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VfGH vom 15.10.2004, g49/04

VfGH vom 15.10.2004, g49/04

Sammlungsnummer

17342

Leitsatz

Zulässigkeit des Verfahrens zur Prüfung von Bestimmungen des Investmentfondsgesetzes betreffend die steuerliche Behandlung ausschüttungsgleicher Erträge bestimmter ausländischer, sog. schwarzer Fonds; kein Anwendungsvorrang von Gemeinschaftsrecht; Verletzung des Gleichheitsrechtes durch Schätzung der Erträge thesaurierender und nicht-thesaurierender Fonds nach derselben Methode sowie durch die formal gleichartigen Nachweisanforderungen bei inländischen und ausländischen Fonds in Hinblick auf das Erfordernis der Bestellung eines inländischen Vertreters durch einen ausländischen Fonds

Spruch

I. § 42 Abs 2 des Bundesgesetzes über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz - InvFG 1993), BGBl. Nr. 532/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/1998, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die aufgehobene Vorschrift ist nicht mehr anzuwenden.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Die ersten beiden Sätze des § 40 Abs 2 Z 2 des Bundesgesetzes

|ber Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz - InvFG 1993), BGBl. Nr. 532/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/1998, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B539/03 und B1446/03 auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerden gegen einen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom sowie gegen einen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom anhängig. Mit diesen Bescheiden wurde den Beschwerdeführern jeweils Einkommensteuer in bestimmter Höhe für das Jahr 2001 vorgeschrieben, wobei der Berechnung der Einkommensteuer auch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die aus sog. schwarzen (Investment)Fonds stammten, zugrunde gelegt wurden.

2. Bei der Behandlung dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der ersten beiden Sätze des § 40 Abs 2 Z 2 sowie der Verfassungsmäßigkeit des § 42 Abs 2 des Bundesgesetzes über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz - InvFG 1993), BGBl. 532/1993, idF BGBl. I 41/1998, entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluß vom von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der eben genannten Bestimmungen eingeleitet.

3. Zur Rechtslage (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

§ 40 Abs 1 InvFG normiert in seinem ersten Satz, daß die Ausschüttungen eines Kapitalanlagefonds an die Anteilsinhaber bei diesen steuerpflichtige Einnahmen sind. Nach § 40 Abs 2 Z 1 InvFG gelten die vom Fonds vereinnahmten Erträge spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres als ausgeschüttet (ausschüttungsgleiche Erträge).

§40 Abs 2 Z 2 InvFG, BGBl. 532/1993, idF BGBl. I 41/1998, ordnet in seinen ersten beiden Sätzen folgendes an:

"Die ausschüttungsgleichen Erträge sind durch einen steuerlichen Vertreter den Abgabenbehörden unter Anschluß der notwendigen Unterlagen nachzuweisen. Als steuerlicher Vertreter können inländische Kreditinstitute oder inländische Wirtschaftstreuhänder bestellt werden. ..."

§ 42 Abs 1 InvFG, BGBl. 532/1993, idF BGBl. I 106/1999, lautet - auszugsweise - folgendermaßen:

"Die Bestimmungen des § 40 sind auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solches gilt, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist. ..."

§ 42 Abs 2 InvFG, BGBl. 532/1993, idF BGBl. I 41/1998, enthält für die ausschüttungsgleichen Erträge ausländischer Fonds, für die ein Nachweis nicht erfolgt (sog. schwarze Fonds), folgende Pauschalierungsregel:

"Unterbleibt für ausländische Kapitalanlagefonds ein Nachweis, so wird der ausschüttungsgleiche Ertrag mit 90% des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens aber mit 10% des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises angenommen. Bei Veräußerung eines Anteilrechtes ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem bei der Veräußerung und dem letzten im abgeschlossenen Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens aber 0,8% des bei der Veräußerung festgesetzten Rücknahmepreises für jeden angefangenen Monat des im Zeitpunkt der Veräußerung laufenden Kalenderjahres anzusetzen. Dies gilt sinngemäß auch beim Erwerb eines Anteilrechtes. Anstelle des Rücknahmepreises kann auch der veröffentlichte Rechenwert sowie bei börsennotierten Anteilen der Börsenkurs herangezogen werden."

4. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluß (vorläufig) davon ausgegangen, daß die belangte Behörde die in Prüfung gezogenen Vorschriften angewendet hat. Er ist ferner (unter Verweis auf die in der Literatur geäußerten Auffassungen:

Aigner/Prechtl, SWK 2004, 424; Tissot, RdW 2003, 675 f.) vorläufig davon ausgegangen, daß der Anwendung dieser Normen - ungeachtet des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 99/14/0081 - der Vorrang unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts nicht offenkundig entgegensteht, da sich dieses Erkenntnis einerseits auf Art 40 EWR-Abkommen (und nicht auf die differenzierter formulierten Art 56 ff. EG bezieht) und ihm andererseits eine andere Fassung des § 42 InvFG zugrundelag.

Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluß wie folgt dar:

"2.1. § 42 Abs 2 InvFG regelt die Besteuerung der Erträge ausländischer Kapitalanlagefonds, bei denen ein qualifizierter (d.h. dem § 40 Abs 2 Z 2 InvFG entsprechender) Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge nicht erfolgt. Diese Erträge werden grundsätzlich mit 90 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und letzten festgesetzten Rücknahmepreis im Kalenderjahr, mindestens aber mit 10 vH des letzten Rücknahmepreises angenommen. Während bei inländischen Fonds und bei jenen ausländischen Fonds, bei denen ein steuerlicher Vertreter den in § 40 Abs 2 Z 2 leg.cit. geforderten Nachweis erbringt, nur die tatsächlich erwirtschafteten (nachgewiesenen) Erträge der Besteuerung unterworfen werden, werden diese Erträge bei den 'schwarzen' Fonds pauschal ermittelt, nämlich aus den Rücknahmepreisen abgeleitet. Gegen eine derartige gesetzliche Schätzung wäre, wenn sich die tatsächlichen Erträge nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln ließen, aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden, sofern die Schätzungsmethode geeignet erscheint, im typischen Fall und auf längere Sicht gesehen die tatsächlichen Erträge der Besteuerung zu unterwerfen.

Der Gerichtshof hat jedoch - vorläufig - das Bedenken, daß die in Rede stehende Vorschrift dieser Bedingung nicht entspricht.

Zum einen ist zu berücksichtigen, daß die Vorschrift anscheinend nicht auf thesaurierende Fonds beschränkt ist, sondern auch solche erfassen dürfte, die die erzielten Erträge an die Anteilsinhaber (ganz oder teilweise) ausschütten. Bei diesen werden die tatsächlichen Ausschüttungen anscheinend bereits nach § 42 Abs 1 iVm § 40 InvFG der Einkommensteuer unterworfen. Das dürfte jedoch nicht verhindern, daß (zusätzlich) ausschüttungsgleiche Erträge nach § 42 Abs 2 InvFG (und zwar in diesem Fall wohl regelmäßig nach Maßgabe der zweiten Variante, d.h. iHv 10 vH des letzten Rücknahmepreises) angesetzt und besteuert werden. Die geltende Rechtslage dürfte somit dazu führen, daß bei einem ausschüttenden Fonds einerseits die tatsächlichen Ausschüttungen angesetzt und andererseits ausschüttungsgleiche Erträge iHv 10 vH des letzten Rücknahmewertes vermutet werden, während bei einem nicht ausschüttenden Fonds als Ertrag nur 10 vH des letzten Rücknahmewertes (oder die Differenz zwischen erstem und letztem Rücknahmewert) angesetzt werden.

Dadurch dürfte es zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Gleichbehandlung (Pauschalbesteuerung) wesentlich ungleicher Fälle (thesaurierender und nicht-thesaurierender Fonds) kommen. Dem Gerichtshof ist vorderhand nicht erkennbar, daß die Rechtslage bei 'schwarzen' Investmentfonds so interpretiert werden könnte, daß die Berechnung ausschüttungsgleicher Erträge nach der zweiten Variante die Berücksichtigung tatsächlicher Ausschüttungen ausschließt oder daß tatsächliche Ausschüttungen auf die pauschal ermittelten ausschüttungsgleichen Erträge anzurechnen sind.

2.2. Zum anderen scheint die Vorschrift, da (nach § 42 Abs 2, 2. Variante, InvFG) der ausschüttungsgleiche Ertrag mindestens mit 10 vH des letzten Rücknahmepreises anzusetzen ist, dazu zu führen, daß Steuerpflichtige positive Einkünfte auch dann zu versteuern haben, wenn der Fonds keine oder wesentlich darunter liegende (laufende) Erträge erzielt hat, wenn somit bei Beteiligung an anderen Fonds keine oder wesentlich niedrigere Einkünfte zu versteuern wären.

Der Gerichtshof hegt in diesem Zusammenhang Bedenken ob der Sachlichkeit des in § 40 Abs 2 Z 2 InvFG vorgesehenen, anscheinend auch für ausländische Fonds geltenden standardisierten Nachweisverfahrens. Dieses scheint gerade bei ausländischen Fonds zu bewirken, daß der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, die oben dargelegten Rechtsfolgen aus eigener Initiative zu vermeiden. Anders als es in den Stellungnahmen des UFS, Außenstelle Linz, und des BKA-VD zum Ausdruck kommt, dürfte es dem Steuerpflichtigen selbst nicht möglich sein, die nachteiligen Folgen einer Pauschalbesteuerung nach § 42 InvFG durch Erbringung eines Nachweises der ausschüttungsgleichen Erträge iSd § 40 Abs 2 Z 2 leg.cit. zu vermeiden. Diese Vorschrift ist nämlich anscheinend so zu verstehen, daß der steuerliche Vertreter durch den Rechtsträger des (ausländischen) Fonds namhaft zu machen ist und daß der Nachweis vom Rechtsträger des Fonds im Wege dieses steuerlichen Vertreters und nicht etwa vom Inhaber der Anteilsrechte zu führen ist (in diesem Sinne bereits Erlaß des Bundesministers für Finanzen, AÖF 53/1995, Punkte 3.3. und 4.2., sowie inhaltlich entsprechend Rz. 6244 ESt-Richtlinien 2000, AÖF 232/2000; zuletzt Tissot, aaO, 674 mwN). Bei einem solchen Verständnis der Vorschrift dürfte es aber dem Anteilsinhaber selbst im Regelfall unmöglich sein, eine von § 42 Abs 2 InvFG abweichende, den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Besteuerung zu erreichen, da es für ihn praktisch ausgeschlossen sein dürfte, daß er den Rechtsträger des ausländischen Fonds dazu veranlassen kann, die in Österreich geforderten Nachweise zu erbringen. Es wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu erörtern sein, ob Nachweisanforderungen dieser Art aus verfassungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf die vom BKA-VD vorgebrachten Umstände generell oder speziell bei ausländischen Fonds sachlich gerechtfertigt werden können."

