen untrennbaren Zusammenhang mit dem ESMV gestellt.

Angesichts ihrer völkerrechtlichen Beachtlichkeit erscheint daher befremdlich, dass die 'Auslegungserklärung', die ebenfalls von der Republik Österreich mitgetragen wird, ohne parlamentarische Genehmigung abgegeben ('vereinbart') und innerstaatlich nicht einer ordnungsgemäßen Transformation gemäß Art 50 B-VG unterzogen wurde. Dies widerspricht der herrschenden Staatspraxis zu Art 50 B-VG, wie sie sonst im Fall von völkerrechtlichen Vorbehalten bzw. interpretativen Erklärungen üblicherweise eingehalten wird. Zu dieser Praxis führen Cede/Brand (Der völkerrechtliche Vertrag — Ein Leitfaden für die österreichische Praxis, Occasional Paper der Diplomatischen Akademie, 2/1997, S. 15) im Einzelnen aus:

'In Österreich erfahren Vorbehalte und interpretative Erklärungen innerstaatlich dasselbe rechtliche Schicksal wie der betreffende Vertrag selbst. Vorbehalte oder interpretative Erklärungen, die Österreich anlässlich der Ratifikation eines multilateralen Übereinkommens abzugeben beabsichtigt, werden verfahrensmäßig in der gleichen Weise wie der Vertrag, auf den sie Bezug haben, behandelt. Bei Staatsverträgen gemäß Art 50 B-VG werden allfällige Vorbehalte oder interpretative Erklärungen zusammen mit dem Übereinkommen dem parlamentarischen Genehmigungsverfahren unterzogen. In aller Regel genehmigt das Parlament die ihm geschäftsordnungsgemäß übermittelten völkerrechtlichen Instrumente pauschal und vorbehaltslos. Von dieser Staatspraxis wurde jedoch in seltenen Einzelfällen abgewichen, in denen der Nationalrat beispielsweise die von der Bundesregierung vorgeschlagenen interpretativen Erklärungen in Vorbehalte umgeändert hat. Dies erfolgte etwa im Rahmen des Genehmigungsverfahrens der Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen vom über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) und nichtinternationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II) (BGBl Nr 527/1982).'

Unter der Prämisse, dass ein Staatsvertrag nach Art 50 B-VG eine parlamentarische Rechtssatzform darstellt erachtet es Öhlinger für folgerichtig, einseitige völkerrechtliche Rechtsgeschäfte, die in einem formalen Zusammenhang mit einem Staatsvertrag stehen (wie etwa Vorbehalte und interpretative Erklärungen), als 'Akte der Modifikation eines parlamentarisch genehmigten bzw. zu genehmigenden Staatsvertrages ebenfalls der parlamentarischen Genehmigung zu unterwerfen. Dies impliziert die Subsumtion solcher Akte unter den Staatsvertragsbegriff des B-VG' (vgl. Öhlinger, in: Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, zu Art 50 B-VG, Rz 14). lm Hinblick auf die Gleichstellung der gesetzeskoordinierten Staatsverträge mit den formellen Bundesgesetzen gehe die österreichische Praxis — so Öhlinger — nicht nur verfassungsrechtlich korrekt von der parlamentarischen Genehmigungsbedürftigkeit eines Vorbehalts aus, sondern auch davon, dass der Nationalrat einen Vorbehalt abändern und sogar auf seine Initiative hin beschließen dürfe (a.a.O., Rz 101).

In Bezug auf die gemeinsame Abgabe der gegenständlichen 'Auslegungserklärung' durch die Vertreter der Vertragsparteien vom wurde — wie oben dargestellt — unter Missachtung bundesverfassungsrechtlicher Erfordernisse (Genehmigung des Nationalrates unter Mitwirkung des Bundesrates nach Art 50 B-VG) die parlamentarische Genehmigung und damit die Einhaltung einer innerstaatlichen Erzeugungsbedingung unterlassen. Da die 'Auslegungserklärung' den Inhalt des gesetzesrangigen ESMV modifiziert (Anwendung des Art 8 Abs 5 [ESMV] [...] zur Begrenzung sämtlicher Zahlungsverpflichtungen, so auch aus Art 25 Abs 2 erster Satz ESMV; Begründung einer Ausnahme in Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 ESMV zugunsten der umfassenden Unterrichtung nationaler Parlamente; beachte untenstehende Ausführungen unter Pkt. 2.d. und 2.f. und g.) kann ferner davon ausgegangen werden, dass diese — nicht gesetzeskoordinierte (mithin verordnungsrangige) — Erklärung (schlicht) gesetzwidrig ist (vgl. Öhlinger, a.a.O. Rz 60). Ferner erscheint die Kundmachung der 'Auslegungserklärung' im BGBI. III Nr 138/2012 nach Art 49 Abs 2 B-VG verfassungswidrig, weil sie, obschon nicht parlamentarisch genehmigt, unter einem mit dem nach Art 50 Abs 1 B-VG genehmigten ESMV unter dem gemeinsamen 'Kopf' der Promulgationsklausel und dem unter Z 1 wiedergegebenen Genehmigungsbeschluss des Nationalrates gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG verlautbart worden ist; zum anderen auch deshalb, weil für die anderen Sprachfassungen der bloß in deutscher Sprache verlautbarten 'Auslegungserklärung' eine Beschlussfassung über die Sonderkundmachung gemäß Art 49 Abs 2 zweiter Satz B-VG — entgegen dem Wortlaut des im 'Kopf' unter Z 2 wiedergegebenen Beschlusses des Nationalrates — unterblieben ist.

Da die 'Auslegungserklärung' ausdrücklich 'vereinbart' wurde und nicht im Sinne des Art 2 Abs 1 litd WVK in Form einer einseitigen Erklärung bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder beim Beitritt abgegeben wurde, liegt es nahe, in diesem Dokument eine Zusatzvereinbarung zum ESMV zu erblicken, die mit diesem in einem inhaltlich untrennbaren Zusammenhang steht. Erklärtermaßen bilden die materiellen Punkte der 'Auslegungserklärung' eine 'wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragschließenden Staaten [...], durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein.' Unter (impliziter) Bezugnahme auf die 'clausula rebus sic stantibus' als Grund zur Beendigung des ESMV gemäß Art 62 Abs 1 lita des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge [WVK], BGBI. 40/1980, ist damit zum Ausdruck gebracht worden, dass die völkerrechtliche Bindungswirkung des gesamten ESMV mit den inhaltlichen Maßgaben der 'Auslegungserklärung' stehen und fallen solle (nach Art 44 Abs 2 WVK kann ein nach der WVK anerkannter Grund dafür, einen Vertrag u.a. zu beenden, grundsätzlich nur hinsichtlich des gesamten Vertrages geltend gemacht werden). Aus diesen Gründen wird im Licht der oben dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken beantragt, die Rechtswidrigkeit des gesamten Transformats (ESMV samt 'Auslegungserklärung') festzustellen.

1.b.) Bedenken betreffend den Staatsvertragsinhalt als solchen

In einer Presseaussendung vom , veröffentlicht auf der Homepagedes Bundespräsidenten, führte Bundespräsident Dr. Heinz Fischer Folgendes aus […]:

'Bundespräsident Dr. Heinz Fischer hat heute am auf Basis der einschlägigen Bestimmungen der Österreichischen Bundesverfassung und nach sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte die von der Bundesregierung und vom Parlament genehmigten Staatsverträge betreffend den sogenannten Fiskalpakt und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ratifiziert.

Überzeugende oder gar zwingende , Gründe, die im Sinne , der herrschenden Staatsrechtslehre eine Verweigerung der Ratifizierung erforderlich machen würden, nämlich offenkundige Verfassungswidrigkeit in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht, liegen nicht vor.

Außerdem ist darauf zu verweisen, dass eine von der Opposition gewünschte und in Vorbereitung befindliche Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof nur dann möglich ist, wenn der Bundespräsident das Ratifikationsverfahren durch seine Unterschrift abgeschlossen hat.

In diesem Zusammenhang muss auch auf einen gravierenden Unterschied der Rechtlage zwischen Deutschland und Österreich hingewiesen werden: Ein Vorgehen wie in Deutschland, wonach der Bundespräsident eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes abwartet, ist in Österreich nicht möglich, weil der Bundespräsident in Deutschland mit der Ratifizierung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes warten kann, während in . Österreich die Ratifizierung durch den Bundespräsidenten die Voraussetzung für eine Befassung des Verfassungsgerichtshofes ist.

Der Bundespräsident hält darüber hinaus eine Verstärkung der finanzpolitischen Zusammenarbeit zwischen den Euro-Staaten für unverzichtbar, um die Krise zu überwinden und die europäische Wirtschaft aus ihrer schwierigen Situation herauszuführen.'

In einer Begründung zu dieser Aussendung wird unter anderem Folgendes ausgeführt […]:

[…] Die beiden nunmehr dem österreichischen Bundespräsidenten zur Ratifizierung vorliegenden Verträge über Fiskalpakt und ESM sind Staatsverträge, die zwischen den genannten 25 bzw. 17 europäischen Staaten abgeschlossen wurden. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Bundespräsident bei der Entscheidung über die Ratifizierung eines Staatsvertrages — analog zur Regelung über die Beurkundung von Bundesgesetzen in Art 47 Abs 1 B-VG — auch zur Prüfung der Frage verpflichtet ist, ob dieser verfassungsmäßig zustande gekommen ist.

[…]

Eine offenkundige Verfassungswidrigkeit im Sinne der herrschenden Lehre liegt nicht vor. Es gibt bisher auch keine einschlägige Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes. Entsprechend der herrschenden Lehre liegt daher kein Grund vor, der eine Verweigerung der Ratifizierung rechtfertigen würde.

[...]

Zum verfassungsmäßigen Zustandekommen des ESM wurden seitens der Staatsrechtslehrer, die sich zum Fiskalpakt geäußert haben, keine ins Gewicht fallenden Bedenken geäußert und die Mehrheit im Parlament war in Folge der Zustimmung der Grünen Parlamentsfraktion wesentlich größer. Auch bei der Überprüfung durch die Präsidentschaftskanzlei sind keine entsprechenden Bedenken hervorgekommen.'

Dieses Kommuniqué lässt darauf schließen, dass der Bundespräsident als das nach Art 65 Abs 1 erster Satz B-VG staatsvertragsabschlussbefugte Organ — wohl auf Grund eines Missverständnisses dieser Zuständigkeit und offenbar in Verwechslung mit der Funktion der Beurkundung im Verfahren der Bundesgesetzgebung nach Art 47 Abs 1 B-VG — nur eine Art Grobprüfung auf 'offenkundige' Verfassungswidrigkeiten vorgenommen hat und sich, da er solche nicht zu erkennen vermochte, gar zur Ratifikation des ESMV verhalten gesehen hat. Damit hat der Bundespräsident den ESMV ratifiziert, ohne dabei von der ihm zukommenden Befugnis Gebrauch zu machen, im Staatsvertragsabschlussverfahren (nicht offenkundige) Verfassungswidrigkeiten aufzugreifen und einen bestimmten Staatsvertrag entgegen einem Vorschlag nach Art 67 Abs 1 B-VG eben nicht abzuschließen.

(Verfassungs)rechtliche Bedenken gegen den ESMV in seiner Gesamtheit ergeben sich aus Sicht der antragstellenden Landesregierung unter folgenden Aspekten:

Bedenken im Lichte des Unionsrechts und zur Wahl des Transformationsverfahrens

Der ESMV modifiziert die sog. 'No-Bail-out-Klausel' des Art 125 Abs 1 zweiter Satz AEUV, die ein unmittelbar anwendbares Verbot beinhaltet und nach ihrer Entstehungsgeschichte sowie ihrem Sinn und Zweck die Mitgliedstaaten zu einer disziplinierten Haushaltsführung anhalten soll (vgl. Rodi in: Vedder/Heintschel von Heinegg [Hrsg], Europäisches Unionsrecht1 [2012] Art 125 AEUV Rz 1; gleichsinnig etwa Faßbender, NVwZ2010, 800; Kube/Reimer, NJW 2010, 1911 ff.; Hentschelmann, Finanzhilfen im Lichte der No Bailout-Klausel — Eigenverantwortung und Solidarität in der Währungsunion, EuR 2001, 282 ff.). Nach dieser Bestimmung haftet ein Mitgliedstaat nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderer öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; eine Ausnahme ist nur für eine — hier nicht einschlägige — 'gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens' statuiert.

Mit — auf Art 48 Abs 6 EUV gestütztem — Beschluss des Europäischen Rates vom zur Änderung von Art 136 AEUV, ABI. Nr L 91 vom , S. 1, wird dem Art 136 AEUV ein eigener Abs 3 angefügt, nach dem die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einen Stabilitätsmechanismus einrichten können, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren; die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen. Dieser Beschluss, der nach seinem Art 2 erst nach Zustimmung der Mitgliedsstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft treten wird, gehört gegenwärtig noch nicht formell dem Rechtsbestand an (und wurde bislang auch nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht).

Der künftige Art 136 Abs 3 AEUV mag nach seinem Inkrafttreten allenfalls als unionsrechtliche lex specialis zum Grundsatz der Refinanzierung öffentlicher Defizite über den Kapitalmarkt und insbesondere zum erwähnten 'Bail-out-Verbot' gelten. Im Zeitpunkt der parlamentarischen Genehmigung und Ratifikation des ESMV kam dieser Bestimmung mitnichten primärrechtlicher Charakter zu. Überdies liegt die Annahme nahe, im ESMV einen völkerrechtlichen Vertrag zur 'Ergänzung des unionalen Integrationsprogramms' und mithin gleichsam 'völkerrechtliches Ersatzunionsrecht' (vgl. zu diesen Zitaten BVerfG, 2 BvR 1390/12, Rz 257) zu erblicken. Hiefür sprechen der enge förmliche Konnex zu Titel Vlll AEUV (Wirtschafts- und Währungspolitik) sowie die intensive Einbeziehung von Unionsorganen in die Vollziehung des ESMV. Unter Zugrundelegung einer materiellen Betrachtungsweise wäre es daher angezeigt gewesen, im ESMV einen Staatsvertrag zu erblicken, durch den die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden (Art50 Abs 1 Z 2 B-VG), und ihn somit nach den besonderen Quoren gemäß Art 50 Abs 4 B-VG zu behandeln. Dies ist jedoch nicht geschehen. Stattdessen hat das Parlament den ESMV lediglich als einen Staatsvertrag nach Art 50 Abs 1 Z 1 und Abs 3 B-VG behandelt; es scheint sich damit bei der Wahl des Transformationsverfahrens in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise vergriffen zu haben.

Ungeachtet der genannten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Transformation wirft der ESMV im Licht des künftigen Art 136 Abs 3 AEUV einige unionsrechtliche Fragen auf. So wird eine Ausnahme zum 'Bail-out-Verbot' des Art 125 AEUV nicht explizit zugelassen, obschon der ESM demgegenüber als 'permanenter Stabilitätsmechanismus, der maroden Staaten systematisch unter die Arme greift' (so Cl. Mayer, JRP 2012, 124), eingerichtet wird.

Ferner spricht Art 136 Abs 3 AEUV abstrakt von einem 'Stabilitätsmechanismus', der aktiviert werden solle, 'wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro Währungsgebiets insgesamt zu wahren.' Im Unterschied dazu fällt etwa auf, dass Art 3 und Art 12 Abs 1 ESMV ausdrücklich die Zwecksetzung verfolgen, nicht nur die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren, sondern auch die seiner Mitgliedstaaten. Im Übrigen muss der Kreis der nach Art 12 Abs 1 ESMV begünstigten ESM-Mitglieder nicht mit jenem der Euro-Mitgliedstaaten identisch sein (siehe Art 48 ESMV und den gegenwärtigen Ratifikationsstand).

Bedenken im Hinblick auf die fachlichen Grundlagen

Ratifikation und Inhalt des ESM erscheinen in mehrfacher Hinsicht unsachlich sowie im Widerspruch zu den (unmittelbar anwendbaren und bindenden) Grundsätzen der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung (Art126b Abs 5 B-VG) und zur Staatszielbestimmung des Art 13 Abs 2 B-VG betreffend einen nachhaltig geordneten Haushalt.

Die mit dem ESMV bewirkte Kapitalzeichnung der Republik Österreich in der Höhe von ca. 19,5 Mrd. Euro (siehe Anlage II ESMV) erreicht einen Wert in der Höhe von etwa 10% der gegenwärtigen Staatsverschuldung Österreichs. Da das Maß der gebotenen Sorgfalt (insbesondere die Pflicht zur detaillierten Erhebung und Aufbereitung von Entscheidungsgrundlagen; vgl. etwa VfSlg 17.161/2004) mit dem Gewicht der Entscheidung (hier also mit dem eingesetzten Vermögenswert) steigt, wären vor einer Ratifikation des ESMV umfangreiche volkswirtschaftliche Expertisen und Untersuchungen, insbesondere über Alternativen notwendig gewesen. Es ist nicht ersichtlich, dass im Vorfeld der Ratifikation des ESMV durch Österreich eine entsprechende volkswirtschaftliche Grundlagenforschung stattgefunden hätte (siehe dagegen die allgemeine Feststellung des Bundespräsidenten in seinem Kommuniqué vom , wonach eine verstärkte finanzpolitische Zusammenarbeit zwischen den Euro-Staaten 'unverzichtbar' sei).

Nach Art 3 erster Satz ESMV bezweckt der ESM, 'Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist.' Die Konstruktion des ESMV stellt allerdings nicht etwa eine Art 'Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit' dar, was man bei oberflächlicher, am Vertragswortlaut klebender Betrachtung vielleicht unterstellen könnte. Vielmehr handelt es sich um einen 'permanente[n] Stabilitätsmechanismus, der maroden Staaten systematisch unter die Arme greift' (so Cl. Mayer, JRP 2012, 124), ja gleichsam um eine 'societas leonina', innerhalb welcher (volkswirtschaftlich potente) ESM-Mitglieder, die über eine relativ solide und disziplinierte öffentliche Haushaltsführung verfügen, durch ihr 'Einstehen' zugunsten von ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, die Mobilisierung von Finanzmitteln und die Bereitstellung von Stabilitätshilfe ermöglichen sollen. In der bisherigen Entwicklung stellt der ESMV lediglich die Fortschreibung und Perpetuierung bisheriger Maßnahmen der Finanzhilfe (für Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Zypern) dar, insbesondere für Staaten, die ihrer unionsrechtlichen Verpflichtungen zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite in der Vergangenheit nicht bzw. unzulänglich nachgekommen sind (siehe Art 126 AEUV; Art 1 des Protokolls Nr 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit). Die Privilegierung eines rechtswidrig handelnden Staatenkreises, wie sie durch den ESM bewirkt wird, erscheint unsachlich und im Widerspruch zum Gleichheitssatz (vgl. analog VfSlg 14.681/1996).

Gegen die Sachlichkeit der Regelungen des ESMV spricht ferner der Umstand, dass Österreich als 'Hochsteuerland', dessen Abgabenquote rund 42 % (2011) beträgt, an einem Finanzhilfsinstrumentarium für Staaten teilnimmt, die zumindest teilweise eine erheblich niedrigere Abgabenquote bzw. eine weniger effektive Finanzverwaltung aufweisen (wie dies etwa im Falle Griechenlands notorisch ist; vgl. etwa Knopp, NVwZ2011, 1481). So liegen die Abgabenquoten dringender Kandidaten für ESM-Hilfen deutlich niedriger als jene Österreichs ([…]): Griechenland 31,6 %, Irland 28,9 %, Portugal 33,2 %, Spanien 31,1 % und Zypern 36,2 %. Mithin läuft der ESMV für die Republik Österreich letztlich darauf hinaus, mittels nationaler Abgabenerträge die Stabilitätshilfe von ESM-Mitgliedern zu finanzieren, die über eine deutlich niedrigere Abgabenquote bzw. über geringere Steuermoral verfügen.

Eine weitere systemische Unsachlichkeit des ESMV kann in der Divergenz der Belasteten- und Begünstigtenkreise erblickt werden, weil am ESM lediglich die Euro-Staaten teilnehmen, nicht jedoch andere EU-Mitglieder (wie etwa das Vereinigte Königreich) oder sonstige europäische Staaten (wie etwa die Schweiz), die von 'Rettungspaketen' zur Hintanhaltung potenzieller volkswirtschaftlicher Verwerfungen jedenfalls profitieren (man denke beispielhaft an die Schweizer Exportindustrie und britische Investmentfonds), die jedoch ihrerseits keinen Haftungsbeitrag zu leisten haben. Die Beschränkung des Kreises der Vertragsparteien des ESMV erscheint mithin grob unsachlich. Zwar wird nicht verkannt, dass souveräne Staaten nicht zu einer Mitwirkung gezwungen werden können, jedoch wäre es für Österreich naheliegend gewesen, sich nicht auf die überproportionale Übernahme von Haftungsanteilen im ESM einzulassen.

Abschluss und Inhalt des ESMV erscheinen ferner unsachlich, weil sie der Staatszielbestimmung des Art 13 Abs 2 B-VG, einen nachhaltig geordneten Haushalt anzustreben, sowie Art 126 Abs 1 AEUV und Art 1 des Protokolls (Nr 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (sog. 'Maastrichtkriterien') zuwiderlaufen. Ferner wird — schon mangels volkswirtschaftlicher Grundlagenforschung (siehe oben) — dem Gebot der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung (Art126b Abs 5 B-VG) nicht hinreichend Rechnung getragen. Österreichs Schuldenstand liegt mit 74,2 % des BIP deutlich über dem höchstzulässigen Schuldenstand von 60 % des BIP. Mit der Teilnahme am ESM und der Erfüllung der Verpflichtungen nach Art 8 Abs 4 ESMV entfernt sich Österreich noch erheblich weiter von der Grenze unionsrechtlich zulässiger Staatsverschuldung und von der verfassungsrechtlichen Zielsetzung eines nachhaltig geordneten Haushalts. Hinzu kommt die Unwägbarkeit der Nachschusspflicht gemäß Art 8 Abs 4 letzter Satz ESMV, die unter den Bedingungen des ESMV jederzeit möglich ist. Die Erfüllung dieser Verpflichtung könnte auch in eine Zeitphase fallen, in der — aus welchen Gründen auch immer — in Österreich eine außerordentliche Budgetsituation herrscht und die damit als 'Unzeit' zu qualifizieren ist. Die jederzeit mögliche Nachforderung eines kurzfristig bereitzustellenden Geldbetrages in der Höhe von 18 Mrd. Euro (gemessen am derzeitigen Bundeshaushalt sind dies ca. 30% der Bundeseinnahmen) würde offensichtlich die Nachhaltigkeit und Geordnetheit des Bundeshaushaltes gefährden.

Schließlich ist zu bedenken, dass sich der österreichische Bundesgesetzgeber — im Gefolge des Verlustes des AAA-Ratings der Ratingagentur Standard Poor's — gerade erst im Frühjahr 2012 zu einem weitreichenden 'Konsolidierungspaket 2012 — 2016' (Steuererhöhungen und Einsparungen, einschließlich der Reduktion der staatlichen Bausparförderung; vgl. 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl I Nr 22/2012, 2. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl Nr I 35/2012) veranlasst gesehen hat. Dieses 'Sparpaket' umfasst — gerechnet auf vier Jahre — ein Volumen von rund 26 Mrd. Euro. Nur wenige Monate später geht jedoch die Republik Österreich mit der Ratifikation des ESMV eine Haftungsverpflichtung in der Höhe von ca. 19,5 Mrd. Euro ein. Das skizzierte zeitliche Naheverhältnis zwischen dem 'Konsolidierungspaket 2012 — 2016', dem Verlust des AAA-Ratings sowie der Ratifikation des ESMV legen nahe, dass die Teilnahme am ESM erhebliche Gegensteuerungs maßnahmen erforderlich gemacht hat. Da sich nach dem Motivenbericht zu Art 13 Abs 2 B-VG (RV 203 BIgStenProtNR XXIII. GP, S. 5) die Staatszielbestimmung zu nachhaltig geordneten Haushalten gerade auf eine Haushaltsführung richtet, 'die mittel- bis langfristig ohne erhebliche Gegensteuerungsmaßnahmen aufrecht erhaltbar ist', wird evident, dass das Eingehen der Verpflichtungen des ESMV der Verfassungsvorgabe eines nachhaltig geordneten Haushaltes widerspricht.

Bedenken im Hinblick auf die Übertragung von Hoheitsrechten

Insbesondere folgende Hoheitsrechte werden durch den [ESMV] [...] an internationale Organe übertragen:

 der Abruf von genehmigtem, nicht eingezahltem Stammkapital gemäß Art 9 Abs 1 bis 3 ESMV (zur Sanktionierung siehe Art 4 Abs 8 ESMV);

 die Erhöhung des genehmigten Stammkapitals gemäß Art 10 ESMV und die damit verbundene Änderung von Art 8 und Anhang II ESMV;

 Delegation von Aufgaben an die Europäische Kommission im Benehmen mit der EZB (Art13 Abs 1 und 3 ESMV);

 Dispositionen über die ebenfalls durch die Republik Österreich zur Verfügung gestellten Kapitalanteile (passim; siehe insbesondere Art 13 Abs 2 und Art 14 ffESMV);

 Erlassung von Leitlinien für Modalitäten der einzelnen Finanzhilfefazilitäten (siehe die Art 14 Abs 4, 15 Abs 4, 16 Abs 4, 17 Abs 4 und 18 Abs 5 ESMV);

 Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente nach den Art 14 bis 18 ESMV (Ergänzung um nicht näher determinierte, weitere Instrumente) durch Beschluss des Gouverneursrats (siehe Art 19 ESMV);

 Überwachung der Einhaltung der Auflagen, die bei Gewährung der Finanzhilfefazilität auferlegt wurden (siehe Art 13 Abs 7 ESMV);

 der jederzeit mögliche und verbindliche revidierte erhöhte Kapitalabruf gemäß Art 25 Abs 2 ESMV;

 die Entscheidung über alle Auslegungs- und Streitfragen aus dem völkerrechtlichen Vertragsverhältnis. Hiebei sind (außerösterreichischen) zwischenstaatlichen Einrichtungen folgende Befugnisse übertragen:

o Alle Fragen der Auslegung und Anwendung des ESMV und der ESM-Satzung zwischen Österreich und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern werden dem Direktorium des ESM vorgelegt (Art37 Abs 1).

o Über Streitigkeiten betreffend die Auslegung und Anwendung des ESMV zwischen Österreich und dem ESM und/oder weiteren ESM-Mitgliedern entscheidet der Gouverneursrat (Art37 Abs 2); dies gilt gleichfalls für Streitigkeiten darüber, ob Beschlüsse von ESM-Organen mit dem ESMV vereinbar sind. Wenn solche Entscheidungen Österreich betreffen, käme Österreich im Gouverneursrat kein Stimmrecht zu (Art37 Abs 2 letzter Satz ESMV).

o Über die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des Gouverneursrats urteilt der EuGH endgültig und für die Streitparteien 'verbindlich' mit Folgeleistungspflicht (Art37 Abs 3 ESMV).

Auslegungs- und Streitbeilegungsregelungen erfassen zentrale Fragen des ESMV, wie beispielsweise die Nachschusspflicht bei Zahlungsunfähigkeit einzelner Mitglieder (Art25 Abs 2 ESMV) oder die Änderung (Ausweitung) der Finanzhilfeinstrumente des ESM (Art19 ESMV).

