VfGH vom 24.06.1998, g79/98
Sammlungsnummer
15218
Leitsatz
Verfassungswidrigkeit der bloß zweitägigen Berufungsfrist im Fall der Zurückweisung eines Asylantrags wegen Drittstaatsicherheit mangels Erforderlichkeit einer derart vom AVG abweichenden Regelung iSd Art 11 Abs 2 B-VG und infolge Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze
Spruch
Die in § 32 Abs 1 erster Satz des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, enthaltene Wendung "§4 und" wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt I kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Das Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, (im folgenden auch bloß: AsylG), welches gemäß seinem § 42 (Abs1 und 2) mit in Kraft trat, bestimmt in § 4 unter der Rubrik "Unzulässige Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit" folgendes:
"§4. (1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der oder die Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages besteht, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).
(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs 1 oder 2 FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offensteht, sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs 1 oder 2 FrG bedroht sind.
(3) Die Voraussetzungen des Abs 2 sind in einem Staat regelmäßig dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren entsprechend den Grundsätzen dieser Konvention eingerichtet sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, ratifiziert und eine Erklärung nach Art 25 dieser Konvention abgegeben hat.
(4) Schutz in einem sicheren Drittstaat ist unbeachtlich, wenn
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1. | die Asylwerber EWR-Bürger sind oder | |||||||||
2. | den Eltern minderjähriger, unverheirateter Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde oder | |||||||||
3. den Ehegatten oder minderjährigen Kindern der Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde. |
(5) Können Fremde, deren Asylantrag nach Abs 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, nicht in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt der Bescheid, mit dem der Asylantrag zurückgewiesen wurde, mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Mitteilung nach § 57 Abs 7 FrG außer Kraft. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs 1 AVG von neuem zu laufen; ein anhängiges Berufungsverfahren ist als gegenstandslos einzustellen."
Der mit der Überschrift "Abgekürztes Berufungsverfahren" versehene § 32 AsylG regelt (u.a.) das Rechtsmittelverfahren für Bescheide, die in Handhabung des § 4 ergingen, und legt (auch diesbezüglich) folgendes fest:
"§32. (1) Gegen Bescheide, mit denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§4 und 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sind, kann nur binnen zwei Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden. Fällt diese Berufungsfrist in die Sicherung einer Zurückweisung, so ist diese jedenfalls während des ungenützten Ablaufes dieser Frist zulässig. Eine abgesonderte Berufung gegen eine Feststellung gemäß § 8 ist in solchen Fällen nur insoweit möglich, als das Bestehen einer Gefahr gemäß § 57 Abs 1 FrG behauptet wird. Eine abgesonderte Berufung gegen Bescheide, mit denen in diesen Fällen der Asylerstreckungsantrag Angehöriger als unbegründet abgewiesen wurde, ist nicht zulässig, doch gelten solche Bescheide durch eine Berufung gegen die Entscheidung über den Asylantrag als im selben Umfang angefochten.
(2) Der Berufung ist stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet oder es bestehe aus den Gründen der §§4 und 5 Unzuständigkeit, nicht zutrifft. In diesen Fällen hat die Berufungsbehörde die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Die zurückweisenden Asylerstreckungsbescheide sind gleichzeitig als überholt aufzuheben. Hat der angefochtene Bescheid auch eine Feststellung gemäß § 8 enthalten, hat die Berufungsbehörde ihrerseits eine solche Feststellung zu treffen.
(3) Über die Berufung ist binnen vier Arbeitstagen nach dem Tag des Einlangens bei der Berufungsbehörde zu entscheiden. Wird die Berufung während der Sicherung einer Zurückweisung eingebracht, so ist diese entsprechend länger zulässig."
2. Dem Unabhängigen Bundesasylsenat (im folgenden auch bloß: Bundesasylsenat) liegen vier (hier in Betracht zu ziehende) Berufungen von Asylwerbern vor, die sich gegen je einen nach § 4 Abs 1 AsylG zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes richten. In allen Fällen wurde die Berufung zwar innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, jedoch erst nach Verstreichen der zweitägigen Berufungsfrist des § 32 Abs 1 AsylG eingebracht. Der Bundesasylsenat vertritt in vier jeweils unter Bezugnahme auf Art 140 Abs 1 iVm Art 129c Abs 6 und Art 89 Abs 2 B-VG (zu seinen Geschäftszahlen 201.642/4-I/01/98, 202.208/3-VII/19/98, 202.536/2-II/04/98 und 203.148/1-X/30/98) gestellten Gesetzesprüfungsanträgen die Meinung, daß er anläßlich der Entscheidung über das an ihn ergriffene Rechtsmittel die in § 32 Abs 1 erster Satz AsylG enthaltene Wendung "§4 und" anzuwenden hätte, und begehrt deren Aufhebung als verfassungswidrig, hilfsweise (nämlich "um in Grenzen eine sprachlich richtigere Form des § 32 Abs 1 AsylG 1997 zu bewirken") weiters die Aufhebung der in derselben Gesetzesstelle enthaltenen Wortfolge "den Gründen der". In den im wesentlichen übereinstimmenden (hier unter G31/98, G79/98, G82/98 und G108/98 protokollierten) Anträgen hält der Bundesasylsenat die angefochtene Gesetzesstelle mit näherer Begründung deshalb für verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie in Ansehung der mit zwei Tagen festgelegten Berufungsfrist der durch rechtsstaatliche Grundsätze gebotenen faktischen Effizienz des Rechtsschutzes nicht Rechnung trage und überdies infolge der erheblichen Abweichung von der in § 63 Abs 5 AVG getroffenen Regelung Art 11 Abs 2 B-VG verletze.
