TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 01.07.1987, g78/87

VfGH vom 01.07.1987, g78/87

Sammlungsnummer

11403

Leitsatz

§37 Abs 1 WeinG 1985 ist die entscheidende Zurechnungsregel dafür, daß die Bundeskellereiinspektoren ausschließlich für den BMLF (als ihm direkt unterstellte, relativ selbständige Hilfsorgane) handeln - keine "Übertretung" von hoheitlichen Aufgaben an die Bundeskellereiinspektoren; systematische und den Werdegang des Gesetzes sowie den Willen des Gesetzgebers bedenkende Gesetzesauslegung - keine Behördenqualität der Bundeskellereiinspektoren; jedoch verfassungswidrige Beeinträchtigung des Systems der mittelbaren Bundesverwaltung (Art102 B-VG) durch die Ausschaltung des Landeshauptmannes; dem bundesstaatlichen Baugesetz konforme Auslegung der Verfassungs geboten; mittelbare Bundesverwaltung - tragendes Element des bundesstaatlichen Prinzips; Aufhebung des § 37 Abs 1 als verfassungswidrig; Einstellung des Verfahrens hinsichtlich § 40 Abs 1

Spruch

1. § 37 Abs 1 des Weingesetzes 1985, BGBl. Nr. 444/1985, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

2. Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH ist ein Verfahren über eine Beschwerde anhängig, mit der sich der Bf. gegen eine am in seinem Weinbau- und Weinhandelsbetrieb in M durch einen Bundeskellereiinspektor ohne vorangegangenes Verwaltungsverfahren vorgenommene, offenbar auf § 40 WeinG 1985 gegründete Beschlagnahme von vier Weinproben wendet.

Der Bf. behauptet, durch diesen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangenen Verwaltungsakt wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des § 37 Abs 1 und des § 40 WeinG 1985) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein. Er beantragt, diese Rechtsverletzung kostenpflichtig festzustellen.

2.a) Aus Anlaß dieses Verfahrens hat der VfGH beschlossen, von Amts wegen § 37 Abs 1 und § 40 Abs 1 WeinG 1985, BGBl. 444/1985, (in der für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Stammfassung vor Inkrafttreten der WeinG-Nov. 1986, BGBl. 372/1986) zu prüfen.

b) Der VfGH ist in seinem Einleitungsbeschluß von dem im Beschwerdeverfahren unbestritten gebliebenen und durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes bestätigten Sachverhalt ausgegangen. Er nahm an, daß der bekämpfte Akt als ein in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangener Verwaltungsakt zu qualifizieren ist und daß die Beschwerde gegen diesen Akt zulässig ist. Weiters nahm er an, daß er bei der Überprüfung dieses Verwaltungsaktes die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des WeinG 1985 anzuwenden hat.

c) Diese Bestimmungen finden sich in Teil 5 des WeinG, der die Weinaufsicht regelt, und stehen in folgendem Zusammenhang:

Der unter der Rubrik "Bundeskellereiinspektoren" stehende § 37 WeinG bestimmt in seinem Abs 1:

"Die Überwachung des Verkehrs mit Wein und Obstwein, für die Dauer ihrer kellereimäßigen Bearbeitung auch aller sonstigen aus dem Saft frischer Weintrauben gewonnenen Produkte (im folgenden Getränke genannt), sowie der Weinbehandlungsmittel obliegt dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. Er hat sich hiefür besonders geschulter Organe (Bundeskellereiinspektoren) zu bedienen. Sie genießen in Ausübung ihres Dienstes den Schutz, der Beamten (§74 Z 4 StGB) gewährt wird."

Die §§38 bis 41 regeln die Nachschau durch die Bundeskellereiinspektoren, die Probeentnahme, die Beschlagnahme und das Verfügungsrecht über beschlagnahmte Getränke und Behälter. Sie haben folgenden Wortlaut:

"Nachschau

§38. (1) Die Bundeskellereiinspektoren sind berechtigt, in Ausübung ihres Dienstes in den im Abs 2 angeführten Räumlichkeiten Nachschau zu halten, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses BG notwendig ist. Im Falle eines auf die Vereitelung der Amtshandlung gerichteten Widerstandes haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Bundeskellereiinspektoren und Mostwäger auf deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer in den §§38 bis 42 beschriebenen Aufgaben zu unterstützen. Sie haben erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln für die Sicherung der Amtshandlung zu sorgen.

(2) Eine Nachschau durch den Bundeskellereiinspektor darf durchgeführt werden in allen Betrieben, wo Wein, Obstwein oder Weinbehandlungsmittel erzeugt oder gelagert werden sowie auf dem Transport dieser Produkte. Die Nachschau in öffentlichen Zollagern und Zolleigenlagern hat unter zollamtlicher Aufsicht zu erfolgen und ist, während die Lager für Zollamtshandlungen geöffnet sind, jederzeit zulässig. Ist im Zuge von Erhebungen der Organe der Lebensmittelaufsicht eine Nachschau in Kellern, Lagern, Zollagern oder Zolleigenlagern erforderlich, ist der zuständige Bundeskellereiinspektor zu verständigen. Im Detailhandel und in der Gastronomie haben die Organe der Lebensmittelaufsicht nach den Bestimmungen der §§37 bis 40 des Lebensmittelgesetzes 1975 tätig zu werden; sind im Zuge von Erhebungen durch die Bundeskellereiinspektoren Kontrollen auch in solchen Betrieben erforderlich, so hat der Bundeskellereiinspektor die für die Vollziehung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften zuständige Behörde zu verständigen. Die Nachschau ist jederzeit zulässig.

