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VfGH vom 03.07.2015, G46/2015

VfGH vom 03.07.2015, G46/2015

Leitsatz

Teils Zurück-, teils Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Regelung der StPO im strafprozessualen Ermittlungsverfahren betr die Verpflichtung zur konkreten Bezeichnung der von einer Verschwiegenheitspflicht betroffenen, sichergestellten Aufzeichnungen oder Datenträger; Bezeichnungserfordernis ausreichend bestimmt und sachlich gerechtfertigt; Zulässigkeit des Parteiantrags hinsichtlich der im Hauptverfahren nicht weiter beteiligten Dritten; Zurückweisung des Antrags hinsichtlich des Beschuldigten mangels Legitimation

Spruch

I. Der Antrag wird hinsichtlich des Erstantragstellers zurückgewiesen.

II. In Ansehung der Zweit- und der Drittantragstellerin wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

1.1. Mit dem vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gestützten Antrag wird die Aufhebung der Worte "konkret" im ersten Satz und "solche" im zweiten Satz des § 112 Abs 2 der Strafprozeßordnung 1975 (StPO) idF BGBl I 29/2012, in eventu (nur) des Wortes "konkret" in § 112 Abs 2 erster Satz leg.cit., in eventu (nur) des Wortes "solche" in § 112 Abs 2 zweiter Satz leg.cit., in eventu der ersten beiden Sätze des § 112 Abs 2 StPO idF BGBl I 29/2012 als verfassungswidrig begehrt. Darüber hinaus wird angeregt, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litb B VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Wortes "gleichzeitig" in § 62a Abs 1 VfGG idF BGBl I 92/2014 einleiten und dieses wegen Verfassungswidrigkeit aufheben.

1.2. Der Erstantragsteller ist Beschuldigter in einem von der Staatsanwaltschaft Wien zZ 601 St 1/13a wegen des Verdachts des Verbrechens der Untreue als Beteiligter (§153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall, § 12 dritter Fall StGB) geführten strafprozessualen Ermittlungsverfahren, in dem am an der (gemeinsamen) Adresse der Zweit- und der Drittantragstellerin eine Hausdurchsuchung samt Sicherstellung von Unterlagen stattgefunden hat. Die Drittantragstellerin ist eine Wirtschaftstreuhandgesellschaft iSd §§65 ff. Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, in deren Räumlichkeiten die Sicherstellung erfolgte. Der Erstantragsteller soll als Aufsichtsrat bzw. Vorstand bestimmter Aktiengesellschaften von zwei Mitbeschuldigten zum einen rechtsgrundlos und fälschlich als Refundierung von Verwaltungskosten bezeichnete Aufsichtsratsvergütungen und zum anderen – gemeinsam mit eigenen Familienangehörigen und der Zweitantragstellerin – im Zuge von Aktienkäufen mittels Scheinverträgen unzulässige Rabatte erhalten haben.

Bei der Zweitantragstellerin handelt es sich um eine Privatstiftung, die nach dem Antragsvorbringen vom (im Folgenden bezeichneten) Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien insofern betroffen ist, als die darin genannten Unterlagen zumindest zum Teil ihre eigenen Angelegenheiten betreffen.

1.3. Der – beim Verfassungsgerichtshof am elektronisch eingebrachte – Parteiantrag wurde aus Anlass eines auf § 112 Abs 2 StPO gestützten Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , mit dem ausgesprochen wurde, dass sämtliche im Zuge einer Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der Drittantragstellerin sichergestellten physischen Unterlagen zum Akt genommen werden dürfen, eingebracht. Darin wird unter anderem ausgeführt, dass die von der Verschwiegenheitspflicht betroffenen Unterlagen "Seite für Seite" zu bezeichnen gewesen wären.

Dem genannten Beschluss war eine Aufforderung des Landesgerichtes vorausgegangen, mit welcher der Drittantragstellerin gemäß § 112 Abs 2 StPO aufgetragen wurde, innerhalb bestimmter (in der Folge antragsgemäß verlängerter) Frist jene Dokumente konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung der Verschwiegenheitspflicht bedeuten würde. Fristgerecht gab die Drittantragstellerin mit Schriftsatz vom bekannt, dass "alle" im Zuge der Hausdurchsuchung sichergestellten Unterlagen mandatsbezogen und daher vom Berufsgeheimnis erfasst seien.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller nachweislich am selben Tag, an dem sie den Parteiantrag gestellt haben, auch Beschwerde gemäß § 87 StPO an das Oberlandesgericht Wien erhoben.

II. Rechtslage

Die §§110 bis 114 StPO regeln das Institut der Sicherstellung (worunter gemäß § 109 Z 1 leg.cit. u.a. die vorläufige Begründung der Verfügungsmacht über Gegenstände, also die Abnahme von Sachen zu verstehen ist) samt dem damit einhergehenden Sicherungs- und Sichtungsverfahren im strafgerichtlichen Ermittlungsverfahren; sie lauten wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Worte sind hervorgehoben):

"Sicherstellung

§110. (1) Sicherstellung ist zulässig, wenn sie

1. aus Beweisgründen,

2. zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche oder

3. zur Sicherung der Konfiskation (§19a StGB), des Verfalls (§20 StGB), des erweiterten Verfalls (§20b StGB), der Einziehung (§26 StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung erforderlich scheint.

(2) Sicherstellung ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.

(3) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, Gegenstände (§109 Z 1 lita) von sich aus sicherzustellen,

1. wenn sie

a. in niemandes Verfügungsmacht stehen,

b. dem Opfer durch die Straftat entzogen wurden,

c. am Tatort aufgefunden wurden und zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein könnten, oder

d. geringwertig oder vorübergehend leicht ersetzbar sind,

2. wenn ihr Besitz allgemein verboten ist (§445a Abs 1),

3. die im Rahmen einer Durchsuchung nach § 120 Abs 2 aufgefunden werden oder mit denen eine Person, die aus dem Grunde des § 170 Abs 1 Z 1 festgenommen wird, betreten wurde oder die im Rahmen ihrer Durchsuchung gemäß § 120 Abs 1 zweiter Satz aufgefunden werden, oder

4. in den Fällen des Artikels 18 der Verordnung (EU) Nr 608/2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1383/2003 des Rates, ABl. Nr L 181 vom S. 15.

(4) Die Sicherstellung von Gegenständen aus Beweisgründen (Abs1 Z 1) ist nicht zulässig und jedenfalls auf Verlangen der betroffenen Person aufzuheben, soweit und sobald der Beweiszweck durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien schriftlicher Aufzeichnungen oder automationsunterstützt verarbeiteter Daten erfüllt werden kann und nicht anzunehmen ist, dass die sichergestellten Gegenstände selbst oder die Originale der sichergestellten Informationen in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen sein werden.

§111. (1) Jede Person, die Gegenstände oder Vermögenswerte, die sichergestellt werden sollen, in ihrer Verfügungsmacht hat, ist verpflichtet (§93 Abs 2), diese auf Verlangen der Kriminalpolizei herauszugeben oder die Sicherstellung auf andere Weise zu ermöglichen. Diese Pflicht kann erforderlichenfalls auch mittels Durchsuchung von Personen oder Wohnungen erzwungen werden; dabei sind die §§119 bis 122 sinngemäß anzuwenden.

(2) Sollen auf Datenträgern gespeicherte Informationen sichergestellt werden, so hat jedermann Zugang zu diesen Informationen zu gewähren und auf Verlangen einen elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder herstellen zu lassen. Überdies hat er die Herstellung einer Sicherungskopie der auf den Datenträgern gespeicherten Informationen zu dulden.