5. Die Bundesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren auf Grund ihres Beschlusses vom eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß § 40 Abs 2 Z 2 und § 42 Abs 2 InvFG nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von einem Jahr bestimmen; diese Frist erscheine erforderlich, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung von Fondserträgen durch legistische Maßnahmen zu gewährleisten.

5.1. Einleitend führt die Bundesregierung aus, daß Zweck der Bestimmungen des InvFG sei, steuerlich eine Gleichstellung zwischen in- und ausländischen Fonds herzustellen. Es erscheine vor diesem Hintergrund nicht unsachgemäß, ausländische Fonds denselben Verpflichtungen wie inländische Fonds zu unterwerfen. Überdies beruhe das InvFG auf dem Konzept, die Veranlagung in Fonds der Veranlagung von Direktanlagen grundsätzlich gleichzustellen. Die Vorschriften zur Besteuerung von Investmentfonds würden zwar Abweichungen kennen, diese Abweichungen seien jedoch mit der Sondersituation von Fonds sachlich rechtfertigbar. Eine dieser Abweichungen sei die Periodenverschiebung: Bei einem Fonds würden die Kapitalerträge dem Miteigentümer nicht in dem Zeitpunkt zugerechnet, in dem sie der Miteigentumsgemeinschaft (dem Fonds) zugingen. Sie würden vielmehr zuerst beim Fonds aufgespart und erst bei Weiterleitung an die Anteilsinhaber diesen zugerechnet. Sachlich sei diese Abweichung dadurch gerechtfertigt, daß eine konkrete Durchrechnung des Zurechnungszeitpunktes zu einem überbordenden Aufwand sowohl für den Fonds als auch für die Anteilsinhaber führen würde. Gesetzlich würde das dadurch erreicht, daß gemäß § 40 Abs 1 InvFG Ausschüttungen des Fonds steuerpflichtige Einkünfte seien. Darüber hinaus enthalte § 40 Abs 2 Z 1 leg.cit. eine Ausschüttungsfiktion für alle Fondsgewinne, die nicht an die Anteilsinhaber ausgeschüttet würden. "Damit wird sichergestellt, dass sämtliche Gewinne auf Fondsebene letztlich den Anteilsinhabern steuerlich zugerechnet werden, womit im Grundsatz eine Erfassung derselben Kapitalerträge wie bei Direktanlegern sichergestellt ist."

5.2. Nach Ansicht der Bundesregierung handle es sich bei dem in § 40 Abs 2 Z 1 InvFG normierten Nachweis ausschüttungsgleicher Erträge lediglich um eine Spezifizierung der allgemeinen Anordnung des § 119 Abs 1 BAO, der eine Offenlegung von abgabenrechtlich relevanten Tatbeständen vorsehe. Die Offenlegungsbestimmung des § 40 Abs 2 Z 1 InvFG knüpfe an bestehende Verpflichtungen zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Anteilsinhaber an. Grundsätzlich entstehe zwischen Anteilsinhaber und Kapitalanlagegesellschaft eine Art Auftragsvertrag, der die Kapitalanlagegesellschaft zur Vornahme der für die Verwaltung erforderlichen Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen unter Wahrung der Interessen des Anteilsinhabers verpflichte. Durch den Erwerb des Anteilsscheines entstehe üblicherweise auch eine länger andauernde Geschäftsbeziehung, was zusätzlich besondere Neben- und Schutzpflichten auslöse, wozu auch die notwendige Aufklärung des jeweils anderen Vertragspartners und die Loyalität diesem gegenüber zähle; aus diesen Pflichten sei auch die Verpflichtung der Kapitalanlagegesellschaft zur Mitteilung der abgabenrechtlich relevanten Grundlagen abzuleiten.

§ 40 Abs 2 Z 2 InvFG, der für in- und ausländische Fonds gleichermaßen Anwendung finde (was auch notwendig sei, um eine unsachliche Benachteiligung inländischer Fonds zu vermeiden), knüpfe an Verpflichtungen der Kapitalanlagegesellschaft zur Informationsweitergabe an, die bereits gegenüber dem Anteilsinhaber bestünden. Darüber hinaus verlange diese Regelung grundsätzlich einen Steuernachweis durch einen von der Kapitalanlagegesellschaft beauftragten steuerlichen Vertreter. Die Festlegung bestimmter zugelassener Institutionen und Personen als steuerliche Vertreter gewährleiste zusätzlich einen Qualitätsstandard, der für in- und ausländische Fonds auf demselben Niveau festgelegt sei.

Für ausländische Fonds sei daher eine Gewinnermittlung vorzunehmen, die der Gewinnermittlung eines inländischen Fonds entspreche. In diesen Fällen sei daher die Darstellung des steuerpflichtigen Gewinns bezüglich des Ertragsausgleiches schon im Vorfeld zu adaptieren. Keinesfalls könne auf Grund der Vorlage allein eines Rechenschaftsberichtes "automatisch" eine Steuer festgesetzt werden. Vor allem bei ausländischen Fonds sei daher das standardisierte Offenlegungsverfahren gemäß § 40 Abs 2 Z 2 InvFG unverzichtbar.