(3) Die Betriebsinhaber, ihre Stellvertreter oder sonst Beauftragten sind verpflichtet, dem Bundeskellereiinspektor jede zur ordnungsgemäßen Kontrolle erforderliche Hilfe zu leisten oder für eine solche Hilfeleistung vorzusorgen und auf Befragen sämtliche Betriebs- und Lagerräume und -stätten, auch solche, die einen anderen Standort haben, bekanntzugeben, dem Bundeskellereiinspektor den Zutritt zu diesen Räumlichkeiten zu gestatten, ihn bei der Besichtigung zu begleiten oder durch Personen, die mit den Betriebsverhältnissen vertraut sind, begleiten zu lassen und die für die Kontrolle erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

(4) Die Bestimmungen der Abs 1 bis 3 gelten sinngemäß auch für Transportmittel, mit denen Getränke, die in Verkehr gebracht werden sollen, befördert werden, oder die für deren Beförderung bestimmt sind.

(5) Die Betriebsinhaber (Stellvertreter, Beauftragten) sind auch verpflichtet, dem Bundeskellereiinspektor auf Verlangen alle Urkunden, die sich auf Angelegenheiten beziehen, die in den Wirkungsbereich der Bundeskellereiinspektoren fallen, wie Geschäftsaufzeichnungen, Lieferscheine, Fracht- und Zollurkunden und Bücher, vorzulegen. Auf Verlangen der Bundeskellereiinspektoren sind notwendigenfalls die für die Durchführung der Kontrolle erforderlichen schriftlichen Unterlagen in den zu kontrollierenden Räumen selbst zur Verfügung zu stellen.

Probeentnahme

§39. (1) Die Betriebsinhaber (Stellvertreter, Beauftragten) sind verpflichtet, auf Verlangen des Bundeskellereiinspektors anläßlich der Nachschau Proben zur Kost oder zur Untersuchung auszufolgen oder dem Bundeskellereiinspektor die Entnahme von Proben zu gestatten.

(2) Die Probe zur Untersuchung hat höchstens 6 Liter zu umfassen und ist in drei annähernd gleiche Teile zu teilen. Die Probe ist so zu versiegeln oder zu plombieren, daß eine Entfernung des Verschlusses ohne Verletzung des Siegels oder der Plombe nicht möglich ist. Ein Teil der Probe dient als Material für die Untersuchung, ein Teil ist in amtliche Verwahrung zu nehmen, um notwendigenfalls zur Identifizierung der Probe oder für eine zweite Untersuchung verwendet werden zu können. Der restliche Teil ist der Partei zu Beweiszwecken als Gegenprobe zurückzulassen, sofern die Partei für die Probe geeignete Behälter zur Verfügung stellt.

(3) Der Bundeskellereiinspektor hat über jede entnommene Probe der Partei eine Empfangsbestätigung auszufolgen.

Beschlagnahme

§40. (1) Der Bundeskellereiinspektor hat das Getränk erforderlichenfalls einschließlich der Behälter - ohne vorausgegangenes Verwaltungsverfahren - zu beschlagnahmen, wenn

1. der Verdacht vorliegt, daß das Getränk entgegen den Vorschriften dieses BG hergestellt, behandelt, gelagert oder in Verkehr gebracht oder eine Übertretung gegen die Bezeichnungsvorschriften dieses BG, die von Amts wegen zu verfolgen ist, begangen worden ist und

2. anzunehmen ist, daß das Getränk ohne Beschlagnahme einer allfälligen Verfallserklärung entzogen oder in seiner Beschaffenheit so verändert wird, daß es in seiner Eigenschaft als Beweismittel beeinträchtigt wird.

(2) Im Falle der Beschlagnahme sind die Behälter, wenn die technische Möglichkeit hiefür gegeben ist, so zu versiegeln, daß eine Änderung im Inhalt ohne Verletzung des Siegels nicht möglich ist.

(3) Wenn die Versiegelung technisch nicht möglich ist oder bei Getränken in Flaschen, ist die Beschlagnahme durch Beschreibung im Beschlagnahmeprotokoll vorzunehmen.

(4) Über die Beschlagnahme ist eine Niederschrift aufzunehmen, in der die beschlagnahmten Getränke und Behälter zu beschreiben sind. Über das beschlagnahmte Getränk und die beschlagnahmten Behälter ist der Partei eine Beschlagnahmebescheinigung auszufolgen. Die Partei ist ferner auf die strafrechtlichen Folgen einer Entziehung des beschlagnahmten Getränkes oder einer Entfernung oder Verletzung des Siegels aufmerksam zu machen.

(5) Die Bestimmungen der Abs 1 bis 4 sowie des § 41 Abs 1 und 5 finden auch auf Stoffe gemäß § 54 Anwendung. Unter den Voraussetzungen des Abs 1 Z 1 können auch andere Gegenstände, die als Beweismittel in Betracht kommen, wie Geschäftsaufzeichnungen, Lieferscheine, Fracht- und Zollurkunden und Bücher ohne vorausgegangenes Verwaltungsverfahren beschlagnahmt werden, wenn dies zur Beweissicherung geboten ist. Die Bestimmungen des Abs 3 und 4 und des § 41 Abs 1 finden sinngemäß Anwendung.

(6) Reichen die gemäß § 38 Abs 1 vorgesehenen Maßnahmen nicht aus, ist Gefahr im Verzug oder wird die Auskunft verweigert, hat der Bundeskellereiinspektor die Betriebsräume oder Transportmittel zu versiegeln.

Verfügungsrecht über die beschlagnahmten Getränke

und Behälter

§41. (1) Das Verfügungsrecht über die beschlagnahmten Getränke und Behälter steht bis zum Einlangen der Anzeige bei dem für die Durchführung des Strafverfahrens zuständigen Gerichte oder der hiefür zuständigen Staatsanwaltschaft oder Bezirksverwaltungsbehörde (Strafbehörde) dem Bundeskellereiinspektor, nach diesem Zeitpunkte der zuständigen Strafbehörde zu.

(2) Wurde das Getränk wegen Verdachtes einer Übertretung gegen die Bezeichnungsvorschriften beschlagnahmt, so ist die Beschlagnahme aufzuheben, wenn die Partei die vorschriftswidrige Bezeichnung beseitigt oder die fehlende vorschriftsmäßige Bezeichnung anbringt. Hat die Aufhebung nach den Bestimmungen des Abs 1 der Bundeskellereiinspektor verfügt, so hat er hievon die Strafbehörde unverzüglich zu verständigen.

