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VfGH vom 09.06.1998, G416/97

VfGH vom 09.06.1998, G416/97

Sammlungsnummer

15164

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit des gesamten Oö AbfallwirtschaftsG 1990 wegen Kundmachung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag trotz Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung

Spruch

I. Der zu G416/97 gestellte Hauptantrag wird insoweit zurückgewiesen, als er sich nicht gegen die Bestimmung des § 42 Abs 1 Z 1 litb des Landesgesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, richtet.

Der zu G455/97 gestellte Hauptantrag wird insoweit zurückgewiesen, als er sich nicht gegen die Bestimmung des § 42 Abs 1 Z 1 litc des Landesgesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, richtet.

Die zu G459/97, G460/97 und G479/97 gestellten Hauptanträge werden insoweit zurückgewiesen, als sie sich nicht gegen die Bestimmung des § 42 Abs 1 Z 2 litb des Landesgesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, richten.

II. Das Landesgesetz vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. für Oberösterreich Nr. 28/1991 idF LGBl. für Oberösterreich Nr. 13/1993 und 24/1993, war verfassungswidrig.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Oberösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im folgenden kurz: UVS) hat aus Anlaß bei ihm anhängiger Berufungen gegen Straferkenntnisse wegen Übertretung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 beschlossen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG Anträge an den Verfassungsgerichtshof zu richten.

In den beim Verfassungsgerichtshof zu G416/97, G455/97, G459/97, G460/97 und G479/97 protokollierten Verfahren stellt der UVS jeweils gleiche Hauptanträge sowie drei wortgleiche Eventualanträge, der Verfassungsgerichtshof möge erkennen,

"1. daß das Landesgesetz vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, verfassungswidrig war;

in eventu

2. daß das Landesgesetz vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, als verfassungswidrig aufgehoben wird;

in eventu

3. daß das Landesgesetz vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991 sowie die Ziffer 2 des oberösterreichischen Landesgesetzes vom , LGBl. Nr. 63/1997, als verfassungswidrig aufgehoben werden;

in eventu

4. daß das Landesgesetz vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991 in der durch die Ziffer 2 des oberösterreichischen Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 geänderten Fassung als verfassungwidrig aufgehoben wird;".

In den zu G416/97 und G455/97 protokollierten Verfahren stellt der UVS die weiteren Eventualanträge, daß der Verfassungsgerichtshof erkennen möge,

"in eventu

5. daß § 42 Abs 1 Z 1 litb des Landesgesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991 in der durch die Ziffer 2 des oberösterreichischen Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 geänderten Fassung als verfassungwidrig aufgehoben wird;

in eventu

6. daß das Landesgesetz vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, sowie § 42 Abs 1 Z 1 litb des Landesgesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG) in der neubeschlossenen Fassung der Ziffer 2 des oberösterreichischen Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 als verfassungswidrig aufgehoben werden".

In den zu G459/97, G460/97 und G479/97 protokollierten Verfahren stellt der UVS die weiteren Eventualanträge, daß der Verfassungsgerichtshof erkennen möge,

"in eventu

5. daß § 42 Abs 1 Z 2 litb des Landesgesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991 in der durch die Ziffer 2 des oberösterreichischen Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 geänderten Fassung als verfassungswidrig aufgehoben wird;

in eventu

6. daß das Landesgesetz vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, sowie § 42 Abs 1 Z 2 litb des Landesgesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG) in der neubeschlossenen Fassung der Ziffer 2 des oberösterreichischen Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 als verfassungswidrig aufgehoben werden".

1.2. Die Berufungswerber in dem dem Antrag zu G416/97 zugrundeliegenden Anlaßverfahren wurden mit erstinstanzlichen Straferkenntnissen vom bzw. wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 42 Abs 1 Z 1 litb iVm. § 8 Abs 3 O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, LGBl. für Oberösterreich Nr. 28/1991, (im folgenden: O.ö. AWG 1990) bestraft, da der eine am an einem bestimmten Ort verschiedene nicht gefährliche Abfälle gelagert und dadurch die Umwelt (Boden, Luft, Wasser) über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt und der andere zu verantworten habe, daß von einer näher bezeichneten Gesellschaft am gleichfalls an einem näher bezeichneten Ort nicht gefährliche Abfälle gelagert wurden und dadurch die Umwelt (Boden, Luft, Wasser) über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt wurde.

Im Anlaßfall, der dem zu G455/97 gestellten Antrag des UVS zugrundeliegt, wurde über die Berufungswerberin gemäß § 42 Abs 1 Z 1 litc iVm. § 22 Abs 1 iVm. § 20 Abs 1 Z 1 O.ö. AWG 1990 eine Strafe verhängt, da sie ohne hiefür erforderliche abfallrechtliche Bewilligung in den letzten sechs Monaten vor dem eine Asphaltbrechanlage betrieben und Asphaltschollen und -granulat zwischengelagert habe. Da sie im selben Zeitraum, gleichfalls ohne hiefür erforderliche abfallrechtliche Bewilligung, mit PE-Folie verpackte Heilpeloidschlämme abgelagert (deponiert) habe, habe sie auch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 42 Abs 1 Z 1 litc iVm. § 22 Abs 1 iVm. § 20 Abs 1 Z 4 O.ö. AWG 1990 begangen, hinsichtlich derer unter Anwendung des § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wurde.

Die Berufungswerber in den den Anträgen zu G459/97 und G460/97 zugrundeliegenden Anlaßverfahren wurden jeweils als gemäß § 9 VStG Verantwortliche mit in erster Instanz ergangenen Straferkenntnissen vom wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 42 Abs 1 Z 2 litb iVm. § 7 Abs 1 O.ö. AWG 1990 bestraft, da von einer näherhin bezeichneten Gesellschaft am außerhalb einer Abfallbehandlungsanlage entgegen § 7 Abs 1 O.ö. AWG 1990 Abfälle gelagert worden seien.

