VfGH vom 28.02.1991, g73/90
Sammlungsnummer
12645
Leitsatz
Feststellung der Gleichheitswidrigkeit einer Bestimmung in § 754 Abs 2 ABGB betreffend das gesetzliche Erbrecht eines minderjährigen unehelichen Kindes unter der Voraussetzung der Einbringung einer Vaterschaftsklage bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Vaters; Ausschluß wesentlicher Gruppen von unehelichen Kindern vom Erbrecht
Spruch
In § 754 Abs 2 des ABGB in der Fassung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des außerehelichen Kindes, BGBl. Nr. 342/1970, war der letzte Halbsatz -"; in diesem Falle genügt es, daß die Klage auf Feststellung spätestens zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Vaters erhoben worden ist" - verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Oberste Gerichtshof stellt den Antrag, den zweiten Halbsatz im dritten Satz des § 754 Abs 2 ABGB in der Fassung vor dem ErbrechtsänderungsG 1989, BGBl. Nr. 656, als verfassungswidrig aufzuheben. Er habe über den Revisionsrekurs einer Minderjährigen gegen eine auf diese Gesetzesstelle gestützte Zurückweisung ihrer Erbserklärung zum Nachlaß des am verstorbenen außerehelichen Vaters durch das Rekursgericht zu entscheiden. Die am geborene Rechtsmittelwerberin habe zunächst als Kind des Ehemannes ihrer Mutter gegolten, über die noch 1985 eingebrachte Klage des Staatsanwaltes habe das Bezirksgericht Kitzbühel jedoch am erkannt, daß sie kein eheliches Kind sei. Am sei die Klage auf Feststellung der Vaterschaft eingebracht und mit Urteil desselben Gerichtes vom der Erblasser als unehelicher Vater festgestellt worden. Mutter und Geschwister des Erblassers hätten allerdings unter Hinweis auf die gesetzliche Frist die Zurückweisung ihrer Erbserklärung begehrt. Die vom Verlassenschaftsgericht angenommene Erbserklärung sei durch das Rekursgericht mit der Begründung zurückgewiesen worden, § 754 Abs 2 ABGB enthalte eine materiellrechtliche Frist, nach deren Verstreichen das Erbrecht verwirkt sei.
Der Feststellung der Vaterschaft war - wie aus den Akten hervorgeht - ein Blutgruppengutachten unter Einbeziehung der Mutter und mehrerer Geschwister des Verstorbenen zugrundegelegen, wonach aus dem Zusammentreffen zweier seltener Faktoren (im HLA-System und Bf-System) eine Wahrscheinlichkeit von 99.991 % und damit das Kalkül "praktisch erwiesen" folgt.
§ 754 Abs 2 ABGB bestimmt in der Fassung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, BGBl. Nr. 342/1970 (angefochtener Teil hervorgehoben):
"Zum Nachlaß des Vaters, dessen Vaterschaft festgestellt ist, hat ein uneheliches Kind, vorbehaltlich der Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht der Witwe (§757 Abs 2 erster Satz), ein gesetzliches Erbrecht wie ein eheliches Kind, doch gehen ihm die ehelichen Nachkommen und die diesen erbrechtlich Gleichgestellten vor. Dieses gesetzliche Erbrecht des unehelichen Kindes wird durch eine Feststellung im Sinne des § 164b Abs 1 zweiter Satz nicht berührt. Die Vaterschaft muß vor dem Tode des Vaters festgestellt worden sein, außer das Kind ist zu dieser Zeit noch minderjährig; in diesem Falle genügt es, daß die Klage auf Feststellung spätestens zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Vaters erhoben worden ist."
(Der angezogene zweite Satz des § 164b Abs 1 ABGB erlaubt eine Klage der Eltern des die Vaterschaft Anerkennenden gegen das Kind auf Feststellung, daß dieses mangels leiblicher Abstammung nicht ihr Enkel ist).
Die Bundesregierung verteidigt in ihrer Äußerung die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.
II. Der Antrag ist zulässig.
Es ist nichts hervorgekommen, was gegen die Annahme des Obersten Gerichtshofes spräche, er hätte bei Entscheidung über das bei ihm anhängige Rechtsmittel den dritten Satz des § 754 Abs 2 ABGB anzuwenden.