(3) Wird von einer Behörde oder einem Organ der Lebensmittelaufsicht ohne Mitwirkung des Bundeskellereiinspektors ein Getränk beschlagnahmt, so ist hievon der zuständige Bundeskellereiinspektor unverzüglich zu benachrichtigen.

(4) Die kellerwirtschaftliche Pflege des beschlagnahmten Getränkes obliegt der Partei. Sind Pflegemaßnahmen bei versiegeltem Wein erforderlich, so ist der Bundeskellereiinspektor hievon rechtzeitig zu verständigen. Die Pflegemaßnahmen sind in Anwesenheit des Bundeskellereiinspektors durchzuführen; dieser hat zu diesem Zwecke das Amtssiegel zu beseitigen und nach Durchführung der Pflegemaßnahmen wieder anzubringen.

(5) Nach Erstattung der Anzeige darf der Bundeskellereiinspektor nur auf Ersuchen der zuständigen Strafbehörde Proben (§39) entnehmen.

(6) Liegt der Verdacht vor, daß ein Getränk geeignet ist, die menschliche Gesundheit zu gefährden oder zu schädigen, so ist die für die Handhabung der lebensmittelpolizeilichen Vorschriften zuständige Behörde unverzüglich in Kenntnis zu setzen."

3. Seine Bedenken begründete der VfGH im Einleitungsbeschluß folgendermaßen:

"a) aa) Es scheint, daß die mit den Agenden der Weinaufsicht betrauten Bundeskellereiinspektoren der Sache nach als selbständige Bundesbehörden zu qualifizieren sind, die in Unterordnung unter dem BMLF in unmittelbarer Bundesverwaltung (also unter Ausschaltung des Landeshauptmannes als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung) bestimmte Aufgaben zu besorgen haben:

Die . . . Entstehungsgeschichte der Bestimmungen über die Weinaufsicht im WeinG 1985 zeigt, daß nach den Intentionen der Regierungsvorlage (693 BlgNR XVI. GP) die Agenden der Weinaufsicht in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden sollten (wofür - offenbar im Hinblick auf Art 102 B-VG - unter anderem eine Verfassungsbestimmung vorgesehen war, derzufolge die mit behördlichen Überwachungsaufgaben betrauten Bundeskellereiinspektoren unmittelbar dem BMLF unterstellt werden sollten). Mangels Einigung über diese Verfassungsbestimmung wurde § 37 Abs 1 WeinG 1985 im Zuge der parlamentarischen Behandlung abgeändert: Während die Regierungsvorlage (693 BlgNR XVI. GP) vorschlägt, die Bundeskellereiinspektoren als selbständige Behörden des Bundes einzurichten, sieht der Ausschußbericht (694 BlgNR. XVI. GP) jenen Text des § 37 Abs 1 vor, der letztlich vom Gesetzgeber beschlossen wurde. Der Ausschußbericht motiviert dies damit, § 37 Abs 1 solle in verfassungskonformer Weise sicherstellen, daß die Bundeskellereiinspektoren als Hilfsorgane des BMLF im Rahmen des Geschäftsapparates 'Bundesministerium' tätig sind.

Daraus ist die Absicht des historischen Gesetzgebers zu ersehen, die Bundeskellereiinspektoren nicht als selbständige Behörden, sondern als interne Organisationseinheiten des Bundesministeriums einzurichten. Diese Absicht findet zwar in § 37 Abs 1 WeinG 1985 ihren Ausdruck, doch scheint es dem Gesetzgeber bei der inhaltlichen Regelung der Weinaufsicht und der Funktionen der Bundeskellereiinspektoren bei Besorgung dieser Aufgaben nicht gelungen zu sein, diese Absicht zu realisieren: Ob eine Einrichtung nämlich bloß unselbständige Hilfseinrichtung einer Behörde oder selbständige Behörde ist, kann nicht allein von einer gesetzlichen Deklaration abhängen. Vielmehr muß aus der konkreten Organisation in Verbindung mit den derartigen Einrichtungen übertragenen Aufgaben ihre Qualität als selbständige Behörde oder bloße Hilfseinrichtung einer Behörde erschlossen werden.

Der VfGH geht - was eines weiteren Nachweises nicht zu bedürfen scheint - davon aus, daß den Bundeskellereiinspektoren in den §§38 bis 41 WeinG 1985 eine Reihe von hoheitlichen Aufgaben zur Besorgung übertragen ist. Nun läßt sich aus der Übertragung derart weitgehender Zwangsbefugnisse an ein Organ für sich allein die Qualifikation als selbständige Behörde nicht ableiten. Vielmehr kann man von einer selbständigen Behörde, wie der VfGH vorläufig annimmt, erst dann sprechen, wenn zur funktionellen Seite der Übertragung von hoheitlichen Aufgaben auch eine gewisse organisatorische Selbständigkeit hinzutritt.

Gerade eine solche selbständige Stellung scheint ungeachtet des § 37 Abs 1 leg.cit. - das WeinG 1985 den Bundeskellereiinspektoren zuzuweisen: So zeigt etwa die in § 31 Abs 4 verankerte Verpflichtung der Untersuchungsanstalten, von einem Antrag auf Erteilung einer staatlichen Prüfnummer sowohl den Bundeskellereiinspektor als auch den BMLF zu verständigen, daß die Bundeskellereiinspektoren als etwas organisatorisch vom Bundesminister Verschiedenes angesehen werden. Ebenso macht § 55 Abs 6, der vorsieht, daß im Falle des Weinimportes ein Einfuhrzeugnis einerseits durch das Zollamt an den BMLF und andererseits durch den Verfügungsberechtigten an den Bundeskellereiinspektor zu übermitteln ist, deutlich, daß die Bundeskellereiinspektoren nicht nur als unselbständige Hilfseinrichtungen des Bundesministers agieren, sondern auch eine selbständige Funktion haben. Noch deutlicher wird diese Qualifikation durch jene Gesetzesstellen ausgedrückt, die vom 'zuständigen Bundeskellereiinspektor' sprechen (§38 Abs 2, § 41 Abs 3 und § 57 Abs 3 Z 2 WeinG 1985). Auch § 67 Abs 1 leg.cit., demzufolge vor der Verwertung für verfallen erklärter Getränke die Bezirksverwaltungsbehörde den Bundeskellereiinspektor zu hören hat, ist offenkundig von der Vorstellung getragen, daß dem jeweils zuständigen Bundeskellereiinspektor bestimmte Aufgaben der Weinaufsicht zur selbständigen Besorgung übertragen sind.

