VfGH vom 15.12.2011, g77/10
Sammlungsnummer
19609
Leitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit von landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen über die Bedarfsprüfung für selbständige Ambulatorien im Hinblick auf die mit Erkenntnis festgestellte Verfassungsmäßigkeit der grundsatzgesetzlichen Bestimmung des KAKuG
Spruch
§5 Abs 3 Z 1 des Gesetzes vom über die Krankenanstalten im Burgenland (Burgenländisches Krankenanstaltengesetz 2000 - Bgld. KAG), LGBl. 52 in der Fassung LGBl. 82/2005, war nicht verfassungswidrig.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B174/10 eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung anhängig, mit dem nach Aufhebung des im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof () fortgesetzten Verfahren der Antrag auf Erteilung der krankenanstaltenrechtlichen Bewilligung für ein in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums zu betreibendes Institut für Physikalische Medizin mangels Bedarfes gemäß § 5 Abs 3 des Burgenländischen Krankenanstaltengesetzes 2000 (Bgld. KAG), LGBl. 52 idF LGBl. 82/2005, abgewiesen wurde.
2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in den Verfahren maßgeblichen Ausführungsbestimmungen entsprechenden Grundsatzbestimmung des § 3 Abs 2 lita KAKuG, BGBl. 1/1957 idF BGBl. I 155/2005, sowie des § 5 Abs 3 Z 1 Bgld. KAG 2000, LGBl. 52 idF LGBl. 82/2005, entstanden. Er hat daher am beschlossen, diese Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof hat seine Bedenken dabei - im Wesentlichen wortident mit dem bereits am , im Verfahren zu G182/09 und G279/09, gefassten Beschluss, die oben genannte Bestimmung des KAKuG zu prüfen -, folgendermaßen formuliert:
"1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass er die Bestimmung des § 3 Abs 2 lita KAKuG bei Beurteilung der Verfassungskonformität des § 5 Abs 3 Z 1 Burgenländisches Krankenanstaltengesetz 2000 anzuwenden hätte, obgleich die erstere Bestimmung von der belangten Behörde nicht anzuwenden war. Die Präjudizialität dieser Bestimmung ist nämlich - so die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes - auch dann gegeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Verfassungsmäßigkeit des nicht unmittelbar anzuwendenden Bundesgesetzes eine Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der unmittelbar anzuwendenden Landesgesetze bildet (vgl. dazu VfSlg. 3024/1956, 15.576/1999).
1.2. Gemäß Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG obliegt in den Angelegenheiten der 'Heil- und Pflegeanstalten' dem Bund die Grundsatzgesetzgebung und den Ländern die Ausführungsgesetzgebung unter Bindung an die vom Bund getroffenen Grundsätze (zur Auslegung des Begriffes der 'Heil- und Pflegeanstalten' vgl. VfSlg. 4020/1961). In Ausübung seiner Kompetenz gemäß Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG hat der Bund die Grundsatzbestimmungen des 1. Teiles des KAKuG erlassen.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 14.322/1995 ausgesprochen hat, ist das Verhältnis von bundesgesetzlicher Grundsatzgesetzgebung zu landesgesetzlicher Ausführungsgesetzgebung von zwei Verfassungsgeboten gekennzeichnet: Einerseits hat sich das Grundsatzgesetz auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken und darf über diese im Art 12 B-VG gezogene Grenze hinaus nicht Einzelregelungen treffen, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind (vgl. zB VfSlg. 2087/1951, 3340/1958, 3598/1959). Andererseits darf das Ausführungsgesetz dem Grundsatzgesetz nicht widersprechen (vgl. zB VfSlg. 2087/1951, 2820/1955, 4919/1965), es also auch nicht in seiner rechtlichen Wirkung verändern (VfSlg. 3744/1960, 12.280/1990) oder einschränken (vgl. VfSlg. 4919/1965; ).
1.3. Die Bestimmung des § 5 Abs 3 Z 1 Burgenländisches Krankenanstaltengesetz 2000, LGBl. 52 in der Fassung LGBl. 82/2005, entspricht nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes den grundsatzgesetzlichen Vorgaben in Gestalt der ebenfalls in Prüfung gezogenen Bestimmung des § 3 Abs 2 lita KAKuG idF BGBl. I 155/2005.
