VfGH vom 03.12.1984, g81/84
Sammlungsnummer
10292
Leitsatz
B-VG; Regelung des Rechtes zum freien Betreten des Waldes fällt gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 ("Forstwesen") in die Zuständigkeit des Bundes; keine Zuordnung zum "Zivilrechtswesen"; Verpflichtung des Gesetzgebers zur Bedachtnahme auf die vom Gesetzgeber der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft kompetenzgemäß wahrgenommenen Interessen, insoweit, als die Gesetze der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft ihrerseits die Rücksichtnahmepflicht nicht verletzen (Berücksichtigungsprinzip); bei Prüfung der Einhaltung der Rücksichtnahmepflicht sind die Normen beider Gesetzgeber präjudiziell
Forstgesetz 1975; nur forstrechtliche Vorschriften über das Betreten des Waldes in §§33 und 34; Anordnung verwaltungsrechtlicher Sperren anderer Art durch andere Gesetzgeber nicht ausgeschlossen
Nö. Jagdgesetz 1974; Verletzung der verfassungsgesetzlichen Rücksichtnahmepflicht in § 94 Abs 4 durch die exzessive Bevorrangung von jagdwirtschaftlichen und wildbiologischen Interessen durch den Landesgesetzgeber gegenüber den vom Bundesgesetzgeber wahrgenommenen Interessen der Erholungsfunktion des Waldes
Spruch
I. § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 des Forstgesetzes 1975, BGBl. 440, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Im § 94 Abs 4 des Nö. Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500-2, werden die Worte "Jagd- und" als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
2. Im übrigen wird das Verfahren zur Prüfung des Nö. Jagdgesetzes eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.
A. 1. Beim VfGH ist zu Z B325/79 das Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Die Nö. Landesregierung hat mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom den Bf. schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 94 Abs 4 iVm. § 135 Abs 1 Z 19 den Nö. Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500-2, (im folgenden: Nö. JagdG) begangen zu haben, daß er am ein näher bezeichnetes, mit behördlicher Bewilligung gesperrtes Jagdgehege betreten habe. Dem Bf. wurde gemäß § 21 VStG 1950 eine Ermahnung erteilt. Dieser Bescheid bildet den Gegenstand des oben zitierten verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens.
2. Der VfGH hat gemäß Art 140 Abs 1 B-VG beschlossen, aus Anlaß der erwähnten Beschwerde von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des § 94 Abs 4 Nö. JagdG sowie des § 33 Abs 1 bis 3 und des § 34 des Forstgesetzes 1975, BGBl. 440, (im folgenden: ForstG 1975) zu prüfen.
B. 1. Die in Prüfung gezogene landesgesetzliche Bestimmung steht in folgendem Zusammenhang:
Dem § 7 Abs 1 Nö. JagdG zufolge bildet eine zusammenhängende Grundfläche von mindestens 115 ha, welche im Hinblick auf ihre Gestaltung und den Pflanzenbewuchs eine jagdliche Wildhege erwarten läßt und die gegen das Ein- und Auswechseln von Wild gegenüber allen benachbarten Grundstücken vollkommen abgeschlossen ist, ein Jagdgehege.
Gemäß § 7 Abs 2 leg. cit. bilden abgeschlossene Flächen geringeren Ausmaßes, auf denen vom Grundeigentümer Wild gehalten wird und die der Schau oder Zucht von Wild dienen, Schau- und Zuchtgehege. Die Anlage von Schau- und Zuchtgehegen bedarf der Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde.
§94 Abs 4 Nö. JagdG lautet:
"Jagd- und Zuchtgehege können vom Jagdausübungsberechtigten unter Bedachtnahme auf die im Abs 3 angeführten Ausnahmen gesperrt werden, wenn aus Gründen des Zuchterfolges oder der Sicherheit von Personen eine Sperre erforderlich ist. Die Sperre bedarf der Bewilligung durch die Bezirksverwaltungsbehörde. Wenn sich die Sperre auf regelmäßig innerhalb eines Jahres wiederkehrende Zeiträume beziehen soll, kann die Bewilligung auch zugleich mit der Bewilligung gemäß § 7 auf die Dauer des Bestandes des Geheges erteilt werden. Die Sperre solcher Gehege sowie die Sperre des Wildfütterungsbereiches ist vom Jagdausübungsberechtigten durch Hinweise an der Einfriedung sowie durch Hinweise an den zu den Futterstellen führenden Straßen, Wegen und Steigen kundzumachen. Die Art der Hinweise für diese Sperren hat die Landesregierung im Verordnungswege zu bestimmen."
Gemäß § 135 Abs 1 Z 19 bzw. Z 23 Nö. JagdG, LGBl. 6500-2 bzw. 6500-3, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein gesperrtes Jagdgebiet betritt oder dieses nach Aufforderung nicht unverzüglich verläßt (§94).
2. § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG 1975 bestimmen:
"Arten der Benützung
§33. (1) Jedermann darf, unbeschadet von Bestimmungen der Abs 2 und 3 und des § 34, Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten.
(2) Zu Erholungszwecken gemäß Abs 1 dürfen nicht benützt werden:
a) Waldflächen, für die die Behörde ein Betretungsverbot aus den Gründen des § 28 Abs 3 litd, § 41 Abs 2 oder § 44 Abs 7 verfügt hat,
b) Waldflächen, mit forstbetrieblichen Einrichtungen, wie Forstgärten und Saatkämpe, Holzlager- und Holzausformungsplätze, Material- und Gerätelagerplätze, Gebäude, Betriebsstätten von Bringungsanlagen, ausgenommen Forststraßen, einschließlich ihres Gefährdungsbereiches,
c) Wiederbewaldungsflächen sowie Neubewaldungsflächen, diese unbeschadet des § 4 Abs 1, solange deren Bewuchs eine Höhe von drei Metern noch nicht erreicht hat.
(3) Eine über Abs 1 hinausgehende Benützung, wie ein Lagern über den Tag hinaus, ein Zelten, Befahren oder Reiten, ist nur mit Zustimmung des Waldeigentümers, hinsichtlich der Forststraßen mit Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt, zulässig. Die Zustimmung kann auf bestimmte Benützungsarten oder -zeiten eingeschränkt werden. Sie gilt als erteilt, wenn die Zulässigkeit der Benützung und deren Umfang im Sinne des § 34 Abs 10 ersichtlich gemacht wird.
(4) ..."
"Benützungsbeschränkungen
§34. (1) Unbeschadet der Bestimmungen des § 33 Abs 2 darf Wald von der Benützung zu Erholungszwecken vom Waldeigentümer befristet (Abs2) oder dauernd (Abs3) ausgenommen werden (Sperre).
(2) Befristete Sperren sind nur zulässig für folgende Flächen:
a) Baustellen von Bringungsanlagen und anderen forstbetrieblichen Hoch- und Tiefbauten;
b) Gefährdungsbereiche der Holzfällung und -bringung bis zur Abfuhrstelle auf die Dauer der Holzerntearbeiten;
c) Waldflächen, in denen durch atmosphärische Einwirkungen Stämme in größerer Anzahl geworfen oder gebrochen wurden und noch nicht aufgearbeitet sind, bis zur Beendigung der Aufarbeitung;
d) Waldflächen, in denen Forstschädlinge bekämpft werden, solange es der Bekämpfungszweck erfordert;
e) Wildwintergatter, die dem Schutz des Waldes vor Wildschäden dienen, soweit ihr Ausmaß bei einem Jagdgebiet bis zu 800 ha 25 ha und bei einem Jagdgebiet über 800 ha 3% dieser Fläche nicht übersteigt;
f) Waldflächen, wenn und solange sie wissenschaftlichen Zwecken dienen und diese ohne Sperre nicht erreicht werden können.
(3) Dauernde Sperren sind nur zulässig für Waldflächen, die
a) aus forstlichen Nebennutzungen entwickelten Sonderkulturen, wie der Christbaumzucht, gewidmet sind;
b) der Besichtigung von Tieren und Pflanzen, wie Tiergärten oder Alpengärten, oder besonderen Erholungseinrichtungen, ohne Rücksicht auf eine Eintrittsgebühr gewidmet sind;
c) der Waldeigentümer sich oder seinen Beschäftigten im engeren örtlichen Zusammenhang mit ihren Wohnhäusern vorbehält und die insgesamt 5% von dessen Gesamtwaldfläche, höchstens aber 15 ha, nicht übersteigen; bei einer Gesamtwaldfläche unter 10 ha dürfen bis zu 0.5 ha gesperrt werden.
(4) Beabsichtigt der Waldeigentümer aus den Gründen des Abs 3 eine dauernde Sperre von Waldflächen, deren Ausmaß 5 ha übersteigt, so hat er hiefür bei der Behörde die Bewilligung zu beantragen. In dem Antrag sind die Grundstücksnummern und der Sperrgrund anzugeben. Dem Antrag ist eine Lageskizze anzuschließen.
(5) Wald, der von der Benützung zu Erholungszwecken ausgenommen wird, ist in den Fällen
a) des Abs 1 und des § 33 Abs 2 litb vom Waldeigentümer,
b) des § 33 Abs 2 lita von der Behörde
zu kennzeichnen. Flächen gemäß § 33 Abs 2 litc, sowie Flächen, hinsichtlich derer eine Kundmachung nach § 41 Abs 3 erlassen worden ist, bedürfen keiner Kennzeichnung.
(6) Die Kennzeichnung gemäß Abs 5 ist mittels Hinweistafeln an jenen Stellen, wo öffentliche Straßen und Wege, markierte Wege und Forststraßen in die zu kennzeichnende gesperrte Flächen führen, anzubringen.
(7) Ist die Benützung einer Waldfläche zu Erholungszwecken aus den in Abs 2 und 3 im § 33 Abs 2 lita und b angeführten Gründen nicht zulässig, so erstreckt sich die Sperre
a) in den Fällen des Abs 2 lita bis d sowie des § 33 Abs 2 lita auch auf alle durch die Waldfläche führenden nicht öffentlichen Wege,
b) in den Fällen des Abs 2 lite und f, des Abs 3 sowie des § 33 Abs 2 litb aufnichtöffentliche Wege, jedoch unbeschadet bestehender Benützungsrechte.
(8) Im Fall einer Sperre gemäß Abs 3 hat der Waldeigentümer die Umgehung der gesperrten Fläche zu ermöglichen; erforderlichenfalls hat er geeignete Umgehungswege anzulegen. Ist dies nach der Lage der gesperrten Waldfläche nicht möglich, so hat er, im Falle die Sperre durch Beschilderung gekennzeichnet ist, die Möglichkeit der Benützung der durch die gesperrte Waldfläche führenden Wege durch Hinweistafeln zu kennzeichnen, im Falle die Waldfläche eingezäunt ist, diese Möglichkeit durch Überstiege oder Tore zu gewährleisten.
(9) Innerhalb von Waldflächen, die wegen einer Sperre gemäß Abs 1 oder eines Betretungsverbotes gemäß § 33 Abs 2 litc zu Erholungszwecken nicht benützt werden dürfen, dürfen Wege, soweit sie nicht bereits gemäß Abs 7 in die Sperre miteinbezogen sind, nicht verlassen werden.
(10) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat durch Verordnung die Arten der Kennzeichnung, Form und Wortlaut von Hinweistafeln sowie die Art der Ersichtlichmachung näher zu regeln. Auf den Hinweistafeln ist jedenfalls auch darauf zu verweisen, daß mit besonderen Gefahren durch Arbeiten im Zuge der Waldbewirtschaftung gerechnet werden muß."
Die Errichtung von Sperren entgegen den Vorschriften des § 34 Abs 2 bis 4 ist gemäß § 174 Abs 1 litb Z 5 ForstG 1975 als Verwaltungsübertretung strafbar.
C. Der VfGH hat in dem dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß seine Bedenken wie folgt umschrieben:
"...
III. ...
1. § 94 Abs 4 Nö. JagdG ermöglicht die Sperre aller mindestens 115 ha umfassenden Gebiete, sofern sie bestimmte Erfordernisse erfüllen (§7 Abs 1 Nö. JagdG), sowie aller Gebiete, die der Schau und der Zucht von Wild dienen (§7 Abs 2 Nö. JagdG). Damit scheint erlaubt zu werden, relativ große und viele Gebiete für die Öffentlichkeit zu sperren. Bei diesen Gebieten handelt es sich offenbar zwar nicht ausschließlich, aber doch vornehmlich um Waldflächen, sind doch Jagdgebiete praktisch zu einem wesentlichen Teil Wald (vgl. §§1 ff. Nö. JagdG). Der VfGH geht daher vorläufig davon aus, daß es die zitierte jagdrechtliche Bestimmung ermöglicht, allen jagdfremden Personen das Betreten von Wald in bedeutendem Umfang - unter Strafsanktion - zu verbieten.
§33 Abs 1 des ForstG hingegen gestattet jedermann, den Wald zu betreten; das Bundesrecht verpflichtet gleichfalls unter Strafsanktion die Eigentümer von Wäldern, diese grundsätzlich frei zugänglich zu halten. Eine ausnahmsweise Sperre des Waldes nach dem ForstG ist anscheinend nur aus den im ForstG (§33 Abs 2 und 3 sowie § 34) taxativ aufgezählten Gründen zulässig. Unter diesen Voraussetzungen finden sich - allenfalls mit Ausnahme des § 34 Abs 3 litb - solche, die dem § 94 Abs 4 Nö. JagdG enstprechen, nicht.
Der VfGH geht vorläufig davon aus, daß dieser Normwiderspruch (zunächst - nämlich vorbehaltlich einer allfälligen Aufhebung durch den VfGH) nach der Regel 'lex posterior derogat legi priori' gelöst werden kann, daß also der 1977 erlassene § 94 Abs 4 Nö. JagdG den §§33 ff. ForstG 1975 vorgeht.
Die bei Entscheidung über die vorliegende Beschwerde maßgebende Rechtsgrundlage scheint sohin ua. § 94 Abs 4 Nö. JagdG zu sein; der VfGH hätte diese Bestimmungen also in diesem - offenbar zulässigen - Beschwerdeverfahren anzuwenden.
Die unten stehende, vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit hat ihren Sitz anscheinend in dieser Bestimmung; sie könnte durch Aufhebung dieser Vorschrift - die eine untrennbare Einheit bilden dürfte - beseitigt werden.
§94 Abs 4 Nö. JagdG dürfte sohin in diesem Beschwerdeverfahren präjudiziell sein.
2. Der VfGH hat gegen § 94 Abs 4 Nö. JagdG primär folgende Bedenken:
a) Die in der vorstehenden Z 1 erwähnte Methode, das geschilderte Problem hier derart zu lösen, daß § 94 Abs 4 Nö. JagdG § 33 Abs 1 ForstG 1975 partiell verdrängt hat, führt aber anscheinend dazu, daß es der Gesetzgeber, der jeweils zuletzt die Norm erläßt, in der Hand hätte, seinem Gesetz den Vorrang zu verschaffen (vgl. hiezu Pernthaler, Militärisches Sperrgebiet und Naturschutz, ZfV 1977, S 1 ff., insbes.
S 8).
Ein derartiges Ergebnis kann offensichtlich von der Bundesverfassung nicht gewollt sein.
Es liegt vielmer die Annahme nahe, daß bei einem solchen (zunächst entstandenen) Normwiderspruch zwischen Bundesgesetz und Landesgesetz entweder der eine oder der andere Gesetzgeber seine Kompetenz überschritten hat.
Wie der VfGH wiederholt dargetan hat, sind in der Bundesverfassung konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen nicht vorgesehen; daher kann ein und dieselbe Materie nur einem einzigen Kompetenztatbestand zugeordnet werden; doch wird damit nicht ausgeschlossen, daß ein und dasselbe Sachgebietnachverschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden kann (vgl. zB schon VfSlg. 2674/1954; siehe weiters VfSlg. 8831/1980 und KII-4/79).
aa) Nach Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG fällt das 'Forstwesen' in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes. Dieser Kompetenztatbestand umfaßt alle auf die Pflege, Erhaltung und auf den Schutz des Waldbestandes Bezug habenden Vorkehrungen, daher im besonderen auch die zur Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden erforderlichen Maßnahmen (Rechtssatz des VfGH Slg. 2192/19851; BGBl. 252/1951).
Die hier zu lösende besondere Frage, ob die Regelung der Zulässigkeit, den Wald zu betreten, zum 'Forstwesen' zählt, ist nach diesem (auf Verfassungsstufe stehenden) Rechtssatz nicht eindeutig zu beantworten. Es ist daher im Sinne der sogenannten 'Versteinerungstheorie' (vgl. zB VfSlg. 2721/1954, 6137/1970, 7709/1975) zu untersuchen, ob die Zulässigkeit des Betretens des Waldes zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel () in der Rechtsordnung im Zusammenhang mit dem Forstwesen geregelt war.
Damals galten neben dem Forstgesetz, Kaiserliches Patent vom 3. Dezember 1852, RGBl. 250, (ReichsforstG 1852) zahlreiche forstrechtliche Landesgesetze.
Eine dem § 33 Abs 1 FostG 1975 gleiche Bestimmung findet sich darin nicht. Das ReichsforstG 1852 besagte darüber, ob es gestattet ist, den Wald zu betreten, nichts Ausdrückliches. § 55 Abs 1 ReichsforstG 1852 verpflichtete jedoch das Forstschutzpersonal, jeden außer den öffentlichen Wegen im Forst Betretenen, wenn sein Aufenthalt im Walde zu Besorgnissen für die öffentliche Sicherheit oder das Waldeigentum Anlaß gibt, aus dem Forst hinauszuweisen. Daraus scheint sich zu ergeben, daß das ReichsforstG 1852 stillschweigend davon ausging, an sich dürfe jedermann den Wald betreten (vgl. Gschnitzer, Sachenrecht, 1968, S 67; Gschnitzer, Gibt es noch Gewohnheitsrecht?, Verhandlungen des 3. Österr. Juristentages 1967, II/624-43; Gschnitzer nahm ein allgemeines Recht zum Betreten des Waldes schon vor dem Inkrafttreten des ForstG 1975 an).
In den Bundesländern Kärnten (LGBl. 17/1923), Oberösterreich (LGuVGl. 93/1921), Salzburg (LGBl. 122/1920) und Steiermark (LGuVGl. 107/1922) standen - bis zum erwähnten Stichtag als Landesgesetze, seither als partielle Bundesgesetze geltende (teilweise materielles Forstrecht enthaltende) - Normen über die Wegefreiheit im Bergland in Kraft, die den freien Zugang zu den Bergen durch den Wald vorsahen.
Der VfGH nimmt (primär) vorläufig an, daß nach dem Stand der Rechtsordnung am und wegen der Zulässigkeit einer 'intrasystematischen Fortbildung' (vgl. zB VfSlg. 3393/1958, 6137/1970, 8337/1978) (das ForstG 1975 scheint erstmals ausdrücklich auch die Erholungsfunktion des Waldes zu berücksichtigen) die in den §§33 und 34 ForstG 1975 enthaltene Regelung des Rechtes, den Wald zu betreten und zu begehen, zum 'Forstwesen' gehört und daher gemäß Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG vom Bund getroffen werden durfte. Zwar beschränken die §§33 ff. ForstG 1975 im Sinne des § 364 Abs 1 ABGB das im § 354 dieses Gesetzes normierte Recht jedes Eigentümers, andere von der Benützung seines Eigentums auszuschließen.
Eigentumsbeschränkungen und überhaupt Eingriffe in ein Privatrecht können aber nach der Judikatur des VfGH (zBv VfSlg. 2658/1954, 4605/1963, 6344/1970) auch durch öffentlich-rechtliche Vorschriften statuiert werden, die anscheinend nicht unter dem Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' fallen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß nach dieser vorläufigen Annahme der Bund zur Erlassung der §§33 ff. ForstG 1975 auf Grund des Kompetenztatbestandes 'Forstwesen' (Art10 Abs 1 Z 10 B-VG) kompetent gewesen zu sein scheint.
Die Konsequenzen für den Fall, daß diese (primäre) Ausgangsposition nicht zutrifft, sondern die zitierten forstgesetzlichen Bestimmungen dem 'Zivilrechtswesen' (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) zuzuordnen sind, werden unter III.4. behandelt.
bb) Die Generalkompetenz zur Gesetzgebung liegt nach dem System der Bundesländerverfassung bei den Ländern. Von der Zuständigkeit der Bundesländer sind nur diejenigen Angelegenheiten ausgenommen, welche ausdrücklich in die Zuständigkeit des Bundes verwiesen sind (vgl. zB VfSlg. 8831/1980).
Dies könnte auch anders so ausgedrückt werden, daß den Ländern die Restkompetenz zukommt; alle vom Bund zu regelnden Angelegenheiten fallen nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Daraus könnte gefolgert werden, daß dann, wenn der Bundesgesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Kompetenz einen bestimmten Lebenssachverhalt zu regeln befugt war, dem Landesgesetzgeber von vornherein die Zuständigkeit zur Regelung desselben Lebenssachverhaltes mangelt.
Sollte diese Annahme zutreffen, ergäbe sich - unter der Prämisse der Verfassungsmäßigkeit des ForstG 1975 - anscheinend, daß der Landesgesetzgeber nicht eine - im Gegensatz zu den §§33 ff. FostG 1975 stehende - Sperre des Waldes verfügen oder ermöglichen (und so das Betreten des gesperrten Waldgebietes verbieten) darf.
cc) Die erwähnte Annahme steht jedoch in Widerspruch zur sogenannten 'Gesichtspunkttheorie', wonach es die Bundesverfassung nicht ausschließt, einen Lebenssachverhalt unterverschiedenen, sich aus bestimmten Sachgebieten ergebenden Gesichtspunkten zum Gegenstand mehrerer gesetzlicher Regelungen zu machen, auch wenn sich diese aufverschiedene kompetenzrechtliche Grundlagen stützen (vgl. zB VfSlg. 8831/1980 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).
Sollte sich sohin die in der vorstehenden sublitbb) enthaltene Prämisse als unrichtig erweisen, so wäre wohl davon auszugehen, daß der Landesgesetzgeber nach Art 15 Abs 1 B-VG berufen ist, die Ausübung der Jagd umfassend zu regeln, also auch eine Sperre des Waldes zu verfügen (vgl. zB VfSlg. 1712/1948, 4348/1963, 6828/1972, 8849/1980, 8989/1980).
Wenn die 'Gesichtspunktetheorie' aufrechterhalten wird, scheint sich dann aber zu ergeben, daß der Landesgesetzgeber als Jagdgesetzgeber gemäß Art 15 Abs 1 B-VG (zunächst) zuständig war, unter dem Gesichtspunkt (im Interesse) der Jagd eine Sperre von Gebieten (vornehmlich von Wäldern) und das Verbot, sie zu betreten, vorzusehen.
b) aa) Wenn das vorstehende Zwischenergebnis (daß nämlich der Bundesgesetzgeber zur Erlassung der §§33 ff. FostG 1975 und der Nö. Landesgesetzgeber zur Erlassung des § 94 Abs 4 Nö. JagdG - bei isolierter Betrachtung des Art 10 Abs 1 Z 10 und des Art 15 Abs 1 B-VG - zuständig waren) zutreffen sollte, enthält die Bundesverfassung anscheinend eine andere (grundsätzliche) Anordnung, die es ermöglicht, die oben unter III.2.a (einleitend) dargestellte Problematik zu lösen.
bb) Nach dem Berücksichtigungsprinzip (vgl. zB VfSlg. 3163/1957, 4486/1963, 7138/1973, 8831/1980; siehe Mayer, Ein 'Umweltanwalt' im österreichischen Recht, JBl. 1982, S 118 f.) ist es zwar zulässig, daß der Landesgesetzgeber bei der Regelung der Materie alle öffentlichen Zwecke und daher auch die des Bundes berücksichtigt; dies gilt auch umgekehrt für den Bundesgesetzgeber. Anscheinend aber ist es nicht zulässig, unter dem Titel der 'Berücksichtigung' kompetenzfremder Gesichtspunkte deren 'Regelung' vorzunehmen (vgl. Mayer, aaO, S 119) oder gar die vom gegenbeteiligten Gesetzgeber verfolgten Ziele zu unterlaufen.
cc) Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 8831/1980 folgendes dargetan:
'Die vom bundesstaatlichen Prinzip her gebotene Trennung der Gesetzgebung in eine solche des Bundes und in eine solche der Länder verhält aber jeden zuständigen Gesetzgeber, bei seiner Regelung alle in Betracht kommenden Rechtsvorschriften der gegenbeteiligten Gebietskörperschaften zu berücksichtigen.' (Vgl. auch VfSlg. 3163/1957.)
Dieser Gedanke - daß nämlich Bund und Land verpflichtet sind, bei Regelung der ihnen übertragenen Sachgebiete auf die nach der bundesverfassungsgesetzlichen Kompetenzverteilung von der anderen Gebietskörperschaft wahrzunehmenden Interessen Rücksicht zu nehmen - scheint ein tragendes, der Bundesverfassung innewohnendes Prinzip zu sein (siehe Adamovich - Funk, Österreichisches Verfassungsrecht, Wien 1982, S 144:
'... Eine Verpflichtung zur wechselseitigen Treue von Bund und Ländern kann aber aus dem Grundsatz der exklusiven Trennung der Aufgabenbereiche iVm dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot (Gleichheitssatz) in dem Sinne abgeleitet werden, daß sich Bund und Länder bei der Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten nicht so verhalten dürfen, daß daraus eine sachlich nicht gerechtfertigte Behinderung der gegenbeteiligten Kompetenzausübung ensteht.' (Vgl. auch Pernthaler, aaO, S 5.)
Im Gesetzesprüfungsverfahren wird zu erörtern sein, ob diese Annahme zutrifft, bejahendenfalls, ob sich diese dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft obliegende Rücksichtnahme-Verpflichtung auch auf die Wahrung von Interessen bezieht, die vom zuständigen Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft noch gar nicht geschützt wurden.
Der VfGH nimmt vorläufig an, daß § 94 Abs 4 Nö. JagdG den vom ForstG 1975 - wenngleich nicht ausnahmslos - angeordneten Grundsatz der Öffnung des Waldes unterläuft, obgleich zumindest derart weitgehende Ausnahmen von diesem Grundsatz aus Interessen der Jagd nicht erforderlich zu sein scheinen; daß diese Bestimmung sohin die gebotene zumutbare Rücksichtnahme auf die Interessen des Bundes als Forstgesetzgeber vermissen läßt.
3. a) Den Landesgesetzgeber dürfte aber diese Verpflichtung nur dann treffen, wenn die bundesgesetzlichen Vorschriften (hier jene des ForstG 1975), auf die Rücksicht zu nehmen er anscheinend gehalten ist, verfassungsmäßig sind.
Dann aber hätte der VfGH wohl auch zu untersuchen, ob die in Betracht kommenden forstgesetzlichen Bestimmungen, die Maßstab dafür sind, ob das Land seiner - vorläufig angenommenen - Rücksichtnahme-Verpflichtung nachgekommen ist, verfassungskonform sind. Es sind dies die Vorschriften des ForstG 1975, die das grundsätzlich unbeschränkte, jedermann zustehende Recht, den Wald zu Erholungszwecken zu betreten, statuieren (§33 Abs 1) sowie jene, die Ausnahmen hievon vorsehen (§33 Abs 2 und 3 sowie § 34).
Der VfGH hätte daher diese Gesetzesstellen iS des Art 140 Abs 1 B-VG anzuwenden.
b) Gegen sie hat der VfGH das Bedenken, daß sie ihrerseits nicht die vom Landesgesetzgeber kompetenzmäßig zu wahrenden Interessen in ausreichendem Maß berücksichtigen, da sie von der Freiheit, den Wald zu betreten, keinerlei Vorbehalte (Ausnahmen) zugunsten der Jagdausübung vorsehen, obgleich derartige Belang durch das in dieser Hinsicht unbeschränkte Betretungsrecht offenbar beeinträchtigt werden können.
