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VfGH vom 18.06.2014, G78/2013

VfGH vom 18.06.2014, G78/2013

19881

Leitsatz

Keine Unsachlichkeit einer Bestimmung im RechtsanwaltstarifG betreffend die Bemessungsgrundlage für den Rechtsanwaltstarif im Exekutions(Sicherungs)verfahren

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Beim Landesgericht Innsbruck (im Folgenden: LG Innsbruck) ist ein Rekursverfahren in der Exekutionssache der betreibenden Partei S. J. Landmaschinen GmbH Co KG wider die verpflichtete Partei K. W. anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

"Aufgrund des von der betreibenden Partei am beim Bezirksgericht Silz eingebrachten Antrages wurde ihr mit Beschluss des Bezirksgerichtes Silz vom zur Hereinbringung einer Forderung von EUR 690, samt 6 % Zinsen ab , sowie zur Hereinbringung von Kosten im Betrag von EUR 165,28 samt 4 % Zinsen seit sowie der Kosten des Exekutionsantrages (EUR 182,96) die Fahrnis sowie Forderungsexekution nach § 294a EO sowie die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob der dem Verpflichteten gehörigen Liegenschaft EZ 230 GB 80111 Stams bewilligt. Anlässlich des Vollzugs der Fahrnisexekution am wurden an den Gerichtsvollzieher EUR 1.070, bezahlt und nach Abzug der Vollzugsgebühren an die betreibende Partei am EUR 1.049,39 überwiesen.

Mit dem nunmehr bekämpften Beschluss hat das Erstgericht in Stattgebung des beim Vollzug am gestellten Antrags des Verpflichteten das Exekutionsverfahren gemäß § 40 EO aufgrund Vollzahlung eingestellt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der fristgerechte Rekurs der betreibenden Partei mit dem Abänderungsantrag, den Einstellungsantrag des Verpflichteten abzuweisen, da bis zum Zahlungstag am zwar die bis dahin aufgelaufenen Zinsen sowie Betreibungskosten zur Gänze, die Hauptsachenforderung aber nicht zur Gänze bezahlt worden sei, da noch ein Betrag von EUR 41,32 zzgl. titelmäßiger Zinsen seit unberichtigt aushafte. An Rekurskosten verzeichnete die betreibende Partei ausgehend von der betriebenen Forderung von EUR 690, als Kostenbemessungsgrundlage Kosten im Betrag von EUR 252, (Kostenansatz: EUR 96,80), darin Pauschalgebühren im Betrag von EUR 64, (offensichtlich irrtümlich Kosten nach TP 2 GGG bei einer Bemessungsgrundlage von EUR 690, ).

Diesem Rekurs ist grundsätzlich Berechtigung zuzuerkennen. Der Zinszuwachs aus dem betriebenen Hauptsachenbetrag von EUR 690, errechnet sich mit EUR 50,47, jener aus dem betriebenen Kostenbetrag EUR 1,85. Unter Hinzurechnung der Exekutionskosten ergibt dies einen Gesamtbetrag von EUR 1.090,56, sodass nach Abzug des an die betreibende Partei überwiesenen Betrages von EUR 1.049,39 noch EUR 41,17 unberichtigt aushaften."

1.2. Aus Anlass dieses Rekursverfahrens stellt das LG Innsbruck gemäß Art 140 Abs 1 iVm Art 89 Abs 2 B VG den Antrag auszusprechen, "dass der letzte Satz des § 13 Abs 1 lita RATG idF BGBl 1969/189 zuletzt novelliert durch BGBl 1995/519 – in der Wortfolge 'eine Änderung der Bemessungsgrundlage tritt während des Verfahrens nicht ein' – als verfassungswidrig aufgehoben wird."

1.3. Begründend führt das LG Innsbruck aus:

"Nach § 13 Abs 1 lita RATG ist im Exekutions-(Sicherungs-)Verfahren Bemessungsgrundlage für den betreibenden Gläubiger oder sonstigen Berechtigten der Wert des Anspruchs an Kapital; Prozesskosten oder Nebengebühren sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie allein den Gegenstand des durchzusetzenden oder zu sichernden Anspruches bilden; eine Änderung der Bemessungsgrundlage tritt während des Verfahrens nicht ein.