Der VfGH geht aus all diesen Überlegungen daher angesichts der hoheitlichen Aufgaben, die den Bundeskellereiinspektoren zur Besorgung zugewiesen sind und angesichts der an verschiedenen Stellen des Gesetzes zum Ausdruck kommenden organisatorischen Selbständigkeit dieser Einrichtung vorläufig davon aus, daß die Bundeskellereiinspektoren als selbständige Bundesbehörden zu qualifizieren sind.

bb) Sollte sich diese Annahme des VfGH als zutreffend herausstellen, so ergibt sich das Bedenken, daß die Einrichtung der Bundeskellereiinspektoren als selbständige Behörden offenkundig unter Verletzung des Art 102 Abs 4 B-VG erfolgte.

Nach dieser bundesverfassungsrechtlichen Bestimmung darf die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die im Abs 2 bezeichneten Angelegenheiten nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen. Da die Angelegenheiten der Weinaufsicht in Art 102 Abs 2 B-VG nicht angeführt sind und eine Zustimmung der Länder im Sinne des Art 102 Abs 4 B-VG für die Einrichtung der Bundeskellereiinspektoren nicht vorliegt, scheinen jene gesetzlichen Regelungen verfassungswidrig zu sein, die den Bundeskellereiinspektoren Funktionen als eigene selbständige Bundesbehörden zuweisen.

Der VfGH nimmt vorläufig an, daß die genannte Verfassungswidrigkeit ihren Sitz nicht in der Bestimmung des § 37 Abs 1 WeinG 1985 hat, der für sich eine verfassungskonforme Interpretation geradezu nahelegt, sondern in jenen Bestimmungen, die der Sache nach die Bundeskellereiinspektoren als selbständige Bundesbehörden einrichten. Das scheint unter anderem § 40 Abs 1 WeinG 1985 zu sein, weshalb diese Bestimmung, die der VfGH im Beschwerdeverfahren anzuwenden haben dürfte . . . in Prüfung zu ziehen war.

b) Sollte sich entgegen der (unter a.aa.) getroffenen vorläufigen Annahme des VfGH herausstellen, daß die Bundeskellereiinspektoren nicht als selbständige Behörden, sondern bloß als (relativ selbständig organisierte) Hilfseinrichtungen des Bundesministers zu qualifizieren sind, die ihnen übertragenen Kompetenzen zur Besorgung hoheitlicher Verwaltungsaufgaben also dem Bundesminister zuzurechnen sind, so hat der VfGH das Bedenken, daß bei der Übertragung der Zuständigkeit zur Weinaufsicht an den Bundesminister in erster Instanz die der gesetzgeberischen Entscheidungsfreiheit gesetzten bundesverfassungsrechtlichen Grenzen überschritten sind:

Es scheint, daß durch die Übertragung der Aufgaben der Weinaufsicht an die Bundeskellereiinspektoren als Hilfsorgane des Bundesministers in erster Instanz das System der mittelbaren Bundesverwaltung in einer Weise beeinträchtigt wird, die mit der verfassungsrechtlichen Garantie der mittelbaren Bundesverwaltung unvereinbar ist und damit in Widerspruch zu Art 102 Abs 1 B-VG gelangt. Zwar dürfte es, wie der VfGH vorläufig annimmt, grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sein, im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Ausmaß und unter Einhaltung sonstiger verfassungsrechtlicher Grenzen (wie etwa des Gleichheitsgrundsatzes) dem Bundesminister Agenden zur Besorgung in erster Instanz zu übertragen (vgl. zB VfSlg. 8813/1980, 9600/1983), wie es an sich auch zulässig sein dürfte, daß sich der Bundesminister zur Besorgung dieser Aufgaben ihm direkt zugeordneter Hilfsorgane bedient. Die Ermächtigung zu solcher Gestaltung scheint aber angesichts des Systems der mittelbaren Bundesverwaltung begrenzt zu sein (vgl. insb. VfSlg. 2264/1952): So scheint es dem Gesetzgeber im Anwendungsbereich der Vorschriften über die mittelbare Bundesverwaltung verwehrt zu sein, eine Konstruktion zu wählen, mit deren Hilfe er das Prinzip der mittelbaren Bundesverwaltung in einem ganzen Verwaltungszweig beseitigen würde (vgl. dazu Mayer, Lebensmittelüberwachung und mittelbare Bundesverwaltung, ÖZW 1977, 97 (98); Öhlinger, Verfassungsrechtliche Probleme der Nationalbank, in: Wenger-FS, 1983, 689) oder Verwaltungseinheiten zu schaffen, die in direkter Unterordnung unter den Bundesminister und unter Ausschaltung des Landeshauptmanns zur selbständigen Besorgung von Aufgaben der mittelbaren Bundesverwaltung berufen sind (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 2978/1956, 5672/1968 und 8466/1978 betreffend die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung). Dies dürfte auch für die Schaffung von Hilfseinrichtungen zur dezentralisierten Besorgung ('im Bereich der Länder') von dem Bundesminister übertragenen Aufgaben gelten, die infolge ihrer organisatorischen Stellung zwar nicht als selbständige Behörden zu qualifizieren sind, denen aber doch eine gewisse Eigenständigkeit bei ihren Tätigkeiten zukommt. Würde man die Schaffung von derartigen Hilfsorganen im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung und die Übertragung von Aufgaben an sie unbegrenzt zulassen, so könnte nämlich auch eine derartige Vollzugskonstruktion zu einer Aushöhlung dieses Instituts führen (vgl. Raschauer, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, Antoniolli-FS, 1979, 387; Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1986, 385).