4. Wenn sich - entgegen der obigen (III.2.a.aa) Prämisse (daß nämlich die §§33 ff. ForstG 1975 im Kompetenztatbestand 'Forstwesen' Deckung finden) - ergeben sollte, daß diese Vorschriften des ForstG 1975 ihre Deckung im Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) finden, hat der VfGH die folgenden (sekundären) Bedenken:
Für diese andere Ausgangsposition könnte ins Treffen geführt werden, daß die §§33 ff. ForstG 1975 in erster Linie die Rechte und Pflichten der Bürger unter sich (§1 ABGB) regeln; ferner daß historisch die Zulässigkeit des Betretens der Wälder mitunter aus dem ABGB erklärt wurde (vgl. Bobek - Plattner - Reindl, Forstgesetz 1975, Wien 1977, Anm. 1 zu § 33 ForstG).
Sollte diese Annahme richtig sein, so schränken die §§33 ff. ForstG 1975 als zivilrechtliche Normen das Recht des Waldeigentümers auf ausschließliche Benützung ein. Dann dürften die Länder aber gemäß Art 15 Abs 9 B-VG hievon nur dann abweichende Bestimmungen treffen, wenn dies zur Regelung des Gegenstandes erforderlich ist.
Der VfGH nimmt vorläufig an, daß zumindest eine derart weitgehende Abweichung, wie sie § 94 Abs 4 Nö. JagdG vornimmt, zur Regelung des Jagdwesens nicht erforderlich war.
Dann aber war der Landesgesetzgeber nicht zuständig, diese zivilrechtliche Norm zu erlassen."
D. Der VfGH hat wegen der allgemeinen und besonderen Bedeutung der im Zuge dieses Gesetzesprüfungsverfahrens zu klärenden Rechtsfragen nicht bloß die zur Vertretung der in Prüfung gezogenen Vorschriften des Nö. JagdG und des ForstG 1975 berufenen Regierungen (nämlich die Nö. Landesregierung und die Bundesregierung) aufgefordert, Äußerungen zu erstatten, sondern hat auch die übrigen Landesregierungen zur Abgabe von Stellungnahmen eingeladen. Von dieser Möglichkeit haben die Ktn., Sbg., Tir., Vbg. und Wr. Landesregierung Gebrauch gemacht.
In den Äußerungen wird ausgeführt:
1. Die Niederösterreichische Landesregierung beantragt, der VfGH wolle aussprechen, daß § 94 Abs 4 Nö. JagdG nicht verfassungswidrig ist.
Sie begründet dies wie folgt:
"1. ..." (Zusammenfassende Wiedergabe der Begründung des Einleitungsbeschlusses).
"2. Zu den Prozeßvoraussetzungen wird bemerkt, daß die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Verwaltungsübertretung des § 135 Abs 1 Z 19 Nö. JG (Nö. Jagdgesetz) erfolgte. Nach § 135 Abs 1 Z 19 Nö. JG, LGBl. 6500-2, beging ua. eine Verwaltungsübertretung, wer ein gesperrtes Jagdgebiet betrat. Bei dem vom Beschwerdeführer betretenen Jagdgebiet handelte es sich um ein gemäß § 94 Abs 4 Nö. JG gesperrtes Jagdgehege, weshalb die Landesregierung im Spruch ihres Bescheides § 94 Abs 4 Nö. JG anführte.
Bezüglich der beiden letzten Sätze des § 94 Abs 4 Nö. JG die die Kundmachung der nach Abs 3 und 4 verfügten Sperren regeln und eine Verordnungsermächtigung für die Landesregierung vorsehen, wird die Präjudizialität verneint, sodaß nicht der gesamte Abs 4, sondern nur die ersten 3 Sätze Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens sein können.
Aus den im Unterbrechungsbeschluß angeführten Gründen werden gegen die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ForstG keine Bedenken erhoben. Darüber hinaus müßte auch § 174 Abs 1 litb Z 5 ForstG in das Gesetzesprüfungsverfahren einbezogen werden. Durch die Normierung dieser Verwaltungsübertretung wird eine Sperre von Wald nach einer anderen Rechtsgrundlage als dem ForstG selbst über das Verbot des § 34 hinaus mit Strafe bedroht, weshalb diese Bestimmung auch der unter Punkt III 3a des Unterbrechungsbeschlusses angeführten Untersuchung zugrunde zu legen wäre.
3. Mit den §§33 ff. des ForstG wird die Erholung im Wald durch eine generelle Öffnung des Waldes für Erholungszwecke der Allgemeinheit ermöglicht. Diese Legalservitut, die grundsätzlich das Begehen des Waldes und eine Art 'kleiner Waldnutzung' zum Inhalt hat, wird durch Ausnahmen nach den Erfordernissen der Walderhaltung und des Ablaufes der forstwirtschaftlichen Arbeiten relativiert. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1266 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIII. GP) wird weiters ausgeführt, daß neben den im ForstG enthaltenen Ausnahmen 'in einer Reihe von anderen Gesetzen auf Bundes- und Landesebene weitere abweichende Regelungen des Rechtes auf freien Zugang zum Walde vorgesehen sind, bzw. vorgesehen werden können' (Seite 95).
Zu § 34 Abs 2 lite ForstG führen die Erläuterungen (noch zu § 36 der Regierungsvorlage) aus:
'Was die Wildschäden im Wald betrifft, die durch Verbiß der Forstpflanzen und Schälen der Stämme entstehen, so sind diese bekanntlich sehr erheblich und nach verläßlichen Schätzungen mit etwa 250 Mio. Schilling jährlich zu beziffern. Es ist, wie schon im allgemeinen Teil der Erläuterungen ausgeführt wurde, dem Bundesgesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt, Regelungen über Wildschäden, und zwar über die vor allem zielführende Maßnahme einer Reduktion des Wildstandes zu treffen (vgl. Erkenntnis des VfGH Slg. 4348/1963). Es muß daher mit der Hineinnahme von technischen Maßnahmen, die ihrerseits auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, in den Entwurf das Auslangen gefunden werden. Dazu gehört zB die Anlage von Wintergattern, das sind eingezäunte Flächen meist geringeren Ausmaßes, auf die das Wild (Rotwild) für die Dauer des Winters konzentriert und gefüttert wird, wodurch Schäden auf ausgedehnten Waldflächen vermieden werden. Die wildbiologische Forschung hat weiters gezeigt, daß Wildschäden eng mit Störungen des Nahrungsaufnahmerhythmus des Wildes infolge Beunruhigung sowie mit der soziologischen Struktur des Wildstandes zusammenhängen: Rotwild reagiert durch Beunruhigung entstandenen Streß durch Schälen der Stämme ab.' (Seite 96 f.)
Mit den in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ForstG wurde ua auch jagdfremden Personen das freie Betreten von Jagdgebieten, sofern sie Wald sind, grundsätzlich gestattet. Die zu erwartenden biologischen Auswirkungen dieser Waldöffnung auf das Wild veranlaßten den Nö. Jagdgesetzgeber zu einer Novellierung des § 94 des Nö. JG durch eine Ergänzung der Abs 3 und 4. Im Motivenbericht zur 2. Jagdgesetznovelle wird hiezu ausgeführt:
'Mit dem Inkrafttreten des Forstgesetzes 1975 wurde das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken auch jagdfremden Personen grundsätzlich gestattet. Dies bedeutet nicht nur eine vermehrte Beunruhigung des Wildes und eine Einschränkung der Möglichkeit, die gesetzlich vorgeschriebenen Wildabschüsse durchzuführen, sondern unter Umständen eine Gefahr für diese Personen. Die neuen Vorschriften des § 94 (das sind die Abs 3 und 4) sollen sicherstellen, daß eine Gefährdung von Personen anläßlich der Durchführung von Jagden weitgehend ausgeschlossen wird. Darüber hinaus ist der Betrieb eines Zuchtgeheges, aber auch eines umzäunten Jagdgeheges nicht denkbar, wenn keine Möglichkeit bestünde, jagdfremde Personen vom Betreten solcher Gehege auszuschließen.' (Erläuterungen zu Z 37 der Regierungsvorlage, Seite 8).
Es fällt hier besonders die Übereinstimmung mit den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ForstG auf, wonach dem Forstgesetzgeber schon bei der Erlassung des ForstG die wildbiologischen Auswirkungen der mit der Waldöffnung verbundenen Beunruhigung des Wildes bekannt waren.
Gegen die 2. Novelle zum Nö. JG erhob die Bundesregierung Einspruch gemäß Art 98 Abs 2 B-VG und führt in seiner Begründung aus (BKA 651083/7-VI/2/76):
'Insoweit sich Jagd- und Zuchtgehege auf Waldflächen beziehen, hindert der im Gesetzesbeschluß vorgesehene § 94 Abs 4 die Wirksamkeit der Bestimmungen der §§33 ff. des Forstgesetzes 1975 über das Betreten des Waldes und den Aufenthalt im Wald zu Erholungszwecken.
Es sei in rechtspolitischer Hinsicht zugestanden, daß eine Sperre im Sinne eines Betretungsverbotes unter der Voraussetzung, daß eine solche Maßnahme aus Gründen des Zuchterfolges oder der Sicherheit von Personen erforderlich ist, als mit der forstrechtlichen Regelung der Erholungswirkung des Waldes im Einklang stehend angesehen werden kann.
Durch den 1. Satz des neuen § 94 Abs 4 werden neben den Zuchtgehegen die Jagdgehege in jene Flächen miteinbezogen, die gesperrt werden.
Hiezu ist festzuhalten, daß der 'Zuchterfolg' als Sperrgrund für Jagdgehege von vornherein ausscheidet und die 'Sicherheit von Personen' wohl nur für die Zeit der effektiven Jagdausübung einen vertretbaren Sperrgrund bilden kann, diese Einschränkung aber hier nicht gemacht wurde. Weiters muß aus dem dritten Satz dieser Bestimmung, der die Möglichkeit von jährlich wiederkehrenden Sperren vorsieht, eine mit der 'Waldöffnung' in Widerspruch stehenden Dauer sperre gesehen werden, denn die Formulierung 'Sperre auf regelmäßig innerhalb eines Jahres wiederkehrende Zeiträume' bedeutet, daß in jagdrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise während der 'Jagdzeiten' (also etwa während der Herbstmonate) und somit nicht nur während der Zeit der tatsächlichen Jagdausübung (zB Riegeljagd) Wälder für den Erholungszweck gesperrt werden.
In verfassungsrechtlicher Hinsicht sei bemerkt, daß der Bund auf Grund des Kompetenztatbestandes 'Forstwesen' im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG die Zuständigkeit in Anspruch nimmt, Regelungen zu erlassen, deren Gegenstand der Wald in Beziehung zum Waldbesucher ist. Der Gesetzesbeschluß greift in diesen Regelungsbereich ein. Die kompetenzrechtliche Situation ist Gegenstand des vor dem VfGH anhängigen Verfahrens G15/76 zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des Forstgesetzes 1975. In diesem Verfahren hat es der VfGH ua. der Nö. Landesregierung freigestellt, eine Äußerung zu erstatten, die unter der GZ 128/37-II-1976 des Amtes der Nö. Landesregierung abgegeben wurde.
Im Hinblick auf das vor dem VfGH anhängige Verfahren möchte die Bundesregierung davon absehen, im vorliegenden Zusammenhang die Frage der verfassungsrechtlichen Kompetenz näher zu behandeln.
Es sei festgehalten, daß schon im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen, die darlegen, daß durch den vorliegenden Gesetzesbeschluß Bestimmungen der §§33 ff. des Forstgesetzes 1975 unterlaufen werden, Bundesinteressen gefährdet werden.'
Am beschloß der Landtag von Niederösterreich im Wege eines Beharrungsbeschlusses die 2. Novelle zum Nö. JG. Der diesem Beharrungsbeschluß zugrunde liegende Initiativantrag führte zum Einspruch der Bundesregierung aus:
'Der Meinung der Bundesregierung, für Jagdgehege scheide der Sperrgrund 'Zuchterfolg' von vornherein aus, liege eine fachlich nicht begründbare Beurteilung zugrunde. Demgegenüber ist festzuhalten, daß in einem Jagdgehege sehr wohl ein Zuchterfolg angestrebt werden muß. Gleiches gilt schon gemäß §§82 ff. des Nö. Jagdgesetzes 1974 für den Wildstand in der freien Wildbahn, umso mehr für den räumlich und zahlenmäßig begrenzten und daher überblickbaren Wildstand in einem Jagdgehege. Bei diesem handelt es sich nämlich um ein Eigenjagdgebiet, für das gleichermaßen die Vorschriften des § 2 Nö. Jagdgesetz gelten: Erhaltung und Schaffung eines artenreichen und gesunden Wildstandes. Darüber hinaus kann ein Jagdgehege nach den Intentionen der Novelle gleichzeitig auch als Zuchtgehege geführt werden. In jedem Fall muß der Zuchterfolg in Frage gestellt sein, wenn in einem Jagdgehege der Wildstand durch Besucher beunruhigt wird. Im Gegensatz zur freien Wildbahn sind im Jagdgehege die Fluchtmöglichkeiten im Falle einer Beunruhigung durch die Umzäunung beschränkt. Dies führt erfahrungsgemäß zu Streßsituationen des Wildes, die den Zuchterfolg erwiesenermaßen nachhaltig beeinträchtigen.
Bei richtiger fachlicher Beurteilung des Gesetzesbeschlusses ist auf die dem Nö. Jagdgesetz 1974 zugrunde liegende rechtspolitische Zielsetzung Bedacht zu nehmen. Sie gilt für den gesamten Bereich des Jagdrechtes und der Jagdrechtsausübung. Das Jagdrecht bedeutet nicht nur eine Berechtigung, sondern auch eine Verpflichtung unter Bedachtnahme auf die Voraussetzungen, die der Gesetzgeber normiert hat, einen artenreichen und gesunden Wildbestand entwickeln und erhalten zu können. Abs 2 weist in diesem Zusammenhang auf die Beobachtung der Grundsätze einer geordneten Jagdwirtschaft hin. So gesehen muß der angestrebte 'Zuchterfolg' als berechtigt erscheinen.
Der Landesgesetzgeber hat keinesfalls beabsichtigt, die Vorschriften der §§33 ff. des Forstgesetzes 1975 zu unterlaufen. Mit der Änderung des § 7 (Tiergärten) des Nö. Jagdgesetzes 1974 wurde im Gegenteil angestrebt, die immer größer werdende Anzahl eingezäunter Jagdgebiete weitgehend zu beseitigen, der freien Wildbahn den Vorzug zu geben und damit die Begehbarkeit von Waldflächen bei einzelnen Jagdgebieten zu ermöglichen. Es sollte letztlich auch eine gewisse Konformität zur Vorschrift des § 34 Abs 2 lite und f des Forstgesetzes 1975 angestrebt werden, derzufolge Sperren von Waldflächen auch aus jagdwirtschaftlichen Gründen möglich sind. So gesehen wurde dem Anliegen des Bundesgesetzgebers, die Waldöffnung zu ermöglichen und aufrechtzuerhalten, weitgehend Rechnung getragen.
Im übrigen berücksichtigt der Einspruch und seine Begründung nicht die Tatsache, daß Jagdgehege auch auf Flächen errichtet werden können, die nicht oder nur teilweise mit Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 bestockt sind. Insoweit bedeutet der Einspruch selbst in seinen Folgerungen eine verfassungsrechtlich bedenkliche Inanspruchnahme von Kompetenzen des Landes durch den Bund. In diesem Zusammenhang wird auf die folgenden, auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen von Univ. Dozent Dr. Bernd-Christian Funk verwiesen, die im Heft 17/18 der Juristischen Blätter vom gedruckt sind und die sohin bestätigen, daß der Landesgesetzgeber mit der Novelle seine Kompetenzen nicht überschritten hat.
'Grundsätzlich kann das Prinzip der strengen Getrenntheit der Gesetzgebungs- und Vollziehungsbereiche von Bund und Ländern als grundlegender, sämtlichen übrigen Maximen vorgeordneter Grundsatz angesehen werden. Die österreichische Bundesverfassung kennt (von Ausnahmen abgesehen) keine konkurrenzierenden Gesetzgebungszuständigkeiten. Das bedeutet, daß ein und dieselbe Materie nur einem einzigen Kompetenztatbestand zugeordnet werden kann.
Die exklusive materielle Trennung der Gesetzgebungs- und Vollziehungsbereiche sowie das Verbot der Schaffung identer Normen unter verschiedenen Kompetenzartikeln schließen die Erlassung von Vorschriften nicht aus, in denen ein bestimmter Sachverhalt von verschiedenen kompetenzrechtlichen Grundlagen her in verschiedener Weise normativ erfaßt wird. Es ist zulässig, wenn bestimmte Sachgebiete nach verschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden, etwa in der Weise, daß 'die Länder auf Grund des in ihre Eigenzuständigkeit fallenden Baurechtes Bestimmungen über die Größe und Ausgestaltung der Räume in den Bauwerken erlassen, während der Bundesgesetzgeber auf Grund der Kompetenz Arbeiterschutz anordnen kann, welchen Voraussetzungen Räume zu entsprechen haben, um als Arbeitsräume verwendet werden zu dürfen' (VfSlg. 4348/1963).
Ein ähnliches Beispiel für aspektweise Kumulation bietet das Verhältnis zwischen Gewerbe-, Bau-, Feuerpolizei- und Naturschutzrecht: 'Der Landesgesetzgeber kann ... die Errichtung und Benützung von Häusern davon abhängig machen, daß ihre Lage, Beschaffenheit und Einrichtung bestimmten Erfordernissen der Baupolizei, der Feuerpolizei und des Landschaftsschutzes entspricht. Er kann dies auch dann, wenn in den Häusern das Fremdenbeherbergungsgewerbe ausgeübt wird und der Bundesgesetzgeber somit zuständig ist, gewerberechtliche Regelungen im Bezug auf die Häuser zu erlassen' (VfSlg. 5024/1965).'
Die vom Landesgesetzgeber vorgesehene Regelung betreffend die Sperre von Jagdgehegen ist daher als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen.'
4. Zu den Ausführungen unter Punkt III.1 des Unterbrechungsbeschlusses wird bemerkt, daß § 94 Abs 4 Nö. JG nur die Sperre von Jagdgehegen (§7 Abs 1 Nö. JG) und Zuchtgehegen (§7 Abs 2 Nö. JG) erlaubt, während bei Schaugehegen auf Grund ihrer Zweckwidmung eine Sperre ausgeschlossen ist. Ihre Zugänglichkeit für die Allgemeinheit ist sogar Voraussetzung für ihre Bewilligung gemäß § 7 Abs 3 Nö. JG.
§94 Abs 4 Nö. JG ermöglicht ferner nicht, allen jagdfremden Personen das Betreten von Wald zu verbieten. Durch die gesetzlich normierte Bedachtnahmeverpflichtung auf die in Abs 3 enthaltenen Ausnahmen gilt dieses Verbot nicht für den Grundeigentümer, der im Falle einer Verpachtung seiner Eigenjagd in Form eines Jagdgeheges nicht selbst die Jagd ausübt, die sonst Nutzungsberechtigten sowie Personen, die auf Grund ihrer amtlichen Stellung oder amtlichen Ermächtigung zum Betreten des Jagdgebietes berechtigt oder verpflichtet sind, wie etwa Forstschutzorgane.
Die zitierte Ausnahme des § 34 Abs 3 litb FostG entspricht insofern nicht dem § 94 Abs 4 Nö. JG, als dadurch nur für Waldflächen, die der Besichtigung von Tieren gewidmet sind, wie Tiergärten, eine dauernde Sperre für zulässig erklärt wird. Diese Ausnahme dürfte daher eine Sperre für Schaugehege im Sinne des Nö. JG erlauben, während das Nö. JG keine Sperre für Schaugehege aus den oben dargelegten Gründen vorsieht.
§94 Abs 4 Nö. JG sieht ein durch Ausnahmen relativiertes Verbot des Betretens von Jagdgehegen und Zuchtgehegen für jagdfremde Personen zur Verwirklichung der dem Jagdgesetz innewohnenden Zielsetzungen, nämlich eine Wildhege und eine für jagdfremde Personen gefahrlose Ausübung der Jagd zu ermöglichen, vor. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ForstG sehen eine grundsätzliche Öffnung von Waldflächen für jedermann zu Erholungszwecken und Ausnahmen im Interesse der Walderhaltung und der gefahrlosen Ausführung der notwendigen forstwirtschaftlichen Arbeiten vor.
Somit dürfte aber ein der Derogation fähiger Normenwiderspruch gar nicht vorliegen. Die Regelungsinhalte der beiden Rechtsbereiche überschneiden sich zwar in einem bestimmten Teil, keinesfalls liegt aber ein kongruenter Regelungsinhalt vor. Unter Einbeziehung der Interessenslage dürfte sich keinesfalls ein für die Annahme einer materiellen Derogation essentieller Normenwiderspruch ergeben, als sich aus den in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht zwei Aussagen ableiten lassen, die nach dem logischen Satz des Widerspruches nicht beide richtig sein können (Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verfassungsrechtes, 4. Auflage, Seite 142).
Sollte dennoch ein für die Anwendung der Regel 'lex posterior derogat legi priori' essentieller Normenwiderspruch angenommen werden, müßte darüber hinaus die Zulässigkeit der Anwendung dieser Regel auch auf das Verhältnis zwischen Bundes- und Landesrecht nach der Bundesverfassung gegeben sein, und zwar selbst dann, wenn die den logischen Widerspruch produzierenden Normen verfassungskonform innerhalb ihres jeweiligen Kompetenztatbestandes erlassen worden sind.
Dies würde aber bedeuten, daß die Bundesverfassung vorsehen wollte, daß der Gesetzgeber, der jeweils zuletzt die Norm erläßt, in die Lage versetzt wird, seinem Gesetz den Vorrang vor dem der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft zu verschaffen. Dieses Ergebnis kann jedoch vom Bundesverfassungsgesetzgeber offensichtlich nicht gewollt sein.
Darüber hinaus wäre Voraussetzung für die Annahme der Gültigkeit dieser Regel, daß die Kompetenztatbestände nach ihrem Inhalt überhaupt verfassungskonforme konkurrierende Regelungen erlauben. Nach der herrschenden Lehre und Judikatur stellen aber nach der Bundesverfassung konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen nur die Ausnahme dar, so Art 15 Abs 9 B-VG, die Bedarfsgesetzgebungskompetenzen nach Art 10 Abs 1 Z 15 und Art 11 Abs 2 B-VG sowie diverse Fälle der Devolution von Gesetzgebungszuständigkeiten, wie zB Art 15 Abs 6 und Art 16 Abs 1 B-VG (Adamovich - Funk, Österreichisches Verfassungsrecht, Seite 161 ff.).
Die verfassungsrechtliche Verteilung der Aufgaben im Bundesstaat beruht vielmehr auf dem Grundsatz der strengen Trennung der Gesetzgebungs- und Vollziehungsbereiche des Bundes und der Länder, sodaß verfassungskonforme Regelungen innerhalb nicht konkurrierender Kompetenztatbestände zu keinem der Derogation überhaupt fähigen Normenwiderspruch führen können, weshalb die Gültigkeit dieser Regel nur für den Bereich konkurrierender Kompetenzen angenommen werden kann.
Gleichzeitig gebietet auch die Aufrechterhaltung der Gesichtspunkttheorie ein derartiges Ergebnis:
Wenn es nach dem B-VG zulässig ist, daß ungeachtet des Grundsatzes der Kompetenztrennung idente Sachgebiete unter verschiedenen Kompetenztiteln und den jeweils dazugehörigen rechtlichen Gesichtspunkten durch gesetzliche Regelungen des Bundes und der Länder verfassungskonform geregelt werden können, darf die spätere Regelung der früheren nicht derogieren. Eine Derogation wäre nach ha. Ansicht auch gar nicht möglich, als ein Normenwiderspruch, der zu einer materiellen Derogation überhaupt führen könnte, erst auch bei einer Identität der Gesichtspunkte vorliegen könnte. Damit müßte aber eine der den Widerspruch produzierenden Normen den vorgegebenen sachlich exklusiven Kompetenzrahmen überschreiten und schon aus diesem Grund verfassungswidrig sein. Unter der Annahme der weiteren Geltung der Grundsätze der sachlichen Exklusivität der Kompetenztatbestände und der Gesichtspunkttheorie würde daher schon die zwangsläufig mit der Schaffung eines derogationsfähigen Normenwiderspruches verbundene Überschreitung des Kompetenztatbestandes als Regulativ wirken, sodaß die Anwendung des Grundsatzes 'lex posterior derogat legi priori' im Verhältnis zwischen Bundes- und Landesrecht gar nicht erforderlich ist. Seine Gültigkeit dürfte daher tatsächlich allein auf den Bereich konkurrierender Gesetzgebungskompetenzen beschränkt sein.
Als weiteres Regulativ wirkt das sog. 'Berücksichtigungsprinzip'. Indem Bund und Länder bei der Regelung der ihnen übertragenen Sachgebiete auf die nach der bundesverfassungsgesetzlichen Kompetenzverteilung von den gegenbeteiligten Gebietskörperschaften wahrzunehmenden Interessen Rücksicht zu nehmen haben, wird von der Bundesverfassung verhindert, daß die Ausfüllung eines Kompetenztatbestandes durch die gegenbeteiligte Gebietskörperschaft in sachlich nicht gerechtfertigter Weise unterlaufen werden kann. Diese Berücksichtigungsverpflichtung kann sich aber nicht nur auf bestehende Rechtsvorschriften der anderen Gebietskörperschaft beziehen. Wenn die Geltung dieses Prinzipes überhaupt angenommen wird, dann muß es auch auf nicht bzw. noch nicht geschützte, aber dem Kompetenztatbestand zuzurechnende Interessen angewendet werden. Nach dem Erkenntnis VfSlg. 8831 verhält die Kompetenzverteilung jeden zuständigen Gesetzgeber, bei seiner Regelung allein Betrachtkommenden Rechtsvorschriften der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft zu berücksichtigen. Würde nun die Geltung dieser Verpflichtung auf im Regelungszeitpunkt bereits bestehende Rechtsvorschriften beschränkt sein, würde ein der Derogation ähnliches Ergebnis zustande kommen:
Durch die spätere Regelung hätte es ein Gesetzgeber in der Hand, die bis dahin verfassungskonforme Regelung des gegenbeteiligten Gesetzgebers wegen der mangelnden Rücksichtnahme verfassungswidrig und sogar eine verfassungswidrige Regelung wieder verfassungskonform werden zu lassen. Wenn dieses Prinzip für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen tauglich sein soll, dann muß es auf den Inhalt eines Kompetenztatbestandes und die sich daraus ableitbaren Regelungen abstellen und unabhängig von der tatsächlichen Ausfüllung des Kompetenztatbestandes durch den zuständigen Gesetzgeber eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit erlauben. Auch die Form der Aufteilung der Kompetenzen, wonach nur der dem Bund zugewiesenen Bereich taxativ umschrieben ist, spricht für einen derartigen Inhalt des Prinzips.
Aus diesen Gründen dürfte daher das Berücksichtigungsprinzip dem Gesetzgeber verbieten, durch seine Regelung eine sachlich nicht gerechtfertigte Behinderung der Kompetenzausübung durch die gegenbeteiligte Gebietskörperschaft zu schaffen (siehe Adamovich - Funk, Österreichisches Verfassungsrecht, Seite 144).
Somit konnte § 94 Abs 4 Nö. JG den §§33 ff. ForstG mangels konkurrierender Kompetenztatbestände nicht derogieren. Andererseits hätte der Bundesgesetzgeber bei der Erlassung des ForstG bereits auf die von den Jagdgesetzgebern der Länder wahrzunehmenden Interessen Rücksicht nehmen müssen und deren Regelung durch das Forstgesetz in verfassungskonformer Weise nicht unterlaufen dürfen. Durch § 94 Abs 4 Nö. JG hat der Nö. Landesgesetzgeber die Regelung der §§33 ff. des ForstG nicht unterlaufen, als er für jagdfremde Personen ein Verbot des Betretens von Jagd- und Zuchtgehegen in sachlich gerechtfertigtem Umfang schuf. Eine besondere Bedachtnahme auf die mit dem Forstgesetz beabsichtigte Waldöffnung übte der Nö. Landesgesetzgeber auch durch die Novellierung des § 7 Nö. JG, als er der Schaffung von immer mehr eingezäunten Jagdgebieten in jagdwirtschaftlich vertretbarer Weise Einhalt gebot und so einen wesentlichen Beitrag zur ungehinderten Begehbarkeit auch von Waldgebieten leistete.