Da die Verfassungsmäßigkeit der nicht unmittelbar anzuwendenden bundesgrundsatzgesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs 2 lita KAKuG idF BGBl. I 155/2005 eine Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der unmittelbar anzuwendenden landesgesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs 3 Z 1 Burgenländisches Krankenanstaltengesetz 2000 bilden dürfte und jene Bestimmung auch insoweit im vorliegenden Verfahren präjudiziell ist, dürfte die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens sowohl ob der im Spruch genannten grundsatzgesetzlichen Bestimmung als auch der ihr inhaltlich entsprechenden Ausführungsbestimmung zulässig sein.
2. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen jenes Bedenken, das auch den Verwaltungsgerichtshof in den zu G182/09 und G279/09 protokollierten Verfahren zur Stellung der Anträge nach Art 140 Abs 1 B-VG im Hinblick auf die Ausführungsbestimmungen in den Landes-Krankenanstaltengesetzen der Steiermark (Stmk. KALG) und von Oberösterreich (OÖ KAG 1997) bewogen hat. Die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat eine Bedarfsprüfung als Bewilligungsvoraussetzung für die Errichtung selbständiger Ambulatorien unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Erwerbsbetätigung als unbedenklich erachtet, sofern dabei kein Konkurrenzschutz von privaten erwerbswirtschaftlich geführten Einrichtungen bewirkt wird (siehe etwa VfSlg. 13.023/1992, 15.456/1999, 17.848/2006; dazu Stöger, Ausgewählte öffentlich-rechtliche Fragestellungen des österreichischen Krankenanstaltenrechts [2008] 501 ff.).
2.1. Wie der Hartlauer Handelsgesellschaft mbH, C-169/07 (Rz. 55 ff.), ausgesprochen hat, steht Art 43 EG in Verbindung mit Art 48 EG (nunmehr Art 49 und 54 AEUV) nationalen Rechtsvorschriften, nach denen für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde eine Bewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung, wenn angesichts des bereits bestehenden Versorgungsangebots durch Kassenvertragsärzte kein die Errichtung einer solchen Krankenanstalt rechtfertigender Bedarf besteht, zu versagen ist, u.a. dann entgegen, sofern nicht auch Gruppenpraxen einem solchen System unterworfen werden.
Daraus dürfte daher für den vorliegenden
Beschwerdefall zu folgern sein, dass die Anwendung der den Art 43 (iVm Art 48) EG (nunmehr Art 49 und 54 AEUV) widersprechenden Bestimmungen des nationalen Rechts, welche die Erteilung einer Errichtungsbewilligung von einem Bedarf nach den beantragten Ambulatorien abhängig machen, zu unterbleiben hat.
2.2. Im Hinblick auf die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen bezieht sich zwar auch die vom gegebene Antwort nur auf Zahnambulatorien, die Urteilsbegründung lässt aber nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes nicht den Schluss zu, dass die Gründe, aus denen der EuGH die Unvereinbarkeit des Bedarfserfordernisses mit Art 43 iVm Art 48 EG gefolgert hat, auf Zahnambulatorien beschränkt wären und für andere Ambulatorien nicht gelten sollten. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass eine nationale Regelung, nach der für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums eine Bewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung, wenn angesichts des bereits bestehenden Versorgungsangebots durch Kassenvertragsärzte kein die Errichtung einer solchen Krankenanstalt rechtfertigender Bedarf besteht, zu versagen ist, ebenfalls im Widerspruch zu Art 43 iVm Art 48 EG (nunmehr Art 49 und 54 AEUV) steht, sofern nicht auch Gruppenpraxen einem solchen System unterworfen sind. Eine derartige Bedarfsprüfung für Gruppenpraxen scheint aber weder nach dem Ärztegesetz 1998, BGBl. I 169/1998, noch nach dem Zahnärztegesetz (ZÄG), BGBl. I 126/2005, zu bestehen. Das sich aus diesem Widerspruch zum Unionsrecht ergebende Gebot der Nichtanwendung der entsprechenden Bestimmungen betrifft aber - so die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes - nur jene Sachverhalte, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, nicht aber auch jene, die ausschließliche Binnensachverhalte darstellen.