Nun hat der VfGH zwar nicht das in der Beschwerde relevierte Bedenken, daß mit den in Prüfung gezogenen Bestimmungen das Institut der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Verwaltungszweig ausgehöhlt wird: Denn das WeinG 1985 ist - ungeachtet der in Rede stehenden Hilfseinrichtung - zu einem beträchtlichen Teil in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen; wenngleich die Weinaufsicht eine zwar wichtige Aufgabe ist, so sind doch die im Verhältnis zum Gesamtumfang der in mittelbarer Bundesverwaltung geführten Agenden (quantitativ) von geringerer Bedeutung, sodaß von einer ansatzweisen Beseitigung des Instituts der mittelbaren Bundesverwaltung in diesem Verwaltungszweig nicht gesprochen werden kann.

Hingegen scheint dem VfGH durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen jene Grenze überschritten zu sein, die sich - wie oben dargelegt - für den einfachen Gesetzgeber aus dem Institut der mittelbaren Bundesverwaltung hinsichtlich der organisatorischen Gestaltung für die Besorgung jener Aufgaben ergeben, die im Anwendungsbereich des Art 102 Abs 1 B-VG dem Bundesminister unmittelbar zur Besorgung zugewiesen sind. Der Gerichtshof hat daher aus diesen Erwägungen die Prüfung der §§37 Abs 1 und 40 Abs 1 WeinG, in denen die vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit ihren Sitz haben dürfte, beschlossen."

4.a) Die Bundesregierung hat in einer Äußerung die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen verteidigt und beantragt, der VfGH wolle aussprechen, daß §§37 Abs 1 und 40 Abs 1 des WeinG 1985 nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden, in eventu für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um allenfalls erforderliche legistische Vorkehrungen zu ermöglichen.

b) Zu der vom VfGH primär erwogenen Behördenstellung der Bundeskellereiinspektoren und den daran anknüpfenden Bedenken des Gerichtshofs führt die Bundesregierung im einzelnen aus:

"Die Bundesregierung stimmt zunächst mit dem VfGH darin überein, daß sich aus der Entstehungsgeschichte des § 37 Abs 1 des Weingesetzes 1985 die Absicht des Bundesgesetzgebers ergibt, die Bundeskellereiinspektoren nur als Hilfsorgane des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft einzurichten. Anders als der VfGH erblickt die Bundesregierung in § 37 Abs 1 leg.cit. jedoch keine bloße Deklaration, sondern die entscheidende Zurechnungsregel, aus der, wo immer im Weingesetz 1985 die Bundeskellereiinspektoren erwähnt sind, zu entnehmen ist, daß die Bundeskellereiinspektoren ausschließlich für den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft handeln. Die Bedeutung dieser 'Zurechnungsregel' kommt etwa darin zum Ausdruck, daß in Fällen der Maßnahmebeschwerde gegen Beschlagnahmen durch die Bundeskellereiinspektoren (§§40 und 41 des Weingesetzes 1985) selbstverständlich der Bundesminister bel. Beh. ist (- daß dies auch der VfGH so sieht, ergibt sich aus dem vorliegenden Beschluß des VfGH selbst, vgl. S 2 -) sowie darin, daß sämtliche von den Bundeskellereiinspektoren zu besorgenden Angelegenheiten ausdrücklich für den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft erledigt werden, was - bei schriftlichen Erledigungen - regelmäßig in entsprechenden Fertigungsklauseln (vgl. § 10 Abs 2 BMG 1986) seinen nachweisbaren Niederschlag findet!

Würde die erwähnte Zurechnungsregel fehlen, so könnte dies allenfalls den selbständigen Behördencharakter der Bundeskellereiinspektoren annehmen lassen, da sie aber besteht, kann von einer 'Übertragung' von hoheitlichen Aufgaben an die Bundeskellereiinspektoren als solche nicht gesprochen werden, da diese nur als Teil des dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zugeordneten Hilfsapparates 'Bundesministerium' handeln. Wie der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 5483/1967 festgestellt hat, liegt in der Ermächtigung eines Hilfsorganes, Bescheide im Namen des zuständigen Organs zu erlassen, keine Delegierung einer behördlichen Zuständigkeit, da die Zurechnung des Aktes an das zuständige Organ und damit seine Verantwortung durch einen solchen Vorgang nicht berührt werden. Diese den Unterschied zwischen 'Delegation' und 'Mandat' betreffenden Überlegungen sind auch im vorliegenden Fall einschlägig (vgl. auch Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 311). . .

Die Bundesregierung vermag nun nicht zu erkennen, wieso die Anführung des Bundeskellereiinspektors neben dem Bundesminister etwas an der durch § 37 Abs 1 des Weingesetzes 1985 hergestellten Konstruktion ändern sollte.

Grundsätzlich steht keine verfassungsrechtliche Vorschrift dagegen, Organe, für die eine besondere fachliche Qualifikation gefordert ist, im Gesetz namentlich zu erwähnen. Eine gleichzeitige Verständigung des Bundeskellereiinspektors und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft wurde dort angeordnet, wo ein rasches Handeln verschiedener Einheiten des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft dringend erforderlich ist (§31 des Weingesetzes 1985). Solche Vorkehrungen könnten zwar auch durch interne organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, doch ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, wenn er - im Hinblick auf negative praktische Erfahrungen der Vergangenheit - eine Regelung wählt, die eine rasche und klaglose Kontrolle gewährleistet. Der einzige Fall, in dem sowohl an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft als auch an den Bundeskellereiinspektor zu melden ist (§31 Abs 4 leg.cit.), ist nach Ansicht der Bundesregierung unbedenklich, da von der Pflicht zur Meldung nur die zuständige Untersuchungsanstalt betroffen ist. In allen anderen Fällen, in denen der Rechtsunterworfene dem Bundeskellereiinspektor zu melden hat (§§21 Abs 7, 31 Abs 6, 41 Abs 4, 49 Abs 3, 55 Abs 6 des Weingesetzes 1985), wird der Meldepflicht auch dann entsprochen, wenn die Meldung dem Bundesminister zukommt. Entscheidend ist nur, daß die Meldung in den Bereich des Bundesministeriums gelangt, nicht aber in eine bestimmte innere Gliederung (vgl. auch VfSlg. 5919/1969).