5. § 94 Abs 4 Nö. JG ermächtigt den Jagdausübungsberechtigten, Jagd- und Zuchtgehege zu sperren und bindet die Sperre an eine Bewilligung der Jagdbehörde. Die Sperre darf nur dann vorgenommen werden, wenn sie aus Gründen des Zuchterfolges oder der Sicherheit von Personen erforderlich ist. Gemäß § 7 Abs 1 Nö. JG sind Jagdgehege abgeschlossene Eigenjagdgebiete, die eine jagdliche Wildhege erwarten lassen. Zuchtgehege dienen der Zucht hochwertigen Wildes für Wildforschungszwecke oder überwiegend zu Zwecken der Abgabe lebender Zuchtprodukte und sind ebenfalls abgeschlossene Gebiete (§7 Abs 2 und 4 Nö. JG). Jagdgehege können auch als Zuchtgehege geführt werden (§7 Abs 7 Nö. JG). Das Nö. JG enthält darüber hinaus keine Beschränkung, wonach Jagdgehege und Zuchtgehege nur auf Flächen errichtet werden können, die Wald im Sinne des ForstG sind.
Der Sperrgrund der Sicherheit von Personen setzt eine Gefährdung von Personen voraus, sodaß die Sperre nur für die Dauer der bestehenden Gefahr verfügt werden darf. Bei Jagdgehegen soll daher vor allem während der Dauer der Jagden durch diesen Sperrgrund der Sicherheit jagdfremder Personen gewährleistet werden. Bei Zuchtgehegen, in denen die Jagd ruht, soll dadurch die Durchführung der im § 7 Abs 6 Nö. JG vorgesehenen Abschüsse ermöglicht werden.
Die Sperre aus Gründen der Erzielung des gesetzlich vorgegebenen Zuchterfolges kann sowohl bei Jagdgehegen als auch bei Zuchtgehegen verfügt werden. In Zuchtgehegen ist die Erzielung eines bestimmten Zuchterfolges wesensmäßige Voraussetzung, ebenso bei Jagdgehegen, die als Zuchtgehege geführt werden. Darüber hinaus ist die Erzielung eines Zuchterfolges auch in Jagdgehegen, die nicht als Zuchtgehege geführt werden, geboten.
§33 Abs 1 ForstG würde es jedermann gestatten, die Wald im Sinne des ForstG darstellenden Teile eines Jagd- oder Zuchtgeheges zu betreten und sich dort aufzuhalten. Dadurch würde der Lebensraum des Wildes eminent eingeengt. Bedingt durch die gänzliche Umschließung des Geheges sind die Fluchtmöglichkeiten des gehegten Wildes räumlich beschränkt, sodaß es zwangsläufig zu Streßsituationen im Falle einer Beunruhigung kommen muß, als gerade die Waldteile dem Wild ansonsten ausreichende Fluchtmöglichkeiten bieten. In seinem Bestreben, sich in unbegangenen Teilen des Geheges aufzuhalten, wäre das Wild zu einem ständigen Standortwechsel gezwungen. Es bestünde sogar die Gefahr, daß sich das Wild infolge der Beunruhigung an den bestehenden Umzäunungen erhebliche Verletzungen zufügt, die in der Folge zu qualvollem Verenden führen können. Der durch die Beunruhigung hervorgerufene Streß führt bei einer Massierung des Wildes auf engem Raum obendrein zu verstärkten Schäl- und Verbißschäden an den Forstkulturen. Die Schaffung einer Möglichkeit zum ungehinderten Betreten von Jagd- und Zuchtgehegen durch die Öffentlichkeit würde daher das vom Jagdgesetz vorgegebene Hegeziel gefährden.
Damit stellt die Sperre aus Gründen des Zuchterfolges eine Maßnahme im Interesse der Wildhege dar. Nach dem Erkenntnis VfSlg. 4348 sind die Materie der Wildhege und alle damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen nicht dem Forstwesen zuzuzählen, sondern kommen gemäß Art 15 Abs 1 B-VG den Ländern zu. Die Regelung der Wildhege stellt eine Angelegenheit des Jagdrechtes dar, weshalb auch das Nö. JG die Entwicklung und Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildstandes als Grundsatz der Jagdausübung normiert.
Soweit die Sperre aus Gründen der Sicherheit von Personen erfolgt, stellt dies eine Maßnahme dar, die einerseits die Ausübung der Jagd selbst überhaupt ermöglichen und andererseits jagdfremde Personen und Sachen vor den Gefahren, die mit der Jagdausübung verbunden sind, schützen soll. Sie gehört daher als Regelung bereichsspezifischer Gefahrenvorsorge der Verwaltungspolizei an und ist als solche eine Annexmaterie zum Jagdrecht.
Bereits die frühen jagdrechtlichen Bestimmungen sahen Regelungen für Tiergärten als Grundflächen, die der Wildhege gewidmet und allseitig gegen das Ein- und Auswechseln von Wild abgeschlossen waren, vor. So enthielten etwa § 4 des kaiserlichen Patentes vom 7. März 1849, RGBl. 154, und § 5 des Gesetzes vom , LGVBl. 42, womit ein Jagdgesetz für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns mit Ausnahme des Gemeindegebietes der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien erlassen wird, Regelungen über die Eigenjagdbefugnis in Tiergärten.
Insoweit nun diese Regelungen Wald betreffen, ist von Bedeutung, daß der Kompetenztatbestand des Forstwesens nach Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG keine Konsumption vorsieht und daher die kumulative Geltung jagdrechtlicher Vorschriften der Länder auch für Waldgrundstücke nicht durch das ForstG verfassungkonform ausgeschlossen werden kann.
In seinem Erkenntnis VfSlg. 2192 hat der VfGH ausgesprochen, daß unter den Kompetenztatbestand 'Forstwesen' nicht jegliche Regelung falle, die sich auf 'Wald' bezieht. Damit dürfte aber verfassungskonform den §§33 ff. ForstG keinesfalls die ausschließliche Regelungsbefugnis für das Betreten von Wald im Interpretationswege beigelegt werden.
So enthalten auch tatsächlich eine Reihe von Bundesgesetzen neben dem ForstG Regelungen über Sperren, Betretungsrechte und -beschränkungen von Grundstücken, wie zB das Vermessungsgesetz, das Bundesgesetz über militärische Sperrgebiete, das Eisenbahngesetz und das Wasserrechtsgesetz, genauso wie landesgesetzliche Rechtsvorschriften, wie etwa solche auf dem Gebiete des Naturschutzes und des Fremdenverkehrs. Alle diese Rechtsvorschriften sind zweifelsfrei nicht dem Kompetenztatbestand 'Forstwesen' zuzurechnen und stellen auch gar nicht auf Waldgrundstücke ab. Trotzdem bewirkt die zwar nicht ausdrücklich ausgesprochene aber doch vorgenommene Einbeziehung von Waldgrundstücken in den Geltungsbereich dieser landesrechtlichen Vorschriften nicht deren Verfassungswidrigkeit.
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ForstG bringen dies auch deutlich zum Ausdruck, als sie einer 'Reihe von Gesetzen auf Bundes- und Landesebene' eine abweichende Regelungsbefugnis einräumen. Auch daraus ergibt sich, daß der Bundesgesetzgeber die kumulative Geltung weiterer Rechtsvorschriften für Waldgebiete in verfassungskonformer Weise angenommen hat.
Dadurch, daß der Nö. Landesgesetzgeber die Voraussetzungen für die Sperre von Jagd- und Zuchtgehegen vorgegeben und die Prüfung dieser Voraussetzungen in einem Bewilligungsverfahren vorgesehen hat, in dem gemäß § 2 Abs 1 Nö. JG die Interessen der Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen sind, ergibt sich ferner, daß daraus keinesfalls eine sachlich nicht gerechtfertigte Behinderung der gegenbeteiligten Kompetenzausübung durch den Forstgeber entstehen kann. Einerseits darf das ForstG verfassungskonform keine ausschließliche Regelung über das Betreten von Wald vorsehen, da die Regelung der Beziehungen der Waldbesucher zum Wald keinesfalls ausschließlich nur unter dem Kompetenztatbestand 'Forstwesen' erfolgen kann (VfSlg. 4348). Andererseits gebieten die dem Jagdgesetzgeber zugewiesene Sorge für die Wildhege und die Abwehr der mit der Jagdausübung verbundenen Gefahren die Sperre von Jagd- und Zuchtgehegen, sodaß § 94 Abs 4 Nö. JG durch die in der Regelung enthaltenen Einschränkungen nur in sachlich gerechtfertigter Weise ein Verbot des Betretens von Gehegen für jagdfremde Personen ermöglicht.
Inhalt der jagdrechtlichen Vorschriften ist auch die Berücksichtigung der Interessen der Land- und Forstwirtschaft (VfSlg. 4348). Die Sperre von Jagd- und Zuchtgehegen stellt über die oben angeführten Zielsetzungen hinaus auch eine Maßnahme dar, die den Wildschaden an Forstkulturen möglichst reduzieren soll. Im Falle der Beunruhigung durch Besucher würde das Wild wegen der räumlichen Beengtheit und der dadurch bewirkten Streßsituation verstärkten Schaden an den Forstkulturen anrichten. Ein Ausschluß der Beunruhigungsmöglichkeiten für das Wild stellt daher auch eine Maßnahme zur Reduzierung der Wildschäden dar.
In dem Erkenntnis VfSlg. 4348 hat der VfGH ausgesprochen, daß Maßnahmen zum Schutz des Waldes gegen Wildschäden gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fallen und die Regelung der Abwehr der dem Wald aus dem Wildstand drohenden Gefahren zum Jagdrecht gehört. Andererseits falle nicht jede Regelung, die sich auf 'Wald' bezieht, unter den Kompetenztatbestand 'Forstwesen', wie zB Maßnahmen des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und der Bodenreform.
Die Materie der Wildhege und alle damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen, insbesondere die Verringerung des Wildstandes, mag sie aus welchen Gründen und zu welchen Zwecken immer verfügt werden, sind nicht dem Forstwesen zuzuzählen. Da für die Bundesgesetzgebung ein anderer Kompetenztatbestand nach Art 10 B-VG nicht vorhanden ist - andere Kompetenztypen kommen ebenfalls nicht in Betracht - folgt hieraus allein schon die Landeskompetenz nach Art 15 Abs 1 B-VG. Schon die alten Jagdgesetze enthielten Vorschriften zum Schutze der Kulturen. Ausdrückliche Regelungen über Wildschäden im Walde oder an Forstkulturen stellen eine Weiterentwicklung der jagdrechtlichen Materie dar.
Der Begriff des Forstwesens hat nicht den Inhalt, in den zusammenhängenden Lebensbereich von Wald und Wild vom Gesichtspunkt des Waldes her regelnd einzugreifen.
Dies ist insofern von Bedeutung, als § 34 Abs 2 lite ForstG für Wildwintergatter eine befristete Sperre vorsieht und diese gleichzeitig mit einer bestimmten Größe in Relation zur Größe des Jagdgebietes limitiert. Aus einem Umkehrschluß ergibt sich, daß damit der Forstgesetzgeber nicht gestatten wollte, größere Wildwintergatter im Wald befristet zu sperren. Sofern nun der Jagdgesetzgeber die Größe von Wildwintergattern nach den jagdlichen Erfordernissen festlegen und diese für die Öffentlichkeit sperren möchte, könnte sich ein Widerspruch mit den zitierten Bestimmungen des ForstG ergeben. Derartige Bestimmungen gehören aber nach dem zitierten Erkenntnis VfSlg. 4348 zum Jagdrecht, als sie allein den Schutz der Waldkultur vor Wildschäden zum Inhalt haben. Auch die Sperre dieser Wintergatter für jagdfremde Personen soll die verursachten Schäden gering halten, die bei einer Beunruhigung des konzentriert gehaltenen Wildes durch Besucher wegen der entstehenden Streßsituation in weitaus größerem Ausmaß auftreten würden. Die Sperre dieser Wintergatter gehört daher als Maßnahme zur Verhinderung bzw. Verringerung von Wildschäden nicht dem Kompetenztatbestand 'Forstwesen' an.
Es muß daher angenommen werden, daß die Regelung des § 34 Abs 2 lite ForstG den Rahmen der Berücksichtigung kompetenzfremder Gesichtspunkte überschreitet und in verfassungswidriger Weise deren Regelung selbst vornimmt.
6. Sofern die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ForstG dem Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) angehören, könnte der Landesgesetzgeber gemäß Art 15 Abs 9 B-VG nur dann eine hievon abweichende Regelung vorsehen, wenn diese Bestimmungen zur Regelung des Gegenstandes 'Jagdrecht' erforderlich sind. Die Sperre von Jagd- und Zuchtgehegen für jagdfremde Personen müßte mit der Materie des Jagdrechtes in einer derart engen Verbindung stehen, daß ohne sie die Länder die ihnen eingeräumte Zuständigkeit nicht erfüllen könnten (VfSlg. 2658). Aus den in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 2. Nö. Jagdgesetznovelle und der Begründung des Initiativantrages für den Beharrungsbeschluß (siehe Punkt 3) ergibt sich, daß die Möglichkeit, das Betreten von Jagd- und Zuchtgehegen durch jagdfremde Personen auszuschließen, geradezu unerläßlich für die Verwirklichung der in § 2 Nö. JG vorangestellten Zielsetzung ist, sodaß die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung gegeben ist (VfSlg. 558, 1809, 2452, 2537, 2595, 2658, 2934, 8458, 8989 und 9145). Die mit § 94 Abs 4 Nö. JG getroffenen Sperrmöglichkeiten wurden auch erst durch die im ForstG normierte Waldöffnung notwendig, als erst mit der Regelung der §§33 ff. ForstG ein Recht zum Betreten von Wald für jedermann geschaffen wurde und dadurch die Möglichkeit zur Beunruhigung von Wild durch Waldbesucher eine bis dahin nicht vorhandene gesetzliche Grundlage erhalten hat."
2. Die Bundesregierung stellt in ihrer Äußerung den Antrag, das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 des ForstG 1975 mangels Präjudizialität einzustellen, in eventu, diese bundesgesetzlichen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Bundesregierung legte zur Begründung folgendes dar:
"I.
Zur Präjudizialität des § 33 Abs 1 bis 3 und des § 34 des ForstG:
Mit dem vor dem VfGH angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 94 Abs 4 iVm § 135 Abs 1 Z 19 JagdG begangen zu haben, daß er am 'das mit Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (rechtskräftiger Bescheid vom , IX.-W-19/15-1979) auf die Dauer des Bestandes gesperrte Jagdgehege des Herrn Dipl.-Ing. F K S in der KG W betreten' zu haben. Gemäß § 21 VStG 1950 wurde dem Beschwerdeführer eine Ermahnung erteilt.
Der angefochtene Bescheid erging somit auf Grund des JagdG, dessen Bestimmungen daher vom VfGH im Verfahren über die Beschwerde anzuwenden sind. Der das Beschwerdeverfahren unterbrochen und ein Verfahren zur Prüfung des § 94 Abs 4 des JagdG eingeleitet. Dabei vertritt er die Auffassung, daß im gegebenen Zusammenhang auch der § 33 Abs 1 bis 3 und der § 34 des ForstG präjudiziell seien. Aus diesem Grund hat er im zitierten Beschluß auch die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich des § 33 Abs 1 bis 3 und des § 34 des ForstG beschlossen.
Nach Auffassung der Bundesregierung sind die Bestimmungen des § 33 Abs 1 bis 3 und des § 34 des ForstG für das Gesetzesprüfungsverfahren bezüglich des § 94 Abs 4 des JagdG nicht präjudiziell, sodaß bezüglich des Verfahrens zur Prüfung des § 33 Abs 1 bis 3 und des § 34 des ForstG die Prozeßvoraussetzung der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Normen fehlt.
Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung einer landesgesetzlichen Norm auf ihre Kompetenzgemäßheit kann nur ein Kompetenztatbestand des Bundesverfassungsrechts sein, nicht jedoch einzelne konkrete gesetzliche Bestimmungen des Bundesgesetzgebers. Bei der Beurteilung, ob sich der Landesgesetzgeber innerhalb seiner Kompetenzen gehalten hat, ist lediglich der Inhalt verfassungsrechtlicher Kompetenztatbestände, die die Gesetzgebung in bestimmten Angelegenheiten dem Bunde zuweisen, zu prüfen. Dies gilt nach Auffassung der Bundesregierung auch für den Fall, daß der VfGH bei seiner im Einleitungsbeschluß geäußerten Annahme, daß die Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen zur Berücksichtigung der Interessen der jeweils gegenbeteiligten Gebietskörperschaft verpflichtet seien, bleibt. Auch bei der Annahme einer derartigen Mitberücksichtigungspflicht kann es nach Auffassung der Bundesregierung nur darum gehen, die gesamten einem anderen Kompetenztatbestand zuzurechnenden Interessen in der eigenen Regelung zu berücksichtigen, nicht jedoch auf (bloß zufällig) bereits existierende einfachgesetzliche Normen abzustellen. Bei einer derartigen Auffassung würde entweder jener Gesetzgeber, der seine Norm früher erläßt, kompetenzrechtlich besser gestellt sein oder aber es wäre die Pflicht der Gebietskörperschaften, ihre Gesetze nach etwaigen Änderungen der Gesetze der jeweils gegenbeteiligten Gebietskörperschaft anzupassen. Für ein solches Verständnis der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung sieht die Bundesregierung im positiven Verfassungsrecht keinerlei Anknüpfungspunkte. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß auch auf dem Boden der Annahme einer Mitberücksichtigungspflicht für die Prüfung des § 94 Abs 4 JagdG lediglich der Kompetenztatbestand 'Forstwesen' als solcher für die Beurteilung des VfGH maßgeblich ist, nicht jedoch einzelne auf Grund dieses Kompetenztatbestandes ergangene einfachgesetzliche Normen.
Es liegt im vorliegenden Fall auch nicht eine Sachlage vor, die dem dem VfSlg. 3024/1956 zugrundeliegenden Sachverhalt vergleichbar wäre. Aufgrund der besonderen (Kompetenz-)Rechtslage auf dem Gebiet der Finanzverfassung hing die Verfassungsmäßigkeit der in diesem Verfahren in Prüfung gezogenen Landesgesetze tatsächlich von der Verfassungsmäßigkeit des - weder im Beschwerdeverfahren vor dem VwGH, der den Antrag auf Prüfung der Landesgesetze gestellt hatte, noch im zugrunde liegenden verwaltungsbehördlichen Verfahren anzuwendenden - Bundesgesetzes ab. Dieses bildete somit eine 'Voraussetzung' (140 Abs 1 B-VG alte Fassung) für das Erkenntnis des VfGH.
Im gegenständlichen Verfahren sind diese Voraussetzungen hinsichtlich des § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG nicht gegeben. Die Verfassungsmäßigkeit des § 94 Abs 4 JagdG hängt nicht von der Verfassungsmäßigkeit der zitierten Bestimmungen des ForstG ab. Diese Bestimmungen sind daher vom VfGH auch nicht anzuwenden.
II.
Zur Kompetenz zur Erlassung des § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG:
1. Für den Fall aber, daß der VfGH endgültig zum Ergebnis käme, § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG wären im vorliegenden Zusammenhang als präjudiziell auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfbar, ist auf folgendes hinzuweisen:
Nach Auffassung der Bundesregierung fallen Regelungen über den Zutritt zu Waldflächen, wie sie diese Bestimmungen vorsehen, auf Grund der nachstehenden Überlegungen unter Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG (Forstwesen) und daher in die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung:
Gegenstand der forstrechtlichen Bestimmungen waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts neben Vorschriften über die Erhaltung des Waldes im allgemeinen solche über spezielle Waldfunktionen. Regelungen über den Zutritt zum Wald unter dem Aspekt der Erhaltung des Waldes und seiner Nutzbarmachung fallen jedenfalls unter den Kompetenztatbestand 'Forstwesen' (vgl. auch Mayerhofer - Pace, Band 6, 224, die zum 'Forstwesen' alle jene Vorschriften zählen, welche 'auf die Erhaltung und Nutzbarmachung des Waldlandes und auf den Schutz desselben und seiner Produkte sich beziehen'). Eine Untersuchung der Rechtslage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel () zeigt, daß bereits das Forstgesetz 1852 Normen enthält, die mit dem Betreten des Waldes im Zusammenhang stehen. So erklärt § 60 des Forstgesetzes 1852 ua. das Sammeln von 'Raff- und Klaub- oder Leseholz', das Sammeln von Waldfrüchten (zB Waldobst und Beeren sowie von Schwämmen) ohne Zustimmung des Waldeigentümers zum Forstfrevel.
§55 verpflichtet das beeidete Forstpersonal, jeden außerhalb der öffentlichen Wege im Forste Betretenen, wenn sein Aufenthalt im Wald zu Besorgnissen für die öffentliche Sicherheit oder für das Waldeigentum Anlaß gibt, aus dem Forst hinauszuweisen. Daraus muß wohl geschlossen werden, daß das Forstgesetz 1852 stillschweigend davon ausging, daß ein Aufenthalt im Wald, der nicht dem Sammeln der in § 60 angeführten Sachen diente und 'zu keinen Besorgnissen Anlaß gab', gestattet war. Regeln über das Betreten des Waldes waren somit bereits in diesen forstrechtlichen Vorschriften enthalten.
Aber auch hinsichtlich des in § 33 ForstG statuierten grundsätzlichen Rechts des Zutritts zum und des Aufenthaltes im Wald kann davon ausgegangen werden, daß eine solche Regelung, und zwar auch unter dem Aspekt der Erholungsfunktion des Waldes, im Rahmen der intrasystematischen Fortentwicklung der am in Geltung stehenden einfach-gesetzlichen forstrechtlichen Normen bleibt und daher vom Kompetenztatbestand 'Forstwesen' gedeckt ist.
Dazu wäre auch darauf hinzuweisen, daß um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Nutzwirkung und die Schutzwirkung des Waldes im Vordergrund standen, während die Erholungswirkung (so wie übrigens auch die Wohlfahrtswirkung) erst durch den mittlerweile erfolgten gesellschaftlichen Strukturwandel, durch das Entstehen von Ballungsgebieten, durch die Industriealisierung sowie durch die allgemeine Motorisierung in den Vordergrund des Bewußtseins rückten. Der Bedeutung der Wirkungen des Waldes entsprechend stellt das ForstG sogar bei der Definition des Begriffes 'Wald' auf die Eignung, eine dieser Wirkungen auszuüben, ab. Der Umstand, daß die Erholungswirkung solche Bedeutung erlangt hat, daß sie für den Begriff des Waldes gemäß § 1 konstitutiv wird, hat aber nahezu zwangsläufig zur Folge, daß das ForstG nähere Regelungen betreffend die Sicherung dieser Erholungswirkung enthalten muß. Die ausdrückliche Regelung der Erholungsfunktion und des damit im Zusammenhang stehenden Betretungsrechtes muß daher als intrasystematische Fortbildung von ansatzweise schon im Forstgesetz 1852 enthaltenen Regelungen und damit als zum Bereich des 'Forstwesens' gehörig angesehen werden. Regelungen über den Zutritt zum Wald, wie sie insbesondere die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ForstG enthalten, fallen daher unter Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG ('Forstwesen').
Auf Grund dieser zum 'Versteinerungszeitpunkt' bestehenden Rechtslage ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG vom Bundesgesetzgeber verfassungskonform erlassen werden konnten.
2. Zu der im Einleitungsbeschluß angeschnittenen Frage, ob § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG unter den Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG zu subsumieren wären, wäre aus der Sicht der Bundesregierung folgendes auszuführen:
Wie der VfGH in seinem Erkenntnis vom , G47/81 und G39/82, dargetan hat, sind Regelungen, die das Verhältnis Privater untereinander betreffen, dem Zivilrechtswesen iS des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG zuzuzählen, wenn sich nicht für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzartikel 'eine Herausnahme aus dem Begriff des Zivilrechtswesens mit der Folge ihrer Zugehörigkeit zur Landeskompetenz' findet. Überträgt man diesen Gedanken auf die Abgrenzung zwischen 'Zivilrechtswesen' und anderen Bundeskompetenztatbeständen (zB 'Forstwesen'), so ergibt sich nach Auffassung der Bundesregierung, daß einfachgesetzliche Regelungen über das Verhältnis zwischen Privaten, die zum 'Versteinerungszeitpunkt' in forstrechtlichen Gesetzen enthalten waren, dem Kompetenztatbestand 'Forstwesen' zuzurechnen sind. Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang zB § 9 des Forstgesetzes 1852 über die Verpflichtung zu besonderer Bewirtschaftung von Wäldern, auf denen Einforstungen (Waldservituten) lasteten, sowie die bereits zitierten Vorschriften über Aneignungsrechte (Holzklauben etc.) Es gehören somit zum Inhalt des Begriffes 'Forstwesen' auch in einem gewissen Ausmaß Regelungen, die das Verhältnis des Waldeigentümers zu den Waldbenützern betreffen. Wie bereits dargelegt, finden sich in den am in Geltung stehenden forstrechtlichen Regelungen auch Vorschriften darüber, unter welchen Voraussetzungen das Betreten des Waldes erlaubt oder verboten ist. Selbst wenn solche Bestimmungen als Regelungen des Verhältnisses zwischen Privaten qualifiziert würden, wären sie nach den vorstehenden Ausführungen dem Kompetenztatbestand 'Forstwesen' zuzurechnen.
III.
Die Bundesregierung meint also nachweisen zu können, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ForstG als solche des Forstwesens gemäß Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG zulässigerweise vom Bundesgesetzgeber erlassen werden konnten. Sie räumt aber ein, daß dies nicht ausschließe, daß auch der Landesgesetzgeber - etwa im Rahmen des Jagdrechts - in verfassungskonformer Weise Vorschriften über das Betreten des Waldes erlassen kann. Die zulässige Reichweite solcher landesgesetzlicher Regelungen ergibt sich aus dem Umfang der den Ländern gemäß Art 15 Abs 1 B-VG eingeräumten Gesetzgebungskompetenzen. Es scheint interpretationstheoretisch zulässig, auch hiefür auf die vom VfGH entwickelte historische Interpretationsdoktrin, die sogenannte Versteinerungstheorie, zu rekurrieren (vgl. dazu Funk, Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1976, 27 ff.). Ohne den Bestand landesgesetzlicher Regelungen auf dem Gebiet des Jagdrechtes zum im einzelnen untersuchen zu wollen, meint die Bundesregierung davon ausgehen zu können, daß auch darin Bestimmungen über das Betreten des Waldes, insbesondere in Form der Sperre von Waldgebieten zu Jagdzwecken, enthalten waren. Dies würde aber zum Ergebnis führen, daß auch landesgesetzliche Regelungen über das Betreten des Waldes grundsätzlich verfassungskonform wären. Auch für den in Prüfung gezogenen § 94 Abs 4 JagdG ist dies nicht von vornherein auszuschließen.
Das alles zeigt, daß das eigentliche verfassungsrechtliche Problem im gegebenen Zusammenhang darin besteht, wie der im Kompetenzverteilungsmodell des B-VG offenbar mögliche Fall des Zusammentreffens tatsächlich gegensätzlicher, jedoch in kompetenzrechtlicher Hinsicht verfassungskonform erlassener Vorschriften des Bundes und der Länder zu lösen ist.
Zu den sich daraus ergebenden Problemen hat die Bundesregierung - unbeschadet ihrer Auffassung, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ForstG nicht präjudiziell und jedenfalls kompetenzkonform sind - die nachfolgenden alternativen Überlegungen angestellt:
1. Wenngleich der Bundesregierung die vom VfGH aufgeworfenen Probleme durchaus bewußt sind, so scheint ihrer Auffassung nach das vom VfGH zunächst angenommene Mitberücksichtigungsprinzip in der Form, daß die Gebietskörperschaften zur Berücksichtigung anderer - kompetenzfremder - Belange verpflichtet wären, aus der österreichischen Bundesverfassung nicht ableitbar zu sein.