Mit der dargestellten Übertragung einer Vielzahl von Hoheitsrechten an internationale Organe wird das Maß 'einzelner' übertragbarer Hoheitsrechte im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG erheblich überschritten. Die Übertragung von Hoheitsrechten fällt umso mehr ins Gewicht, als der ESMV einerseits ein Austritts- oder Kündigungsrecht nicht vorsieht und andererseits einzelne der an die ESM-Organe erteilten Ermächtigungen einer inhaltlichen Determinierung entbehren und damit auf eine formatgesetzliche Delegation hinauslaufen (siehe die Eventualanträge zu Art 8 Abs 2 letzter er Setz und Art 19 ESMV). Der ESMV erscheint daher auch im Licht des Art 9 Abs 2 B-VG — und zwar mangels Herauslösbarkeit: in seiner Gesamtheit – verfassungswidrig."

3.2. Ihre Eventualanträge begründet die Kärntner Landesregierung folgendermaßen (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"a) Zum Eventualantrag, Art 5 Abs 6 litb und die Wortfolge "..., sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt' in Art 8 Abs 2 letzter Satz ESMV als verfassungswidrig festzustellen:

Während nach Art 8 Abs 2 zweiter Satz ESMV Anteile des genehmigten Stamm-kapitals am anfänglich gezeichneten Stammkapital zum Nennwert ausgegeben werden, eröffnet der letzte Satz dieser Bestimmung die Möglichkeit, andere Anteile nicht zum Nennwert, sondern zum Ausgabekurs auszugeben; dies 'unter besonderen Umständen', wenn der Gouverneursrat im gegenseitigen Einver-nehmen die Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert beschließt (Art5 Abs 6 litb ESMV).

Diese besondere Dispositionsbefugnis des Gouverneursrats kann im Extremfall dazu führen, den Haftungsrahmen der Mitgliedstaaten nach Art 8 Abs 5 erster Satz ESMV, der auf deren Anteile am Stammkapital 'zum Ausgabekurs' und nicht zum Nennwert abstellt, in extenso auszureizen, ohne dass es einer Änderung des ESMV oder einer Veränderung des genehmigten Stammkapitals nach Art 10 Abs 1 in Verbindung mit Art 5 Abs 6 litd ESMV durch einvernehmlichen Beschluss des Gouverneursrats bedürfte.

Entgegen der Vorgabe des Art 50a B-VG, wonach der Nationalrat in Angelegen-heiten des ESM mitwirkt, wird für den Fall der Beschlussfassung des Gouverneursrats nach Art 5 Abs 6 litb und Art 8 Abs 2 letzter Satz ESMV eine Mitwirkungsbefugnis des Nationalrates nicht vorgesehen, zumal die abschlie-ßend geregelten Zustimmungserfordernisse des Nationalrates nach Art 50b B-VG diesen besonderen Fall nicht berücksichtigen. In Ermangelung parlamentari-scher Informations- und Mitwirkungsbefugnisse in Bezug auf die Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen nach Art 5 Abs 6 litb und Art 8 Abs 2 letzter Satz ESMV besteht daher ein Widerspruch zu Art 50a B-VG.

Zudem erscheint die Wortfolge 'unter besonderen Umständen' in Art 8 Abs 2 letzter Satz ESMV infolge ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit im Licht des Legali-tätsprinzips (Art18 Abs 1 B-VG) verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie dem Gouverneursrat einen weitreichenden Vollzugsspielraum einräumt. Vielmehr würde eine Ausweitung der Haftungs- bzw. Zahlungspflicht der Vertragsparteien des [ESMV] [...] über die Erhöhung des Ausgabekurses einen dem Regelungsgegenstand adäquaten (strengeren) Determinierungsgrad verlangen, als er mit der bestehenden Formulierung 'unter besonderen Umständen' erreicht wird. Art 9 Abs 2 B-VG ermächtigt zwar — in Durchbrechung des Staatsorganisationsrechts — zur Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen, dispensiert jedoch nicht von den materiellen Anforderungen des österreichi-schen Verfassungsrechts, wie hier dem Legalitätsprinzip.

b) Zu den Eventualanträgen, Art 9 Abs 2 und 3 ESMV und bezughabende Wortfolgen in Art 25 Abs 1 litc und in Abs 2 sowie Abs 3 ESMV als verfas-sungswidrig festzustellen:

Neben der Befugnis des Gouverneursrats, nach Art 9 Abs 1 ESMV genehmigtes nicht eingezahltes Kapital jederzeit abzurufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung zu setzen, werden das Direktorium bzw. der Geschäftsführende Direktor nach Art 9 Abs 2 und Abs 3 ESMV er-mächtigt, genehmigtes nicht eingezahltes Kapital abzurufen.

Nach Art 9 Abs 2 ESMV kann das Direktorium genehmigtes nicht eingezahltes Kapital durch Beschluss mit einfacher Mehrheit abrufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen; dies, um die Höhe des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen, wenn diese durch das Auf-fangen von Verlusten unter den in Art 8 Abs 2 [ESMV] [...] festgelegten Betrag abgesunken ist. Nach Art 9 Abs 3 erster Satz ESMV ruft der Geschäftsführende Direktor genehmigtes nicht eingezahltes Kapital rechtzeitig ab, damit der ESM bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM nicht in Verzug gerät. ESM-Mitglieder sind nach Art 9 Abs 3 letzter Satz ESMV 'unwiderruflich und uneingeschränkt' verpflichtet, das vom Geschäftsführenden Direktor abgerufene Kapital innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.

Während der Gouverneursrat nach Art 9 Abs 1 i.V.m. Art 5 Abs 6 litc ESMV einen Kapitalabruf 'im gegenseitigen Einvernehmen' und damit im Konsens aller (stimmberechtigten) ESM-Mitglieder zu beschließen hat, können Kapitalabrufe, die nach Art 9 Abs 2 oder 3 durch das Direktorium oder den Geschäftsführen-den Direktor vorgenommen werden, auch gegen den Willen eines ESM-Mitglieds erfolgen. Ein widerstrebendes ESM-Mitglied müsste freilich seiner Zahlungsver-pflichtung nachkommen, andernfalls es nach Art 4 Abs 8 ESMV eine Aussetzung sämtlicher Stimmrechte bis zum Zahlungszeitpunkt zu gewärtigen hätte.

Die Möglichkeit, dass die Republik Österreich im Fall eines Kapitalabrufs nach Art 9 Abs 2 oder 3 ESMV unter Umständen auch gegen ihren Willen zur Einzah-lung verhalten wäre, kann dazu führen, dass die Mitwirkungsbefugnis des Nationalrates in Angelegenheiten des ESM nach Art 50a und Art 50b Z 2 B-VG leer läuft.

Die Regelung des Art 9 Abs 2 ESMV steht im Widerspruch zu Art 50a B-VG, weil infolge des Erfordernisses der einfachen Mehrheit eine Ablehnung durch den österreichischen Vertreter im Gouverneursrat — anders als im Abstimmungsver-fahren nach Art 9 Abs 1 ESMV — nicht automatisch eine positive Beschlussfassung über den Kapitalabruf verhindert, jedoch dem Nationalrat eine effektive Mitwirkung in Bezug auf eine solche Beschlussfassung verwehrt ist. Ebenso begegnet ein Kapitalabruf gemäß Art 9 Abs 3 ESMV verfassungsrechtlichen Bedenken nach Art 50a und Art 50b Z 2 B-VG, nachdem in diesem Zusammenhang nicht einmal ein Abstimmungsverfahren und damit die Mitwirkung des österreichischen Vertreters vorgesehen ist, sondern die Alleinzuständigkeit des Geschäftsführenden Direktors zum Tragen kommt. Dass der Bundesverfassungsgesetzgeber bei der Beschlussfassung der Art 50a ff. B-VG die Fallkonstellationen des Art 9 Abs 2 und 3 [ESMV] [...] stillschweigend in Kauf genommen hätte, ist nicht ersichtlich, zumal er die Mitwirkung des Nationalrates in Bezug auf Entscheidungen der Organe des ESM regeln wollte, die potenziell weitreichende Auswirkungen auf den österreichischen Bundeshaushalt haben können (vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses, 1878 d.B. StenProtNR XXIV. GP, S. 2); zudem ging er — offenbar irrtümlich — von der Prämisse aus, dass für den Kapitalabruf gemäß Art 50b Z 2 B-VG ein Dringlichkeitsabstimmungsverfahren analog zu Art 4 Abs 4 ESMV nicht vorgesehen sei (siehe a.a.O., S. 3 und 5). Nachdem für die Mitwirkung des Nationalrates in Angelegenheiten gemäß Art 9 Abs 2 und 3 [ESMV] [...] verfassungsrechtliche (Ausnahme-)Regelungen nicht vorgesehen worden sind, erscheinen die genannten staatsvertraglichen Bestimmungen mit Verfassungswidrigkeit belastet.

Die Eventualanträge beziehen sich auf jeweils bezughabende Wortfolgen in Art 25 Abs 1 litc, Art 25 Abs 2 und Abs 3 ESMV, zumal die genannten Bestimmun-gen auf Art 9 Abs 2 bzw. Abs 3 ESMV abstellen und mit diesen in einem unauflösbaren Zusammenhang stehen.

c) Zum Eventualantrag, die Wortfolge 'und beschließen, sie zu ändern' in Art 19 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:

Nach Art 19 ESMV kann der Gouverneursrat die in den Art 14 bis 18 ESMV vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern. Zu welchem Zweck, unter welchen Voraussetzungen bzw. in welcher Form die Befugnis zur Änderung des Finanzhilfeinstrumentariums stattfinden soll, bleibt im Einzelnen unbestimmt.

Art9 Abs 2 B-VG ermächtigt zwar — in Durchbrechung des Staatsorganisations-rechts — zur Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen, dispensiert jedoch nicht von den materiellen Anforderungen des österreichischen Verfassungsrechts, wie hier dem Legalitätsprinzip. Das durch den ESM nutzbare Finanzhilfeinstrumentarium, das letztlich haushaltsrelevante Belastungen für die Republik Österreich als Vertragspartei des ESMV auslösen kann, würde nach einem dem Regelungsgegenstand adäquaten (strengeren) Determinierungsgrad verlangen.

d) Zum Eventualantrag, Art 25 Abs 2 und 3 ESMV als verfassungswidrig festzu-stellen:

Falls ein ESM-Mitglied die auf Grund eines Kapitalabrufs gemäß Art 9 Abs 2 oder 3 [ESMV] [...] erforderliche Einzahlung nicht vornimmt, bestimmt Art 25 Abs 2 erster Satz ESMV, dass an alle ESM-Mitglieder ein revidierter erhöhter Kapitalabruf ergeht, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhält. Sowohl Wortlaut, Zweck (Hintanhaltung einer Kapitalunterdeckung des ESM) als auch die Systematik dieser Bestimmung (im Regelungszusammenhang des Art 25 ESMV mit der Überschrift 'Deckung von Verlusten') deuten darauf hin, dass Art 25 Abs 2 erster Satz ESMV — als eine Art 'Nachschusspflicht' —eine lex specialis zur haftungsbeschränkenden Regelung des Art 8 Abs 5 erster Satz ESMV darstellt ('Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt.'; siehe ferner Anhang II ESMV, wonach die Kapitalzeichnung der Republik Österreich auf 19 483 800 000,— Euro lautet).

Da Zweifel über die Reichweite der Einzahlungspflicht nach Art 2, 5 Abs 2 erster Satz ESMV bestehen, wird damit das nach dem Legalitätsprinzip nach Art 18 Abs 1 B-VG verfassungsrechtlich gebotene Maß inhaltlicher Bestimmtheit unter-schritten. Diese Regelungsunschärfe wiegt umso schwerer, als sich ein Staatsorgan, das den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit gemäß Art 126b Abs 5 B-VG verpflichtet ist und nach Art 13 Abs 2 B-VG einen nachhaltig geordneten Haushalt anzustreben hat, — angesichts der gravierenden finanziellen Implikationen einer die Haftungsbeschränkung nach Anhang II ESMV möglicherweise überschreitenden Zahlungsverpflichtung — nicht auf die Vereinbarung einer derartigen staatsvertraglichen Regelung einlassen hätte dürfen.

Dass die von den Vertretern der Vertragsparteien am ver-einbarte 'Auslegungserklärung' Zweifel an einer Begrenzung sämtlicher Zahlungsverpflichtungen gemäß Art 8 Abs 5 ESMV auf eine innerstaatlich rechtsverbindliche Weise ausräumt, wird auf Grund der zu dieser Erklärung (oben unter Pkt. 1.a.) zur Transformation der 'Auslegungserklärung' dargelegten Bedenken bestritten.

Der vorliegende Eventualantrag bezieht sich überdies auf Art 25 Abs 2 zweiter und letzter Satz und Abs 3 ESMV, weil die genannten Bestimmungen mit Art 25 Abs 2 erster Satz ESMV in einem unauflösbaren Zusammenhang stehen.

e) Zum Eventualantrag die Wortfolge 'der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats,' in Art 35 Abs 1 ESMV und die Wortfolge 'des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats,' in Art 35 Abs 2 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:

Innerhalb des ESM kommen dem Gouverneursrat nach Art 5 Abs 6 und 7 ESMV wesentliche Entscheidungsbefugnisse zu. Nach Art 5 Abs 1 ESMV ernennt jedes ESM-Mitglied ein Mitglied des Gouverneursrats, wobei das Mitglied des Gouver-neursrats 'ein Regierungsmitglied des jeweiligen ESM-Mitglieds mit Zuständigkeit für die Finanzen' ist. Der Vorsitz des Gouverneursrats wird nach Art 5 Abs 2 ESMV entweder dem Präsidenten der Euro-Gruppe übertragen oder aus dem Kreis der Mitglieder des Gouverneursrats gewählt. Art 35 Abs 1 ESMV bestimmt, dass im Interesse des ESM unter anderem der Vorsitzende des Gouverneursrats sowie die Mitglieder des Gouverneursrats Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen genießen.

Die Republik Österreich als ESM-Mitglied wird im Gouverneursrat nach Art 5 Abs 1 dritter Satz ESMV durch den Bundesminister für Finanzen vertreten. Die Anwendung des Art 35 Abs 1 ESMV hätte die persönliche Immunität des Bun-desministers für Finanzen in seiner Eigenschaft als Mitglied des Gouverneursrats vor dem Verfassungsgerichtshof als Staatsgerichtshof nach Art 142 Abs 2 litb B-VG zur Folge. Damit begründet Art 35 Abs 1 ESMV im Rahmen seines Anwen-dungsbereichs eine Ausnahme zur rechtlichen Verantwortlichkeit eines Mitgliedes der Bundesregierung nach Art 76 Abs 1 B-VG, wie sie sonst innerhalb des parlamentarischen Regierungssystems die Regel ist. Da für die Tätigkeit des Bundesministers für Finanzen als Mitglied des Gouverneursrats eine bundesver-fassungsrechtliche Ausnahmebestimmung nicht vorgesehen ist, bestehen gegen Art 35 Abs 1 ESMV verfassungsrechtliche Bedenken. Soweit ersichtlich, wurde der Verpflichtung nach Art 35 Abs 4 ESMV, eine eigene Umsetzungsmaßnahme (hier: Ausnahmebestimmung) zu erlassen, innerstaatlich bislang nicht nachge-kommen.

Dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken gelten für die Fallkonstellation, dass der Bundesminister für Finanzen zum Vorsitzenden des Gouverneursrats bestellt wird.

Weitere verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen die Unverletzlichkeit amtli-cher Schriftstücke und Unterlagen des Vorsitzenden des Gouverneursrats sowie der Mitglieder des Gouverneursrats nach Art 35 Abs 1 ESMV bestehen, werden unten unter Pkt. 2.f. und g. in Bezug auf die verfassungsrechtlich vorgesehenen Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrates nach Art 50a ff. B-VG dargelegt.

Der vorliegende Eventualantrag bezieht sich überdies auf eine mit Art 35 Abs 1 ESMV inhaltlich korrespondierende Wortfolge in Art 35 Abs 2 ESMV.

f) und g) Zu den Eventualanträgen, die Wortfolge 'und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden' in Art 32 Abs 5 sowie die Wortfolge 'Mitglieder und' in Art 34 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:

Sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, sind nach Art 32 Abs 5 ESMV unverletzlich. Nach Art 34 ESMV dürfen u.a. die Mitglieder des Gouverneursrats keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen wei-tergeben. Im Zusammenhang mit der persönlichen Immunität der Organwalter des ESM (u.a. Mitglieder des Gouverneursrats und der Vorsitzende des Gouver-neursrats) sieht Art 35 Abs 1 [ESMV] [...] die Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen vor.

Die vorgenannten Bestimmungen gelten absolut und ermangeln einer Ausnah-mevorschrift zugunsten der nationalen Parlamente (Art30 Abs 5 ESMV, wonach der Gouverneursrat u.a. den nationalen Parlamenten den jährlichen Prüfbericht des Prüfungsausschusses zugänglich zu machen hat, kann hier außer Betracht bleiben). Sie stehen deshalb im Widerspruch zu den Informations- und Mitwir-kungsrechten des Nationalrates nach Art 50a ff. B-VG. Die Beschlussfassung des Nationalrates über eine Ermächtigung des österreichischen Vertreters nach Art 50b B-VG und über die Wahrnehmung weiterer Mitwirkungszuständigkeiten nach Art 50d Abs 2 B-VG setzt nämlich voraus, dass der Nationalrat über dieje-nigen Informationen verfügt, die er für eine Beurteilung der wesentlichen Grundlagen und Folgen seiner Willensbildung benötigt. Dieses umfassende Informationsbedürfnis gilt ebenso für jene ständigen Unterausschüsse des mit der Vorberatung von Bundesfinanzgesetzen betrauten Nationalratsausschusses, denen nach Art 50d Abs 3 B-VG Zuständigkeiten des Nationalrates nach Art 50b und 50d Abs 2 B-VG übertragen werden.

Ferner sind den Informationsverpflichtungen der Vollziehung gegenüber dem Nationalrat bzw. den nach Art 50d Abs 3 B-VG zuständigen Unterausschüssen Einschränkungen fremd, wie sie die Art 32 Abs 5, 34 und 35 Abs 1 ESMV enthal-ten: Art 50c Abs 1 erster Satz B-VG sieht vor, dass der zuständige Bundesminister den Nationalrat unverzüglich in Angelegenheiten des ESM gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates zu unterrichten hat (siehe hiezu § 1 der Anlage 3 zum Geschäfts-ordnungsgesetz 1975, wonach die Unterrichtung des Nationalrates in Angelegenheiten des ESM 'insbesondere durch Informationen, Dokumente und Vorschläge für Beschlüsse' zu erfolgen hat; zur Dokumentenübermittlung siehe ferner § 4 der Anlage 3). Nach Art 50c Abs 2 letzter Satz B-VG hat der zuständi-ge Bundesminister dem Nationalrat nach der Abstimmung unverzüglich Bericht zu erstatten und ihm gegebenenfalls die Gründe mitzuteilen, aus denen der österreichische Vertreter eine Stellungnahme in Angelegenheiten des ESM nicht berücksichtigt hat (vgl. § 2 und — zur Dokumentenübermittlung — § 4 der Anlage 3 zum Geschäftsordnungsgesetz 1975). Schließlich hat der zuständige Bundesminister nach Art 50c Abs 3 B-VG dem Nationalrat regelmäßig über die im Rahmen des ESM getroffenen Maßnahmen zu berichten.

Der nach Art 50c Abs 1 erster Satz, Abs 2 letzter Satz und Abs 3 B-VG zuständi-ge Bundesminister, der nach Art 5 Abs 1 dritter Satz ESMV zugleich österreichischer Vertreter im Gouverneursrat ist, könnte den vorgenannten bundesverfassungsrechtlichen Informationsverpflichtungen — die keine Ausnah-me vorsehen — bei Anwendung der Vorschriften des Art 32 Abs 5, 34 und 35 Abs 1 ESMV nicht voll nachkommen.

Die Vertreter der Vertragsparteien haben zwar am in Form einer 'Auslegungserklärung' vereinbart, dass Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 [ESMV] [...] der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegenstehen. Dass dadurch jedoch die kategorischen Formulierungen der genannten staatsvertraglichen Vorschriften in einer innerstaatlich rechtsverbindlichen Weise eingeschränkt werden, wird auf Grund der zur Transformation der 'Auslegungserklärung' oben unter Pkt. 1.a. dargelegten Bedenken bestritten.

h) Zum Eventualantrag, die 'Auslegungserklärung' als rechtswidrig festzustellen:

Hiezu wird auf die oben unter Pkt. 1.a. zur Transformation der 'Auslegungserklä-rung' geäußerten Bedenken verwiesen."

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Anträge der Kärntner Landesregierung begehrt.

4.1. Die Bundesregierung stellt zunächst überblicksartig die Rechtslage dar:

"[…] Mit dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französi-schen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland, BGBl III Nr 138/2012, (im Folgenden: ESM-Vertrag), richten die Vertragspartner untereinander eine internationale Finanzinstitution ein, die den Namen 'Europäischer Stabilitätsmechanismus' ('ESM') trägt (Art1 Abs 1) […].

Der Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist (Art3).

[…] Wie in den Erläuterungen der Regierungsvorlage des ESM-Vertrags (1731 BlgNR 24. GP 3) näher ausgeführt wird, war für die Bemühungen zur Einrichtung von Stabilitätsmechanismen für das Euro-Währungsgebiet ausschlaggebend, dass hohe Anstiege der Risikoaufschläge für Staatsanleihen einiger Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zu beobachten waren, die etwa im Falle Griechen-lands bereits im April 2010 zum Verlust des Zugangs zu den Kapitalmärkten geführt hatten (vgl. auch die Zusammenfassung der Rechtsentwicklung durch das deutsche Bundesverfassungsgericht in BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12. Septem-ber 2012 Rz 2 ff). Daraufhin gewährten die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets Griechenland koordinierte bilaterale Finanzhilfen, die in Öster-reich auf das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz (ZaBiStaG), BGBl I Nr 52/2009, gestützt wurden.

[…] In weiterer Folge beschlossen der Europäische[n] Rat und der Rat der Europäi-schen Union (Wirtschaft und Finanzen) die Schaffung eines Stabilisierungsmechanismus, der auf einer Verordnung gemäß Art 122 Abs 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus — EFSM) und einer — auf eine Laufzeit von drei Jahre begrenzten — Zweckgesellschaft nach luxemburgischem Recht (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität — EFSF) beruhte. Auch für die anteilige Haftung Österreichs am EFSF bildet das ZaBiStaG die gesetzliche Grundlage (vgl. näher zum EFSF RV 1390 BlgNR 24. GP).

[…] Bereits auf seiner Tagung vom Oktober 2010 kam der Europäische Rat aller-dings überein, dass die Mitgliedstaaten einen ständigen Stabilitätsmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt einrich-ten müssen.

Auf der Tagung des Europäischen Rats vom wurde eine Erklärung der Finanzminister der Euro-Gruppe über allgemeine Merkmale des künftigen 'Europäischen Stabilitätsmechanismus' (ESM) gebilligt (insbesondere: ständige Einrichtung und eine bestehenden internationalen Finanzinstitutionen entsprechende Kapitalstruktur; in Ausnahmefällen: Privatsektorbeteiligung entsprechend der IWF-Praxis; Umschuldungsklauseln in den Vertragsbedingungen neuer Staatsschulden; bevorrechtigten Gläubigerstatus des ESM).

[…] Am wurde vom Europäischen Rat der Beschluss 2011/199/EU zur Änderung des Art 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) im vereinfachten Vertragsänderungsverfahren gemäß Art 48 Abs 6 EUV angenommen, womit Art 136 folgender Abs 3 angefügt wird: 'Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderli-chen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.' Dieser Beschluss wurde im Amtsblatt L 91/1 vom kundgemacht und tritt erst nach Zustimmung aller Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft. Da bis dato (Stand ) noch die Mitteilung der Tschechischen Republik über den Ab-schluss des innerstaatlichen Genehmigungsverfahrens ausständig ist, ist der Beschluss noch nicht in Kraft getreten.

Der Beschluss 2011/199/EU ist ein Beschluss gemäß Art 23i Abs 4 B-VG (allge-mein zu Beschlüssen gemäß Art 48 Abs 6 EUV IA 978/A 24. GP 17), der gemäß Art 50 Abs 4 B-VG der Genehmigung des Nationalrates und der Zustimmung des Bundesrates mit erhöhten Quoren bedarf.

[…] In der Folge wurde unter Einbindung der Nicht-Eurozonen-Mitgliedstaaten die genaue Ausgestaltung des ESM erarbeitet und zunächst am durch die Finanzminister des Euro-Währungsgebiets abgeschlossen. Auf Grund weiter ansteigender Unsicherheit auf den Finanzmärkten und befürchteter Ansteckungsgefahren wurden Beschlüsse zur Nachverhandlungen gefasst, die insbesondere zu einer Erweiterung der Instrumente des ESM (präventive Maß-nahmen, Rekapitalisierung von Finanzinstituten sowie Interventionen am Sekundärmarkt) führten. Die Nachverhandlungen wurden von den Finanzministern des Euro-Währungsgebiets am abgeschlossen.

[…] Der ESM-Vertrag wurde vom Nationalrat am gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG genehmigt. In dieser (164.) Nationalratssitzung wurden vom Nationalrat weiters die ESM-Begleitnovelle, BGBl I Nr 65/2012, und eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes 1975, BGBl I Nr 66/2012, beschlossen, mit denen umfassende Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der innerstaatlichen Wil-lensbildung in Bezug auf den ESM und Unterrichtungs- und Berichtspflichten des zuständigen Bundesministers erlassen wurden. Die Änderungen des B-VG durch die ESM-Begleitnovelle und die (meisten) Änderungen des Geschäftsordnungsge-setzes 1975 sind gemeinsam mit dem ESM mit in Kraft getreten (Art151 Abs 52 B-VG; § 109 Abs 6 Geschäftsordnungsgesetz 1975; vgl. zum Inkrafttreten des ESM-Vertrags unten Pkt. I.10). Weiters hat der Nationalrat in dieser (164.) Sitzung auch den erwähnten Beschluss des Europäischen Rates 2011/199/EU und den Abschluss des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sog. 'Fiskalpakt') zwischen 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union genehmigt.

[…] Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegenge-zeichnete Ratifikationsurkunde betreffend den ESM-Vertrag wurde am beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union hinterlegt.

[…] In Reaktion auf das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom , 2 BvR 1390/12, haben die Vertreter der Vertragsparteien des ESM am eine Auslegungserklärung betreffend die Begren-zung der Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder und die Unterrichtung der nationalen Parlamente vereinbart. Diese lautet:

'Art8 Abs 5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmecha-nismus (im Folgenden 'Vertrag') begrenzt sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungs-verpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt.

Art32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 des Vertrages stehen der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen.

Die oben genannten Punkte stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustim-mung der vertragschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein.'

[…] Der ESM-Vertrag ist gemäß Art 48 Abs 1 mit , dem Tag der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde, mit der 90% der Kapitalzeichnungen erreicht wurden, in Kraft getreten und mit BGBl III Nr 138/2012 am 28. Septem-ber 2012 kundgemacht worden.

[…] Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Rechtmäßigkeit des Abschlusses des ESM-Vertrags bzw. seiner innerstaatlichen Durchführung bereits Gegenstand von Entscheidungen anderer europäischer Höchstgerichte war:

[…] Als erstes Höchstgericht befand der estnische Riigikohus (3-4-1-6-12, Urteil vom ) aufgrund eines Antrags des Justizkanzlers (Ộiguskantsler) über die Verfassungsmäßigkeit des ESM-Vertrags. Der Justizkanzler hat zum einen die Aufgabe, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, Staatsverträgen und anderen Rechtsakten zu prüfen (im Sinne einer Vorkontrolle und eines entsprechenden Antragsrechts an den Riigikohus), zum anderen fungiert er als Rechtsschutzbe-auftragter und Ombudsmann.