2.3.1. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber Ausländern am Gleichheitssatz zu messen und bedarf daher einer sachlichen Rechtfertigung (vgl. VfSlg. 13.084/1992, 14.863/1997, 14.963/1997). Dieser Grundgedanke wurde vom Verfassungsgerichtshof in Anbetracht der 'doppelten Bindung' des Gesetzgebers bei Umsetzung von Gemeinschaftsrecht auch auf die so genannte 'Inländerdiskriminierung' übertragen (vgl. VfSlg. 14.863/1997, 14.963/1997, 15.683/1999, 18.656/2008).
Verstößt eine gesetzliche Bestimmung des nationalen Rechts gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht, dann wird sie in Fällen mit Gemeinschaftsbezug (aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts) verdrängt. Die nationalen Normen sind dann so zu lesen, als ob die verdrängte Bestimmung nicht vorhanden wäre; es ist also der gemeinschaftsrechtskonforme nationale Regelungstorso anzuwenden. In allen anderen Fällen ist die nationale Norm in ihrer Gesamtheit anzuwenden. Vergleicht man nun die nationale Norm mit dem (durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes entstandenen) nationalen Regelungstorso, so ist zu prüfen, ob dabei nicht Sachverhalte ohne Gemeinschaftsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug diskriminiert werden (VfSlg. 17.150/2004, 18.656/2008).
2.3.2. In den hier zugrunde liegenden Konstellationen ergibt sich die differenzierte Behandlung von Bewilligungswerbern hinsichtlich selbständiger Ambulatorien aus dem Umstand, dass die die Bedarfsprüfung für selbständige Ambulatorien anordnende Bestimmung des Burgenländischen Krankenanstaltengesetzes 2000 im Anwendungsbereich des Unionsrechts mit Blick auf die Gewährleistungen der Niederlassungsfreiheit (Art49 AEUV iVm Art 54 AEUV) nicht, im Hinblick auf davon nicht erfasste Sachverhalte jedoch in vollem Umfang anzuwenden sind (dazu Kröll, Anmerkungen zum , Hartlauer, ZfV 2009, 369 [371]; Joklik, Das "Hartlauer-Urteil" des EuGH und seine Folgen für die Bedarfsprüfung, RdM 2009, 147 [150 f.]).
Im Ergebnis scheint daher eine Rechtslage
vorzuliegen, die dazu führt, dass inländische Bewilligungswerber in unsachlicher Weise schlechter behandelt werden als in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallende Sachverhalte. Der Verfassungsgerichtshof hegt daher vorläufig das Bedenken, dass auch die in Prüfung gezogene Bestimmung des Grundsatzgesetzes, welche den Landesgesetzgeber bindet und daher anscheinend auch daran hindert, eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen, dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz widersprechen dürfte.
3. Zur Herstellung einer verfassungskonformen
Rechtslage ist der Verfassungsgerichtshof vorerst anscheinend genötigt, die gesamte Bestimmung des § 3 Abs 2 lita KAKuG sowie auch die Regelung des § 5 Abs 3 Z 1 Burgenländisches Krankenanstaltengesetz 2000 in ihrem gesamten Umfang in Prüfung zu ziehen."
3. Die Bundesregierung und die Burgenländische Landesregierung sahen von der Erstattung einer meritorischen Äußerung ab.
4. Mit Erkenntnis vom , G41,42/10 ua., sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die in Rede stehende Bestimmung des KAKuG nicht verfassungswidrig war. Er hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
"Die Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass hinsichtlich der Bedarfsprüfung für Ambulatorien aufgrund der in Prüfung gezogenen Bestimmung des KAKuG bis zum In-Kraft-Treten der Neuregelung am eine Rechtslage vorlag, die dazu führte, dass inländische Bewilligungssachverhalte in unsachlicher Weise schlechter behandelt werden als in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallende Sachverhalte, erweist sich angesichts der begrenzten zeitlichen Geltungsdauer dieser Rechtslage im Ergebnis als nicht zutreffend.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
2.1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber Ausländern am Gleichheitssatz zu messen und bedarf daher einer besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl. VfSlg. 13.084/1992, 14.863/1997, 14.963/1997). In seinem Erkenntnis
VfSlg. 14.963/1997 hat der Verfassungsgerichtshof - in Wiederholung der Bedenken des Prüfungsbeschlusses - dazu ausgeführt,
'[...] daß der Gesetzgeber auch bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts jedenfalls insofern an bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben gebunden bleibt, als eine Umsetzung durch diese nicht inhibiert wird, was in der Lehre als 'doppelte Bindung' des Gesetzgebers bei Umsetzung von Gemeinschaftsrecht bezeichnet wird (vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht2, 1995, 86).'