Auch der Berufungswerber in dem dem Antrag zu G479/97 zugrundeliegenden Anlaßverfahren wurde wegen einer am begangenen Verwaltungsübertretung gemäß § 42 Abs 1 Z 2 litb iVm. § 7 Abs 1 O.ö. AWG 1990 bestraft.

2.1. Der antragstellende UVS legt seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des O.ö. AWG 1990 - in allen Anträgen wortgleich - wie folgt dar:

"Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G50/96 et al., wurde ua ausgesprochen, daß das Tiroler Gesetz vom (LGBl. für Tirol Nr. 74/1991), mit dem das Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, verfassungswidrig war; den Regelungen dieses Gesetzes wurde nämlich durch Inkrafttreten des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1993 (LGBl. für Tirol 82/1993) materiell derogiert. Der Verfassungsgerichtshof hat im Ergebnis angenommen, daß die Kundmachung des Tiroler Gesetzes vom der landesverfassungsrechtlichen Bestimmung des Art 38 Abs 7 TLO 1989 widersprach. Diese Vorschrift ordnet für Fälle, in denen eine Zustimmung der Bundesregierung iSd Art 97 Abs 2 B-VG erforderlich ist, an, daß ein Gesetzesbeschluß nur kundgemacht werden darf, wenn die Zustimmung erteilt wurde oder als erteilt gilt. Wurde die Zustimmung versagt, darf der Gesetzesbeschluß ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag nicht kundgemacht werden.

Die wesentlichen rechtlichen Vorgaben für dieses Ergebnis folgen bereits aus der Bundesverfassung. Der Verfassungsgerichtshof hat in Anlehnung an den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts und an Jabloner, (D)ie Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung, 1989, 234 ff, insb. 237, die Ansicht vertreten, daß die Gesetzesprärogative des Landtages unterlaufen wird, wenn die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Landesvollziehung verweigert hat und in der Folge ein dementsprechend reduzierter Gesetzestext ohne Ermächtigung durch den neuerlich befaßten Landtag vom Landeshauptmann publiziert wird. Dies führt zur verfassungswidrigen Konsequenz, daß die Entscheidung, ob ein Gesetzesbeschluß auch ohne die geplante, aber durch die Zustimmungsverweigerung der Bundesregierung nicht mögliche Mitwirkung von Bundesorganen Gesetz werden soll oder nicht, an den Landeshauptmann verlagert wird. Nach Art 95 Abs 1 B-VG (vgl auch Art 16 Abs 1 Satz 1 O.ö. Landesverfassungsgesetz 1991 - L-VG 1991) wird aber die Gesetzgebung des Landes vom Landtag ausgeübt. Die Publikation eines Textes durch den Landeshauptmann, der mit dem (ursprünglich) beschlossenen Gesetzestext nicht übereinstimmt, ohne entsprechende Ermächtigung des Landtages widerspricht deshalb dem Kerngehalt des Art 97 Abs 2 B-VG. Diese Auffassung hat der Verfassungsgerichtshof in zwei weiteren Erkenntnissen bekräftigt (vgl Erk vom , G195/96 et al. und Erk vom , G84/96 et al.).

... Mit dem am ausgegebenen und versendeten Landesgesetz LGBl. Nr. 63/1997, das den Titel 'Landesgesetz vom , mit dem die O.ö. Fischereigesetz-Novelle 1990, das O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, das O.ö. Behindertengesetz 1991, das O.ö. Bodenschutzgesetz 1991 und das O.ö. Spielapparategesetz neuerlich beschlossen werden' trägt, wurde im Landesgesetzblatt für Oberösterreich kundgemacht, daß die schon im Titel erwähnten und in der Folge in fünf Ziffern näher bezeichneten Landesgesetze in der jeweils angeführten kundgemachten Fassung in Geltung stehen. In den Materialien zu diesem Gesetz (vgl AB Blg 989/1997 zum kurzschriftlichen Bericht des o.ö. LT, 24. GP) wird unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G50/96-24 et al., ausgeführt, daß der Verfassungsgerichtshof implizit die in fast allen Bundesländern für den Fall der Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen geübte und bislang unbeanstandet gebliebene Praxis für verfassungswidrig erklärt hätte. Solche Landesgesetze wären nämlich ohne neuerliche Befassung des Landtages in der Weise kundgemacht worden, daß die Verlautbarung der von der verweigerten Mitwirkung betroffenen Bestimmungen unterblieb. Im Sinne der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes wäre der Landtag neuerlich zu befassen gewesen, um sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das Gesetz ohne die Mitwirkungsbestimmungen unverändert oder mit Änderungen beschlossen werden soll. Dieser Mangel der verfassungswidrigen Kundmachung würde auch bei den oben angeführten Landesgesetzen, bei denen der vom Verfassungsgerichtshof geforderte Weg nicht eingehalten wurde, zur gänzlichen Aufhebung führen. Um dieser Gefahr zu begegnen, sollten diese Gesetze ehestmöglich ohne inhaltliche Änderung neu beschlossen werden."