Die Bundesregierung vermag schließlich auch nicht einzusehen, weshalb § 67 Abs 1 leg.cit. 'offenkundig' von der Vorstellung geleitet sein soll, daß dem jeweils 'zuständigen' Bundeskellereiinspektor bestimmte Aufgaben der Weinaufsicht zur selbständigen Besorgung übertragen sind. Ein derartiges Interpretationsergebnis scheint nur dann erreichbar zu sein, wenn man bereit ist, § 37 Abs 1 des Weingesetzes 1985 gänzlich seines normativen Gehaltes zu entkleiden.

Zusammenfassend ist die Bundesregierung daher der Ansicht, daß die vom VfGH vermutete Einrichtung der Bundeskellereiinspektoren als 'selbständige Bundesbehörden' nicht gegeben ist. Die auf dieser Qualifikation aufbauenden Bedenken des VfGH im Hinblick auf Art 102 Abs 1 B-VG sind nach Ansicht der Bundesregierung daher unbegründet."

c) Zu den Eventualbedenken des VfGH, daß für den Fall, daß die Bundeskellereiinspektoren nicht als selbständige Behörden, sondern bloß als (relativ selbständig organisierte) Hilfseinrichtungen des Bundesministers zu qualifizieren sein sollten, die Übertragung der Agenden der Weinaufsicht auf diese Einrichtungen das System der mittelbaren Bundesverwaltung in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise beeinträchtigte, führt die Bundesregierung im einzelnen aus:

"Wie der VfGH ausdrücklich betont, teilt er die in der Beschwerde angeführten Bedenken, daß mit den in Prüfung gezogenen Bestimmungen das Institut der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Verwaltungszweig ausgehöhlt würde, nicht. Daraus folgt zwingend, daß der VfGH gegen eine Betrauung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in erster Instanz mit der Weinaufsicht (§37 Abs 1 des Weingesetzes 1985) keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat. Durch eine solche Konstruktion würde daher auch nicht das 'Institut der mittelbaren Bundesverwaltung' ausgehöhlt werden. Die Bundesregierung, die im folgenden davon ausgeht, daß der VfGH eine Besorgung der Weinaufsicht im vorliegenden Fall durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in erster Instanz, mithin - wie Kelsen-Froehlich-Merkl (Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich, 5. Teil, S. 217) ausführen - in 'unmittelbarer' Bundesverwaltung, nicht für verfassungsrechtlich bedenklich hält, vermag folglich eine mögliche Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht in einem Verstoß gegen Art 102 Abs 1 zu sehen. Wenn der VfGH nämlich einerseits die Besorgung der Weinaufsicht - in ihrer durch die einschlägigen Vorschriften des Weingesetzes 1985 gegebenen Gestalt - durch den Bundesminister für unbedenklich hält, andererseits es aber für fragwürdig ansieht, wie der Bundesminister diese Aufgabe besorgt, dann muß diese Argumentation nach Ansicht der Bundesregierung solang man die Konstruktion allein unter dem Gesichtspunkt des Art 102 Abs 1 B-VG prüft - in einen Widerspruch geraten, da der VfGH wohl nicht davon ausgehen kann, daß der Bundesminister bei der Vollziehung der Weinaufsicht persönlich tätig wird.

Aus der Sicht der Bundesregierung zielt der VfGH möglicherweise auf ein Problem der Organisation des Geschäftsapparates 'Bundesministeriums' ab. Wenn auch, wie für die Bundesregierung feststeht, das Handeln der Bundeskellereiinspektoren gemäß § 37 Abs 1 des Weingesetzes 1985 dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen ist, woraus der funktionelle Zusammenhang hervorgeht, erscheint doch nicht ausgeschlossen, daß die Einrichtung von Hilfsorganen im gegenständlichen Fall mit den bundesverfassungsrechtlichen Vorschriften über die Organisation der obersten Bundesverwaltung unvereinbar wäre. Die Norm, an der die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Weingesetzes 1985 zu messen wären, wäre nach Auffassung der Bundesregierung folglich in erster Linie Art 77 Abs 1 und 2 B-VG. . . .

Dem Gesetzgeber wäre es einerseits jedenfalls verwehrt, neben dem Hilfsapparat 'Bundesministerium', dessen sich ein Bundesminister stets zu bedienen hat, einen zweiten Hilfsapparat einzurichten (vgl. VfSlg. 4117/1961). Da ein Bundesministerium aber auch als Dienststelle im institutionellen Sinne (vgl. dazu Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 142 f;

Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 308 f;

Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 295) anzusehen ist und anzunehmen ist, daß die Bundesverfassung von der Vorstellung einer regelmäßigen faktischen Anwesenheit der einer Dienststelle zugeordneten Organwalter in dieser ausgeht, wäre es dem Gesetzgeber andererseits auch nicht erlaubt, Hilfsorgane des Bundesministers vorzusehen, deren Sitz sich dauerhaft außerhalb Wiens befindet (vgl. Art 5 Abs 1 B-VG; die Bundesverfassung ist bei der terminologischen Unterscheidung von Behörden und Geschäftsapparaten nicht immer konsequent).