3. Die Bundesregierung erstattete zum Antrag G31/98 eine (auch für die übrigen Prüfungsanträge maßgebliche) Äußerung, in der sie der Annahme des Bundesasylsenates über die Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesstelle nicht entgegentritt, das Sachbegehren aber für nicht gerechtfertigt hält und sohin den Antrag stellt, die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfahren über die vorliegenden Gesetzesprüfungsanträge zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden; (er gebraucht im folgenden aus Gründen der Vereinfachung in bezug auf die verbundenen Anträge sprachlich regelmäßig die Einzahl).
III. Der Primärantrag erweist
sich, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen vorliegen, als zulässig; auf das hilfsweise gestellte Begehren, auch eine weitere Wortfolge in Prüfung zu ziehen, ist nicht näher einzugehen, zumal der im Fall der Aufhebung der primär angefochtenen Wendung als verfassungswidrig verbleibende Satzteil trotz einer eintretenden Abweichung vom grammatikalisch richtigen Sprachgebrauch den ihm zukommenden Sinn beibehält ("aus den Gründen der § 5" statt richtig: "aus den Gründen des § 5").
IV. 1. Der Bundesasylsenat legt seine verfassungsrechtlichen Bedenken im führenden Fall (G31/98) im wesentlichen wie folgt dar:
"Wie der Berufungswerber hegt auch der unabhängige Bundesasylsenat Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Verkürzung der Berufungsfrist in § 32 Abs 1 AsylG 1997. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß durch eine Verkürzung der Rechtsmittelfrist von zwei Wochen auf zwei Tage eine deutliche Abweichung von der Regelung des § 63 Abs 5 AVG gelegen ist. Es ist wohl auch nicht zu bestreiten, daß in einer Verkürzung der Berufungsfrist die Effizienz der Berufung beeinträchtigt werden kann. Der VfGH hat grundsätzlich die Auffassung vertreten, daß Rechtsschutzeinrichtungen nicht nur die Erlangung einer rechtsrichtigen Entscheidung, sondern auch ein 'Mindestmaß an faktischer Effizienz' für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen (vgl dazu insb VfSlg 11196; 12683, 13003, 13182, 13305, 13834). Der VfGH hat ausdrücklich festgehalten, daß 'zu einem fairen Verfahren auch die Effektivität des Rechtsschutzes gehört. (...) Gehört es zu einem fairen Verfahren, daß der Rechtsschutz auch effektiv ist, so wird es zumindest bei Auftreten schwieriger Rechtsfragen zur ausreichenden Wahrung der Interessen einer Partei unumgänglich sein, sich eines rechtskundigen Beraters und Vertreters zu bedienen' (VfSlg 10291/1984). Rechtsschutz darf nicht bloß formal, sondern muß im Einzelfall effektiv gestaltet sein (in diesem Sinne VfSlg 10291/1984). Im Asylverfahren ist im Lichte dessen wohl zu berücksichtigen, daß innerhalb von zwei Tagen ein Rechtsbeistand nur schwer wirksam beigezogen werden kann, was wohl zu einer gewissen Diskriminierung gegenüber jenen Asylwerbern führen kann, die sich innerhalb der zweiwöchigen Berufungsfrist eines Rechtsbeistandes bedienen können; Asylwerber sind in aller Regel der deutschen Sprache oder einer der Amtssprachen der Vereinten Nationen nicht kundig. Asylwerber könnten sich zwar eines Flüchtlingsberaters bedienen, solche stehen jedoch nur selten zur Verfügung. Dem Asylwerber gelangt nur der Spruch, die Rechtsmittelbelehrung und die angewendete Gesetzesstelle in einer ihm verständlichen Sprache schriftlich zur Kenntnis; ist der Asylwerber - was nicht selten der Fall ist - des Lesens und Schreibens nicht kundig, ist er auch von diesen Informationen abgeschnitten und kann eine Berufung nicht eigenständig formulieren. Die faktische Effizienz eines Rechtsmittels hängt eng damit zusammen, wie komplex das entsprechende Verwaltungsverfahren ausgestaltet ist und welche (materiellen) Anforderungen an das Rechtsmittel gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, daß eine Berufung gegen einen Bescheid des Bundesasylamtes insbesondere nach § 4 Asylgesetz 1997 innerhalb der verkürzten Frist von zwei Tagen vollständig (mit einer Berufungsbegründung) eingebracht werden muß und auf Grund der kurzen Entscheidungsfrist von vier Arbeitstagen nach dem Tag des Einlangens (§32 Abs 3 Asylgesetz 1997) nur unter erschwerten Umständen eine einmal formulierte Berufungsbegründung näher ausgeführt werden kann. Soweit die Berufungsbehörde zu prüfen hat, ob ein sonstiger Drittstaat als 'sicher' anzusehen ist, wird eine seriöse Prüfung oft von schwierigen Ermittlungen abhängig sein (vgl Ulrike Davy, Die Asylrechtsreform 1997 II, ecolex 1997, 824). Verfahren nach § 4 Asylgesetz 1997 sind nicht immer leicht; sie erfassen inhaltlich zu einem Teil auch Elemente der non-refoulement-Prüfung im Sinne des § 8 Asylgesetz 1997.