(3) Personen, die nicht selbst der Tat beschuldigt sind, sind auf ihren Antrag die angemessenen und ortsüblichen Kosten zu ersetzen, die ihr durch die Trennung von Urkunden oder sonstigen beweiserheblichen Gegenständen von anderen oder durch die Ausfolgung von Kopien notwendigerweise entstanden sind.

(4) In jedem Fall ist der von der Sicherstellung betroffenen Person sogleich oder längstens binnen 24 Stunden eine Bestätigung über die Sicherstellung auszufolgen oder zuzustellen und sie über das Recht, Einspruch zu erheben (§106) und eine gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Sicherstellung zu beantragen (§115), zu informieren. Von einer Sicherstellung zur Sicherung einer Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche (§110 Abs 1 Z 2) ist, soweit möglich, auch das Opfer zu verständigen.

§112. (1) Widerspricht die von der Sicherstellung betroffene oder anwesende Person, auch wenn sie selbst der Tat beschuldigt ist, der Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern unter Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit, das bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellung umgangen werden darf, so sind diese Unterlagen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und bei Gericht zu hinterlegen. Auf Antrag des Betroffenen sind die Unterlagen jedoch bei der Staatsanwaltschaft zu hinterlegen, die sie vom Ermittlungsakt getrennt aufzubewahren hat. In beiden Fällen dürfen die Unterlagen von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei nicht eingesehen werden, solange nicht über die Einsicht nach den folgenden Absätzen entschieden worden ist.

(2) Der Betroffene ist aufzufordern, binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde; zu diesem Zweck ist er berechtigt, in die hinterlegten Unterlagen Einsicht zu nehmen. Unterlässt der Betroffene eine solche Bezeichnung, so sind die Unterlagen zum Akt zu nehmen und auszuwerten. Anderenfalls hat das Gericht, im Fall eines Antrags nach Abs 1 vorletzter Satz jedoch die Staatsanwaltschaft die Unterlagen unter Beiziehung des Betroffenen sowie gegebenenfalls geeigneter Hilfskräfte oder eines Sachverständigen zu sichten und anzuordnen, ob und in welchem Umfang sie zum Akt genommen werden dürfen. Unterlagen, die nicht zum Akt genommen werden, sind dem Betroffenen auszufolgen. Aus deren Sichtung gewonnene Erkenntnisse dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht für weitere Ermittlungen oder als Beweis verwendet werden.

(3) Gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft kann der Betroffene Einspruch erheben, in welchem Fall die Unterlagen dem Gericht vorzulegen sind, das zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang sie zum Akt genommen werden dürfen; Abs 2 letzter Satz gilt. Einer Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts kommt aufschiebende Wirkung zu.

§113. (1) Die Sicherstellung endet,

1. wenn die Kriminalpolizei sie aufhebt (Abs2),

2. wenn die Staatsanwaltschaft die Aufhebung anordnet (Abs3),

3. wenn das Gericht die Beschlagnahme anordnet.

(2) Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft über jede Sicherstellung unverzüglich, längstens jedoch binnen 14 Tagen zu berichten (§100 Abs 2 Z 2), soweit sie eine Sicherstellung nach § 110 Abs 3 nicht zuvor wegen Fehlens oder Wegfalls der Voraussetzungen aufhebt. Dieser Bericht kann jedoch mit dem nächstfolgenden verbunden werden, wenn dadurch keine wesentlichen Interessen des Verfahrens oder von Personen beeinträchtigt werden und die sichergestellten Gegenstände geringwertig sind, sich in niemandes Verfügungsmacht befinden oder ihr Besitz allgemein verboten ist (§445a Abs 1). Im Fall des § 110 Abs 3 Z 4 hat die Kriminalpolizei nach den Bestimmungen der §§3, 4 und 6 des Produktpirateriegesetzes 2004, BGBl I Nr 56/2004, vorzugehen.

(3) Die Staatsanwaltschaft hat im Fall einer Sicherstellung nach § 109 Z 1 litb sogleich bei Gericht die Beschlagnahme zu beantragen oder, wenn deren Voraussetzungen nicht vorliegen oder weggefallen sind, die Aufhebung der Sicherstellung anzuordnen.

(4) Im Fall einer Sicherstellung von Gegenständen (§109 Z 1 lita) findet eine Beschlagnahme auch auf Antrag nicht statt, wenn sich die Sicherstellung auf Gegenstände im Sinne des § 110 Abs 3 Z 1 lita und d oder Z 2 bezieht oder der Sicherungszweck durch andere behördliche Maßnahmen erfüllt werden kann. In diesen Fällen hat die Staatsanwaltschaft die erforderlichen Verfügungen über die sichergestellten Gegenstände und ihre weitere Verwahrung zu treffen und gegebenenfalls die Sicherstellung aufzuheben."

Damit im Zusammenhang verbietet § 157 Abs 2 StPO unter Nichtigkeitssanktion jede Umgehung des Entschlagungsrechtes der in Abs 1 Z 2 bis 5 leg.cit. angeführten Personen, wobei das Gesetz insbesondere auch die Sicherstellung von Unterlagen oder von auf Datenträgern gespeicherten Informationen nennt:

"Aussageverweigerung

§157. (1) Zur Verweigerung der Aussage sind berechtigt:

1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen Angehörigen (§156 Abs 1 Z 1) der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren der Gefahr aussetzen würden, sich über ihre bisherige Aussage hinaus selbst zu belasten,

2. Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Verfahrensanwälte in Untersuchungsausschüssen des Nationalrats, Notare und Wirtschaftstreuhänder über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,

3. Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapeuten, Psychologen, Bewährungshelfer, eingetragene Mediatoren nach dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz, BGBl I Nr 29/2003, und Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen zur psychosozialen Beratung und Betreuung über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,

4. Medieninhaber (Herausgeber), Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes über Fragen, welche die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen betreffen oder die sich auf Mitteilungen beziehen, die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemacht wurden,

5. Wahlberechtigte darüber, wie sie ein gesetzlich für geheim erklärtes Wahl- oder Stimmrecht ausgeübt haben.

(2) Das Recht der in Abs 1 Z 2 bis 5 angeführten Personen, die Aussage zu verweigern, darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden, insbesondere nicht durch Sicherstellung und Beschlagnahme von Unterlagen oder auf Datenträgern gespeicherten Informationen oder durch Vernehmung der Hilfskräfte oder der Personen, die zur Ausbildung an der berufsmäßigen Tätigkeit nach Abs 1 Z 2 bis 4 teilnehmen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragsteller behaupten, wegen Anwendung des § 112 Abs 2 StPO, der gegen den Gleichheitssatz, die Eigentumsfreiheit, das Legalitätsprinzip und das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit verstoße, in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit – die Drittantragstellerin darüber hinaus auch im Recht auf berufliche Verschwiegenheit und im Recht auf Aussageverweigerung – verletzt zu sein.