5.3. Die Bundesregierung bringt weiters vor, daß die Behörde zur Schätzung der Erträgnisse berechtigt sei, wenn ein Abgabepflichtiger seiner Offenlegungspflicht nicht nachkomme, wobei ein Verschulden der Partei ohne Belang sei. In Fällen, in denen der steuerrechtlich bedeutsame Sachverhalt seine Wurzeln im Ausland habe, bestehe im Abgabenverfahren sogar eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen.

§ 42 Abs 2 InvFG gebe lediglich eine Schätzungsmethode bei Unterbleiben des Nachweises vor, die vor allem der Verwaltungsvereinfachung bzw. der Vermeidung eines unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwandes diene.

Die Bundesregierung führt wörtlich folgendes aus:

"Wie oben ausgeführt, genügt es für die Ermittlung der Steuerpflicht nämlich nicht, aus einem Rechenschaftsbericht den bloßen Fondsgewinn abzulesen. Es muss vielmehr aus diesem Fondsgewinn eine Steuerbemessungsgrundlage abgeleitet werden können. Welche Komponenten vom Fondsgewinn abgezogen, hinzugerechnet oder herausgelöst werden müssen, kann allein aus dem Rechenschaftsbericht nicht 'automatisch' abgelesen werden. Die Behörde müsste daher - unter Berufung auf die erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen im Abgabenverfahren - den Anteilsinhaber dazu auffordern, sein ihm zustehendes Recht auf Informationserhalt gegenüber der Fondsverwaltung wahrzunehmen und die Informationen an die Abgabenbehörde zu übermitteln.

Unterlässt dies der Anteilsinhaber oder hat er auf das ihm zustehende Recht auf Informationserhalt verzichtet, wäre - wie oben erwähnt - die Abgabenbehörde nicht daran gehindert, zu einer Schätzungsmethode zu greifen, die ohne größeren Ermittlungsaufwand zu handhaben wäre (zur Zulässigkeit der Unterlassung von schwierigen Beweiserhebungen vgl. nochmals VfSlg. 10.362/1985). Als anzuwendende Schätzungsmethode kommt die Schätzung nach allgemeinen Erfahrungs- und Richtsätzen in Frage. Eine Schätzung nach dieser Methode ist die in § 42 Abs 2 InvFG 1993 normierte Festsetzung der ausschüttungsgleichen Erträge nach den dort angeführten Durchschnittsätzen.

Es wäre auch möglich, dass eine solche Schätzung nach allgemeinen Erfahrungs- und Richtsätzen zu einem Ergebnis in Höhe von 10% des Rücknahmewertes zum Ende des Kalenderjahres führt. Auf Grund der oben dargestellten Periodenverschiebung bei der Zurechnung von Erträgen aus Kapitalanlegefonds ist dies auch bei sinkendem Anteilswert denkbar. So könnte ausdrücklich auf die Liste der jährlich veröffentlichten ausschüttungsgleichen Erträge ausländischer Investmentfonds verwiesen werden. Darunter befinden sich nämlich auch Fonds, deren nachgewiesene ausschüttungsgleiche ordentliche Erträge und Substanzgewinne 10% und mehr beträgt. Dies lässt sich dadurch erklären, dass bei Anleihen eine Verzinsung von 10% und mehr möglich ist. Vorwiegend handelt es sich dabei um Anleihen von Schuldnern mit geringer Bonität. Die hohen Zinsen sind dabei ein Ausgleich für einen Ausfall dieser Anleihen, der bei derartigen Bonitäten eher wahrscheinlich ist. Auch bei Veräußerungsgewinnen von Aktien sind solche Dimensionen nicht unwahrscheinlich, zumal Aktienkurse viel stärkeren Kursschwankungen unterliegen.

Auch wenn ein solcher Wert nicht für jedes Jahr anfällt, kann das Anknüpfen an einen oberen Wert der Durchschnittssatzskala mit der Einbeziehung eines Sicherheitszuschlages begründet werden. Die Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlages gehört zu den üblichen Elementen einer Schätzung und kann auch innerhalb anderer Schätzungsmethoden ergänzend erfolgen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1941). Speziell bei Sachverhalten im Ausland erscheint die Anwendung eines solchen Sicherheitszuschlages zusätzlich gerechtfertigt. Wenn nun das Gesetz selbst eine solche - dem Durchschnittsfall entsprechende - Vorgangsweise vorschreibt, erscheint dies nicht unsachlich."

In diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung darauf hin, daß der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde zu der Vorläuferbestimmung des § 42 Abs 2 InvFG, die ihrer Meinung nach "strenger" gewesen sei als die nunmehrige Regelung, mit Beschluß vom , B401/98, abgelehnt habe.