Abgesehen von den Fragen um die faktische Effizienz des Rechtsmittels der Berufung gegen einen Bescheid des Bundesasylamtes nach § 4 Asylgesetz 1997, hegt der unabhängige Bundesasylsenat - wie sich auch der Berufung des Asylwerbers entnehmen läßt - verfassungsrechtliche Bedenken dahingehend, daß die Verkürzung der Berufungsfrist nach § 32 Abs 1 Asylgesetz 1997 gegen Art 11 Abs 2 B-VG verstoßen könnte.
Nach Art 11 Abs 2 B-VG kann der Bund das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht (insb auch im Abgabenwesen), durch BG regeln, soweit ein 'Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird'. Bund und Länder können von einem solchen Bedarfsgesetz abweichende Regelungen nur erlassen, wenn diese zur Regelung des Gegenstandes 'erforderlich' sind. Die Bestimmung des § 63 Abs 5 AVG, mit der die Berufungsfrist mit zwei Wochen festgesetzt ist, wurde im Rahmen der Bedarfskompetenz erlassen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des unabhängigen Bundesasylsenates gehen nun dahin, daß die Verkürzung der Berufungsfrist gem § 32 Abs 1 Asylgesetz 1997 nicht zur Regelung des Gegenstandes erforderlich ist. Der Verfassungsgerichtshof hat das Wort 'erforderlich' restriktiv verstanden (zB VfSlg 8945; ). Eine Abweichung von einem auf Art 11 Abs 2 B-VG gestützten Bedarfsgesetz ist nur zulässig, wenn dies 'durch besondere Umstände' erforderlich (VfSlg 11564; ; , B990/93; , B1219/93) oder 'unerläßlich' (VfSlg 11564; ) ist."
Der Bundesasylsenat verweist im folgenden zunächst auf die vom Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß zur Prüfung des § 20 AsylG 1991 gehegten Bedenken hinsichtlich Art 11 Abs 2 B-VG (VfSlg. 13834/1994) und schildert sodann die Begründung des Gerichtshofs im Erkenntnis VfSlg. 13831/1994, wonach die dort zu beurteilende Abweichung vom AVG im Zusammenhang mit der Begünstigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Asylwerbers (nach dem AsylG 1991) als unerläßlich angesehen wurde. Zum Aufenthaltsstatus von Asylwerbern nach dem AsylG 1997 führt der Bundesasylsenat in seinem zu G79/98 protokollierten Antrag insbesondere folgendes aus:
"Gemäß § 19 Abs 2 AsylG erlangen Asylwerber, die unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereist sind, nur durch (ausdrückliche) behördliche Zuerkennung eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung. Gemäß Satz 2 dieser Gesetzesbestimmung hat die Behörde (nur) solchen Asylwerbern, 'deren Antrag zulässig, aber nicht offensichtlich unbegründet ist', die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch die Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen. Daraus ergibt sich ganz eindeutig, daß Asylwerbern, deren Asylantrag als unzulässig gemäß § 4 (und § 5) AsylG zurückzuweisen ist (bzw. war), keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt werden darf.
Vollständigkeitshalber ist zu erwähnen, daß demzufolge für davon betroffene Asylwerber auch eine Anwendung des § 19 Abs 4 AsylG, wonach die vorläufige Aufenthaltsberechtigung mit rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens endet, ausgeschlossen ist.
...
All diese Gründe deuten darauf hin, daß die Verkürzung der Berufungsfrist auf 2 Tage zur 'Effektuierung des Drittstaatschutzes' keineswegs iSd Art 11 Abs 2 B-VG erforderlich ist und daß dadurch in das Rechtsstaatlichkeitsprinzip des Art 18 B-VG eingegriffen wird. Bei angemessener Verkürzung der Entscheidungsfristen der Asylbehörden I. und II. Instanz könnte die Berufungsfrist nach § 63 Abs 5 AVG ohne irgendwelche Schwierigkeiten eingehalten und ein - in einem dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip entsprechenden Verfahren festgestellten - Drittstaatsschutz effektiv umgesetzt werden."
2. Die Bundesregierung hält den im Antrag zu G31/98 vorgebrachten Bedenken, soweit diese einen Verstoß gegen Art 11 Abs 2 B-VG betreffen, u.a. folgendes entgegen:
"3. Situation des Asylwerbers in Verfahren nach dem Asylgesetz 1997
Bei den abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG 1997 handelt es sich nur um einen Teil eines Regelungskomplexes, der dem Asylgesetz 1991 fremd war, weshalb im folgenden die Regelungen des Asylverfahrens im Gesamtzusammenhang dargestellt werden sollen.
Anders als das bislang geltende Recht geht das AsylG 1997 davon aus, daß Asylwerbern während des Asylverfahrens in Österreich ein größtmögliches Maß an Aufenthaltssicherheit zukommen soll. Dementsprechend sieht § 19 AsylG 1997 ein vorläufiges Aufenthaltsrecht rechtmäßig eingereister Asylwerber im Bundesgebiet bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Antrag vor und gewährt § 21 Abs 2 AsylG 1997 illegal eingereisten Asylwerbern, deren Antrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, Abschiebungsschutz bis zur rechtskräftigen Entscheidung. Im Gegensatz dazu hatten Asylwerber nach dem Asylgesetz 1991 überhaupt nur dann ein vorläufiges Aufenthaltsrecht, wenn sie den Antrag fristgerecht stellten und direkt aus dem Verfolgerstaat eingereist sind. Das vorläufige Aufenthaltsrecht war überdies in jenen Fällen, in denen der Berufung gegen den abweisenden/zurückweisenden Bescheid erster Instanz die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, auf das Verfahren erster Instanz beschränkt. Ein Fremder kann somit nach dem neuen Recht durch Stellung eines Asylantrages bis auf weiteres jegliche Aufenthaltsbeendigung und Außerlandesschaffung von sich aus verhindern.