2.1. Zu ihrer Antragslegitimation bringen sie u.a. vor, dass der anlassgebende Beschluss – bei naheliegender Wortinterpretation – eine "entschiedene Rechtssache" iSd Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG darstelle; bei einer in einem Ermittlungsverfahren zu klärenden Frage handle es sich um eine "Rechtssache", die auf Grund einer darüber herbeigeführten gerichtlichen Entscheidung zu einer "entschiedenen" werde. Die in den Erläut. zur RV des nachmaligen § 62a VfGG, 263 BlgNR 25. GP, 3, zum Ausdruck kommende Auffassung des Gesetzgebers, wonach sich die Unzulässigkeit von Parteianträgen im strafprozessualen Ermittlungsverfahren bereits aus der Bezugnahme des Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG auf "eine von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache" und dem Umstand ergebe, dass in Strafsachen eine mit ordentlichem Rechtsmittel anfechtbare Entscheidung in der Sache jedenfalls erst nach Anklageerhebung vorliegen könne, verkenne "die Natur der Verzahnung von Ermittlungsverfahren und Hauptverfahren" und gehe offenbar "von der irrigen Annahme aus, im Hauptverfahren könnten Entscheidungen, die im Ermittlungsverfahren getroffen wurden, vom Gericht überprüft und revidiert werden". Dies sei aber unzutreffend (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original, Fußnoten in eckigen Klammern ausgewiesen):

"Der einzige inhaltliche Zusammenhang besteht insoweit, als ein mit Anklage endendes Ermittlungsverfahren im Hauptverfahren dahingehend überprüft wird, ob die vom Staatsanwalt getroffene Annahme der naheliegenden Verurteilung [§210 Abs 1 StPO] zutrifft und eine Verurteilung tatsächlich stattzufinden hat. Alle übrigen Fragen, die im Ermittlungsverfahren entschieden wurden, unterliegen überhaupt keiner nachprüfenden Kontrolle im Hauptverfahren. Der aus den Materialien hervorleuchtende Gedanke, die Entscheidungen im Ermittlungsverfahren wären nicht-selbständig anfechtbare verfahrensleitende Verfügungen oä, ist daher grundlegend verfehlt.

Richtig ist vielmehr, dass im Ermittlungsverfahren über bestimmte Rechtssachen endgültig abgesprochen wird, und diese Rechtssachen nicht bloß als unselbständige Teile des gegen den Beschuldigten geführten Ermittlungsverfahrens gesehen werden kann, gegen die er sich erst – aber immerhin – im Hauptverfahren zur Wehr setzen kann, sondern als ganz eigenständige Sachen.

Dies gilt insbesondere für jene aus Anlass eines Ermittlungsverfahrens eingeleiteten gerichtlichen Überprüfungsverfahren, in welchen am Ermittlungsverfahren ansonsten überhaupt nicht beteiligte Dritte ihre Rechte wahren möchten und damit unter einem auch ihren gesetzlichen Pflichten auf Verschwiegenheit nachkommen. [Vgl exemplarisch § 9 Abs 1 RAO. Das Aussageverweigerungsrecht ist insoweit nur die Kehrseite der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, und der Berufsgeheimnisträger muss sich darauf berufen, soweit er nicht ausnahmsweise davon entbunden ist.]

Zu diesen gerichtlichen Überprüfungsverfahren gehört unzweifelhaft das Sicherungs- und Sichtungsverfahren gemäß § 112 StPO. Denn dieses Verfahren dient ganz spezifisch dem Schutz jenes Verschwiegenheitsrechtes, das bestimmten Berufsgruppen aus rechtsstaatlichen Gründen durchgängig in allen Verfahrenssystemen eingeräumt wird. Im Rahmen des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens wird dieses Recht an verschiedenen Stellen umgesetzt, insbesondere im Aussageverweigerungsrecht gemäß § 157 StPO sowie in jenen Bestimmungen, die eine Umgehung dieses Rechtes bei sonstiger Nichtigkeit anordnen [vgl insb §§157 Abs 2 und 144 Abs 2 StPO].

§112 StPO schützt somit die Rechte bestimmter Berufsgeheimnisträger, die an sich am Ermittlungsverfahren ansonsten gar nicht beteiligt sind. Das in dieser Bestimmung geregelte Verfahren betrifft somit einen – von dem im Ermittlungsverfahren untersuchten Vorwurf und den dortigen Beschuldigten völlig losgelösten – Aspekt, dh eine ganz eigenständige Rechtssache.

Die Frage, ob die Sicherstellung einer Unterlage beim Berufsgeheimnisträger einen unzulässigen Eingriff in dessen Rechte darstellt, wird auch ausschließlich und abschließend im Verfahren nach § 112 StPO geklärt. Der betroffene Berufsgeheimnisträger hat weder im anschließenden Ermittlungsverfahren noch im Hauptverfahren irgendeine Möglichkeit, diese Entscheidung überprüfen zu lassen. Er ist dort nämlich gar nicht mehr weiter beteiligt.

Die gerichtliche Entscheidung gemäß § 112 Abs 2 StPO darüber, ob bestimmte Unterlagen zum Ermittlungsakt genommen werden dürfen, entscheidet daher diese Rechtssache für den Berufsgeheimnisträger endgültig. Die vom Gesetzgeber geäußerte Vermutung, dass noch eine spätere Überprüfung stattfinden könne und daher in diesem Stadium des Verfahrens (noch) kein Bedürfnis für die Zulässigkeit eines Parteienantrages bestehe, trifft daher nicht zu. Gerichtliche Entscheidungen gemäß § 112 StPO schaffen daher eine 'entschiedene Rechtssache' und erfüllen diese Prozessvoraussetzung des Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG. [Das Verfahren gemäß § 112 StPO ist nicht das einzige, wo dieses Argument gelten muss, sondern dies gilt immer dann, wenn eine gerichtliche Entscheidung später nicht mehr inhaltlich überprüft werden kann. Nur als weiteres Beispiel seien etwa jene Bestimmungen genannt, aufgrund derer eine Untersuchungshaft verhängt wird. Der massive Grundrechtseingriff ist hier evident, eine spätere Überprüfung aber ausgeschlossen. Ein Parteienantrag auf Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden einfach-gesetzlichen Bestimmungen muss daher auch hier zulässig sein.]"

2.2. Im Einzelnen legen die Antragsteller ihre Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Worte "konkret" und "solche" in § 112 Abs 2 StPO wie folgt dar:

"3.1 Verstoß gegen das Legalitätsprinzip

Art18 B VG verlangt von gesetzlichen Bestimmungen eine ausreichende Klarheit und Bestimmtheit. Daran mangelt es dem § 112 Abs 2 StPO: Jene Anforderungen, die von den Strafgerichten gefordert werden, sind für den Normunterworfenen in keiner Weise erkennbar. [Die] Wendung 'konkrete Bezeichnung' legt vielmehr den Schluss nahe, dass die Bezeichnung nur ausreichend präzise sein muss, also keine Unklarheiten übrig bleiben dürfen, welche Dokumente gemeint sind und welche nicht.

In diesem Sinne wäre etwa eine Umschreibung des Kreises der Unterlagen durch die Formulierung 'alle jene Unterlagen, [die] den Themenkreis 'Management-Verträge' betreffen' nicht präzise und damit konkret genug, da hier Interpretationsspielraum übrig bleibt. Die Formulierung "alle Unterlagen" bietet aber das Maximum an Präzision: Hier herrscht keinerlei Zweifel daran, welche Unterlagen genau gemeint sind.

Falls § 112 Abs 2 StPO tatsächlich irgendeine Auflistung der Dokumente verlangt, so bleibt auch völlig offen, in welcher Detailtiefe dies geschehen soll. Muss dies nach Ordnern gegliedert sein, oder nach Dokumenten, oder gar Seite für Seite? Der Beschluss vom nennt alle diese Gliederungseinheiten, ohne eine genaue Antwort zu geben. Die aus der Rechtsprechung des OLG Wien übernommene Formulierung, dies müsste 'zu jedem Ordner Seite für Seite bzw. pro Vorgang' geschehen, zeigt deutlich, dass es hier keine klare Antwort gibt: Pro Ordner? Pro Seite? Pro Vorgang? Auch die Forderung, dass eine Begründung gegeben werden müsste, warum ein Dokument geschützt ist, ist für einen Normunterworfenen aus dem Wortlaut des § 112 Abs 2 StPO nicht ausreichend genau erkennbar.

Im Übrigen ist die Rechtsprechung des OLG Wien, die diese Forderungen aus § 112 Abs 2 StPO ableitet, derzeit noch nicht im RIS abrufbar und kann einem Normunterworfenen (und auch einem Rechtsberater) erst und nur dann (zufällig) bekannt sein, wenn er selbst eine entsprechende Entscheidung zugestellt erhalten hat.