Das Prinzip der doppelten Bindung des Gesetzgebers bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht lässt es daher im Allgemeinen nicht zu, den Umstand, dass eine bestimmte Regelung gemeinschaftsrechtlich geboten ist, zugleich als alleinige sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Inländern und Unionsbürgern bei Anwendung einer Norm heranzuziehen. Dies gilt entsprechend für die Differenzierung zwischen rein innerstaatlichen Sachverhalten und - jeweils bezogen auf Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR - grenzüberschreitenden Sachverhalten bzw. Sachverhalten mit Bezügen zum Unionsrecht.
2.2. Urteile des EuGH, die aussprechen, dass
unmittelbar anwendbares Unionsrecht einer innerstaatlichen Norm entgegensteht, haben die Wirkung, dass die betreffenden Teile der nationalen Rechtsordnung wegen Verstoßes gegen unionsrechtliche Bestimmungen künftig unangewendet zu bleiben haben, sodass eine nach innerstaatlichen Maßstäben an sich verfassungskonforme Rechtslage im Gefolge des Urteils des EuGH nur mehr auf Sachverhalte, die nicht vom Vorrang des Unionsrechtes betroffen sind, weiterhin anzuwenden ist. Ein solches Urteil des EuGH kann daher mit seiner Erlassung in diesem Restanwendungsbereich im Ergebnis eine sogenannte 'Inländerdiskriminierung' bewirken.
2.3. In einem solchen Fall ergibt sich die Ungleichbehandlung rein innerstaatlicher Sachverhalte aus dem Nebeneinander von innerstaatlichem Recht und Unionsrecht, vornehmlich von Regelungen über die Grundfreiheiten (wie zB der Kapitalverkehrsfreiheit, vgl. zB , Salzmann II, Slg. 2003, I-4899, und VfSlg. 17.150/2004 zum grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt des § 8 Abs 3 Vbg. GVG 2000). Diese Rechtsfolge kann nicht nur auf Rechtsgebieten eintreten, auf denen den Organen der Europäischen Union nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung eine Regelungskompetenz zukommt, sondern - unabhängig von den Zuständigkeiten der Unionsorgane - auch auf jeglichem anderen Rechtsgebiet, sofern dessen Regelungen insbesondere eine der Grundfreiheiten des Unionsrechtes in unionsrechtswidriger Weise beschränken.
2.4. Ein Urteil des EuGH kann also auf jedwedem Rechtsgebiet eine - wie auch die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Gesetzesprüfungsanträge des Verwaltungsgerichtshofes zur Bedarfsprüfung im Krankenanstaltenrecht zeigen - beachtliche Anzahl von rein inlandsbezogenen Folgefällen provozieren, die im Falle der erfolgreichen Geltendmachung einer nunmehr eingetretenen Verfassungswidrigkeit der Norm dazu führen können, dass aufgrund der Anlassfallwirkung eines das Gesetz aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG Bewilligungen ohne die Berücksichtigung von im öffentlichen Interesse bestehenden Schranken des Gesetzes erlangt werden können, die bei Fortbestehen der früheren Rechtslage nicht hätten erteilt werden dürfen.
2.5. Dieser Effekt kann den öffentlichen Interessen zuwiderlaufen, wenn - wie hier - der in der Norm vorgesehene Erlaubnisvorbehalt zur Errichtung von Krankenanstalten an sich unionsrechtlich zulässig ist, aber nur in seiner konkreten Ausgestaltung als unionsrechtswidrig festgestellt wurde. In einem solchen Fall stehen dem Gesetzgeber nämlich im Allgemeinen mehrere Reaktionsmöglichkeiten unionsrechtskonformer Neuregelungen offen, einschließlich der Möglichkeit, den strittigen Erlaubnisvorbehalt - vorbehaltlich der unionsrechtlich erforderlichen Begleitmaßnahmen - beizubehalten.
2.6. Eine geordnete Krankenanstaltenplanung dient der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen medizinischen Versorgung und der Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit, wie der EuGH in der Entscheidung 'Hartlauer Handelsgesellschaft mbH' (, Rs. C-169/07, Slg. 2009, I-1721) erneut ausdrücklich anerkannt hat (Rz 47 unter Hinweis auf das frühere Urteil vom , Rs. C-372/04, Watts, Slg. 2006, I-4325; vgl. auch , Rs. C-158/96, Kohll, Slg. 1998, I-1931, Rz 41; in diesem Sinne auch schon VfSlg. 15.456/1999 - Bedarfsprüfung OÖ KAG), und damit dem wichtigen öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Gesundheitswesen.