So zeigt zB Art 15a B-VG, daß auf Grund der Kompetenzverteilung, die das B-VG trifft, durchaus jenes 'Unterlaufen' der Maßnahmen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft möglich wäre, welches dem VfGH im Einleitungsbeschluß als verfassungswidrig erscheint. Art 15a B-VG wurde nämlich unter anderem ausdrücklich dazu geschaffen, um den Bund und den Ländern 'in erster Linie die Möglichkeit ...' zu geben, 'Sachbereiche, die durch die Kompetenzverteilung nicht als Einheiten erfaßt sind ('Querschnittsmaterien'), gleichsam einheitlich zu regeln' (Rill - Schäffer, Die Rechtsnormen für die Planungskoordinierung seitens der öffentlichen Hand auf dem Gebiete der Raumordnung 1975, 60). Nach Rill - Schäffer bilden 'die Transformate in Bund und Land ... in ihrem Zusammenspiel eine sachlich einheitliche Lösung'. Damit bringen die zitierten Autoren aber zum Ausdruck, daß ohne das Bestehen derartiger Vereinbarungen (und deren Umsetzung im Bundes- und Landesbereich) unter Umständen sachlich nicht einheitliche Lösungen, also Lösungen, die ein 'Unterlaufen' in dem vom VfGH verwendeten Sinn bedeuten würden, rechtlich zulässigerweise existieren können. Eine Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG kann daher als ein Instrument angesehen werden, die an sich nach der Kompetenzverteilung des B-VG bestehende Möglichkeit einer Konterkarierung der Maßnahmen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft auszuschließen. Wenn jedoch der Verfassungsgesetzgeber selbst davon ausgeht, daß ein derartiges Mittel zur Vermeidung solcher Widersprüche zweckmäßig ist, so zeigt dies nach Auffassung der Bundesregierung folgendes: Entgegen den Überlegungen des VfGH ist den Kompetenzartikeln eine grundsätzliche Berücksichtigungspflicht, die zur Folge hätte, daß bei unvollständiger Berücksichtigung der Interessen des gegenbeteiligten Kompetenztatbestandes einfachgesetzliche Bestimmungen deshalb kompetenzwidrig - und damit verfassungswidrig - wären, nicht zu entnehmen.
Mit Vereinbarungen gemäß Art 15a B-VG können zwar nicht die Kompetenzgrenzen zwischen den Gebietskörperschaften verschoben werden, die Gebietskörperschaften können damit aber vereinbaren ihre Regelungen inhaltlich aufeinander abzustimmen. Dies bedeutet, daß beispielsweise baurechtliche und gewerberechtliche Normen dermaßen gestaltet werden könnten, daß keine widersprüchlichen Anforderungen an Gebäude, die als gewerbliche Betriebsanlagen dienen, vom Baurecht des Landes einerseits und der Gewerbeordnung andererseits gestellt werden. Eine Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG kann somit auch ein Mittel darstellen, die Widersprüche, die sich bei Anwendung der Gesichtspunktetheorie für die Kompetenzabgrenzung im Faktischen ergeben können, vermeiden zu helfen.
2. Auf einfachgesetzlicher Ebene zeigt § 6 VStG 1950, daß die österreichische Rechtsordnung offenbar nicht in jeder Hinsicht von einer Widerspruchsfreiheit in dem Sinn ausgeht, wie sie der VfGH im Unterbrechungsbeschluß anzunehmen scheint. Gemäß § 6 VStG 1950 ist eine Tat 'nicht strafbar, wenn sie ... obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetze geboten oder erlaubt ist'. Dies bedeutet, daß ein und dieselbe Handlung, einerseits auf Grund eines Gesetzes geboten oder erlaubt, andererseits aber verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert, und damit gesetzlichverboten sein kann (vergleiche dazu auch Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, II. Band, 1954, 56).
§6 VStG 1950 geht also offenbar von der Existenz derartiger 'Widersprüche' aus, wie sie auch zwischen bundes- und landesrechtlichen Normen - insbesondere im Hinblick auf das als Gesichtspunktetheorie bezeichnete Verständnis des bundesstaatlichen Kompetenzverteilungsmodells im B-VG - offenbar in verfassungskonformer Weise entstehen können. Damit stünden die beiden Normen aber miteinander in jenem Widerspruch, der nach der vom VfGH im Einleitungsbeschluß getroffenen Annahme zufolge des Mitberücksichtigungsprinzips nicht zulässig wäre.
Dabei verkennt die Bundesregierung nicht, daß es sich bei § 6 VStG 1950 um eine einfachgesetzliche Norm handelt, der keine ausschlaggebende Bedeutung für die Verfassungsauslegung zukommen kann. Sie hält es jedoch immerhin für vertretbar, dieser im Rahmen der einfachgesetzlichen Verwaltungsrechtsordnung zentralen Norm einen gewissen Indiziencharakter für die Vorstellungen des historischen Verfassungsgesetzgebers bei der Erlassung der Kompetenzbestimmung des B-VG beizumessen. Auf dem Boden dieser Annahme scheint ihr eine Rechtsauffassung, die den § 6 VStG 1950 als Fehlinterpretation der verfassungsrechtlichen Lage deuten würde, nicht zwingend. Darüber hinaus könnte § 6 VStG 1950 möglicherweise gerade auch im vorliegenden Fall zu einer Lösung beitragen, die die vom VfGH aufgeworfene verfassungsrechtliche Problematik vermeidet.
3. Die Bundesregierung stellt darüber hinaus aber auch folgende Deutungsvariante zur Erwägung: Die Bundesregierung stimmt dem VfGH zu, wenn er in der Anwendung der Gesichtspunktetheorie als Auslegungsmaxime für die Kompetenztatbestände der Bundesverfassung eine gewisse Gefahr sieht und nach einem Korrektiv für das aus einer derartigen Anwendung dieser Interpretationsmaxime drohende 'Kompetenzchaos' (Funk, ÖZW 1976, 27 ff.) sucht.
Der Bundesregierung erscheint es jedoch andererseits weiterhin vertretbar, von der Gesichtspunktetheorie bei der Auslegung der Kompetenztatbestände auszugehen, wobei für die konkrete Handhabung dieser Interpretationsmaxime etwa die folgenden Überlegungen denkbar wären:
Es kann nicht bestritten werden, daß eine sinnvolle Handhabung der Kompetenzartikel dann, wenn man von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Regelung eines Lebenssachverhaltes durch verschiedene Gesetzgeber unterverschiedenen Regelungsgesichtspunkten ausgeht, Überlegungen darüberverlangt, wie das Verhältnis dieser Normen zueinander zu beurteilen ist.
Die Kompetenzartikel des B-VG enthalten keine generelle, ausdrückliche Aussage zu diesem Problem. Es kann nun wohl davon ausgegangen werden, daß dem Verfassungsgesetzgeber idealtypisch ein Kompetenzkatalog vorschwebte, der im Prinzip keine Überschneidungen aufweist. Daß sich der Verfassungsgesetzgeber jedoch offenbar bewußt war, daß dieses idealtypische Modell in gewissen Konstellationen eines verfeinerten Instrumentariums bedarf, könnte u. U. aus den Bestimmungen des Art 15 Abs 9 B-VG und auch des Art 11 Abs 2 B-VG geschlossen werden:
In diesen Fällen ist Ausgangspunkt der Regelung des Vorhandensein einer Bundeskompetenz (Zivil- oder Strafrecht bzw. Verwaltungsverfahren), die an sich das legislative Tätigwerden der Länder in diesem Bereich verbieten würde. Sachliche Notwendigkeit, die offenbar schon im Jahre 1925 gesehen wurden, haben aber den Verfassungsgesetzgeber bewogen anzuerkennen, daß es dem Landesgesetzgeber möglich sein muß, aus dem Blickwinkel seiner Gesetzgebungskompetenzen Regelungen im Bereich des Zivil- oder Strafrechtswesens zu erlassen - an sich also ein klassisches Beispiel der Anwendung einer 'Gesichtspunktetheorie': Mit der B-VGN 1974, BGBl. 444, hat der Verfassungsgesetzgeber dieses Modell auch auf die Regelung der Zuständigkeit zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts übertragen.
In diesen Regelungen hat der Verfassungsgesetzgeber auch die Grenze ausdrücklich genannt, die er für die (zulässigen) 'Eingriffe' des Landesgesetzgebers in die Bundeskompetenzen gemäß Art 15 Abs 9 und Art 11 Abs 2 B-VG setzt: Die Regelungen des Landesgesetzgebers müssen erforderlich sein, und zwar aus dem Gesichtspunkt jenes Kompetenztatbestandes, auf den der Landesgesetzgeber die Regelungen stützt, in deren Umfeld die besonderen Regelungen des Verwaltungsverfahrens, des Zivil- oder des Strafrechtes erlassen werden.
Es scheint nun der Bundesregierung denkmöglich, davon auszugehen, dem Bundesverfassungsgesetzgeber dieses Modell der Art 11 Abs 2 und 15 Abs 9 als Regelungsmodell für solche Konstellationen schlechthin zu unterstellen - immerhin hat der Verfassungsgesetzgeber immer dann, wenn er sich zu einer ausdrücklichen, gesichtspunktetheoretischen Gesetzgebungskompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern veranlaßt sah, von dem geschilderten Abgrenzungsmodell Gebrauch gemacht.
Dies würde in der Folge bedeuten, daß einer analogen Anwendung dieses Regelungsmodells auch auf andere Fälle, in welchen im Hinblick auf die Gesichtspunktetheorie ein Bedürfnis nach der Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes und der Länder entsteht, nichts im Wege stünde.
Auf den Gegenstand des vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahrens angewendet würde aus diesen Überlegungen zu folgern sein, daß dann, wenn landesgesetzliche Regelungen über Forstgrundstücke aus dem Gesichtspunkt des Jagdwesens an sich für zulässig erachtet werden (die Zuständigkeit einer gesichtspunktetheoretischen Interpretation der betreffenden Kompetenztatbestände also bejaht wird, derartige Regelungen insoweit verfassungsmäßig sind, als sie sich im Rahmen dessen halten, was aus der Sachlogik des Jagdwesens (unbedingt) erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für Bestimmungen, die die Regelungen auf Grund des konkurrierenden Kompetenztatbestandes nicht nur ergänzen, sondern diesen geradezu widersprechen.
4. Die Bundesregierung stellt schließlich für den Fall des Vorliegens einer zulässigen Normenkonkurrenz im Hinblick auf einen bestimmten Lebenssachverhalt im Rahmen einer weiteren alternativen Überlegung zur Erwägung, ob nicht die Auslegungsregel 'lex specialis derogat legi generali', jedenfalls für bestimmte Fälle des vom VfGH aufgeworfenen Problems, eine Lösung bieten könnte. Sie übersieht dabei nicht, daß die Beurteilung der Frage, welche Regelung im Einzelfall die spezielle und welche die generelle ist, ihrerseits Probleme aufwerfen kann. Dessen ungeachtet meint sie, daß dieses Argumentationsstereotyp für die Lösung der vom VfGH aufgeworfenen Frage mit Gewinn nutzbar gemacht werden könnte. Hiezu darf etwa auf folgendes Beispiel verwiesen werden: Im Falle eines 'Konfliktes' zwischen naturschutzrechtlich festgelegten Schlägerungsverboten (für Bewuchs, der nicht dem Forstgesetz unterliegt) und wasserrechtlich angeordneten Freihaltungsgeboten für Uferstrecken wird die Auslegung des entsprechenden Naturschutzgesetzes wohl ergeben müssen, daß es sich nicht auf solche Uferstrecken erstreckt. Insofern wäre bei Zutreffen des zusätzlichen Sachverhaltselementes 'Vorliegen einer Uferstrecke' eine Abgrenzung zwischen den scheinbar konfligierenden Normen möglich."
3. Die Kärntner Landesregierung vertritt nachstehende Ansicht:
"1. Dem VfGH liegt eine Beschwerde gegen einen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vor, in der der Beschwerdeführer für schuldig erkannt wurde, eine Verwaltungsübertretung nach § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974, LGBl. Nr. 6500-2, begangen zu haben, weil er das mit Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft auf die Dauer des Bestandes gesperrte Jagdgehege des Herrn Dipl.-Ing. F K S betreten habe.
In seinem Unterbrechungsbeschluß erachtet nun der VfGH sowohl § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 als auch die §§33 Abs 1 bis 3 und 34 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, als präjudiziell.
Die Gründe für die Präjudizialität der Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes sind offenkundig. Wenn aber der VfGH auch Bestimmungen des Forstgesetzes als präjudiziell ansieht, so liegen die Gründe hiefür keinesfalls auf der Hand und scheinen der Kärntner Landesregierung auch nicht einsichtig zu sein. Die Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes ist ausschließlich an bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmungen zu messen. Die Frage, ob nun der Bundesgesetzgeber bei der Regelung einer Materie seinerseits die verfassungsgesetzlich gesetzten Grenzen überschritten hat, können für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes keine Rolle spielen. Die Verfassungsmäßigkeit eines Landes kann nicht an einfachgesetzlichen Regelungen des Bundesgesetzgebers gemessen werden.
Die Präjudizialität der Bestimmungen des Forstgesetzes ist auch nicht aus dem Grund gegeben, als die Verfassungsmäßigkeit des nicht unmittelbar anzuwendenden Bundesgesetzes keine Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit des unmittelbar anzuwendenden Landesgesetzes bildet (vgl. Erk. VfGH Slg. 3024/1956).
2. § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes ermöglicht die Sperre von mindestens 115 ha umfassenden Jagdgebieten unter bestimmten Voraussetzungen sowie aller Gebiete, die der Schau und der Zucht von Wild dienen (§7 Abs 2 leg. cit). Das Niederösterreichische Jagdgesetz geht, so wie auch die anderen Jagdgesetze, ausschließlich davon aus, daß ein Jagdgebiet eine bestimmte Größe haben muß. Der VfGH nimmt nun von vornherein an, daß es sich bei den Flächen vornehmlich um Waldflächen handelt. Er leitet daraus ab, daß die jagdrechtliche Bestimmung es ermöglicht, jagdfremden Personen das Betreten von Wald in bedeutendem Umfang zu verbieten.
Nach Auffassung der Kärntner Landesregierung kann nun aus dem Umstand, daß Jagdgebiete auch aus Wald bestehen, nicht abgeleitet werden, daß hiedurch in den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 10, 'Forstwesen einschließlich des Triftwesens' eingegriffen würde. Es wird ausschließlich unter den jagdwirtschaftlichen und jagdpolizeilichen Aspekten eine Sperre von Jagdgebieten ermöglicht, und zwar unabhängig von der Kulturgattung dieses Jagdgebietes. Die Regelungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes enthalten - ebenso wie die der anderen Jagdgesetze - bei den Möglichkeiten, Jagdgebiete einzuzäunen, keine im besonderen auf Wald bezogenen Anordnungen. Es erscheint unschlüssig, nur aus dem Grund einen Eingriff in den Kompetenztatbestand 'Forstwesen' anzunehmen, weil durch die Bewilligung der Sperre von Jagdgebieten auch das Betreten von Wald verboten werden könnte, weil eben in einem Jagdgebiet in mehr oder weniger großem Ausmaß auch die Kulturgattung Wald vertreten ist.
3. Der VfGH geht in seinem Unterbrechungsbeschluß ua. von der sogenannten 'Versteinerungstheorie' aus. Diese Ausführungen erstrecken sich jedoch ausschließlich auf die Frage, ob dem Kompetenztatbestand 'Forstwesen' zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel Regelungen immanent waren, die die freie Zugänglichkeit des Waldes gewährleisteten.
Der VfGH zieht aus der Regelung des § 55 Abs 1 des Reichsforstgesetzes 1852, wonach das Forstschutzpersonal verpflichtet war, jeden außer den öffentlichen Wegen im Forst Betretenen, aus dem Forst hinauszuweisen, wenn sein Aufenthalt im Wald zu Besorgnissen für die öffentliche Sicherheit oder des Waldeigentums Anlaß gibt, den Schluß, daß eine derartige Anordnung wohl die freie Zugänglichkeit des Waldes als Voraussetzung haben müsse.
Diese Auffassung kann jedoch seitens der Kärntner Landesregierung nicht geteilt werden. Da der Österreichischen Bundesverfassung die Rechtsetzung durch Gewohnheitsrecht fremd ist, kann die Regelung des § 55 Abs 1 des Reichsforstgesetzes wohl nur so interpretiert werden, daß es dem Eigentümer des Waldes jedenfalls auch dann frei gestanden ist, Personen des Waldes zu verweisen, wenn er gegen das Betreten des Waldes sonstige Einwendungen hatte, es also nicht stillschweigend duldete (vgl. auch Pobek - Plattner - Reindl, Forstgesetz 1975, S 94 ff). Das Eigentumsrecht des Waldeigentümers wurde dadurch nicht berührt, daß Forstschutzorgane Rechte eingeräumt wurden und ein öffentliches Interesse eingeräumt werden mußte. Als Ausfluß des Eigentumsrechtes war es dem Waldeigentümer unbenommen - aus welchen Gründen immer -, Personen von seinem Grund fernzuhalten.
Da der VfGH jedenfalls auch auf die Versteinerungstheorie zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes zurückgegriffen hat, erscheint es doch bedeutungsvoll, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel sehr wohl landesgesetzliche Bestimmungen in Geltung waren, die die Absperrung von Jagdgebieten ermöglicht haben. Es darf in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen von Haerdtl, Hand- und Lehrbuch des Österreichischen Jagdrechtes, mit Berücksichtigung des bayrischen und preußischen Jagdrechtes und der Judikatur, Wien, Leipzig, 1929, S. 69 ff., S. 148 f., verwiesen werden. Aus diesen Ausführungen geht, unter Angabe der verschiedenen Landesgesetze hervor, daß als Eigenjagdgebiet in allen österreichischen Jagdgesetzes auch die sogenannten Tiergärten anerkannt werden. Gesetze bestimmen diesbezüglich, daß die Ausübung der Eigenjagd den Besitzern von Grundflächen ohne Unterschied des Flächenausmaßes dann zusteht, wenn die Flächen der Wildhegung gewidmet sind und gegen den Wechsel des gehegten Wildes von und nach allen benachbarten Grundstücken vollkommen abgeschlossen sind. Als wichtig ist hervorzuheben, daß die Voraussetzungen zur Anerkennung die sind, daß sämtliche eingefriedeten Grundstücke im gleichen Besitze, daher nicht einzelne Grundflächen im Besitze verschiedener Personen stehen dürfen und daß das Ein- und Auswechseln der als Hegewild angegebenen Tiergattungen nicht auch anderen nicht gehegten Wildarten unmöglich gemacht ist.' Es sei in diesem Zusammenhang auch auf das Erkenntnis des VfGH vom 2. Oktober 1885, Zl. 2489, Bdw. 2703 verwiesen.
Auch im Hinblick auf das Ausmaß der zulässigen Einfriedung von Grundflächen scheint sich nach Ansicht der Kärntner Landesregierung aus den im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel in Geltung stehenden jagdrechtlichen Bestimmungen zu ergeben, daß jedenfalls auch die Einfriedung von Jagdgebieten in ihrer Gesamtheit als zulässig angesehen wurde und dem Jagdrecht zuzuordnen war.
4. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich nach Auffassung der Kärntner Landesregierung jedenfalls die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Regelung der Einfriedung von Jagdgebieten. Dies umso mehr, als der Begriff des 'Tiergartens' nicht mehr mit dem heute gebräuchlichen Begriff des Tiergartens ident ist (vgl. § 5 des Jagdgesetzes für das Herzogtum Kärnten, LGVBl. Nr. 15/1903). 'Tiergärten' dienten in ersten Linie der Hege von Wild.
Wesentlich scheint auch die Regelung des § 76 des Jagdgesetzes für das Herzogtum Kärnten, wonach umgekehrt auch jeder Grundbesitzer befugt war, seine Grundstücke gegen das Eindringen von Wild zu verwahren, sofern die Vorkehrungen nicht zum Fangen des Wildes eingerichtet waren. Auch der Jagdberechtigte konnte die innerhalb eines Jagdgebietes gelegenen fremden Grundstücke durch Einzäunungen gegen Wildschädigungen schützen.
5. Geht man nun von der vom VfGH zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit ua. der Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes herangezogenen Gesichtspunktetheorie aus, so ist in Ansehung der Rechtslage im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel wohl eher davon auszugehen, daß die Bestimmungen des Forstgesetzes in die Landeskompetenz eingreifen. Dies auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen des § 33 des Forstgesetzes 1975 etwa in Niederösterreich noch keine Regelungen über die Absperrung von Jagdgebieten in Kraft waren.
6. Der VfGH geht unter Z. III, Z 3 litbb davon aus, daß die Generalkompetenz zur Gesetzgebung nach dem System der Bundesverfassung bei den Ländern liegt. Von der Zuständigkeit der Bundesländer sind nur diejenigen Angelegenheiten ausgenommen, die ausdrücklich in die Zuständigkeit des Bundes verwiesen sind. Diesen Ausführungen ist nun völlig beizupflichten.
Die daraus abgeleitete Schlußfolgerung, daß den Ländern die 'Restkompetenz' zukomme und daß dann, wenn der Bundesgesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Kompetenz einen bestimmten Lebenssachverhalt zu regeln befugt war, dem Landesgesetzgeber von vornherein die Zuständigkeit zur Regelung desselben Lebenssachverhaltes mangle, kann nicht mehr geteilt werden. Diese Annahme erscheint völlig unzutreffend. Sie würde zu einer Umkehrung des Systems der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung führen.
7. Zusammenfassend wird seitens der Kärntner Landesregierung die Auffassung vertreten, daß der Kompetenztatbestand 'Forstwesen' des Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG dem Bund keine Zuständigkeit einräumt, die Frage der Absperrung von Jagdgebieten zu regeln, und zwar auch dann nicht, wenn diese Jagdgebiete ganz oder teilweise aus der Kulturgattung 'Wald' bestehen. Die Regelung der Einfriedung von Jagdgebieten steht ausschließlich dem Landesgesetzgeber zu. Auf diese dem Landesgesetzgeber zustehende Kompetenz hat der Bund bei der Regelung von in seinen Kompetenzbereich fallenden Materien Bedacht zu nehmen.
Auf die Frage, ob § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes nun eine sachgemäße und damit verfassungskonforme Lösung vorsieht, sei hier nicht eingegangen."
4. Die Salzburger Landesregierung äußerte sich - nach einer zusammenfassenden Wiedergabe der Bedenken des VfGH - wie folgt:
"1. Der VfGH äußert zunächst die Annahme, daß, wenn man die bundesstaatliche Kompetenzverteilung dahin gehend versteht, daß alle vom Bund zu regelnden Angelegenheiten nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fallen, unter der Voraussetzung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 des Forstgesetzes 1975 der Landesgesetzgeber unzuständig wäre, eine im Gegensatz hiezu stehende Sperre des Waldes zu verfügen oder zu ermöglichen und so das Betreten des gesperrten Waldgebietes zu verbieten.
Dazu gilt es zunächst festzuhalten, daß eine derartige Interpretation der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung mit der jahrzehntelangen Judikatur des VfGH und der übereinstimmenden Verfassungsrechtslehre im Widerspruch steht. Ausgehend von der Rechtsordnung, wie sie am gegolten hat, ist die in der Gesichtspunktetheorie zum Ausdruck kommende Interpretationsregel, daß die Bundesverfassung es nicht ausschließt, einen Lebenssachverhalt unter verschiedenen, sich aus bestimmten Sachgebieten ergebenden Gesichtspunkten zum Gegenstand mehrerer gesetzlicher Regelungen zu machen, auch wenn sich diese auf verschiedene kompetenzrechtliche Grundlagen stützen, zu einem Grundpfeiler der gesetzgeberischen Tätigkeiten im Bund und in den Ländern geworden. Ein anderes Verständnis der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung kann nur durch den Bundesverfassungsgesetzgeber bewirkt werden.
Der VfGH leitet die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des § 33 Abs 1 des Forstgesetzes 1975 einerseits aus der Bestimmung des § 55 Abs 1 des Reichsforstgesetzes 1852 und andererseits aus den in verschiedenen Ländern am geltenden Normen über die Wegefreiheit im Bergland ab.
Nach der ersterwähnten Bestimmung war das Forstschutzpersonal verpflichtet, jeden außer den öffentlichen Wegen im Forst Betretenen, wenn sein Aufenthalt im Walde zu Besorgnissen für die öffentliche Sicherheit und das Waldeigentum Anlaß gibt, aus dem Forst hinauszuweisen. Daraus folgert der Gerichtshof, daß das Reichsforstgesetz 1852 stillschweigend davon ausging, an sich dürfe jedermann den Wald betreten.
Dieser Schluß scheint unzulässig: Die besagte Bestimmung verpflichtete die Forstschutzorgane, bestimmte Personen aus dem Wald zu verweisen. Daraus kann nicht darüber gewonnen werden, ob die Ausweisung aus dem Wald nicht auch aus anderen Gründen als den angeführten, zB wegen fehlender Erlaubnis des Grundeigentümers, zulässig war. Nur wenn die Bestimmung als Ermächtigung des Organes zu einem solchen Handeln gefaßt gewesen wäre, also eine Ausweisung aus dem Wald nur aus den beiden angeführten Gründen zulässig gewesen wäre, wäre der Schluß auf ein allgemeines Recht, Waldboden betreten zu dürfen, zulässig. So aber kann nur gesagt werden, daß das Reichsforstgesetz im § 55 Abs 1 auf der rein faktischen Situation aufgebaut hat, daß Waldboden auch von fremden Personen betreten wird. Im Regelfall wird hiezu eine im Sinne des § 863 Abs 1 ABGB durch konkludente Handlungen erklärte Erlaubnis des Grundeigentümers vorgelegen sein. Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, daß es bis zum Forstgesetz 1975 keine gesetzliche Regelung der forstlichen Sperren gegeben hat und es ihrer auch gar nicht bedurfte. Das Betreten des Waldes hing ja von der Erlaubnis des Grundeigentümers ab, die er verweigern bzw. ihre Vermutung ausschließen konnte. Erst in dem Augenblick, wo ein Betretungsrecht gesetzlich eingeräumt ist, sind auch Bestimmungen über Sperren erforderlich. (Siehe § 2 des im Land Salzburg geltenden Gesetzes über die Wegefreiheit im Bergland.) Daß jagdrechtliche Bestimmungen bereits damals Sperren gekannt haben, stört dabei nicht, denn der Jagdinhaber ist regelmäßig nicht auch Grundeigentümer, abgesehen von den Eigenjagden, sodaß eine Sperre hier nicht als Ausfluß des Grundeigentums, sonder nur auf Grund einer besonderen gesetzlichen Bestimmung ausgesprochen werden konnte.
Diese Auffassung wird schließlich auch durch die vom VfGH zitierten Landesgesetzes über die Wegefreiheit im Bergland bestätigt, an deren Erlassung nur dann ein Erfordernis bestehen konnte, wenn die betroffenen Grundflächen (Wege, Ödland) nicht schon auf Grund eines sonstigen Rechtes benützt werden durften. Vom aufkommenden Tourismus wurden sie ebenso benutzt wie der Waldboden.
Unzutreffend erscheint auch die Annahme, daß die eben erwähnten Landesgesetze über die Wegefreiheit im Bergland teilweise materielles Forstrecht darstellen und daher seit dem als partielle Bundesgesetze in Geltung stehen. Das hiesige Gesetz über die Wegefreiheit im Bergland 1970, LGBl. Nr. 31, im übrigen eine Wiederverlautbarung des Gesetzes aus 1920, betrifft ganz allgemein Wege, die für den Touristen- oder Fremdenverkehr von besonderer Bedeutung sind. Sie dürfen nicht gesperrt werden bzw. sind diesem Verkehr zu öffnen (§1 Abs 1). Nach § 5 dritter Satz ist das Ödland oberhalb des Waldgebietes frei und kann von jedermann betreten werden. Daß es sich hiebei um keine die Pflege, Erhaltung und den Schutz des Waldbestandes betreffende Bestimmung handelt, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Ebensowenig kann es fraglich sein, daß die Öffnung des Waldes keine Maßnahme des Forstwesens im Sinne des Rechtssatzes des VfGH BGBl. Nr. 252/1951 darstellen kann. Damit wird keine Frage der Waldbehandlung mit dem Ziel der Erhaltung oder Verbesserung der Wirkungen des Waldes im Interesse der Allgemeinheit geregelt. Demgemäß kann § 33 Abs 1 des Forstgesetzes 1975 auch nicht als eine intersystematische Fortbildung im Rahmen des Kompetenztatbestandes Forstwesen qualifiziert werden.