Aus all diesen Gründen steht § 112 Abs 2 StPO in Widerspruch zu Art 18 B VG und ist aus diesem Grunde verfassungswidrig.

3.2 Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Eigentumsfreiheit

Die Forderung, eine Detailauflistung aller Dokumente vorzunehmen und auch jeweils eine Begründung dafür zu nennen, ist völlig unsachlich und unverhältnismäßig und verstößt aus diesen Gründen gegen den Gleichheitssatz (Art2 StGG und Art 7 B VG) und die Eigentumsfreiheit (Art5 StGG, Art 1 1. ZP EMRK, Art 17 GRC). Dies aus folgenden Gründen:

Die konkrete Bezeichnung der Unterlagen muss vom Berufsgeheimnisträger vorgenommen werden, der mit dem Ermittlungsverfahren an sich gar nichts zu tun hat. Er ist nicht Beschuldigter, am Verfahren ansonsten nicht beteiligt und ihn trifft keinerlei Verschulden. Seine durch § 112 StPO erzwungene Mitwirkung ist eine besondere Form der Inpflichtnahme Privater. Diese wird dadurch verstärkt, dass ihm wenn er die Mitwirkung nicht vornimmt zufolge § 112 Abs 2 zweiter Satz StPO die Unterlagen endgültig weggenommen werden, was einen klaren Eingriff in sein Eigentum darstellt. [Dass die Sicherstellung einen Eigentumseingriff darstellt, ist unbestritten, vgl Tipold/Zerbes , WK-StPO, Vor §§110-115 Rz 4 ff.]

Eine solche – von den Materialien des § 112 StPO ausdrücklich als 'Bringschuld' angesehene [1677 BlgNR 24. GP, 10 f.] – Inpflichtnahme ist nicht per se unzulässig, aber sie muss um verfassungskonform zu sein – sachlich und verhältnismäßig sein. Dies ist sie in concreto nicht. Denn die verlangte Detailauflistung samt Begründung bedeutet einen ungeheuren Aufwand an Zeit und Kosten, obwohl das Ergebnis kein anderes ist, als die Bezeichnung von 'allen' Unterlagen als geschützt.

Ausdrücklich sei hier darauf [hin]gewiesen, dass es sich bei den Konvoluten an sichergestellten Unterlagen oft um Zehntausende, Hunderttausende oder gar Millionen an Unterlagen handelt. Eine Detailauflistung ist hier schon rein faktisch gar nicht machbar. Dies zu verlangen, lässt den Rechtsschutz des § 112 StPO faktisch leerlaufen. Es ist auch weder für eine ausreichend präzise Abgrenzung noch für die Entscheidung des Gerichtes, ob tatsächlich geschützte Unterlagen vorliegen, notwendig: Wenn sich etwa ergibt, dass alle Dateien mandatsbezogen sind, dann können alle diese Dateien vom Betroffenen pauschal als geschützt bezeichnet und alle Dateien vom Gericht als geschützt anerkannt werden. In einer geforderten zusätzlichen Auflistung Seite-für-Seite oder Datei-für-Datei liegt überhaupt kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn, wenn es sich umfänglich um sämtliche Unterlagen handelt. Welche sachliche Rechtfertigung vorhanden sein sollte, diesen Aufwand vom Betroffenen zu verlangen, obwohl diesem Aufwand kein konkreter Nutzen gegenüber steht, ist nicht ersichtlich.

Einen Inpflichtgenommenen mit einem solchen unnötigen Aufwand zu belasten, ist schon per se unsachlich. Es macht überdies den Eigentumseingriff unverhältnismäßig und stellt nicht das gelindeste, zum Ziel führende Mittel dar, weil mehr vom Inpflichtgenommenen verlangt wird, als nötig. Es müsste vielmehr genügen, wenn er eine ausreichend präzise Abgrenzung der seiner Ansicht nach geschützten von den nicht-geschützten Unterlagen vornimmt. Richtig betrachtet kann daher immer nur jene Detailtiefe verlangt werden, die erforderlich ist, um eine ausreichend präzise Abgrenzung der geschützten Dokumente vorzunehmen. Eine Detailauflistung jedenfalls zu fordern, ist eine reine (verfassungswidrige) Zwangsarbeit, die hier keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringt.

Was die Frage betrifft, ob die genannten Dokumente tatsächlich geschützt sind, so ist dies eine vom Gericht im Anschluss daran zu entscheidende Frage. Die ausreichende Konkretheit der Bezeichnung davon abhängig zu machen, ob ein Dokument tatsächlich geschützt ist, verdreht die logische Reihenfolge der Schritte eines sinnvollen Sichtungsverfahrens. Sie bürdet dem Betroffenen einen Aufwand auf, der an dieser Stelle des Verfahrens nicht nötig ist und überdies nicht in seine Zuständigkeit fällt. Im Rahmen der Bezeichnung von Unterlagen kann es nur Aufgabe des Betroffenen sein, dies präzise genug zu tun. Wünscht der Gesetzgeber auch eine Begründung, warum bestimmte Dokumente vom Betroffenen als geschützt angesehen werden, so müsste er dies ausdrücklich anordnen und die Systematik des § 112 Abs 2 StPO dem anpassen.

Derzeit ist all dies nicht der Fall. Es hilfsweise in ein Wort ('konkret') zu verschieben, das dieses Ergebnis in Wahrheit gar nicht hergibt, führt zu einem unsachlichen und damit gleichheitswidrigen Ergebnis. Unter einem wird dadurch ein unzulässiger und damit verfassungswidriger Eigentumseingriff konstituiert und gegen das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit verstoßen."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie primär die Zurückweisung des Antrages begehrt; eventualiter beantragt sie die Ablehnung der Antragsbehandlung bzw. die Abweisung des Antrages.

3.1. Die Bundesregierung hält den Antrag zum einen deshalb für unzulässig, weil dieser im Rahmen des strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens und damit nicht im Zusammenhang mit einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache" gestellt werde und beruft sich hiezu auf den Abänderungsantrag AA-336, 24. GP, 3, zum Bericht des Verfassungsausschusses (AB 2380 BlgNR 24. GP) sowie auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 263 BlgNR 25. GP, 3) zu den Ausnahmetatbeständen des § 62a Abs 1 VfGG (beide unter Pkt. III. wiedergegeben):

"Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG und § 62a Abs 1 VfGG ist die Erhebung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle nur im Zusammenhang mit einer (in erster Instanz entschiedenen) 'Rechtssache' zulässig. Damit ist eine Entscheidung in der Sache angesprochen (vgl. Reiter , Der Parteiantrag auf Normenkontrolle im zivilgerichtlichen Verfahren, RZ2015, 55 [56]). Im Rahmen des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens erfolgt keine Entscheidung einer Rechtssache. Es ist daher von vornherein vom Anwendungsbereich eines Parteienantrags auf Normenkontrolle ausgenommen. Entscheidungen im Rahmen des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens scheiden insofern als Anlassverfahren für die Erhebung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle aus.

Dies wird auch durch die Gesetzesmaterialien zu Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG bestätigt. [...]"

3.2. Weiters wendet die Bundesregierung gegen die Zulässigkeit des Antrages ein, dass dieser keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, sondern lediglich Bedenken gegen dessen (verfassungswidrige) Anwendung – also bloße Vollzugsmängel – geltend mache. Der Hauptantrag sowie die Eventualbegehren, soweit sie (auch) das Wort "solche" zum Gegenstand haben, erwiesen sich darüber hinaus auch mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen als unzulässig, da diese sich lediglich auf das Wort "konkret" in § 112 Abs 2 erster Satz beziehen dürften.