2.2. Der UVS vertritt die Auffassung, daß die "zweifelhafte Fassung" des oberösterreichischen Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 mehrere Auslegungsvarianten hinsichtlich ihrer Bedeutung zulasse und führt zur Begründung der Eventualanträge näher aus:

"3.3.1. LGBl. Nr. 63/1997 bedeutet einen neuen Gesetzesbeschluß mit ersetzender Wirkung ex nunc:

Man kann den vorliegenden Gesetzesbeschluß so verstehen, daß er ex nunc die angeführten Gesetze mit dem Inhalt der bisher geltenden Fassungen, soweit diese nicht ohnehin überholt erscheinen (vgl Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen), neuerlich bei gleichzeitiger Außerkraftsetzung der bisher geltenden Gesetze in Kraft setzen will. Dafür spräche Punkt 1.2. des Berichtes des Ausschusses für Verfassung und Verwaltung (vgl. AB Blg. 989/1997 zum kurzschriftlichen Bericht des o.ö. LT, 24. GP), wo davon die Rede ist, die Zeitspanne, in der eine Totalaufhebung der Landesgesetze droht, möglichst kurz zu halten. Diesfalls hat das Gesetz LGBl. Nr. 63/1997 für die Anlaßfälle die Bedeutung einer Derogation, das O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, LGBl. Nr. 28/1991 idF LGBl. Nr. 13/1993 und 24/1993, wurde damit aufgehoben und durch ein gleichlautendes neues Gesetz - mit Inkrafttreten am - ersetzt. Demgemäß begehrt der O.ö. Verwaltungssenat in der Hauptsache gemäß Art 89 Abs 3 iVm Art 140 Abs 3 zweiter Satz und Abs 4 B-VG die Entscheidung, daß die invalide Urfassung zur Gänze verfassungswidrig war. Ein Hindernis iSd Art 140 Abs 3 dritter Satz liegt nicht vor (Hauptantrag zu Punkt 1.).

3.3.2. Keine Sanierung durch die Novellen zum O.ö. AWG, LGBl. Nr. 13/1993 und LGBl. Nr. 24/1993:

Die Änderungsanordnungen dieser Novellen betrafen nur einzelne Übergangsbestimmungen des Stammgesetzes (u.zw. zu bestehenden Verträgen der Gemeinden mit Betreibern etc. von Reststoffdeponien bzw. zur Förderung von Abfallbehandlungsanlagen durch das Land

OÖ).

Das Problem des verfassungswidrigen Zustandekommens der Kundmachung der Fassung LGBl. Nr. 28/1991 war nicht Gegenstand dieser Novellen. Der Mangel wurde dementsprechend vom oberösterreichischen Landtag auch nicht saniert. Davon ging offenbar mit Rücksicht auf die Regierungsvorlage zu LGBl. Nr. 63/1997 (Blg 966/1997 zum kurzschriftlichen Bericht des o.ö. LT, 24. GP) auch die oberösterreichische Landesregierung aus. Die Novellen LGBl. Nr. 13/1993 und 24/1993 kamen ohne Kundmachungsmangel zustande und sind auch sonst nicht präjudiziell, weshalb insofern keine Antragstellung erfolgt.

3.3.3. LGBl. Nr. 63/1997 bedeutet einen neuen Gesetzesbeschluß mit Wirkung ex tunc, wobei verschiedene Rückwirkungsfälle denkbar sind:

Für den Fall, daß aufgrund des zweifelhaften Wortlauts des oö Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 das zu 3.3.1. dargestellte Ergebnis durch verfassungskonforme Interpretation nicht erzielbar ist, erhebt sich die Frage, ob dem vorliegenden feststellenden Gesetzesbeschluß des oberösterreichischen Landtages auch rückwirkende Kraft beizumessen ist. Eine solche Deutung erscheint nach dem Ausschußbericht nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl dazu mißverständlich AB Blg 989/1997 zum kurzschriftlichen Bericht des o.ö. LT, 24. GP, B. Besonderer Teil). Die nunmehrige Feststellung, daß die aufgelisteten Landesgesetze in der jeweils angeführten kundgemachten Fassung in Geltung stehen, kann sprachlich auch als umfassende konstitutive Klarstellung für die Vergangenheit, Gegenwart und die Zukunft verstanden werden. Damit könnte auch eine rückwirkende Sanierung der verfassungswidrigen Kundmachung bzw des verfassungswidrigen Zustandekommens des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses gemeint sein. Bei dieser Deutung wäre das oö Landesgesetz LGBl. Nr. 63/1997 verfassungswidrig, weil durch einfaches Landesgesetz der vorangegangene Mangel der verfassungswidrigen Kundmachung nicht rückwirkend saniert werden und damit die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes (vgl. Art 140 Abs 3 B-VG) ausgeschaltet werden darf.

Die rückwirkende Kraft des oö Landesgesetzes LGBL. Nr. 63/1997 kann aber auch rein inhaltlich in bezug auf die verwiesene Altfassung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 verstanden werden. Möglicherweise wollte man mit dem neuen Gesetzesbeschluß rückwirkend und derogatorisch klarstellen, daß die vom Landeshauptmann ursprünglich kundgemachten Fassungen ohne die Mitwirkungsbestimmungen ein für allemal gelten sollen. Oder es könnte auch eine rückwirkende Inkraftsetzung des Inhaltes, daß ein gleichartiger Neubestand neben dem invaliden Altbestand gelten soll, den Sinn haben, das O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 unabhängig von der Frage des ursprünglichen Mangels des verfassungswidrigen Zustandekommens auch für die Vergangenheit schlechthin anwendbar zu machen. Nach dem Ausschußbericht sollten die ohnehin in Geltung stehenden Landesgesetze ohne inhaltliche Änderung in der jeweiligen Fassung neuerlich beschlossen werden (vgl AB Blg 989/1997 zum kurzschriftlichen Bericht des o.ö. LT, 24. GP, Punkt B). Dem Ausschuß für Verfassung und Verwaltung war wohl bewußt, daß diese neubeschlossenen Landesgesetze in der angeführten Fassung ohnehin bereits geltendes Recht sind. Eine ausdrückliche Anordnung des Landesgesetzgebers, daß dieser neue verfassungskonform zustandegekommene Gesetzesbeschluß nur ex nunc wirken und die alten Gesetzesbeschlüsse außer Kraft setzen soll, fehlt aber.