5.4. Die Bundesregierung verweist darauf, daß nicht der Fonds, sondern der Anleger Steuersubjekt sei, weshalb bei Erträgen aus Investmentfonds der Anteilscheininhaber derjenige sei, den die Obliegenheiten eines Abgabepflichtigen träfen. Falls ein Anleger vom Fonds bzw. dessen Verwalter keine entsprechenden Informationen erhalte, könne er dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Dennoch werde dadurch dem Anleger - aus Sicht der Bundesregierung - keine unverhältnismäßige Verpflichtung auferlegt:

Zwar sehe das InvFG keine Verpflichtung zur Aufgliederung der Fondserträge nach steuerlichen Gesichtspunkten vor; ein Anspruch auf Weitergabe von Informationen zur Erfüllung der steuerlichen Obliegenheiten könne jedoch aus anderen Rechtsvorschriften abgeleitet werden.

Wörtlich bringt die Bundesregierung hiezu folgendes vor:

"Nun sind gemäß § 914 ABGB Vertragsinhalte so auszulegen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Aus diesem Grundsatz können vertragliche Nebenpflichten durch ergänzende Auslegung ermittelt werden (vgl. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht12, Bd. I, 98). Solche Nebenpflichten beinhalten etwa auch die, einen Vertragspartner in die Lage zu versetzen, seine Obliegenheiten aus dem Vertrag gegenüber dritten Personen bzw. Behörden erfüllen zu können. Darüber hinaus hat sich jede Vertragspartei so zu verhalten, wie es mit Rücksicht auf den konkreten Vertragszweck und die Erfordernisse eines loyalen Zusammenwirkens erwartet werden darf (). Im vorliegenden Zusammenhang zählt dazu auch die Verpflichtung des Rechtsträgers, die Anleger über jene Details zu informieren, die diese zur Erfüllung ihrer steuerlichen Verpflichtungen benötigen. Ein Anleger, der von der Kapitalanlagegesellschaft dennoch nicht die erforderlichen Informationen erhält, um nur diejenigen Komponenten zu versteuern, für nach den Steuergesetzen eine Steuerpflicht besteht, könnte diese Information gerichtlich einklagen. Darüber hinaus könnte er Schadenersatz fordern, wenn diese Informationen verspätet erfolgen und die Abgabenbehörde daher für den Anteilsinhaber nachteilige Maßnahmen setzt (vgl. § 1295 ABGB)."

In Bezug auf ausländische Fonds habe der Anleger wohl in der Regel den gleichen Anspruch auf Informationserteilung wie der Anteilsinhaber eines inländischen Fonds. Selbst wenn diese Informationsbeschaffung auf Grund des Auslandsbezuges schwieriger sein sollte, sei eine Versteuerung wie bei anderen steuerlichen Auslandssachverhalten vorzunehmen. In Hinblick auf die Offenlegungspflicht, die den Abgabepflichtigen treffe, habe er bereits bei Eingehen eines Rechtsgeschäftes entsprechend Vorsorge zu treffen, um diese Verpflichtung erfüllen zu können. Diese Obliegenheit gehe sogar so weit, daß er auf ein Rechtsgeschäft zu verzichten hätte, falls er den sich daraus ergebenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen könne.

5.5. Die Bundesregierung argumentiert, daß die Verpflichtung der Nachweiserbringung durch einen steuerlichen Vertreter einen zusätzlichen Schutz für den Anteilsinhaber bringe. Durch diese Bestimmung könne eine der Höhe nach dem tatsächlichen Ertrag entsprechende steuerliche Behandlung vorgenommen werden.

Aus § 40 Abs 2 Z 2 InvFG könne ein zivilrechtlicher Anspruch auf Erbringung dieses Nachweises abgeleitet werden. Hiezu führt die Bundesregierung wörtlich folgendes aus:

"Der Anleger ist nämlich in derselben Position wie ein Steuerpflichtiger, der einen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen möchte, wobei dies nur dann möglich ist, wenn er eine Rechnung mit den in § 11 UStG angeführten Merkmalen erhält. Die Rechtsprechung hat aus § 11 UStG eine zivilrechtliche Grundlage für die Ausstellung einer Rechnung abgeleitet (siehe ). Die Anordnung des § 40 Abs 2 Z 2 InvFG ist mit jener des § 11 UStG vergleichbar. Wie erwähnt, kann ein Inhaber eines Anteilscheines an einem ausländischen Fonds mit einer dem tatsächlichen Ertrag entsprechenden Versteuerung seines Ertrags dann rechnen, wenn der Fonds einen steuerlichen Nachweis erbringt. Er ist somit in der gleichen Situation wie ein Vorsteuerabzugsberechtigter, der seinen Vorsteuerabzug nur bei Vorliegen einer Rechnung lukrieren kann. Wenn in diesem Zusammenhang aus § 11 UStG ein zivilrechtlicher Anspruch auf Rechnungsausstellung abgeleitet wird, erscheint es nahe liegend, diese Wertung des § 11 UStG auf § 40 Abs 2 Z 2 InvFG zu übertragen. Aus diesem Grunde könnte ein Anteilsinhaber eines Fonds direkt unter Berufung auf § 40 Abs 2 Z 2 InvFG auf diese Nachweiserbringung klagen.