III. Der Antrag ist auch begründet.
1. Der Oberste Gerichtshof trägt gegen den dritten Satz des § 754 Abs 2 ABGB folgende Bedenken wegen Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebotes vor:
"Die Regelung des § 754 Abs 2 Satz 3 ABGB idF vor dem ErbRÄG 1989 schafft ohne sachlichen Grund zwei Klassen von unehelichen Kindern, die im Zeitpunkt des Todes ihres Vaters noch minderjährig sind: Kindern, denen die Einbringung einer Vaterschaftsfeststellungsklage bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tod ihres Vater gelingt, steht unter den hier nicht zu erörternden sonstigen Voraussetzungen ein gesetzliches Erbrecht zu; Kindern, denen dies nicht gelingt, kommt überhaupt kein Erbrecht zu. Es sind mehrere Fälle denkbar, in denen die Einhaltung der Frist gar nicht möglich ist: So kann der Vater zB erst nach Ablauf der Frist ausgeforscht werden; ein durch künstliche Befruchtung gezeugtes Kind kann erst nach dem Ablauf der Frist geboren werden. Im vorliegenden Fall geht es um ein Kind, dessen gesetzlicher Vertreter nicht auf Feststellung der unehelichen Vaterschaft des Erblassers klagen kann, solange das Kind iSd § 138 Abs 1 ABGB als eheliches Kind eines anderen Mannes gilt. In allen diesen Fällen ist es nicht einsichtig, weshalb solchen Kindern auch bei später erwiesener Vaterschaft ein gesetzliches Erbrecht versagt werden und der Nachlaß stattdessen in die Hände entfernterer Verwandter gelangen soll.
Die als Rechtfertigung der Jahresfrist genannten Beweisschwierigkeiten und die Gefahr einer mißbräuchlichen Geltendmachung der Vaterschaft können beim heutigen Stand der Untersuchung von Blutmerkmalen, zu der nach dem Tod des Erblassers auch dessen Verwandte beitragen können, wie sich im vorliegenden Fall deutlich zeigte, nicht den Ausschlag geben. Sie wären überdies in gleicher Weise auch bei Einbringung der Vaterschaftsklage kurz vor oder binnen einem Jahr nach dem Tod des Vaters gegeben. Das spätere Auftauchen neuer Erben, hier eines unehelichen Kindes, dessen Vaterschaft erst längere Zeit nach dem Tod des Erblassers festgestellt wird, ist für das Verlassenschaftsverfahren auch nichts Ungewöhnliches; man denke etwa an Erben, die sich auf ein später aufgefundenes Testament stützen. Auch der Zeitablauf als solcher kann also eine unterschiedliche Behandlung nicht rechtfertigen. Berücksichtigt man schließlich, daß Minderjährige nach § 21 Abs 1 ABGB unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen, so müßten besonders schwerwiegende Gründe für die Benachteiligung einer bestimmten Gruppe von ihnen sprechen. Solche Gründe sind jedoch nicht erkennbar.
Eine verfassungskonforme Auslegung der angefochtenen Gesetzesbestimmung erscheint nicht möglich, weil der äußerste Wortsinn und die Gesetzesmaterialien (AB 155 BlgNR 12. GP 6) gegen eine Zulassung von Ausnahmen sprechen und der heutige Gesetzgeber seine gegenteilige Absicht sogar ausdrücklich erklärt hat (AB zum ErbRÄG 1989).
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat mit Entscheidung vom (NJW 1987, 1007) eine dem § 754 Abs 2 Satz 3 ABGB idF vor dem ErbRÄG 1989 ähnliche Bestimmung, nämlich den § 1934 c BGB, als verfassungswidrig erklärt. Auf die auch hier zutreffenden Gründe dieser Entscheidung darf verwiesen werden.