Der VfGH sieht, sollte seine Annahme nicht zutreffen, daß die §§33 und 34 des Forstgesetzes 1975 auf Grund des Kompetenztatbestandes Forstwesen erlassen sind, die kompetenzrechtliche Deckung für diese Bestimmung im Kompetenztatbestand Zivilrechtswesen.
Dazu fällt zunächst auf, daß das allgemeine Recht, Waldboden zu Erholungszwecken zu betreten, durch die Verwaltungsstrafbestimmung des § 174 Abs 1 litb Z 5 des Forstgesetzes abgesichert ist, wiewohl hieraus ein Schluß, daß es sich hiebei um keine zivilen Rechte handelt, nicht unbedingt gezogen werden kann. Entgegenzuhalten ist aber, daß die Öffnung der Wälder zu Erholungszwecken ein allgemeines und unbegrenztes Nutzungsrecht zugunsten eines ganz unbestimmten Personenkreises an fremdem Eigentum ('Gemeingebrauch') ist, der im historischen Begriff und Regelungsbereich des Zivilrechtes keinesfalls enthalten ist. Vielmehr ist es umgekehrt so, daß das Zivilrecht derartige Eigentumsbeschränkungen seit jeher dem Verwaltungsrecht zugewiesen und aus seinem Regelungsbereich ausgeklammert hat (siehe § 364 ABGB). Gerade die vom VfGH angeführten Landesgesetze über die Wegefreiheit im Bergland stellen dies unter Beweis, wenn darin die Öffnung der Wege, die für den Touristen- oder Fremdenverkehr von Bedeutung sind, und zwar nicht nur dann, wenn sie der Verbindung der Talorte mit den Höhen oder als Übergänge, Paß- und Verbindungswege bereits dienen, geöffnet bleiben bzw. werden müssen und das Ödland oberhalb des Waldgebietes für den Touristenverkehr frei ist und von jedermann betreten werden kann. Daraus folgt im Sinne der Versteinerungstheorie, daß die Begründung eines Rechtes des Inhaltes, daß Grund und Boden von jedermann im Rahmen des Tourismus und Fremdenverkehrs, also für Erholungszwecke, betreten werden darf, nicht unter den Kompetenztatbestand des Zivilrechtswesens fällt. Der Umstand, daß ein solcher Gemeingebrauch an Waldboden eingeräumt wird, kann daran nichts ändern: Abgesehen davon, daß die Anwendung der Versteinerungstheorie auf die Kompetenzen der Länder mit deren Generalkompetenz unvereinbar erscheint, waren von der Wegefreiheit im engeren Sinn seit Bestehen des im Land Salzburg geltenden Gesetzes über die Wegefreiheit im Bergland, LGBl. Nr. 122/1920, auch die Forstwege erfaßt. Daß der Landesgesetzgeber weiter für die Waldgebiete kein gleiches allgemeines Betretungsrecht wie für das Ödland begründet hat, muß im Zusammenhang damit gesehen werden, daß er ein solches Recht auch nicht für das Weide- und Alpgebiet oberhalb der oberen Baumgrenze geschaffen hat. Für diesen Bereich beschränkt er sich lediglich auf die Aussage, daß der Touristenverkehr nur insoweit gestattet ist, als die Alp- und Weidewirtschaft dadurch nicht geschädigt wird. Eine gleiche Regelung für das Waldgebiet ist aber dem Kompetenztatbestand Forstwesen zuzurechnen. Gerade aber aus diesen Regelungen des § 5 des besagten Salzburger Gesetzes wird das subtile Verständnis des damaligen Gesetzgebers über die zivilrechtliche Situation betreffend das Betreten dieser Gebiete und über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von gesetzlichen Regelungen ersichtlich: Zum Betreten fremden Grund und Bodens ist die Erlaubnis des Grundeigentümers hiefür erforderlich. Diese kann ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden, insbesondere auch in der Form der Duldung entsprechenden menschlichen Verhaltens. Nur für den Bereich des Ödlandes sollte es nicht vom Willen des Eigentümers abhängen, ob auch andere Personen dieses Land betreten dürfen. Die Gefahr, daß berechtigte wirtschaftliche Interessen des Eigentümers beeinträchtigt werden, besteht hier kaum. Im übrigen aber, abgesehen von den Wegen, überließ es der Gesetzgeber bewußt der Disposition des Eigentümers, ob er seinen Grund von fremden Personen betreten läßt oder nicht. Er beschränkt sich lediglich auf die im öffentlichen Interesse gelegene Aussage, daß die Alm- und Weidewirtschaft durch den Touristenverkehr nicht geschädigt werden darf. Dieses Verständnis liegt auch der Regelung des § 55 Abs 1 des Reichsforstgesetzes 1852 zugrunde.
Da somit sowohl der Kompetenztatbestand Zivilrechtswesen als auch der des Forstwesens als kompetenzrechtliche Grundlage für die Erlassung der Bestimmungen der §§33 und 34 des Forstgesetzes 1975 durch den Bundesgesetzgeber nicht in Betracht kommen, letzterer insbesondere der Vorschriften betreffend die Behandlung des Waldes gesehen werden kann, erscheinen diese kompetenzwidrig erlassen und somit verfassungswidrig. Daß eine Regelung nicht schon deshalb, weil sie Wald betrifft, zu einer solchen des Forstwesens wird, ist schon mehrfach etwa in bezug auf das Grundverkehrsrecht, das Jagdrecht, das Agrarrecht vom VfGH ausgesprochen worden.
2. Der VfGH selbst äußert keine Bedenken an der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers, aus jagdlichen Gründen auch die Sperre des Waldes verfügen, sofern die Gesichtspunktetheorie aufrechterhalten wird. Nur für den Fall, daß der VfGH die Gesichtspunkttheorie wider allem Erwarten aufgibt, wird daher ausgeführt:
Die Kompetenz der Länder zur Regelung des Jagdrechtes umfaßt das Recht, die Ausübung der Jagd zu regeln und in diesem Zusammenhang Einschränkungen aus jagdwirtschaftlichen und jagdpolizeilichen Gründen festzulegen. Die Sperre eines Jagdgebietes bzw. von Teilen hievon dient teils dem Schutz des Wildes vor Störung durch jagdfremde Personen, teils dem Schutz der Besucher vor den Gefahren bei der Ausübung der Jagd. Es handelt sich hiebei zweifelsfrei um eine Maßnahme, die zur umfassenden Regelung des Jagdrechtes gehört und sich damit an die Schranken der Jagdrechtskompetenz der Länder hält. Keinesfalls werden damit zivile Rechte und Rechtsverhältnisse gestaltet. Dies ergibt sich schon daraus, daß die jagdlichen Sperren sowohl von der Behörde wie auch von den Jagdinhabern selbst ausgesprochen werden können, der in den Gemeinde-, Gemeinschafts- oder Genossenschaftsjagden niemals mit dem Grundeigentümer ident ist. Hier kann es sich nicht um die Einschränkung eines zivilen Rechtes handeln, ist doch die Ausübung der Jagd von dem Jagdrecht als Ausfluß des Grundeigentums an sich zu unterscheiden und Gegenstand verwaltungsgesetzlicher Bestimmungen.
3. Der VfGH äußert weitere Bedenken sowohl gegen § 94 Abs 4 des Nö. Jagdgesetzes wie auch gegen § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 des Forstgesetzes 1975, weil mit diesen Bestimmungen gegen das aus der Verfassung abzuleitende Berücksichtigungsprinzip verstoßen werde. Dieses Prinzip versteht der Gerichtshof nicht nur dahin, daß der jeweilige Gesetzgeber ermächtigt sei, bei der Regelung einer Materie alle öffentlichen Zwecke und daher auch die in die Zuständigkeit des anderen Gesetzgebers fallenden zu berücksichtigen, ohne daß freilich dessen Regelung vorweg genommen wird, sondern es auch einem Gesetzgeber verboten ist, die vom gegenbeteiligten Gesetzgeber verfolgten Ziele zu unterlaufen. Anders ausgedrückt, seien Bund und Länder verpflichtet, bei der Regelung der ihnen übertragenen Sachgebiete auf die nach der bundesverfassungsgesetzlichen Kompetenzverteilung von der anderen Gebietskörperschaft wahrzunehmenden Interessen Rücksicht zu nehmen. Der VfGH geht dabei davon aus, daß eine solche Verpflichtung nur dann besteht, wenn die andere Vorschrift, auf die Rücksicht zu nehmen wäre, verfassungswidrig ist.
Diesen grundsätzlichen Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes wird beigepflichtet: Dies gilt zunächst für die von ihm genannte Voraussetzung, daß die gegenbeteiligte Gebietskörperschaft zur Erlassung der Vorschriften, auf die in weiterer Folge Bedacht zu nehmen wäre, zuständig sein muß. Andernfalls würde eine Vorschrift, die ihrerseits mit dieser (oder auch einer anderen) Verfassungswidrigkeit bedroht ist, mit zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer anderen Norm herangezogen werden. Wie es auch daraus hervorgeht, daß die betreffenden Bestimmungen sowohl des Nö. Jagdgesetzes 1974 wie auch des Forstgesetzes 1975 vom VfGH in Prüfung gezogen werden, ist weiter von der Gleichwertigkeit der von den jeweiligen Gesetzgebern geregelten Materien auszugehen. Der Prüfung darf keine Wertung der größeren oder minderen Wichtigkeit und Bedeutung der einen oder anderen Regelung zugrunde gelegt werden.
Bei der Beantwortung der Frage nach dem Inhalt bzw. den Grenzen des 'janusköpfigen' Berücksichtigungsprinzips, das jeden zuständigen Gesetzgeber nicht nur ermächtigte, sondern auch verpflichte, bei seiner Regelung alle in Betracht kommenden Rechtsvorschriften der gegenbeteiligten Gebietskörperschaften zu berücksichtigen (VfGH Erk. Slg. 8831/1980), muß von zwei Prinzipien der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung ausgegangen werden, nämlich einerseits von der Trennung der Gesetzgebungszuständigkeiten und andererseits von der Selbständigkeit der zuständigen Gesetzgeber bei der Regelung der ihnen übertragenen Materien. Nach der einen Seite hat der VfGH im Erkenntnis vom , Z 34/81, die Grenze gezogen, wonach eine Regelung des Landes nicht allein und ausschließlich auf einen Aspekt abstellen darf, der in die Zuständigkeit des gegenbeteiligten Gesetzgebers fällt. Was die andere, hier relevante Seite betrifft, kann das Berücksichtigungsprinzip nur eine äußerste Schranke für die gesetzgeberische Tätigkeit erstellen, soll nicht die aus dem Bundesstaatsprinzip unmittelbar sich ergebende Autonomie der Gesetzgeber ausgehöhlt werden und letztlich ein einfaches Bundes- oder Landesgesetz zum Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit des anderen Gesetzes werden. Innerhalb dieser Schranken wurde zur Abstimmung der Regelungen der gegenbeteiligten Seiten das Instrument der Vereinbarungen nach Art 15a B-VG geschaffen. Nur dort, wo ein Exzeß bei der Handhabung einer Kompetenz, ein Mißbrauch derselben vorliegt, oder mit anderen Worten gesagt, eine an sich gegebene Kompetenz nur dem Scheine nach wahrgenommen wird, um die Regelung der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft zunichte zu machen, kann das Berücksichtigungsgebot ein verfassungsrechtliches Regulativ bilden. In diese Richtung weist auch die Auffassung des Gerichtshofes im Prüfungsbeschluß, wonach die vom gegenbeteiligten Gesetzgeber verfolgten Ziele nicht unterlaufen werden dürfen.
Einer bundesstaatlichen Kompetenzverteilung ist eigen, daß die von den zuständigen Gesetzgebern getroffenen Regelungen sich gegenseitig beeinflussen; in besonderen Fällen stehen sie sogar als Antinomie gegenüber. Eine Verfassungswidrigkeit wurde darin bisher noch nicht erkannt. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, daß man einen Regelungsinhalt (zB ein Betretungsverbot im Naturschutzgebiet) von vornherein als zur Regelung des Gegenstandes (Tier- und Pflanzenschutz) erforderlich ansieht, wogegen der Wald allgemein für Erholungszwecke betreten werden darf. Die Lösung solcher Fälle scheint darin zu liegen, daß hier die Gesetzgeber über den Gleichheitsgrundsatz hinausgehend gehalten sind, nicht nur eine (von mehreren) sachlich gerechtfertigte Regelung zu treffen, sondern vielmehr eine bestimmte Regelung nur dann treffen dürfen, wenn diese aus den Einheiten ihres Regelungsgegenstandes heraus sachlich sogar erforderlich ist.
Inwieweit eine solche Erforderlichkeit an der Regelung des § 94 Abs 4 des Nö. Jagdgesetzes 1974 besteht, wäre an sich auf Grund der jagdwirtschaftlichen Gegebenheiten in bezug auf die Wildhege in Niederösterreich zu prüfen. Im Hinblick darauf, daß die §§33 und 34 des Forstgesetzes 1975 aber ohnedies kompetenzwidrig erscheinen (siehe oben) erübrigt sich hier im Verfahren darauf näher einzugehen. Andernfalls hätten die Argumente, die vorstehend ausgeführt wurden, auch bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 zu gelten.
Zusammenfassend besteht daher die Auffassung, daß § 94 Abs 4 des Nö. Jagdgesetzes 1974 auf Grund der Zuständigkeit der Länder zur Regelung des Jagdgesetzes erlassen worden ist, wogegen die §§333 Abs 1 bis 3 und 43 des Forstgesetzes 1975 kompetenzwidrig erscheinen. Inwieweit die erstgenannte Bestimmung eine sachlich gerechtfertigte Regelung enthält, ist im Unterbrechungsbeschluß nicht in Frage gestellt."
5. Die Tiroler Landesregierung erstattete folgende Stellungnahme:
"I.
1. ..." (Wiedergabe der vom VfGH im Einleitungsbeschluß zur Präjudizialitätsfrage angestellten Überlegungen).
"2. Die Präjudizialität des vom VfGH in Prüfung gezogenen § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 wird nicht in Frage gestellt. Die Präjudizialität der vom VfGH weiters in Prüfung gezogenen §§33 und 34 des Forstgesetzes 1975 könnte vorerst bezweifelt werden. Der dem von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren zugrunde liegende Bescheid stützt sich nämlich ausschließlich auf jagdrechtliche Vorschriften. Insofern scheint die Prüfung forstrechtlicher Vorschriften im vorliegenden Fall nicht zulässig zu sein. Nur über den Umweg, daß die in Prüfung gezogene jagdrechtliche Vorschrift dem im Forstgesetz 1975 niedergelegten Grundsatz der Öffnung des Waldes zu widersprechen scheint, kann ein Zusammenhang mit den in Prüfung gezogenen Vorschriften des Forstgesetzes 1975 hergestellt werden. Da aber die vom VfGH aufgeworfene Frage der Verfassungswidrigkeit des § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 sich überhaupt erst im Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§33 und 34 des Forstgesetzes 1975 stellt, scheint in diesem besonderen Fall die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen forstrechtlichen Bestimmungen doch gegeben zu sein. Eine allfällige Verfassungswidrigkeit kann im vorliegenden Fall nur aus dem Widerspruch der beiden Normenkomplexe Forstrecht - Jagdrecht überhaupt erkannt werden. Sowohl aus logischen Gründen als auch im Sinne einer grundsätzlichen Parität von Bundes- und Landesrecht - im Rahmen des jeweiligen Kompetenzbereiches - muß daher der gesamte Normenkomplex, der Grund für den Widerspruch ist, in die verfassungsrechtliche Prüfung einbezogen werden."
"II.
..." (Wiedergabe der im Einleitungsbeschluß des VfGH dargelegten Bedenken).
"III.
1. Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung sind die vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigten, im Vorstehenden kurz wiedergegebenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht begründet.
Der VfGH sieht zwischen den genannten Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdrechtes 1974 und des Forstgesetzes 1975 einen Widerspruch, der - möglicherweise - nicht lösbar ist. Weder der Grundsatz 'lex posterior derogat legi priori' noch die sogenannte 'Gesichtspunktetheorie' scheinen nach Ansicht des VfGH geeignet zu sein, den Normenwiderspruch - im Forstgesetz 1975 ist die Öffnung des Waldes normiert, im Nö. Jagdgesetz 1974 die Sperre von Waldflächen vorgesehen - zu lösen. Dieser Ansicht des VfGH kann insofern, als sie von der Nichtanwendbarkeit des Grundsatzes 'lex posterior derogat legi priori' ausgeht, beigepflichtet werden, weil die Anwendung dieses Grundsatzes tatsächlich zu einem von der Bundesverfassung offenbar nicht gewollten Ergebnis führen würde. Demgegenüber scheint die Lösung - scheinbaren - Widerspruches im Wege der sogenannten 'Gesichtspunktetheorie durchaus möglich.
Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH kann ein und dasselbe Sachgebiet von verschiedenen Gesetzgebern nach verschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden (siehe zB VfSlg. 2674/1954, 5024/1965, 7169/1975, 8831/1980). Es ist also die Frage zu klären, ob eine Regelung, die die freie Zugänglichkeit des Waldes und Ausnahmen davon, insbesondere durch die Verhängung von Sperren, zum Inhalt hat, nur auf Grund des Kompetenztatbestandes 'Forstwesen' getroffen werden kann oder ob es auch zulässig ist, die Sperre eines Waldes aus dem Gesichtspunkt des Jagdrechtes zu regeln.
2. Der Kompetenztatbestand 'Forstwesen' nach Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG umfaßt alle auf die Pflege und die Erhaltung sowie auf den Schutz des Waldbestandes Bezug habenden Vorkehrungen, daher im besonderen auch die zur Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden erforderlichen Maßnahmen (VfSlg. 2192/1951). Im vorliegenden Fall ist zu untersuchen, ob die Regelung der Zulässigkeit, den Wald zu betreten, auf den Kompetenztatbestand 'Forstwesen' gestützt werden kann. Der VfGH nimmt (primär) vorläufig an, daß im Sinne der sogenannten 'Versteinerungstheorie' und wegen der Zulässigkeit einer 'intrasystematischen Fortbildung' die in den §§33 und 34 des Forstgesetzes 1975 enthaltene Regelung des Rechtes, den Wald zu betreten und zu begehen, zum 'Forstwesen' gehört.
Tatsächlich scheint der Forstgesetzgeber des Jahres 1852 - das Reichsforstgesetz 1852 ist die maßgebliche historische Rechtsvorschrift - stillschweigend davon ausgegangen zu sein, daß an sich jedermann den Wald betreten dürfe. Die Auffassung von Gschnitzer (Sachenrecht, 1968, S. 67 und S. 82; weiters Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 1966, S. 19), daß bereits vor 1852 das Betreten des Waldes, vor allem zum Pilze- und Beerensuchen, als Gewohnheitsrecht bzw. als Ausdruck eines 'Gemeingebrauches' anzusehen war, ist für Tirol jedenfalls zutreffend. Die vom VfGH herangezogene Bestimmung (§55 Abs 1) des Reichsforstgesetzes 1852 scheint für die hier maßgebende Zuordnung allerdings nichts zu besagen. Denn diese Norm ist lediglich ein Auftrag an amtlich beeidete Forstschutzorgane im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Übertretung (Forstfrevel). Die Zielrichtung dieser Norm ist daher die Verhinderung eines Forstfrevels. Hätte die Norm des § 55 Abs 1 des Reichsforstgesetzes 1852 einen anderen Sinn, so wären die vom VfGH erwähnten Landesgesetze betreffend die Wegefreiheit im Bergland teilweise unnötig gewesen. Daß für Tirol ein grundsätzlich freies Betretungsrecht der Wälder anzunehmen ist, ergibt sich aus den anderen für Tirol geltenden forstrechtlichen Vorschriften. So heißt es in der Waldbrandlöschordnung (Gubernial-Zirkular vom 2. Jänner 1824, wiedergegeben in Schreckenthal, Das Forstgesetz, 1949, S. 358):
'Waldbrände entstehen fast immer aus Verschulden; jedoch öfters aus sträflicher Unwissenheit oder Mangel an der nötigen Vorsicht bei dem Gebrauche des Feuers, als aus böser Absicht, seltener aus Zufall' (§1); 'Hierin findet jedermann einen besonderen Grund, dem Feuer in einem Wald alle Aufmerksamkeit zu schenken' (§3). 'Den Hirten, Holzarbeitern und Jägern, dann allen jenen, welche den Wald mit Licht ohne Laterne oder mit brennenden Tabakspfeifen betreten, wird hierwegen die größte Vorsicht zur strengen Pflicht gemacht' (§3). Solche Bestimmungen erscheinen sinnlos, wenn nicht ein allgemeines Betretungsrecht des Waldes - wie es eben Gschnitzer richtig annimmt - für Tirol anzunehmen wäre. Auch wären die sogenannten Nebennutzungen des Waldes nicht durch die provisorische Waldordnung aus dem Jahre 1839 ausdrücklich zu regeln gewesen, wenn nicht bereits vor diesem Zeitraum eine freie Nebennutzung und damit eine Begehbarkeit des Waldes anzunehmen wäre.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, daß sich in Weistümern oder Waldordnungen Tirols nie ein Verbot des Betretens des Waldes rechtsgeschichtlich nachweisen läßt. Dies hätte sicherlich einem Regelungsbedürfnis entsprochen (vgl. Oberrauch, Tirols Wald- und Weidwerk, 1952). Auch ergab sich in Tirol trotz des aufkommenden Tourismus bzw. Alpinismus im 19. Jahrhundert nie ein Regelungsbedürfnis für die rechtliche Regelung des Wanderns durch Wälder.
Wenn der VfGH die Möglichkeit offenläßt, daß die Beachtung der Erholungswirkung des Waldes (§1 Abs 1 litd des Forstgesetzes 1975) auch ein Indiz für die Zuständigkeit des Bundes(Forst)gesetzgebers sei, auch das Recht, den Wald frei zu betreten, zu regeln, so könnte dem entgegengehalten werden, daß die 'Erholung' oder die Regelung der Freizeitgestaltung eher als eine komplexe Materie anzusehen ist, für die eine größere Regelungsnähe zum Art 15 Abs 1 B-VG besteht. In diesem Zusammenhang wird auf die Fremdenverkehrsangelegenheiten und das Campingplatzwesen verwiesen (siehe Pernthaler, Raumordnung und Verfassung I, 1976, S. 109 ff; Siegbert Morscher, Fremdenverkehrs- und Naturschutzrecht, in: Sprung - König, Das Österreichische Schirecht, S. 215 ff.).
Es scheint nicht zweifelhaft, daß dem Forstrecht schon historisch die Funktion zukam, öffentliche Verpflichtungen des Waldeigentümers zugunsten der Allgemeinheit festzulegen. Selbst wenn in den erwähnten historischen Rechtsvorschriften die 'Erholungsfunktion des Waldes' nicht oder jedenfalls nicht in der präzisen Form der §§33 und 34 des Forstgesetzes 1975 enthalten war, so könnten diese Vorschriften als ein Anlaßfall der 'intrasystematischen' Fortentwicklung der historischen Kompetenzbegriffe angesehen werden (vgl. Funk, Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, 1980, S. 77 ff. und die dort angeführten Erkenntnisse des VfGH).
Die Zuordnung einer Regelung, die die Zulässigkeit des freien Betretens des Waldes und Einschränkungen dieses Rechtes betrifft, zum Kompetenztatbestand 'Forstwesen' erscheint zulässig, wenn man davon ausgeht, daß auch der Forstgesetzgeber des Jahres 1852 bereits die freie Begehbarkeit des Waldes angenommen hat. Dies bedeutet allerdings, daß der Forstgesetzgeber auch zuständig ist, Ausnahmen von diesem Recht der freien Begehbarkeit des Waldes festzulegen. Diese Ausnahmen sind in der Regel Verbote des Betretens des Waldes. Der VfGH geht bei der Beurteilung der Frage der Zulässigkeit von Ausnahmen vom Verbot der freien Begehbarkeit des Waldes davon aus, daß es nur dem Forstgesetzgeber obliegt, Ausnahmen festzulegen. Er hätte dabei möglicherweise auch Bereiche zu berücksichtigen, die hinsichtlich der Gesetzgebung in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen. Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, daß der Forstgesetzgeber bei seiner Regelung allenfalls jagdlich begründete Ausnahmen berücksichtigen müßte.
Die Ansicht, daß allein der Forstgesetzgeber zur Regelung von Ausnahme des Rechtes der freien Begehbarkeit des Waldes zuständig sei, folgt daraus aber nicht. Der Forstgesetzgeber ist vielmehr nur zur Regelung von Ausnahmen zuständig, die forstlich begründet sind. Unter 'Forstwesen' aber fällt nicht jegliche Regelung, die sich auf den Wald bezieht. Die Regelung des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken etwa steht in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern zu (vgl. VfSlg. 2546). Maßnahmen auf dem Gebiet der Bodenreform zählen auch dann nicht zum Forstwesen, wenn sie Waldgrundstücke zum Gegenstand haben (VfSlg. 4348). Die Materie der Wildhege und alle damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen sind nicht dem 'Forstwesen' zuzuzählen. Solche Maßnahmen fallen in die Kompetenz der Länder nach Art 15 Abs 1 B-VG (VfSlg. 4348/1963). Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten den - frei begehbaren - Wald, so steht dem Forstgesetzgeber die Möglichkeit offen, aus forstlichen Rücksichten die Begehbarkeit des Waldes durch die Regelung von Sperren einzuschränken. Desgleichen steht es aber dem Landesgesetzgeber zu, aus dem Gesichtspunkt der Jagd Regelungen zu treffen, die die Sperre eines Jagdgebietes - auch wenn es sich dabei um Wald handelt - vorsehen. Es erscheint aus jagdlichen Rücksichten - etwa zur Vermeidung der Beunruhigung des Wildes während der Fütterung - zulässig, daß der Landes(Jagd)gesetzgeber entsprechende Regelungen trifft. Die Zuständigkeit der Länder zur Regelung des Jagdrechtes umfaßt die Befugnis, die Ausübung der Jagd zu regeln und in diesem Zusammenhang Einschränkungen aus jagdwirtschaftlichen und jagdpolizeilichen Gründen festzulegen (VfSlg. 1712/1948). Die gegenständliche jagdrechtliche Vorschrift stellt sich ihrem Inhalt nach als ein verwaltungspolizeiliches Betretungsverbot dar, das kompetenzrechtlich als unselbständige Annexkompetenz zum Jagdrecht zu behandeln ist (Adamovich, Verfassungsrechtliche Probleme der Sicherheitspolizei in Österreich, in: Merkl-FS, 1970, S 13 ff.; Öhlinger, Kompetenzrechtliche Fragen der Sicherheitsmaßnahmen auf Schipisten, in: Kolb-FS, 1971, S 285 ff.; Pernthaler, Die Zuständigkeit zur Regelung der Angelegenheit der Prostitution, ÖJZ 1975, 287 ff.; VfSlg. 3201/1957, 3650/1959, 5910/1969 und insbesondere 3447/1958). Andernfalls käme es etwa dazu, daß die Sperre eines Gebietes, das zum Teil aus Wald und zum Teil aus Alpe besteht, soweit es sich um Wald handelt, von der Forstbehörde, soweit es sich nicht um Wald handelt, von der Jagdbehörde verfügt werden müßte. Dies erscheint aber im Ergebnis verfehlt. Der kompetenzrechtlich zulässige Regelungsbereich des Jagdwesens findet nämlich dort, wo Wald beginnt, nicht seine Grenze. Stets war der Wald in seiner natürlichen Beziehung zum Wild Gegenstand der Regelung des Jagdrechtes mit der sich daraus ergebenden Folge, daß auch die Regelung der dem Wald aus dem Wildstand drohenden Gefahren unter Jagdrecht fällt (VfSlg. 4348/1963). Somit scheint auch klargestellt, daß eine aus jagdlichen Gründen notwendige Sperre eines Gebietes in den Zuständigkeitsbereich des Jagdgesetzgebers und damit des Landesgesetzgebers fällt. Es ist nicht anzunehmen, daß der Forstgesetzgeber aufgrund der Kompetenz 'Forstwesen' alle anderen kompetenzmäßig verfügten Sperren der Wälder (zB aus jagdlichen Gründen oder Gründen des Naturschutzes) in verfassungsmäßiger Weise verhindern könnte.
Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, daß dem Forstgesetzgeber die Kompetenz zusteht, Ausnahmen vom Recht der freien Begehbarkeit des Waldes aus forstlichen Rücksichten zu normieren. Dem Jagdgesetzgeber aber steht es zu, Ausnahmen zu normieren, die aus jagdlichen Gründen notwendig sind. Wenn auch beide Regelungen sich auf den Wald beziehen, so erscheint es dennoch rechtlich zulässig, jeweils aus einem anderen Gesichtspunkt eine entsprechende Regelung zu treffen. Wie in vielen anderen Bereichen kann es auch hier zu einer Kumulation von Verboten, aber etwa auch dazu kommen, daß ein Verhalten nach forstrechtlichen Vorschriften erlaubt, nach jagdrechtlichen Vorschriften aber verboten, damit jedoch im Ergebnis eben nicht statthaft ist.
Gerade am Beispiel der beiden Kompetenztatbestände 'Forstwesen' und 'Jagdrecht' hat der VfGH im bereits erwähnten Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 4348/1963 die sogenannte 'Gesichtspunktetheorie' entwickelt (vgl. die Hinweise bei Funk, aaO, S. 40 und 48 ff.; Pernthaler, Militärisches Sperrgebiet und Naturschutz, ZfV 1977, S. 1 ff., 4). Nach der 'Gesichtspunktetheorie' können verschiedene Zuständigkeiten und darauf beruhende Rechtsnormenverfassungsrechtlichnebeneinander bestehen, weil es nach den Regeln der Kompetenzverteilung nicht auf einen unlösbaren Zusammenhang zwischen dem Gegenstand einer Regelung (hier: Betretungsverbot bzw. Betretungserlaubnis) und einen Kompetenztatbestand des Bundes und der Länder (hier: Forstrecht bzw. Jagdrecht) ankommt, sondern auf den 'Hauptzweck' der Regelung und dessen Zuordnung zu den Kompetenztatbeständen nach den üblichen Regeln der Auslegung.
Die Gesichtspunktetheorie ist staatsrechtlich im Prinzip der strengen Getrenntheit der Gesetzgebungs- und Vollziehungsbereiche von Bund und Ländern und in deren Selbständigkeit und Abgeschlossenheit gegenüber der anderen Staatsgewalt (Bund bzw. Länder) begründet (Pernthaler - Weber, Theorie und Praxis der Bundesaufsicht in Österreich, 1979, S 24 f.; VfSlg. 7169/1973; Pernthaler, Raumordnung und Verfassung, Bd. 1, 1975, S. 220). Selbst wenn man gewisse Bedenken gegen die praktischen Konsequenzen der Gesichtspunktetheorie und des auf ihr beruhenden 'Kumulationsprinzips' geltend machen kann (Vervielfältigung der Regelungsbereiche, Unübersichtlichkeit der Kompetenzverteilung, Durchbrechung der 'einheitlichen' Hauptkompetenzen des Bundes und der Länder; vgl. dazu 5. Bericht über die Lage des Föderalismus in Österreich, 1982, S. 112 f.), wird man im Hinblick auf die seit 1963 ununterbrochen auf diesem Prinzip aufbauende Verfassungsrechtsprechung und die an ihr orientierte Verfassungspraxis des Bundes und der Länder heute nicht mehr ohne weiteres von der Auslegungsregel der 'Gesichtspunktetheorie' abgehen können. Man wird daran festhalten müssen, daß in dieser Auslegungsregel eine der grundlegenden Strukturen der derzeit geltenden Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ausgedrückt ist. Selbst wenn man den Ausdruck 'Gesichtspunktetheorie' nicht verwenden wollte, könnte man heute keinesfalls mehr daran zweifeln, daß die Kompetenzverteilung auf der Unterscheidung zwischen 'Hauptkompetenzen' und davon getrennten 'Nebenkompetenzen' beruht, die einander ergänzende Regelungen des Bundes und der Länder in bezug auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt ermöglichen.
3. Nach dem Berücksichtigungsprinzip ist es zulässig, daß der Landesgesetzgeber bei der Regelung einer in seine Zuständigkeit fallenden Materie alle öffentlichen Zwecke und daher auch die des Bundes berücksichtigt. Dies gilt umgekehrt auch für den Bundesgesetzgeber. Der VfGH geht dabei (vgl. zB Slg. Nr. 4486/1963, 7138/1973, 8831/1980) davon aus, daß es zulässig ist, alle öffentlichen Zwecke zu berücksichtigen. Eine Verpflichtung zu dieser Berücksichtigung erscheint aber nur insofern gegeben, als sich Bund und Länder nicht so verhalten dürfen, daß daraus eine sachlich nicht gerechtfertigte Behinderung der gegenbeteiligten Kompetenzausübung entsteht. Andererseits darf aber die Berücksichtigung auch nicht zu einer Verpflichtung werden, die den Kompetenzbereich des jeweils anderen Gesetzgebers wesentlich einengt und beschränkt.
Das Berücksichtigungsprinzip (vgl. dazu Pernthaler, ZfV 1977, S 5; Funk, aaO, S 51 ff.) ist in gewisser Hinsicht die Konsequenz des Trennungsprinzips und der aus ihm folgenden Gesichtspunktetheorie.
Die Berücksichtigungsregel hat zwei Aspekte: Einerseits ermöglicht sie eine gewisse Erweiterung der Regelungskompetenzen des Bundes und der Länder durch die Möglichkeit der 'Mitberücksichtigung fremder Ziele' bei der eigenen Regelung (VfSlg. 4486/1963 und 7138/1973). Andererseits folgt aus der Berücksichtigungsregel aber auch eine gewisse Schranke der Regelungshoheiten von Bund und Ländern innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche durch die Verpflichtung der Achtung und Wahrung der Zuständigkeiten und Interessen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaften. In diesem Sinne hat insbesondere das Erkenntnis des VfGH Slg. Nr. 2447/1952 klar ausgeführt, daß es im Hinblick auf die Eigenart der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern - die jeder bundesstaatlichen Verfassung, nicht nur dem österreichischen Bundesverfassungsgesetz, eigne - einfach nicht zu vermeiden sei, daß Regelungen, die in einer bestimmten Materie von der verfassungsgesetzlich zuständigen Autorität getroffen werden, Rückwirkung auch auf solche Verwaltungsgebiete äußern, die in die Kompetenz der gegenbeteiligten Autorität fallen. Es bedürfe keiner weiteren Ausführungen, daß sowohl die zuständigen Organe des Bundes, wie auch jene der Länder diese wechselseitige Einwirkung ihrer kompetenzmäßig erlassenen Akte zu beachten und zu wahren habe (vgl. VfSlg. 2447/1952, 3163/1957, 3809/1960, 4237/1962, 4486/1963, 4620/1963, 5534/1967, 6517/1971, 6682/1972, 6936/1972, 7138/1973). Diese ältere Rechtsprechung des VfGH wurde jüngst in einem grundsätzlichen Erkenntnis (VfSlg. 8831/1980) ausdrücklich als Verpflichtung der Gesetzgeber des Bundes und der Länder zur wechselseitigen Koordination ihrer Regelungen wieder aufgenommen (vgl. dazu 5. Bericht über die Lage des Föderalismus in Österreich, 1982, S 112; H. Mayer, JBl. 1982 S 118). Man wird daher davon ausgehen müssen, daß das Berücksichtigungsprinzip ebenso wie die Gesichtspunktetheorie ein wesentliches Element der heutigen Auslegung der Kompetenzverteilung ist. Das Berücksichtigungsprinzip erfüllt damit die Funktion jener 'gesetzlichen Auslegungsregel', die Merkl (Zum rechtstechnischen Problem der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, ÖZÖR 1921, S 336 ff.,; S 353) für die praktische Handhabung des österreichischen Kompetenzkataloges - dem die Auslegungsregel 'Bundesrecht bricht Landesrecht' fremd ist - gefordert hat (vgl. dazu auch: Rill, ZfV 1980, S 103 f.).
Aus dem Berücksichtigungsprinzip folgen Verpflichtungen für die Gesetzgebung und Vollziehung im Rahmen der Handhabung ihrer jeweiligen Kompetenzen.
Für die Gesetzgebung verlangt das Berücksichtigungsprinzip vor Erlassung der gegenbeteiligten Norm eine nach freiem Ermessen zu handhabende Bedachtnahme auf fremde Zuständigkeiten und daraus abgeleitete Regelungsziele; nach Erlassung der gegenbeteiligten Norm aber, daß die eigene Regelung 'komplexer Materien' an die sachlich entsprechende 'Gegenregelung' bis zu einem gewissen, noch näher zu erörternden Grad gebunden ist.
Für die Vollziehung bedeutet das Berücksichtigungsprinzip in Verbindung mit dem Gesetzmäßigkeitsgebot (Art18 B-VG), daß Ermessensbestimmungen und unbestimmte Gesetzesbegriffe so zu handhaben und auszulegen sind, daß sie nicht in Widerspruch zu 'gegenbeteiligten' Regelungen und Vollzugsakten stehen; sofern das betreffende Gesetz aber die 'Bedachtnahme' auf kompetenzfremde Ziele oder Regelungen ausdrücklich vorschreibt, ist die Vollziehung daran mittelbar sogar gebunden.
Die Berücksichtigungsregel steht in einem nicht zu übersehenden Spannungsverhältnis zur Selbständigkeit und 'Autonomie' der Gesetzgeber und der Vollziehung des Bundes und der Länder nach dem grundsätzlichen bundesstaatlichen 'Trennungsprinzip' (vgl. Pernthaler, Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Verwaltungsorganisation, 1976 S 10). Daher scheint es wichtig, eindeutige verfassungsrechtliche Grenzen der Berücksichtigungsregel als Titel für Kompetenzerweiterung und Kompetenzbegrenzung der Gebietskörperschaften festzuhalten. Solche Grenzen hat die Verfassungsrechtsprechung auch bisher bereits klar im Bereich der 'freiwilligen Berücksichtigung' entwickelt: Danach darf die Einbeziehung kompetenzfremder Ziele jedenfalls nicht in ein Ausgreifen der Gesetzgebung in kompetenzfremde Bereiche münden (VfGH
v. , G34/81; 7. Bericht über die Lage des Föderalismus in Österreich, 1983, S 158 f.)
Aber auch im Bereich der vom VfGH (VfSlg. 8831/1980) jüngst wieder betonten 'notwendigen Berücksichtigung' gilt es, klare Grenzen der Bindung der eigenen Kompetenzen festzuhalten. Jedenfalls kann darunter nicht ein 'Ordnungsvorbehalt' der in der Hauptmaterie zuständigen Gebietskörperschaft oder gar ein Titel für eine 'Bundesaufsicht' über die Länder abgeleitet werden (vgl. Pernthaler - Weber, aaO, S 25). Nicht einmal eine Einheitlichkeit oder Homogenität der Rechtsbegriffe und Ordnungsgrundsätze von Hauptmaterie und ergänzenden Regelungen kann verlangt werden (so mit Recht VfSlg. 8989/1980). Die Berücksichtigung als Verpflichtung des komponenten Gesetzgebers gegenüber der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft bedeutet vielmehr eine äußerste Schranke der Autonomie, eine Art Mißbrauchsverhütung der eigenen Zuständigkeit bzw. ein Exzeßverbot bei der Handhabung der eigenen Regelungskompetenz. So gesehen soll das Berücksichtigungsprinzip vor allem zwei Wirkungen entfalten: Die eigene Regelung darf die autonome Regelung der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft nicht verhindern; sie darf die Gegenregelung aber auch nicht praktisch 'unterlaufen', dh. sie dem Sinne nach aufheben und unanwendbar machen.
Vergleichbare Normwidersprüche treten auf, wenn auf Grund öffentlicher-rechtlicher Vorschriften bestehende Rechte (wie: Wald- und Weideservituten, landwirtschaftliche Bringungsrechte, Wasserbenutzungsrechte) durch eine Zwangsmaßnahme (wie zB durch eine Enteignung) im Bereich einer anderen Rechtsmaterie (zB nach dem Bundesstraßengesetz) betroffen werden (siehe VwGH Erk. vom , Zl. 2079/71; dazu Brunner, Enteignung von Bundesstraßen 1983, S 69 ff.; Lang, Der Föderalismus in Österreich, in: Verhandlungen des 6. Österreichischen Juristentages, Bd. II, 3. Teil, S 42 ff.).
Als Grundsatz wird gelten müssen, daß jedenfalls Kernbereiche bzw. bereits geregelte Inhalte eines Materiengesetzes vom Gesetzgeber der gegenbeteiligten Autorität gemäß der Berücksichtigungsregel nicht in bedeutendem Ausmaß unterlaufen werden dürfen.
Es ist daher zu unterscheiden zwischen einer Regelungswidrigkeit und der Regelungstoleranz. Eine Regelungswidrigkeit liegt dann vor, wenn eine Störung der gegenbeteiligten Gesetzgebung (Vollziehung) so schwerwiegend ist, daß sie ein 'Unterlaufen' der Regelung des gegenbeteiligten Gesetzgebers darstellt, also dessen Regelung dem Sinne nach aufhebt oder unanwendbar macht. Regelungstoleranz bedeutet, daß der gegenbeteiligte Gesetzgeber 'Störungen' der eigenen Regelung im Sinne einer Abweichung oder Ausnahme hinnehmen muß, weil sonst die Autonomie des anderen Gesetzgebers in der Handhabung der Zuständigkeit gefährdet wäre. Diese Fragen müssen aus der Natur der jeweiligen Zusändigkeiten, den Eigenarten ihrer Regelungsbereiche, den Sachgesetzlichkeiten der damit erfaßten Lebensbereiche u. ä. Kriterien nach dem Prinzip der 'sachlich gerechtfertigten' Regelung (Gleichheitsgrundsatz) gelöst werden.
Im Fall der in Prüfung gezogenen Normen könnte nur dann von einem solchen 'Unterlaufen' die Rede sein, wenn der jeweilige Gesetzgeber über seinen Zuständigkeitsbereich hinaus Regelungen getroffen hat. Eine solche Regelung wäre aber schon wegen Kompetenzüberschreitung verfassungswidrig. Die Nichtberücksichtigung der Regelung des jeweils anderen Gesetzgebers käme somit nicht zum Tragen.
4. Die Regelungsbefugnis des Jagdgesetzgebers findet ihre Grenze darin, daß die Regelung nur so weit gefaßt werden darf, daß sie noch jagdlich gerechtfertigt ist. Der Landesgesetzgeber ist nach Art 15 Abs 1 B-VG dazu berufen, die Ausübung der Jagd umfassend zu regeln (VfSlg. 1712/1948, 4348/1963, 6828/1972, 8849/1980, 8989/1980), also auch eine Sperre des Waldes zu verfügen. Diese Kompetenz endet allerdings dort, wo das jagdliche Interesse endet. Eine Sperre der Wälder aus jagdlichen Gründen kann grundsätzlich nicht dem 'Berücksichtigungsprinzip' widersprechen, weil sie als verwaltungspolizeiliche Regelung des Jagdwesens und nicht als 'Berücksichtigung' oder 'Nichtberücksichtigung' kompetenzfremder Ziele auf dem Gebiet des Forstwesens anzusprechen ist. Es ist - wie oben dargelegt - sicherlich nicht zulässig, daß der Gesetzgeber Regelungen eines anderen Gesetzgebers und dessen Ziele unterläuft. Daher erscheint es auch unzulässig, daß der Jagdgesetzgeber die vom Forstgesetzgeber in seinem Zuständigkeitsbereich erlassenen Regelungen dadurch unterläuft, daß er das Ziel der Regelung der Öffnung des Waldes durch seine Bestimmungen wieder zunichte macht. Diesfalls würde der Jagdgesetzgeber seine Kompetenz überschreiten, da die jagdlichen Rücksichten nur scheinbar herangezogen würden. Dies ist bei den in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 möglicherweise der Fall. Es geht nicht darum, ob der Jagdgesetzgeber zur Regelung der Sperre einer Waldfläche aus jagdlichen Rücksichten zuständig ist. Es ist vielmehr zu klären, ob der Jagdgesetzgeber diese ihm zukommende Kompetenz überschritten hat; anders ausgedrückt: ob es noch jagdliche Rücksichten sein können, die die Sperre von Waldgebieten im Ausmaß von 115 ha und mehr ermöglichen. Der Normwiderspruch zwischen den in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 und des Forstgesetzes 1975 scheint im Wege der 'Gesichtspunktetheorie' lösbar zu sein. Es bleibt nur offen, ob nicht im vorliegenden Fall der Landesgesetzgeber seine ihm zustehende Kompetenz 'Jagdwesen' überschritten hat.
Ob nun die Zucht ein tauglicher Grund für eine Regelung, wie sie die in Prüfung gezogene Bestimmung des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 hinsichtlich der Unerläßlichkeit einer Sperre darstellt, ist, ist eine Frage der Prüfung der sachlichen Voraussetzungen. Die Annahme des VfGH, die in Prüfung gezogene Bestimmung des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 sei deshalb bedenklich, weil sie zur Regelung des Jagdwesens nicht erforderlich sei, ist im Zusammenhang mit einer anderen kritischen Beurteilung des VfGH bezüglich der zitierten Bestimmung zu sehen, nämlich, daß diese Bestimmung eine Sperre 'in bedeutendem Umfang' bewirke. Man könnte auch darauf abstellen, ob in der jeweiligen Umgebung eines Zuchtgeheges ausreichend andere, frei begehbare Waldflächen für die Erholung der Menschen vorhanden sind. Das wäre eine Frage der Formulierung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974, ob nämlich die Bedingungen bzw. die Voraussetzungen für eine derartige Sperre sachlich gerechtfertigt und damit 'unerläßlich' sind. Denn im Sinne der vom VfGH im vorliegenden Beschluß erwähnten Berücksichtigungsregel wird auch der Bundesgesetzgeber zweckmäßige und sinnvolle Regelungen der Zucht von Wildtieren beachten und respektieren müssen, wenn dies zu einem Kernbereich des Jagdrechtes zählt, zB seit längerem üblich ist oder dem Forstgesetzgeber 1975 bereits bekannt war. § 34 Abs 2 lite des Forstgesetzes 1975 erwähnt Wildwintergatter und § 34 Abs 3 litb Tier- oder Alpengärten.
Es wird also, wenn die Regelung der Zucht ein Kernbereich des Jagdrechtes ist, darauf ankommen, welches Ausmaß an Fläche eines Jagdgebietes für eine Zucht unbedingt erforderlich ist.
Die Öffnung des Waldes hat für die Rechtsstruktur des gesamten Forstrechtes eine derart grundlegende Bedeutung, daß ihre Nichtberücksichtigung durch den Landesgesetzgeber kaum als verfassungskonforme Handhabung seiner Regelungszuständigkeit angesehen werden kann. Bei der Frage des 'Unterlaufens' der forstrechtlichen Regelung muß man zwischen 'zeitlich und örtlich beschränkten Sperren' des Waldes, wie sie außer im § 94 Abs 3 Nö. Jagdgesetzes 1974 auch in anderen österreichischen Jagdgesetzen angeordnet sind (Salzburg: LGBl. Nr. 94/1977, § 64; Kärnten: LGBl. Nr. 76/1978, § 70; Tirol: LGBl. Nr. 60/1983, § 45), und zeitlich und örtlich umfassenden Sperren, wie sie § 94 Abs 4 in Verbindung mit § 7 des Nö. Jagdgesetzes 1974 anordnen, unterscheiden.
Während zeitlich und örtlich begrenzte Sperren der Wälder geradezu das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Prinzipien der Öffnung der Wälder und des Schutzes der biologischen Existenzbedingungen des 'Wildes im Verhältnis zum Wald' zu sein scheinen und daher grundsätzlich nicht als Widerspruch zum Berücksichtigungsprinzip anzusprechen sind, kann dies für zeitlich und örtlich umfassende Sperren zunächst nicht angenommen werden. Hier müßte auf Grund eingehender jagdwirtschaftlicher und wildbiologischer Sachargumente nachgewiesen werden, daß Jagd- und Zuchtgehege in ihrem Betrieb in der Tat so sehr auf die umfassende und dauernde Sperre angewiesen sind, daß die damit verbundene Überlagerung und Ausschaltung des bundesrechtlichen Prinzips der 'Öffnung der Wälder' sachlich gerechtfertigt erscheint. Dabei wird auch zu beachten sein, daß im Sinne der Verfassungsrechtsprechung verwaltungspolizeiliche Betretungsverbote ganz allgemein durch den ungeschriebenen Gesetzesvorbehalt im Art 4 StGG gedeckt sind, wobei 'unsachliche, durch öffentliche Rücksichten nicht gebotene Einengungen' der Freizügigkeit durch das Gleichheitsprinzip (Art7 B-VG) verhindert werden sollen (VfSlg. 3447/1958). Auch unter diesem grundrechtlichen Aspekt ist daher die sachliche Rechtfertigung von räumlich und zeitlich umfassenden Sperren aus jagdwirtschaftlichen oder wildbiologischen Gründen zu prüfen.
Erst auf Grund ausreichender Sachunterlagen kann somit entschieden werden, ob die im § 94 Abs 4 des Nö. Jagdgesetzes 1974 vorgesehenen umfassenden Sperren der Wälder nach sachgesetzlichen Erwägungen ein so unabdingbarer Kern der jagdrechtlichen Regelung sind, daß sie unter Abwägung der damit bewirkten Einschränkungen der in der Bundeskompetenz 'Forstwesen' begründeten 'Öffnung der Wälder' auch nach den Kriterien des verfassungsmäßigen Berücksichtigungsprinzips in der Zuständigkeit der Länder zur Regelung des Jagdrechtes begründet sind.
5. Die vom VfGH (sekundär) aufgezeigten Bedenken, daß die §§33 ff. des Forstgesetzes 1975 ihre Deckung im Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' finden, werden nicht geteilt. Die in den §§33 ff. des Forstgesetzes 1975 enthaltenen Regelungen beschränken zwar Eigentumsrechte, doch kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß es sich deshalb um Vorschriften handelt, die dem Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' zu unterstellen sind. Die 'Öffnung des Waldes zu Erholungszwecken' ist ein allgemeines und unbegrenztes Nutzungsrecht zugunsten eines ganz unbestimmten Personenkreises an fremdem Eigentum ('Gemeingebrauch'), der im historischen Begriff und Regelungsbereich des Zivilrechtes nicht enthalten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH können Eigentumsbeschränkungen und Eingriffe in ein Privatrecht auch durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgenommen werden (VfSlg. 2658/1954, 4605/1963, 6344/1970). Im Erkenntnis Slg. Nr. 2658/1954 führt der VfGH aus, daß Eigentumsbeschränkungen gemäß § 364 ABGB auch durch Verwaltungsvorschriften statuiert werden können, wodurch aber derartige Einschränkungen aus dem Begriff des Zivilrechtes ausgeschieden erscheinen und daher auch zur Zeit der Schaffung der Bundesverfassung nicht unter den Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) gefallen sind. Im besonderen hat der VfGH die Einschränkungen des Eigentums an Wäldern durch die Forstgesetze als derartige Eigentumsbeschränkungen qualifiziert (VfSlg. 1123/1928).
Diese generelle Aussage hat in nachfolgenden Erkenntnissen insofern eine einschränkende Interpretation erfahren, als - wie der VfGH in der Begründung des gegenständlichen Beschlusses zu Recht anführt - nicht jede Beschränkung des Eigentums durch eine Verwaltungsvorschrift die Regelung aus dem Kompetenzbereich des Zivilrechtswesens löst. Bemerkenswert ist hier jedoch, daß die jeweilige kompetenzrechtliche Einordnung solcher Eigentumsbeschränkungen vom Inhalt der betreffenden Norm abhängig gemacht wird. Demnach werden nur solche Regelungen dem Zivilrechtswesen zugeordnet, die 'nach ihrem inhaltlichen Gehalt systematisch dem Zivil-, Prozeß- oder Exekutionsrecht angehören' (Erk. des VfGH Slg. Nr. 5534/1967). In diesem Sinne hat der VfGH in seinem Erkenntnis Slg. Nr. 2820/1955 unter anderem die §§9 und 10 des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1954, als verfassungswidrig aufgehoben und dazu nach eingehender Analyse des rechtlichen Inhaltes dieser Normen begründend ausgeführt:
'Die Bestimmungen (der §§9 und 10) sehen also die Möglichkeit wesentlicher Änderungen von bestehenden Pachtverträgen durch die Grundverkehrsbehörden vor. Die Pachtverträge sind in der geltenden Rechtsordnung des Bundes grundlegend im 25. Hauptstück des ABGB geregelt, woraus mit Ausschluß jeden Zweifels hervorgeht, daß ihre Regelung eine Angelegenheit des Zivilrechtswesens ist; das Zivilrechtswesen ist aber nach Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache; daher bedeuten die in den beanstandeten §§9 und 10 des Vorarlberger GVG getroffenen Bestimmungen über den Pachtschutz einen Eingriff in das dem Bund vorbehaltene Gesetzgebungsrecht. Sie sind daherverfassungswidrig.'
Besonders deutlich kommt diese Differenzierung nach dem Normeninhalt im Erkenntnis Slg. Nr. 2934/1955 zum Ausdruck. Im Zuge der Interpretation des kompetenzrechtlichen Enteignungsbegriffes zieht der VfGH eine klare Trennung zwischen der 'Eigentumsbeschränkung' und der sogenannten 'echten Enteignung', woraus der Schluß gezogen werden kann (vgl. Stolzlechner, ÖZW 1975, S. 36 ff.; Welan, ÖJZ 1972, S. 376), daß, ausgehend von diesem Vergleich, lediglich die Fälle der 'echten Enteignung' unter den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG fallen, bloße Eigentumsbeschränkungen hingegen als Annexmaterien ihre kompetenzmäßige Grundlage in der Kompetenzbestimmung der jeweiligen Hauptmaterie finden. Der VfGH geht also vom Grundsatz aus, daß Beschränkungen der Ausübung des Eigentums eine materienbezogene Angelegenheit sind, die vom jeweiligen Gesetzgeber, gestützt auf die ihm nach dem Bundesverfassungsgesetz zukommende Hauptkompetenz, geregelt werden können.
Die Frage, ob die in Prüfung gezogene eigentumsbeschränkende Regelung ihrem Rechtscharakter nach dem Zivilrechtswesen und somit der Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Bundes zuzuordnen ist, ist dabei zu verneinen.
Die in Prüfung gezogene Regelung stellt sich ihrem Inhalt nach als eine im öffentlichen Interesse normierte Beschränkung der Ausübung des Eigentums dar. Eine solche Regelung ist, wie sich aus dem Dargelegten ergibt, als Annexmaterie vom Landesgesetzgeber jeweils im Zusammenhang mit den nach Art 15 Abs 1 B-VG zu regelnden Materien zu erlassen.
Ebenso wie dies für das Forstgesetz 1975 festgehalten wurde, erscheint es ausgeschlossen, die erwähnte Vorschrift des Nö. Jagdgesetzes 1974 als eine Regelung auf dem Gebiet des Zivilrechtes zu qualifizieren (Art15 Abs 9 B-VG). Durch diese Vorschrift werden nämlich nicht das 'Jagdrecht' oder gar das Eigentum an den betreffenden Grundstücken im Verhältnis zu anderen Privatrechtssubjekten gestaltet, sondern verwaltungsrechtliche Vorschriften im Zusammenhang von Wald und Wild als Lebensbereich getroffen. Ähnliche Vorschriften gehören seit jeher zum Kern des Jagdrechts als Verwaltungsrecht der Jagd: So enthält schon die Jagd- und Wildschützenordnung vom 28. 2. 1786 Verbote des Durchstreifens von Wäldern mit Waffen. Andererseits enthält diese Vorschrift und noch deutlicher das seinerzeitige Jagdgesetz für Böhmen, LGBl. Nr. 49/1866, das Recht des Jagdherrn, das Jagdgebiet nach außen zugunsten des Wildes abzusperren (§3; vgl. dazu Mayrhofer, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst, Bd. 6, 5. Auflage, 1900, S. 394). Jedenfalls scheinen begrenzte Sperren des Jagdgebietes mit dem Begriff der 'Wildhege' (VfSlg. 3448/1963) und damit mit der Zuständigkeit der Länder zur Regelung des Jagdrechtes notwendigerweise verknüpft. Ob dies auch unter dem Gesichtswinkel des Gleichheitsgrundsatzes für dauernde und weiträumige Sperren nach Art des § 94 Abs 4 des Nö. Jagdgesetzes 1974 zutrifft, ist - wie oben dargelegt - gesondert zu prüfen.