Dieser zivilgerichtlichen Judikatur trägt auch die abgabenrechtliche Rechtsprechung Rechnung (vgl. ): Voraussetzung des Vorsteuerabzuges ist nach den Bestimmungen des UStG unter anderem die eindeutige Identifizierbarkeit des Rechnungsausstellers allein anhand der in der Rechnung angeführten Identifikationsmerkmale, wobei der Leistungsempfänger eines im Einklang mit den bestehenden Gesetzen abgewickelten Rechtsgeschäftes dem Leistungserbringer gegenüber einen Anspruch darauf hat, von diesem eine dem Gesetz entsprechend gestaltete Rechnung ausgestellt zu erhalten. Bleibt der Leistungserbringer für den Leistungsempfänger greifbar, werden sich Fehler in der Rechnungslegung im Innenverhältnis zwischen den Vertragspartnern, und sei es durch Ausstellung einer berichtigten Rechnung, beheben lassen. Die Ungreifbarkeit eines Leistungserbringers aber ist das Risiko eines Leistungsempfängers, der sich auf eine Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen hat. Für eine Überwälzung dieses Risikos auf die Abgabenbehörde besteht kein rechtlicher Grund. Diese Grundsätze können auch auf den Nachweis der Erträge eines Investmentfonds übertragen werden."

Ergänzend bringt die Bundesregierung vor, daß ausländische Fonds, die im Inland zum öffentlichen Vertrieb zugelassen sind, einen Repräsentanten zu benennen hätten. Gemäß § 29 InvFG vertrete dieser Repräsentant die ausländische Kapitalanlagegesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Gemäß § 29 Abs 2 leg.cit. sei auch das für den Repräsentanten zuständige inländische Gericht örtlich zuständig. Die Durchsetzung des Rechtsanspruches eines inländischen Anlegers gegenüber einem ausländischen Fonds stoße somit jedenfalls im Regelfall auf geringere praktische Probleme als die Durchsetzung einer Informationsbeschaffung bei anderen Auslandsbeteiligungen oder die Durchsetzung der Ausstellung einer dem UStG konformen Rechnung.

Nach Ansicht der Bundesregierung dient der Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge durch einen steuerlichen Vertreter der Herstellung eines für alle Beteiligten gleichwertigen Ergebnisses. Gleichzeitig werde der steuerpflichtige Ertrag einmal festgestellt, wobei das Ergebnis dieser Feststellung in allen Abgabenverfahren allfälliger Anleger als Ausgangspunkt diene; es könne für diese Abgabenverfahren weitgehend übernommen werden und vereinfache somit Parallelverfahren.

Zusätzlich erscheine bei allfälligen Unklarheiten der Aufwand geringer, wenn der Nachweis direkt vom Rechtsträger des Fonds erfolge. Es nütze nämlich auch dem Anleger, wenn er nicht selbst "komplexe Klärungsfragen" beantworten müsse.

Des weiteren merkt die Bundesregierung an, daß ohne diese zwingende Bestimmung möglicherweise mancher ausländische Fonds es unterlassen würde, einen solchen Vertreter zu bestellen. Rückfragen über Vorgänge auf Fondsebene müßten dann zunächst an den Anteilsinhaber gestellt werden, der diese Fragen an den jeweiligen Rechtsträger des Fonds weitergebe, wobei Mißverständnisse und unzureichende Beantwortungen von Vorhalten gleichsam "vorprogrammiert" wären. Durch die Verpflichtung des ausländischen Fonds bzw. dessen Rechtsträger zur Bestellung eines steuerlichen Vertreters könnten derartige negative Folgen vermieden werden.

Die Bundesregierung kommt daher zu folgendem Schluß:

"Abschließend ist zu bemerken, dass es für einen Anleger im Prinzip möglich ist, einen Fonds zur Abgabe eines steuerlichen Nachweises der ausschüttungsgleichen Erträge zu veranlassen und dies gegebenenfalls auch gerichtlich durchzusetzen. Derartige Nachweismethoden und die zu erzwingende Durchsetzung auf zivilrechtlichem Wege sind auch in anderen Fällen üblich, wobei eine praktische Durchsetzung bei Auslandsfonds zum Teil einfacher ist, als bei anderen Auslandssachverhalten."

6. Der Beschwerdeführer in dem zu B539/03 protokollierten Verfahren replizierte auf die Äußerung der Bundesregierung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, daß die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogenen Bestimmungen anzuwenden (wobei der erste Satz des § 42 Abs 2 InvFG mit den übrigen Sätzen dieser Bestimmung in einem untrennbaren Zusammenhang steht), unzutreffend wäre. Auch die Bundesregierung geht in ihrer Äußerung ausdrücklich davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen präjudiziell seien. Der Gerichtshof bleibt auch bei der im Prüfungsbeschluß vorläufig getroffenen (und begründeten) Annahme, daß der Anwendung der in Prüfung gezogenen Normen der Vorrang unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts nicht offenkundig entgegensteht (vgl. VfSlg. 15.215/1998); dies ungeachtet des zwischenzeitig ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Lenz (), da sich dieses Urteil mit der anders gelagerten Frage der gemeinschaftsrechtskonformen Besteuerung von Auslandsdividenden befaßt. Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen haben sich als zutreffend erwiesen und konnten von den Argumenten der Bundesregierung nicht zerstreut werden.