Die Republik Estland unterzeichnete den ESM-Vertrag am und nahm eine Ratifikation bis Juli 2012 in Aussicht. Am verlangte der Justizkanzler die verfassungsrechtliche Prüfung von Art 4 Abs 4 ESM-Vertrag betreffend das Dringlichkeitsverfahren und führte aus, dass dieser das parlamen-tarische Prinzip verletze und insbesondere das Budgetrecht des Parlaments unverhältnismäßig beschränke. Er begründete dies damit, dass die Mehrheitser-fordernisse im Dringlichkeitsverfahren der Republik Estland aufgrund ihres geringen Stimmanteils im Gouverneursrat und Direktorium jede Möglichkeit einer Einflussnahme nähmen. Weiters führte der Justizkanzler aus, dass die Kapitalanteile der Republik Estland 8,5% des BIP ausmachten. Deren volle Inan-spruchnahme durch den ESM würde den Entscheidungsspielraum des Parlaments radikal einschränken (Rz 6 ff).

Der Riigikohus bejahte eine Einschränkung des Parlaments und die fehlende Vetomöglichkeit in Dringlichkeitsverfahren (Rz 153). Auf Grund einer ausführli-chen Analyse des Dringlichkeitsverfahrens kam der Riigikohus zum Schluss, dass dieses ein wesentliches Element für die Sicherstellung der Zwecke des ESM, nämlich die Sicherstellung wirtschaftlicher und finanzieller Stabilität im Euro-Raum sei (Rz 158 ff). Diese Ziele waren nach Auffassung des Riigikohus Bedin-gungen dafür, dass die grundlegenden Werte der estnischen Verfassung gewährleistet werden könnten.

Diese würden nämlich ein stabiles wirtschaftliches und finanzielles Umfeld vor-aussetzen (Rz 165 ff). Auf dieser Grundlage nahm der Riigikohus eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung und Sachlichkeitsprüfung in Hinblick auf die Grundprinzipien der estnischen Verfassung und der Ziele des ESM vor (Rz 170 ff). Dabei kam es zum Schluss, dass sowohl die Haftungsbegrenzungen im ESM-Vertrag als auch die strengen Auflagen, die der ESM-Vertrag für die Gewährung von Stabilitätshilfe vorsieht, einen Eingriff in das Haushaltsrecht des Parlaments rechtfertigten.

[…] Das deutsche Bundesverfassungsgericht lehnte am in einem Eilverfahren mehrere Anträge ab, die darauf gerichtet waren, dem Bun-despräsidenten im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Zustimmungsgesetze zum ESM-Vertrag und zum sog. Fiskalpakt auszufertigen. Das BVerfG hielt dabei fest, dass die Anträge im Hauptsacheverfahren, soweit 'sie im Hinblick auf den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung […] zu beurteilen sind, nach summarischer Prüfung überwiegend ohne Erfolg bleiben' werden (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom , Rz 207). Auf dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird im Folgenden im jeweiligen inhaltli-chen Zusammenhang eingegangen werden."

4.2. Zu den Prozessvoraussetzungen bringt die Bundesregierung vor:

"[…] Gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz iVm. § 66 VfGG hat der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Staatsvertrags die gegen die Rechtmäßigkeit des Staatsvertrags sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Ein Normenkon-trollantrag, der sich auf eine Norm ihrem ganzen Inhalt nach richtet, muss auch Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit aller Bestimmungen dieser Norm darlegen (zB VfSlg 17.768/2006). Unterlässt der Antragsteller konkrete Darlegungen, warum die bekämpften Regelungen im Einzelnen rechtswidrig sind, ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und — gleichsam stellvertretend — das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (zB VfSlg 17.102/2004).

[…] Nach Auffassung der Bundesregierung erfüllt der Antrag, soweit er die Fest-stellung der Rechtswidrigkeit des ESM-Vertrags samt Auslegungserklärung zur Gänze begehrt, diese Voraussetzungen nicht:

Hinsichtlich der Bedenken der antragstellenden Landesregierung in Bezug auf die Auslegungserklärung wird nicht dargelegt, weshalb die behauptete Rechtswid-rigkeit der Auslegungserklärung eine Rechtswidrigkeit auch des ESM-Vertrags selbst nach sich ziehen soll (vgl. Antrag S 8).

Hinsichtlich der Bedenken in Bezug auf den den Gleichheitssatz, auf Art 13 Abs 2 und Art 126b Abs 5 B-VG enthält der Antrag (S 12 bis 15) weitgehend pauschale Ausführungen betreffend die Rechtswidrigkeit des ESM-Vertrags als Ganzes und legt nicht dar, inwiefern die vorgebrachten Bedenken jede einzelne Vertragsbestimmung betreffen bzw. warum die Rechtswidrigkeit einzelner, konkret genannter Vertragsbestimmungen zur Rechtswidrigkeit des gesamten Vertrags führen sollte.

Hinsichtlich der Bedenken in Bezug auf die Übertragung von Hoheitsrechten wird im Antrag (S 15 f) nicht dargetan, was gegen die Feststellung der Rechtswidrig-keit nur der im Antrag im Einzelnen aufgelisteten Bestimmungen, durch die Hoheitsrechte auf eine zwischenstaatliche Einrichtung[en] übertragen würden, spricht.

[…]Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des ESM-Vertrags zur Gänze unzulässig ist."

4.3. In der Sache verweist die Bundesregierung eingangs zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach sich der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken habe. Dasselbe gilt nach Auffassung der Bundesregierung gemäß Art 140a B-VG für einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Staatsvertrages.

4.3.1. Den Bedenken des Hauptantrages hält die Bundesregierung Folgendes entgegen:

"Zu den Bedenken gegen die Auslegungserklärung:

[…] Die antragstellende Landesregierung hegt das Bedenken, dass die in der Kundmachung des ESM-Vertrags verlautbarte Auslegungserklärung der Vertrags-parteien vom verfassungswidrig sei, da sie nicht gemäß Art 50 B-VG vom Nationalrat genehmigt wurde, bzw. dass sie gesetzwidrig sei, da sie mangels Genehmigung durch den Nationalrat nur in Verordnungsrang stehe, obwohl sie den ESM-Vertrag modifiziere.

[…] Bei der oben (Pkt. I.9) wiedergegebenen Auslegungserklärung der Ver-tragsparteien vom handelt es sich nicht um einen Vorbehalt, sondern um eine sog. interpretative Erklärung. Ein Vorbehalt ist eine von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen oder zu ändern (Art2 Abs 1 litd des Wiener Überein-kommens über das Recht der Verträge, BGBl Nr 40/1980; im Folgenden: WVK). Hingegen bringt eine Vertragspartei bzw. bringen mehrere Vertragsparteien durch eine interpretative Erklärung ihr Verständnis einzelner Vertragsbestim-mungen zum Ausdruck, ohne jedoch eine Änderung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu bezwecken. Im Gegensatz zu Vorbehalten dienen interpretative Erklärungen also gerade nicht dazu, den Inhalt eines Vertrags zu modifizieren. Die Unterscheidung zwischen Vorbehalten und interpretativen Erklärungen ist ausschließlich anhand der Rechtswirkungen vorzunehmen; eine falsche Bezeichnung ist unerheblich.

[…] Maßgeblich für die Qualifikation der Auslegungserklärung vom 27. Septem-ber 2012 sind neben ihrem Inhalt auch die Umstände ihrer Annahme. Sie wurde vor dem Hintergrund des Urteils des deutschen Bundesverfassungsgerichts zum ESM-Vertrag abgegeben. Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass eine Auslegung 'nicht ausgeschlossen' sei, dass im Fall eines revidierten erhöhten Kapitalabrufes die Haftungsbeschränkung des Art 8 Abs 5 nicht anwendbar sei bzw. dass eine Auslegung zwar nicht naheliegend, aber möglich sei, dass Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 ESM-Vertrag einer umfassenden Information nationaler Parlamente entgegen stehen (Rz 252 und 254 des Urteils). Eine Ratifi-zierung sei nur zulässig, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Vertragsauslegung sicherstelle, dass Art 8 Abs 5 sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Höhe nach auf die in Anhang II genannte Summe begrenze und dass Art 25 Abs 2 nur so ausgelegt oder angewendet werden könne, dass für die Bundesrepublik Deutschland keine höheren Zahlungsverpflichtungen begründet werden bzw. gewährleiste, dass Bundestag und Bundesrat bei ihren Entscheidungen die für ihre Willensbildung erforderlichen Informationen erhalten (Rz 253 und 259 des Urteils).

Die Auslegungserklärung soll diesen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nachkommen, um der Bundesrepublik Deutschland die Ratifikation des ESM-Vertrags zu ermöglichen. Sie hält fest, was sich ohnedies aus Wortlaut und Sys-tematik des ESM-Vertrags ergibt und zwischen den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags ohnedies unstrittig war (vgl. zu beiden in der Auslegungserklärung angesprochenen Themenbereichen näher unten Pkt. III.6 und 8). Die Auslegungserklärung stellt daher keine Modifikation des ESM-Vertrags dar. Sie ist also kein Vorbehalt, sondern eine interpretative Erklärung.

[…] Während das Anbringen von Vorbehalten nur unter bestimmten Bedingun-gen bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung zulässig ist (vgl. Art 19 WVK), können interpretative Erklärungen jederzeit abgegeben werden. Bis auf Deutschland und Estland hatten zum Zeitpunkt der Abgabe der Auslegungserklärung bereits alle Unterzeichnerstaaten den ESM-Vertrag ratifi-ziert,[…] was ebenfalls dafür spricht, dass es sich bei der Auslegungserklärung vom um keinen Vorbehalt handelt.

[…] Zwar heißt es in der Kundmachung BGBl III Nr 138/2012, die Vertreter der Vertragsparteien hätten die Auslegungserklärung 'vereinbart'. Daraus folgt aber nicht, dass der unterzeichnete Vertragstext durch die Auslegungserklärung geändert oder ergänzt wird. Eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung des Vertrags ergibt sich auch nicht aus der Formulierung, der Inhalt der Auslegungserklärung stelle 'eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein'. Dadurch wird lediglich auf bestimmte Regelungen der WVK über die Ungültigkeit von Verträgen (Art48 betreffend den Irrtum) und die Beendigung von Verträgen (Art62 betreffend die grundlegende Änderung der Umstände) Bezug genommen, die auch ohne die Auslegungserklärung anwendbar wären.

[…] Interpretative Erklärungen zu völkerrechtlichen Verträgen ändern, wie bereits erwähnt, nicht die vertraglichen Verpflichtungen der Vertragsparteien und sind daher nicht unter den verfassungsrechtlichen Begriff des 'Staatsvertrags' zu subsumieren. Dies wäre nur dann ausnahmsweise der Fall, wenn sie — entgegen ihrer Bezeichnung — doch vertragliche Verpflichtungen enthalten. Nur in einem solchen Fall wären sie, bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen des Art 50 Abs 1 B-VG, gemäß dieser Bestimmung zu genehmigen. Da die Auslegungserklärung die vertraglichen Verpflichtungen der Vertragsparteien nicht ändert, ist sie kein Staatsvertrag iSd. B-VG.

[…] Die antragstellende Landesregierung beruft sich auf eine Praxis, nach der 'Erklärungen' üblicherweise vom Nationalrat genehmigt würden. Dazu ist zu-nächst anzumerken, dass nicht jede vom Nationalrat gemäß Art 50 Abs 1 B-VG genehmigte 'Erklärung' eine interpretative Erklärung im zuvor dargelegten Sinn ist. In der Staatspraxis werden mitunter Vorbehalte (iSd. Art 2 Abs 1 litd WVK) aus politischen Gründen als 'Erklärungen' bezeichnet bzw. können Staaten auf-grund bestimmter Verträge rechtsgestaltende Erklärungen abgeben (zB die Erklärung gemäß Art 3 Abs 2 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffne-ten Konflikten, BGBl III Nr 92/2002, betreffend die Festlegung des Mindestalters für die Einziehung von Freiwilligen zu den nationalen Streitkräften). Diese Form von 'Erklärungen' stellt die Mehrzahl der dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegten Erklärungen dar.

Sofern interpretative Erklärungen dem Nationalrat zugeleitet werden, soll ihm dadurch ein umfassendes Bild von dem zur Genehmigung vorgelegten Staatsver-trag vermittelt werden. Zumeist wird eine solche Erklärung dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegt; in anderen Fällen wird die Erklärung aber nur in die Erläuterungen aufgenommen, wie etwa die von den Vertragsparteien des Fiskal-paktes bei der Unterzeichnung getroffene Regelung betreffend Artikel 8 des Paktes (RV 1725 BlgNR 24. GP 13 f). Die Praxis hinsichtlich der Genehmigung interpretativer Erklärungen ist also nicht einheitlich. Ein Genehmigungserforder-nis für interpretative Erklärungen kann aus ihr jedenfalls nicht abgeleitet werden. Maßgeblich für die Notwendigkeit einer Genehmigung ist ausschließlich, ob diese — entgegen ihrer Bezeichnung — doch vertragliche Verpflichtungen enthalten und zudem die Voraussetzungen des Art 50 Abs 1 B-VG vorliegen.

[…] Die Bundesregierung vertritt daher zusammenfassend die Auffassung, dass die Auslegungserklärung der Vertragsparteien vom die vertraglichen Verpflichtungen der Vertragsparteien nicht ändert und deshalb kein Staatsvertrag ist, sondern eine interpretative Erklärung, die keiner Geneh-migung des Nationalrates bedurfte.

[…] Die antragstellende Landesregierung hegt hinsichtlich der Auslegungserklä-rung ferner das Bedenken, dass die gemeinsame Verlautbarung mit dem gemäß Art 50 Abs 1 B-VG genehmigten ESM-Vertrag im Bundesgesetzblatt gegen Art 49 Abs 2 B-VG verstoße. Außerdem sei die Auslegungserklärung nur in der deutschen Sprachfassung kundgemacht worden, während für die übrigen Sprachfassungen ein Beschluss des Nationalrates über eine Sonderkundmachung fehle.

[…] Gemäß Art 49 Abs 2 B-VG sind die Staatsverträge gemäß Art 50 Abs 1 B-VG vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Anlässlich der Genehmigung eines solchen Staatsvertrags kann der Nationalrat beschließen, auf welche andere Weise als im Bundesgesetzblatt die Kundmachung des Staatsver-trags oder einzelner genau zu bezeichnender Teile desselben zu erfolgen hat (sog. Sonderkundmachung); solche Beschlüsse des Nationalrates sind vom Bun-deskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Art 48 B-VG bestimmt zudem, dass ein gemäß Art 50 Abs 1 genehmigter Staatsvertrag mit Berufung auf den Beschluss des Nationalrates kundgemacht wird (sog. Promulgationsklausel).

In der Praxis wird in der Kundmachung der Beschluss des Nationalrates dem genehmigten Vertragstext vorangestellt. Darüber hinaus enthält die Kundma-chung häufig weitere Verlautbarungen, wie insbesondere eine Aufzählung der Staaten, die den Vertrag ebenfalls ratifiziert haben, oder Erklärungen und Vorbe-halte anderer Staaten (vgl. Thienel, Art 48, 49 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [1. Lfg 1999] Rz 30). Diese Verlautba-rungen sind nicht vom Beschluss des Nationalrates erfasst, sondern erfolgen auf Grund des § 5 Abs 1 des Bundesgesetzblattgesetzes — BGBIG, BGBl I Nr 100/2003.

[…] Die Kundmachung des ESM-Vertrags im BGBl III Nr 138/2012 enthält zunächst die Berufung auf den Genehmigungsbeschluss des Nationalrates sowie den Beschluss des Nationalrates zur Sonderkundmachung gemäß Art 49 Abs 2 B-VG. Anschließend folgen der Titel des Vertrags und der Verweis auf den in der Anlage enthaltenen Vertragstext, daran anschließend — vom Genehmigungsbe-schluss des Nationalrates schon nicht mehr erfasst — ein Hinweis auf die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde und den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags sowie eine Aufzählung der Staaten, die den Vertrag ebenfalls ratifiziert haben. Durch einen weiteren Absatz deutlich getrennt wird die Auslegungserklärung vom verlautbart. Die Reihenfolge und die graphische Gestaltung der Kundmachung verdeutlichen, dass die Auslegungserklärung nicht von der Promulgationsklausel erfasst ist.

[…] Da ein Beschluss über eine Sonderkundmachung nur anlässlich der Geneh-migung eines Staatsvertrags gemäß Art 50 Abs 1 B-VG erfolgen kann, konnte ein solcher Beschluss hinsichtlich der Auslegungserklärung nicht erfolgen. Da die Auslegungserklärung kein Staatsvertrag iSd. Art 50 Abs 1 B-VG ist, konnte diese auch keiner Sonderkundmachung gemäß Art 49 Abs 2 B-VG zugeführt werden. Vielmehr wurde die Auslegungserklärung gemäß § 5 Abs 2 BGBIG auf dieselbe Weise kundgemacht wie der Staatsvertrag, zu dem der Nationalrat einen Be-schluss gemäß Art 49 Abs 2 B-VG gefasst hat und auf welchen sie sich bezieht.

[…] Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass weder die gemeinsame Verlautbarung der Auslegungserklärung mit dem ESM-Vertrag im Bundesgesetz-blatt noch das Unterbleiben eines Beschlusses über eine Sonderkundmachung für die anderen Sprachfassungen der Auslegungserklärung gegen Art 49 Abs 2 B-VG verstoßen.

[…] Angemerkt wird Folgendes: Im Antrag (S 8 bis 10) wird ausgeführt, dass der Bundespräsident — 'wohl auf Grund eines Missverständnisses dieser Zuständigkeit [nach Art 65 Abs 1 B-VG] und offenbar in Verwechslung mit der Funktion der Beurkundung im Verfahren der Bundesgesetzgebung' — von seiner Befugnis nicht Gebrauch gemacht habe, beim Abschluss eines Staatsvertrags auch nicht offenkundige Verfassungswidrigkeiten aufzugreifen und einen Staatsvertrag nicht abzuschließen. Der Antrag zieht aber nicht den Schluss, dass der ESM-Vertrag aus diesem Grund rechtswidrig sei. Auf diese Ausführungen ist daher nicht weiter einzugehen.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 125 AEUV:

Die antragstellende Landesregierung hegt das Bedenken, dass es sich beim ESM-Vertrag — bei materieller Betrachtungsweise — um einen Staatsvertrag handle, durch den die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert würden, und der daher gemäß Art 50 Abs 1 Z 2 iVm. Abs 4 B-VG zu genehmigen gewesen wäre. Der ESM-Vertrag sei daher zur Gänze verfassungswidrig.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom , Rs. C-370/12, Pringle, Rz 129 ff, festgestellt dass der ESM-Vertrag mit dem Uni-onsrecht und insbesondere auch mit der sog. 'No-Bailout-Klausel' des Art 125 AEUV vereinbar ist. Der ESM-Vertrag ist daher kein Staatsvertrag iSd. Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG, durch den die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden. Er war daher auch nicht gemäß Art 50 Abs 4 B-VG zu geneh-migen.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz, auf Art 13 Abs 2 B-VG und Art 126b Abs 5 B-VG

[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, der ESM-Vertrag sei unsach-lich und verstoße gegen die Staatszielbestimmung des Art 13 Abs 2 B-VG betreffend nachhaltig geordnete Haushalte sowie gegen die Grundsätze der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung gemäß Art 126b Abs 5 B-VG. Auf Grund des Anteils der Republik Österreich am genehmig-ten Stammkapital in der Höhe von ca. 19,5 Mrd. Euro hätte es vor der Ratifikation einer 'volkswirtschaftlichen Grundlagenforschung', auch über Alternativen zum ESM bedurft. Der ESM stelle die Fortschreibung bisheriger Finanzhilfen für bestimmte Staaten dar, die ihrer unionsrechtlichen Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite nicht nachgekommen seien und bewirke dadurch eine unsachliche Privilegierung rechtswidrig handelnder Staaten. Unsachlich sei es auch, dass die Republik Österreich als 'Hochsteuerland' an einem Finanzhilfeinstrument für Staaten teilnehme, die teilweise über eine niedrigere Abgabenquote bzw. eine weniger effektive Finanzverwaltung verfügten. Die Beschränkung des Kreises der Vertragsparteien auf Euro-Mitgliedstaaten sei unsachlich, da auch andere, nicht am Euro teilnehmende Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom ESM profitierten. Die Mitgliedschaft am ESM und im Besonderen die Verpflichtung, Kapitalabrufen nachzukommen, widerspreche der unionsrechtlich zulässigen Staatsverschuldung und der verfassungsrechtlichen Zielsetzung eines nachhaltig geordneten Haushaltes ua. deshalb, weil sie erhebli-che 'Gegensteuerungsmaßnahmen', nämlich das 'Konsolidierungspaket 2012 – 2016' mit einem Volumen von 26 Mrd Euro, erforderlich gemacht habe. Mangels 'volkswirtschaftlicher Grundlagenforschung' verstoße der ESM auch gegen das Gebot der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung.

[…] Vorauszuschicken ist, dass Prüfungsmaßstab im Verfahren nach Art 140a B-VG nicht das Unionsrecht ist (VfSlg 16.628/2002). Insoweit der Antrag daher einen Verstoß gegen Art 126 Abs 1 AEUV und anderes Unionsrecht behauptet, ist darauf nicht weiter einzugehen.

[…] Gemäß Art 13 Abs 2 B-VG haben Bund, Länder und Gemeinden bei ihrer Haushaltsführung die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben. Der Antrag (S 12, 14 f) be-hauptet nur einen Verstoß gegen das Ziel der Sicherstellung nachhaltig geordneter Haushalte; auf das Ziel der Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist daher nicht weiter einzugehen. Die Verpflichtung zur Sicher-stellung nachhaltig geordneter Haushalte ist eine bloße Zielbestimmung (RV 203 BlgNR 23. GP 5). Sie bezieht sich auf die Haushaltsführung der Gebietskörper-schaften, worunter nur die Budgetplanung, die Budgeterstellung, der Budgetvollzug und die Gebarungskontrolle zu verstehen sind (RV 203 BlgNR 23. GP 5), nicht aber die materielle Rechtsetzung (Lödl, Die Reform des Bundes-haushaltsrechts, JRP 2008, 101 [108 f]; Stöger, Art 51 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar [6. Lfg 2010] Rz 85), also auch nicht der Ab-schluss eines Staatsvertrags wie der ESM. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung scheidet daher von vornherein aus.

Aus Art 126b Abs 5 B-VG ist ein Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit abzuleiten, das sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollzie-hung bindet (VfSlg 12.929/1991 und — für sog. Ausgliederungen — VfSlg 14.473/1996) und daher wohl auch für Staatsverträge gilt. Die Rechtskontrolle des Verfassungsgerichtshofes beschränkt sich allerdings auf eine Vertretbarkeits-kontrolle (Kroneder-Partisch, Art 126b B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [4. Lfg 2001] Rz 37; Kucsko-Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT I/1 [2003] 61).

[…] In der Sache ist zunächst darauf hinzuweisen, dass durch den Abschluss des ESM-Vertrags nicht über die Verwendung des österreichischen Anteils am ge-nehmigten Kapital verfügt wurde. Zwar hat sich die Republik Österreich verpflichtet, ihren Anteil am eingezahlten Kapital zu leisten (vgl. Art 41) und Kapitalabrufen fristgerecht nachzukommen. Die Abrufung des genehmigten nicht eingezahlten Kapitals erfolgt durch den Gouverneursrat im gegenseitigen Einver-nehmen (Art5 Abs 6 litc iVm. Art 9 Abs 1) und erfordert daher die Einstimmigkeit (Art4 Abs 3), also auch die Zustimmung des österreichischen Mitglieds im Gouverneursrat, das dafür gemäß Art 50b Z 2 B-VG der Ermächtigung des Nationalrates bedarf. Erst die Gewährung von Stabilitätshilfe birgt ein wirtschaftliches Risiko. Sie erfolgt durch Beschluss des Gouverneursrats im gegenseitigen Einvernehmen (Art5 Abs 6 litf), wobei das österreichische Mitglied gemäß Art 50b Z 1 B-VG nur nach Ermächtigung des Nationalrates zustimmen darf. Erfolgt die Stabilitätshilfe mittels Darlehen des ESM, hat dieser den Rang eines bevorrechtigten Gläubigers (Erwägungsgrund 13).

[…] Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der ESM-Vertrag weder unsachlich ist noch gegen die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verstößt:

[…] Zur Entstehungsgeschichte des ESM-Vertrags wird in den Erläuterungen der Regierungsvorlage Folgendes ausgeführt (1731 BIgNR 24. GP 3 f):

'Ausschlaggebend für die Bemühungen zur Einrichtung von Stabilitätsmechanis-men für das Euro-Währungsgebiet war der im Frühjahr 2010 beobachtete, dramatische Anstieg der Risikoaufschläge für Staatsanleihen einiger Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets. Im Mai 2010 war ein Niveau erreicht, das im Falle von Griechenland kurz zuvor zum Verlust des Zugangs zu den Kapitalmärkten geführt hatte. Bei einem Sondergipfel des Europäischen Rates bestätigten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets ihre Entschlossenheit, alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Wahrung der Stabilität, Einheit und Integrität des Euro-Währungsgebiets auszuschöpfen. Kurz darauf beschloss der Rat der Europäischen Union (Wirtschaft und Finanzen) die Einrichtung eines bis Mitte 2013 befristeten Stabilisierungsmechanismus: die 'European Financial Stability Facility' (EFSF), die auf der Grundlage anteiliger Haftungen der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets operiert.

Am 28./ kam der Europäische Rat überein, dass die Mitglied-staaten einen ständigen Stabilitätsmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt einrichten müssen. Im November 2010 stellte Irland an die anderen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einen Antrag auf Gewährung von Finanzhilfe durch die EFSF, und auch die Risikoaufschläge portugiesischer Staatsanleihen stiegen weiter stark an. Bereits am hat die Euro-Gruppe in einer Erklärung allgemeine Merkmale des künftigen 'Europäischen Stabilitätsmechanismus' (ESM) festgelegt. Diese wurden am vom Europäischen Rat gebilligt. Es wurde beschlossen, dass der ESM auf den bestehenden Regeln und Verfahren der EFSF aufbauen soll: über den ESM wird Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets unter strikten Auflagen Finanzhilfe bereitgestellt. Der ESM unterscheidet sich von der EFSF durch seine ständige Einrichtung und eine bestehenden internationalen Finanzinstitutionen entsprechende Kapitalstruktur. In Ausnahmefällen ist eine Beteiligung des Privatsektors entsprechend der IWF-Praxis in Betracht zu ziehen. Die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets haben sich verpflichtet, zur Erleichterung des Verfahrens sogenannte Umschuldungsklauseln ('collective action clauses' — CAC) in die Vertragsbedingungen aller neuen Staatsschuldtitel mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr aufzunehmen. ESM wird außerdem einen bevorrechtigten Gläubigerstatus ('preferred creditor status') beanspruchen, wobei akzeptiert wird, dass der IWF gegenüber dem ESM als Gläubiger vorrangig ist.

Auf dieser Grundlage erfolgte unter Einbindung der Nicht-Eurozonen-Mitgliedstaaten die Erarbeitung der genauen Ausgestaltung des ESM, die am von den Finanzministern beschlossen und am in Form einer Vereinbarung über die Merkmale des Europäischen Stabilitätsmechanismus vom Europäischen Rat gebilligt wurde (sogenanntes 'Term Sheet').

Am hat der Europäische Rat den Beschluss 2011/199/EU zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) angenommen, womit Artikel 136 folgender Absatz angefügt wird: 'Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsme-chanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.' Der ESM. erfüllt die darin getroffenen Vorgaben für einen Stabili-tätsmechanismus, der im vorliegenden Fall mittels EU-rechtskonformen völkerrechtlichen Vertrags eingerichtet wird. Bei den Verhandlungen wurde der Frage des Verhältnisses des ESM-Vertrags zum Recht der Europäischen Union besonderes Augenmerk gewidmet. Insbesondere wurden die zur Verfügung stehenden Finanzhilfeinstrumente so gewählt, dass sie jedenfalls im Einklang mit den Bestimmungen des Artikel 125 Abs 1 AEUV stehen.