Das Anliegen des Bundesgesetzgebers war nun, unter Aufrechterhaltung sämtlicher Garantien der Schutzgewährung an Schutzbedürftige, diesen Zustand der 'vorläufigen Aufenthaltserzwingung' - im Einklang mit dem europäischen Kontext - möglichst kurz zu halten. Wenn daher die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des AsylG 1997 von der Ermöglichung 'rascher fremdenpolizeilicher Reaktionen' sprechen (686 BlgNR 20. GP, 28), so ist es dem Bundesgesetzgeber dabei erkennbar nicht bloß darum gegangen, durch die Beschleunigung des Asylverfahrens fremdenrechtliche Zwangsmaßnahmen überhaupt möglich zu machen (solche Zwangsmaßnahmen sind - dies ist der antragstellenden Behörde ohne weiters zuzugestehen - auch noch möglich, wenn das förmliche, allerdings deutlich bürokratischere Verfahren nach dem Rücknahmeübereinkommen anzuwenden ist), sondern um eine Regelung, die der besonderen Zeitdimension im Asylverfahren Rechnung trägt. Hinzu kommt noch eine gewisse Signalwirkung in bezug auf die Verminderung des Mißbrauches von Asylanträgen. Die Gratwanderung zwischen dem vom Gesetzgeber rechtspolitisch angestrebten Zieles der Verminderung des Mißbrauchs des Asylrechts (und sei es auch nur für die Dauer eines Asylverfahrens) und der Aufrechterhaltung der asylrechtlichen Schutzstandards Österreichs war nur durch eine Summe von Regelungen möglich, die als Gesamtheit gesehen werden muß und bei der nicht einzelne Maßnahmen, bloß deshalb, weil sie in den von Art 11 Abs 2 B-VG erfaßten Bereich der Bedarfsgesetzgebung fallen, isoliert auf ihre Erforderlichkeit im Sinne einer Unerläßlichkeit geprüft werden dürfen. Die Verfahrensbeschleunigung des § 32 AsylG 1997 bedarf somit einer Einbeziehung der in den §§19 und 21 AsylG 1997 vorgenommenen - ausschließlich asylrechtlichen und daher in bezug auf Art 11 Abs 2 B-VG nicht einschlägigen - Regelungen.
Der eine Aspekt ist ohne den anderen nicht denkbar, sodaß sich die Verfahrensbeschleunigung als unerläßliches Korrelat zum System asylrechtlicher Vergünstigungen erweist, die das neue Recht schafft: Angesichts des deutlichen Zugewinns an Aufenthaltssicherheit schien es dem Gesetzgeber erforderlich, in jenen Fällen, in denen einerseits nahezu keine Wahrscheinlichkeit für Asylgewährung bestand, in denen aber andererseits alle Konsequenzen eines längeren Aufenthaltes im Bundesgebiet vermieden werden sollten, die Rechtsmittelfrist deutlich zu verkürzen. Er hat hiebei die Zwei-Tagesfrist gewählt, um in Verbindung mit der viertägigen Entscheidungsfrist des § 32 Abs 3 AsylG 1997 (Arbeitstage) eine Klärung der Sachlage binnen Wochenfrist sicherstellen zu können. Damit ist zusätzlich gewährleistet, daß sowohl in den Fällen offensichtlich unbegründeter als auch unzulässiger Asylanträge Schubhaft während einer vierzehntägigen Rechtsmittelfrist und einer nicht eingegrenzten Entscheidungsfrist der Berufungsbehörde unter den Voraussetzungen des § 21 Abs 1 AsylG 1997 vermieden werden und mit einer Sicherung der Zurückweisung (§§19 und 32 Abs 1 und 3 AsylG 1997) das Auslangen gefunden werden kann.
Insgesamt wurde somit - ähnlich wie bei anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union - eine Rechtslage geschaffen, die - hält man am Grundsatz des Zugewinns an Aufenthaltssicherheit für die Asylwerber fest - gemeinsam mit der Verkürzung der Berufungsfrist in den Fällen einer Entscheidung nach den §§4, 5 oder 6 AsylG 1997 ein in sich geschlossenes und harmonisiertes Rechtssystem darstellt, weshalb sie zur Regelung des Gegenstandes unerläßlich ist."
Zu der vom Bundesasylsenat im Antrag zu G31/98 behaupteten Verletzung des Grundsatzes der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes führt die Bundesregierung im wesentlichen folgendes aus:
"Der unabhängige Bundesasylsenat hegt angesichts der Kürze der Frist des § 32 Abs 1 AsylG 1997 Bedenken im Hinblick auf deren Rechtsstaatlichkeit und kommt zum Ergebnis, daß die getroffene Regelung 'mit einem effizienten Rechtsschutz nur am Rande etwas zu tun' habe. Diese Bedenken werden auf Grund folgender Überlegungen von der Bundesregierung nicht geteilt:
1. Rechtsschutzsituation im Asylverfahren:
Der unabhängige Bundesasylsenat stellt die verfahrensrechtliche Situation eines Asylwerbers dar, der sich - unter Umständen in Sprach- und Rechtsunkundigkeit befindend - unvorbereitet mit einem Bescheid gemäß § 4 AsylG 1997 konfrontiert sieht und darauf nicht in geeigneter Weise reagieren kann. Dieses Bild ergibt sich allerdings vor allem aus einer verkürzten Darstellung der verfahrensrechtlichen Situation eines Asylwerbers allein auf den Zeitpunkt der Bescheidzustellung.