Die Anordnung einer rückwirkenden Geltung in den seinerzeit kundgemachten Fassungen erschiene jedoch verfassungswidrig, zumindest soweit davon präjudizielle Strafvorschriften betroffen sind. Die verfassungsrechtlichen Bedenken ergeben sich dann aus der Verfassungsnorm des Art 7 Abs 1 EMRK, die ein ausdrückliches Rückwirkungsverbot in bezug auf Strafnormen enthält und auch den Grundsatz 'nullum crimen sine lege' impliziert (vgl dazu mwN Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. A, 1996, Rz 2 zu Art 7 MRK; VfSlg. 11776/1988). Bei Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. A, 1996, Rz 3 zu Art 7, ist nachzulesen, daß ein Strafgesetz, das für nichtig erklärt wurde, nicht rückwirkend ersetzt werden kann. Eine ähnliche und vergleichbare Situation liegt wohl vor, wenn ein verfassungswidrig kundgemachtes Gesetz im Hinblick auf die zu erwartende Aufhebung bzw Feststellung durch den Verfassungsgerichtshof, daß es verfassungswidrig war, mit der Wirkung ex tunc - sei es durch Schaffung eines rückwirkenden inhaltsgleichen Neubestandes oder durch rückwirkendes inhaltsgleiches Ersetzen des Altbestandes - saniert werden soll, daß es dennoch auf die Anlaßfälle des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und alle früheren Sachverhalte weiterhin anzuwenden ist. In einem solchen Fall erwiese sich auch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, wonach der Altbestand desselben Gesetzes verfassungswidrig kundgemacht wurde, als obsolet. Damit wäre im Ergebnis der Sinn seiner verfassungsrechtlichen Prüfungsbefugnis in Frage gestellt.

3.3.4. LGBl. Nr. 63/1997 bedeutet bloß eine Feststellung des Istzustandes:

Die Beschlußfassung des oö Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 enthält im Widerspruch zur Titulierung und zur Darstellung in den Materialien nicht ausdrücklich einen neuen Gesetzesbeschluß bezüglich der bisher kundgemachten Fassungen, sondern die nach ihrem Wortlaut eher nur deklarative Feststellung, daß die in fünf Ziffern aufgezählten und näher bezeichneten Landesgesetze in der jeweils angeführten Fassung in Geltung stehen. Fraglich und zweifelhaft könnte daher sein, ob dieser am im Landesgesetzblatt für Oberösterreich kundgemachten Feststellung überhaupt die Wirkung eines neuen Gesetzesbeschlusses beigemessen werden darf, der die vorangegangenen Fassungen dieser Landesgesetze ersetzt. Denn daß diese Landesgesetze trotz des Mangels einer verfassungswidrigen Kundmachung in Geltung standen und noch stehen, solange sie nicht vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden, steht außer Frage. Eine gehörige Kundmachung iSd Art 89 Abs 1 B-VG in dem nach Art 32 Abs 1 L-VG. 1991 vorgesehenen Publikationsorgan 'Landesgesetzblatt' hatte der Landeshauptmann seinerzeit vorgenommen, weshalb Gerichte und der unabhängige Verwaltungssenat, denen eine Gültigkeitsprüfung nicht zusteht, diese Gesetze auch zu beachten haben.

Der O.ö. Verwaltungssenat geht eher nicht von einer bloß deklarativen Feststellung durch das oö Landesgesetz LGBl. Nr. 63/1997 aus, weil der Titel dieses Gesetzes und die Materialien von einem neuen Gesetzesbeschluß bezüglich ausdrücklich angeführter Fassungen sprechen. Diese Betrachtung folgt auch im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz, daß eine Norm im Zweifel nicht als überflüssig angesehen werden darf.

4. ...

Für den Fall der Verneinung der derogatorischen Kraft des oö Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 und der Annahme einer deklaratorischen Wirkung ex nunc ist ein Aufhebungsantrag bezüglich der unveränderten Urfassung zu stellen (Eventualantrag zu Punkt 2.).

Hat LGBl. Nr. 63/1997 nur die Bedeutung einer rückwirkenden Sanierung des verfassungswidrigen Zustandekommens der inhaltlich unveränderten Urfassung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, so ist ein Aufhebungsantrag hinsichtlich der Urfassung und zusätzlich ein Aufhebungsantrag hinsichtlich der verfassungswidrigen Ziffer 2 des LGBl. Nr. 63/1997 zu stellen (Eventualantrag zu Punkt 3.).

Theoretisch denkbar wäre auch die umfassende Rückwirkung (sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch hinsichtlich der verfassungswidrigen Kundmachung) mit derogatorischer Kraft. Dafür wird ein allgemeiner Aufhebungsantrag der Urfassung in der durch Ziffer 2 des LGBl. Nr. 63/1997 geänderten Fassung vorgesehen, zumal wohl der Kundmachungsfehler durchschlägt (Eventualantrag zu Punkt 4.).