Das Weingesetz 1985 trägt diesen verfassungsrechtlichen Schranken nach Auffassung der Bundesregierung Rechnung. Es geht davon aus, daß die Organwalter des Bundesministeriums für Landund Forstwirtschaft, die auf Grund der Geschäftseinteilung dieses Bundesministeriums mit der Weinaufsicht betraut sind (die Bundeskellereiinspektoren), zwar zwangsläufig 'im Bereich der Länder' tätig werden, jedoch nur im Rahmen von Dienstreiseaufträgen. Das faktische Auftreten dieser Organwalter in den Ländern ändert nichts daran, daß ihr Dienstort im dienstrechtlichen Sinne Wien ist, mögen sie auch erlaubter Weise ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in Wien haben. Eine solche innere Organisation steht in keinem erkennbaren Widerspruch zu einer bundesverfassungsrechtlichen Vorschrift."

Bei der Weinaufsicht handle es sich um eine typische Inspektionstätigkeit, die ihrer Natur nach mit einer faktischen Anwesenheit von Inspektionsorganen (im vorliegenden Fall 'Teilen' des Geschäftsapparates Bundesministerium) im Kontrollgebiet (somit zwangsläufig 'im Bereich der Länder') einhergehe. Daß dem historischen Verfassungsgesetzgeber 1920 vergleichbare Einrichtungen von Inspektionsorganen im Rahmen eines Bundesministeriums nicht unbekannt waren, sucht die Bundesregierung durch Hinweise auf die zur Zeit der Monarchie bestandenen Inspektoren des gewerblichen Unterrichts und die beim k. k. Reichs-Kriegsministerium angesiedelten Truppeninspektoren zu belegen und führt weiters aus:

"So zeigen die §§1 und 2 der V des k.k.

Ackerbauministeriums (Bestimmungen über die dienstliche Stellung und den Wirkungskreis der k.k. Landesculturinspectoren), Verordnungsblatt für den Dienstbereich des k.k.

Ackerbauministeriums 1877, Nr. 33, daß die Landeskulturinspektoren Organe des Ackerbauministeriums waren, die zur Information des Ackerbauministeriums 'Bereisungen' in den ihnen zugewiesenen Ländergruppen vorzunehmen hatten, somit in einer den Bundeskellereiinspektoren durchaus ähnlichen organisatorischen Stellung waren.

. . .

Diesen Punkt zusammenfassend ist die Bundesregierung daher der Auffassung, daß auch unter dem Blickwinkel etwaiger vom Verfassungsgesetzgeber möglicherweise vorausgesetzter Schranken für den Bundesgesetzgeber, die Organisation des Geschäftsapparates Bundesministerium zu gestalten, die gegebene Konstruktion der Weinaufsicht diesen Rahmen nicht sprengt. Die Organisation erreicht keinen Grad der räumlichen und personellen Dislokation, bei dem nicht mehr von einem 'Bundesministerium' die Rede sein könnte, sondern bleibt insgesamt noch im historisch vorgefundenen Bild."

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der VfGH ging in seinem Einleitungsbeschluß von der Annahme aus, daß die Beschwerde zulässig ist und daß er bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes die in Prüfung gezogenen Bestimmungen anzuwenden hat.

Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen aufkommen ließe. Die Prozeßvoraussetzungen sind daher gegeben; das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.

2.a) Der VfGH ging im Einleitungsbeschluß zunächst davon aus, daß die mit den Agenden der Weinaufsicht betrauten Bundeskellereiinspektoren der Sache nach als selbständige Bundesbehörden zu qualifizieren seien, die in Unterordnung unter den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in unmittelbarer Bundesverwaltung (also unter Ausschaltung des Landeshauptmannes als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung) bestimmte Aufgaben zu besorgen hätten. Zwar sei es die Intention des § 37 Abs 1 WeinG gewesen, die Bundeskellereiinspektoren nicht als selbständige Bundesbehörden, sondern bloß als interne Organisationseinheiten des Bundesministeriums einzurichten, doch scheine es - wie der VfGH aus mehreren Bestimmungen des WeinG abzuleiten suchte (vgl. im einzelnen oben Pkt. I.3.a) - dem Gesetzgeber nicht gelungen zu sein, diese Absicht zu verwirklichen.

Dieser Qualifikation des VfGH ist die Bundesregierung im Ergebnis zu Recht entgegengetreten. Sie erblickt in § 37 Abs 1 WeinG die entscheidende Zurechnungsregel, aus der zu entnehmen ist, daß die Bundeskellereiinspektoren ausschließlich für den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft handeln. Der Bundesregierung ist zuzustimmen, daß eben wegen der Existenz dieser Zurechnungsregel von einer "Übertragung" von hoheitlichen Aufgaben an die Bundeskellereiinspektoren als solche nicht gesprochen werden kann, da diese nur als Teil des dem Bundesminister zugeordneten Hilfsapparates "Bundesministerium" handeln. Zwar lassen die vom VfGH im Prüfungsbeschluß hervorgehobenen Bestimmungen des WeinG für sich allein betrachtet tatsächlich auf eine Behördenqualität der Kellereiinspektoren schließen und stehen somit in einem Spannungsverhältnis zur Regel des § 37 Abs 1 leg.cit., doch läßt sich dieses Spannungsverhältnis im Sinne systematischer und den Werdegang des Gesetzes und Willen des parlamentarischen Gesetzgebers bedenkender Interpretation (vgl. den Ausschußbericht 694 BlgNR 16. GP) zugunsten der von der Bundesregierung dargelegten Ansicht auflösen.

Die auf der Qualifikation der Bundeskellereiinspektoren als selbständige Bundesbehörden aufbauenden Bedenken des VfGH (vgl. oben Pkt. I.3.a,bb) haben sich daher als unbegründet erwiesen.

b) Hingegen treffen die Eventualbedenken, daß mit der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion das System der mittelbaren Bundesverwaltung in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt wird, zu:

Der VfGH bleibt bei seiner im Einleitungsbeschluß vorläufig vertretenen Auffassung, daß es verfassungsrechtlich an sich nicht ausgeschlossen ist, im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Ausmaß und unter Einhaltung sonstiger verfassungsrechtlicher Grenzen dem Bundesminister auch Agenden zur Besorgung in erster Instanz zu übertragen. Auch ist es an sich zulässig, vorzusehen, daß sich der Bundesminister zur Besorgung solcher Aufgaben ihm direkt zugeordneter Hilfsorgane bedient. Diese Ermächtigung ist aber von Verfassungs wegen beschränkt. Insbesondere darf sie nicht dazu führen, das System der mittelbaren Bundesverwaltung, das zu den wesentlichen Elementen der Realisierung des bundesstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung zählt (vgl. etwa VfSlg. 1030/1928; Ermacora, Österreich als kooperativer Bundesstaat, in:

Klecatsky (Hrsg.), Die Republik Österreich, 1968, 219 ff, insb. 225 ff; Funk, Einführung in das österreichische Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1984, 78 f; Öhlinger, Zur Entstehung, Begründung und zu Entwicklungsmöglichkeiten des österreichischen Föderalismus, in: FS Hellbling, 1981, 313 ff, insb. 321), zu unterlaufen.

Wie Adamovich-Funk (Österreichisches Verfassungsrecht, 3. Aufl., 1985, 127) zu Recht betonen, vermittelt die Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung "den Ländern eine weitreichende Trägerschaft und damit bedeutende Einflußmöglichkeiten im Bereich der Vollziehung von Bundesaufgaben". Die relative Stärke der Länder auf diesem Gebiet ist Ausdruck des im B-VG verwirklichten verfassungspolitischen Konzepts. Es wäre verfassungswidrig, wollte man dieses tragende Element des bundesstaatlichen Prinzips durch rechtstechnische Konstruktionen aushöhlen wollen. Zu Recht weisen daher Raschauer (Die obersten Organe der Landesverwaltung, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, FS Antoniolli, 1979, 386) und Antoniolli-Koja (Allgemeines Verwaltungsrecht, 1986, 385) darauf hin, daß das Prinzip der mittelbaren Bundesverwaltung es verbietet, "Vollzugskonstruktionen zu erfinden, die den Landeshauptmann schlechthin 'umgehen'".

Zu einer solchen - verfassungswidrigen - Aushöhlung des Prinzips der mittelbaren Bundesverwaltung durch Ausschaltung des Landeshauptmanns als Träger dieser Art der Besorgung von Verwaltungsaufgaben des Bundes (VfSlg. 2978/1956, 5681/1968; Adamovich-Funk, aaO 277) führt aber die im WeinG für die Bundeskellereiinspektoren gewählte Konstruktion. Denn es werden bei dieser Konstruktion Verwaltungsaufgaben, die nach dem Verfassungskonzept in mittelbarer Bundesverwaltung wahrzunehmen wären, dem Bundesminister übertragen, der sie mit Hilfe der Bundeskellereiinspektoren als ihm direkt unterstellte, relativ selbständige Hilfseinrichtungen zu erfüllen hat. Damit werden einerseits dem Bundesminister unmittelbar wichtige Verwaltungsaufgaben übertragen, die - sofern er sie nicht in erster Instanz zu vollziehen hat - in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgen wären; andererseits werden im Effekt dem Bundesminister unmittelbar unterstellte Verwaltungseinrichtungen "im Bereich der Länder" zur dekonzentrierten Besorgung dieser Aufgaben berufen. In der hier vorliegenden Ausgestaltung führt diese Konstruktion insgesamt zu einer verfassungswidrigen Aushöhlung des Prinzips der mittelbaren Bundesverwaltung:

Bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Weinaufsicht durch die Bundeskellereiinspektoren handelt es sich nämlich nicht um bloß fallweise Inspektionsreisen oder um bloß teilweise im Außendienst zu besorgende Aufgaben der Bundesverwaltung. Vielmehr wird ein Teilbereich der Vollziehung der Weinaufsicht insgesamt organisatorisch durch relativ selbständige, dekonzentrierte, im Bereich der Länder lokalisierte Einrichtungen besorgt, was durch die spezifische gesetzliche Regelung notwendig wird, die den Bundeskellereiinspektoren - wie im Prüfungsbeschluß näher ausgeführt - eigene Zuständigkeiten zuweist (vgl. etwa §§31 Abs 4, 38 Abs 2, 41 Abs 3, 55 Abs 6, 57 Abs 3 Z 2 und 67 Abs 1 WeinG). Die Bundeskellereiinspektoren haben dabei in dem ihnen jeweils durch Dienstanweisung örtlich zugewiesenen Wirkungsbereich tätig zu werden und sind in ihrer Tätigkeit nicht dem Landeshauptmann, sondern dem Bundesminister direkt untergeordnet.

Die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion erweist sich somit als ein Eingriff in das System der mittelbaren Bundesverwaltung, das Art 102 B-VG für die Besorgung von Bundesaufgaben im Bereich der Länder vorsieht. Ein solcher Eingriff ist aber - bei der gebotenen baugesetzkonformen Auslegung der Verfassung (vgl. zB VfSlg. 1030/1928, 2977/1956, 8891/1980; sowie insb. Merkl, Die Baugesetze der österreichischen Bundesverfassung, in: Klecatsky (Hrsg.), Die Republik Österreich, 1968, 77 ff, hic:

101, und Antoniolli, Die rechtliche Tragweite der Baugesetze der Bundesverfassung, in: FS Merkl, 1970, 33 ff, insb. 36) - verfassungsrechtlich nicht zulässig und belastet jene Bestimmungen, die dieses System konstituieren, mit Verfassungswidrigkeit.

Da diese Verfassungswidrigkeit ihren Sitz ausschließlich in der in Prüfung gezogenen Bestimmung des § 37 Abs 1 WeinG hat, war diese Bestimmung - ihres untrennbaren Zusammenhanges willen insgesamt - als verfassungswidrig aufzuheben. Hinsichtlich des ebenfalls in Prüfung gezogenen § 40 Abs 1 WeinG war das Verfahren hingegen einzustellen.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten gründet sich auf Art 140 Abs 5 B-VG; der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.