6. Zusammenfassend kommt die Tiroler Landesregierung mithin zum Ergebnis, daß die im Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B325/79-16, geäußerten Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers bzw. des Bundesgesetzgebers zur Regelung der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen nicht zutreffen. Auch die Bedenken, daß der Landesgesetzgeber auf den Bundesgesetzgeber und umgekehrt nicht in ausreichendem Maße Rücksicht genommen hat, werden nicht geteilt. Bedenklich erscheint allenfalls die in Prüfung gezogene Bestimmung des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 insofern, als sie eine Regelung zu treffen scheint, die über den Bereich der jagdlichen Regelung hinausgeht."
6. Die Äußerung der Vorarlberger Landesregierung lautet:
"I. ..." (Kurze Wiedergabe des Einleitungsbeschlusses des VfGH).
"II. Die Vorarlberger Landesregierung vertritt zu den vom VfGH in seinem Prüfungsbeschluß aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen folgende Rechtsauffassung:
A.
Die Vorarlberger Landesregierung sieht die Lösung des Normenkonflikts zwischen den Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 über die 'Waldöffnung' und den Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes über die Sperre von Waldflächen im Interesse der Jagd darin, daß die Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 als kompetenzwidrig aufgehoben werden. Die Notwendigkeit hiezu ergibt sich aus folgender Beurteilung der kompetenzrechtlichen Grundlagen der in Prüfung gezogenen Bestimmungen:
1. Kompetenzrechtliche Beurteilung der Bestimmungen über die 'Waldöffnung'
a) Zugehörigkeit zum 'Forstwesen'?
Wie der VfGH ausführt, muß die Frage, ob die genannten Regelungen des Forstgesetzes 1975 dem Kompetenztatbestand 'Forstwesen' zugeordnet werden können, im Sinne der sogenannten 'Versteinerungstheorie' beantwortet werden.
Das Reichsforstgesetz 1852, die zentrale forstrechtliche Vorschrift im Versteinerungszeitpunkt, enthält, wie auch der VfGH feststellt, auch nicht ansatzweise eine Regelung, die dem Waldeigentümer 'zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles' (§364 Abs 1 ABGB) Beschränkungen in der Ausübung seines Eigentums auferlegt hätte in der Richtung, daß er das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken dulden müßte. Lediglich der § 55 Abs 1 des Reichsforstgesetzes 1852 enthält einen Hinweis auf den Aufenthalt waldfremder Personen im Wald. Er verpflichtet das Forstschutzorgan, jeden außer den öffentlichen Wegen im Forste Betretenen, wenn sein Aufenthalt im Wald zu Besorgnissen für die öffentliche Sicherheit oder das Waldeigentum Anlaß gibt, aus dem Forst auszuweisen. Der VfGH knüpft daran die Vermutung, daß das Reichsforstgesetz 1852 stillschweigend davon ausgegangen sei, daß an sich jedermann den Wald betreten dürfe. Zum einen spricht diese Folgerung eher gegen die Forstrechtskompetenz, zum anderen ist sie nicht zwingend. Viel eher ist anzunehmen, daß ein 'Betretungsrecht' nur insoweit bestand, als im Sinne des § 863 Abs 2 ABGB in der stillschweigenden Duldung die Zustimmung des Grundeigentümers zum Betreten des Waldes erblickt werden konnte.
Für den Versteinerungszeitpunkt lassen sich auch keine anderen forstrechtlichen Vorschriften, die Regelungen über das Betreten des Waldes enthielten, feststellen. Insbesondere geht es nicht an, etwa die im Versteinerungszeitpunkt geltenden Gesetze mehrerer Länder über die Wegefreiheit im Bergland als forstrechtliche Vorschriften zu qualifizieren, um sie dann als Beweis dafür zu werten, daß das freie Betreten der Wälder im Versteinerungszeitpunkt vom Begriff 'Forstwesen' umfaßt gewesen sei. Die Prüfung dieser Gesetze zeigt nämlich, daß lediglich folgende Bestimmung, die sich im § 2 des Kärntner Gesetzes über die Wegfreiheit im Bergland, LGBl. Nr. 18/1923, und ähnlich lautend im § 2 des steirischen Gesetzes betreffend die Wegefreiheit im Berglande, LGBl. Nr. 107/1921, nicht aber auch in den Gesetzen der anderen Länder findet, möglicherweise Belange des Forstwesens regelt:
'Dem Touristen- oder Fremdenverkehr offene Privatwege dürfen aus Rücksicht auf die Waldwirtschaft und die Jagd nur in der Zeit, in der die Treibjagd stattfindet, und nur für so lange und insoweit abgesperrt werden, als es wegen der persönlichen Sicherheit der Wegbenützer unerläßlich ist.'
Wollte man diese Bestimmung zum Anlaß nehmen, die Gesetze über die Wegefreiheit im Bergland als forstrechtliche Vorschriften zu qualifizieren, könnte man mit derselben Berechtigung auch von jagdrechtlichen Regelungen sprechen (siehe hiezu Funk, Die grundlegenden Ordnungsprobleme im System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, Juristische Blätter 1976, Seite 459 f.). Maßgeblicher Inhalt dieser Gesetze über die Wegefreiheit im Bergland ist
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- | die Öffnung privater Wege, Steige und Stege, 'die für den Touristen- oder Fremdenverkehr unentbehrlich oder besonders wichtig sind', |
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- | die Öffnung des Ödlandes außerhalb des Waldes, Weide- und Mähgebietes für den Touristenverkehr, |
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- | die Enteignung von Grundstücken und Baumaterial zur Errichtung und Instandhaltung von Wegen, |
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- | die Enteignung von Grundstücken und Baumaterial sowie von Brennholz- und Wasserbezugsrechten zum Zwecke der Errichtung und Instandhaltung sowie des Betriebes von Schutzhütten, |
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- | die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Benützung der Wege und Hütten durch Strafbestimmungen. |
Diese Gesetze haben also durchwegs Maßnahmen zur Förderung des Sports, der Erholung sowie des Fremdenverkehrs zum Inhalt, Angelegenheiten, die gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in der Landeszuständigkeit verblieben sind (siehe VfGH Erk. Slg. 6407/71 und 7145/73).
Stellt man die im Versteinerungszeitpunkt vorzufindenden forstrechtlichen Vorschriften, insbesondere das Reichsforstgesetz 1852, den erwähnten Landesgesetzen über die Wegefreiheit im Bergland gegenüber, so ergibt sich klar, daß die in Frage stehenden Regelungen über das Recht zum Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung systematisch den in die Landeskompetenz fallenden Angelegenheiten des Sports, der Erholung und des Fremdenverkehrs zugehören.
Daran ändert sich auch nichts, wenn man die im Versteinerungszeitpunkt vorgefundenen forstrechtlichen Vorschriften für sich allein im Sinne des vom VfGH entwickelten Prinzips der intrasystematischen Fortentwicklung nach möglichen Anknüpfungspunkten für Regelungen, die das Recht zum Betreten des Waldes zu Erholungszwecken zum Gegenstand haben, untersucht. Am ehesten scheint es noch möglich zu sein, den Anknüpfungspunkt darin zu sehen, daß mit der Forstrechtskompetenz schon historisch die Zuständigkeit verknüpft war, öffentliche Verpflichtungen des Waldeigentümers zugunsten der Allgemeinheit festzulegen. Betrachtet man die diesbezüglichen Vorschriften, also etwa jene über die Waldbehandlung, die Waldnutzung, das Rodungsverbot oder auch jene über die Bannlegung, so muß man feststellen, daß sie sich ohne Ausnahme darauf beschränken, durch Vorschriften über eine bestimmte Art der Ausübung der Forstwirtschaft sicherzustellen, daß die naturgegebenen Wirkungen des Waldes erhalten bleiben oder verbessert werden. Regelung dagegen, in welchen bestimmt wird, wer an den Wirkungen des Waldes teilhaben kann, sind dem Forstrecht in seiner historischen Ausprägung vollkommen fremd. Es geht dabei auch nicht mehr um die Ausübung der Forstwirtschaft, um die Behandlung des Waldes, sondern rein um die Beschränkung privater Rechte, nämlich des Eigentums, und zwar zu einem Zweck, der außerhalb der Belange des Forstwesens liegt. Solche Regelungen stellen regelmäßig einen Bestandteil jener Materie dar, in welcher das Erfordernis, an einer bestimmten Wirkung des Waldes teilhaben zu können, auftritt (vgl. hiezu VfGH Erk. Slg. Nr. 2546/1953). Ein Beispiel für die Teilnahme an der Nutzwirkung des Waldes, also an der Holznutzung, bieten gerade die oben erwähnten Landesgesetze über die Wegefreiheit im Bergland. Nach diesen Gesetzen kann im Wege der Enteignung das Recht eingeräumt werden, das Material - auch Holz -, das zum Bau und zur Erhaltung der Wanderwege und Schutzhütten erforderlich ist, wie auch das zum Betrieb der Schutzhütten erforderliche Brennholz aus fremdem Grund zu beziehen (vgl. zB §§3 und 4 des Kärntner Gesetzes über die Wegefreiheit im Bergland, LGBl. Nr. 18/1923). Eine ähnliche Bestimmung enthält auch der § 3 des Vorarlberger Güter- und Seilwegegesetzes, LGBl. Nr. 25/1963.
Es paßt ganz genau in dieses System der Zuständigkeitsverteilung, wenn
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- | einerseits der für die Bereiche Sport, Erholung und Fremdenverkehr zuständige Landesgesetzgeber die erforderlichen Vorschriften über die Wegefreiheit, auch im Wald, erläßt und |
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- | andererseits der Forstrechtsgesetzgeber durch seine Vorschriften dafür sorgt, daß die Erholungswirkung des Waldes durch eine entsprechende Waldbehandlung erhalten bleibt. |
b) Zugehörigkeit zum 'Zivilrecht'?
Der VfGH hat auch erwogen, im Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' die verfassungsrechtliche Grundlage für die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 zu sehen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die 'Öffnung der Wälder' zu Erholungszwecken ein allgemeines und unbegrenztes Nutzungsrecht zu Gunsten eines ganz unbestimmten Personenkreises an fremdem Eigentum ('Gemeingebrauch') ist, ein Rechtsinstitut, das im historischen Begriff und Regelungsbereich des Zivilrechts keinesfalls enthalten ist. Vielmehr ist es umgekehrt so, daß das Zivilrecht derartige Funktionen der 'Eigentumsbeschränkung' seit jeher dem Verwaltungsrecht zugewiesen und daher aus dem Zivilrecht ausgeklammert hat (siehe § 364 ABGB).
2. Kompetenzrechtliche Beurteilung der Bestimmungen über die Sperre von Waldflächen im Interesse der Jagd
a) Zugehörigkeit zum 'Jagdwesen' (Art15 Abs 1 B-VG)?
Die Vorschrift des § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes scheint aus folgenden Erwägungen grundsätzlich in der Kompetenz der Länder zur Regelung des Jagdrechtes gedeckt: Wie der VfGH im Kompetenzfeststellungserkenntnis Slg. Nr. 1712/1948 auf Grund eingehender historischer Untersuchungen festgestellt hat, umfaßt die erwähnte Zuständigkeit das Recht, die Ausübung der Jagd zu regeln und in diesem Zusammenhang Einschränkungen aus jagdwirtschaftlichen und jagdpolizeilichen Gründen festzulegen. Das 'Jagdrecht' als subjektives Recht ist allerdings ein aus dem Eigentum an Grund und Boden erfließendes Privatrecht, das als solches der Landeszuständigkeit entzogen ist. Die gegenständliche jagdrechtliche Vorschrift stellt sich ihrem Inhalt nach als ein verwaltungspolizeiliches Betretungsverbot dar, das nach der Rechtsprechung des VfGH kompetenzrechtlich als unselbständige Annexkompetenz zum Jagdrecht zu behandeln ist.
b) Zugehörigkeit zum 'Zivilrechtswesen'?
Aus denselben Gründen, aus welchen die Zuordnung der Bestimmungen über die 'Öffnung des Waldes' zum Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' als unrichtig erkannt wurde, wird dies auch für die Vorschriften über die Sperre von Gebieten im Interesse der Jagd abgelehnt. Durch diese Bestimmungen werden nämlich nicht das 'Jagdrecht' oder gar das Eigentum an den betreffenden Grundstücken im Verhältnis zu anderen Privatrechtssubjekten gestaltet, sondern verwaltungsrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Ausübung der Jagd und im Zusammenhang von Wald und Wild als Lebensbereich getroffen. Ähnliche Vorschriften gehören seit jeher zum Kern des Jagdrechts als Verwaltungsrecht der Jagd: So enthält schon die Jagd- und Wildschützenordnung vom 28. 2. 1786 das Verbot, Wälder mit Waffen zu durchstreifen. Andererseits enthält diese Vorschrift und noch deutlicher das seinerzeitige Jagdgesetz für Böhmen, LGBl. Nr. 49/1866, das Recht des Jagdherrn, das Jagdgebiet nach außen zugunsten des Wildes abzusperren (vgl. Mayrhofer, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst, Band 6, 5. Auflage, Seite 394). Jedenfalls scheinen begrenzte Sperren des Jagdgebietes mit dem Begriff der Wildhege (VfGH Erk. Slg. Nr. 4348/1963) und damit mit der Zuständigkeit der Länder zur Regelung des Jagdrechtes notwendigerweise verknüpft.
3. Ergebnis
Die Erörterungen unter Punkt 1 und 2 haben folgendes gezeigt:
a) Die Erlassung von Bestimmungen über die 'Waldöffnung' zu Zwecken der Erholung, wie sie im § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 des Forstgesetzes 1975 enthalten sind, fällt weder unter den Kompetenztatbestand 'Forstwesen' des Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG noch unter den Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG, sondern ist gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in der Zuständigkeit der Länder verblieben.
b) Vorschriften über die Sperre von Gebieten im Interesse der Jagd, wie sie der § 94 Abs 4 des Nö. Jagdgesetzes enthält, fallen nicht unter das 'Zivilrechtswesen' sondern - als Teil der Verwaltungsrechtsmaterie 'Jagdwesen' - unter Art 15 Abs 1 B-VG.
Daraus folgt, daß der Landesgesetzgeber bei der Erlassung von Vorschriften über die Sperre von Gebieten im Interesse der Jagd weder
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- | auf die Erforderlichkeit im Sinne des Art 15 Abs 9 B-VG zu achten hat, |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | noch verpflichtet ist, auf forstrechtliche Vorschriften über die Öffnung des Waldes Rücksicht zu nehmen. |
Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes sind, gleichgültig ob sie nun in allen Einzelheiten sachgemäß sind, kompetenzrechtlich unbedenklich.
B.
1. Teilt man die unter Punkt A.1.a. vertretene Auffassung, daß die Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 über die 'Öffnung des Waldes' zu Zwecken der Erholung im Kompetenztatbestand 'Forstwesen' keine Deckung finden, nicht, dann muß jedenfalls davon ausgegangen werden, daß die beiden in Prüfung gezogenen Regelungen des Forstgesetzes 1975 und des Niederösterreichischen Jagdgesetzes entsprechend der Gesichtspunktetheorie grundsätzlich nebeneinander Bestand haben.
Wie der VfGH in ständiger Rechtsprechung ausführt, wird dadurch, daß in der österreichischen Verfassungsordnung konkurrierende Kompetenzen nicht vorgesehen sind, nicht ausgeschlossen, daß ein Lebenssachverhalt unter verschiedenen, sich aus bestimmten Sachgebieten ergebenden Gesichtspunkten zum Gegenstand mehrerer gesetzlicher Regelungen gemacht wird, auch wenn sich diese auf verschiedene kompetenzrechtliche Grundlagen stützen. Ein solches kumulatives Zusammentreffen sei dann zu erwarten, 'wenn der Inhalt eines Kompetenztatbestandes die Materie nicht nach allen Richtungen erfaßt' (vgl. VfGH Erk. Slg. Nr. 4843/1963). Daß der Kompetenztatbestand 'Forstwesen', was die Belange des Betretens der Wälder anlangt, zumindest in der Weise eingeschränkt ist, ergibt sich aus den Ausführungen unter Punkt A.
2. Das Prinzip der Trennung der Gesetzgebungs- und Vollziehungsbereiche von Bund und Ländern und die aus diesem folgende Gesichtspunktetheorie bringen es notwendigerweise mit sich, daß von den Akten der Gesetzgebung und Vollziehung der einen Autorität Auswirkungen auf jene der anderen Autorität ausgehen. Dies macht es erforderlich, daß der Bund bei der Gesetzgebung und Vollziehung auf die Belange der Länder Rücksicht nimmt und umgekehrt. Die Grenze zwischen der Autonomie des Gesetzgebers und der Rücksichtnahmeverpflichtung wird dort zu suchen sein, wo die eigene Regelung dazu mißbraucht wird, die autonome Regelung der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft zu verhindern oder praktisch 'zu unterlaufen'. Dem diesbezüglichen Lösungsvorschlag des VfGH ist daher nach Auffassung der Vorarlberger Landesregierung grundsätzlich zu folgen.
3. Es ist somit zu prüfen, inwieweit die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dem unter Punkt 2 dargestellten Berücksichtigungsprinzip Rechnung tragen:
a) Was die Bestimmungen der §§33 und 34 des Forstgesetzes 1975 anlangt, so erscheint eine verfassungskonforme Auslegung in der Richtung möglich, daß diese Bestimmungen nur die forstrechtlichen Vorschriften über das Betreten der Wälder setzen wollten, und sich aufverwaltungsrechtliche Sperren anderer Art gar nicht beziehen (vgl. Bobek - Plattner - Reindl, Forstgesetz 1975, Anm. 1 zu § 34, Seite 95).
b) Inwieweit die Einschränkung des Grundsatzes der 'Waldöffnung' durch den § 94 Abs 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes als Rechtsmißbrauch zu qualifizieren oder aber sachlich gerechtfertigt ist, muß auf Grund jagdwirtschaftlicher und wildbiologischer Sachargumente entschieden werden."
7. Die Wiener Landesregierung schließlich äußert folgende Rechtsmeinung:
"..." (Zusammenfassende Wiedergabe des Einleitungsbeschlusses des VfGH).
"Hiezu werden folgende Feststellungen getroffen:
Durch die Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 444, hat der Gedanke des kooperativen Bundesstaates, insbesondere durch die Einfügung des Art 15a, im B-VG besondere Betonung gefunden. Dieser Grundsatz hat in der Folge auch die Verfassungsinterpretation im Rahmen der Rechtsprechung des VfGH beeinflußt. Das äußert sich in der Entwicklung des sogenannten 'Berücksichtigungsprinzips', wie vor allem das in der Begründung des Unterbrechungsbeschlusses zitierte Erkenntnis Slg. 8831 beweist, in dem auch auf frühere Ansätze zu dieser Interpretationsregel, wie Slg. 3163, 4486 und 7138, hingewiesen wird.
Während jedoch in den früheren Erkenntnissen des 'Berücksichtigungsprinzip' als Ermächtigung an den jeweiligen zuständigen Gesetzgeber gedeutet wurde, 'alle öffentlichen Zwecke, daher auch die des Bundes bzw. die im Bereich der Länderkompetenzen gelegenen zu berücksichtigen', hat der VfGH im vorliegenden Beschluß nunmehr die Frage aufgeworfen, ob nicht ein Gebot zur Berücksichtigung bestehe. Dies wird aus nachstehenden Gründen, wenn auch eingeschränkt, zu bejahen sein:
Dem bundesstaatlichen Prinzip dürfte der Gedanke des Verbots des Kompetenzmißbrauchs zugrunde liegen. Dieses Verbot bewirkt ein gewisses Minimum an gegenseitiger Rücksichtnahme. Insofern muß von einer verfassungsrechtlichen Pflicht zur Mindestberücksichtigung kompetenzfremder Belange gesprochen werden, durch welche ein solcher Mißbrauch ausgeschlossen wird (vgl. Funk, 'Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung', Schriftenreihe des Instituts für Föderalismusforschung, Band 17, Seite 54 f. und Pernthaler, 'Raumordnung und Verfassung I', Seite 216). Diese Situation ist vergleichbar mit der Judikatur des VfGH zum Gleichheitsgrundsatz. Auch dort ist der Gesetzgeber im Rahmen des ihm eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich frei, und erst der exzessive Gebrauch dieser Befugnis macht eine Regelung verfassungswidrig. Exzessive Regelungen, die legislative Maßnahmen der gegenbeteiligten Gebietskröperschaft ohne sachliche Rechtfertigung unterlaufen, müssen verfassungswidrig erscheinen. Betrachtet man nun aus diesem Blickwinkel die Regelung des § 94 Abs 4 Nö. Jagdgesetz 1974 und den Motivenbericht dazu, so ist zu erkennen, daß die derzeit geltende Fassung dieser Bestimmung aus dem Jahre 1977 eine Reaktion des Landesgesetzgebers auf die Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens bildenden Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 darstellt. Der Motivenbericht bleibt jedoch die Begründung dafür schuldig, weshalb bei der Sicherheit von Personen in einem Jagdgebiet von mindestens 115 ha, das gegen das Auswechseln des gehegten Schalenwildes nach allen anderen benachbarten Grundstücken und gegen das Einwechseln von Schalenwildvollkommen abgeschlossen ist' (Jagdgehege gemäß § 7 Abs 1 Nö. Jagdgesetz 1974) eine andere Beurteilung Platz greifen soll, als in einem nicht dermaßen umzäunten Jagdgebiet gleicher Größe, für welche eine Sperre nach § 94 Abs 4 Nö. Jagdgesetz 1974 nicht vorgesehen ist. Es kann auch nicht erkannt werden, weshalb, wie der Motivenbericht ausführt, der Betrieb eines umzäunten Jagdgeheges nicht denkbar sei, wenn keine Möglichkeit bestünde, jagdfremde Personen vom Betreten eines solchen Gebietes auszuschließen. Bemerkt sei noch, daß das Wiener Jagdgesetz, LGBl. für Wien Nr. 6/1948 in der Fassung des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 31/1982, keine Beschränkungen dieser Art kennt und dennoch die Jagd im Land Wien ungehindert und ohne Gefährdung jagdfremder Personen ausgeübt werden kann.
Eine derart weitgehende Beschränkung der Waldfreiheit wie sie der § 94 Abs 4 Nö. Jagdgesetz 1974 enthält, ist zur Regelung des Jagdwesens nicht geboten und daher sachlich nicht gerechtfertigt. Sie läßt die notwendige Rücksichtnahme auf die Interessen des Bundes als Forstgesetzgeber vermissen. Bei diesem Ergebnis erweist es sich umgekehrt als entbehrlich, im Forstgesetz 1975 weitergehende Benützungsbeschränkungen des Waldes zu erlassen, bei welchen auf die Zwecke der Jagd Bedacht genommen wird. Der Katalog des § 34 Forstgesetz 1975 erscheint hiezu ausreichend.
Zusammenfassend vertritt die Wiener Landesregierung somit die Meinung, daß die §§33 Abs 1 bis 3 und 34 Forstgesetz 1975 verfassungskonform sind. Der § 94 Abs 4 Nö. Jagdgesetz 1974 hingegen entspricht wegen seines exzessiven Regelungsinhaltes nicht dem Gebot zur Mindestberücksichtigung der Belange des Forstwesens und erscheint daher verfassungswidrig. Die Wiener Landesregierung ist nicht der Auffassung, daß die im Forstgesetz 1975 enthaltenen Bestimmungen über die Öffnung des Waldes zum Komptenztatbestand 'Zivilrechtswesen' zu zählen sind; sie stellen vielmehr öffentlich-rechtliche Beschränkungen der Eigentumsfreiheit im Sinne des § 364 Abs 1 ABGB dar."
II.
Der VfGH hat erwogen:
1. a) Der VfGH ging im Einleitungsbeschluß davon aus, daß hier bundesgesetzliche und landesgesetzliche Normen zusammentreffen, die Gegensätzliches anordnen.
Diese Ausgangsposition hat sich als zutreffend erwiesen:
§33 Abs 1 ForstG gestattet jedermann, Wald zu Erholungszwecken zu betreten und sich dort aufzuhalten. Diesem Recht entspricht die - unter Strafsanktion stehende - Pflicht des Eigentümers eines Waldes, diesen frei zugänglich zu halten (vgl. § 174 Abs 1 litb Z 5 bis 8 leg. cit.). Ausnahmen hievon sehen § 33 Abs 2 und 3 sowie § 34 ForstG vor.
§94 Abs 4 Nö. JagdG hingegen erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen (die sich nicht mit den erwähnten Ausnahmebestimmungen des ForstG decken), Jagdgebiete (die zwar nicht immer, aber doch häufig Wälder sind) für die Öffentlichkeit zu sperren.
b) Im Einleitungsbeschluß hat der VfGH in Erwägung gezogen, daß beide Gesetzgeber im Rahmen der ihnen von der Bundesverfassung zugewiesenen Kompetenzen tätig wurden, war aber dennoch der Meinung, es sei nicht anzunehmen, daß die Bundesverfassung solche Widersprüche hinnehme, daß vielmehr wenigstens eine der beiden einander widersprechenden Regelungen aus einem anderen Grunde verfassungswidrig zu sein scheine.
c) Es ist sohin vorerst zu klären, ob die beiden Gesetzgeber tatsächlich zuständig waren, die erwähnten Bestimmungen zu erlassen (s. unter II.2. und 3.); gegebenenfalls ist sodann die Frage zu lösen, ob ein Verfassungsprinzip besteht, das darauf abzielt, Widersprüche der hier vorliegenden Art zu verhindern (s. unter II.4.), und das möglicherweise hier verletzt worden sein könnte (s. unter II.6. und 7.).
2. Zunächst gilt es zu untersuchen, ob der Bundesgesetzgeber kompetent war, die freie Betretbarkeit des Waldes anzuordnen und den Waldeigentümer zur Öffnung des Waldes zu verpflichten. Für eine solche Zuständigkeit beitet sich der Kompetenztatbestand "Forstwesen" im Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG an, der nach dem Rechtssatz des VfGH Slg. 2192/1951 (BGBl. 251/1951) "alle auf die Pflege, Erhaltung und auf den Schutz des Waldbestandes Bezug habenden Vorkehrungen, daher im besonderen auch die zur Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden erforderlichen Maßnahmen" umfaßt.
Mit diesem (auf Verfassungsstufe stehenden) Rechtssatz sollte aber der Kompetenztatbestand "Forstwesen" nicht erschöpfend umschrieben werden. Die hier zu lösende besondere Frage, ob die Regelung der Zulässigkeit, den Wald zu betreten, zum "Forstwesen" zählt, ist danach jedenfalls nicht zu beantworten. Es ist daher iS der sogenannten "Versteinerungstheorie" (vgl. zB VfSlg. 2721/1954, 6137/1970, 7709/1975) zu untersuchen, ob die Zulässigkeit des Betretens des Waldes zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel () in der Rechtsordnung iZm. dem Forstwesen geregelt war.
Damals galten neben dem Forstgesetz, Kaiserliches Patent vom 3. Dezember 1852, RGBl. 250, (ReichsforstG 1852) zahlreiche forstrechtliche Landesgesetze.