2.7. In dieser Konstellation widerspricht ein
zwischen der Verkündung des Urteils des EuGH und dem Zeitpunkt der Neuregelung durch den Gesetzgeber als Folge der Anlassfallwirkung einer Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof entstehendes gesetzliches Vakuum dem jeweils der Norm zugrundeliegenden öffentlichen Interesse an einer geordneten Krankenanstaltenplanung, weil dadurch der Zugang zu Bewilligungen eröffnet werden kann, die weder nach alter Rechtslage noch nach einer (möglichen) unionsrechtskonformen neuen Rechtslage erteilt werden dürfen.
2.7.1. Es besteht in einer Konstellation wie der hier vorliegenden daher ein erhebliches öffentliches Interesse an der grundsätzlichen Aufrechterhaltung des nationalen Regelungsregimes zumindest im überwiegend innerstaatlichen Restanwendungsbereich für jenen Zeitraum, der vom Gesetzgeber für eine (unionsrechtlich zulässige) Neuregelung benötigt wird.
2.7.2. Dieses öffentliche Interesse vermag daher die aus (allein) unionsrechtlicher Ursache entstandene 'inländerdiskriminierende' Wirkung einer Norm vorübergehend, nämlich für die Dauer einer für die Neuregelung erforderlichen Übergangszeit, sachlich zu rechtfertigen.
2.7.3. Was die Dauer eines solchen Zeitraums
betrifft, so ist der in Art 140 Abs 5 B-VG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke auch hier sinngemäß zu berücksichtigen. Im Interesse eines geordneten Gesetzgebungsprozesses ist daher - in einem Fall wie dem vorliegenden - die diskriminierende Wirkung einer Norm aus den genannten Gründen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber vorübergehend für einen angemessenen Zeitraum hinzunehmen.
2.8. Diesen Zeitraum hat der Gesetzgeber hier nicht überschritten:
2.8.1. Unter Berücksichtigung der sich aus dem Urteil des EuGH im Fall 'Hartlauer Handelsgesellschaft mbH' (, Rs. C-169/07, Slg. 2009, I-1721) ergebenden Schlussfolgerungen wurden mit dem am ausgegebenen Bundesgesetz zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung, BGBl. I 61/2010, neben einer Neuregelung der Bedarfsprüfung für selbständige Ambulatorien im KAKuG spezielle Regelungen für das Zulassungsverfahren von Gruppenpraxen nach dem ÄrzteG 1998 und dem ZÄG getroffen (vgl. dazu im Einzelnen § 52c ÄrzteG 1998 und § 26b ZÄG idF BGBl. I 61/2010; zur Abgrenzung zwischen Gruppenpraxis und selbständigen Ambulatorien nach der neuen Rechtslage s. Stärker, ecolex 2010, 1123 ff.). Mit dieser gesetzgeberischen Maßnahme ist der im 'Hartlauer'-Urteil des EuGH genannte Grund für die Unanwendbarkeit der Bestimmungen über die Bedarfsprüfung von Ambulatorien bei Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug, damit aber auch die insoweit eingetretene Ungleichbehandlung von Sachverhalten, die nicht vom Vorrang des Unionsrechts betroffen sind, weggefallen. Der sich daraus ergebende Zeitraum von rund 16 Monaten, während dessen das Gesetz eine diskriminierende Wirkung gegenüber Sachverhalten ohne Gemeinschaftsrechtsbezug entfalten konnte, kann nach diesem Maßstab als angemessen erachtet werden.
2.8.2. Dem Verfassungsgerichtshof war es daher im Lichte des vorstehend Gesagten verwehrt, für den Zeitraum ab der Erlassung des Urteils des EuGH in der Rechtssache 'Hartlauer Handelsgesellschaft mbH' am bis zum In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung der Bedarfsprüfung für Ambulatorien und Gruppenpraxen am eine Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen und durch die dargelegte Neuregelung des KAKuG außer Kraft getretenen Bestimmung zu erkennen.
2.9. Die in den Prüfungsbeschlüssen formulierten Bedenken haben sich daher im Ergebnis als unbegründet erwiesen."
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall in Prüfung gezogene, in Ausführung der grundsatzgesetzlichen Regelung des § 3 Abs 2 lita KAKuG ergangene, Bestimmung des § 5 Abs 3 Z 1 Bgld. KAG, LGBl. 52/2000 idF LGBl. 82/2005, lautete wie folgt (die in Prüfung gezogenen Teile der Bestimmung sind hervorgehoben):
"Errichtungsbewilligung
§5. (1) Krankenanstalten dürfen nur mit Bewilligung der Landesregierung errichtet werden. Ist der Rechtsträger der Krankenanstalt ein Krankenversicherungsträger, so bedarf er lediglich bei selbständigen Ambulatorien einer Errichtungsbewilligung. Die beabsichtigte Errichtung einer allgemeinen Krankenanstalt durch einen Sozialversicherungsträger ist der Landesregierung anzuzeigen.
(2) Anträge auf Erteilung der Errichtungsbewilligung haben den Anstaltszweck und das in Aussicht genommene Leistungsangebot genau zu bezeichnen. Weiters sind dem Antrag maßgerechte Baupläne und Bau- und Betriebsbeschreibungen in dreifacher Ausfertigung anzuschließen.
(3) Die Errichtungsbewilligung ist, sofern nicht Abs 6 anzuwenden ist, zu erteilen, wenn
1. nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot
a) im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie
b) bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, ein Bedarf gegeben ist.
2. gegen den Bewerber keine Bedenken bestehen, die seine Verlässlichkeit und Eignung zum Betrieb der Krankenanstalt ausschließen; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er beim Betrieb einer Krankenanstalt bereits einmal wegen einer einschlägigen Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft oder wenn er wegen einer Tat rechtskräftig gerichtlich verurteilt wurde, die ihrer Art nach annehmen lässt, dass vom Bewerber ein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechender Betrieb nicht zu erwarten ist;
3. das Eigentumsrecht oder ein sonstiges Recht zur Benützung der für die Krankenanstalt in Aussicht genommenen Betriebsanlage nachgewiesen ist, das die dauernde und ungehinderte Benützung der Betriebsanlage gestattet und
4. die vorgesehene Betriebsanlage den bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften entspricht und nach ihrer Lage und Beschaffenheit für die Art der vorgesehenen Krankenanstalt geeignet ist.
(4) Beabsichtigt der Träger der Krankenanstalt Mittel auf Grund der Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens (im Folgenden kurz: Träger der Fondskrankenanstalt) in Anspruch zu nehmen, so hat er dies bereits im Antrag auf Erteilung der Errichtungsbewilligung bekannt zu geben. In diesem Fall ist neben den Voraussetzungen des Abs 3 die Errichtungsbewilligung auch davon abhängig, dass die Errichtung nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot dem Landeskrankenanstaltenplan (§14) entspricht.
(5) Einer juristischen Person, die nicht Gebietskörperschaft ist, kann die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt bei Vorhandensein der sonstigen Voraussetzungen erteilt werden, wenn sie auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung oder ihrer Satzung zur Errichtung von Krankenanstalten berufen ist und wenn zu erwarten ist, dass ein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechender Betrieb der Krankenanstalt gewährleistet ist.
(6) Im Verfahren zur Erteilung der Errichtungsbewilligung haben, sofern nicht Abs 7 anzuwenden ist,
1. die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten;
2. die betroffenen Sozialversicherungsträger;
3. bei Krankenanstalten im Sinne von § 1 des Burgenländischen Krankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetzes ferner die Landeskommission als Organ des Burgenländischen Krankenanstalten-Finanzierungsfonds und
4. bei selbständigen Ambulatorien auch die Burgenländische Ärztekammer sowie bei Zahnambulatorien auch die Österreichische Dentistenkammer hinsichtlich des nach Abs 3 Z 1 zu prüfenden Bedarfes Parteistellung gemäß § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG und das Recht der Beschwerde gemäß Art 131 Abs 2 B-VG.
(7) Die Errichtungsbewilligung für ein selbständiges Ambulatorium eines Krankenversicherungsträgers ist zu erteilen, wenn ein Einvernehmen zwischen dem Krankenversicherungsträger und der zuständigen öffentlich-rechtlichen Interessenvertretung der Ärzte bzw. der Dentisten oder zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer bzw. der Österreichischen Dentistenkammer vorliegt (§339 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes-ASVG) oder andernfalls die Landesregierung feststellt, dass ein Bedarf nach Abs 3 Z 1 besteht. Dies gilt auch dann, wenn die Krankenversicherungsträger Dritte mit dem Betrieb eines Ambulatoriums betraut.
(8) Im Verfahren zur Erteilung der Errichtungsbewilligung für ein selbständiges Ambulatorium eines Krankenversicherungsträgers haben die zuständige Ärztekammer und bei Zahnambulatorien auch die Österreichische Dentistenkammer Parteistellung gemäß § 8 AVG und das Recht der Beschwerde gemäß Art 131 Abs 2 B-VG, wenn
1. über das Vorhaben des Krankenversicherungsträgers kein Einvernehmen im Sinne des § 339 ASVG zustande gekommen ist,
2. der Antrag des Krankenversicherungsträgers nicht mit einem nach § 339 ASVG erzielten Einvernehmen übereinstimmt oder
3. die Entscheidung der Behörde über den Inhalt des nach § 339 ASVG erzielten Einvernehmens hinausgeht.
(9) Im Bewilligungsverfahren ist ein Gutachten des Landeshauptmannes als sanitäre Aufsichtsbehörde einzuholen. Der Gemeinde des in Aussicht genommenen Standortes ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben."
III. Erwägungen
1. Prozessvoraussetzungen
Im Verfahren wurden weder Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen vorgebracht noch sind solche beim Gerichtshof entstanden. Das Anlassverfahren B174/10 ist zulässig. Auch das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren erweist sich daher als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Die Bedenken erweisen sich jedoch aufgrund des im Prüfungsverfahren betreffend das Grundsatzgesetz ergangenen Erkenntnisses vom , G41,42/10 ua., als unbegründet.
2.2. Die im zu B174/10 protokollierten Verfahren in Prüfung gezogene Bestimmung des § 5 Abs 3 Z 1 Bgld. KAG entspricht den grundsatzgesetzlichen Vorgaben des § 3 Abs 2 lita KAKuG idF BGBl. I 155/2005, von denen der Verfassungsgerichtshof im oben genannten Erkenntnis ausgesprochen hat, dass sie nicht verfassungswidrig sind, weil die durch das , "Hartlauer Handelsgesellschaft mbH" Slg. 2009, I-1721, verursachte Diskriminierung von Sachverhalten ohne grenzüberschreitenden Bezug aufgrund des wichtigen öffentlichen Interesses an einer auch weiterhin geordneten Krankenanstaltenplanung für einen angemessenen Zeitraum sachlich gerechtfertigt und insoweit hinzunehmen ist.
Dieser Gedanke ist im vorliegenden Fall schon deshalb ohne weiteres auf die im Prüfungsbeschluss formulierten Bedenken gegen die genannte Bestimmung des burgenländischen Ausführungsgesetzes zu übertragen, weil die vor dem Hintergrund der erwähnten Entscheidung des EuGH nunmehr unionsrechtskonforme Rechtslage bereits durch die Einführung einer Bedarfsprüfung für Gruppenpraxen mit Inkrafttreten der Änderungen des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I 169, (vgl. dessen § 52c) und des Zahnärztegesetzes, BGBl. I 126/2005, (vgl. dessen § 26b) durch das Bundesgesetz zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung, BGBl. I 61/2010 am , herbeigeführt und damit der "inländerdiskriminierenden" Wirkung der angefochtenen Bestimmungen ein Ende gesetzt wurde. Es kommt angesichts dieser fristgerechten "Sanierungswirkung" durch die erwähnte Neuregelung daher nicht darauf an, ob und welche Bedeutung andernfalls dem Umstand zukäme, dass die Länder durch den Bundesgrundsatzgesetzgeber für die Ausführung der - ebenfalls abgeänderten - Bestimmungen des KaKuG über die Bedarfsprüfung bei Ambulatorien eine (weitere) Frist von sechs Monaten eingeräumt erhielten.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die im Prüfungsbeschluss formulierten Bedenken
haben sich daher als unbegründet erwiesen.
2. Die in Prüfung gezogene Bestimmung des Bgld. KAG erweist sich daher aus den im Erkenntnis vom , G41,42/10 ua., genannten Gründen als nicht verfassungswidrig.
3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.