Auf Grundlage des 'Term Sheets' wurden Verhandlungen über den Vertrag zur Einrichtung des ESM aufgenommen und am durch die Finanzminis-ter des Euro-Währungsgebiets abgeschlossen. Am ermächtigten die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Vertragsparteien des ESM-Vertrags außerdem, die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) dazu aufzufordern, die im Vertrag vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen. Der Europäische Rat hat den Vertragstext am begrüßt, allerdings stieg die Unsicherheit auf den Finanzmärkten weiter an, da traditionell auf den europäischen Anleihenmärkten tätige Investoren aufgrund der allgemein hohen Schuldenquoten der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vermehrt Ansteckungsgefahren orteten. Am fassten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets daher weite-re Beschlüsse, die zu Nachverhandlungen führten und die Palette an Instrumenten erweiterten. Zusätzlich zur Kreditvergabe und Interventionen am Primärmarkt sollen präventive Maßnahmen, die Rekapitalisierung von Finanzin-stituten sowie Interventionen am Sekundärmarkt möglich sein. Die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets haben anlässlich des Europäischen Rates vom 8./ weitere konkrete Vorgaben zur Frage der Ge-samtausstattung von EFSF/ESM, der Privatsektoreinbindung und der Schaffung eines Dringlichkeitsverfahrens mit qualifizierter Mehrheit beschlossen. Die Nachverhandlungen wurden von den Finanzminister/innen des Euro-Währungsgebiets am abgeschlossen. Das federführend zuständige Bundesministerium für Finanzen hat dem Nationalrat und dem Bundesrat laufend über den Fortgang der Verhandlungen berichtet.'

Vor dem Hintergrund dieser gesamteuropäischen Entwicklung bedarf es nach Auffassung der Bundesregierung keines weiteren Nachweises, dass der Abschluss eines Staatsvertrags zur Einrichtung einer internationalen Finanzinstitution, dessen Ziel die Mobilisierung von Finanzmitteln zur Bereitstellung von Stabili-tätshilfen für seine Mitglieder, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitglieder unabdingbar ist (Art3), nicht unsachlich ist und auch nicht gegen das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaft-lichkeit und Zweckmäßigkeit verstößt.

Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht hat einen weiten Einschätzungs-spielraum von Bundestag und Bundesregierung hinsichtlich der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am ESM akzeptiert: Die Annahme, dass mit der Zurverfügungstellung der deutschen Anteile am ESM noch überschaubare Risiken eingegangen würden, während ohne die Gewährung von Finanzfazilitäten durch den ESM nicht absehbare, schwerwiegende Konsequenzen für das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem drohten, sei nicht evident fehlerhaft; das Bundes-verfassungsgericht dürfe daher seine Einschätzung nicht an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom , Rz 271; vgl. auch aa0 Rz 217).

Nach Auffassung der Bundesregierung tragen auch die in den Art 50a bis 50d B-VG und im Geschäftsordnungsgesetz 1975 idF BGBl I Nr 66/2012 vorgesehe-nen Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der innerstaatlichen Willensbildung in Bezug auf den ESM und die Unterrichtungs- und Berichtspflichten des zustän-digen Bundesministers zur sachlichen Rechtfertigung des ESM-Vertrags bei. Insbesondere darf der österreichische Vertreter im ESM jenen Beschlüssen, die potenziell weitreichende Auswirkungen auf den österreichischen Bundeshaushalt haben, nur auf Grund einer Ermächtigung des Nationalrates zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten (Art50b B-VG; IA 1985/A 24. GP 6).

[…] Der ESM ist ein dauerhafter Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes (vgl. Erwägungsgrund 1, in dem von einem 'ständi-gen Stabilitätsmechanismus' die Rede ist), der allen Mitgliedern, also auch der Republik Österreich, unter denselben Bedingungen Stabilitätshilfe bereitstellt. Die Gewährung von Stabilitätshilfe ist nur zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitglieder zulässig und darf nur unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen erfolgen (Art12 Abs 1). Es ist für die Bundesregierung daher nicht nachvollzieh-bar, warum durch den ESM eine unsachliche Privilegierung einzelner Mitglieder des ESM erfolgen sollte. Die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes ist aber auch dann im wirtschaftlichen und politischen Inte-resse der Republik Österreich, wenn sie selbst keine Stabilitätshilfe in Anspruch nimmt.

[…] Auch die Beschränkung der Vertragsparteien auf jene Staaten, deren Währung der Euro ist, ist nicht unsachlich. Zum einen liegt es auf der Hand, dass angesichts der starken Interdependenzen innerhalb des Euro-Währungsgebietes ernsthafte Risiken für die Finanzstabilität einzelner solcher Staaten die Finanzstabilität des gesamten Euro-Währungsgebietes gefährdet (vgl. Erwägungsgrund 6), sodass hinsichtlich dieser Staaten die Einrichtung einer gemeinsamen Finanzinstitution, die solchen Gefahren vorbeugen soll, jedenfalls sachgerecht erscheint. Zum anderen kann (und soll) in einem so eng miteinander verbundenen Wirtschafts- und Finanzraum wie jenem der Europäischen Union gar nicht ausgeschlossen werden, dass die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes positive Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat. Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, können zwar nicht Mitglieder des ESM werden. Wenn sie sich jedoch im Einzelfall neben dem ESM an einer Stabilitätshilfsmaßnahme für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes beteiligen, werden sie als Beobachter zu den Sitzungen des ESM eingeladen, auf denen diese Stabilitätshilfemaßnahmen und ihre Überwachung erörtert werden. Sie erhalten überdies zeitnahen Zugang zu sämtlichen Informationen und werden ordnungsgemäß konsultiert (vgl. Erwägungsgrund 9).

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 9 Abs 2 B-VG

[…] Die antragstellende Landesregierung hegt das Bedenken, dass durch den ESM-Vertrag erheblich mehr als nur einzelne Hoheitsrechte auf eine zwischen-staatliche Einrichtung übertragen würden. Der ESM-Vertrag sei daher 'mangels Herauslösbarkeit' zur Gänze verfassungswidrig.

[…] Vorauszuschicken ist, dass nicht alle im Antrag (S 15 f) aufgelisteten Bestim-mungen eine Übertragung von Hoheitsrechten iSd. Art 9 Abs 2 B-VG vorsehen. So ist etwa die in Art 10 Abs 1 ESM-Vertrag vorgesehene Veränderung des genehmigten Stammkapitals und die damit verbundene Änderung von Art 8 und Anhang II keine Übertragung von Hoheitsrechten, da ein entsprechender Be-schluss des Gouverneursrats erst in Kraft tritt, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert ha-ben. Ein solcher Beschluss stellt vielmehr einen Staatsvertrag iSd. Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG dar (und bedarf der vorherigen Ermächtigung des österreichischen Vertreters im Gouverneursrat gemäß Art 50b Z 2 B-VG).

[…] Gemäß Art 9 Abs 2 B-VG können durch Gesetz oder durch einen gemäß Art 50 Abs 1 genehmigten Staatsvertrag einzelne Hoheitsrechte auf andere Staaten oder zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden. Durch diese Bestim-mung sollte eine maßgebliche Erleichterung für die völkerrechtlichen Beziehungen der Republik Österreich geschaffen werden: Angesichts der 'seit 1945 immer deutlicher in Erscheinung tretende[n] institutionell-organisatorische[n] Integration der zwischenstaatlichen Beziehungen […] die sich vor allem in der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf internationale Organisationen gezeigt hat' solle es aufgrund von Art 9 Abs 2 B-VG 'künftig nicht erforderlich sein, die entsprechenden Bestimmungen als verfassungsändernd [...] zu behandeln' (RV 427 BlgNR 15. GP 9). Art 9 Abs 2 B-VG erlaubt daher jedenfalls die Übertragung von Hoheitsrechten der Art, wie sie zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestanden haben.

Hinsichtlich des Umfangs der Übertragung geht die Lehre davon aus, dass —angesichts des Bestandes an Beschlussbefugnissen zwischenstaatlicher Einrichtungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art 9 Abs 2 B-VG — die Wendung 'einzelne Hoheitsrechte' nicht zu eng verstanden werden darf (Griller, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen [1989] 247; Öhlinger, Art 9/2 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [9. Lfg 2009] Rz 13; Cl. Mayer, Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU und Europäischer Stabilitätsmechanis-mus, JRP 2012, 124 [136]). Nach herrschender Auffassung deckt Art 9 Abs 2 B-VG aber nur die Übertragung von Hoheitsbefugnissen, deren Umfang deutlich unter dem Stand der Hoheitsbefugnisse bleibt, die der Europäischen Gemein-schaft im Jahr 1981 zukamen (Griller, aa0 248; Öhlinger, aa0 Rz 13).

[…] Vor diesem Hintergrund geht die Bundesregierung davon aus, dass durch den ESM-Vertrag nur einzelne Hoheitsrechte übertragen werden. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art 9 Abs 2 B-VG waren etwa durch das Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds, BGBl Nr 105/1949, das eine dem ESM vergleichbare internationale Finanzinstitution geschaffen hat, Hoheitsrechte in einem Umfang an eine zwischenstaatliche Einrichtung übertragen, der durch den ESM-Vertrag nicht überschritten wird (vgl. die Aufzählung der durch dieses Über-einkommen übertragenen Hoheitsrechte in Art 3 Abs 2 Z 1 der Regierungsvorlage zum Ersten Staatsverträge-Sanierungsgesetz, 122 BlgNR 13. GP). Zudem bleibt der Umfang der durch den ESM-Vertrag übertragenen Hoheitsrechte deutlich unter dem Stand der Hoheitsbefugnisse, die der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1981 zukamen."

4.3.2. Den in den Eventualanträgen der Kärntner Landesregierung geäußerten Bedenken entgegnet die Bundesregierung wie folgt:

"[…] Zu den Bedenken gegen Art 19 ESM-Vertrag

[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, die Wortfolge 'und beschlie-ßen, sie zu ändern' in Art 19 sei nicht hinreichend determiniert. Es handle sich um eine Übertragung von Hoheitsrechten, die gleichwohl dem Determinierungs-gebot des Art 18 B-VG entsprechen müsse.

[…] Gemäß Art 12 Abs 1 kann der ESM einem ESM-Mitglied Stabilitätshilfe gewähren, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Die ESM-Stabilitätshilfe kann gemäß Art 12 Abs 2 — unbeschadet des Art 19 — mittels der in den Art 14 bis 18 vorgesehenen Instrumenten gewährt werden, das sind die vorsorgliche ESM-Finanzhilfe, die Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds, ESM-Darlehen, die Primärmarkt-Unterstützungsfazilität und die Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität. Gemäß Art 19 kann der Gouverneursrat die in den Art 14 bis 18 vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern.

Gemäß Art 5 Abs 6 liti fasst der Gouverneursrat Beschlüsse über Änderungen an der Liste der Finanzhilfeinstrumente im gegenseitigen Einvernehmen. Einver-nehmen erfordert gemäß Art 4 Abs 3 die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder, die durch Enthaltung allerdings nicht verhindert wird. Gemäß Art 50b Z 3 B-VG (vgl. auch § 74d GOG 1975) darf der österreichische Vertreter im Gouverneursrat einer solchen Änderung nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, wenn ihn der Nationalrat auf Grund eines Vorschlages der Bundesregierung dazu ermächtigt hat, wobei in Fällen besonde-rer Dringlichkeit der zuständige Bundesminister den Nationalrat befassen kann. Ohne Ermächtigung des Nationalrates muss der österreichische Vertreter im Gouverneursrat den Vorschlag für einen solchen Beschluss ablehnen.

[…] Es kann dahinstehen, ob Art 19 ESM-Vertrag Hoheitsrechte iSd. Art 9 Abs 2 B-VG überträgt. Das Determinierungsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG gelangt nämlich keinesfalls zur Anwendung. Der gemäß Art 19 zur Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente berufene Gouverneursrat führt nämlich keine 'staatliche Verwaltung' iSd. B-VG. Allenfalls könnte es sich bei der Mitwirkung österreichischen Mitgliedes im Gouverneursrat um staatliche Verwaltung handeln. Dessen Verhalten bei einer Beschlussfassung über Änderungen der Finanzhilfeinstrumente ist aber unmittelbar durch Art 50b Z 3 B-VG, der für ein bestimmtes Stimmverhalten eine Ermächtigung des Nationalrates vorsieht, determiniert. Auch die Lehre geht davon aus, dass für bestimmte Rechtsakte im Rahmen der Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten, für die eine verfassungsgesetzliche Ermächtigung zur unmittelbaren Vollziehung besteht, eine einfachgesetzliche Konkretisierung nicht geboten bzw. sogar ausgeschlossen ist (Rill, Art 18 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar [1. Lfg 2001] Rz 49), nennt beispielhaft die parlamentarische Einflussnahme auf die Mitwirkung der österreichischen Regierungsorgane an der Willensbildung in der EU).

Selbst wenn man aber das Determinierungsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG an Art 19 anlegte, erschiene diese Bestimmung hinreichend bestimmt. Nach der Recht-sprechung des Verfassungsgerichtshofes verlangt Art 18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad (VfSlg 13.875/1994). Wie ausgeführt soll der ESM ein dauerhafter Stabilitätsmechanis-mus für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes sein. Er ist nicht auf die Bewältigung der gegenwärtigen Finanzkrise beschränkt. Es ist aber unmöglich, alle künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen oder die Entwicklung neuer Finanz-instrumente vorherzusehen. Soll der ESM seine Funktion als dauerhafter Stabilitätsmechanismus, der rasch Finanzmittel mobilisieren und ESM-Mitgliedern eine Stabilitätshilfe gewähren kann, effektiv erfüllen können, muss es eine Möglichkeit geben, im konkreten Fall der Gewährung einer Stabilitätshilfe die Liste der Finanzinstrumente an die jeweilige wirtschaftliche Situation und die finanztechnischen Entwicklungen und Notwendigkeiten anzupassen, ohne dass es dazu einer Vertragsänderung durch alle Vertragsparteien bedarf. Art 19 gewährleistet eine solche Möglichkeit.

[…] Zu den Bedenken gegen Art 25 Abs 2 und 3 ESM-Vertrag

[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, es sei unklar, ob auch für einen revidierten erhöhten Kapitalabruf nach Art 25 Abs 2 erster Satz die Haf-tungsbeschränkung des Art 8 Abs 5 gelte, wonach die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapi-tal zum Ausgabekurs begrenzt bleibe. Wortlaut, Zweck und Systematik deuteten darauf hin, dass Art 25 Abs 2 erster Satz eine lex specialis zur Haftungsbe-schränkung des Art 8 Abs 5 darstelle. Da Zweifel über die Reichweite der Einzahlungspflicht nach Art 25 Abs 2 erster Satz bestünden, werde 'das nach dem Legalitätsprinzip nach Art 18 Abs 1 B-VG verfassungsrechtlich gebotene Maß inhaltlicher Bestimmtheit unterschritten'.

[…] Nach Auffassung der Bundesregierung kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Haftungsbeschränkung des Art 8 Abs 5 auch im Fall eines revidierten erhöhten Kapitalabrufs gilt. Der Wortlaut des Art 8 Abs 5 könnte nicht klarer formuliert sein: Die Haftung eines ESM-Mitglieds bleibt 'unter allen Umständen' auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt. Das genehmigte Stammkapital wird gemäß Art 8 Abs 2 in eingezahlte und abrufbare Anteile unterteilt; Veränderungen des genehmigten Stammkapitals — und damit auch der Anteile eines jeden ESM-Mitglieds — sind nur im Verfahren gemäß Art 10 Abs 1 möglich. Die Haftungsbeschränkung des Art 8 Abs 5 bezieht sich daher auf die Summe der eingezahlten Anteile und der Kapitalabrufe, einschließlich solcher nach Art 25 Abs 2 (ebenso BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom , Rz 249).

Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass die Haftungs-beschränkung des Art 8 Abs 5 für sämtliche Kapitalabrufe einschließlich eines revidierten erhöhten Kapitalabrufes gelten dürfte. Es hält allerdings eine Ausle-gung des ESM-Vertrags dahingehend, dass sich die ESM-Mitgliedstaaten bei einem revidierten erhöhten Kapitalabruf nicht auf die Haftungsbeschränkung des Art 8 Abs 5 berufen können, für 'nicht ausgeschlossen' (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom , Rz 250 ff, hier Rz 252; vgl. in diesem Zusammenhang die oben Pkt. 1.9 wiedergegebene Auslegungserklärung). Dass der österreichi-sche Nationalrat bei der Genehmigung des ESM-Vertrags — die in der 164. Sitzung des Nationalrates in der 24. GP am , also vor dem Urteil des deut-schen Bundesverfassungsgerichts vom erfolgt ist — keine solchen Zweifel gehabt hat, zeigen die Erläuterungen zu Art 8 Abs 5, nach denen '[a]llfällige Kapitalabrufe [...] jedenfalls durch den in Anhang II ausgewiesenen Betrag (abzüglich des eingezahlten Kapitals) begrenzt [wären]' (1731 BlgNR 24. GP 7).

Anzumerken ist, dass ein revidierter erhöhter Kapitalabruf lediglich einen tempo-rären Ausgleich für den Anteil eines in Zahlungsverzug geratenen ESM-Mitglieds darstellt. Dieses ESM-Mitglied ist von der Begleichung seiner Schuld keineswegs befreit (vgl. Art 25 Abs 2 Satz 2 und 3); begleicht es seine Schuld gegenüber dem ESM, wird das überschüssige Kapital an die anderen ESM-Mitglieder zurück-gezahlt (Art25 Abs 3).

[…] Insoweit die antragstellende Landesregierung ausführt, 'ein Staatsorgan, das den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit gemäß Art 126b Abs 5 B-VG verpflichtet ist und nach Art 13 Abs 2 B-VG einen nach-haltig geordneten Haushalt anzustreben hat', hätte sich nicht auf eine solche staatsvertragliche Regelung einlassen dürfen' (Antrag S 20), handelt es sich um eine politische Aussage. Ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen des B-VG wird jedenfalls nicht behauptet.

[…] Zu den Bedenken gegen Art 35 Abs 1 und 2 ESM-Vertrag

[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, die Wortfolge 'der Vorsit-zende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats' in Art 35 Abs 1 und eine entsprechende Wortfolge in Art 35 Abs 2 habe die persönliche Immu-nität des Bundesministers für Finanzen in seiner Eigenschaft als Mitglied des Gouverneursrats von der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art 142 Abs 2 Iit. b B-VG zur Folge und begründe eine Ausnahme von der rechtlichen Verantwortlichkeit der Mitglieder der Bundesregierung nach Art 76 Abs 1 B-VG.

[…] Gemäß Art 35 Abs 1 genießen im Interesse des ESM ua, der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenomme-nen Handlungen. Diese Immunität kann gemäß Art 35 Abs 2 nur vom Gouverneursrat aufgehoben werden. Das von jedem ESM-Mitglied zu ernennende Mitglied des Gouverneursrats ist gemäß Art 5 Abs 1 dritter Satz ein Regierungsmitglied mit Zuständigkeit für die Finanzen. Das Mitglied der Republik Österreich im Gouverneursrat ist der Bundesminister für Finanzen (Abschnitt D. des Teils 2 der Anlage zu § 2 BMG).

Gemäß Art 76 Abs 1 B-VG sind die Mitglieder der Bundesregierung dem Natio-nalrat gemäß Art 142 B-VG verantwortlich. Gemäß Art 142 Abs 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Anklage, mit der die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird. Die Anklage kann gemäß Abs 2 litb leg.cit. gegen die Mitglieder der Bundesre-gierung wegen Gesetzesverletzung durch Beschluss des Nationalrates erhoben werden.

[…] Klarzustellen ist zunächst, dass Beschlüsse und sonstige Handlungen des Gouverneursrats dem ESM, der eine eigenhändige Rechtspersönlichkeit besitzt (Art32 Abs 2), nicht aber der Republik Österreich zuzurechnen sind (Griller, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen [1989] 313) und daher auch unter staatsrechtlichen Gesichtspunkten vom B-VG — insbesondere von dessen Art 76 und 142 — nicht erfasst werden.

[…] Fraglich ist, ob die in Art 35 Abs 1 vorgesehene 'Immunität von der Ge-richtsbarkeit' auch die in Art 142 B-VG geregelte besondere rechtliche Verantwortlichkeit der obersten Staatsorgane, also auch Fälle einer sog. Staats-gerichtsbarkeit erfasst. Art 35 Abs 1 enthält keine Definition des Begriffes 'Gerichtsbarkeit' und auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergibt sich keine verbindliche Bedeutung. Die Bedeutung dieses Begriffes muss daher durch Auslegung des ESM-Vertrags ermittelt werden, wobei nach den völkerrechtlichen Auslegungsregeln auch die Gründungsverträge anderer internationaler vergleichbare Immunitätsregelung enthalten, heranzuziehen sind.

Bei internationalen Finanzinstitutionen genießen die von den Vertragsparteien ernannten Organmitglieder — darunter auch die üblicherweise vom Bundesminister für Finanzen ausgeübte Funktion eines Gouverneurs — regelmäßig funktionelle Immunität in allen Mitgliedstaaten, einschließlich ihres Heimatstaates (zB ArtVII Abs 8 des Abkommens der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Wirtschaftsförderung, BGBI. Nr 105/1949 ['Immunität gegenüber gerichtlichen Verfahren'], Art 55 Zi des Abkommens über die Errichtung der Asiatischen Entwicklungsbank, BGBI. Nr 13/1967 ['Immunität gegenüber gerichtlichen Verfahren'], ArtIX Abschnitt 8 lita des Übereinkommens zur Errichtung der Inter-Amerikanischen Entwicklungsbank, BGBI. Nr 174/1977 'Immunität von Gerichtsbarkeit'], ArtIX Abschnitt 8 Zi des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds, BGBI. Nr 189/1978 ['Immunität von der Gerichtsbarkeit'], oder Art 51 des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, BGBI. Nr 222/1991 ['Immunität von der Gerichtsbarkeit']). Allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, dass die Immunität nicht den persönlichen Schutz der Gouverneure als Organwalter bezweckt, sondern ausschließlich den Schutz der Finanzinstitution, die daher auch alleine über die Aufhebung der Immunität entscheidet. Maßgeblich für diese Entscheidung ist, ob eine Aufhebung der Immunität die Funktion der Institution beeinträchtigen würde. Art 35 entspricht den bei internationalen Finanzinstitutionen üblichen Regelungen, die als Vorbild gedient haben (vgl. die Erläuterungen 1731 BlgNR 24. GP 9).

Beachtlich ist, dass bei jenen Gründungsverträgen anderer internationaler Fi-nanzinstitutionen, bei denen einzelne Bestimmungen als verfassungsändernd genehmigt worden sind, die Immunitätsbestimmungen nicht dazu zählten (vgl. hinsichtlich des Abkommens BGBI. Nr 13/1967 die 'Entkleidung' von Verfas-sungsbestimmungen durch § 7 Abs 1 Z 10 des Ersten Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetzes — 1. BVRBG, BGBI. I Nr 2/2008, hinsichtlich des Übereinkommens BGBI. Nr 174/1977 die 'Entkleidung' von Verfassungsbestimmungen durch § 7 Abs 1 Z 47 des 1. BVRBG und hinsichtlich des Übereinkommens BGBI. Nr 189/1978 die 'Entkleidung' von Verfassungsbe-stimmungen durch § 7 Abs 1 Z 53 des 1. BVRBG). Die (internationale) Staatspraxis ist offenbar einheitlich davon ausgegangen, dass die völkerrechtlich vorgesehene Immunität des Bundesministers für Finanzen als Gouverneur einer internationalen Finanzinstitution nicht mit der Staatsgerichtsbarkeit des Art 142 B-VG unvereinbar ist. Nichts anderes kann dann aber für die in Art 35 Abs 1 vorgesehene Immunität der Mitglieder des Gouverneursrats 'von der Gerichts-barkeit' gelten. Eine solche Auslegung stimmt auch mit dem zuvor erwähnten Telos solcher Immunitätsbestimmungen überein: Eine Anklage gegen den Bun-desminister für Finanzen gemäß Art 142 B-VG, weil er etwa seine Informationspflichten gegenüber dem Nationalrat oder dessen Mitwirkungsrechte nach den Art 50a ff B-VG verletzt hat, würde die Funktion des ESM als ein ständiger Stabilitätsmechanismus der Euro-Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen. Mit einer solchen Anklage würde lediglich die politisch-rechtliche Verantwortlichkeit des Bundesministers für Finanzen gegenüber dem Nationalrat, die eine demokratische Komponente aufweist, effektuiert. In vergleichbarer Weise geht die oben (Pkt. I.9) wiedergegebene Auslegungserklärung davon aus, dass die Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 der Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegenstehen.

[…] Zu den Bedenken gegen Art 32 Abs 5 und Art 34 ESM-Vertrag

[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, die in Art 32 Abs 5 vorge-sehene Unverletzlichkeit der Archive und Urkunden des ESM und die in Art 34 vorgesehene berufliche Schweigepflicht der Mitglieder des Gouverneursrats stünden in Widerspruch zu den Informations- und Mitwirkungsrechten des Nationalrates nach Art 50a ff B-VG. Die Beschlussfassung des Nationalrates über eine Ermächtigung des österreichischen Vertreters im ESM gemäß Art 50b B-VG und die Wahrnehmung weiterer Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der Ausübung von dessen Stimmrecht gemäß Art 50d Abs 2 B-VG setzten voraus, dass der Nationalrat über die erforderlichen Informationen verfüge. Der zustän-dige Bundesminister könne seinen Informationspflichten gemäß Art 50c B-VG gegenüber dem Nationalrat auf Grund der angefochtenen Bestimmungen nicht voll nachkommen.

[…] Gemäß Art 32 Abs 5 sind die Archive und Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, unverletzlich. Gemäß Art 34 geben ua. die Mitglieder des Gouverneursrats keine der beruflichen Schweigepflicht unterlie-genden Informationen weiter. Auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit dürfen sie keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weiterge-ben. Gemäß Art 35 Abs 1 genießen ua. die Mitglieder des Gouverneursrats Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.

Durch die ESM-Begleitnovelle wurden in den Art 50a bis 50d B-VG und durch eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der innerstaatlichen Willensbildung in Bezug auf den ESM und Unterrichtungs- und Berichtspflichten des zuständigen Bundesministers vorgese-hen (vgl. oben Pkt. I.7).

[…] Art 34 enthält keine nähere Bestimmung des Begriffes der 'beruflichen Schweigepflicht'. Auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergibt sich keine ver-bindliche Bedeutung. Ähnliches gilt hinsichtlich der Unverletzlichkeit der Archive und Unterlagen des ESM. Der Umfang der beruflichen Schweigepflicht und der Unverletzlichkeit der Archive und Unterlagen des ESM ergibt sich im hier rele-vanten Zusammenhang aber aus der gemäß Art 5 Abs 9 vom Gouverneursrat am angenommenen Satzung […].