3.3.1. In der Sache hält sie den von den Antragstellern erhobenen Bedenken Folgendes entgegen (ohne die Hervorhebungen im Original):

"1.1.2. Nach Auffassung der Bundesregierung entspricht § 112 Abs 2 StPO dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art 18 B VG:

1.1.3. Gemäß § 112 Abs 2 StPO müssen 'binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist jene Teile der sichergestellten Aufzeichnungen oder Datenträger konkret [bezeichnet werden], deren Offenlegung eine Umgehung [der Verschwiegenheit des Betroffenen] bedeuten würde'. Unterlässt der Betroffene eine solche Bezeichnung, so sind die Unterlagen zum Akt zu nehmen und auszuwerten.

1.1.4. Schon im Hinblick auf die Bedeutung des Wortes 'konkret' stellt § 112 Abs 2 StPO hinreichend klar, dass eine bestimmte und präzise, auf den Einzelfall bezogene Bezeichnung der Unterlagen gefordert wird. Darüber hinaus wird das Erfordernis der 'konkreten' Bezeichnung durch die Bezugnahme auf einzelne 'Teile' der Aufzeichnungen oder Datenträger näher bestimmt. Daraus ergibt sich etwa, dass Unterlagen, die inhaltlich zusammengehören (wie zB ein mehrseitiger Kaufvertrag), als ein 'Teil' zu bezeichnen sind, während einzelne, inhaltlich nicht zusammengehörige Aufzeichnungen (etwa einzelne Papierseiten) jeweils eigene Teile darstellen und daher auch gesondert bezeichnet werden müssen. Welches Ausmaß an Präzision bei der Bezeichnung im Einzelfall erforderlich ist, ist auch im Hinblick auf den Zweck des Bezeichnungserfordernisses – der Schutz der Verschwiegenheit – zu beurteilen. Aufgrund der Bezeichnung muss also eindeutig erkennbar sein, welche Teile der sichergestellten Aufzeichnungen oder Datenträger wegen der Verschwiegenheit nicht offengelegt werden dürfen. Genau diese Auslegung liegt auch dem oben zitierten Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien zu 22 Bs 211/13k zugrunde. Die Vorgabe, dass 'zu jedem Ordner Seite für Seite bzw. pro Vorgang' eine Bezeichnung erforderlich sei, wird darin spezifisch im Hinblick darauf formuliert, dass die 'sichergestellten Ordner über weite Strecken keine einheitlichen oder zusammenhängenden Urkunden bzw. bestimmten Kategorien zuordenbare Inhalte umfassen'.

Schon der Wortlaut, aber auch der Zweck des § 112 Abs 2 StPO schließen somit eine bloß pauschale Behauptung einer Verschwiegenheitsumgehung in Bezug auf alle sichergestellten Aufzeichnungen oder Datenträger aus (siehe dazu auch die oben wiedergegebenen Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1677 BlgNR XXIV. GP 10 f).

Stellen jedoch inhaltlich zusammengehörige Unterlagen in ihrer Gesamtheit einen einzigen 'Teil' dar, dessen Offenlegung nach Meinung des von der Sicherstellung Betroffenen eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde, kann dieser nach dem Wortlaut des § 112 Abs 2 StPO als ein (zusammengehöriger) Teil bezeichnet werden (vgl. Venier in Bertel/Venier, StPO [2012], 296). Nach Auffassung der Bundesregierung ist das Bezeichnungserfordernis des § 112 Abs 2 StPO daher hinreichend determiniert.

1.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Eigentumsfreiheit und das Sachlichkeitsgebot

1.2.1. Darüber hinaus wird behauptet, dass die angefochtene Bestimmung dem Gleichheitsgrundsatz und der Eigentumsfreiheit widerspreche, da die (vom Gericht im Anlassverfahren) 'verlangte Detailauflistung samt Begründung' einen 'ungeheuren Aufwand an Zeit und Kosten' bedeute und damit unsachlich sowie unverhältnismäßig sei, zumal ein Berufsgeheimnisträger am Strafverfahren ansonsten nicht beteiligt sei.

1.2.2. Den von den Antragstellern erhobenen Bedenken hinsichtlich eines, aus § 112 Abs 2 StPO folgenden Begründungserfordernisses, ist zunächst entgegen zu halten, dass § 112 Abs 2 StPO seinem Wortlaut nach gar kein solches Begründungserfordernis normiert, sondern lediglich die Bezeichnung der von der Verschwiegenheit erfassten Unterlagen erfordert. Dies wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt; so wird im Bericht des Justizausschusses ausgeführt, dass eine 'Bezeichnung […] nicht ein Eingehen auf den Inhalt der Unterlagen [verlangt], sondern bloß den konkreten Hinweis, dass z.B. ein sichergestellter Akt in keinem Zusammenhang mit dem gegenständlichen Ermittlungsverfahren steht' (AB 1700 BlgNR XXIV. GP 2). Ein Begründungserfordernis wurde aber auch nicht vom erkennenden Gericht im Anlassverfahren angenommen, ebenso wenig vom Oberlandesgericht Wien im bereits zitierten Beschluss zu 22 Bs 211/13 k. Die Formulierung in diesen Entscheidungen, dass 'zu jedem Ordner […] Stellungnahme bezogen werden' müsse, bedeutet nur, dass in Bezug auf jeden Ordner einzeln kenntlich gemacht werden muss, ob er der Verschwiegenheit unterliegt oder nicht. Die Gründe dafür müssen jedoch nicht angegeben werden. Vor diesem Hintergrund gehen die Bedenken – soweit sie sich gegen ein von den Antragstellern aus § 112 Abs 2 StPO abgeleitetes Begründungserfordernis wenden – von vornherein ins Leere.

1.2.3. Die Bundesregierung vermag auch nicht zu erkennen, inwiefern das gesetzlich vorgeschriebene Erfordernis gemäß § 112 Abs 2 StPO zur konkreten Bezeichnung von Unterlagen, die bereits sichergestellt sind, in den Schutzbereich des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums eingreifen könnte. Selbst wenn man das Bezeichnungserfordernis in Zusammenhang mit der Rechtsfolge seiner Unterlassung sieht, könnte ein Eingriff in das Eigentum nicht durch das Bezeichnungserfordernis selbst, sondern allenfalls dadurch erfolgen, dass die Unterlagen zum Akt genommen werden. Allerdings werden die Unterlagen in diesem Fall – entgegen der Behauptung der Antragsteller – nicht 'endgültig weggenommen' (so aber S. 25 f des Antrags). Gemäß § 110 Abs 4 StPO ist die Sicherstellung von Gegenständen aus Beweisgründen nämlich dann nicht zulässig und jedenfalls auf Verlangen der betroffenen Person aufzuheben, soweit und sobald der Beweiszweck durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien schriftlicher Aufzeichnungen oder automationsunterstützt verarbeiteter Daten erfüllt werden kann und nicht anzunehmen ist, dass die sichergestellten Gegenstände selbst oder die Originale der sichergestellten Informationen in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen sein werden. Dies ist bei den dem Verfahren des § 112 StPO unterliegenden Aufzeichnungen und Datenträgern der Regelfall. Darüber hinaus sind zu Beweiszwecken sichergestellte Gegenstände zurückzustellen, sobald sie nicht mehr benötigt werden (§113 Abs 3, § 115 Abs 6 StPO), jedenfalls aber mit rechtskräftiger Verfahrensbeendigung (Tipold/Zerbes, WK-StPO § 115 Rz. 33; § 613 Geo).