Im Zusammenhang mit den rein inhaltsbezogenen Rückwirkungsfällen ist für den Fall der Annahme eines inhaltsgleichen rückwirkenden Ersetzens ein bloßer Aufhebungsantrag der im gegenständlichen Anlaßfall konkret anzuwendenden Strafbestimmung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 in der rückwirkenden Fassung des LGBl. Nr. 63/1997 zu stellen, weil nur diese Rückwirkung verfassungswidrig erscheint (Eventualantrag zu Punkt 5.). Deutet man die Anordnung der Ziffer 2 des oö Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 als Inkraftsetzung eines inhaltsgleichen Neubestandes mit rückwirkendem Inhalt, der sicherheitshalber neben dem Altbestand der Urfassung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 Geltung haben soll, so ist ein Antrag auf Aufhebung der rückwirkenden Strafnorm dieses Neubestandes und zusätzlich ein Aufhebungsantrag hinsichtlich des weiterhin geltenden invaliden Altbestandes zu stellen (Eventualantrag zu Punkt 6.)."

3.1. Die Oberösterreichische Landesregierung tritt in ihren Äußerungen den verfassungsrechtlichen Bedenken des UVS nicht entgegen. Sie führt dazu aus:

"Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G50/96-24 u. a., wurde ausgesprochen, daß das (Tiroler) Gesetz vom , mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol Nr. 74/1991, verfassungswidrig war. Die dort als verfassungswidrig beurteilte Vorgangsweise des Landes Tirol betreffend den Weg der Landesgesetzgebung im Fall der Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung von Landesgesetzen ist mit jener vergleichbar, die bei der Erlassung des (oö.) Landesgesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, gewählt wurde. Auch hier wurde die vom Verfassungsgerichtshof geforderte neuerliche Befassung des Landtages nach Verweigerung der Zustimmung nicht vorgenommen, sondern der Gesetzesbeschluß - unter Weglassung der Mitwirkungsbestimmungen - vom Landeshauptmann kundgemacht. Das Vorbringen des oberösterreichischen unabhängigen Verwaltungssenates bleibt daher, soweit es diesen Sachverhalt betrifft, unbestritten.

Dem unabhängigen Verwaltungssenat ist auch bezüglich der Tatsache beizupflichten, daß eine 'Sanierung' durch die Novellen zum O.ö. AWG, LGBl. Nr. 13/1993 und 24/1993, nicht erfolgte.

In Anbetracht der genannten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, insbesondere in Verbindung mit der - durchaus vergleichbaren - Rechtslage in Oberösterreich, wird davon abgesehen, den Bedenken des unabhängigen Verwaltungssenates gegen das Landesgesetz vom (O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, welche sich nur auf die im oben angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgezeigte formellrechtliche Grundlage stützen, entgegenzutreten.

Im übrigen stand, wie vom unabhängigen Verwaltungssenat treffend bemerkt, dem Landesgesetzgeber genau die oben genannte Problematik vor Augen, als er das Landesgesetz vom , LGBl. Nr. 63/1997, erließ, mit welchem (unter anderen) das O.ö. AWG neuerlich beschlossen wurde."

3.2. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Eventualbegehren vertritt die Oberösterreichische Landesregierung folgende Auffassung:

"Insoweit vom antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenat allerdings Bezug genommen wird auf das Landesgesetz vom , LGBl. Nr. 63/1997, und dessen Prüfung (wenn in einem Teil der Eventualbegehren auch nur implizit bzw. in Verbindung mit dem Landesgesetz vom , LGBl. Nr. 28/1991) verlangt wird, mangelt es nach Ansicht der Oö. Landesregierung bereits an der Präjudizialität der genannten Bestimmungen.

Vom unabhängigen Verwaltungssenat ist als Berufungsbehörde in Strafsachen nämlich grundsätzlich das Recht anzuwenden, das zum Zeitpunkt der Tat in Geltung stand bzw. welches dem Bescheid erster Instanz zugrunde zu legen war (im Fall des § 1 Abs 2 VStG). Die Tatzeit in den gegenständlichen Strafverfahren lag aber durchgängig vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesgesetzes LGBl. Nr. 63/1997 (das war der ), weshalb eine Anwendung durch den unabhängigen Verwaltungssenat in den zugrunde liegenden Verfahren wohl von vornherein ausgeschlossen wird.

Der unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich vermeint in seinen Eventualbegehren diese Anwendung dadurch zu begründen, dem Gesetz LGBl. Nr. 63/1997 rückwirkenden Charakter beizumessen. Dieser Auffassung, die im übrigen auch vom unabhängigen Verwaltungssenat nur eventualiter vertreten wird, kann nicht gefolgt werden. Eine Rückwirkung ist stets ausdrücklich zu normieren (argum. 'wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist' in Art 49 Abs 1 B-VG, siehe etwa auch VfSlg. 9419 und 12943, wo eine ausdrückliche Normierung durch den Gesetzgeber gefordert wird; in diesem Sinne auch Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes8, Rz 494) und darf bei einer Auslegung im Zweifel jedenfalls nicht beigemessen werden, dies umso mehr als eine Rückwirkung das gegenständliche Gesetz wohl mit Verfassungswidrigkeit belasten würde, beinhaltet das Gesetz doch Strafbestimmungen (Art7 Abs 1 MRK enthält das in Verfassungsrang stehende Verbot rückwirkender Strafbestimmungen). Im Sinne verfassungskonformer Interpretation darf einem einfachen Gesetz aber ein verfassungswidriger Inhalt nicht unterstellt werden (etwa VfSlg. 11466 u.v.m.).