Gemäß Art 1 Z 1 und 2 der Satzung ergänzt diese den ESM-Vertrag und ist im Sinne dieses Vertrags auszulegen. Im Fall eines Widerspruches zwischen der Satzung und dem ESM-Vertrag hat der Vertrag Vorrang. Art 17 der Satzung regelt unter der Überschrift 'Offenlegung von Dokumenten' ('Disclosure of Do-cuments') gemäß Z 1 die Bedingungen, unter denen der ESM Dokumente, die von ihm erstellt wurden oder sich in seinem Besitz befinden, anderen natürlichen oder juristischen Personen übermitteln oder sonst nach außen hin offen legen darf ('This Article 17 sets forth the conditions under which the ESM may commu-nicate documents drawn up or held by the ESM to other persons or entities or otherwise disclose such documents externally.'). Gemäß Art 17 Abs 1 litb der Satzung regelt dieser Artikel nicht den Informationsfluss innerhalb und zwischen den nationalen Regierungen und Parlamenten der ESM-Mitglieder ('This Article 17 does not concern [...] the flow of Information within and between the natio-nal governments and parliaments of ESM Members [...]'). Gemäß Art 17 Z 11 der Satzung verweist der ESM Informationsersuchen oder Anträge auf Dokumente, die von nationalen Parlamenten der ESM-Mitglieder gestellt werden, an die Regierung des jeweiligen ESM-Mitglieds ('The ESM shall refer requests of Infor-mation or documents by national Parlaments of ESM Members to the govern-ment of the relevant ESM Member'.).

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich nach Auffassung der Bundesregierung eindeutig, dass sich die berufliche Schweigepflicht gemäß Art 34 und die Unver-letzlichkeit der Archive und Unterlagen des ESM gemäß Art 32 Abs 5 nicht auf die Unterrichtung des Parlaments eines ESM-Mitglieds durch dessen Regierung bezieht und einer Unterrichtung daher auch nicht entgegen steht. Ob und in welcher Form eine solche Unterrichtung erfolgt, ist vielmehr eine Sache des nationalen (Verfassungs-)Rechts.

In ähnlicher Weise ist das deutsche Bundesverfassungsgericht davon ausgegan-gen, dass eine Auslegung 'nahe liegt', nach der durch die Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 eine umfassende Information der nationalen Parlamente nicht ausgeschlossen wird, da diese Regelungen vor allem Informationsflüsse an unbe-rechtigte Dritte, etwa Beteiligte am Kapitalmarkt, unterbinden wollen (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom , Rz 256 ff). Diese Auslegung ist durch die oben (Pkt. I.9) wiedergegebene Auslegungserklärung bestätigt worden, nach der die genannten Bestimmungen der umfassenden Unterrichtung nationaler Parla-mente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegenstehen.

[…] Ein Widerspruch der Art 32 Abs 5 und Art 34 mit Art 50b, Art 50c und Art 50d Abs 2 B-VG liegt nach Auffassung der Bundesregierung daher nicht vor. Ein Widerspruch mit Art 50a B-VG, der lediglich in allgemeiner Art die Mitwirkung des Nationalrates in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus vorsieht, mit Art 50d Abs 1 B-VG, der den Geschäftsordnungsgesetzgeber zur näheren Regelung der Art 50b und 50c Abs 2 und 3 B-VG ermächtigt, und zu Art 50d Abs 3 B-VG, der Regelungen über die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte des Nationalrates in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus durch Ausschüsse und deren Zusammensetzung regelt, ist von vornherein ausgeschlossen.

[…] Sollte der Verfassungsgerichtshof dennoch einen solchen Widerspruch fin-den, wären die Bestimmungen des B-VG völkerrechtskonform so einschränkend auszulegen, dass ein Widerspruch nicht entsteht. Nach der Begründung des Initiativantrages betreffend die ESM-Begleitnovelle wurden die Regelungen dieser Novelle nämlich 'so gestaltet, dass Österreich in jedem Fall seine vertraglichen Verpflichtungen aufgrund des ESM-Vertrags einhält' (1985/A BIgNR 24. GP 5).

[…] Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass der ESM-Vertrag nach An-sicht der Bundesregierung nicht rechtswidrig ist."

4.4. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof dennoch eine Rechtswidrigkeit feststellen sollte, beantragt die Bundesregierung, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140a Z 1 B-VG eine Frist von zwei Jahren festsetzen, innerhalb derer der ESMV weiterhin anzuwenden ist. Diese Frist sei erforderlich, um die erforderlichen rechtlichen Vorkehrungen, insbesondere auch auf völkerrechtlicher Ebene, zu treffen.

5. Der Verfassungsgerichtshof führte am eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser nahmen die Parteien insbesondere zu Fragen nach der Bedeutung des , Pringle , zur Bedeutung einzelner, Organen des ESM zukommender Befugnisse im Hinblick auf Art 9 Abs 2 B VG, zum Verständnis und zum Hintergrund einzelner Bestimmungen des ESMV und zur Bedeutung und zum Zustandekommen der von den Vertragsparteien am vereinbarten Auslegungserklärung Stellung.

II. Rechtslage

1. Der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland (Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus — ESMV) ist im BGBl III 138/2012 wie folgt kundgemacht (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Der Nationalrat hat beschlossen:

1. Der Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages wird gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG genehmigt.

2. Die englische, estnische, finnische, französische, griechische, irische, italienische, maltesische, niederländische, portugiesische, schwedische, slowakische, slowenische sowie spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages sind gemäß Art 49 Abs 2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland

[Vertragstext in deutscher Sprachfassung siehe Anlagen]

Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am beim Generalsekretär des Rates der Europäischen Union hinterlegt; der Vertrag tritt daher gemäß seinem Art 48 Abs 1 mit in Kraft.

Nach Mitteilung des Generalsekretärs des Rates der Europäischen Union haben folgende weitere Staaten den Vertrag ratifiziert, angenommen oder genehmigt:

Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Zypern.

Ferner haben die Vertreter der Vertragsparteien, die am in Brüssel zusammengetreten sind, folgende Auslegungserklärung vereinbart:

Art8 Abs 5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden 'Vertrag') begrenzt sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds unter Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt.

Art32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 des Vertrages stehen der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen.

Die oben genannten Punkte stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein."

2. Die Bestimmungen des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland (Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus — ESMV), BGBl III 138/2012, auf die sich die Bedenken der Kärntner Landesregierung im Wesentlichen beziehen, lauten:

"ARTIKEL 3

Zweck

Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt.

KAPITEL 2

GESCHÄFTSFÜHRUNG

ARTIKEL 4

Aufbau und Abstimmungsregeln

(1) Der ESM hat einen Gouverneursrat und ein Direktorium sowie einen Geschäftsführenden Direktor und andere für erforderlich erachtete eigene Bedienstete.

(2) Der Gouverneursrat und das Direktorium beschließen nach Maßgabe dieses Vertrags in gegenseitigem Einvernehmen, mit qualifizierter Mehrheit oder mit einfacher Mehrheit. Bei allen Beschlüssen ist die Beschlussfähigkeit erreicht, wenn 2/3 der stimmberechtigten Mitglieder, auf die insgesamt mindestens 2/3 der Stimmrechte entfallen, anwesend sind.

(3) Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen erfordert die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder. Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen wird durch Enthaltungen nicht verhindert.

(4) Abweichend von Absatz 3 wird in Fällen, in denen die Europäische Kommission und die EZB beide zu dem Schluss gelangen, dass die Unterlassung der dringlichen Annahme eines Beschlusses zur Gewährung oder Durchführung von Finanzhilfe in aller Eile gemäß der Regelung in den Artikeln 13 bis 18 die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets bedrohen würde, ein Dringlichkeitsabstimmungsverfahren angewandt. Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen durch den Gouverneursrat gemäß Artikel 5 Absatz 6 Buchstaben f und g und durch das Direktorium nach diesem Dringlichkeitsverfahren erfordert eine qualifizierte Mehrheit von 85 % der abgegebenen Stimmen.

[…]

(5) Für die Annahme eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit sind 80 % der abgegebenen Stimmen erforderlich.

(6) Für die Annahme eines Beschlusses mit einfacher Mehrheit ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.

(7) Die Stimmrechte eines jeden ESM-Mitglieds, die von dessen Beauftragten oder dem Vertreter des Letztgenannten im Gouverneursrat oder im Direktorium ausgeübt werden, entsprechen der Zahl der Anteile, die dem betreffenden Mitglied gemäß Anhang II am genehmigten Stammkapital des ESM zugeteilt wurden.

(8) Versäumt es ein ESM-Mitglied, den Betrag, der aufgrund seiner Verpflichtungen im Zusammenhang mit eingezahlten Anteilen oder Kapitalabrufen nach Maßgabe der Artikel 8, 9 und 10 oder im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Finanzhilfe nach Maßgabe der Artikel 16 oder 17 fällig werden, in voller Höhe zu begleichen, so werden sämtliche Stimmrechte dieses ESM-Mitglieds solange ausgesetzt, bis die Zahlung erfolgt ist. Die Stimmrechtsschwellen werden entsprechend neu berechnet.

ARTIKEL 5

Gouverneursrat

(1) Jedes ESM-Mitglied ernennt ein Mitglied des Gouverneursrats und ein stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats. Die Ernennungen können jederzeit widerrufen werden. Das Mitglied des Gouverneursrats ist ein Regierungsmitglied des jeweiligen ESM-Mitglieds mit Zuständigkeit für die Finanzen. […]

(2) Der Gouverneursrat beschließt entweder, seinen Vorsitz dem in dem dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokoll (Nr 14) betreffend die Euro-Gruppe genannten Präsidenten der Euro-Gruppe zu übertragen, oder er wählt aus dem Kreis seiner Mitglieder einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden für eine Amtszeit von zwei Jahren. […]

(3) Das für Wirtschaft und Währung zuständige Mitglied der Europäischen Kommission und der Präsident der EZB sowie der Präsident der Euro-Gruppe (sofern er nicht der Vorsitzende oder ein Mitglied des Gouverneursrats ist) können als Beobachter an den Sitzungen des Gouverneursrats teilnehmen.

(4) Vertreter der Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören und sich auf Ad-hoc-Basis neben dem ESM an einer Stabilitätshilfemaßnahme für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets beteiligen, werden ebenfalls als Beobachter zu den Sitzungen des Gouverneursrats eingeladen, auf denen diese Stabilitätshilfe und ihre Überwachung erörtert werden.

[…]

(6) Der Gouverneursrat fasst die folgenden Beschlüsse im gegenseitigen Einvernehmen:

[…]

b) Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert nach Maßgabe des Artikels 8 Absatz 2;

c) Kapitalabrufe nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 1;

d) Veränderungen des genehmigten Stammkapitals und Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des ESM nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 1;

[…]

f) Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM einschließlich der in dem Memorandum of Understanding nach Artikel 13 Absatz 3 festgelegten wirtschaftspolitischen Auflagen sowie Wahl der Instrumente und Festlegung der Finanzierungsbedingungen nach Maßgabe der Artikel 12 bis 18;

[…]

i) Änderungen an der Liste der Finanzhilfeinstrumente, die der ESM nutzen kann, nach Maßgabe des Artikels 19;

[…]

m) Übertragung der in diesem Artikel genannten Aufgaben auf das Direktorium.

(7) Der Gouverneursrat fasst die folgenden Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit:

[…]

c) Festlegung der Satzung des ESM und der Geschäftsordnung des Gouverneursrats und des Direktoriums (einschließlich des Rechts zur Einsetzung von Ausschüssen und nachgeordneten Gremien) nach Maßgabe des Absatzes 9;

[…]

k) Aufhebung der Immunität des Vorsitzenden des Gouverneursrats, eines Mitglieds des Gouverneursrats, eines stellvertretenden Mitglieds des Gouverneursrats, eines Mitglieds des Direktoriums, eines stellvertretenden Mitglieds des Direktoriums oder des Geschäftsführenden Direktors nach Maßgabe des Artikels 35 Absatz 2;

[…]

[…]

ARTIKEL 6

Direktorium

(1) Jedes Mitglied des Gouverneursrats ernennt aus einem Personenkreis mit großem Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied des Direktoriums. Diese Ernennungen können jederzeit widerrufen werden. […]

(2) Das für Wirtschaft und Finanzen zuständige Mitglied der Europäischen Kommission und der Präsident der EZB können jeweils einen Beobachter ernennen.

(3) Vertreter der Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören und sich im Einzelfall neben dem ESM an einer Finanzhilfemaßnahme für einen Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets beteiligen, werden ebenfalls als Beobachter zu den Sitzungen des Direktoriums eingeladen, auf denen diese Finanzhilfemaßnahme und ihre Überwachung erörtert werden.

[…]

(5) Soweit in diesem Vertrag nicht anders vorgesehen, beschließt das Direktorium mit qualifizierter Mehrheit. Beschlüsse, die auf Grundlage von Befugnissen, die der Gouverneursrat delegiert hat, zu fassen sind, werden gemäß den einschlägigen Abstimmungsregeln in Artikel 5 Absätze 6 und 7 angenommen.

[…]

ARTIKEL 7

Geschäftsführender Direktor

(1) Der Geschäftsführende Direktor wird vom Gouverneursrat aus einem Kreis von Kandidaten ernannt, die die Staatsangehörigkeit eines ESM-Mitglieds, einschlägige internationale Erfahrung und großen Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen besitzen. Der Geschäftsführende Direktor darf während seiner Amtszeit weder Mitglied noch stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats oder des Direktoriums sein.

[…]

(5) Der Geschäftsführende Direktor ist der gesetzliche Vertreter des ESM und führt nach den Weisungen des Direktoriums die laufenden Geschäfte des ESM.

KAPITEL 3

KAPITAL

ARTIKEL 8

Genehmigtes Stammkapital

(1) Das genehmigte Stammkapital beträgt 700 Milliarden EUR. […]

(2) Das genehmigte Stammkapital wird in eingezahlte Anteile und abrufbare Anteile unterteilt. Der anfängliche Gesamtnennwert der eingezahlten Anteile beläuft sich auf 80 Milliarden EUR. Die Anteile des genehmigten Stammkapitals am anfänglich gezeichneten Stammkapital werden zum Nennwert ausgegeben. Andere Anteile werden zum Nennwert ausgegeben, sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt.

[…]

(4) Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zum genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel in Anhang I zu leisten. Sie kommen sämtlichen Kapitalabrufen gemäß den Bedingungen dieses Vertrages fristgerecht nach.

(5) Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. Kein ESM-Mitglied haftet aufgrund seiner Mitgliedschaft für die Verpflichtungen des ESM. Die Verpflichtung der ESM-Mitglieder zur Leistung von Kapitalbeiträgen zum genehmigten Stammkapital gemäß diesem Vertrag bleibt unberührt, falls ein ESM-Mitglied Finanzhilfe vom ESM erhält oder die Voraussetzungen dafür erfüllt.

ARTIKEL 9

Kapitalabrufe

(1) Der Gouverneursrat kann genehmigtes nicht eingezahltes Kapital jederzeit abrufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen.

(2) Das Direktorium kann genehmigtes nicht eingezahltes Kapital durch Beschluss mit einfacher Mehrheit abrufen, um die Höhe des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen, wenn diese durch das Auffangen von Verlusten unter den in Artikel 8 Absatz 2 festgelegten Betrag – der vom Gouverneursrat gemäß dem Verfahren nach Artikel 10 geändert werden kann – abgesunken ist, und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen.

(3) Der Geschäftsführende Direktor ruft genehmigtes nicht eingezahltes Kapital rechtzeitig ab, falls dies notwendig ist, damit der ESM bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM nicht in Verzug gerät. Der Geschäftsführende Direktor setzt das Direktorium und den Gouverneursrat über jeden derartigen Abruf in Kenntnis. Wird ein potenzieller Fehlbetrag in den Mitteln des ESM entdeckt, so führt der Geschäftsführende Direktor (einen) entsprechende(n) Abruf(e) baldmöglichst durch, um sicherzustellen, dass der ESM über ausreichende Mittel verfügt, um fällige Zahlungen an Gläubiger fristgerecht und in voller Höhe leisten zu können. Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.

(4) Das Direktorium beschließt die ausführlichen Regelungen und Bedingungen, die für Kapitalabrufe nach Maßgabe dieses Artikels gelten.

ARTIKEL 10

Veränderungen des genehmigten Stammkapitals

(1) Der Gouverneursrat überprüft das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals des ESM regelmäßig, mindestens jedoch alle fünf Jahre. Er kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern und Artikel 8 und Anhang II entsprechend zu ändern. Dieser Beschluss tritt in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben. Die neuen Anteile werden den ESM-Mitgliedern nach dem in Artikel 11 und Anhang I vorgesehenen Beitragsschlüssel zugeteilt.

(2) Das Direktorium beschließt die ausführlichen Regelungen und Bedingungen, die für sämtliche oder etwaige gemäß Absatz 1 vorgenommene Kapitalveränderungen gelten.

(3) Wird ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied, so wird das genehmigte Stammkapital des ESM automatisch erhöht, indem die zum betreffenden Zeitpunkt geltenden Beträge mit der Verhältniszahl aus dem Gewichtsanteil des neuen ESM-Mitglieds und dem Gewichtsanteil der bestehenden ESM-Mitglieder im Rahmen des in Artikel 11 vorgesehenen angepassten Beitragsschlüssels multipliziert werden.

ARTIKEL 11

Beitragsschlüssel

(1) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM stützt sich vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 auf den Schlüssel für die Zeichnung des EZB-Kapitals durch die nationalen Zentralbanken der ESM-Mitglieder gemäß Artikel 29 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ('ESZB-Satzung'").

(2) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM ist in Anhang I niedergelegt.

(3) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM wird angepasst, wenn

a) ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied wird und sich das genehmigte Stammkapital des ESM nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 3 automatisch erhöht oder

b) die gemäß Artikel 42 ermittelte zwölfjährige zeitweilige Korrektur, die für ein ESM-Mitglied gilt, endet.

(4) Der Gouverneursrat kann beschließen, etwaige Aktualisierungen des in Absatz 1 genannten Schlüssels für die Zeichnung des EZB-Kapitals zu berücksichtigen, wenn der Beitragsschlüssel gemäß Absatz 3 angepasst wird oder wenn sich das genehmigte Stammkapital nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 1 verändert.

(5) Wird der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM angepasst, übertragen die ESM-Mitglieder einander genehmigtes Stammkapital in dem Umfang, der erforderlich ist, damit die Verteilung des genehmigten Stammkapitals dem angepassten Schlüssel entspricht.

(6) Bei jeder Anpassung im Sinne dieses Artikels wird Anhang I durch Beschluss des Gouverneursrats geändert.

(7) Das Direktorium trifft alle weiteren Maßnahmen, die zur Anwendung dieses Artikels erforderlich sind.

[…]

ARTIKEL 12

Grundsätze

(1) Ist dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar, so kann der ESM einem ESM-Mitglied unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen Stabilitätshilfe gewähren. Diese Auflagen können von einem makroökonomischen Anpassungsprogramm bis zur kontinuierlichen Erfüllung zuvor festgelegter Anspruchsvoraussetzungen reichen.

[…]

ARTIKEL 13

Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe

(1) Ein ESM-Mitglied kann an den Vorsitzenden des Gouverneursrats ein Stabilitätshilfeersuchen richten. In diesem Ersuchen wird angegeben, welche(s) Finanzhilfeinstrument(e) zu erwägen ist/sind. Bei Erhalt eines solchen Ersuchens überträgt der Vorsitzende des Gouverneursrats der Europäischen Kommission, im Benehmen mit der EZB, die folgenden Aufgaben:

a) das Bestehen einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten zu bewerten, es sei denn, die EZB hat bereits eine Analyse nach Artikel 18 Absatz 2 vorgelegt;

b) zu bewerten, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist. Es wird erwartet, dass diese Bewertung, wann immer dies angemessen und möglich ist, zusammen mit dem IWF durchgeführt wird;

c) den tatsächlichen oder potenziellen Finanzierungsbedarf des betreffenden ESM-Mitglieds zu bewerten.

(2) Auf der Grundlage des Ersuchens des ESM-Mitglieds und der in Absatz 1 genannten Bewertung kann der Gouverneursrat beschließen, dem betroffenen ESM-Mitglied grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren.

(3) Wird ein Beschluss nach Absatz 2 angenommen, so überträgt der Gouverneursrat der Europäischen Kommission die Aufgabe, – im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF – mit dem betreffenden ESM-Mitglied ein Memorandum of Understanding ('MoU') auszuhandeln, in dem die mit der Finanzhilfefazilität verbundenen Auflagen im Einzelnen ausgeführt werden. […] Gleichzeitig arbeitet der Geschäftsführende Direktor des ESM einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität aus, der unter anderem die Finanzierungsbedingungen sowie die gewählten Instrumente enthält und vom Gouverneursrat anzunehmen ist.

[…]

(7) Die Europäische Kommission wird – im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF – damit betraut, die Einhaltung der mit der Finanzhilfefazilität verbundenen wirtschaftspolitischen Auflagen zu überwachen.

ARTIKEL 14

Vorsorgliche ESM-Finanzhilfe

(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, nach Maßgabe des Artikels 12 Absatz 1 eine vorsorgliche Finanzhilfe in Form einer vorsorglichen bedingten Kreditlinie oder in Form einer Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen zu gewähren.

(2) Die mit der vorsorglichen ESM-Finanzhilfe verbundenen Auflagen werden gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt.

(3) Die Finanzierungsbedingungen der vorsorglichen Finanzhilfe werden in einer Vereinbarung über eine vorsorgliche ESM-Finanzhilfefazilität niedergelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist. (4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der vorsorglichen ESM-Finanzhilfe.

[…]

ARTIKEL 15

Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds

(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, Finanzhilfe mittels Darlehen an ein ESM-Mitglied speziell zum Zwecke der Rekapitalisierung von Finanzinstituten dieses ESM-Mitglieds zu gewähren.

(2) Die mit der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds verbundenen Auflagen werden gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt.

(3) Unbeschadet der Artikel 107 und 108 AEUV werden die Finanzierungsbedingungen der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität ausgeführt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist. (4) Das Direktorium beschließt detaillierte Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds.

[…]

ARTIKEL 16

ESM-Darlehen

(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, einem ESM-Mitglied nach Maßgabe des Artikels 12 Finanzhilfe in Form eines Darlehens zu gewähren.

[…]

(3) Die Finanzierungsbedingungen eines jeden ESM-Darlehens werden in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität niedergelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist. (4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der ESM-Darlehen.

[…]

ARTIKEL 17

Primärmarkt-Unterstützungsfazilität

(1) Nach Maßgabe des Artikels 12 und mit dem Ziel, die Kosteneffizienz der Finanzhilfe zu maximieren, kann der Gouverneursrat beschließen, Vorkehrungen für den Ankauf von Anleihen eines ESM-Mitglieds am Primärmarkt zu treffen.

[…]

(3) Die Finanzierungsbedingungen, unter denen der Ankauf der Anleihen durchgeführt wird, werden in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität festgelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist.

(4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Primärmarkt-Unterstützungsfazilität.

[…]

ARTIKEL 18

Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität

(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, nach Maßgabe des Artikels 12 Absatz 1 Vorkehrungen für Sekundärmarktoperationen in Bezug auf die Anleihen eines ESM-Mitglieds zu treffen.

[…]

(5) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität.

[…]

ARTIKEL 19

Überprüfung der Liste der Finanzhilfeinstrumente

Der Gouverneursrat kann die in den Artikeln 14 bis 18 vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern.

[…]

ARTIKEL 25

Deckung von Verlusten

(1) Verluste aus den Operationen des ESM werden beglichen

a) zunächst aus dem Reservefonds,

b) sodann aus dem eingezahlten Kapital und

c) an letzter Stelle mit einem angemessenen Betrag des genehmigten nicht eingezahlten Kapitals, der nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 3 abgerufen wird.

(2) Nimmt ein ESM-Mitglied die aufgrund eines Kapitalabrufs gemäß Artikel 9 Absätze 2 oder 3 erforderliche Einzahlung nicht vor, so ergeht an alle ESM-Mitglieder ein revidierter erhöhter Kapitalabruf, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhält. Der Gouverneursrat beschließt geeignete Schritte, um sicherzustellen, dass das betreffende ESM-Mitglied seine Schuld gegenüber dem ESM innerhalb vertretbarer Zeit begleicht. Der Gouverneursrat hat das Recht, auf den überfälligen Betrag Verzugszinsen zu erheben.

(3) Begleicht ein ESM-Mitglied eine in Absatz 2 genannte Schuld gegenüber dem ESM, so wird das überschüssige Kapital gemäß den vom Gouverneursrat zu beschließenden Vorschriften an die anderen ESM-Mitglieder zurückgezahlt.

[…]

ARTIKEL 32

Rechtsstatus, Vorrechte und Befreiungen

[…]

(5) Die Archive des ESM und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, sind unverletzlich.

[…]

ARTIKEL 34

Berufliche Schweigepflicht

Die Mitglieder und früheren Mitglieder des Gouverneursrats und des Direktoriums sowie alle anderen Personen, die für den ESM oder in Zusammenhang damit tätig sind oder tätig waren, geben keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weiter. Auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit dürfen sie keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weitergeben.

ARTIKEL 35

Persönliche Immunitäten

(1) Im Interesse des ESM genießen der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats, die stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums, die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie der Geschäftsführende Direktor und die anderen Bediensteten des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.

(2) Der Gouverneursrat kann die durch diesen Artikel gewährten Immunitäten des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats, der stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, der Mitglieder des Direktoriums, der stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie des Geschäftsführenden Direktors in dem Maße und zu den Bedingungen, die er bestimmt, aufheben.

[…]

(4) Jedes ESM-Mitglied trifft unverzüglich alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um diesen Artikel in seinem eigenen Recht in Kraft zu setzen, und unterrichtet den ESM entsprechend.

[…]

ARTIKEL 37

Auslegung und Streitbeilegung

(1) Alle Fragen der Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Vertrages und der Satzung des ESM, die zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern auftreten, werden dem Direktorium zur Entscheidung vorgelegt.

(2) Der Gouverneursrat entscheidet über alle Streitigkeiten zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern über die Auslegung und Anwendung dieses Vertrags, einschließlich etwaiger Streitigkeiten über die Vereinbarkeit der vom ESM gefassten Beschlüsse mit diesem Vertrag. Das Stimmrecht des Mitglieds (der Mitglieder) des Gouverneursrats, das das/die betroffene(n) ESM-Mitglied(er) vertritt, wird bei der Abstimmung des Gouverneursrats über eine solche Entscheidung ausgesetzt und die zur Abstimmung des Gouverneursrats über diese Entscheidung notwendige Stimmrechtsschwelle wird entsprechend neu berechnet.

(3) Ficht ein ESM-Mitglied die in Absatz 2 genannte Entscheidung an, so wird die Streitigkeit beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig gemacht. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Parteien dieses Rechtsstreits verbindlich; diese treffen innerhalb der vom Gerichtshof festgelegten Frist die erforderlichen Maßnahmen, um dem Urteil nachzukommen.

[…]

ANHANG I

Beitragsschlüssel des ESM

ESM-Mitglied ESM-Schlüssel (%)

[…]

Republik Österreich 2,7834

[…]

ANHANG II

Zeichnungen des genehmigten Stammkapitals

ESM-Mitglied Anzahl der Anteile Kapitalzeichnung (EUR)

[…]

Republik Österreich 194 838 19 483 800 000

[…]"

3. Art 50a bis 50d Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl 1/1930 idF BGBl I 65/2012, lauten:

"Artikel 50a. Der Nationalrat wirkt in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus mit.

Artikel 50b. Ein österreichischer Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus darf

1. einem Vorschlag für einen Beschluss, einem Mitgliedstaat grundsätzlich Stabilitätshilfe zu gewähren,

2. einer Veränderung des genehmigten Stammkapitals und einer Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des Europäischen Stabilitätsmechanismus sowie einem Abruf von genehmigtem nicht eingezahlten Stammkapital und

3. Änderungen der Finanzhilfeinstrumente

nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, wenn ihn der Nationalrat auf Grund eines Vorschlages der Bundesregierung dazu ermächtigt hat. In Fällen besonderer Dringlichkeit kann der zuständige Bundesminister den Nationalrat befassen. Ohne Ermächtigung des Nationalrates muss der österreichische Vertreter den Vorschlag für einen solchen Beschluss ablehnen.

Artikel 50c. (1) Der zuständige Bundesminister hat den Nationalrat unverzüglich in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates zu unterrichten. Durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates sind Stellungnahmerechte des Nationalrates vorzusehen.

(2) Hat der Nationalrat rechtzeitig eine Stellungnahme in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus erstattet, so hat der österreichische Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus diese bei Verhandlungen und Abstimmungen zu berücksichtigen. Der zuständige Bundesminister hat dem Nationalrat nach der Abstimmung unverzüglich Bericht zu erstatten und ihm gegebenenfalls die Gründe mitzuteilen, aus denen der österreichische Vertreter die Stellungnahme nicht berücksichtigt hat.

(3) Der zuständige Bundesminister berichtet dem Nationalrat regelmäßig über die im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus getroffenen Maßnahmen.

Artikel 50d. (1) Das Nähere zu den Art 50b und 50c Abs 2 und 3 bestimmt das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

(2) Durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates können weitere Zuständigkeiten des Nationalrates zur Mitwirkung an der Ausübung des Stimmrechtes durch österreichische Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus vorgesehen werden.

(3) Zur Mitwirkung in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus wählt der mit der Vorberatung von Bundesfinanzgesetzen betraute Ausschuss des Nationalrates ständige Unterausschüsse. Jedem dieser ständigen Unterausschüsse muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören. Zuständigkeiten des Nationalrates nach Abs 2, Art 50b und 50c können durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates diesen ständigen Unterausschüssen übertragen werden. Das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates hat Vorsorge zu treffen, dass die ständigen Unterausschüsse jederzeit einberufen werden und zusammentreten können. Wird der Nationalrat nach Art 29 Abs 1 vom Bundespräsidenten aufgelöst, so obliegt den ständigen Unterausschüssen die Mitwirkung in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus."

4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 — GOG 1975), BGBl 410/1975 idF BGBl I 66/2012, lauten:

"§20c. Das stellvertretende österreichische Mitglied des Gouverneursrats des Europäischen Stabilitätsmechanismus, das österreichische Mitglied im Direktorium des Europäischen Stabilitätsmechanismus und dessen Stellvertreter sind zur Teilnahme an den Verhandlungen der Ständigen Unterausschüsse in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus gemäß § 32f berechtigt. Sie können in den Debatten auch wiederholte Male, jedoch ohne Unterbrechung eines Redners, das Wort nehmen.

V. Gegenstände der Verhandlung

§21

[…]

(2) Gegenstände der Verhandlung des Nationalrates sind weiters folgende Vorlagen der Ausschüsse:

[…]

Berichte und Anträge des Ständigen Unterausschusses des Budgetausschusses in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus.

[…]

§23

[…]

(3) Ersuchen um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung von Abgeordneten gemäß § 10 Abs 2 und Abs 3 erster Satz, Ersuchen um Entscheidung über das Vorliegen eines Zusammenhanges im Sinne des § 10 Abs 3 und Mitteilungen von Behörden gemäß § 10 Abs 5, Anträge von Behörden gemäß Art 63 Abs 2 B-VG, Ersuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung von Personen wegen Beleidigung des Nationalrates sowie Zuschriften über die Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung und von Staatssekretären werden nicht vervielfältigt und verteilt. Die Vervielfältigung und Verteilung von dem Nationalrat zu übermittelnden Vorlagen, Dokumenten, Berichten, Informationen und Mitteilungen in Zusammenhang mit Art 23c, 23e, 23f Abs 1 und 3, 23g Abs 1 und 2, 23h, 23i und 23j B-VG richten sich nach § 31b, jene von dem Nationalrat zu übermittelnden Vorlagen Dokumente, Berichte, Informationen und Mitteilungen im Zusammenhang mit Art 50b, 50c und 50d B-VG nach § 74f, jene von Petitionen und Bürgerinitiativen nach § 100 Abs 5.

[…]

§32f. (1) Der Budgetausschuss wählt gemäß Art 50d Abs 3 B-VG

1. einen ständigen Unterausschuss, der mit der Mitwirkung an sekundärmarktrelevanten Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (Ständiger Unterausschuss in Sekundärmarktangelegenheiten-ESM) und

2. einen ständigen Unterausschuss, der mit der Mitwirkung in allen anderen, nach diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Vorberatung von Vorlagen gemäß § 74d Abs 1 (Ständiger Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten)

betraut ist. Jedem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören. Für die Ständigen Unterausschüsse gelten die Bestimmungen über die Organisation und Verfahren der Unterausschüsse, sofern in den folgenden Absätzen und in den §§32g bis 32k nichts anderes bestimmt ist. Eine Unterbrechung der Sitzung ist abweichend von § 34 Abs 4 jedoch nur im Rahmen der für die Beschlussfassung auf der Ebene des Europäischen Stabilitätsmechanismus maßgeblichen Fristvorgaben zulässig.

(2) Die Verhandlungen der Ständigen Unterausschüsse sind abgesehen von der Vorberatung von Vorlagen gemäß § 74d Abs 1 und soweit diese nicht anderes beschließen, vertraulich. Sie sind jedenfalls vertraulich, wenn dies gemäß § 74g Abs 1 erforderlich ist.

(3) Für den Ständigen Unterausschuss in Sekundärmarktangelegenheiten-ESM gilt § 31 Abs 2 sinngemäß. Vor der Wahl gemäß Abs 1 Z 1 hat der Präsident mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz Rücksprache über die Zusammensetzung des Unterausschusses zu halten. Seine Mitglieder sind vom Präsidenten des Nationalrates auf Wahrung der Vertraulichkeit zu vereidigen. § 32d Abs 5 gilt sinngemäß.

[…]

§32h. (1) Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten kann aufgrund einer Vorlage gemäß § 74e Abs 1 Z 1 und 2 den österreichischen Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus ermächtigen,

1. einer Veränderung des genehmigten Stammkapitals und einer Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des Europäischen Stabilitätsmechanismus nach Art 10 Abs 1 Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag),

2. einem Abruf von genehmigtem nicht eingezahlten Stammkapital nach Art 9 Abs 1 ESM-Vertrag,

3. wesentlichen Änderungen der Regelungen und Bedingungen für Kapitalabrufe nach Art 9 Abs 4 ESM-Vertrag,

4. einer Annahme einer Vereinbarung über die Finanzhilfefazilität nach Art 13 Abs 3 Satz 3 ESM-Vertrag und einer entsprechenden Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) nach Art 13 Abs 4 ESM-Vertrag und

5. einer Entscheidung über die Bereitstellung zusätzlicher Instrumente ohne Änderung des Gesamtfinanzierungsvolumens einer bestehenden Finanzhilfefazilität sowie wesentlichen Änderungen der Bedingungen der Finanzhilfefazilität zuzustimmen oder sich bei der Beschlussfassung zu enthalten. Ohne eine solche Ermächtigung muss der österreichische Vertreter den Vorschlag für einen Beschluss ablehnen.

(2) Erfordert die besondere Dringlichkeit eine unverzügliche Beschlussfassung gemäß Abs 1 Z 4 und 5, so hat der zuständige Bundesminister in der diesbezüglichen Vorlage ausdrücklich darauf hinzuweisen und die Gründe für die besondere Dringlichkeit sowie die maßgeblichen Fristvorgaben auf Ebene des Europäischen Stabilitätsmechanismus für dessen Behandlung anzugeben.

(3) Der Vorsitzende hat den Ständigen Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten in den Fällen des Abs 2 unverzüglich gemäß § 32g Abs 1 einzuberufen und die Vorlage auf die Tagesordnung zu stellen.

(4) In einer auf die Annahme eines Beschlusses gemäß Abs 1 Z 4 und 5 in den Organen des ESM folgenden Sitzung des Nationalrates findet eine ESM-Erklärung von Mitgliedern der Bundesregierung gemäß § 74d Abs 4 statt.

§32i. (1) Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten kann zu Vorlagen gemäß § 74d Abs 1 und § 74e Abs 1 Z 1 und 2 sowie zu Vorlagen, Dokumenten und Vorschlägen für Beschlüsse gemäß § 1 ESM-Informationsordnung auch wiederholt Stellungnahmen gemäß Art 50c Abs 1 B-VG abgeben.

(2) Im Fall der Erstattung einer Stellungnahme gemäß Abs 1 hat der österreichische Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus diese bei Verhandlungen und Abstimmungen zu berücksichtigen. Der zuständige Bundesminister hat dem Ständigen Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten nach der Abstimmung unverzüglich Bericht zu erstatten und ihm gegebenenfalls die Gründe mitzuteilen, aus denen der österreichische Vertreter die Stellungnahme nicht berücksichtigt hat.

(3) Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten kann Berichte gemäß Abs 2 zur Kenntnis nehmen oder die Kenntnisnahme verweigern.

§32j. (1) Vor Eingang in die Debatte über eine Vorlage gemäß § 74d Abs 1 und § 74e Abs 1 kann der Vorsitzende dem zuständigen Bundesminister bzw. dem österreichischen Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus gemäß § 20c das Wort zu einem einleitenden Bericht über die Vorlage und dessen Haltung dazu erteilen.

(2) Nach Eröffnung der Debatte kann jedes Mitglied des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten schriftlich Anträge auf Stellungnahme gemäß § 32i einbringen.

(3) Der Präsident des Nationalrates hat

1. Beschlüsse gemäß § 32h unverzüglich an die Mitglieder der Bundesregierung, und

2. Stellungnahmen gemäß § 32i unverzüglich an den zuständigen Bundesminister

zu übermitteln. Sofern der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten nichts anderes beschließt, sind Beschlüsse gemäß § 32h und Stellungnahmen gemäß § 32i gemäß § 39 Abs 1 zu verlautbaren.

(4) Sofern die Beratungen und die Beschlussfassung des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten vertraulich sind, hat eine Verteilung oder eine Verlautbarung gemäß Abs 3 solange zu unterbleiben, bis die Gründe für die Vertraulichkeit entfallen sind. Über den Zeitpunkt einer solchen Verlautbarung entscheidet der Ständige Unterausschuss mit Beschluss.

(5) Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten kann mit Ausnahme der Dringlichkeitsfälle gemäß § 32h Abs 2 beschließen, dass eine Vorlage gemäß § 32h Z 1 bis 5 bzw. § 32i vom Nationalrat verhandelt wird. In diesem Fall hat der Ständige Unterausschuss einen Bericht zu erstatten, der Beschlussempfehlungen gemäß § 32h und Anträge gemäß Abs 2 sowie Anträge gemäß § 27 Abs 3 enthalten kann."

5. § 5 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 2004 (Bundesgesetzblattgesetz – BGBlG), BGBl I 100/2003 idF BGBl I 51/2012, lautet:

"§5. (1) Das Bundesgesetzblatt III (BGBl III) ist bestimmt zur Verlautbarung

1. der Staatsverträge des Bundes einschließlich ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache, der Beschlüsse des Nationalrates nach Art 49 Abs 2 und Art 50 Abs 2 Z 4 B-VG, der Anordnungen des Bundespräsidenten nach Art 65 Abs 1 zweiter Satz B-VG sowie der Erklärungen des Beitritts zu solchen Staatsverträgen;

[…]

6. sonstiger Kundmachungen oder Verordnungen, die eine in Z 1 oder Z 5 genannte Rechtsvorschrift betreffen.

[…]

(4) Ist ein Staatsvertrag in mehr als zwei Sprachen authentisch festgelegt worden, reicht es aus, wenn

1. zwei authentischen Sprachfassungen und eine Übersetzung in die deutsche Sprache,

2. wenn jedoch die deutsche Sprachfassung authentisch ist, diese und eine weitere authentische Sprachfassung

kundgemacht werden."

III. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit der Anträge

1. Gemäß Art 140a B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Dabei ist auf die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge (sowie auf Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden) Art 140 B VG, auf alle anderen Staatsverträge Art 139 B-VG sinngemäß anzuwenden.

2. Bei dem von der antragstellenden Kärntner Landesregierung angefochtenen ESMV handelt es sich um einen gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG vom Nationalrat genehmigten Staatsvertrag. Auf dessen Prüfung nach Art 140a B-VG ist somit Art 140 B-VG sinngemäß anzuwenden.

3.1. Die antragstellende Landesregierung beantragt nicht nur, den ESMV (bzw. einzelne seiner Bestimmungen) als "rechts- bzw. verfassungswidrig" festzustellen, sondern ausdrücklich auch "samt der 'Auslegungserklärung' der Vertreter der Vertragsparteien vom ". Die antragstellende Landesregierung ist der Auffassung, die Auslegungserklärung stehe als Zusatzvereinbarung zum ESMV insoweit mit diesem inhaltlich in einem untrennbaren Zusammenhang, als mit ihr zum Ausdruck gebracht werde, dass die völkerrechtliche Bindungswirkung des gesamten ESMV mit den inhaltlichen Maßgaben der Auslegungserklärung stehen und fallen solle. Angesichts ihrer völkerrechtlichen Beachtlichkeit erscheine daher befremdlich, dass die Auslegungserklärung, die ebenfalls von der Republik Österreich mitgetragen werde, ohne parlamentarische Genehmigung abgegeben ("vereinbart") und innerstaatlich nicht einer ordnungsgemäßen Transformation gemäß Art 50 B-VG unterzogen worden sei. Dies widerspreche der herrschenden Staatspraxis zu Art 50 B-VG, wie sie sonst im Fall völkerrechtlicher Vorbehalte bzw. interpretativer Erklärungen üblicherweise eingehalten werde. Da die Auslegungserklärung ausdrücklich "vereinbart" und nicht im Sinne des Art 2 Abs 1 litd des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention — WVK), BGBl 40/1980, in Form einer einseitigen Erklärung bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrages oder beim Beitritt abgegeben worden sei, liege es nahe, in diesem Dokument eine Zusatzvereinbahrung zum ESMV zu erblicken. Erklärtermaßen bildeten die materiellen Punkte der Auslegungserklärung eine "wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten […], durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein." Unter (impliziter) Bezugnahme auf die "clausula rebus sic stantibus" als Grund für die Beendigung des ESMV gemäß Art 62 Abs 1 lita WVK sei damit zum Ausdruck gebracht worden, dass die völkerrechtliche Bindungswirkung des gesamten ESMV mit den inhaltlichen Maßgaben der Auslegungserklärung stehen und fallen solle (nach Art 44 Abs 2 WVK könne ein von der WVK anerkannter Grund dafür, einen Vertrag u.a. zu beenden, grundsätzlich nur hinsichtlich des gesamten Vertrages geltend gemacht werden).

3.2. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es sich bei der Auslegungserklärung der Vertragsparteien vom weder um eine Zusatzvereinbarung zum ESMV noch um einen Vorbehalt, sondern um eine sogenannte interpretative Erklärung handle. Durch eine interpretative Erklärung brächte eine Vertragspartei bzw. brächten mehrere Vertragsparteien ihr Verständnis einzelner Vertragsbestimmungen zum Ausdruck, ohne jedoch eine Änderung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu bezwecken. Maßgeblich für die Qualifikation der Auslegungserklärung seien neben ihrem Inhalt auch die Umstände ihrer Annahme. Sie sei vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom , 2 BvR 1390/12 ua., zum ESMV abgegeben worden. Das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, dass eine Auslegung "nicht ausgeschlossen" sei, dass im Fall eines revidierten erhöhten Kapitalabrufes die Haftungsbeschränkung des Art 8 Abs 5 ESMV nicht anwendbar sei, bzw. dass eine Auslegung zwar nicht naheliegend, aber möglich sei, dass die Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 ESMV einer umfassenden Information nationaler Parlamente entgegen stünden (Rz 252 und 254 des Urteils). Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass eine Ratifizierung des ESMV nur zulässig sei, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Vertragsauslegung sicherstelle, dass Art 8 Abs 5 ESMV sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Höhe nach auf die in Anhang II genannte Summe begrenze und dass Art 25 Abs 2 ESMV nur so ausgelegt oder angewendet werden könne, dass für die Bundesrepublik Deutschland keine höheren Zahlungsverpflichtungen begründet werden könnten bzw. gewährleistet sei, dass Bundestag und Bundesrat bei ihren Entscheidungen die für ihre Willensbildung erforderlichen Informationen erhielten (Rz 253 und 259 des Urteils). Die Auslegungserklärung solle — so die Bundesregierung — diesen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nachkommen, um der Bundesrepublik Deutschland die Ratifikation des ESMV zu ermöglichen. Sie halte fest, was sich nach Auffassung der Bundesregierung ohnedies aus Wortlaut und Systematik des ESMV ergebe und zwischen den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages ohnedies unstrittig gewesen sei. Eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung des ESMV ergebe sich auch nicht aus der Formulierung, der Inhalt der Auslegungserklärung stelle "eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein". Dadurch werde lediglich auf bestimmte Regelungen der WVK über die Ungültigkeit von Verträgen (Art48 betreffend den Irrtum) und die Beendigung von Verträgen (Art62 betreffend eine grundlegende Änderung der Umstände) Bezug genommen, die auch ohne die Auslegungserklärung anwendbar wären.

3.3. Auch bei der Auslegungserklärung vom handelt es sich auf Grund der folgenden Erwägungen um einen nach Art 140a B-VG tauglichen Anfechtungsgegenstand:

3.3.1. Der ESMV ist am unterzeichnet worden. Daraufhin hat die Bundesregierung für die Republik Österreich, wie andere Vertragsparteien des ESMV auch, das parlamentarische Genehmigungsverfahren eingeleitet, das am zur Genehmigung gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG durch den Nationalrat und am zum Beschluss des Bundesrates, keinen Einspruch zu erheben, geführt hat. Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am beim Generalsekretär des Rates der Europäischen Union als Depositar des ESMV hinterlegt.

Am sind — in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom , 2 BvR 1390/12 ua., — die "Vertreter der Vertragsparteien" in Brüssel zusammengetreten und haben die folgende Auslegungserklärung "vereinbart", die dem Generalsekretariat des Rates auch am von Zypern (als amtierende Ratspräsidentschaft) notifiziert wurde:

"Art8 Abs 5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden 'Vertrag') begrenzt sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt.

Art32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 des Vertrages stehen der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen.

Die oben genannten Punkte stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein."

Die Auslegungserklärung lag dem Nationalrat bei seiner Beschlussfassung über die Genehmigung des ESMV am nicht vor (und konnte angesichts der zeitlichen Abfolge auch gar nicht vorliegen). Die Auslegungserklärung selbst ist vom Nationalrat also nicht genehmigt worden. Gemäß seinem Art 48 Abs 1 ist der ESMV am in Kraft getreten. Er wurde im BGBl III 138/2012, ausgegeben am , ebenso kundgemacht wie die genannte Auslegungserklärung.

3.3.2. Gemäß Art 140a B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Darunter fallen zunächst alle Vereinbarungen, die zwischen Völkerrechtssubjekten in der Absicht geschlossen werden, ihre völkerrechtlichen Beziehungen zu gestalten ( Öhlinger , in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 50 B-VG, Rz 12). Lehre und Staatspraxis beziehen auch bestimmte einseitige völkerrechtsgeschäftliche Erklärungen, denen rechtlich Bedeutung für einen völkerrechtlichen Vertrag zukommt, wie Vorbehalte oder interpretative Erklärungen, in den Begriff des Staatsvertrages im Sinne der Art 50 und 140a B-VG mit ein ( Öhlinger , in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 50 B-VG, Rz 14; Griller , Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, 1989, 70 f. mwH). Gleiches muss für Erklärungen gelten, die alle Vertragsparteien mit dem Zweck vereinbaren, die Bedeutung eines völkerrechtlichen Vertrages zu bestimmen. Völkerrechtlich müssen solche Vereinbarungen nicht Teil des Vertrages oder selbst ein völkerrechtlicher Vertrag sein, "but it must be a clear expression of the intention of the parties" ( Aust , Modern Treaty Law and Practice 2 , 2007, 236). Denn nach Art 31 Abs 1 WVK ist ein völkerrechtlicher Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Der die gewöhnliche Bedeutung bestimmende Zusammenhang umfasst nach Art 31 Abs 2 lita WVK auch eine "sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde". Art 140a B-VG unterwirft — "(e)rfüllt vom Gedanken der Rechtssicherheit" (Erläut. zur RV 287 BlgNR, 10. GP, 5) — auch solche Übereinkünfte oder Auslegungserklärungen als Staatsverträge in einem weiten Sinn hinsichtlich ihrer innerstaatlichen Rechtswirkungen dem Fehlerkalkül dieses Verfahrens, und zwar sowohl im Hinblick auf ihr durch die innerstaatliche Rechtsordnung bestimmtes Zustandekommen als auch ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit. Was Vertreter dieses Staates mit völkerrechtlichem Gehalt vereinbaren, ist innerstaatlich durch Art 140a B-VG auch verfassungsrechtlich als Anfechtungsgegenstand erfasst.

3.3.3. Die Auslegungserklärung ist im BGBl III 138/2012 im Zusammenhang mit dem ESMV, aber als von seinem Vertragstext getrennte Erklärung kundgemacht, was die zeitliche Abfolge von Unterzeichnung des Vertragstextes und Vereinbarung der Auslegungserklärung widerspiegelt. Als von den "Vertretern der Vertragsparteien" des ESMV vereinbarte Erklärung, die ein jeweils näher zum Ausdruck gebrachtes Verständnis von Bestimmungen des ESMV als wesentlich für die von den vertragsschließenden Staaten übernommene Verpflichtung aus dem ESMV statuiert, bestimmt diese Auslegungserklärung die Bedeutung der Bestimmungen des ESMV — auch für die Auslegung und Streitbeilegung nach Art 37 ESMV — mit, auf die sie sich bezieht. Die Auslegungserklärung ist nicht Bestandteil des Vertragstextes des vom Nationalrat gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B VG genehmigten und als solcher im BGBl III 138/2012 kundgemachten ESMV. Sie ist als davon getrennt kundgemachter, zwischen Völkerrechtssubjekten vereinbarter und nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang normative Bedeutung beanspruchender Text unter dem hier maßgeblichen innerstaatlichen Blickwinkel selbständiger Anfechtungsgegenstand im Sinne des Art 140a B-VG.

4. Auf die Prüfung der Auslegungserklärung nach Art 140a B-VG ist Art 139 B-VG sinngemäß anzuwenden:

4.1. Nach Art 140a B-VG ist auf die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge und auf die Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, Art 140 B-VG, auf alle anderen Staatsverträge Art 139 B-VG sinngemäß anzuwenden.

Mit der B-VG-Novelle BGBl I 51/2012 hat der Verfassungsgesetzgeber Art 140a B-VG unter anderem dahingehend geändert, dass die in Art 140a B-VG vordem enthaltene Wendung, derzufolge "auf die mit Genehmigung des Nationalrats gemäß Art 50 abgeschlossenen Staatsverträge" Art 140 B-VG sinngemäß anzuwenden ist, entfallen und durch die Formulierung ersetzt worden ist, dass auf "die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge" Art 140 B-VG sinngemäß anzuwenden ist. Die Erläut. zur RV 1618 BlgNR 24. GP, 6, begründen diese Änderung wie folgt:

"Bei wörtlicher Auslegung des Art 140a Abs 1 B-VG ist auf Staatsverträge, die nach Art 50 Abs 2 Z 1 B-VG — ungeachtet ihres politischen, gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalts — nicht (mehr) der Genehmigung nach Art 50 Abs 1 B-VG unterliegen, systemwidriger Weise nicht Art 140 B-VG, sondern Art 139 B-VG anzuwenden (arg. 'die mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art 50 abgeschlossenen Staatsverträge')."

Und der AB 1771 BlgNR, 24. GP, 5, hält im Zusammenhang mit dieser Änderung fest:

"Durch die B-VG -Novelle BGBl I Nr 2/2008 wurde (ua.) Art 50 B-VG dahin geändert, dass politische Staatsverträge sowie Staatsverträge, die gesetzändernden- oder gesetzesergänzenden Inhalt haben und nicht unter Art 16 Abs 1 fallen (Abs1 Z 1), unter bestimmten Voraussetzungen nicht der Genehmigung des Nationalrates bedürfen. Der geltende Art 140a B-VG ordnet jedoch (nur) für die 'mit Genehmigung des Nationalrates gem. Art 50 abgeschlossen Staatsverträge' eine sinngemäße Anwendung des Art 140 B-VG an. Aus diesem Grund wird in der Regierungsvorlage eine Neufassung des Art 140a B-VG vorgeschlagen."

Der Verfassungsgesetzgeber hatte bei der dargestellten Änderung des Art 140a B-VG also die Fallkonstellation des Art 50 Abs 2 Z 1 B-VG vor Augen. Der Verfassungsgerichtshof geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass sich, abgesehen von der genannten Fallkonstellation des Art 50 Abs 2 Z 1 B-VG, die Frage, ob auf die Prüfung eines Staatsvertrages nach Art 140a B-VG Art 140 oder Art 139 B-VG sinngemäß anzuwenden ist, weiterhin danach richtet, ob es sich bei dem beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen Staatsvertrag um einen vom Nationalrat genehmigten Staatsvertrag handelt oder nicht.

4.2. Die Auslegungserklärung vom wurde ohne parlamentarische Behandlung nach Art 50 B-VG im BGBl III 138/2012 kundgemacht. Auf ihre Prüfung nach Art 140a B-VG ist daher Art 139 B-VG sinngemäß anzuwenden.

5. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen unter anderem auf Antrag einer Landesregierung (Art140 Abs 1 zweiter Satz B-VG). Solche Anträge sind zulässig, sobald das Gesetz rechtswirksam erlassen wurde, und zwar auch schon dann, wenn es noch nicht in Wirksamkeit getreten ist (vgl. VfSlg 6460/1971, 14.187/1995, 14.895/1997). Ein Staatsvertrag nach Art 50 B-VG ist innerstaatlich mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt verbindlich (VfSlg 18.576/2008, 18.740/2009).

Das den ESMV kundmachende BGBl III 138/2012 wurde am ausgegeben. Die vorliegenden Anträge der Kärntner Landesregierung wurden von dieser am beschlossen und sind am beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Sie sind daher, soweit sie sich auf den ESMV bzw. einzelne seiner Bestimmungen beziehen, auch insoweit zulässig.

6. Gemäß Art 139 Abs 1 zweiter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde auf Antrag einer Landesregierung. Angesichts der Kundmachung der Auslegungserklärung im BGBl III 138/2012 ist der vorliegende Antrag der Kärntner Landesregierung, auch soweit er sich auf die genannte Auslegungserklärung bezieht, zulässig.

7. Die Kärntner Landesregierung begehrt mit ihrem (Haupt)Antrag festzustellen, dass der ESMV samt der Auslegungserklärung rechts- bzw. verfassungswidrig ist. Sie begründet ihren Antrag mit Bedenken: ob der Verfassungsmäßigkeit des Genehmigungsverfahrens ("Bedenken zur Transformation") der Auslegungserklärung, was wegen des Zusammenhangs zur Verfassungswidrigkeit des Genehmigungsverfahrens des ESMV insgesamt führe; ob eines Verstoßes des ESMV gegen die sogenannte "no-bail-out-Klausel" des Art 125 AEUV, woraus nicht nur die Unionsrechtswidrigkeit des ESMV, sondern auch das Erfordernis, diesen der parlamentarischen Genehmigung nach Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Art 50 Abs 4 B-VG zuzuführen, folge; ob eines Verstoßes der mit dem Beitritt zum ESMV bewirkten Kapitalzeichnung der Republik Österreich gemäß Anhang II zum ESMV gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen Art 13 Abs 2 B-VG und gegen Art 126b Abs 5 B-VG; und schließlich mit Bedenken im Hinblick darauf, dass mit dem ESMV in einer gegen Art 9 Abs 2 B-VG verstoßenden Weise Hoheitsrechte auf ein internationales Organ übertragen würden.