2.1. Der vorläufigen Annahme des Gerichtshofes, § 42 Abs 2 InvFG sei gleichermaßen auf thesaurierende und auf nicht-thesaurierende Fonds anzuwenden und führe zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Behandlung dieser beiden Typen von Investmentfonds, ist die Bundesregierung nicht entgegengetreten. Der Gerichtshof bleibt dabei, daß es unsachlich ist, bei thesaurierenden wie bei nicht-thesaurierenden Fonds ausschüttungsgleiche Erträge nach derselben Methode zu schätzen, obwohl bei nicht-thesaurierenden Fonds bereits (bzw. zusätzlich) die tatsächlichen Ausschüttungen der Besteuerung zu unterwerfen sind (vgl. auch Reschny-Birox/Klaunzer, SWK 2004, 1004, 1006 f.). Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß § 42 Abs 2 InvFG in der in Prüfung gezogenen Fassung es erlaubt, auf eine Besteuerung der Ausschüttungen zu verzichten oder die Ausschüttungen von den ausschüttungsgleichen Erträgen in Abzug zu bringen.

2.2. Der Gerichtshof kann aber auch nicht der Auffassung der Bundesregierung folgen, die pauschale Ermittlung ausschüttungsgleicher Erträge nach § 42 Abs 2 InvFG bei Nichterfüllung der Nachweispflichten des § 40 Abs 2 Z 2 leg.cit. sei verfassungsrechtlich unbedenklich.

Der Gerichtshof stimmt der Bundesregierung zunächst darin zu, daß es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, an den Nachweis ausschüttungsgleicher Erträge grundsätzlich qualifizierte Anforderungen zu stellen und - wie es die Bundesregierung ausdrückt - ein standardisiertes Offenlegungsverfahren vorzusehen, das gleichermaßen einen Qualitätsstandard gewährleistet und der Erhebungsvereinfachung dient. Aus verfassungsrechtlicher Sicht begegnen somit die ersten beiden Sätze des § 40 Abs 2 Z 2 InvFG für sich allein keinen Bedenken.

Der Gerichtshof bezweifelt auch nicht, daß Abgabenbehörden zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt sind, wenn die Abgabepflichtigen ihrer Offenlegungspflicht nicht nachkommen. Damit ist lediglich der Inhalt des § 184 BAO wiedergegeben. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um eine "Schätzung", die der Gesetzgeber vorgenommen hat und die im Hinblick auf die ständige Judikatur des Gerichtshofes dann verfassungswidrig erscheint, wenn die Mehrzahl der Fälle gar nicht darunter fallen kann oder wenn der gewählte Maßstab Anlaß zu Bedenken gibt (vgl. z.B. VfSlg. 4409/1963, 4930/1965, 4958/1965, 5022/1965, 5160/1965).

Die Bundesregierung räumt selbst ein, daß die Schätzung nach § 42 InvFG an "einen oberen Wert der Durchschnittssatzskala" anknüpft, und begründet dies mit der Anwendung eines Sicherheitszuschlages, der zu den üblichen Elementen einer Schätzung gehöre. Dem ist freilich entgegenzuhalten, daß Sicherheitszuschläge bei evident unvollständigen Angaben des Steuerpflichtigen über die Besteuerungsgrundlagen zur Anwendung kommen und in diesen Fällen berücksichtigen, daß nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern vermutlich noch weitere Vorgänge gleicher Art nicht aufgezeichnet worden sind (vgl. z.B. Zl. 1775/79). Sicherheitszuschläge kommen daher dann zur Anwendung, wenn die Behörde bei der Schätzung von den vom Abgabepflichtigen ausgewiesenen Ergebnissen ausgeht, eben diese Ausgangswerte aber erwiesenermaßen nicht vollständig sind (Stoll, BAO-Kommentar, 1941). Bei der Schätzung der ausschüttungsgleichen Erträge von ausländischen Fonds geht es aber nicht um unvollständige Angaben des Steuerpflichtigen oder des Fonds, sondern um Annahmen über die vermutliche Ertragskraft von Fonds.

Nun ist es evident (und wird auch von der Bundesregierung nicht bestritten), daß die tatsächliche Ertragskraft eines Fonds von einer Vielzahl von Faktoren, so vor allem von der jeweiligen Zusammensetzung des Fondsvermögens, der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und unternehmerischen Entscheidungen abhängt, die ihrerseits einer Durchschnittsbetrachtung offensichtlich nicht zugänglich sind. Die Bundesregierung räumt dies selbst indirekt ein, wenn sie darauf hinweist (Seite 11 ihrer Äußerung), daß sich in der Liste ausländischer Investmentfonds auch solche befinden, deren ausschüttungsgleiche Erträge und Substanzgewinne 10 vH und mehr betragen (woraus im übrigen abzuleiten ist, daß es sich dabei offenbar um Einzelfälle handelt). Entziehen sich die zu schätzenden Bemessungsgrundlagen aber einer Durchschnittsbetrachtung, dann darf der Gesetzgeber zwar zunächst von vermuteten Erträgen ausgehen, muß diese Vermutung aber widerlegbar gestalten, um eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu ermöglichen.