[…]

1.2.4. Die angefochtene Bestimmung verstößt nach Auffassung der Bundesregierung auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz: Wie dargelegt wurde, zielt das Bezeichnungserfordernis nach § 112 Abs 2 StPO insbesondere darauf ab, Verfahrensverzögerungen im Strafverfahren entgegen zu wirken. Dies dient nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung, sondern insbesondere auch dem Recht eines Angeklagten gemäß Art 6 EMRK auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist. [Die] Eigentümer bzw. Ersteller der Unterlagen sind selbst am besten in der Lage zu beurteilen, ob die Offenlegung der Unterlagen eine Umgehung ihrer Verschwiegenheit bedeuten würde und können eine solche Einschätzung auch am schnellsten vornehmen. Zudem haben es die Berufsgeheimnisträger dadurch zunächst selbst in der Hand, Unterlagen, die ihrer Verschwiegenheit unterliegen, der Offenlegung zu entziehen.

§112 Abs 2 StPO schafft somit einen angemessenen Ausgleich zwischen den Verschwiegenheitsrechten von Berufsgeheimnisträgern und dem Recht auf ein faires Verfahren einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung sowie dem Recht auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist gemäß Art 6 EMRK (vgl. dazu auch das Beschleunigungsgebot gemäß § 9 StPO) andererseits.

1.3 Zu den Bedenken im Hinblick auf das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit:

[…]

Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass sich der Antrag insoweit auf die bloße Behauptung einer Verletzung beschränkt, ohne diese Behauptung in irgendeiner Weise zu begründen, sodass sich ein Eingehen darauf schon aus diesem Grund erübrigt.

Der Vollständigkeit halber weist die Bundesregierung aber darauf hin, dass § 112 Abs 2 StPO weder eine gesetzliche Verpflichtung zu einer höchstpersönlichen Dienstleistung begründet noch den Betroffenen eine unverhältnismäßige Leistung abverlangt. Hinsichtlich der Drittantragstellerin, eine Wirtschaftstreuhandgesellschaft, geht die Behauptung einer Verletzung dieses Grundrechts aber auch deshalb ins Leere, da das Bezeichnungserfordernis untrennbar und unmittelbar mit ihrer beruflichen Tätigkeit verknüpft ist und – gemessen an der üblichen Tätigkeit einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft insgesamt – nur in Ausnahmeumständen schlagend wird."

Für den Fall der Aufhebung beantragt die Bundesregierung, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu setzen, weil die Frage des Bezeichnungserfordernisses im Widerspruchsverfahren nach § 112 StPO unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung gerade bei der Bearbeitung hochkomplexer Verfahren im Bereich der Korruption und Wirtschaftskriminalität völlig neu geregelt werden müsste.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG idF BGBl I 114/2013 erkennt der Verfassungsgerichtshof seit (Art151 Abs 54 Z 5 B VG) über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch

"d) auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".

Gemäß Art 140 Abs 1a B VG idF BGBl I 114/2013 kann die Stellung eines solchen (Partei-)Antrages auf Normenkontrolle durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist.

Nach § 62a Abs 1 erster Satz VfGG idF BGBl I 92/2014 kann eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, gleichzeitig einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben. § 62a Abs 1 Z 1 bis 10 VfGG zählt jene (streitigen und außerstreitigen zivilrechtlichen) Verfahren auf, in denen die Stellung eines solchen Antrages unzulässig ist. Das strafprozessuale Ermittlungsverfahren im Allgemeinen ist dort ebenso wenig angeführt wie das Sicherungs- und Sichtungsverfahren nach den §§110 ff. StPO im Speziellen. Auch sonst finden sich für den strafgerichtlichen Bereich keine Ausnahmebestimmungen.

2. Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", somit eines (gemäß § 62a Abs 1 erster Satz VfGG rechtzeitigen und auch sonst zulässigen) Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz. Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden, was § 62a Abs 1 erster Satz VfGG dahin präzisiert, dass der Parteiantrag "gleichzeitig" mit dem Rechtsmittel gestellt werden muss.

2.1. Vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles, in welchem dem Erfordernis der "Gleichzeitigkeit" (§62a Abs 1 erster Satz VfGG) jedenfalls Rechnung getragen ist, weil der Parteiantrag und die Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, also das anlassgebende Rechtsmittel, von denselben Personen am selben Tag erhoben und eingebracht worden sind, sieht sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Wortes "gleichzeitig" wegen allfälligen Widerspruchs zu Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG ("aus Anlass" eines gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobenen Rechtsmittels) einzuleiten.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof geht – da ihm kein (gegenteiliger) Beschluss des zur Entscheidung über die von den Antragstellern nach § 87 StPO erhobenen Beschwerde vom gemäß § 33 Abs 1 StPO zuständigen Oberlandesgerichtes Wien nach § 62a Abs 5 VfGG vorliegt – davon aus, dass neben der drittantragstellenden Wirtschaftstreuhandgesellschaft auch der erstantragstellende Beschuldigte und die zweitantragstellende Privatstiftung zulässigerweise Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, mit dem angeordnet wurde, die sichergestellten Unterlagen zu den Akten zu nehmen, erhoben haben.

2.3. In Ansehung der zweitantragstellenden Privatstiftung und der drittantragstellenden Wirtschaftstreuhandgesellschaft liegt dem Antrag – entgegen der Auffassung der Bundesregierung – auch eine "in erster Instanz entschiedene Rechtssache" zugrunde.

Dem Abänderungsantrag AA-336 BlgNR 24. GP, 3, zum Bericht des Verfassungsausschusses (AB 2380 BlgNR 24. GP) zur nachmaligen B VG-Novelle, mit der der Parteiantrag auf Normenkontrolle eingeführt wurde, (abgedruckt in StenProt 207 BlgNR 24. GP, 130 ff.) ist zwar zu entnehmen, dass erstinstanzliche Entscheidungen nur solche eines ordentlichen Gerichtes "in der Sache" sein sollen. Entscheidungen in einem Provisiorialverfahren und in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren würden nicht hinreichen.

Auch nach den Erläut. zur RV zum § 62a VfGG, 263 BlgNR 25. GP, 3, sei

"[e]in eigener Ausnahmetatbestand für das strafprozessuale Ermittlungsverfahren [...] ungeachtet seines besonderen Charakters nicht erforderlich. Dass im strafprozessualen Ermittlungsverfahren ein Parteiantrag auf Normenkontrolle jedenfalls unzulässig ist, ergibt sich schon aus der Bezugnahme der Art 139 Abs 1 Z 4 und 140 Abs 1 Z 1 litd B VG auf 'eine von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache' und dem Umstand, dass in Strafsachen eine mit einem ordentlichen Rechtsmittel anfechtbare gerichtliche Entscheidung in der Sache jedenfalls erst nach Einbringung der Anklage erfolgen könne".

Diese einschränkende Auslegung des Begriffs der "erstinstanzlichen Entscheidung" vermag der Verfassungsgerichtshof angesichts der mit der Einführung des Parteiantrages angestrebten Erweiterung (bzw. Komplettierung) des Rechtsschutzes gegen die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen jedenfalls dort nicht zu teilen, wo der entsprechende Ermittlungsakt nicht (mehr) durch Rechtsmittel gegen das auf Grund einer Anklage im Hauptverfahren ergehende (kondemnierende) Urteil angefochten werden kann.

Die Materialien (AA-336 24. GP, 3) führen in weiterer Folge als maßgeblichen Grund zur Rechtfertigung dafür, dass das Ermittlungsverfahren vom Parteiantrag ausgenommen sein soll, an, dass "[i]n solchen Fällen [...] die betroffene Partei die von ihr behauptete Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit einer auch verfahrensrechtlichen Regelung mit einem Parteiantrag im Rechtsmittelverfahren gegen die Sachentscheidung relevieren [kann]"; das Erfordernis des Vorliegens einer "entschiedenen Rechtssache" beruht ersichtlich auf dem Gedanken, dass inzidente Normprüfungsverfahren schon wegen der durch sie bewirkten zusätzlichen Verfahrensdauer an einer bestimmten Stelle des strafgerichtlichen Verfahrens konzentriert werden sollen und dass nicht jedwede (Detail-)Entscheidung des Gerichtes (außer-, aber auch innerhalb der Hauptsache) gesondert mittels Parteiantrag bekämpfbar sein soll, sondern ein solcher erst bei Vorliegen der erstinstanzlichen Endentscheidung (über die Hauptsache) ermöglicht wird (vgl. Rohregger , Der Parteiantrag auf Normenkontrolle, AnwBl. 2015, 188 [197]).