Die Kärntner Landesregierung hat damit ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des ESMV hinreichend konkret dargelegt. Träfen bestimmte dieser Bedenken, etwa dasjenige eines Verstoßes gegen Art 125 AEUV oder die Bedenken der Kärntner Landesregierung im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, im Hinblick auf Art 13 Abs 2 B-VG oder im Hinblick auf Art 126b Abs 5 B-VG zu, könnte mit Feststellung der Rechtswidrigkeit des gesamten ESMV durch den Verfassungsgerichtshof vorzugehen sein (vgl. § 66 Z 2 VfGG). Dies würde — ungeachtet der jeweils unterschiedlichen, sinngemäß anzuwendenden Prüfungsverfahren, die aber nur der innerstaatlichen Einordnung im Verhältnis zu und nicht der Gleichsetzung mit innerstaatlichen Rechtsakten dienen — auch die Auslegungserklärung umfassen. Sollten sich die Bedenken nur im Hinblick auf den ESMV selbst oder — wie mit dem letzten (Eventual)Antrag der Kärntner Landesregierung auch gesondert zum Gegenstand gemacht — nur im Hinblick auf die Auslegungserklärung als zutreffend erweisen, wäre der (Haupt)Antrag der Kärntner Landesregierung insoweit zu weit gestellt und eine allfällige Feststellung einer Rechtswidrigkeit durch den Verfassungsgerichtshof entsprechend einzuschränken (vgl. sinngemäß , G69/12). Der (Haupt)Antrag der Kärntner Landesregierung erweist sich daher auch diesbezüglich als zulässig.

8. Auch die von der Kärntner Landesregierung in eventu gestellten Anträge sind zulässig. Bei diesen Anträgen handelt es sich erkennbar nicht um solche, die nur für den Fall gestellt sind, dass der Verfassungsgerichtshof den ersten (Haupt)Antrag als unzulässig zurückweisen sollte. Sie stellen vielmehr eigenständige weitere (Eventual)Anträge dar, die Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des ESMV geltend machen, die für den Fall zum Tragen kommen sollen, dass der Verfassungsgerichtshof nicht, wie mit dem (Haupt)Antrag begehrt, den ESMV samt Auslegungserklärung zur Gänze als rechts- bzw. verfassungswidrig feststellen sollte. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit dieser von der Kärntner Landesregierung eventualiter gestellten einzelnen Anträge spricht. Auch die Bundesregierung hat diesbezüglich — sieht man davon ab, dass sie die Anfechtbarkeit der Auslegungserklärung nach Art 140a B-VG bestreitet, was für den letzten, auf die Auslegungserklärung bezogenen Antrag der Kärntner Landesregierung von Bedeutung ist (siehe dazu aber bereits oben Punkt 3.3.) — keine Einwände vorgebracht.

9. Die Anträge der Kärntner Landesregierung gemäß Art 140a B-VG erweisen sich daher insgesamt als zulässig.

B. In der Sache

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG wie in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung nach Art 139 B-VG auf die Erörterung der auf geworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließ lich zu beurteilen, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungs- oder gesetzeswidrig sind (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Da Art 139 und 140 B-VG in diesem Verfahren sinngemäß anzuwenden sind, hat sich der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung der vorliegenden Anträge der Kärntner Landesregierung auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (näher bezeichneter Bestimmungen) des ESMV bzw. der Auslegungserklärung auf die von der antragstellenden Landesregierung vorgebrachten Bedenken zu beschränken.

2. Durch den ESMV richten die Vertragsparteien (im Folgenden: ESM-Mitglieder) eine internationale Finanzinstitution ein, die als "Europäischer Stabilitätsmechanismus" ("ESM") bezeichnet wird (Art1 ESMV). Ziel des ESM ist es, "Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben […] unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen" (Art3 ESMV). Diese Stabilitätshilfe soll nur dann gewährt werden, wenn es "zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist" (Art3 und 12 ESMV). Das genehmigte Stammkapital beträgt € 700 Milliarden, die in sieben Millionen Anteile mit einem Nennwert von je € 100.000,— aufgeteilt sind (Art8 ESMV). Auf die Republik Österreich entfallen 194 838 Anteile (Anhang II ESMV), das entspricht einem Nennwert von rund € 19,5 Milliarden. Daraus ergibt sich ein Beitragsschlüssel von 2,7834 % (Anhang I ESMV). Jedes ESM-Mitglied kann an den Vorsitzenden des Gouverneursrats ein Stabilitätshilfeersuchen richten. In diesem wird angegeben, welche Finanzhilfeinstrumente zu erwägen sind. Bei Erhalt eines solchen Ersuchens überträgt der Vorsitzende des Gouverneursrats der Europäischen Kommission die Bewertung, ob eine "Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten" besteht, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist, und ob tatsächlich oder potentiell Finanzierungsbedarf besteht (Art13 Abs 1 ESMV). Auf Grundlage dieses Ersuchens kann der Gouverneursrat beschließen, Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren (Art13 Abs 2 ESMV). In den Art 14 bis 18 ESMV werden die einzelnen Finanzhilfefazilitäten angeführt, darunter Kreditlinien im Rahmen der vorsorglichen Finanzhilfe (Art14 ESMV) und Darlehen (Art16 ESMV). Bejahendenfalls handelt die Europäische Kommission mit dem betreffenden ESM-Mitglied ein Memorandum of Understanding ("MoU") aus, in dem die mit der Finanzhilfefazilität verbundenen Auflagen im Einzelnen ausgeführt werden (Art13 Abs 3 ESMV). Die Europäische Kommission hat die Einhaltung der Auflagen zu überwachen (Art13 Abs 7 ESMV).

3. Der (Haupt)Antrag der Kärntner Landesregierung, festzustellen, dass der ESMV samt der Auslegungserklärung rechts- bzw. verfassungswidrig ist, ist nicht begründet:

3.1. Die Kärntner Landesregierung bringt zunächst vor, dass die Auslegungserklärung nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG der parlamentarischen Genehmigungspflicht unterliege. Da eine solche nicht eingeholt worden sei, sei die Auslegungserklärung rechtswidrig. Weil die Auslegungserklärung "eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten dar[stelle], durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein", habe dies die Rechtswidrigkeit des "gesamten Transformats (ESMV samt 'Auslegungserklärung')" zur Konsequenz.

Dieses Bedenken der Kärntner Landesregierung trifft aber schon deswegen nicht zu, weil selbst eine solche Rechtswidrigkeit, läge sie vor, nicht die von der Kärntner Landesregierung behauptete Rechtswidrigkeit des "ESMV samt 'Auslegungserklärung'" zur Folge hätte. Denn die Rechtswidrigkeit läge dann darin begründet, dass bei Abschluss der Auslegungserklärung nicht das von Art 50 B-VG geforderte Verfahren eingehalten worden wäre. Art 140a B-VG ordnet innerstaatlich eine solche allfällige Rechtswidrigkeit der — wie oben dargelegt (siehe Punkt III/A/3.3.2.) — einen selbständigen Anfechtungsgegen-stand bildenden Auslegungserklärung selbst zu.

3.2. Eine allenfalls rechtswidrige Kundmachung der Auslegungserklärung hätte daher auch keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Kundmachung des ESMV, die als solche auch von der Kärntner Landesregierung nicht bestritten wird. Auch die im Hinblick auf ihre Sprachfassungen auf Art 49 Abs 2 B-VG gegen die Kundmachung der Auslegungserklärung gestützten Bedenken der Kärntner Landesregierung ob einer daraus folgenden Rechtswidrigkeit der Kundmachung des ESMV selbst, treffen daher nicht zu. Auch insoweit sind also die im Hauptantrag vorgebrachten Bedenken der Kärntner Landesregierung gegen den "ESMV samt 'Auslegungserklärung'" nicht begründet.

3.3. Soweit der Antrag der Kärntner Landesregierung unter dem Titel "Bedenken betreffend den Staatsvertragsinhalt als solchen" sodann zunächst Ausführungen zur Vornahme der Ratifikation des ESMV durch den Bundespräsidenten enthält, stützt die Kärntner Landesregierung — worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist — darauf keine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit des ESMV. Nähere Gründe, warum es durch Art 65 Abs 1 erster Satz B-VG (oder durch Art 67 Abs 1 B-VG) dem Bundespräsidenten mit der Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit des abgeschlossenen Staatsvertrages verwehrt gewesen sein soll, den ESMV zu ratifizieren, bringt die Kärntner Landesregierung nicht vor.

3.4. Die Kärntner Landesregierung macht des Weiteren mit im Einzelnen näherer Begründung geltend, der ESMV modifiziere der Sache nach Art 125 Abs 1 AEUV, womit der ESMV dem parlamentarischen Genehmigungsverfahren nach Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Art 50 Abs 4 B-VG zu unterziehen gewesen wäre.

Der , Thomas Pringle , entschieden, dass unter anderem die Art 125 bis 127 AEUV dem nicht entgegenstehen, dass die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, eine Übereinkunft wie den ESMV abschließen und ratifizieren. Die Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.

Soweit die Kärntner Landesregierung darüber hinaus "einige unionsrechtliche Fragen" des "ESMV im Licht des künftigen Art 136 Abs 3 AEUV" aufwirft, berührt sie keine vom Verfassungsgerichtshof nach Art 140a iVm 140 B-VG zu beurteilenden Fragen (siehe zu Art 140 B-VG VfSlg 19.496/2011).

3.5.1. Die Kärntner Landesregierung bringt des Weiteren das Bedenken vor, der ESMV sei unsachlich und verstoße daher gegen den Gleichheitsgrundsatz, stehe im Widerspruch zum Grundsatz der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung (Art126b Abs 5 B-VG) und auch zur Staatszielbestimmung eines nachhaltig geordneten Haushalts gemäß Art 13 Abs 2 B-VG. Die mit dem ESMV bewirkte Kapitalzeichnung der Republik Österreich in Höhe von ca. € 19,5 Milliarden (Anhang II ESMV) sei ohne entsprechende volkwirtschaftliche Grundlagenforschung erfolgt. Der ESMV ermögliche Maßnahmen der Finanzhilfe auch für Staaten, die in rechtswidriger Weise ihren unionsrechtlichen Verpflichtungen zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite unzulänglich nachgekommen seien, und zwar auch dann, wenn diese Staaten eine niedrigere Abgabequote als die Republik Österreich hätten. Unsachlich sei auch, dass am ESM lediglich die Euro-Staaten teilnähmen, nicht jedoch andere EU-Mitglieder, auch wenn sie potentiell vom ESM profitieren könnten. Das Eingehen der Verpflichtungen nach dem ESMV verstoße auch gegen die Staatszielbestimmung des Art 13 Abs 2 B-VG, einen nachhaltig geordneten Haushalt anzustreben, weil unwägbar sei, welche Nachschusspflicht die Republik Österreich aus Art 8 Abs 4 letzter Satz ESMV treffen könne und weil das Eingehen der Verpflichtungen nach dem ESMV in Österreich umfangreiche Sparmaßnahmen erforderlich gemacht habe, was aber nach Art 13 Abs 2 B-VG unzulässig sei, weil sich das Gebot nachhaltig geordneter Haushalte gerade auf eine Haushaltsführung richte, die mittel- bis langfristig ohne erhebliche Gegensteuerungsmaßnahmen aufrecht erhaltbar sei.

3.5.2. Die Bundesregierung hält diesem Vorbringen entgegen, dass es sich bei dem von der Kärntner Landesregierung ins Treffen geführten Gebot des Art 13 Abs 2 B-VG, nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben, um eine Staatszielbestimmung handle, die sich nur auf die Haushaltsführung der Gebietskörperschaften, nicht aber auf die materielle Rechtsetzung, also auch nicht auf den Abschluss von Staatsverträgen wie den ESMV, beziehe. Gemessen am gebotenen Maßstab einer Vertretbarkeitskontrolle stelle vor dem Hintergrund der gesamteuropäischen Entwicklung der Abschluss eines Staatsvertrages zur Einrichtung einer internationalen Finanzinstitution, dessen Ziel die Mobilisierung von Finanzmitteln zur Bereitstellung von Stabilitätshilfen für seine Mitglieder ist, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitglieder unabdingbar ist (siehe Art 3 ESMV), keinen Verstoß gegen das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit dar und sei auch nicht unsachlich. Schließlich erfolge durch den ESMV auch keine unsachliche Privilegierung einzelner Mitglieder. Die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sei auch dann im wirtschaftlichen und politischen Interesse der Republik Österreich, wenn sie selbst keine Stabilitätshilfe in Anspruch nehme.

3.5.3. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum ESMV (Erläut. zur RV1731 BlgNR, 24. GP) heißt es dazu auszugsweise:

"Übergeordnetes Ziel ist die Wahrung der Stabilität, Einheit und Integrität des Euro-Währungsgebiets. Gerade für kleine offene Volkswirtschaften wie Österreich, die eine überdurchschnittlich hohe außenwirtschaftliche Verflechtung aufweisen, sind stabile Währungsbeziehungen von enormer Bedeutung, da sich dadurch die Planungssicherheit für Unternehmen – vor allem Exporteure – deutlich verbessert, zusätzliche Impulse für den Außenhandel generiert werden und davon positive Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort ausgehen. Der ESM soll dazu beitragen, systemische Krisen, welche sich potenziell negativ auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich auswirken würden, in Zukunft zu verhindern." (S 1)

"Ausschlaggebend für die Bemühungen zur Einrichtung von Stabilitätsmechanismen für das Euro-Währungsgebiet war der im Frühjahr 2010 beobachtete, dramatische Anstieg der Risikoaufschläge für Staatsanleihen einiger Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets. Im Mai 2010 war ein Niveau erreicht, das im Falle von Griechenland kurz zuvor zum Verlust des Zugangs zu den Kapitalmärkten geführt hatte." (S 3)

"[…] allerdings stieg die Unsicherheit auf den Finanzmärkten weiter an, da traditionell auf den europäischen Anleihenmärkten tätige Investoren aufgrund der allgemein hohen Schuldenquoten der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vermehrt Ansteckungsgefahren orteten. […] Die konsequente Umsetzung der Auflagen ist die Bedingung für die Aufrechterhaltung der Stabilitätshilfe." (S 4)

Die Frage, ob sich die Republik Österreich an Maßnahmen wie dem ESMV beteiligen soll oder nicht, hängt von vielfältigen allgemein politischen und komplexen finanz-, währungs- und wirtschaftspolitischen Einschätzungen und Abwägungen (auch hinsichtlich möglicher Alternativen) ebenso ab, wie sie durch die Stellung der Republik Österreich in den internationalen Beziehungen und als Mitglied des Euro-Währungsgebiets der Europäischen Union bestimmt ist. Wenn sich Bundesregierung und Nationalrat für die Teilnahme der Republik Österreich am ESMV und damit dafür entscheiden, diese vertraglich geregelten und begrenzten Verpflichtungen zur Vermeidung möglicher, nicht absehbarer wirtschaftlicher und sozialer Schäden in Wahrnehmung ihrer bundesverfassungsrechtlich zugewiesenen Zuständigkeit und Verantwortung einzugehen, ist ihnen weder unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes noch am Maßstab des Art 13 Abs 2 B-VG oder des Art 126 Abs 5 B-VG entgegenzutreten. Die von der Kärntner Landesregierung vorgebrachten Bedenken, die sich grundsätzlich dagegen richten, dass die Republik Österreich die Verpflichtungen als Vertragspartei des ESMV eingegangen ist, sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen eine der genannten Verfassungsbestimmungen darzutun. Denn diese Bedenken münden auf dem einen oder anderen Weg der Sache nach jeweils in das Argument, dass eine andere als die von Bundesregierung und Nationalrat gewählte politische Handlungsoption naheliegender oder richtiger gewesen wäre. Diese rechtspolitische Frage zu beurteilen kommt nicht dem Verfassungsgerichtshof zu.

3.6.1. Die antragstellende Landesregierung hegt schließlich das Bedenken, dass durch den ESMV das Maß "einzelner" Hoheitsrechte, das durch diesen Vertrag auf internationale Organe übertragen werde, im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG überschritten werde, was mangels Herauslösbarkeit dieser Hoheitsrechte wiederum den ESMV in seiner Gesamtheit wegen Verstoßes gegen Art 9 Abs 2 B VG verfassungswidrig mache. Im Einzelnen bezieht die Kärntner Landesregierung ihre Bedenken auf folgende Maßnahmen:

 "der Abruf von genehmigtem, nicht eingezahltem Stammkapital gemäß Art 9 Abs 1 bis 3 ESMV (zur Sanktionierung siehe Art 4 Abs 8 ESMV);

 die Erhöhung des genehmigten Stammkapitals gemäß Art 10 ESMV und die damit verbundene Änderung von Art 8 und Anhang II ESMV;

 Delegation von Aufgaben an die Europäische Kommission im Benehmen mit der EZB (Art13 Abs 1 und 3 ESMV);

 Dispositionen über die ebenfalls durch die Republik Österreich zur Verfügung gestellten Kapitalanteile (passim; siehe insbesondere Art 13 Abs 2 und Art 14 ffESMV);

 Erlassung von Leitlinien für Modalitäten der einzelnen Finanzhilfefazilitäten (siehe die Art 14 Abs 4, 15 Abs 4, 16 Abs 4, 17 Abs 4 und 18 Abs 5 ESMV);

 Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente nach den Art 14 bis 18 ESMV (Ergänzung um nicht näher determinierte, weitere Instrumente) durch Beschluss des Gouverneursrats (siehe Art 19 ESMV);

 Überwachung der Einhaltung der Auflagen, die bei Gewährung der Finanzhilfefazilität auferlegt wurden (siehe Art 13 Abs 7 ESMV);

 der jederzeit mögliche und verbindliche revidierte erhöhte Kapitalabruf gemäß Art 25 Abs 2 ESMV;

 die Entscheidung über alle Auslegungs- und Streitfragen aus dem völkerrechtlichen Vertragsverhältnis. Hiebei sind (außerösterreichischen) zwischenstaatlichen Einrichtungen folgende Befugnisse übertragen:

o Alle Fragen der Auslegung und Anwendung des ESMV und der ESM-Satzung zwischen Österreich und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern werden dem Direktorium des ESM vorgelegt (Art37 Abs 1).

o Über Streitigkeiten betreffend die Auslegung und Anwendung des ESMV zwischen Österreich und dem ESM und/oder weiteren ESM-Mitgliedern entscheidet der Gouverneursrat (Art37 Abs 2); dies gilt gleichfalls für Streitigkeiten darüber, ob Beschlüsse von ESM-Organen mit dem ESMV vereinbar sind. Wenn solche Entscheidungen Österreich betreffen, käme Österreich im Gouverneursrat kein Stimmrecht zu (Art37 Abs 2 letzter Satz ESMV).

o Über die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des Gouverneursrats urteilt der EuGH endgültig und für die Streitparteien 'verbindlich' mit Folgeleistungspflicht (Art37 Abs 3 ESMV).

Auslegungs- und Streitbeilegungsregelungen erfassen zentrale Fragen des ESMV, wie beispielsweise die Nachschusspflicht bei Zahlungsunfähigkeit einzelner Mitglieder (Art25 Abs 2 ESMV) oder die Änderung (Ausweitung) der Finanzhilfeinstrumente des ESM (Art19 ESMV)."

3.6.2. Die Bundesregierung hält dem zunächst entgegen, dass nicht alle dieser genannten Regelungen eine Übertragung von Hoheitsrechten im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG vorsehen würden. So sei etwa die in Art 10 Abs 1 ESMV vorgesehene Veränderung des genehmigten Stammkapitals und die damit verbundene Änderung von Art 8 und Anhang II ESMV keine Übertragung von Hoheitsrechten, weil ein entsprechender Beschluss des Gouverneursrats erst in Kraft trete, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben. Ein solcher Beschluss stelle vielmehr einen Staatsvertrag im Sinne des Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG dar (und bedürfe der vorherigen Ermächtigung des österreichischen Vertreters im Gouverneursrat gemäß Art 50b Z 2 B-VG). Im Übrigen dürfe die Wendung "einzelne Hoheitsrechte" in Art 9 Abs 2 B-VG nicht zu eng verstanden werden. Auch ein Vergleich mit dem Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds, BGBl 105/1949, mit dem eine dem ESM vergleichbare Finanzinstitution geschaffen worden sei, zeige, dass das Maß des nach Art 9 Abs 2 B-VG Zulässigen nicht überschritten sei.

3.6.3. Zweck des ESM ist es, Art 3 ESMV zufolge, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereit zu stellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt. Dafür steht dem ESM das in Art 8 Abs 1 ESMV definierte genehmigte Stammkapital zur Verfügung und verpflichten sich die ESM-Mitglieder unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zu diesem genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel in Anhang I zu leisten.

Die von der Kärntner Landesregierung genannten Bestimmungen des ESMV übersteigen, selbst unter der — hier nicht im Einzelnen zu überprüfenden — Annahme, dass es sich sämtlich um Hoheitsrechte im Sinne dieser Verfassungsbestimmung handeln würde, das Maß des nach Art 9 Abs 2 B-VG zulässigerweise Übertragbaren nicht. Dieses wird zum einen dadurch bestimmt, dass, worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist, die Wendung "einzelne Hoheitsrechte" nicht zu eng verstanden werden darf (vgl. Griller , Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, 1989, 247; Öhlinger, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 9, Rz 13; Cl. Mayer , Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU und Europäischer Stabilitätsmechanismus, JRP 2012, 124 [136]). Auf der anderen Seite wäre die Übertragung von Hoheitsbefugnissen, wie sie den Europäischen Gemeinschaften 1981 zugekommen sind, nicht mehr von Art 9 Abs 2 B-VG gedeckt. Angesichts des begrenzten Zwecks des ESM und der Tatsache, dass die von der Kärntner Landesregierung genannten Bestimmungen Befugnisse enthalten, die sich auf die Umsetzung dieses Zwecks beschränken (geregelt werden Fragen der Mittelaufbringung des ESMV, des Entscheidungsverfahrens, der Durchführung jener Maßnahmen, für die der ESMV eingerichtet ist, und Verfahren zur Entscheidung über Auslegungs- und Streitfragen aus dem Vertragsverhältnis bzw. der Beurteilung der Rechtmäßigkeit bestimmten Organhandelns), bleiben sie von ihrem Inhalt her und auch in ihrer Gesamtheit im Rahmen dessen, was nach Art 9 Abs 2 B-VG zulässig ist.

Die von der Kärntner Landesregierung im Hinblick auf Art 9 Abs 2 B-VG geltend gemachten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des ESMV treffen daher nicht zu.

3.7. Die von der Kärntner Landesregierung gegen die Rechtmäßigkeit des ESMV samt Auslegungserklärung vorgebrachten Bedenken treffen daher, sowohl soweit "Bedenken zur Transformation der 'Auslegungserklärung'" (Punkt II/1/a des Antrages der Kärntner Landesregierung) als auch soweit "Bedenken betreffend den Staatsvertragsinhalt als solchen" (Punkt II/1/b des Antrages der Kärntner Landesregierung) geltend gemacht werden, nicht zu. "Der ESMV samt 'Auslegungserklärung'" ist nicht aus den von der Kärntner Landesregierung geltend gemachten Gründen rechtswidrig. Der (Haupt)Antrag der Kärntner Landesregierung ist daher abzuweisen.

4. Auch die von der Kärntner Landesregierung eventualiter gestellten Anträge sind nicht begründet:

4.1.1. Die Kärntner Landesregierung begehrt, Art 5 Abs 6 litb ESMV und die Wortfolge "sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt" in Art 8 Abs 2 letzter Satz ESMV als verfassungswidrig festzustellen. Art 8 Abs 2 letzter Satz ESMV eröffne die Möglichkeit, unter besonderen Umständen Kapitalanteile am ESM nicht zum Nennwert sondern zum Ausgabekurs auszugeben. Dies könne der Gouverneursrat im gegenseitigen Einvernehmen beschließen (Art5 Abs 6 litb ESMV). Für eine solche Beschlussfassung sehe Art 50b B-VG keine Mitwirkungsbefugnis vor, wodurch ein Widerspruch zu Art 50a B-VG entstünde. Zudem erscheine die Wortfolge "unter besonderen Umständen" in Art 8 Abs 2 letzter Satz ESMV im Lichte des Bestimmtheitsgebots verfassungsrechtlich bedenklich.

4.1.2. Mit der ESM-Begleitnovelle, BGBl I 65/2012, wurden die Art 50a bis 50d B-VG in das B-VG eingefügt. Sie regeln die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM und sind gemäß Art 151 Abs 52 B-VG idF der genannten ESM-Begleitnovelle gleichzeitig mit dem ESMV in Kraft getreten. Angesichts dieses Regelungszusammenhangs ist es ausgeschlossen, dass aus dem Umstand, dass Art 50b B-VG eine bestimmte Beschlussfassung in einem Organ des ESM nicht dem in dieser Verfassungsbestimmung geregelten Ermächtigungserfordernis unterwirft, ein Widerspruch zu Art 50a B-VG resultiert. Art 50a B-VG verlangt nicht mehr an Mitwirkung des Nationalrats, als in den nachfolgenden Art 50b und 50c B-VG dem Nationalrat an Mitwirkung und Information gewährleistet ist (das schließt, wie Art 50d Abs 2 B-VG deutlich macht, nicht aus, dass der Gesetzgeber in der Geschäftsordnung des Nationalrats weitere Mitwirkungsrechte vorsieht, verhalten wird er durch Art 50a B-VG dazu nicht). Die auf einen Widerspruch zu Art 50a B-VG gegründeten Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.

Auch dass der Gouverneursrat nach Art 8 Abs 2 letzter Satz ESMV ermächtigt ist, über eine anderweitige Ausgabe von Anteilen als zum Nennwert "unter besonderen Umständen" zu beschließen, begegnet — im Hinblick auf Art 9 Abs 2 B-VG (siehe dazu, dass es hier auf die Bestimmtheit im Sinne dieser Ermächtigung, einzelne Hoheitsrechte zu übertragen, ankommt unten Punkt III/B/4.3.) — keinen Bedenken, dass die Übertragung von Hoheitsrechten nicht ausreichend bestimmt wäre. In verfahrensmäßiger Hinsicht ist auf Art 5 Abs 6 litb ESMV zu verweisen, wonach die "Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert nach Maßgabe des Art 8 Abs 2 ESMV" im gegenseitigen Einvernehmen zu beschließen ist. Angesichts des ESM als internationaler Finanzinstitution (Art1 ESMV) für Finanzhilfeinstrumente mit spezifischer Zwecksetzung (Art3 ESMV) und der geschilderten verfahrensrechtlichen Vorkehrungen ist die Ermächtigung an den Gouverneursrat, unter besonderen Umständen bei der Auflage neuer Anteile auf die allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen wie die wirtschaftliche Entwicklung des ESM und die damit verbundenen Implikationen Bedacht zu nehmen, auch in inhaltlicher Sicht rechtlich spezifiziert.

Auch diese Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu, sodass dieser (Eventual)Antrag der Kärntner Landesregierung insgesamt unbegründet ist.

4.2. Die Kärntner Landesregierung begehrt, Art 9 Abs 2 und 3 ESMV und Bezug habende Wortfolgen in Art 25 Abs 1 litc, in Art 25 Abs 2 sowie in Art 25 Abs 3 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:

4.2.1. Nach Art 9 Abs 2 respektive Abs 3 ESMV würden neben dem Gouverneursrat auch das Direktorium bzw. der geschäftsführende Direktor ermächtigt, genehmigtes, nicht eingezahltes Kapital abzurufen. Das Direktorium erhalte diese Befugnis für den Fall, dass die Höhe des eingezahlten Kapitals durch Auffangen von Verlusten unter den in Art 8 Abs 2 ESMV festgelegten Betrag abgesunken ist. Dem geschäftsführenden Direktor werde diese Befugnis zur Verhinderung von Verzug bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM eingeräumt. Diese Fälle von Kapitalabrufen könnten auch gegen den Willen eines ESM-Mitglieds erfolgen (Art9 Abs 2 ESMV) bzw. sei eine Mitwirkung der ESM-Mitglieder von vorneherein nicht vorgesehen (Art9 Abs 3 ESMV). Daraus folge, dass — sollte ein Kapitalabruf gegen den Willen der Republik Österreich erfolgen — die Mitwirkungsbefugnis des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM leerlaufe. Art 9 Abs 2 und 3 ESMV stünden daher in Widerspruch zu Art 50a B-VG.