Diese die Bemessungsgrundlage betreffende Gesetzesbestimmung wurde mit BGBl 519/95 mit Wirksamkeit eingeführt. Vor dieser Gesetzesänderung waren in die Bemessungsgrundlage neben dem Wert des betriebenen Anspruches an Kapital auch die bis zum Zeitpunkt des Antrages auf Exekutionsbewilligung oder auf neuerlichen Vollzug entstandenen und noch nicht berichtigten Nebengebühren (Zinsen und Kosten) zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Dies hatte zur Folge, dass sämtliche Zinsen und Kosten, welche bis zu einem Antrag auf neuerlichen Vollzug abgereift bzw. bestimmt wurden, für die Bemessungsgrundlage einzubeziehen waren und damit die Bemessungsgrundlage ständig variierte. Um dies hintanzuhalten, sollte, wie dem Ausschussbericht zur Regierungsvorlage zu entnehmen ist (GP XIX RV 195 AB 309 S. 62, 63), grundsätzlich nur noch der Wert des Anspruchs an Kapital Bemessungsgrundlage sein, sofern nicht Prozesskosten und Nebengebühren alleine geltend gemacht werden. Die sich so ergebende Bemessungsgrundlage (das betriebene Kapital) soll für das gesamte Verfahren beibehalten werden. Durch diese Neuregelung soll eine ständige Neuberechnung der Bemessungsgrundlage im Laufe eines Exekutionsverfahrens vermieden und eine möglichst einfache und überprüfbare Bemessungsgrundlagenregelung herbeigeführt werden.

Dieser Regelung konform wurde auch das Gerichtsgebührengesetz dahingehend geändert, dass in Exekutionsverfahren für die Bemessungsgrundlage der Wert des Streitgegenstandes im Zivilprozess bzw, sofern im Exekutionsverfahren nur ein Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes durchgesetzt werden soll, der Wert dieses Teiles bemessungsgrundlagenbildend ist (§19 Abs 1 und 2 GGG). Darüber hinaus wurde auch im Gerichtsgebührengesetz die Bestimmung aufgenommen, dass 'eine Änderung der Bemessungsgrundlage für die Pauschalgebühren nicht eintritt, wenn das Exekutionsverfahren auf einen Teil des vollstreckbaren oder zu sichernden Anspruches eingeschränkt wird' (§19 Abs 4 GGG).

Bezogen auf den konkreten Fall ist gemäß § 13 Abs 1 lita RATG für die Ermittlung des Ansatzes der Rechtsanwaltskosten, sowie der Gerichtsgebühren das mit dem Exekutionsantrag betriebene Kapital (EUR 690, ) heranzuziehen. Die betreibende Partei hat somit ausgehend von einer Bemessungsgrundlage des betriebenen Kapitals von EUR 690, die Kosten für ihr Rechtsmittel trotz einer unstrittigen Zahlung im Betrag von EUR 1.049,39 gesetzeskonform angesprochen, obwohl der tatsächlich noch betriebene restliche Kapitalsbetrag infolge Zahlung selbst nach Auffassung der betreibenden Partei nur noch EUR 41 ,32 beträgt.

[…]

Eine sachliche Rechtfertigung, wonach ein Verpflichteter für im Exekutionsverfahren entstehende Kosten trotz teilweiser Befriedigung der Kapitalforderung stets auf Basis des ursprünglich betriebenen Kapitalsbetrages einzustehen hat, ist nicht zu erkennen.

Im Zivilprozess bildet der Wert des Streitgegenstandes die für die Heranziehung eines bestimmten Tarifansatzes maßgebliche Bemessungsgrundlage, wobei diesbezüglich auf die Vorschriften der §§54 bis 59 JN verwiesen wird (§§3 und 4 RATG). Nach § 54 Abs 2 JN sind für die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, bei der Wertberechnung nicht zu berücksichtigen. Bei einer Geldforderung entspricht der Wert des Streitgegenstandes daher dem begehrten Kapitalsbetrag. Eine Änderung des Wertes des Streitgegenstandes während des Verfahrens etwa infolge Teilzahlung hat ein Kläger vorzunehmen, da ein Unterlassen einer Einschränkung Kostenfolgen nach sich ziehen würde (§§41, 43 ZPO). Nach § 12 RATG ist daher ausdrücklich eine Änderung des Wertes des Streitgegenstandes während des Verfahrens vorgesehen und auch geregelt, wann die Wirkungen einer derartigen Änderung eintreten. Selbstverständlich haben Änderungen, welche ausschließlich die Nebengebühren betreffen, keinen Einfluss auf den Wert des Streitgegenstandes, sofern das Begehren nicht ausschließlich auf Nebengebühren eingeschränkt wird. Auch § 18 GGG sieht eine Änderung der Bemessungsgrundlage für die Entrichtung von Pauschalgebühren in einem erstinstanzlichen Verfahren vor. Darüber hinaus bildet lediglich der in einem Rechtsmittel verfangene Entscheidungsgegenstand Grundlage für die Bemessung der Pauschalgebühr.