Wenn im Ermittlungsverfahren von einem Gericht über eine Frage entschieden wird, die im allfälligen Hauptverfahren nicht mehr aufgerollt werden kann, ist bei verfassungskonformen Verständnis der Regelung schon aus Rechtsschutzerwägungen von einer eigenständigen "entschiedenen Rechtssache" und damit von der grundsätzlichen Zulässigkeit eines aus Anlass eines gegen eine solche erstinstanzliche Entscheidung erhobenen Rechtsmittels gestellten Parteiantrages auszugehen.

Dies gilt jedenfalls für im Übrigen am Verfahren nicht weiter beteiligte Dritte, die im Ermittlungsverfahren eine gerichtliche Kontrolle initiierten, um – wie im vorliegenden Fall – ihnen zukommende subjektive Rechte zu wahren.

§112 StPO dient insbesondere dem Schutz des Verschwiegenheitsrechtes, das bestimmten Berufsgruppen aus rechtsstaatlichen Gründen im Strafverfahren eingeräumt wird. Ein von einem betroffenen Berufsgeheimnisträger gemäß § 112 Abs 2 StPO erwirkter – mittels Beschwerde nach § 87 Abs 1 StPO anfechtbarer – Gerichtsbeschluss darüber, ob und in welchem Umfang sichergestellte Unterlagen zum Ermittlungsakt genommen werden dürfen, spricht hinsichtlich des Geheimnisträgers über die Frage der Zulässigkeit des Eingriffs in seine geschützten Rechte abschließend ab. Ein Beschluss nach § 112 Abs 2 StPO (bzw. die darüber im Ermittlungsverfahren ergehende Rechtsmittelentscheidung) führt somit zumindest für den Geheimnisträger und seinen Mandanten (hier der zweitantragstellenden Privatstiftung) bereits im Ermittlungsverfahren eine "entschiedene Rechtssache" herbei, sodass diese Prozessvoraussetzung des Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG insoweit erfüllt ist.

Anders verhält es sich mit der Antragslegitimation des erstantragstellenden Beschuldigten. Dieser hat nämlich die Möglichkeit, einen allfälligen Schuldspruch, der sich auf die Einbringung von im Ermittlungsverfahren entgegen dem Verwendungsverbot des § 112 Abs 2 StPO (direkt oder indirekt – als Beweis oder durch weitere Ermittlungen –) gewonnenen Erkenntnissen in die Hauptverhandlung stützt, mittels Nichtigkeitsbeschwerde (gestützt auf § 281 Abs 1 Z 2 StPO) zu bekämpfen (vgl . Ratz , WK-StPO, 2015, § 281 Z 2 Rz 174; Tipold/Zerbes , WK StPO, 2014, § 112 Rz 19 ff.).

In Ansehung des Erstantragstellers erweist sich der vorliegende (Partei-)Antrag daher als unzulässig.

2.4. Mit ihrem Einwand, dass der Antrag lediglich Vollzugsmängel rüge und daher keine im Verfahren nach Art 140 B VG zulässigen Bedenken geltend mache, ist die Bundesregierung nicht im Recht:

Es ist ihr zwar zuzustimmen, dass der Verfassungsgerichtshof auf Grund des neu geschaffenen Antragsrechts nur dazu berufen ist, generelle Normen, die von einem (ordentlichen) Gericht in einem anhängigen Verfahren anzuwenden und damit Voraussetzung für die dortige Entscheidung (gewesen) sind, auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen und im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit aufzuheben, nicht hingegen zur Korrektur von Vollzugsfehlern der ordentlichen Gerichte, selbst wenn diese in die Verfassungssphäre reichen sollten. Diesbezüglich ist der Rechtsschutz auf der Ebene des gerichtlichen Rechtsmittelverfahrens verblieben.

Entgegen der Auffassung der Bundesregierung macht der Antrag aber nicht bloß Vollzugsfehler geltend, sondern trägt hinreichend deutlich Bedenken gegen die angefochtene Regelung des § 112 Abs 2 StPO vor. Dass sich diese Bedenken allenfalls erst bei Zugrundlegung des dieser Bestimmung (vor allem dem Wort "konkret") vom Landesgericht für Strafsachen Wien beigemessenen Verständnisses ergeben, schadet indes nicht und macht den Antrag nicht zufolge Fehlens geeigneter Bedenken unzulässig.

Was schließlich den Einwand der Bundesregierung anlangt, dass Bedenken im Einzelnen nur gegen das Wort "konkret", nicht aber auch gegen das Wort "solche" vorgetragen werden, weshalb der Hauptantrag und jene Eventualanträge, die (auch) das Wort "solche" zum Gegenstand haben, unzulässig seien, übersieht diese, dass die Aufhebung auch des Wortes "solche" nur wegen seines vermeintlich untrennbaren Zusammenhangs mit dem Wort "konkret" begehrt wird. Ein allenfalls zu weites Aufhebungsbegehren macht den Antrag, da die Bestimmung des § 112 Abs 2 StPO im Anlassfall vom Gericht jedenfalls angewendet wurde, nicht unzulässig, sondern führt bei Begründetheit des Antrags in der Sache zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. zu auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG gestützten Gerichtsanträgen VfSlg 19.746/2013; ua.).

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag, insoweit er von der Zweit- und der Drittantragstellerin erhoben wird, als zulässig.

2. In der Sache

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

1.1. Nach Ansicht der Zweit- und der Drittantragstellerin widerspricht die angefochtene Vorschrift dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG. Begründend führen sie aus, dass die Anforderungen, die von den Strafgerichten aus dieser Bestimmung abgeleitet würden, für den Normunterworfenen in keiner Weise erkennbar seien. Falls § 112 Abs 2 StPO tatsächlich – wie von den Strafgerichten gefordert – eine detaillierte Bezeichnung der sichergestellten Dokumente verlange, bleibe offen, in welcher Tiefe bzw. Einlässlichkeit diese erfolgen müsse. Auch ein Begründungserfordernis ergebe sich – entgegen der im anlassgebenden Beschluss vertretenen Rechtsmeinung – aus dem Wortlaut des § 112 Abs 2 StPO nicht.

Gemäß § 112 Abs 2 StPO ist der Betroffene nach Sicherstellung unter Versiegelung aufzufordern, "binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist jene Teile der sichergestellten Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde; zu diesem Zweck ist er berechtigt in die hinterlegten Unterlagen Einsicht zu nehmen".

Dieses Bezeichnungserfordernis geht auf die Novelle BGBl I 29/2012 zurück. Bis dahin war in § 112 Abs 2 StPO lediglich vorgesehen, dass die sichergestellten Unterlagen im Falle eines Widerspruchs gegen die Sicherstellung auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung gesichert und dem Gericht vorgelegt werden mussten; davor durften sie nicht eingesehen werden. Es oblag sodann allein dem Gericht, die Aufzeichnungen und Datenträger zu sichten und zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie zu beschlagnahmen (§115 StPO) oder dem Betroffenen zurückzustellen waren. Das Gericht musste daher auch im Fall eines nicht näher konkretisierten Widerspruchs gegen die Sicherstellung eine Sichtung durchführen und entscheiden, welche Unterlagen verwertet werden konnten. Dies führte – den Materialien zur Novelle BGBl I 29/2012 zufolge – zum Teil zu massiven Verfahrensverzögerungen.