4.2.2. Wie bereits oben unter Punkt III/B/4.1.2. ausgeführt, regeln die Art 50a ff. B-VG die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM. Dass Art 50b Z 2 B-VG im Hinblick auf Beschlüsse nach Art 9 Abs 2 ESMV nicht bewirken kann, dass dem österreichischen Nationalrat im Wege der Ermächtigung des österreichischen Vertreters ein Zustimmungsrecht zukommt, verstößt schon auf Grund des verfassungsrechtlichen Regelungszusammenhangs von Art 50a und Art 50b B-VG nicht gegen eine der genannten Verfassungsbestimmungen. Gleiches gilt dafür, dass Art 50b B-VG Kapitalabrufe nach Art 9 Abs 3 ESMV nicht erfasst.

Art50b B-VG enthält in dieser Hinsicht, anders als die Kärntner Landesregierung mit ihrer Behauptung einer offenbar irrtümlichen Annahme des Verfassungsgesetzgebers meint, keine planwidrige Regelungslücke, die im Lichte des Art 50a B VG systematisch geschlossen werden müsste. Denn weder Art 50a B-VG noch sonst eine Bestimmung der Bundesverfassung verlangen, dass jedes Organhandeln des ESM einer Einflussnahmemöglichkeit des Nationalrats unterliegt, die auf eine Zustimmungsbefugnis hinausläuft. Dies folgt schon aus Art 9 Abs 2 B-VG. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die wichtigste Grundlage für später möglicherweise erfolgende Kapitalabrufe nach Art 9 Abs 2 ESMV in der Gewährung von Stabilitätshilfen nach Art 13 ESMV liegt. Auf diese kommt dem Nationalrat nach Art 50b Z 1 B-VG entscheidender Einfluss zu (zum Einvernehmen bei Beschlussfassungen nach Art 13 Abs 2 ESMV und im Übrigen auch zu weiteren wesentlichen Verfahrensschritten auf dem Weg dorthin siehe Art 5 Abs 6 litf ESMV). Im Übrigen wirkt der Nationalrat nach den Art 50a ff. B-VG in vielfältiger Weise und nicht nur durch Ermächtigungen nach Art 50b B-VG in Angelegenheiten des ESM mit. So sieht Art 50c B-VG Informationsverpflichtungen des zuständigen Bundesministers vor. In Ausführung dazu erfasst die ESM-Informationsordnung (Anlage 3 zum GOG 1975) auch die Unterrichtung durch Informationen, Dokumente und Vorschläge für Beschlüsse betreffend Kapitalabrufe gemäß Art 9 Abs 1 und 2 ESMV sowie jener "Regeln für Kapitalabrufe" gemäß Art 9 Abs 4 ESMV, die das Handeln des geschäftsführenden Direktors nach Art 9 Abs 3 ESMV bestimmen. Diese Informationen, Dokumente und Vorschläge für Beschlüsse gemäß den Bestimmungen der ESM-Informationsordnung sind Gegenstände der Verhandlungen des ständigen Unterausschusses des Nationalrats in ESM-Angelegenheiten (§74e Abs 1 Z 3 GOG 1975) und unterliegen damit auch — § 32i Abs 1 GOG 1975 — der Möglichkeit für (auch wiederholte) Stellungnahmen gemäß Art 50c Abs 1 B-VG durch den Nationalrat.

Die von der Kärntner Landesregierung geltend gemachten Bedenken treffen also nicht zu.

4.3. Die Kärntner Landesregierung begehrt, die Wortfolge "und beschließen, sie zu ändern" in Art 19 ESMV als verfassungswidrig festzustellen.

4.3.1. Begründend führt die Kärntner Landesregierung aus, der Gouverneursrat könne nach Art 19 ESMV die in den Art 14 bis 18 ESMV vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern. Art 19 ESMV enthalte diesbezüglich keine weiteren Vorgaben, weshalb die Bestimmung mangels ausreichender Determinierung gegen Art 9 Abs 2 B-VG verstoße.

4.3.2. Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass der Gouverneursrat Beschlüsse über Änderungen an der Liste der Finanzhilfeinstrumente nach Art 19 ESMV nur im gegenseitigen Einvernehmen treffen dürfe (Art5 Abs 6 liti ESMV). In der Sache könne es dahinstehen, ob Art 19 ESMV Hoheitsrechte im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG übertrage. Das Determinierungsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG gelange nämlich schon deswegen nicht zur Anwendung, weil der Gouverneursrat keine "staatliche Verwaltung" im Sinne der Bundesverfassung führe. Die Mitwirkung des österreichischen Mitglieds im Gouverneursrat sei durch Art 50b Z 3 B-VG determiniert. Selbst wenn man das Determinierungsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG an Art 19 ESMV anlege, sei diese Bestimmung hinreichend bestimmt. Da es unmöglich sei, alle künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen oder die Entwicklung neuer Finanzinstrumente vorherzusehen, müsse es, solle der ESM seine Funktion als dauerhafter Stabilitätsmechanismus, der rasch Finanzmittel mobilisieren und ESM-Mitgliedern eine Stabilitätshilfe gewähren kann, effektiv erfüllen können, eine Möglichkeit geben, im konkreten Fall der Gewährung einer Stabilitätshilfe die Liste der Finanzhilfeinstrumente an die jeweilige wirtschaftliche Situation und die finanztechnischen Entwicklungen und Notwendigkeiten anzupassen.

4.3.3. Gemäß Art 12 Abs 1 ESMV kann der ESM einem ESM-Mitglied — unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen — Stabilitätshilfe gewähren, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Eine solche ESM-Stabilitätshilfe kann mittels der in den Art 14 bis 18 ESMV vorgesehenen Instrumente (vorsorgliche ESM-Finanzhilfe, Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten, ESM-Darlehen, Primärmarkt Unterstützungsfazilität und Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität), aber eben — im Lichte dessen, dass es sich beim ESM um einen ständigen Stabilitätsmechanismus handelt — auch durch ein Finanzinstrument gewährt werden, das gemäß Art 19 ESMV neu hinzukommt. Beschlüsse des Gouverneursrats zur Änderung der in den Art 14 bis 18 ESMV vorgesehenen Liste der Finanzhilfeinstrumente bedürfen des gegenseitigen Einvernehmens (Art5 Abs 6 liti ESMV; siehe in diesem Zusammenhang auch Art 50b Z 3 B-VG).

Staatsverträge nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG sind aus innerstaatlichem Blickwinkel eine formellen Gesetzen prinzipiell gleichwertige parlamentarische Rechtsatzform ( Öhlinger , in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 50 B-VG, Rz 37, siehe auch Rz 26). Einen, den Anforderungen des Art 18 B-VG genügenden Bestimmtheitsgrad müssen staatsvertragliche Bestimmungen insoweit aufweisen, als sie im Sinne dieser Verfassungsbestimmung die Grundlage für innerstaatliche Vollzugsakte bilden sollen ( Rill , in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar, Art 18 B-VG, Rz 13). Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Bestimmung des Art 19 ESMV jedenfalls nicht. Was das aus Art 9 Abs 2 B-VG folgende Gebot anlangt, dass die durch den Staatsvertrag übertragenen einzelnen Hoheitsrechte eben als solche entsprechend bestimmt sein müssen — was allerdings nicht einen dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG gleichzuhaltenden Determinierungsgrad verlangt (schließlich können internationalen Organen gemäß Art 9 Abs 2 B-VG auch Befugnisse übertragen werden, die innerstaatlich der Gesetzgeber ausüben müsste) — so verstößt Art 19 ESMV gegen diese verfassungsrechtliche Anforderung nicht. Im Lichte der spezifischen Zwecksetzung des ESM, des durch die bestehende Liste der Finanzhilfeinstrumente vorgegebenen Regelungszusammenhangs und des Verfahrens zur Änderung dieser Liste der Finanzhilfeinstrumente ist die in Rede stehende Befugnis des Gouverneursrats im Hinblick auf Art 9 Abs 2 B-VG hinreichend spezifiziert.

Auch diese Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.

4.4. Die Kärntner Landesregierung begehrt, Art 25 Abs 2 und 3 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:

4.4.1. Gemäß Art 25 Abs 2 erster Satz ESMV dürfe in dem Fall, dass ein ESM-Mitglied die auf Grund eines Kapitalabrufs gemäß Art 9 Abs 2 oder 3 ESMV erforderliche Einzahlung nicht vornimmt, an alle ESM-Mitglieder ein revidierter Kapitalabruf ergehen, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhalte. Nach Ansicht der Kärntner Landesregierung handle es sich bei dieser "Nachschusspflicht" um eine lex specialis zur haftungsbeschränkenden Regelung des Art 8 Abs 5 erster Satz ESMV. Da (zumindest) Zweifel über die Reichweite der "Nachschusspflicht" bestünden, verstoße Art 25 Abs 2 erster Satz ESMV gegen das Bestimmtheitsgebot. Die Auslegungserklärung habe — wegen der von der Kärntner Landesregierung ebenfalls vorgebrachten Bedenken ob ihrer Transformation — diese Zweifel nicht ausgeräumt.

4.4.2. Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass die Haftungsbeschränkung des Art 8 Abs 5 ESMV auch im Fall eines revidierten erhöhten Kapitalabrufs gelte, was aus dem klaren Wortlaut — "die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt" — deutlich werde. Die Haftungsbeschränkung des Art 8 Abs 5 ESMV beziehe sich daher auf die Summe der eingezahlten Anteile und der Kapitalabrufe, einschließlich solcher nach Art 25 Abs 2 ESMV (die Bundesregierung verweist darauf, dass auch das Bundesverfassungsgericht — BVerfG, , 2 BvR 1390/12 ua., — von dieser Auffassung ausgehe). Auch der Nationalrat habe dieses Verständnis bei seiner Genehmigung des ESMV zugrunde gelegt (Erläut. zur RV 1731 BlgNR 24. GP, 7, wonach allfällige Kapitalabrufe jedenfalls durch den in Anhang II ausgewiesenen Betrag [abzüglich des eingezahlten Kapitals] begrenzt wären).

4.4.3. Im vorliegenden Zusammenhang genügt es — unter Zugrundelegung jenes Verständnisses, von dem die Bundesregierung (Erläut. zur RV 1731 BlgNR 24. GP, 7) und auch der Nationalrat bei der Genehmigung zum Abschluss des ESMV ausgegangen sind, und das durch die nachfolgende Auslegungserklärung gesichert wurde —, darauf hinzuweisen, dass Art 8 Abs 5 ESMV nach Maßgabe der Auslegungserklärung "sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne [begrenzt], dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt." Damit ist den Bedenken der Kärntner Landesregierung, Art 25 Abs 2 erster Satz ESMV sei hinsichtlich einer allfälligen "Nachschusspflicht" unbegrenzt, jedenfalls der Boden entzogen.

Auch die gegen Art 25 Abs 2 und 3 ESMV vorgebrachten Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.

4.5. Die Kärntner Landesregierung begehrt, die Wortfolge "der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats," in Art 35 Abs 1 ESMV und die Wortfolge "des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats," in Art 35 Abs 2 ESMV als verfassungswidrig festzustellen.

4.5.1. Begründend führt die Kärntner Landesregierung aus, die Anwendung des Art 35 Abs 1 ESMV habe die persönliche Immunität des jeweiligen Bundesministers für Finanzen, der die Republik Österreich als ESM-Mitglied im Gouverneursrat vertrete, vor dem Verfassungsgerichtshof als Staatsgerichtshof gemäß Art 142 Abs 2 litb B-VG zur Folge. Art 35 Abs 1 ESMV stehe daher im Widerspruch zu Art 76 Abs 1 B-VG. Diese Bedenken hege die Kärntner Landesregierung auch für den Fall, dass der jeweilige österreichische Bundesminister für Finanzen zum Vorsitzenden des Gouverneursrats bestellt werde.

4.5.2. Die Bundesregierung stellt zunächst klar, dass Beschlüsse und sonstige Handlungen des Gouverneursrats dem ESM, der eine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt (Art32 Abs 2 ESMV), nicht der Republik Österreich zuzurechnen seien und daher auch unter staatsrechtlichen Gesichtspunkten vom B-VG — insbesondere von dessen Art 76 und 142 — nicht erfasst würden. Fraglich sei, ob die in Art 35 Abs 1 ESMV vorgesehene "Immunität von der Gerichtsbarkeit" auch die in Art 142 B-VG geregelte besondere rechtliche Verantwortlichkeit der obersten Staatsorgane erfasse. Art 35 Abs 1 ESMV enthalte keine Definition des Begriffes "Gerichtsbarkeit" und auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergebe sich keine verbindliche Bedeutung. Die Bedeutung dieses Begriffes müsse daher durch Auslegung des ESMV ermittelt werden. Bei internationalen Finanzinstitutionen genössen die von den Vertragsparteien ernannten Organmitglieder regelmäßig funktionelle Immunität in allen Mitgliedstaaten, einschließlich ihres Heimatstaates (die Bundesregierung nennt einige Beispiele wie den Internationalen Währungsfonds oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, siehe näher die unter Punkt I./4.3.1. wiedergegebene Äußerung der Bundesregierung). Allen diesen Bestimmungen sei gemeinsam, dass die Immunität nicht den persönlichen Schutz der Gouverneure als Organwalter bezwecke, sondern ausschließlich den Schutz der Finanzinstitution, die daher auch allein über die Aufhebung der Immunität entscheide. Maßgeblich für diese Entscheidung sei, ob eine Aufhebung der Immunität die Funktion der Institution beeinträchtigen würde. Art 35 ESMV entspreche daher den bei internationalen Finanzinstitutionen üblichen Regelungen, die als Vorbild gedient hätten. Auch zeige der Umstand, dass bei jenen Gründungsverträgen internationaler Finanzinstitutionen, bei denen einzelne Bestimmungen früher als verfassungsändernd genehmigt worden seien, die Immunitätsbestimmungen nicht dazu zählten (für die einzelnen Nachweise siehe die unter Punkt I/4.3.1. wiedergegebene Äußerung der Bundesregierung). Die Staatspraxis sei daher offenbar einheitlich davon ausgegangen, dass die völkerrechtlich vorgesehene Immunität des Bundesministers für Finanzen als Gouverneur einer internationalen Finanzinstitution nicht mit der Staatsgerichtsbarkeit des Art 142 B-VG unvereinbar sei. Eine solche Auslegung stimme auch mit dem erwähnten Telos solcher Immunitätsbestimmungen überein. Eine Anklage gegen den Bundesminister für Finanzen gemäß Art 142 B-VG, weil er etwa seine Informationspflichten gegenüber dem Nationalrat oder dessen Mitwirkungsrechte nach den Art 50a ff. B-VG verletzt hätte, würde die Funktion des ESM nicht beeinträchtigen.

4.5.3. Nach Art 35 Abs 1 ESMV genießen u.a. die Mitglieder des Gouverneursrats (wie dessen Vorsitzender) Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen. Absatz 2 dieser Bestimmung zufolge kann der Gouverneursrat diese Immunität in dem Maße und unter den Bedingungen, die er bestimmt, aufheben.

Die (berufliche) Immunität für Organwalter wie hier für Gouverneure internationaler Finanzinstitutionen ist eine wesentliche Bedingung der Funktionsfähigkeit der jeweiligen Institution und daher, wie die Bundesregierung darlegt, gängige völkerrechtliche Praxis. Diese Immunität steht aber einer innerstaatlich nach Art 142 Abs 2 litb B-VG wahrzunehmenden Verantwortlichkeit wegen der Verletzung von Informationspflichten gemäß Art 50c B-VG iVm den einschlägigen Bestimmungen des GOG 1975 oder wegen Nichteinhaltung einer Ermächtigung gemäß Art 50b B-VG oder wegen Verletzung sonstiger Vorschriften der Bundesverfassung oder anderer innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegen.

Die von der Kärntner Landesregierung angefochtenen Wortfolgen in Art 35 Abs 1 und Abs 2 ESMV verstoßen daher nicht gegen Art 76 Abs 1 B-VG. Die diesbezüglichen Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen also nicht zu.

4.6. Die Kärntner Landesregierung begehrt, die Wortfolge "und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden" in Art 32 Abs 5 ESMV sowie die Wortfolge "Mitglieder und" in Art 34 ESMV als verfassungswidrig festzustellen.

4.6.1. Diese (Eventual)Anträge betreffen Art 32 Abs 5 ESMV, wonach sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder Besitz des ESM befinden, unverletzlich sind, und Art 34 ESMV, wonach Mitglieder des Gouverneursrats keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weitergeben dürfen. Diese Be stimmungen stehen nach Ansicht der Kärntner Landesregierung im Widerspruch zu den Informations- und Mitwirkungsrechten des Nationalrats gemäß den Art 50a ff. B-VG.

4.6.2. Die Bundesregierung erläutert ausführlich, warum ihrer Auffassung zufolge die angefochtenen Bestimmungen nicht in der Weise auszulegen sind, dass sie sich auf die Unterrichtung des Parlaments eines ESM-Mitglieds durch dessen Regierung bezögen und einer solchen Unterrichtung daher auch nicht entgegen stünden.

4.6.3. Die durch die ESM-Begleitnovelle, BGBl I 65/2012, in das B-VG eingefügten Art 50a bis 50d B-VG regeln die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM. Diese Verfassungsbestimmungen sind gemäß Art 151 Abs 52 B-VG idF der genannten ESM-Begleitnovelle gleichzeitig mit dem ESMV in Kraft getreten. Art 50c Abs 1 B-VG verpflichtet den zuständigen Bundesminister, den Nationalrat in Angelegenheiten des ESM unverzüglich zu unterrichten. Die in Zusammenhang mit der ESM-Begleitnovelle in das GOG 1975 durch BGBl I 66/2012 eingefügten Regelungen insbesondere der §§74c bis 74g GOG 1975 konkretisieren diese Informationspflichten. Dieser Regelungszusammenhang zeigt, dass die genannten Verfassungsbestimmungen die Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrats in Ansehung der einzelnen Bestimmungen des ESMV und damit auch dessen Art 32 Abs 5 und Art 34 regeln. Dem Verfassungsgesetzgeber kann nicht unterstellt werden, er hätte mit seinen Regelungen der Art 50a ff. B-VG in der ESM-Begleitnovelle verfassungsrechtliche Verpflichtungen für die Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrats festgelegt, deren Erfüllung die Art 32 Abs 5 und 34 ESMV entgegenstehen würden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Auslegungserklärung (zu ihrer Bedeutung siehe oben Punkt III/A/3.3.3.) gerade ein Verständnis sichert, wonach unter anderem Art 32 Abs 5 und Art 34 ESMV "der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen" stehen.

Die auf einen Widerspruch von Art 32 Abs 5 und Art 34 ESMV zu Art 50a B-VG gegründeten Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.

4.7. Mit ihrem letzten (Eventual)Antrag begehrt die Kärntner Landesregierung schließlich festzustellen, dass die Auslegungserklärung der Vertreter der Vertragsparteien vom rechts- bzw. verfassungswidrig ist.

4.7.1. Zur Begründung verweist die Kärntner Landesregierung auf ihre schon im Zusammenhang mit ihrem (Haupt)Antrag "zur Transformation" der Auslegungserklärung vorgebrachten Bedenken, dass die Auslegungserklärung nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG der parlamentarischen Genehmigungspflicht unterliege. Da eine solche nicht eingeholt worden sei, sei die Auslegungserklärung rechtswidrig.

4.7.2. Die Bundesregierung hält dem entgegen, dass es sich bei der Auslegungserklärung um eine interpretative Erklärung zu einem völkerrechtlichen Vertrag handle, die nicht die vertraglichen Verpflichtungen der Vertragsparteien ändere. Zwar würden in der Staatspraxis interpretative Erklärungen zumeist dem Nationalrat zur Genehmigung zugeleitet (allenfalls würden sie auch nur in die Erläuterungen aufgenommen), ein Genehmigungserfordernis für interpretative Erklärungen bestünde allerdings nur dann, wenn diese völkervertragliche Verpflichtungen enthielten und zudem die Voraussetzungen des Art 50 Abs 1 B-VG vorlägen.

4.7.3.1. Wie der Verfassungsgerichtshof unter Punkt III/A/3.3.3. bereits dargelegt hat, handelt es sich bei der Auslegungserklärung aus innerstaatlicher Sicht um einen Rechtsakt, der völkerrechtlich eine bestimmte Bedeutung von Bestimmungen des — innerstaatlich nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG genehmigten — ESMV sichert. Wie dieser einer Genehmigung nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG bedarf, bedürfte die Auslegungserklärung einer solchen dann, wenn sie — in dem Sinn gesetzändernd oder gesetzesergänzend — die von ihr bezogenen Bestimmungen des ESMV in einer Weise änderte, die nicht mehr von jenem möglichen Verständnis dieser Bestimmungen erfasst wäre, in dem sie dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegen sind. Wie gegenüber nachträglichen Änderungen eines völkerrechtlichen Vertrages muss die Genehmigungsbefugnis des Nationalrats nach Art 50 iVm Art 140a B-VG auch in einem Fall wie dem vorliegenden innerstaatlich gewahrt werden, in dem die Bedeutung des dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegten völkerrechtlichen Vertrages nach seiner Zustimmung zu dessen Abschluss durch eine für die Republik Österreich von Verwaltungsorganen abgeschlossene Vereinbarung bestimmt wird.

Die Auslegungserklärung behandelt — im Gefolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom , 2 BvR 1390/12 ua., — in zweierlei Hinsicht Fragen des Regelungsgehalts des ESMV: Zum einen die Frage, ob die in Art 8 Abs 5 Satz 1 ESMV "unter allen Umständen" geregelte Haftungsbegrenzung eines jeden ESM-Mitglieds auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs auch bei Anwendung der Vorschriften über revidierte erhöhte Kapitalabrufe nach Art 9 Abs 2 und Abs 3 ESMV iVm Art 25 Abs 2 ESMV gilt. Zum zweiten die Frage, ob die Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 ESMV einer umfassenden Information der nationalen Parlamente entgegenstehen.

4.7.3.2. Nach dem Wortlaut des Art 8 Abs 5 erster Satz ESMV bleibt die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds "unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt".

Das lässt zunächst auch eine Auslegung des ESMV zu, die die Haftungsgrenze des Art 8 Abs 5 Satz 1 ESMV nicht auf den Fall revidierter erhöhter Kapitalabrufe nach Art 9 Abs 2 und Abs 3 iVm Art 25 Abs 2 ESMV bezieht (weil es hier um die zur Sicherstellung der Kapitaleinzahlung in voller Höhe für den ESM notwendige vorübergehende Übernahme von Verpflichtungen anderer ESM-Mitglieder geht). Die Auslegungserklärung besagt nun, dass Art 8 Abs 5 ESMV "sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne [begrenzt], dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt".

Die Auslegungserklärung sichert somit — in Abgrenzung zu einer möglichen anderen — jene Bedeutung des ESMV, insbesondere seines Art 8 Abs 5, die das Budget (potentiell) weniger belastet und insofern auch weniger Befugnisse auf den ESM überträgt. Ein solches Verständnis kommt im Übrigen auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Ausdruck, die ausführen: "Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. Allfällige Kapitalabrufe wären daher jedenfalls durch den in Anhang II ausgewiesenen Betrag (abzüglich des eingezahlten Kapitals) begrenzt." (Erläut. zur RV 1731 BlgNR, 24. GP, 7).

Die Auslegungserklärung überschreitet daher nicht die Grenzen jener Bedeutung des ESMV, die von der Genehmigung des Nationalrats erfasst ist. Die Auslegungserklärung ist somit, was zunächst ihren Absatz 1 angeht, in ihrer Bedeutungsbestimmung innerstaatlich nicht als gesetzändernd oder gesetzesergänzend im Sinne des Art 50 B-VG zu qualifizieren.

4.7.3.3. Nach Art 32 Abs 5 ESMV sind die Archive des ESM und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder Besitz des ESM befinden, unverletzlich. Nach Art 34 ESMV unterliegen Mitglieder des Gouverneursrats und des Direktoriums sowie alle anderen Mitarbeiter des ESM einer beruflichen Schweigepflicht. Art 35 Abs 1 ESMV gewährleistet diesen Personen im Interesse des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich der in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen. Vor diesem Hintergrund statuiert der zweite Absatz der Auslegungserklärung, dass Art 32 Abs 5, Art 34 und Art 35 Abs 1 ESMV "der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften" nicht entgegenstehen.

Wie die durch die ESM-Begleitnovelle, BGBl I 65/2012, in die Bundesverfassung eingefügten Art 50a bis 50d B-VG, nach denen der Nationalrat in Angelegenheiten des ESM mitwirkt, und die in diesem Zusammenhang erlassenen Änderungen des GOG 1975 (BGBl I 66/2012) zeigen, hat der (Verfassungs)Gesetzgeber umfangreiche Vorkehrungen für die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM getroffen. Dabei nimmt das GOG 1975 insbesondere in seinen §§74c bis 74 g und in der in diesen Bestimmungen verwiesenen, als Anlage 3 dem GOG 1975 angefügten ESM-Informationsordnung auch auf Sicherheitseinstufungen der Organe des ESM über eine besondere Vertraulichkeit von Vorlagen, Dokumenten, Berichten und Vorschlägen für Beschlüsse Bedacht. Diese (verfassungs)gesetzlich geregelte Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM setzt entsprechende Informationsflüsse und damit auch ein entsprechendes Verständnis der hier in Rede stehenden Bestimmungen des ESMV voraus. Der Nationalrat ist daher bei seiner Genehmigung des ESMV offensichtlich davon ausgegangen, dass die im ESMV geregelten Geheimhaltungs- und Schweigeverpflichtungen den mit der ESM-Begleitnovelle und der in diesem Zusammenhang erlassenen Änderungen des GOG 1975 vorgesehenen Mitwirkungsbefugnissen und –verfahren des Nationalrats nicht entgegenstehen. Wenn daher die Auslegungserklärung in ihrem zweiten Absatz solches betont, hält sie sich auch hier im Rahmen der vom Nationalrat dem ESMV erteilten parlamentarischen Genehmigung. Auch im Hinblick auf ihren Absatz 2 bedarf daher die Auslegungserklärung innerstaatlich keiner eigenen Genehmigung als gesetzändernd oder gesetzesergänzend im Sinne des Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG.

4.7.3.4. Bewegt sich die Auslegungserklärung aber in ihren Absätzen 1 und 2 auf der Grundlage der dem ESMV vom Nationalrat erteilten Genehmigung und damit in den ihr diesbezüglich durch Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG gesetzten Grenzen, dann überschreitet sie diese auch nicht dadurch, dass sie in ihrem Absatz 3 die völkerrechtliche Verbindlichkeit der in den Absätzen 1 und 2 erfolgten Bedeutungsbestimmung besonders betont.

4.7.4. Die Bedenken der Kärntner Landesregierung, die Vereinbarung der Auslegungserklärung vom hätte der Genehmigung nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG bedurft, und auf die Prüfung nur dieser geltend gemachten Bedenken hat sich der Verfassungsgerichtshof zu beschränken, treffen daher nicht zu.

IV. Ergebnis

Die Anträge der Kärntner Landesregierung sind insgesamt abzuweisen.