Es ist nicht zu erkennen, inwiefern eine verpflichtete Partei für die in einem Exekutionsverfahren anfallenden Kosten und Gebühren stets auf Grundlage der Exekutionsbewilligung zugrunde gelegten Kapitalsforderung einstehen soll, obwohl durch teilweise Befriedigung des betreibenden Gläubigers bereits eine Reduktion des Kapitalsbetrages eingetreten sei. Der letzte Satz des § 13 Abs 1 lita RATG, wonach eine Änderung der Bemessungsgrundlage während eines Verfahrens nicht eintritt, ist daher sachlich nicht gerechtfertigt und widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz des Art 7 B VG."

2. Die Bundesregierung, die die Prozessvoraussetzungen als gegeben erachtet, hält diesen Bedenken Folgendes entgegen:

"3.1. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch den Gesetzgeber liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dann vor, wenn das Gesetz an gleiche Tatbestände ungleiche Rechtsfolgen knüpft oder ungleiche Tatbestände gleich behandelt. Differenzierungen durch das Gesetz müssen immer sachlich gerechtfertigt sein (VfSlg 11.190/1986, 11.641/1988, 13.477/1993 uva). Der Verfassungsgerichtshof hat gelegentlich allgemeine Gesichtspunkte hervorgehoben, die eine sachliche Rechtfertigung begründen können; danach kann eine Regelung aus Gründen der Verwaltungsökonomie gerechtfertigt sein (zB VfSlg 13.299/1992, 13.726/1994, 13.977/1994, 15.819/2000, 15.843/2000, 17.931/2006).

Auch steht es dem Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung frei, sich in einzelnen Verfahrensbereichen für eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die den Erfordernissen und Besonderheiten unterschiedlicher Verfahrensarten adäquat Rechnung tragen. Zwischen verschiedenen Verfahren sind daher differenzierende Regelungen zulässig, sodass ein Vergleich untereinander nicht erfolgt (zB VfSlg 10.770/1986, VfSlg 11.795/1988, 13.420/1993, 13.455/1993, 13.527/1993), sofern nur die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform ausgestaltet sind (siehe zuletzt , mwH). Dementsprechend ist es etwa nicht unsachlich, wenn eine das Zivilverfahren betreffende Regelung über die Bemessung von Gerichtsgebühren nicht auch im Exekutionsverfahren anwendbar ist (VfSlg 9455/1982). Auch widersprechen differenzierende Kostenersatzregelungen in verschiedenen Verfahrensbereichen – mögen diese auch eine bestimmte Verwandtschaft aufweisen – nicht dem Gleichheitsgrundsatz (vgl. VfSlg 13.455/1993, 15.190/1998 mwN; 15.493/1999; vgl. auch VfSlg 18.070/2007).

3.2. Es liegt daher grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Bemessungsgrundlage für den Rechtsanwaltstarif im Exekutions(Sicherungs)verfahren anders zu regeln als im Zivilprozess. Die vom antragstellenden Gericht herangezogenen Bestimmungen über die Bemessungsgrundlage des Rechtsanwaltstarifs im Zivilprozess (§12 RATG) oder die Bemessungsgrundlage der Gerichtsgebühren (§18 GGG) bilden daher von vornherein keinen Vergleichsmaßstab für die angefochtene Bestimmung über die Bemessungsgrundlage des Rechtsanwaltstarifs im Exekutions(Sicherungs)-verfahren. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die §§12 und 13 RATG – aus gesetzessystematischen Gründen – im selben Gesetz befinden; sie beziehen sich nämlich auf unterschiedliche Verfahrensarten (vgl. dazu VfSlg 13.455/1993, wonach es nicht unsachlich ist, wenn im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz unterschiedliche Regelungen über die Möglichkeit von Parteien, Kostenersatz erhalten zu können, vorgesehen sind).

3.3. […]

3.4. § 13 Abs 1 lita RATG ist aber auch in sich sachlich:

3.4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz nur insoweit inhaltliche Schranken gesetzt, als er ihm verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes nicht verwehrt, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen. Er darf von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl. zuletzt zB VfSlg 19.722/2012 mwN).

3.4.2. So hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass die Bemessung der Gerichtsgebühren in einem Rekursverfahren auf der Basis der im Exekutionsverfahren betriebenen Gesamtforderung (und nicht auf Basis jenes Teilbetrages, der Gegenstand des Rekurses ist) nicht unsachlich ist (VfSlg 9455/1982). Die diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Rechtslage scheint mit der hier einschlägigen Rechtslage unmittelbar vergleichbar zu sein.

3.4.3. Wie unter Pkt. I.1.2. dargestellt, verfolgt die angefochtene Regelung prozessökonomische Motive. Anders als im Zivilprozess, in dem allfällige, üblicherweise nicht allzu häufige Änderungen der Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der Urteilsfällung zumeist relativ problemlos nachvollzogen werden können, ist im Exekutionsverfahren über weitere Exekutionskosten regelmäßig sofort beschlussmäßig zu entscheiden.

Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung wird aber das Gericht häufig noch gar nicht in Kenntnis einer allfälligen Teilzahlung durch den Verpflichteten sein. Nichts anderes wird oft auch im Zeitpunkt einer entsprechenden Antragstellung für den Betreibenden bzw. dessen Rechtsvertreter gelten. Dazu kommt, dass oftmals nicht nur die Tatsache der Zahlung an sich unklar sein wird, sondern auch offen bzw. strittig sein kann, ob die erfolgte Teilzahlung auf das Kapital oder nicht doch nur oder zumindest teilweise auf Nebenforderungen anzurechnen ist. Das wird nämlich nicht nur durch die zu erhebenden beiderseitigen Widmungen bestimmt, sondern kann, wenn diese nicht erfolgt sind oder nicht übereinstimmen oder mehrere betreibende Gläubiger oder betriebene Forderungen für die Anrechnung der Zahlung an das Gericht in Betracht kommen, auch durch den Zeitpunkt des Entstehens bzw. der Fälligkeit der jeweiligen Nebenforderungen an Zinsen und Kosten (vgl. §§216 Abs 2 und 286 Abs 4 EO,§ 1416 ABGB) bedingt sein. Dem Gericht entstünde somit ein umfangreicher und komplexer (oftmals wiederkehrender) Erhebungs- und Entscheidungsaufwand (bis zur wiederholten Anwendung der [Meistbots]Verteilungsgrundsätze) lediglich zur Feststellung einer Kostenbemessungsgrundlage.

Das aufwändige, ständige Neuberechnen der Bemessungsgrundlage im Laufe eines Exekutionsverfahrens sollte aber durch die Neufassung des § 13 Abs 1 lita RATG durch die Exekutionsordnungs-Novelle 1995 gerade verhindert werden, indem als Bemessungsgrundlage einzig und allein der Wert des Anspruchs an Kapital festgelegt wurde. Diese Regelung gewährleistet eine einfache, an objektiven Kriterien orientierte und damit nachvollziehbare Bemessung des Rechtsanwaltstarifs, die zudem mit einem geringen Aufwand für das Gericht verbunden ist.

3.4.4. Auch unter Berücksichtigung der Position des Verpflichteten des Exekutionsverfahrens erscheint die Regelung nicht unsachlich. Anders als im Zivilverfahren liegt es im Exekutionsverfahren einseitig an der verpflichteten Partei ihre – rechtskräftig festgestellte – Verpflichtung zu erfüllen. Weitere Antragstellungen im Exekutionsverfahren nach Bewilligung der Exekution werden daher – wie dies auch im Anlassverfahren der Fall ist – zumeist auf die weitere Säumigkeit des Verpflichteten mit der Zahlung zurückzuführen sein. Angesichts dessen können diesem auch allfällige nachteiligen Folgen zugemutet werden. Unbilligen Ergebnissen ist durch die erwähnte Anmerkung zu Tarifpost 1 RATG vorgekehrt.

4. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass die Wortfolge 'eine Änderung der Bemessungsgrundlage tritt während des Verfahrens nicht ein' in § 13 Abs 1 lita des Rechtsanwaltstarifgesetzes (RATG), BGBl Nr 189/1969 in der Fassung BGBl Nr 519/1995, nicht verfassungswidrig ist."