Verfassungswidrig ist zwar nach Ansicht des erkennenden Senates auch die Regelung, daß volljährigen unehelichen Kindern ein gesetzliches Erbrecht nach ihrem Vater überhaupt nur zusteht, wenn ihre Vaterschaft noch vor dem Tod des Vaters festgestellt worden ist (selbst wenn etwa der medizinische Beweis der Vaterschaft schon vorliegt). Doch ist dieser Teil der bezogenen Bestimmung für die vorliegende Verlassenschaftssache nicht entscheidungswesentlich. Der Aufhebungsantrag hat sich daher auf den zweiten Halbsatz des letzten Satzes des § 754 Abs 2 ABGB idF vor dem ErbRÄG 1989 zu beschränken."
2. Die Bundesregierung verweist auf die Absicht des Gesetzgebers, durch den Ausschluß der erbrechtlichen Wirkungen einer Vaterschaftsfeststellung nach dem Tode des Erblassers den Versuch eines Mißbrauchs der Klagemöglichkeit zur Erschleichung des Erbrechts zu unterbinden. Dem Justizausschuß sei zwar bewußt gewesen, daß auch nach dem Tode des Mannes oder des Kindes die Vaterschaft noch festgestellt oder ausgeschlossen werden könne, er habe aber erbrechtliche Ansprüche nur für gerechtfertigt gehalten, wenn die Vaterschaft im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits festgestellt ist oder doch die nötigen Schritte dazu unternommen wurden. Die zeitliche Begrenzung der Möglichkeit, auch nach dem Tod des Erblassers mit erbrechtlichen Folgen auf Feststellung der Vaterschaft zu dringen, lasse sich aus folgenden Gründen rechtfertigen:
"a) § 754 Abs 2 dritter Satz ABGB soll verhindern, daß jemand mit der Behauptung, uneheliches Kind des Erblassers zu sein, ohne besonderes Risiko den Versuch wagen könnte, im Prozeßweg einen Teil des Nachlasses zu erstreiten. Dazu bedürfte es ohne diese Bestimmung lediglich des Beweises, daß der Erblasser der Mutter in der kritischen Zeit beigewohnt hat. Dieser Beweis ist durch die Zeugenaussage der Mutter leicht zu führen. Die Erben werden in vielen Fällen der Zeugenaussage der Mutter nichts entgegenzusetzen haben. Gelingt mithin der Beweis der Beiwohnung, so wird gemäß § 163 Abs 1 ABGB vermutet, daß der Erblasser das Kind gezeugt habe, und den Erben obliegt es zu beweisen, daß das Kind nicht vom Erblasser abstammt. Dieser Beweis ist aber mit den gegenwärtigen medizinischen Methoden nach dem Tod des Erblassers nur noch beschränkt möglich und wird immer schwieriger, je länger der Tod zurückliegt. Ohne die angefochtene Bestimmung wäre die Gefahr, daß Personen, die nicht vom Erblasser abstammen, den Nachlaß oder Teile davon erstreiten, erheblich.
b) Im grundsätzlichen Abstellen auf den Todeszeitpunkt des Erblassers durch § 754 Abs 2 dritter Satz ABGB kommt ferner der Gedanke zum Ausdruck, daß das Andenken des Erblassers, soweit dem nicht gewichtige andere Interessen entgegenstehen, nicht durch eine Erörterung von Tatsachen aus der Intimsphäre des Erblassers, die vielfach als moralisches Fehlverhalten bewertet werden könnten, geschmälert werden soll; ein Gedanke, der auch Eingang in die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 543 ABGB (SZ 45/142 u.a.) gefunden hat, derzufolge der Beweis des Ehebruches oder der Blutschande zu Lebzeiten des Erblassers erfolgt sein muß, um erbrechtlich beachtlich zu sein.
c) Aus § 754 Abs 2 dritter Satz ABGB ist ferner abzuleiten, daß der Gesetzgeber die Überschaubarkeit erbrechtlicher Sachverhalte aus mehreren Gründen sichern wollte. Der Erblasser, der keine letztwillige Anordnung hinterlassen hat, soll wissen, welcher Personenkreis sein Vermögen erben wird; die möglichen Miterben sollen wissen, mit welchen weiteren Erbberechtigten sie das Erbe teilen müssen. Seine besondere Ausprägung findet der Überschaubarkeitsgrundsatz darin, daß der Gesetzgeber auch im Bereich der gewillkürten Erbfolge allzu weitgehende Bindungen vermeidet (vgl. §§611, 612 und 615 ABGB). In dem im öffentlichen Interesse geführten Verlassenschaftsverfahren, das auf eine möglichst rasche amtswegige Regelung der den Nachlaß betreffenden Rechtsverhältnisse abzielt, sollen weitwendige und zeitraubende Rechtswegverweisungen (§2 Abs 2 Z 7 und §§125ff Außerstreitgesetz) vermieden werden. Das Abhandlungsgericht soll schon anläßlich der Todfallsaufnahme den Kreis der der Verlassenschaftsabhandlung beizuziehenden Personen bestimmen können. Ein Innehalten mit dem Verlassenschaftsverfahren soll nur in seltenen Fällen möglich sein.
d) Bei der Abwägung der angeführten Gesichtspunkte gegen das Interesse des unehelichen Kindes, dessen Vaterschaft nicht festgestellt ist, einem unehelichen Kind gleichgestellt zu sein, dessen Vaterschaft feststeht, fällt der Umstand ins Gewicht, daß es dem unehelichen Kind in der Regel durchaus möglich gewesen wäre, die Klage auf Feststellung der Vaterschaft bereits zu Lebzeiten des Erblassers zu erheben. In den Fällen, in denen die Klage erst nach dem Tod des angeblichen Vaters erhoben wird, wird häufig der Wunsch nach Teilhabe am Erbe das ausschlaggebende Motiv sein. Diesem Motiv ist aber nicht die gleiche Schutzwürdigkeit zuzuerkennen wie etwa dem Bedürfnis nach Sicherung des angemessenen Unterhaltes, welches das uneheliche Kind auch noch nach dem Tod seines Vaters durch Klage gegen die Erben durchsetzen kann (§164d (vor dem Kinderschaftsänderungsgesetz 1989 § 164c Abs 2) i.V.m. § 166 und § 142 erster Satz ABGB). Die Zurücksetzung dieses Motivs gegenüber den für eine grundsätzliche Maßgeblichkeit des Todeszeitpunktes des Erblassers sprechenden Gesichtspunkten erscheint somit nicht unsachlich.
e) Wenn nun der Gesetzgeber in dem angefochtenen Satzteil eine Ausnahme zugunsten Minderjähriger vorsieht, so ist der Grund hiefür in der besonderen Situation des minderjährigen unehelichen Kindes zu erkennen. Das minderjährige Kind selbst kann die Abstammungsfeststellung nicht betreiben, es bedarf eines Vertreters. Es erscheint sachlich gerechtfertigt, die Säumigkeit des gesetzlichen Vertreters nicht dem Kind zum Nachteil gereichen zu lassen und diesem noch eine Frist zur Einbringung der Vaterschaftsfeststellungsklage einzuräumen. Würde man dem minderjährigen unehelichen Kind diese Besserstellung jedoch unbefristet einräumen - wozu die Aufhebung des angefochtenen Halbsatzes führen würde -, so könnte das uneheliche Kind, das im Zeitpunkt des Todes des Vaters minderjährig war, die Vaterschaftsfeststellung mit erbrechtlicher Wirkung unbefristet, auch viele Jahre später, betreiben, auch wenn es bereits längst volljährig ist. Eine derart weitgehende Besserstellung eines zum Zeitpunkt des Todes des Vaters noch Minderjährigen gegenüber einem bereits Volljährigen wäre aber sachlich nicht zu rechtfertigen.
f) Es ist nun einzuräumen, daß die im angefochtenen Satzteil vorgesehene Frist von einem Jahr nicht in allen Fällen ausreicht, um eine Vaterschaftsfeststellungsklage zu erheben; im Regelfall ist dies jedoch durchaus möglich. Jene Fälle, in denen für das Kind zunächst keine Aussicht besteht, die Feststellung der Vaterschaft eines mutmaßlichen unehelichen Vaters zu betreiben, weil es zunächst noch als eheliches Kind des Ehemannes seiner Mutter gilt, sind bereits als Ausnahme anzusehen. In vielen dieser Fälle hätte jedoch auch ein solches 'scheineheliches' Kind die Möglichkeit, die Einjahresfrist zu wahren, in dem es - sobald der Ehemann seiner Mutter oder der Staatsanwalt die Ehelichkeitsbestreitungsklage erhoben hat - die Vaterschaftsfeststellungsklage gegen den Nachlaß seines mutmaßlichen Erzeugers erhebt; eine solche Klage wäre ja nicht von vornherein abzuweisen, da das über sie abzuführende Verfahren nach § 190 ZPO bis zur Entscheidung über die Ehelichkeitsbestreitungsklage unterbrochen werden könnte.
Auch wenn man nun die Fälle, in denen die Wahrung der Frist aus anderen Gründen, z.B. weil die Identität oder der Aufenthalt des unehelichen Vaters nicht vor dem Fristablauf ermittelt werden konnte, einbezieht, so handelt es sich doch um einen sehr kleinen Kreis von Fällen, in denen die im angefochtenen Satzteil vorgesehene Frist nicht zur Erhebung der Klage ausreicht, somit im Sinne der eingangs angeführten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes um atypische Fälle, deren Nichtberücksichtigung eine gesetzliche Regelung noch nicht als unsachlich erscheinen läßt."
Die vom Obersten Gerichtshof angezogene Entscheidung des (deutschen) Bundesverfassungsgerichts beruhe auf dem von der Literatur betonten "strikten Charakter" des in Art 6 Abs 5 Grundgesetz verankerten Gebotes der Gleichbehandlung unehelicher mit ehelichen Kindern, welches der österreichischen Verfassungsordnung fremd sei.
3. Im Ergebnis ist der Oberste Gerichtshof mit seinem Antrag im Recht:
Die angegriffene Vorschrift ist zugleich mit dem Erbrecht außerehelicher Kinder gegenüber ihren Vätern erst durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des außerehelichen Kindes eingeführt worden. Die Regierungsvorlage (6 BlgNR 12.GP) hatte eine Befristung noch nicht vorgesehen. Der Bericht des Justizausschusses (155 BlgNR 12.GP) führt zur Frage der Befristung der Vaterschaftsklage insgesamt aus:
(zu § 164 c:)
"Es ist geprüft worden, ob die Vaterschaftsklage befristet werden soll, um einem Mißbrauch zu einer Zeit, in der der Gegenbeweis des beklagten Mannes oder, nach seinem Tod, gar seines Rechtsnachfolgers erschwert sein könnte, vorzubeugen. Diese Befürchtung ist jedoch unbegründet. Nach den Gutachten der gehörten Sachverständigen verringert sich die Verläßlichkeit der Vaterschaftsfeststellung nicht durch den Ablauf einer längeren Zeit seit der Geburt des Kindes; auch nach dem Tod des Mannes oder des Kindes ist es möglich, die Vaterschaft festzustellen oder auszuschließen. Der Justizausschuß hat es daher bei der unbefristeten Möglichkeit der Vaterschaftsklage belassen. Er schlägt aber eine entsprechende Änderung der §§754 Abs 2 und 756 Abs 2 vor, um auch den Versuch eines Mißbrauchs der Vaterschaftsklage zur Erlangung des Erbrechts zu unterbinden."
(zu § 754 Abs 2:)
"Wie zum § 164 c ausgeführt worden ist, hat der Justizausschuß erwogen, ob eine Befristung für Vaterschaftsfeststellungsklagen eingeführt werden soll, diese Frage aber verneint. Der Justizausschuß glaubt jedoch, daß die erbrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zwischen dem unehelichen Kind und seinem Vater nur gerechtfertigt werden können, wenn die Vaterschaft im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits festgestellt oder doch die nötigen Schritte zur Feststellung eingeleitet waren. Der § 754 Abs 2 und der § 756 Abs 2 sehen von diesem Grundsatz Ausnahmen für den Fall vor, daß die Klage auf Feststellung bereits vor dem Erbfall erhoben worden ist, oder - falls es sich um die erbrechtlichen Ansprüche des Kindes gegen seinen Vater handelt - binnen Jahresfrist erhoben wird. Außerdem enthält der § 754 Abs 2 nun noch die Klarstellung, daß ein Feststellungsurteil, das die Großeltern gegen das uneheliche Kind erwirkt haben, das gesetzliche Erbrecht des unehelichen Kindes zum Nachlaß des Vaters nicht berührt (vgl. auch die Ausführungen zum § 164 b)."
Was den Ausschuß dazu bestimmt hat, entgegen seinen eigenen Überlegungen zu § 164c die Wirkungen der Feststellung aufgrund einer nach dem Tod des Vaters erhobenen Klage für den Bereich des § 754 Abs 2 auszuschließen und entgegen seinen eigenen Erläuterungen im ersten Satz zu § 754 Abs 2 doch für Minderjährige wieder eine Ausnahme zuzulassen, diese aber dann auf ein Jahr zu beschränken, ist daraus nicht erkennbar. Dem Verfassungsgerichtshof ist auch keine sonstige Äußerung bekannt geworden, die darüber Aufschluß gäbe. Klar ist indessen, daß der Gesetzgeber das Entstehen neuer Erbberechtigungen nach dem Tod des Erblassers wegen der Gefahr von Mißbräuchen vermeiden, Minderjährigen aber doch noch eine Chance eröffnen wollte, ihre Abstammung nachzuweisen. Er hat daher bloß die für Volljährige verfügte Ausschlußwirkung des Todes für Minderjährige um ein Jahr hinausgeschoben, wobei er offenbar angenommen hat, daß selbst kurz vor oder gar erst nach dem Tod des Vaters Geborene innerhalb dieser Frist - vertreten durch den Amtsvormund - noch die Möglichkeit haben, die Klage einzubringen.
Aufgrund des vorliegenden Antrages hat der Verfassungsgerichtshof zwar nicht abschließend zu klären, ob es sachlich gerechtfertigt ist, jeder erst nach dem Tod des Vaters erwirkten Vaterschaftsfeststellung erbrechtliche Wirkungen zu versagen. Denn eine solche Beschränkung hat der Gesetzgeber für Minderjährige nicht vorgesehen. Aber auch für deren Rechtsstellung ist der Tod des Vaters von entscheidender Bedeutung. Er verändert die Lage ganz wesentlich. Die Möglichkeit des Beweises der Beiwohnung, der die Vermutung der Vaterschaft auslöst und die Beweislast dadurch entscheidend umkehrt (§163 ABGB), wird durch den Tod eines Beteiligten schlagartig verändert. Zugleich kann die Aussicht auf eine angefallene Erbschaft das Interesse am Erschleichen einer Vaterschaftsfeststellung wecken oder doch sprunghaft vergrößern. Praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet fehlen bisher. Der Gerichtshof geht folglich davon aus, daß der Gesetzgeber berechtigt wäre, an den Tod des Vaters die Wirkung zu knüpfen, daß die nachfolgende Feststellung der Vaterschaft auf das Erbrecht ohne Einfluß bleibt.
Dieser Zeitpunkt kann aber nicht mit gleicher Wirkung einfach verschoben werden. Läßt der Gesetzgeber eine Vaterschaftsfeststellung mit erbrechtlichen Wirkungen auch nach dem Tod des Erblassers noch zu, so ist die Befristung dieser Möglichkeit nicht mehr auf all jene Gründe zu stützen, die für das Abschneiden erbrechtlicher Folgen mit dem Tod des Erblassers sprechen. Die Beschränkung könnte dann nur mehr durch ein allgemeines Bestreben gerechtfertigt werden, die erbrechtliche Lage wegen steigender Beweisschwierigkeiten einer raschen Klärung zuzuführen. Nach dem Tod des Erblassers auf eine rasche Klärung der erbrechtlichen Lage in bezug auf uneheliche Kinder zu drängen, wäre nun gleichfalls kein unsachliches Ziel. Angesichts der Folgen des Todes des Erblassers zu verhindern, daß die Feststellung der maßgeblichen Tatsachen nicht durch das Verstreichen längerer Zeit noch weiter erschwert wird und die Beteiligten etwa zu Spekulationen verleitet werden, ist auf sachbezogene Umstände im Tatsächlichen rückführbar und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist also nicht grundsätzlich unsachlich, zwischen Kindern, denen die Einbringung einer Vaterschaftsklage bis zum Ablauf einer bestimmten Frist nach dem Tod ihres Vaters gelingt, und solchen zu unterscheiden, die zu spät kommen.
Die den Minderjährigen eröffnete Chance, auch nach dem Tod des Erblassers noch die Erbberechtigung zu erlangen, muß dann aber eine realistische sein. Die Grenze darf nur - ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung - übermäßige Verzögerungen hintanhalten und darf nicht wesentliche Gruppen unehelicher Kinder praktisch vom Erbrecht ausschließen oder die Erlangung der Berechtigung dem puren Zufall überlassen. Daß eine starre Frist von einem Jahr ab dem Tod des Erblassers aber beachtliche Gruppen praktisch vom Erbrecht ausschließt und die Berechtigung anderer von Zufälligkeiten abhängig macht, liegt auf der Hand. Ob der Gesetzgeber auf alle Umstände Bedacht nehmen muß, die der Antrag des Obersten Gerichtshofs in diesem Zusammenhang aufzählt, kann dahingestellt bleiben. Schon die nicht zu vernachlässigende Gruppe der kurz vor oder erst nach dem Tod ihres Vaters geborenen außerehelichen Kinder macht nämlich deutlich, daß die zur Vorbereitung der Vaterschaftsklage berufenen Personen unter unnötigen und den oft heiklen Umständen nicht angemessenen Druck geraten. Auch der dem vorliegenden Antrag zugrundeliegende Fall eines Kindes, das die Bestreitung der Ehelichkeit abwarten oder (nach Verstreichen der in § 158 ABGB gesetzten Jahresfrist) veranlassen muß, darf nicht unberücksichtigt bleiben. Selbst wenn zugleich mit der Erhebung der Bestreitungsklage ein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft (durch wen auch immer) eingeleitet werden könnte - was hier nicht zu prüfen ist -, wäre das Abwarten der Ergebnisse des Bestreitungsverfahrens noch keine übermäßige Verzögerung des (ohnedies gehemmten) Feststellungsverfahrens.
Die in der angegriffenen Bestimmung gesetzte Jahresfrist ist also für eine beachtliche Zahl von Fällen von vornherein zu kurz und bei dieser Kürze für eine andere Fallgruppe zu starr, weil die Frist nicht gehemmt wird, solange das Kind rechtlich oder faktisch an einer Klage gehindert ist. Entgegen der Meinung der Bundesregierung handelt es sich dabei nicht um atypische Fälle, sondern gerade um Kernfälle jener Gruppe, die den Gesetzgeber zur Ausnahmeregelung für Minderjährige bewogen hat: um jene Fälle nämlich, in denen nicht schon vor dem Tod des Vaters ausreichend Gelegenheit war, die Feststellung der Vaterschaft zu erwirken. Für einen großen Teil dieser Fallgruppe ist die starre Jahresfrist zu kurz.
Der Ausschluß wesentlicher Gruppen von unehelichen Kindern ist unter diesen Umständen auch nicht damit zu rechtfertigen, daß vielleicht - wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde - die Jahresfrist eine äußerste Grenze für eine Blutfaktorenbestimmung an (exhumierten) Leichen darstellen könnte. Denn die Zahl der Fälle, in denen diese Grenze wegen der Art der Bestattung schon früher erreicht ist oder wegen vorhandener Daten bedeutungslos bleibt, ist keine vernachlässigbare Größe.
Die in Prüfung stehende Regelung verstößt daher gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot.
IV. Das mit in Kraft getretene Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 656, über die Gleichstellung des unehelichen Kindes im Erbrecht und die Sicherung der Ehewohnung für den überlebenden Ehegatten (Erbrechtsänderungsgesetz 1989) hat die angegriffene Bestimmung ungeachtet ihrer Anwendbarkeit auf Fälle, in denen der Erblasser vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gestorben ist (ArtIII Z 1 Satz 2), außer Kraft gesetzt. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit zu beschränken.
Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art 140 Abs 5 B-VG.