Von seiten der Landesregierung wird aber die vom unabhängigen Verwaltungssenat als 'zweifelhafte Fassung' bezeichnete Mehrdeutigkeit nicht erblickt. Bereits der Titel 'Landesgesetz, mit dem die O.ö. Fischereigesetz-Novelle 1990, das O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, das O.ö. Behindertengesetz 1991, das O.ö. Bodenschutzgesetz 1991 und das O.ö. Spielapparategesetz neuerlich beschlossen werden' lautet insoweit unmißverständlich und bedeutet, daß eben die genannten Gesetze neuerlich beschlossen werden. Genau dies findet sich auch explizit in den Erläuterungen (Ausschußbericht, Beilage 989/1997 zum kurzschriftlichen Bericht des o.ö. Landtages, XXIV. GP.), wenn es heißt 'sollen die genannten Gesetze in ihrer jeweils geltenden Fassung, ohne inhaltliche Abänderung, ehestmöglich neu beschlossen werden' (Seite 2).

In diesem Zusammenhang ist auch der Einleitungssatz im Landesgesetz zu beurteilen: Die in der Aufzählung angeführten Gesetze stehen ab dem Inkrafttretenszeitpunkt (eine Rückwirkung ist, wie oben dargelegt, nicht normiert) in der jeweils angeführten kundgemachten Fassung in Geltung. Es wurden mit LGBl. Nr. 67/1997 zwar inhaltlich (zu den in der Aufzählung angeführten Gesetzen) gleichlautende neue Gesetze beschlossen; sie unterscheiden sich aber von der bisher geltenden sowohl in materieller Hinsicht durch den - nunmehr offenbaren - Willen des Gesetzgebers, die Gesetzesbestimmungen in dieser Form auch ohne Mitwirkung von Bundesorganen in Kraft zu setzen, als auch in formellrechtlicher Betrachtungsweise, handelt es sich doch um formell neue Gesetze mit neuem Inkrafttretensdatum. Die wohl bereits auf den ersten Blick (durch die jeweiligen Titel) erkennbare Übereinstimmung zwischen Inhalt bzw. Umfang (gemeint in formeller Hinsicht betreffend den Regelungsumfang) der 'früheren' Gesetze und neu beschlossenem Gesetz (bzw. beschlossenen Gesetzen) erlaubt es auch unproblematisch, das Ausmaß der - aus formeller Sicht zu beurteilenden - Derogation festzustellen, weshalb eine explizite Außerkrafttretensregelung unterblieb (lex posterior derogat legi priori).

Zum Vorbringen des unabhängigen Verwaltungssenates, der Gesetzesbeschluß habe bloß deklarative Bedeutung, kann auf die vom unabhängigen Verwaltungssenat selbst vorgebrachte Argumentation verwiesen werden, die gegen eine solche Annahme spricht. Sowohl Titel und Diktion des Gesetzes als auch die Materialien zum Gesetz sprechen von einem neuen Gesetzesbeschluß; der Hinweis auf den allgemeinen Grundsatz, daß eine Norm im Zweifel nicht als überflüssig angesehen werden darf, soll nur der Vollständigkeit halber wiederholt werden, da ein solcher Zweifel aufgrund des Gesetzeswortlautes im Zusammenhang mit den aus den Materialien ersichtlichen Beweggründen nach Ansicht der Landesregierung von vornherein nicht besteht."

Die Oberösterreichische Landesregierung beantragt, die Eventualanträge des Unabhängigen Verwaltungssenates als unzulässig zurückzuweisen. Im Falle der Aufhebung des in Prüfung stehenden Gesetzes möge der Verfassungsgerichtshof eine Frist von 18 Monaten für das Außerkrafttreten festsetzen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat in den - in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Gesetzesprüfungsverfahren erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Gemäß Art 140 Abs 1 iVm Art § 129a Abs 3 und Art 89 Abs 2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen unter anderem auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates, wenn er gegen die Anwendung solcher Normen aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat. Der Verfassungsgerichtshof hat hiebei die ihm unterbreitete Auffassung zur Präjudizialitätsfrage nach ständiger Rechtsprechung auf ihre Denkunmöglichkeit zu untersuchen (zB VfSlg. 13424/1993). Nur wenn dabei die Unrichtigkeit des Standpunktes des unabhängigen Verwaltungssenates offen zutage tritt, ist der Antrag unzulässig.

1.2. Der UVS begehrte in seinen Hauptanträgen, der Verfassungsgerichtshof möge erkennen, daß das O.ö. AWG 1990 verfassungswidrig war. Der UVS wendet sich also in seinen Hauptanträgen gegen das O.ö. AWG 1990 seinem ganzen Inhalt nach. Wie der UVS in seinem Prüfungsantrag selbst ausführt, hat er bei der Überprüfung der bei ihm angefochtenen Straferkenntnisse nicht das Gesetz zur Gänze, sondern lediglich einzelne Bestimmungen des O.ö. AWG 1990 anzuwenden. Aus den Darlegungen des UVS zur Präjudizialität geht - hinreichend erkennbar - hervor, daß er insbesondere die jeweilige(n) Strafbestimmung(en) anzuwenden hat, und zwar je nach Lage des Falles insbesondere die Verwaltungsstrafbestimmungen des § 42 Abs 1 Z 1 litb (G416/97) und litc (G455/97) sowie § 42 Abs 1 Z 2 litb (G459/97, G460/97, G479/97). Da sohin - nach Auffassung des UVS - nur diese Teile des O.ö. AWG 1990 für die Entscheidung des UVS jedenfalls präjudiziell sind, sind die Gesetzesprüfungsanträge, soweit sie sich über diese präjudiziellen Bestimmungen hinaus gegen das O.ö. AWG 1990 wenden, im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG unzulässig. Die Anträge waren insoweit zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 12869/1991, 14512/1996; und insbesondere ua., zur vergleichbaren Antragstellung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich betreffend das O.ö. Spielapparategesetz). Die Voraussetzungen des Art 139 Abs 3 bzw. des Art 140 Abs 3 B-VG sind nur vom Verfassungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen (zB VfSlg. 9260/1981, 10429/1985, 14498/1996).