3. Die mitbeteiligte Partei S. J. Landmaschinen GmbH Co KG hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des LG Innsbruck ob der Verfassungskonformität des § 13 Abs 1 lita RATG entgegentritt:

"Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist nicht gegeben, da eine Gleichbehandlung aller verpflichteten Parteien eines Exekutionsverfahrens erfolgt. Zudem steht es jeder verpflichteten Partei frei, weitere Kosten zu vermeiden, indem die aushaftende Schuld vollständig beglichen wird. Der Vergleich mit einem Zivilprozeß übersieht, dass es sich hiebei um eine andere Verfahrensart handelt und Zivilverfahren meist auch durch aufwendige Beweisverfahren gekennzeichnet sind. Zudem hat der Gesetzgeber auch einen gewissen Ausgleich dadurch geschaffen, dass im Exekutionsverfahren Anträge nach TP 1 RATG für die Dauer von 12 Monaten nicht zu entlohnen sind. Zusammengefasst widerspricht daher die angefochtene Bestimmung nicht dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 7 B VG."

4. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag schließt sich in seiner Äußerung der Äußerung der Bundesregierung vollinhaltlich an.

II. Rechtslage

1. § 13 der Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG), BGBl 189/1969 in der nach wie vor in Geltung stehenden Fassung BGBl 519/1995 lautet (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):

"§13. (1) Im Exekutions(Sicherungs)verfahren ist Bemessungsgrundlage

a) für den betreibenden Gläubiger oder sonstigen Berechtigten der Wert des Anspruchs an Kapital; Prozeßkosten oder Nebengebühren sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie allein den Gegenstand des durchzusetzenden oder zu sichernden Anspruchs bilden; eine Änderung der Bemessungsgrundlage tritt während des Verfahrens nicht ein ;

b) für den Verpflichteten der Wert des durch seinen Antrag betroffenen Anspruches;

c) für den Drittschuldner der Wert der gepfändeten Forderung, wenn dieser niederer ist als der Anspruch des betreibenden Gläubigers, sonst der in lita angegebene Wert;

d) für den Bieter und für den Ersteher der Wert des erzielten Meistbotes.

(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl Nr 519/1995)."

2. Die hier maßgeblichen Gesetzesmaterialien zu § 13 RATG lauten auszugsweise (RV 195 BlgNR 19. GP, 62):

"Während sich die rechtsanwaltstarifliche Bemessungsgrundlage für den betreibenden Gläubiger im Exekutionsverfahren nach der derzeitigen Regelung des § 13 Abs 1 lita und Abs 2 nicht nur nach dem Kapital, sondern auch nach den bis zum Zeitpunkt des Antrags auf Exekutionsbewilligung oder auf neuerlichen Vollzug entstandenen und noch nicht berichtigten Nebengebühren richtet, was insbesondere durch das ständige Auflaufen von Zinsen und weiteren Exekutionskosten zu laufenden Änderungen der Bemessungsgrundlage führt, soll in Hinkunft - so wie im Zivilprozeß - grundsätzlich nur der Wert des Anspruchs an Kapital Bemessungsgrundlage sein. Prozeßkosten und Nebengebühren sollen - so wie im Gerichtsgebührenrecht (§19 Abs 2 letzter Satz GGG) - in Hinkunft nur dann für die Höhe der Bemessungsgrundlage maßgeblich sein, wenn sie allein geltend gemacht werden. Die sich so ergebende Bemessungsgrundlage soll für das gesamte Verfahren beibehalten werden (Z2). Dies erfordert auch eine entsprechende Anpassung des Wortlauts der allgemeinen Bemessungsgrundlagenregelung des § 3 (Z1). Durch die Neuregelung wird das aufwendige, ständige Neuberechnen der Bemessungsgrundlage im Lauf eines Exekutionsverfahrens vermieden und eine möglichst einfache und überprüfbare Bemessungsgrundlagenregelung herbeigeführt. Ein willkürliches 'Splitten' des Exekutionsantrags durch den betreibenden Gläubiger in Kapital, Zinsen und Kosten wird im Übrigen durch die unverändert beibehaltene Regelung über die Verbindungspflicht von Schriftsätzen (§22) verhindert."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B VG bzw. Art 139 B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 12.189/1989, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Die angefochtene Bestimmung ist präjudiziell, das LG Innsbruck hat die Bestimmung im angefochtenen Umfang in dem seinem Antrag zugrunde liegenden Rekursverfahren anzuwenden.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Das antragstellende Gericht hält § 13 Abs 1 lita RATG für nicht vereinbar mit dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes, weil eine sachliche Rechtfertigung dafür fehle, dass "ein Verpflichteter für im Exekutionsverfahren entstehende Kosten trotz teilweiser Befriedigung der Kapitalforderung stets auf Basis des ursprünglich betriebenen Kapitalbetrages einstehen" müsse.

2.3. Diese Bedenken treffen nicht zu:

2.3.1. Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich offensteht, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für durchaus eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen (zB VfSlg 10.770/1986, 11.795/1988, 13.455/1993), sofern nur die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform ausgestaltet sind (siehe zuletzt etwa mwN). Es liegt daher im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Bemessungsgrundlage für den Rechtsanwaltstarif im Exekutions(Sicherungs)verfahren anders als im Zivilprozess zu regeln.

2.3.2. § 13 Abs 1 lita RATG ist aber auch in sich sachlich:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz nur insoweit inhaltliche Schranken gesetzt, als er ihm verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes nicht verwehrt, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen. Er darf von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl. zuletzt zB VfSlg 19.722/2012 mwN) sowie auch Härtefälle in Kauf nehmen (vgl. VfSlg 16.771/2002 mwN).

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Bemessung der Gerichtsgebühren in einem Rekursverfahren auf der Basis der im Exekutionsverfahren betriebenen Gesamtforderung – auch wenn nur ein Teilbetrag einer betriebenen Forderung Gegenstand des Rekurses ist – nicht unsachlich ist (VfSlg 9455/1982). Die diesem Erkenntnis zugrunde liegende Rechtslage ist mit der vorliegenden Rechtslage unmittelbar vergleichbar.

Mit der Neufassung des § 13 Abs 1 lita RATG im Zuge der Exekutionsordnungs-Novelle 1995 sollte das laufende und aufwändige Neuberechnen der Bemessungsgrundlage während eines Exekutionsverfahrens verhindert werden, indem als Bemessungsgrundlage ausschließlich der Wert des Anspruchs an Kapital festgelegt wurde. Diese Regelung gewährleistet eine einfache, objektiv nachvollziehbare Bemessung des Rechtsanwaltstarifs, die zudem mit einem geringen Aufwand für das Gericht verbunden ist.

Die angefochtene Regelung verfolgt daher prozessökonomische Motive: Im Exekutionsverfahren ist über weitere Exekutionskosten regelmäßig sofort beschlussmäßig zu entscheiden, anders als im Zivilprozess, in dem allfällige, nicht allzu häufige Änderungen der Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der Urteilsfällung zumeist relativ problemlos nachvollzogen werden können. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung wird das Gericht häufig noch gar nicht in Kenntnis einer allfälligen Teilzahlung durch den Verpflichteten sein. Nichts anderes wird oft auch im Zeitpunkt einer entsprechenden Antragstellung für den Betreibenden bzw. dessen Rechtsvertreter gelten. Dazu kommt, dass oftmals nicht nur die Tatsache der Zahlung an sich unklar ist, sondern auch offen bzw. strittig sein kann, ob die erfolgte Teilzahlung auf das Kapital oder auf Nebenforderungen anzurechnen ist.

2.3.3. Selbst unter Berücksichtigung der Position des Verpflichteten des Exekutionsverfahrens wird die Regelung nicht unsachlich. Im Exekutionsverfahren liegt es anders als im Zivilverfahren einseitig an der verpflichteten Partei, ihre – rechtskräftig festgestellte – Verpflichtung zu erfüllen. Weitere Antragstellungen im Exekutionsverfahren nach Bewilligung der Exekution werden daher – wie dies auch im Anlassverfahren der Fall ist – zumeist auf die weitere Säumigkeit des Verpflichteten mit der Zahlung zurückzuführen sein. Angesichts dessen können diesem auch – im Einzelfall wie hier – allfällige nachteiligen Folgen zugemutet werden. Zudem wurde durch die Erlassung einer Anmerkung zu Tarifpost 1 RATG eine Kostensenkung für die verpflichtete Partei geschaffen, indem im Exekutionsverfahren mit der Entlohnung des Exekutionsantrages bzw. des Antrages des betreibenden Gläubigers auch alle innerhalb von zehn Monaten nach Bewilligung der Exekution eingebrachten, unter Tarifpost 1 RATG fallenden Schriftsätze des betreibenden Gläubigers abgegolten werden.

2.4. Die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs 1 lita letzter Satz RATG treffen daher nicht zu.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Erwägungen

1. Der Antrag ist daher als unbegründet abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:G78.2013