Nach Auffassung der Bundesregierung, müssen jedoch in die Beurteilung der faktischen Effizienz als Rechtsschutz auch die im Asylverfahren vorgesehenen flankierenden Manuduktions- und Rechtsberatungsinstrumentarien miteinbezogen werden: Im folgenden werden daher die im AsylG 1997 bestehenden verfahrensrechtlichen Sicherungen, die zu der verkürzten Berufungsfrist hinzutreten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne daß der Frage nachgegangen wird, ob diese Sicherung im Anlaßfall von Bedeutung war und/oder zum Einsatz kam, dargestellt:
a) Gemäß § 24 Abs 2 AsylG 1997 besteht die Möglichkeit, sämtliche schriftlichen Anträge (sohin vor allem den Asyl- aber auch den Berufungsantrag) in einer der Amtssprachen der Vereinten Nationen einzubringen;
b) den Asylwerbern ist frühestmöglich in einer ihnen verständlichen Sprache ein Merkblatt zu übergeben (§26 Abs 2 AsylG 1997). Darin werden Asylwerber bereits am Beginn ihres Verfahrens über die Voraussetzungen der Asylgewährung, die Unzulässigkeit eines Asylantrages, über den Ablauf eines Asylverfahrens (etwa Vernehmung, Dolmetsch, Niederschrift und dergleichen mehr), und insbesondere unbegleitete Minderjährige über diesbezügliche verfahrensrechtliche Besonderheiten informiert. Unter dem Titel 'Beratung' wird jeder Asylwerber in diesem Merkblatt über die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem UNHCR - unter Angabe von Postanschrift und Telefonnummer - informiert, sowie über die bei jeder Außenstelle des Bundesasylamtes bestehende Möglichkeit, die Beratung eines Flüchtlingsberaters kostenlos in Anspruch nehmen zu können. In der Praxis wird im Einvernahmeprotokoll die Aushändigung des Merkblattes nachvollziehbar festgehalten sowie nachweislich über die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einem Flüchtlingsberater gemäß § 40 AsylG 1997 informiert.
c) Im Rahmen der Vernehmung ist gemäß § 27 Abs 1 AsylG 1997 tunlichst auf die Unmittelbarkeit in der Weise Bedacht zu nehmen, daß der Asylwerber von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes zu vernehmen ist. Unbegleitete minderjährige Asylwerber sind im Beisein des gesetzlichen Vertreters einzuvernehmen. Schon bei Abschluß der Vernehmung wird Parteiengehör gewährt, in Verfahren gemäß § 4 AsylG 1997 auch zu den Kriterien der konkret vorliegenden Drittlandsicherheit. Das Bundesasylamt ist daher gerade im Hinblick auf § 32 Abs 1 AsylG 1997 gehalten, seiner Verpflichtung nach § 37 AVG nachhaltig Rechnung zu tragen und die Asylwerber im Rahmen der Vernehmung mit der beabsichtigten Erledigung zu konfrontieren und deren Einwände im Verfahren erster Instanz zu Protokoll zu nehmen.
...
Aus all diesen begleitenden Maßnahmen ergibt sich, daß eine Reihe von Verfahrenssicherungen bestehen, die den Betroffenen, in die Lage versetzen, auch innerhalb der verkürzten Berufungsfrist für die Organisation seines Rechtsschutzes Sorge zu tragen.
...
Andererseits ist darauf hinzuweisen, daß, entgegen den Ausführungen des unabhängigen Bundesasylsenates ('von schwierigen Ermittlungen abhängig sein'), gerade ein Berufungsverfahren gegen einen auf § 4 Asylgesetz 1997 gestützten Bescheid eine relativ schmale juristische Beurteilungsbasis aufweist. Dies ergibt sich daraus, daß gemäß § 32 Abs 2 AsylG im Stattgebungsfalle der Bescheide erster Instanz immer aufzuheben ist, da die Berufungsbehörde nie in der Sache selbst zu entscheiden hat, braucht sie keinerlei 'schwierige Ermittlungen' durchzuführen."