Der Anwendung des O.ö. AWG 1990, LGBl. 28/1991 idF LGBl. 13/1993 und 24/1993, steht auch das Landesgesetz vom , LGBl. 63/1997, nicht entgegen. Daß dieses Gesetz rückwirkende Kraft haben sollte, ist nicht ersichtlich. Gemäß Art 32 Abs 3 Oberösterreichische Landesverfassung beginnt die verbindende Kraft der Landesgesetze, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Landesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird. Das Landesgesetz LGBl. 63/1997 trat sohin mit in Kraft.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Hauptanträge des UVS im beschriebenen Umfang zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

2.1. Am hat der Oberösterreichische Landtag das O.ö. AWG 1990 beschlossen. Dieser Gesetzesbeschluß wurde im Landesgesetzblatt für Oberösterreich Nr. 28/1991, ausgegeben und versendet am , unter Weglassung der Absätze 1 und 3 des § 43, die die Mitwirkung von Bundesorganen vorsahen, kundgemacht. Dies deshalb, weil die Bundesregierung die nach dem B-VG hiefür notwendige Zustimmung verweigert hatte.

Mit LGBl. Nr. 13/1993 und LGBl. Nr. 24/1993 wurden die (hier nicht präjudiziellen) Bestimmungen des § 45 Abs 2 sowie des § 45 Abs 13 des O.ö. AWG 1990 novelliert.

Mit dem am ausgegebenen und versendeten

39. Stück des Landesgesetzblattes 1997 wurde unter der Nr. 63 ein Gesetz kundgemacht, das den Titel "Landesgesetz vom , mit dem die O.ö. Fischereigesetz-Novelle 1990, das O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, das O.ö. Behindertengesetz 1991, das O.ö. Bodenschutzgesetz 1991 und das O.ö. Spielapparategesetz neuerlich beschlossen werden" trägt.

Dieses Landesgesetz hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Der o.ö. Landtag hat beschlossen:

Folgende Landesgesetze stehen in der jeweils angeführten kundgemachten Fassung in Geltung:

1. ...

2. Landesgesetz vom über die Vermeidung, Sammlung und Abfuhr, Verwertung, Ablagerung und sonstige Behandlung von Abfällen (O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 - O.ö. AWG), LGBl. Nr. 28/1991, in der Fassung der Landesgesetze LGBl. Nr. 13/1993 und 24/1993;

3. - 5. ..."

In den Erläuternden Bemerkungen (vgl. AB, Blg. 989/1997 und RV, Blg. 966/1997 zum kurzschriftlichen Bericht des Oberösterreichischen Landtages, 24. GP) zu diesem Gesetz heißt es:

"... Anlaß und Inhalt dieses Landesgesetzes:

... Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.

September 1996, G50/96-24, u.a. ausgesprochen, daß das (Tiroler) Gesetz vom , mit dem das Grundverkehrsgesetz 1993 geändert wird, LGBl. für Tirol Nr. 74/1991, verfassungswidrig war. Damit erklärte er implizit die in fast allen Bundesländern für den Fall der Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung von Landesgesetzen durchgängig geübte und bislang unbeanstandet gebliebene Praxis für verfassungswidrig.

Ein Landesgesetz, welches eine solche Mitwirkung vorgesehen hätte, die in der Folge von der Bundesregierung verweigert wurde, wurde nämlich ohne neuerliche Befassung des Landtages in der Weise kundgemacht, daß die Verlautbarung jener Bestimmungen, welche die Mitwirkung beinhalteten, unterblieb, das Landesgesetz trat ohne die genannten Bestimmungen in Geltung. Im Sinn der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in diesem Erkenntnis wäre neuerlich der Landtag zu befassen gewesen, welcher sich damit auseinanderzusetzen hätte, ob das Gesetz auch ohne die Mitwirkungsbestimmungen unverändert belassen bleiben soll, oder ob diesfalls im Gesetz Änderungen vorgenommen werden müßten. Da der Verfassungsgerichtshof unter Berufung auf diesen Mangel annimmt, daß das gesamte Gesetz in verfassungswidriger Weise kundgemacht worden sei oder an einem gleichzuhaltenden Fehler leide, wären derart mangelhafte Gesetze zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.

... Auch bei einigen Landesgesetzen wurde der nunmehr vom Verfassungsgerichtshof geforderte Weg nicht eingehalten, was dazu führen könnte, daß anläßlich eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit diesem Gesetz (etwa anläßlich einer Bescheidbeschwerde) dieses zur Gänze der Aufhebung verfallen wäre. Betroffen sind die/das

...

O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, LGBl. Nr. 28/1991

...

Um dieser nicht zu unterschätzenden Gefahr einer gänzlichen Aufhebung der Gesetze zu begegnen, sollen die genannten Gesetze in ihrer jeweils geltenden Fassung, ohne inhaltlichen Abänderung, ehestmöglich neu beschlossen werden. Es handelt sich dabei lediglich um eine auf Grund der oben dargelegten formal-juristischen Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes notwendige Wiederholung des Landtagsbeschlusses, um die Zeitspanne, in welcher Beschwerden deshalb erfolgreich sein könnten, als sie die Totalaufhebung der genannten Gesetze nach sich ziehen (und diese jedenfalls für die Anlaßfälle sofort wirksam wäre), möglichst kurz zu halten. ...