Das ReichsforstG 1852 enthielt keine ausdrücklichen Vorschriften über das Betreten des Waldes, das Gesetz ging aber stillschweigend davon aus, daß die Allgemeinheit vom Betreten des Waldes nicht ausgeschlossen war. Anders wäre etwa die Bestimmung des § 55 Abs 1 ReichsforstG 1852 nicht verständlich, wonach das Forstschutzpersonal verpflichtet wurde, jeden außer den öffentlichen Wegen im Forst Betretenen, wenn sein Aufenthalt im Walde zu Besorgnissen für die öffentliche Sicherheit oder das Waldeigentum Anlaß gibt, aus dem Forst hinauszuweisen. Es bestand damals augenscheinlich keine Notwendigkeit, diese althergebrachte Möglichkeit, den Wald frei zu betreten, im Gesetz abzusichern. Insbesondere bestand nicht das Bedürnis, den Waldeigentümer ausdrücklich zu verpflichten, den Wald der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die §§24 ff. ReichsforstG 1852 verpflichteten den Waldeigentümer lediglich dazu, Waldprodukte über sinen Grund bringen zu lassen.
Das gleiche Bild bieten landesrechtliche Vorschriften auf dem Gebiete des Forstwesens. Dies wird beispielsweise für Tirol in der Äußerung der Tir. Landesregierung (s. oben I.D.5) anhand mehrerer Rechtsvorschriften deutlich nachgewiesen.
So konnte Mayrhofer - Pace, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst, Band 6, 1900, S 224, konstatieren, daß zum Forstwesen alle jene Vorschriften zählen, die sich "auf die Erhaltung und Nutzbarmachung des Waldlandes und auf den Schutz desselben und seiner Produkte" beziehen. Es ging in den damaligen forstrechtlichen Vorschriften also darum, den Wald nutzbar zu machen, und zwar nicht bloß für seinen Eigentümer, sondern auch für die Öffentlichkeit (etwa in Form von Bannwäldern als Lawinenschutz usw., aber auch durch Einräumung eines beschränkten Gemeingebrauches, wie vergleichbar zB im Wasserrecht).
Wenngleich weitgehend unausgesprochen, war den forstrechtlichen Vorschriften zum "Versteinerungszeitpunkt" die Freiheit der Allgemeinheit, den Wald grundsätzlich frei betreten zu dürfen, immanent.
So kommt denn Gschnitzer (Sachenrecht, 1968, S 67 und S 82; Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechtes, 1966, S 19; Gibt es noch Gewohnheitsrecht? Verhandlungen des 3. Österreichischen Juristentages 1967, II/6, S 24 - 43) zum Ergebnis, daß (schon lange vor dem Inkrafttreten des ForstG 1975) ein allgemeines Recht zum Betreten des Waldes bestand, obschon er dieses als Gewohnheitsrecht bezeichnet.
Der Bundesverfassungsgesetzgeber fand also 1920/1925 auf forstrechtlichem Gebiet ein System vor, das einen eingeschränkten Gemeingebrauch am Wald ausdrücklich vorsah und davon ausging, daß das Betreten des Waldes grundsätzlich jedermann freistand.
Hätte sich damals die rechtspolitische Notwendigkeit ergeben, die Pflicht des Eigentümers, das Betreten des Waldes durch jedermann zu dulden, ausdrücklich zu verankern, so hätte dies unter dem Titel "Forstwesen" geschehen können.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Regelung des Rechtes zum freien Betreten des Waldes und der korrespondierenden Pflicht des Waldeigentümers gemäß Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG ("Forstwesen") in die Zuständigkeit des Bundes fällt.
Die Eventualannahme in dem dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß, § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG 1975 seien kompetenzrechtlich dem "Zivilrechtswesen" (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) zuzuordnen, trifft nicht zu. Es wird hier nämlich nicht das Verhältnis Privater untereinander geregelt, sondern eine Beschränkung der Rechte des Waldeigentümers im öffentlichen Interesse zugunsten der Allgemeinheit verfügt.
3. Nun ist zu erörtern, ob der Landesgesetzgeber zuständig war, ein Verbot des Betretens von Jagdgebieten auch dann zu ermöglichen, wenn es sich dabei um Wald handelt. § 94 Abs 4 Nö. JagdG ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Sperre von mindestens 115 ha umfassenden Jagdgebieten sowie aller Gebiete, die der Zucht von Wild dienen. Die Vorschriften beziehen sich zwar nicht ausschließlich, aber doch häufig auf Waldgebiete.
Nach dem System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung liegt die Generalkompetenz zur Gesetzgebung gemäß Art 15 Abs 1 B-VG bei den Ländern. Von der Zuständigkeit der Bundesländer sind nur diejenigen Angelegenheiten ausgenommen, welche in die Zuständigkeit des Bundes verwiesen sind (vgl. zB VfSlg. 9337/1982).
Das Kompetenzfeststellungserk. VfSlg. 1712/1948 enthält folgenden Rechtssatz:
"Das Jagdrecht ist ein aus dem Eigentum an Grund und Boden fließendes Privatrecht. Die Landesgesetzgebung ist berechtigt, seine Ausübung zu regeln und hiebei Einschränkungen aus jagdwirtschaftlichen und jagdpolizeilichen Gründen, insbesondere hinsichtlich der Größe des Grundbesitzes, die den Eigentümer zur Ausübung der Jagd berechtigt, aufzustellen. Eine Verfügung aber, mit der für andere Personen als den Eigentümer Jagdrechte auf ihnen nicht gehörigen Liegenschaften begründet werden und dem Eigentümer dieses Recht entzogen wird, fällt nicht in die Kompetenz der Landesgesetzgebung, sondern in die Kompetenz des Bundes."
In der späteren Judikatur wurde diese Rechtsprechung weiterentwickelt (vgl. zB VfSlg. 4348/1963, 6828/1972, 8849/1980, 8989/1980).
Das durch § 94 Abs 4 Nö. JagdG ermöglichte Betretungsverbot ist eine aus jagdausübungsrechtlichen Aspekten getroffene Maßnahme.
Derartige Vorschriften gestalten nicht das Verhältnis Privater untereinander, sondern enthalten - im öffentlichen Interesse gelegene - wie schon ausgeführt - nicht dem Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) zuzuzählen.
Zum Jagd(ausübungs)recht, dessen umfassende Regelung nach dem Gesagten iS des Art 15 Abs 1 B-VG dem Landesgesetzgeber obliegt, gehören auch die Normen, die der Abwehr der dem Wald aus dem Wildstand drohenden Gefahren dienen (VfSlg. 4348/1963).
Der Landesgesetzgeber ist also dazu berufen, aus jagdrechtlicher Sicht eine Sperre von Jagdgebieten anzuordnen oder zu ermöglichen, auch wenn es sich um Waldgebiete handelt.
4. a) Der VfGH vertritt in ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg. 9337/1982) die Auffassung, es könne - da die Bundesverfassung konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen nicht vorsehe - ein und dieselbe Materie nur einem einzigen Kompetenztatbestand zugeordnet werden; doch werde damit nicht ausgeschlossen, daß bestimmte Sachgebiete nach verschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden können; die teilweise Identität von Tatbestandselementen einer in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fallenden Regelung mit einer aufgrund einer Bundeskompetenz ergangenen Vorschrift würde die Regelung noch nicht verfassungswidrig machen. Es ist vom System der Kompetenzverteilung her nur ausgeschlossen, daß Bund und Länder verfassungsmäßigerweise Regelungen für inhaltlich gleichartige Tatbestände erlassen.
In concreto bedeutet dies, daß Regelungen, die dem Jagdwesen zugeordnet werden können (wie das Betreten von Jagdgebieten), trotz teilweiser Identität von Tatbestandselementen auch bundesgesetzlich getroffen werden könnten, wenn sich dafür ein Anknüpfungspunkt in jenen Kompetenzartikeln finden läßt, die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz einräumen (wie hier der Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG ("Forstwesen")).
b) Das eigentliche verfassungsrechtliche Problem, um dessen Lösung es hier geht, besteht darin, wie der im Kompetenzverteilungsmodell des B-VG sohin mögliche Fall des Zusammentreffens gegensätzlicher, jedoch in kompetenzrechtlicher Hinsicht verfassungsrechtlich unbedenklich erlassener Vorschriften des Bundes und der Länder zu lösen ist.
Da die österreichische Bundesverfassung den Satz "Bundesrecht bricht Landesrecht" (oder die umgekehrte Regel) nicht kennt, wäre daran zu denken, daß auftretende Widersprüche nach jenen Methoden zu beseitigen sind, die auch bei gegensätzlichen, vom selben Normsetzer erzeugten Normen Anwendung finden, nämlich nach den Auslegungsregeln "lex posterior derogat legi priori" und "lex specialis derogat legi generali".
Damit würde der Widerspruch für den Normanwender vorerst aus der Welt geschafft. Hiebei kann es aber offenkundig nicht sein Bewenden haben; es verbietet sich nämlich die Annahme, die Bundesverfassung stelle bei derartigen Widersprüchen endgültig darauf ab, wessen Akt der spätere oder speziellere ist. Dadurch hätte es jeder Gesetzgeber in der Hand, die Zuständigkeiten zu manipulieren. Die Anwendung der genannten Regeln kann daher das hier in Rede stehende Problem nicht lösen.
Der Bundesverfassung ist jedoch eine andere Regel zu entnehmen, die dazu sehr wohl imstande ist.
Nach dem durch die Judikatur entwickelten, als Berücksichtigungsprinzip bezeichneten Grundsatz (vgl. zB VfSlg. 3163/1957, 4486/1963, 7138/1973, 8831/1980; s. auch Mayer, Ein "Umweltanwalt" im österreichischen Recht?, JBl. 1982, S 118 f.) ist es zulässig, daß der Landesgesetzgeber bei der Regelung der Materie alle öffentlichen Zwecke und daher auch die des Bundes berücksichtigt; dies gilt auch umgekehrt für den Bundesgesetzgeber. Die Befugnis, die Interessen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft zu berücksichtigen, darf nur - wie hiezu erläuternd beizufügen ist - nicht dazu mißbraucht werden, die der anderen Gebietskörperschaft obliegende Regelung selbst vorzunehmen (vgl. VfSlg. 9543/1982; Mayer, aaO, S 119).
Aber auch mit einer derart verstandenen Berücksichtigungsbefugnis ist zur Lösung des hier entstehenden Problems noch nichts gewonnen. Vielmehr geht es darum, ob der Bundesverfassung eine Verpflichtung zur Rücksichtsnahme auf die von der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft kompetenzgemäß wahrgenommenen Aufgaben zu entnehmen ist.
Der VfGH hat bereits im Erk. VfSlg. 8831/1980 auf eine solche Rücksichtnahmepflicht hingewiesen:
"Die vom bundesstaatlichen Prinzip her gebotene Trennung der Gesetzgebung in eine solche des Bundes und in eine solche der Länder verhält aber jeden zuständigen Gesetzgeber, bei seiner Regelung alle in Betracht kommenden Rechtsvorschriften der gegenbeteiligten Gebietskörperschaften zu berücksichtigen." (Vgl. auch VfSlg. 3163/1957.)
Der den Bundesstaat konstituierenden Bundesverfassung muß unterstellt
werden, die Grundlage einer harmonisierten Rechtsordnung zu sein, in
der (allenfalls divergierende) Interessen von Bund und Ländern, auch
soweit diese in Akten der Gesetzgebung ihren Niederschlag finden,
aufeinander abgestimmt sind. Der rechtspolitische Gestaltungsfreiraum
des Bundesgesetzgebers ist deshalb insoweit eingeschränkt, als es ihm
verwehrt ist, Regelungen zu treffen, die sich als sachlich nicht
gerechtfertigte Beeinträchtigung der Effektivität landesgesetzlicher
Regelungen darstellen; dasselbe gilt auch umgekehrt im Verhältnis des
Landesgesetzgebers zum Bundesgesetzgeber (vgl. zB Pernthaler,
Raumordnung und Verfassung, 1. Band, 1975, S 216; Funk, Schutz vor
Immissionen (Lärm) - Verhältnis zwischen Baurecht und Gewerberecht,
ÖZW 1976, S 27 ff.; Pernthaler, Militärisches Sperrgebiet und
Naturschutz, ZfV 1977, S 5; Funk, Das System der bundesstaatlichen
Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, 1980,
S 51 ff.; Adamovich - Funk, Österreichisches Verfassungsrecht,
2. Auflage), 1984, S 144: "... Es geht dabei um die Frage der
verfassungsrechtlichen Pflicht von Bund und Ländern zur Beobachtung
eines interessenkonformen Verhaltens gegenüber dem jeweils
gegenbeteiligten Partner. ... Im österreichischen Verfassungsrecht
ist eine Pflicht der Länder zu bundestreuem Verhalten weder ausdrücklich noch schlüssig enthalten. Eine Verpflichtung zur wechselseitigen Treue von Bund und Ländern kann aber aus dem Grundsatz der exklusiven Trennung der Aufgabenbereiche iVm. dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot (Gleichheitssatz) in dem Sinne abgeleitet werden, daß sich Bund und Länder bei der Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten nicht so verhalten dürfen, daß daraus eine sachlich nicht gerechtfertigte Behinderung der gegenbeteiligten Kompetenzausübung entsteht.").
Diese (entgegen der Meinung der Bundesregierung) der Bundesverfassung innewohnende Rücksichtnahmepflicht verbietet sohin dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft, die vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelungen damit zu unterlaufen. Diese Pflicht verhält ihn dazu, eine zu einem angemessenen Ausgleich führende Abwägung der eigenen Interessen mit jenen der anderen Gebietskörperschaft vorzunehmen und nur eine Regelung zu treffen, die zu einem solchen Interessenausgleich führt.
Wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auf Art 15a B-VG hinweist, so meint der VfGH, daß diese Verfassungsbestimmung nicht gegen, sondern für das Bestehen der auf diese Weise umschriebenen Rücksichtnahmepflicht spricht: Art 15a B-VG ermächtigt nicht zum Abschluß von Bund-Länder-Vereinbarungen, die die Kompetenzverteilung des B-VG ändern; diese Vereinbarungen sollen (offenbar geradezu in erster Linie) dazu dienen, nach Abwägung der jeweiligen Interessen der beiden Gesetzgebungsautoritäten gegeneinander, deren Gestaltungsfreiraum derart abzugrenzen, daß Widersprüche zwischen Bundes- und Landesrecht möglichst vermieden werden (vgl. Rill - Schäffer, Die Rechtsnormen für die Planungskoordinierung seitens der öffentlichen Hand auf dem Gebiete der Raumordnung, 1975, S 60). Falls jedoch solche - verfassungskonformen - das fragliche Sachgebiet absteckenden Vereinbarungen nicht bestehen, obliegt die Feststellung, ob der jeweils zuständige Gesetzgeber den Auftrag zur weitestmöglichen Vermeidung von Divergenzen eingehalten hat, und verneinendenfalls, welcher der beiden Normsetzer seine (verfassungsgesetzliche) Rücksichtnahmepflicht verletzt hat, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG dem VfGH (vgl. Ermacora, Österreichischer Föderalismus, 1976, S 64: "Es fehlt der österreichischen Bundesverfassung der Satz ... 'Bundesrecht bricht Landesrecht'. Das bedeutet aber die juristische Gleichwertigkeit von Bundes- und Landesrecht. Die Balance im Konfliktsfall übt entweder der Satz 'lex posterior derogat priori' oder aber die Verfassungsgerichtsbarkeit aus.").
5. Erst nach diesen Erörterungen kann die Frage der Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsverfahren gelöst, im besonderen aber geklärt werden, ob und welche Gesetzesstellen in Prüfung zu ziehen sind.
a) Die im Anlaßverfahren bel. Beh. hat den angefochtenen Bescheid insbesondere auf § 94 Abs 4 Nö. JagdG gestützt.
Auch der VfGH würde bei Entscheidung über die den Gegenstand des Anlaßverfahrens bildende Beschwerde diese landesgesetzliche Bestimmung, allerdings - entgegen der vorläufigen Annahme im Einleitungsbeschluß - bloß die beiden ersten Worte "Jagd- und" im ersten Satz dieser Gesetzesbestimmung anzuwenden haben. Der Bf. wurde nämlich wegen Betretens eines gesperrten Jagdgeheges bestraft; nach Aufhebung der erwähnten Worte bezöge sich § 94 Abs 4 Nö. JagdG nur noch auf Zuchtgehege, deren Betreten aber nicht Gegenstand des Anlaßfalles ist.
Das auf § 94 Abs 4 Nö. JagdG bezughabende Gesetzesprüfungsverfahren ist also, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, in Ansehung der Worte "Jagd- und" zulässig.
Im übrigen ist es jedoch mangels Präjudizialität einzustellen.
b) Die gleichfalls in Prüfung gezogenen Vorschriften des § 33 Abs 1 bis 3 und des § 34 ForstG wurden von der bel. Beh. bei Erlassung des im Anlaßverfahren bekämpften Bescheides nicht angewendet und waren von ihr auch nicht anzuwenden. Dennoch sind diese Bestimmungen hier präjudiziell:
Die oben (II.4.) umschriebene Rücksichtnahmepflicht gebietet jedem Gesetzgeber, auf die vom Gesetzgeber der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft kompetenzgemäß wahrgenommenen Interessen Bedacht zu nehmen. Diese Pflicht besteht freilich nur dann und nur insoweit, als die Gesetze der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft ihrerseits die Rücksichtnahmepflicht nicht verletzen. Die Gesetze beider stehen demnach in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, daß es ausgeschlossen ist, die eine ohne die andere Norm zu prüfen.
Dies bedeutet, daß sich der VfGH zur Beurteilung der Frage, ob der niederösterreichische Landesgesetzgeber bei Erlassung der zu prüfenden Bestimmung des Nö. JagdG seiner Pflicht, auf die vom Bundesgesetzgeber wahrgenommenen forstrechtlichen Interessen Rücksicht zu nehmen, nachgekommen ist, nicht bloß auf einen Vergleich mit dem ForstG beschränken kann. Er muß vielmehr notwendig auch die Frage beantworten, ob die §§33 Abs 1 bis 3 und 34 ForstG dem Gebot der Rücksichtnahme entsprechen und also auch diese Bestimmungen iS des Art 140 Abs 1 B-VG anwenden.
Auch diese - eine untrennbare Einheit bildenden - forstrechtlichen Bestimmungen sind sohin präjudiziell; da die übrigen Prozeßvoraussetzungen gleichfalls vorliegen, ist das Verfahren zur Prüfung auch dieser Bestimmungen zulässig.
6. Zur Frage, ob das im Einleitungsbeschluß geäußerte Bedenken, der Forstgesetzgeber habe seine Rücksichtnahmepflicht mißachtet, zutrifft, hat der VfGH erwogen:
Aus der Pflicht des Bundesgesetzgebers, auf die vom Landesgesetzgeber wahrgenommenen Interessen Rücksicht zu nehmen, folgt das Verbot, die freie Betretbarkeit des Waldes auf eine Weise festzulegen, die es dem Landesgesetzgeber verwehrt, die Sperre von Waldgebieten aus Gesichtspunkten anzuordnen, die sich aus dem Landesgesetzgeber zu regelnden Sachgebieten ergeben.
Würden also § 33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG 1975 die freie Betretbarkeit des Waldes anordnen und Ausnahmen von diesem Grundsatz taxativ vorsehen, mithin dem Landesgesetzgeber absolut verwehren, andere, unter Gesichtspunkten anderer Sachgebiete - so etwa unter Gesichtspunkten des Jagdrechtes oder des Naturschutzes - erforderliche Sperren des Waldes zu normieren, so wären diese bundesgesetzlichen Bestimmungen wegen Verletzung der Rücksichtnahmepflicht verfassungswidrig.
Diese Interpretation ist zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes möglich; dieser läßt aber auch eine andere - verfassungskonforme - Auslegung zu; nämlich die, daß damit aus forstrechtlicher Sicht zwar die grundsätzliche freie Betretbarkeit des Waldes, aber nur die unter forstrechtlichen Aspekten erforderlichen Ausnahmen von diesem Prinzip verfügt werden, und daß demnach der Landesgesetzgeber frei ist, anknüpfend an die von ihm zu regelnden Sachgebiete hievon weitere Ausnahmen vorzusehen. Dieser verfassungskonformen Interpretation ist der Vorzug zu geben (vgl. zB VfSlg. 9367/1982).
Auch die Motive des historischen Gesetzgebers legen eine solche Auslegung nahe: Die Erläuterungen zu der das ForstG 1975 betreffenden RV (1266 BlgNR, XIII. GP) bringen auf S 95 den Vorbehalt zugunsten des Landesgesetzgebers deutlich zum Ausdruck, indem sie ausführen, daß neben den im ForstG enthaltenen Ausnahmen "in einer Reihe von anderen Gesetzen auf Bundes- und Landesebene weitere abweichende Regelungen des Rechtes auf freien Zugang zum Walde vorgesehen sind bzw. vorgesehen werden können".
Die §§33 und 34 ForstG 1975 enthalten - wie zusammenfassend festgestellt werden kann - nur forstrechtliche Vorschriften über das Betreten des Waldes; sie beziehen sich keineswegs auf verwaltungsrechtliche Sperren anderer Art und schließen deren Anordnung durch andere Gesetzgeber nicht aus (vgl. Bobek - Plattner - Reindl, Forstgesetz 1975, 1977, Anm. 1 zu § 33, S 95 und Anm. 1 zu § 34, S 108).
Bei diesem Inhalt der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ForstG 1975 treffen die im Einleitungsbeschluß gegen ihre Verfassungsmäßigkeit geäußerten Bedenken nicht zu. Der Forstgesetzgeber hat nämlich die von ihm zu wahrenden Interessen mit den vom Landesgesetzgeber zu vertretenden Interessen derart abgewogen, daß ein angemessener Interessensausgleich stattfindet.
§33 Abs 1 bis 3 und § 34 ForstG 1975 waren daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
7. Anders verhält es sich mit der zu prüfenden Vorschrift des Nö. JagdG. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Die §§33 und 34 ForstG gestatten - und zwar, wie oben dargetan, verfassungskonform - grundsätzlich jedermann (also auch jagdfremden Personen) das Betreten von Wald (auch wenn es sich um Jagdgebiete handelt) und verpflichten den Waldeigentümer grundsätzlich dazu, seinen Wald (auch wenn er Jagdgebiet ist) frei zugänglich zu halten.
Aus der Pflicht des Landesgesetzgebers, auf die vom Bundesgesetzgeber wahrgenommenen - im besonderen, auf die von diesem durch die zitierten (verfassungsrechtlich unbedenklichen) Bestimmungen des ForstG geschützten - Interessen Rücksicht zu nehmen, folgt das Verbot, das Jagdrecht derart zu gestalten, daß damit die im ForstG verankerten und den dort wahrgenommenen Interessen dienenden Rechte und Pflichten praktisch unwirksam gemacht oder weitestgehend ausgehöhlt werden.
b) Nun ermöglicht § 94 Abs 4 Nö. JagdG nach seinem Wortlaut, Jagdgebiete, die eine Mindestgröße überschreiten, zu "sperren", womit jagdfremden Personen das Betreten dieser Gebiete (die häufig Wald sind) verboten wäre (s. § 135 Abs 1 Z 19 bzw. Z 23 Nö. JagdG, LGBl. 6500-2 bzw. 6500-3). Diese Regelung ermöglicht eine weitestgehende Entbindung vom Gebot des ForstG, den Wald frei zugänglich zu halten, so etwa auch vom Gebot, bei eingezäunten Waldflächen überstiege oder Tore anzubringen (§34 Abs 8 ForstG).
Unerheblich ist, wie groß die Gebiete sind, die tatsächlich "gesperrt" wurden; es kommt im gegebenen Zusammenhang nur darauf an, was das Gesetz zuläßt.
Zwar ist für diese "Sperre" die Bewilligung der Behörde erforderlich. Diese kann aber nicht etwa aus Gründen versagt werden, die den Forstgesetzgeber zur Verankerung der Betretungsfreiheit bewogen haben, nämlich die Wahrung der Erholungsfunktion des Waldes für die Bevölkerung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes hat die Behörde ausschließlich jagdliche Interessen zu berücksichtigen. Dazu kommt, daß im Verfahren zur Bewilligung der "Sperre" nur der Jagdausübungsberechtigte Parteistellung hat, also zB jener Person, die ein "gesperrtes" Jagdgebiet betritt, keinerlei Rechtschutzinstrument zur Verfügung steht, die Rechtmäßigkeit des die "Sperre" bewilligenden Bescheides in Frage zu stellen.
Die Motive des Landesgesetzgebers verbieten hier (im Gegensatz zum ForstG) eine andere (verfassungskonforme) Auslegung:
So wird in den Erläuterungen zu Z 37 (S 8) der RV betreffend die 2. Jagdgesetznov. (mit der § 94 Nö. JagdG ergänzt wurde) wörtlich ausgeführt:
"Mit dem Inkrafttreten des Forstgesetzes 1975 wurde das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken auch jagdfremden Personen grundsätzlich gestattet. Dies bedeutet nicht nur eine vermehrte Beunruhigung des Wildes und eine Einschränkung der Möglichkeit, die gesetzlich vorgeschriebenen Wildabschüsse durchzuführen, sondern unter Umständen eine Gefahr für diese Personen. Die neuen Vorschriften des § 94" (das sind die Abs 3 und 4) "sollen sicherstellen, daß eine Gefährdung von Personen anläßlich der Durchführung von Jagden weitgehend ausgeschlossen wird. Darüber hinaus ist der Betrieb eines Zuchtgeheges, aber auch eines umzäunten Jagdgeheges nicht denkbar, wenn keine Möglichkeit bestünde, jagdfremde Personen vom Betreten solcher Gehege auszuschließen."
In der Äußerung der Nö. Landesregierung (s. oben I.D.1) wird unter Punkt 3 die in dieselbe Richtung gehende ausführliche Begründung des Initiativantrages wiedergegeben, der zum - infolge eines Einspruches der Bundesregierung erfolgten - Beharrungsbeschluß des Nö. Landtages geführt hat.
c) Hat nun aber § 94 Abs 4 Nö. JagdG den soeben festgestellten Inhalt, so ist es klar, daß die getroffene Regelung die jagdlichen Interessen gegenüber den in den §§33 und 34 ForstG aktuell ausgedrückten forstlichen Interessen nicht so abwägt, daß ein angemessener Ausgleich stattfindet. Vielmehr ist die Regelung - wie auch ein Blick auf die Rechtsordnung der anderen Bundesländer ergibt, deren Jagdgesetze das Betreten von Jagdgebieten (darunter der Wälder) keineswegs derart eingeschränkt haben wie das Nö. JagdG - offenkundig überschießend. Interessen der Jagd fallen nicht derart ins Gewicht, daß es gerechtfertigt wäre, das vom Bundes(Forst)gesetzgeber artikulierte Waldöffnungsgebot in derart weitem Umfang einzuschränken und solcherart die vom Bund (verfassungskonform) wahrgenommenen Interessen zu unterlaufen.
Die Nö. Landesregierung vermag nicht einsichtig zu erklären, weshalb es die Sicherheit jagdfremder Personen erfordern könnte, Jagdgebiete - ohne weitere Voraussetzungen - zu sperren, und dies dem Wortlaut des Gesetzes zufolge auch für längere Zeiträume, sohin entgegen der Meinung der Nö. Landesregierung auch für Tage, an denen nicht gejagt wird.
Mag für Zuchtgehege eine zeitlich und örtlich eingeschränkte Sperre, in Ausnahmefällen und unter Bedachtnahme auf die Anordnungen des ForstG 1975 vielleicht sogar eine unbeschränkte Sperre gerechtfertigt sein, so können weder die im Motivenbericht zu § 94 Abs 4 Nö. JagdG enthaltenen Überlegungen noch die Ausführungen in der von der Nö. Landesregierung in diesem Gesetzesprüfungsverfahren abgegebenen Äußerung den VfGH davon überzeugen, daß es erforderlich sein könnte, ein Jagdgebiet von mindestens 115 ha (also in unbegrenzter Größe) allein deshalb einzuzäunen und für die Allgemeinheit vollkommen zu sperren, um den Zuchterfolg zu gewährleisten.
Diese exzessive Bevorrangung von jagdwirtschaftlichen und wildbiologischen Interessen durch den Landesgesetzgeber gegenüber den vom Bundesgesetzgeber wahrgenommenen Interessen der im Wald Erholung suchenden Bevölkerung stellt eine Verletzung der verfassungsgesetzlichen Rücksichtnahmepflicht dar.
Die zu prüfenden Worte "Jagd- und" im § 94 Abs 4 Nö. JagdG waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.
d) Die übrigen damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche gründen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.