3. Zum ersten hier wiedergegebenen Teil der von der Bundesregierung erstatteten Äußerung legt der Bundesasylsenat in einer Replik dar, daß dem Asylwerber in einem Verfahren nach § 4 AsylG 1997 regelmäßig keine Aufenthaltsberechtigung zukomme, weshalb es "nicht zielführend sein (kann), die abgekürzte Berufungsfrist nach § 32 Abs 1 erster Satz AsylG 1997 gegen 'den deutlichen Zugewinn an Aufenthaltssicherheit' in die Waagschale zu werfen". Zur Argumentation der Bundesregierung betreffend die Verletzung des Grundsatzes der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes repliziert der Bundesasylsenat insbesondere:
"Nach Auffassung der Bundesregierung müssen 'bei der Beurteilung der faktischen Effizienz als Rechtsschutz auch die im Asylverfahren vorgesehenen Manuduktions- und Rechtsberatungsinstrumentarien miteinbezogen werden', welche unter anderem in den § 24 Abs 2,§ 26 Abs 2,§ 40 und § 39 Asylgesetz 1997 geregelt sind. Ein durchschnittlicher Asylwerber muß erhebliche Anstrengungen bzw. Aufwendungen auf sich nehmen, um Kenntnis vom eigentlichen Gegenstand der Verwaltungssache zu bekommen, d.h. die wesentlichen Inhalte der Bescheidbegründung übersetzt zu bekommen, wodurch er erst in die Lage versetzt wird, einen begründeten und effektiven Berufungsantrag zu stellen - mögen deren Anforderungen auch nicht all zu hoch sein (vgl. Erkenntnis des Zahl: 93/01/0782; Erkenntnis des Zahl: 93/01/0050; vgl. dazu aber die Ausführungen zum Antrag vom , Zahl 202.536/2-II/04/98, Seite 6). Es besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied darin, ob ein Asylwerber einen Berufungsantrag gerade noch so zu begründen vermag, daß die Berufung an keinen inhaltlichen Fehlern leidet, oder ob er in der Lage ist, eine Berufung derart zu begründen, daß sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung auch geeignet ist; gerade dem zweiten Punkt kommt im Lichte des rechtsstaatlichen Prinzips besondere Bedeutung zu.
a) Zwar besteht gemäß § 24 Abs 2 AsylG 1997 die Möglichkeit, sämtliche schriftlichen Anträge (sohin auch Asyl- und Berufungsanträge) in einer der Amtssprachen der Vereinten Nationen zu stellen, was zwar die Position des Asylwerbers - sollte er einer dieser Sprachen kundig sein - etwas erleichtert, aber den Asylwerber nicht in die Lage versetzt, seine berechtigten Rechtsschutzinteressen innert zwei Tagen effektiv wahrzunehmen. Die Möglichkeit der Einbringung eines Antrags in einer der Partei verständlichen Sprache ist kein geeigneter Ersatz für die Möglichkeit einer Partei, sich etwa entsprechend zu informieren, entsprechende Gutachten bei Sachverständigen einzuholen bzw. etwa auch ihre Anträge so zu formulieren und zu begründen, um ihren Rechtsstandpunkt in geeigneter Weise darzulegen. Die Kenntnis einer der Amtssprachen der Vereinten Nationen kann die zur zweckentsprechenden Verfolgung subjektiver Rechte unabdingbare Sachkenntnis nicht ersetzen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Drittstaatsicherheit, da zu einer fundierten Prognose der Drittstaatsicherheit umfassende und detaillierte Kenntnisse des ausländischen Rechts und der ausländischen Praxis erfordert (vgl. dazu Davy U., Asylrechtsreform II, ecolex 1997, 824).
b) Den Asylwerbern ist zwar gem. § 26 Abs 2 zweiter Satz AsylG 1997 frühestmöglich ein in einer ihnen verständlichen Sprache gehaltenes Merkblatt zu übergeben, doch verbessert dieser Umstand die Rechtsschutzsituation eines Asylwerbers nicht entscheidend (vgl. dazu schon Rosenmayr, Asylrecht, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg.), 590; vgl. dazu auch den Antrag , Zahl 202.208/3-VII/19/98, Seite 7). Ein 'Merkblatt' mag zwar einen gewissen Beitrag zur Information des Asylwerbers leisten, man kann jedoch nicht davon ausgehen, daß ein Asylwerber durch ein 'Merkblatt' über seine Rechtsposition in einer für ihn fremden Rechtskultur derart informiert ist, daß er nunmehr ohne jede weitere Unterstützung, die er innerhalb von zwei Tagen wohl schwerlich erlangen kann, seine Rechtsposition effektiv vertreten kann. Ein Merkblatt kann schon dem Wesen nach nicht jenen Zeitraum ersetzen, den ein Asylwerber zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigerweise benötigt.
c) Es ist vernünftigerweise nicht bestreitbar, daß das Bundesasylamt - wie andere Verwaltungsbehörden auch - grundsätzlich umfassende Ermittlungspflichten treffen, und daß das Bundesasylamt - allerdings unter der 'weichen' Rechtsbedingung der 'Möglichkeit ohne unverhältnismäßigen Aufwand' - das Unmittelbarkeitsprinzip zu beachten hat (vgl. § 27 Abs 1 AsylG 1997). Auf Grund der allgemeinen Formulierung ist das Unmittelbarkeitsprinzip vor dem Bundesasylamt seitens eines Asylwerbers nur schwer durchsetzbar. Es steht auch außer Streit, daß ein minderjähriger Asylwerber nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters vernommen werden darf (vgl. § 27 Abs 3 AsylG 1997). Gleichwohl derartige Vorschriften im Asylrecht durchaus sinnvoll sind, muß festgehalten werden, daß jene Rechtsvorschriften, die ein umfassendes und sachgerechtes Ermittlungsverfahren vorsehen, nicht das Fehlerkalkül schlechthin zu beseitigen vermögen. Träfe dies zu, wären Rechtsschutzeinrichtungen generell nicht notwendig. Auch vor dem Hintergrund des AsylG 1997 sind Fehler nicht allgemein auszuschließen und daher effektive Rechtsschutzeinrichtungen notwendig, dies umso mehr, als es in Verfahren nach dem AsylG 1997 regelmäßig um gravierende Menschenrechtsverletzungen geht.
...