Die Bundesregierung betont nun, daß es zur Schätzung (ohnehin) nur komme, wenn der Nachweis ausschüttungsgleicher Erträge nicht erbracht werde, der bei in- und ausländischen Fonds gleichermaßen erforderlich sei. Die Bundesregierung vertritt dazu die Auffassung, daß es dem Abgabepflichtigen freistehe und möglich sei, diesen Nachweis bei ausländischen Fonds zu erbringen. Wenn sie in diesem Zusammenhang (zunächst) argumentiert (unter Punkt 5 der Äußerung), der Anleger habe einen zivilrechtlichen Anspruch, von der Kapitalanlagegesellschaft jene Informationen zu erhalten, die für die ordnungsgemäße Versteuerung erforderlich sind, so mag dies zutreffen, kann aber die Norm nicht rechtfertigen. § 42 Abs 2 InvFG verlangt nach dem herrschenden Verständnis der Vorschrift, wie sie auch von der Finanzverwaltung vertreten wird (vgl. Rz 6244 ESt-Richtlinien 2000, AÖF 232/2000), nicht irgendeinen, sondern den qualifizierten Nachweis im Sinn des § 40 Abs 2 Z 2 leg.cit. durch einen steuerlichen Vertreter. Es müßte somit der ausländische Fonds einen steuerlichen Vertreter im Inland bestellen, der in der Folge den Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge erbringt. Die Bundesregierung steht selbst auf dem Boden dieser Interpretation, wenn sie in diesem Zusammenhang (Punkt 7 ihrer Äußerung) die Auffassung vertritt, daß der Anleger aus § 40 Abs 2 Z 2 InvFG einen zivilrechtlichen Anspruch auf Erbringung dieses Nachweises ableiten könne. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug sei es Sache des Anlegers, sich um die Erbringung dieses Nachweises zu kümmern.

Der Gerichtshof kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Wenn der Gesetzgeber die - an sich zulässigen - Nachweisanforderungen in diesem Zusammenhang so gestaltet, daß der Nachweis (nur) durch einen steuerlichen Vertreter des Fonds erbracht werden kann, und als steuerliche Vertreter nur inländische Kreditinstitute oder inländische Wirtschaftstreuhänder zuläßt, dann liegt es auf der Hand, daß die - formal gleichartigen - Nachweisanforderungen bei inländischen und ausländischen Fonds inhaltlich ganz unterschiedliche Bedeutung haben: Während bei inländischen oder bei im Inland zugelassenen ausländischen Fonds der Nachweis unschwer erbracht werden kann, weil diese Fonds ohnehin über einen steuerlichen Vertreter verfügen, stößt ein solcher Nachweis bei nicht im Inland verankerten Fonds offensichtlich auf größte praktische Schwierigkeiten. Daß ein inländischer Privatanleger einen (bisher) in Österreich nicht vertretenen ausländischen Investmentfonds im Zusammenhang mit dem Kauf von Anteilen dazu veranlassen oder gar zwingen kann, in Österreich einen steuerlichen Vertreter zu bestellen, ist unrealistisch. Insofern ist die Situation mit jener beim Vorsteuerabzug nicht vergleichbar.

Wählt der Steuerpflichtige für die Kapitalveranlagung daher einen Fonds, der in Österreich nicht zugelassen ist und keinen steuerlichen Vertreter bestellt hat, dann darf dies daher nicht damit verbunden sein, daß der Anleger Gefahr läuft, unter Verstoß gegen das für die Einkommensteuer tragende Leistungsfähigkeitsprinzip unwiderlegbar Einkünfte versteuern zu müssen, die er nicht erzielt hat. Hiefür gäbe es keine sachliche Rechtfertigung. Dem Gesetzgeber stünde es freilich frei (auch um eine Benachteiligung inländischer oder zugelassener ausländischer Fonds zu vermeiden), in solchen Fällen dem Steuerpflichtigen einen qualifizierten Nachweis der steuerlich relevanten Einkünfte abzuverlangen.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher im Hinblick auf § 42 Abs 2 InvFG als zutreffend erwiesen, weshalb § 42 Abs 2 InvFG, BGBl. 532/1993, idF BGBl. I 41/1998, als verfassungswidrig aufzuheben war. Gegen die ersten beiden Sätze des § 40 Abs 2 Z 2 leg.cit. bestehen nach Aufhebung des § 42 Abs 2 leg.cit. aus den oben dargelegten Gründen hingegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken mehr. Der Gerichtshof geht dabei davon aus, daß diese Sätze so zu verstehen sind, daß dann, wenn der Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge durch einen steuerlichen Vertreter nicht geführt wird, diese nach allgemeinen Grundsätzen zu schätzen sind. Das würde nach Aufhebung des § 42 Abs 2 leg.cit. für inländische und ausländische Kapitalanlagefonds gleichermaßen gelten. Die ersten beiden Sätze des § 40 Abs 2 Z 2 leg.cit. waren daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

4. Der Ausspruch, daß die aufgehobene Vorschrift nicht mehr anzuwenden ist, beruht auf Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG. Der Gerichtshof sah sich nicht veranlaßt, dem Antrag der Bundesregierung auf Fristsetzung zu folgen. Er geht davon aus, daß nach Aufhebung des § 42 Abs 2 InvFG die steuerpflichtigen Erträge aus den ausländischen Fonds, für die kein steuerlicher Vertreter im Inland bestellt ist, vom Steuerpflichtigen offenzulegen oder von der Finanzbehörde nach den allgemeinen Grundsätzen zu schätzen sind und damit die Gleichbehandlung der Erträge von inländischen und ausländischen Fonds auch schon vor einer allfälligen gesetzlichen Neuordnung erreichbar ist.

5. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

6. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Abs 1 Z 3 BGBlG.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.