Mit der Novelle BGBl I 29/2012 wurde § 112 Abs 2 StPO durch die in Rede stehende Bezeichnungspflicht und – für den Fall der Unterlassung – durch das Zum-Akt-Nehmen und die Auswertung der Unterlagen ergänzt. In den Erläut. zur Regierungsvorlage wird dazu Folgendes ausgeführt (RV 1677 BlgNR 24. GP, 10 f.):

"In Anbetracht der erwähnten Problematik, dass gerade in Wirtschaftsstrafsachen (§20b Abs 2) oftmals Sicherstellungen in ausgesprochen großem Umfang zu erfolgen haben bzw. 'pauschal' Widerspruch ohne jegliche Präzisierung erhoben wird, soll der Betroffene […] aufgefordert werden, binnen einer […] Frist jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde, womit eine gewisse 'Bringschuld' der Angehörigen der in § 157 Abs 1 Z 2 bis 4 genannten Berufsgruppen statuiert wird. Unterlässt der Betroffene dies, so sind die Aufzeichnungen und Datenträger zum Akt zu nehmen und auszuwerten. […]"

Die Materialien geben auch Aufschluss über den Inhalt des Bezeichnungserfordernisses. So wird im Bericht des Justizausschusses festgehalten (AB 1700 BlgNR 24. GP, 2 f.):

"Das Verfahren der Sichtung vor Gericht (oder Staatsanwaltschaft) soll eine Bezeichnung der Unterlagen voraussetzen, die vom Schutz des Berufsgeheimnisses erfasst sind. […] Eine Bezeichnung verlangt nicht ein Eingehen auf den Inhalt der Unterlagen, sondern bloß den konkreten Hinweis, dass z.B. ein sichergestellter Akt in keinem Zusammenhang mit dem gegenständlichen Ermittlungsverfahren steht; ausreichend soll stets sein, dass behauptet wird, welche Teile der sichergestellten Unterlagen einem Beweisverwertungsverbot wegen Umgehung des Berufsgeheimnisses unterliegen. Klargestellt wird auch, dass der Betroffene jederzeit in die Unterlagen Einsicht nehmen kann, um dieser Bezeichnungspflicht auch nachkommen zu können."

Durch die Verwendung des Wortes "konkret" und dessen Bedeutung kommt hinreichend klar zum Ausdruck, dass eine nähere Bezeichnung der Unterlagen vorausgesetzt wird. Darüber hinaus wird das Erfordernis der konkreten Bezeichnung durch die Bezugnahme auf einzelne "Teile" der Aufzeichnungen oder Datenträger im Gesetz selbst näher bestimmt. Auf Grund der Bezeichnung muss also eindeutig erkennbar sein, welche Teile der sichergestellten Aufzeichnungen (oder Datenträger) wegen der Geheimhaltungspflicht nicht offengelegt werden dürfen. Die Bezeichnung hat demgemäß derart zu erfolgen, dass keine Unklarheiten darüber bestehen, welche Dokumente gemeint sind. Das Erfordernis einer behauptetermaßen vom Gericht verlangten Bezeichnung "Seite für Seite" ist dem Gesetz indes nicht zu entnehmen.

Damit genügt das Bezeichnungserfordernis des § 112 Abs 2 StPO aber den Anforderungen des Art 18 B VG.

2.2. Die Zweit- und die Drittantragstellerin behaupten weiters, dass die angefochtene Bestimmung dem Gleichheitsgrundsatz und der Eigentumsfreiheit widerspreche und zudem gegen das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit verstoße:

Die Anordnung der Vornahme einer Detailauflistung aller Dokumente samt jeweiliger Anführung einer Begründung sei unsachlich und unverhältnismäßig. Sie bedeute einen besonderen Zeitaufwand und Kosten; einen Betroffenen – der Berufsgeheimnisträger sei weder Beschuldigter noch sonst am Verfahren beteiligt – mit einem derart unnötigen Aufwand zu belasten, verstoße schon per se gegen das Sachlichkeitsgebot; die Bezeichnungspflicht, wie sie das Landesgericht für Strafsachen Wien verstehe, mache den Eigentumseingriff (der darin erblickt wird, dass im Fall der Unterlassung der Bezeichnung "zufolge § 112 Abs 2 zweiter Satz StPO die Unterlagen endgültig weggenommen werden") überdies unverhältnismäßig.

Entgegen der Auffassung der Zweit- und der Drittantragstellerin erfließt aus § 112 Abs 2 StPO kein Begründungserfordernis: § 112 Abs 2 StPO setzt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den sichergestellten Unterlagen durch den Betroffenen nicht voraus, eine solche darf auch von der sichtenden Stelle (Gerichte oder Staatsanwaltschaft) nicht vorgenommen werden (vgl. AB 1700 BlgNR 24. GP, 2: "Eine Bezeichnung verlangt nicht das Eingehen auf den Inhalt der Unterlagen [...]").

Was die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums anlangt, so stellt zwar die Sicherstellung und allenfalls in weiterer Folge die Übernahme zu den Akten (als Folge der Unterlassung der Bezeichnungspflicht) einen Eigentumseingriff dar; aus welchen Gründen die Bezeichnungspflicht selbst in dieses Grundrecht eingreifen soll, wird nicht nachvollziehbar dargelegt und ist dem Verfassungsgerichtshof auch nicht ersichtlich.

Der Verfassungsgerichtshof vermag aber auch die gegen die Sachlichkeit der Regelung ins Treffen geführten Bedenken nicht zu teilen:

Zweck der Einführung der in Rede stehenden Bezeichnungspflicht war, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden (vgl. RV 1677 BlgNR 24. GP, 10 f.). Sie soll dem Gericht ersparen, auch die nach eigener Einschätzung des Berufsgeheimnisträgers nicht berufsgeheimen Unterlagen zu sichten und ihm ermöglichen, sich nur mit jenen Unterlagen, die der betroffene Berufsgeheimnisträger als geschützt bezeichnet, zu beschäftigen und zu entscheiden, welche davon tatsächlich zu einer Umgehung des Verschwiegenheitsrechtes führen würden ( Tipold/Zerbes , WK-StPO, 2014, § 112 Rz 13c). Damit wird aber – worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist – ein angemessener Ausgleich zwischen den Verschwiegenheitsrechten von Berufsgeheimnisträgern einerseits und dem Recht des Beschuldigten bzw. Angeklagten auf ein faires Verfahren innerhalb angemessener Frist gemäß Art 6 EMRK sowie dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung andererseits geschaffen. Es ist daher nicht unsachlich, von Inhabern bzw. Erstellern von Aufzeichnungen oder Datenträgern zu verlangen, unter den sichergestellten Unterlagen jene eindeutig zu bezeichnen, deren Offenlegung ihrer Einschätzung nach eine Umgehung ihres Rechtes auf bzw. ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit bedeuten würde, zumal sie in der Regel rasch und bestmöglich in der Lage sein werden, dies zu beurteilen.

1.2. Was den – lediglich kursorisch – erhobenen Vorwurf eines Verstoßes der angefochtenen Regelung gegen das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit betrifft, so genügt der Hinweis, dass als "Zwangs- oder Pflichtarbeit" nur "höchstpersönliche Dienstleistungen" (vgl. auch VfSlg 10.114/1984) gelten.

V. Ergebnis

1. Der Erstantragsteller ist zur Erhebung des vorliegenden Parteiantrages nicht legitimiert; die von der zweit- und drittantragstellenden Partei ob der Verfassungsmäßigkeit der Worte "konkret" im ersten und "solche" im zweiten Satz des § 112 Abs 2 StPO idF BGBl I 29/2012 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist sohin hinsichtlich des Erstantragstellers zurück- und hinsichtlich der Zweit- und der Drittantragstellerin abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 2 lite und Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:G46.2015