Entgegen der Ansicht des unabhängigen Bundesasylsenates geht die Bundesregierung davon aus, daß 'gerade ein Berufungsverfahren gegen einen auf § 4 Asylgesetz 1997 gestützten Bescheid eine relativ schmale juristische Beurteilungsbasis aufweist'. Nun sagt diese bildhafte Umschreibung nichts über den Schwierigkeitsgrad der Sachverhaltsfeststellung aus. Es ist selbst für die spezialisierten Asylbehörden nicht einfach, den normativen Gehalt ausländischer Rechtsvorschriften abzuschätzen sowie die einschlägige Praxis verschiedener ausländischer Behörden, die oft auch innerhalb ein und derselben Organisationsstruktur unterschiedlich ist, entsprechend zu berücksichtigen sowie laufende Änderungen des ausländischen Rechts und der ausländischen Praxis wahrzunehmen (vgl. dazu Davy U. aaO 823 (FN 84) und 824)."
V. Der Antrag erweist sich sowohl unter dem Aspekt rechtsstaatlicher Grundsätze als auch unter dem Blickpunkt des Art 11 Abs 2 B-VG als gerechtfertigt.
1. Wie der Gerichtshof in seinen Erkenntnissen
VfSlg. 13831/1994, 13834/1994 und 13838/1994 zum AsylG 1991 in bezug auf Art 11 Abs 2 B-VG bereits ausgesprochen hat, weist das Verfahren zur Gewährung von Asyl Besonderheiten auf, die Abweichungen von den Bestimmungen des AVG erforderlich machen. Solche Abweichungen sind allerdings nur dann "erforderlich", wenn sie zur Regelung des Gegenstandes unerläßlich sind; sie können etwa in Verbindung mit der Begünstigung des Asylwerbers zum vorläufigen Aufenthalt stehen (vgl. die eben zitierten Erkenntnisse) oder sich (auch) aus anderen Umständen ergeben, wie beispielsweise dem Erfordernis der alsbaldigen Klärung der Frage, ob der Asylwerber Schutz in einem sicheren Drittstaat findet. In derartigen Zusammenhängen kann die Abweichung vom AVG auch in einer Verkürzung der mit zwei Wochen festgelegten Berufungsfrist bestehen, doch muß dabei jedenfalls auf den vom Gerichtshof in ständiger Judikatur mit Nachdruck betonten Grundsatz Bedacht genommen werden, daß Rechtsschutzeinrichtungen ein Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen. Eine Verkürzung der Berufungsfrist ist, soweit sie diesem Prinzip widerstreitet, auch unter dem Aspekt des Art 11 Abs 2 B-VG nicht tolerierbar.
2.a) Der Verfassungsgerichtshof hält also an seiner vom Bundesasylsenat dem Antrag zugrundegelegten, von der Bundesregierung nicht in Zweifel gezogenen Rechtsprechung fest, daß Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen (VfSlg. 11196/1986, 12409/1990, 12683/1991, 13003/1992, 13182/1992, 13305/1992, 13493/1993, 14374/1995, 14548/1996, ). So hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der sachgerechten Einbringung eines Rechtsmittels bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 12409/1990 ausgesprochen, daß die - nur einem eingeschränkten Personenkreis vorbehaltene - Möglichkeit der Kenntnisnahme von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes dem Erfordernis der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes nicht genügt, da ohne Bedachtnahme auch auf diese Entscheidungen bestimmte Rechtsmittel nicht sachgerecht ausgeführt werden können. In diesem Sinn sind die Voraussetzungen bei einer für den Rechtsschutz maßgeblichen Regelung wie der über die Dauer einer Rechtsmittelfrist nur dann gegeben, wenn sie dem negativ beschiedenen potentiellen Rechtsschutzsuchenden gewährleistet, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die sowohl dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht adäquat ist als auch dem zu dieser Entscheidung führenden, allenfalls mit Mängeln belasteten Verfahren.
Unter den das Asylverfahren kennzeichnenden praktischen Gegebenheiten, die vom Bundesasylsenat in seinem Antrag zutreffend dargelegt wurden, genügt eine dem Asylwerber offenstehende zweitägige Frist diesen Anforderungen keineswegs (vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von kurzen Fristen nach der jeweiligen Lage der Sache auch VfSlg. 9234/1981 (einwöchige Frist zur Anfechtung des Ergebnisses eines Volksbegehrens verfassungswidrig) sowie WI-8/96 (dreitägige Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen das Ergebnis einer Gemeinderatswahl nur wegen besonderer tatsächlicher Umstände noch verfassungskonform)). Es ist davon auszugehen, daß der Asylwerber im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig ist und daher schon zum rein sprachlichen Verständnis des ihm zugestellten Bescheides fremder Hilfe bedarf, zumal - wie auch in den Schriftsätzen dargetan ist - im hier in Betracht kommenden Fall einer negativen Erledigung auf dem Boden des § 4 AsylG dem Asylwerber zwar der Spruch, die Rechtsmittelbelehrung, der Hinweis nach § 61a AVG sowie eine Übersetzung des § 4 AsylG als der maßgeblichen Gesetzesbestimmung, nicht jedoch die Begründung in einer ihm verständlichen Sprache zukommen muß (§29 AsylG). Hinzu tritt der Umstand, daß das rein sprachliche Verständnis des Bescheides (insbesondere der Begründung) - soweit ein solches unter Bedachtnahme auf die Fähigkeit des Bescheidadressaten zur vollständigen Erfassung einer u.U. knapp gehaltenen und notwendigerweise mit gewissen Fachausdrücken versehenen behördlichen Enuntiation überhaupt erzielt werden kann - zur sachgerechten Aktualisierung eines notwendigen Rechtsschutzes nicht ausreicht. Dem Rechtsschutzsuchenden muß vielmehr grundsätzlich auch das rechtliche Verständnis des Bescheides - einschließlich der rechtlichen Wertung des zur Bescheiderlassung führenden Verfahrens - möglich gemacht werden; demnach muß ihm die Möglichkeit geboten werden, sich der Hilfe einer fachkundigen (wenngleich nicht notwendigerweise rechtskundigen) Person als Beistand zu bedienen, was wohl häufig die Beiziehung einer weiteren, der Sprache des Asylwerbers mächtigen Person erfordert. Schließlich ist das Erfordernis gegeben, anzunehmende Mängel des Bescheides in materieller und formeller Hinsicht in die Form eines den Standpunkt des Asylwerbers deutlich zum Ausdruck bringenden Schriftsatzes zu kleiden und die damit verbundenen manipulativen Umstände zu bewältigen.