Im Sinne der oben dargelegten Ausführungen sollen die gegenständlichen Gesetze in der jeweils angeführten Fassung - ohne jegliche inhaltliche Abänderung - neuerlich beschlossen werden. Dabei ist klargestellt, daß die jeweilige Fassung jene ist, welche vom Landeshauptmann tatsächlich kundgemacht wurde, d. h. der jeweilige Gesetzestext ohne die Mitwirkungsbestimmungen. In genau dieser Form stehen die genannten Gesetze auch zur Zeit in Geltung."

2.2. Mit Inkrafttreten des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1997, LGBl. Nr. 86/1997, am trat das O.ö. AWG 1990 außer Kraft.

2.3. Der UVS begründet seine Bedenken damit, daß das O.ö. AWG 1990 ohne neuerliche Befassung des Oberösterreichischen Landtages unter Weglassung der Bestimmungen, die die Mitwirkung von Bundesorganen erfordert hätten, kundgemacht worden und daher verfassungswidrig sei. Diese Vorgangsweise habe der Verfassungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen für verfassungswidrig erklärt. Im Sinne der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes wäre der Oberösterreichische Landtag neuerlich zu befassen gewesen, um sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das O.ö. AWG 1990 ohne die Mitwirkungsbestimmungen unverändert oder mit Änderungen beschlossen werden soll.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , G50/96 ua., ausgesprochen, daß das Gesetz vom , mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol 74/1991, deshalb verfassungswidrig war, weil es nach Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag vom Landeshauptmann kundgemacht worden war und so Art 38 Abs 7 TLO 1989 widersprach, der bestimmt, daß ein Gesetzesbeschluß nicht kundgemacht werden darf, wenn eine im Sinne des Art 97 Abs 2 erster Satz B-VG erforderliche Zustimmung der Bundesregierung nicht erteilt wurde. Der Verfassungsgerichtshof erkannte, "daß durch die Verlagerung der Entscheidung an den Landeshauptmann darüber, ob ein Gesetzesbeschluß auch ohne die geplante, aber durch die Verweigerung der Zustimmung nicht mögliche Mitwirkung von Bundesorganen Gesetz werden soll oder nicht, die ... Gesetzesprärogative des Landtages unterlaufen wird. Denn die Publikation eines mit dem beschlossenen Gesetzestext nicht übereinstimmenden Textes ohne entsprechende Ermächtigung durch den Landtag widerspricht dem ... Kerngehalt des Art 97 Abs 2

B-VG."

Auch das O.ö. AWG 1990 wurde nach Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag vom Landeshauptmann kundgemacht. Die Oberösterreichische Landesverfassung enthält zwar keine dem Art 38 Abs 7 TLO 1989 entsprechende Bestimmung für das Vorgehen in einem solchen Fall. Sie sieht aber anderseits auch kein anderes Verfahren vor, das die Prärogative des Landtages bei Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung regelt. Das Zustandekommen und damit die Verfassungsmäßigkeit des O.ö. AWG 1990 ist daher unmittelbar an der Bundesverfassung zu messen. Dies führt zum gleichen Ergebnis wie in den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom , G50/96 ua., vom , G195/96 ua., und vom , G84/96 ua. (siehe bereits ua., zum O.ö. Spielapparategesetz, LGBl. 55/1992).

Die angefochtenen Bestimmungen des O.ö. AWG 1990, die nach Verweigerung der Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung durch die Bundesregierung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag kundgemacht wurden, widersprechen Art 97 Abs 2 B-VG und sind daher in verfassungswidriger Weise zustande gekommen.

2.5. Nach Art 140 Abs 3 zweiter Satz und Art 140 Abs 4 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof für den Fall, daß er zur Auffassung gelangt, daß das ganze Gesetz in verfassungswidriger Weise kundgemacht wurde oder an einem gleichzuhaltenden Fehler leidet, das ganze Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben bzw. auszusprechen, daß das ganze Gesetz verfassungswidrig war. Da ein Hindernis im Sinne des letzten Satzes des Art 140 Abs 3 B-VG nicht vorliegt, hat der Verfassungsgerichtshof von der genannten Ermächtigung Gebrauch zu machen (vgl. ua.).

Die von den Novellen LGBl. 13/1993 und 24/1993 erfaßten Bestimmungen des O.ö. AWG leiden zwar nicht an dem beschriebenen Mangel. Würde die Feststellung der Verfassungswidrigkeit aber auf die von dieser Novelle nicht erfaßten Bestimmungen beschränkt, so bliebe ein unvollziehbarer Torso; daher muß sich der Ausspruch auch auf diese Bestimmungen erstrecken.

Zu berücksichtigen ist, daß durch das Landesgesetz vom , mit dem die O.ö. Fischereigesetz-Novelle 1990, das O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, das O.ö. Behindertengesetz 1991, das O.ö. Bodenschutzgesetz 1991 und das O.ö. Spielapparategesetz neuerlich beschlossen werden, LGBl. 63/1997, das O.ö. AWG 1990 idF LGBl. 13/1993 und 24/1993, neuerlich beschlossen wurde und aufgrund der Verlautbarungsbestimmungen mit verbindliche Kraft erlangte. Der Verfassungsgerichtshof hatte daher auszusprechen, daß das O.ö. AWG, LGBl. 28/1991 idF LGBl. 13/1993 und 24/1993, also in der Fassung vor dem Inkrafttreten des zitierten Landesgesetzes vom , LGBl. 63/1997, verfassungswidrig war.

2.6. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Oberösterreich zur unverzüglichen Kundmachung erfließt aus Art 140 Abs 5 zweiter Satz B-VG.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.