b) Die Einwände der Bundesregierung gegen die eben dargelegte, vom antragstellenden Bundesasylsenat der Sache nach zutreffend verfochtene Auffassung greifen nicht durch. Soweit sie nicht bereits mit den vorstehenden Ausführungen beantwortet sind, ist zu ihnen folgendes festzuhalten:
Die ins Treffen geführte, aus § 24 AsylG abgeleitete Befugnis, (auch) die Berufung in einer der Amtssprachen der Vereinten Nationen einzubringen, versagt, wenn - wie häufig - der Asylwerber keine dieser Sprachen beherrscht; es sei etwa auf die Situation solcher Asylwerber kurdischer Nationalität (türkischer Staatsangehörigkeit) oder albanischer Nationalität (jugoslawischer Staatsangehörigkeit) hingewiesen, die über keine höhere Schulbildung verfügen.
Das nach § 26 Abs 2 AsylG dem Asylwerber zu übergebende, in einer ihm verständlichen Sprache abgefaßte Merkblatt, auf das sich die Bundesregierung beruft, kann nur eine allgemeine Information über die Voraussetzungen der Asylgewährung bieten und vermag daher nicht die konkrete persönliche Hilfe zu ersetzen, deren der Asylwerber als Bescheidadressat in seiner speziellen Lage regelmäßig bedarf.
Eine Gewährung von Parteiengehör durch das Bundesasylamt "auch zu den Kriterien der konkret vorliegenden Drittlandsicherheit" wird - entgegen der Meinung der Bundesregierung - in jenen Fällen nicht ausreichen, in denen die Drittstaatsicherheit (zB in Ansehung ihrer Effektuierung) - der Auffassung des Bundesasylamtes zuwider - in Frage gestellt werden kann.
Wenn die Bundesregierung schließlich die zweitägige Berufungsfrist damit zu rechtfertigen sucht, daß sie jedenfalls der Sache nach die inhaltlichen Entscheidungsvoraussetzungen des Bundesasylsenates in den Fällen des § 4 AsylG als nicht hoch veranschlagt, so schätzt sie anscheinend den Schwierigkeitsgrad, mit der Feststellungen bezüglich der Rechtsordnung eines ausländischen Staates und der Handhabung von Rechtsvorschriften durch dessen Behörden verbunden sein können, im Zusammenhang damit als zu gering ein, daß der Asylwerber gerade in einem solchen Fall der Hilfe einer bereits sachkundigen Person bedarf.
3. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die vom Unabhängigen Bundesasylsenat gegen die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung sowohl unter dem Aspekt rechtsstaatlicher Grundsätze als auch unter dem Blickpunkt des Art 11 Abs 2 B-VG geäußerten Bedenken berechtigt sind und zur Aufhebung der geprüften Regelung wegen Verfassungswidrigkeit führen.
4. Beizufügen bleibt allerdings, daß nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes im hier zu betrachtenden Rechtsbereich eine Verkürzung der im AVG festgelegten zweiwöchigen Berufungsfrist in Handhabung des Art 11 Abs 2 B-VG nicht vorbehaltlos auszuschließen ist. Aus der erwähnten Judikatur des Gerichtshofs zu dieser Verfassungsvorschrift ergibt sich bei Bedachtnahme auf die vorhin näher dargelegten Umstände, daß dem - im allgemeinen in einer schwierigen Lage befindlichen - Asylwerber auch eine kürzere Berufungsfrist eingeräumt werden kann, sofern sie es ihm (auch unter Berücksichtigung besonderer Kalenderkonstellationen wie zB dem Aufeinanderfolgen von Feiertagen) ermöglicht, fachliche Hilfe beizuziehen und eine ausreichend begründete Berufung einzubringen. Eine Frist von einer Woche dürfte hiefür als Mindestmaß anzusehen sein, das (auch) zur Erreichung faktisch effizienten Rechtsschutzes eingehalten werden muß.
VI. Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art 140 Abs 6 erster Satz und Abs 5 erster Satz B-VG. Von der Festsetzung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle war abzusehen, weil bei sachgerechter Abwägung die durch die aufgehobene Vorschrift herbeigeführte Rechtsschutzsituation auch nicht bloß vorübergehend in Kauf zu nehmen ist. Hiebei war auch zu berücksichtigen, daß die Vollziehbarkeit in Ansehung von Berufungen im Hinblick auf § 63 Abs 5 AVG weiterhin gegeben ist.
VII. Diese Entscheidung wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen.