VfGH vom 19.06.1998, G408/97

VfGH vom 19.06.1998, G408/97

Sammlungsnummer

15200

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der im AuslBG idF des AntimißbrauchsG normierten Strafbarkeit des Auftraggebers (Generalunternehmers) wegen verbotener Ausländerbeschäftigung durch den Auftragnehmer (Beschäftiger) infolge Verstoßes gegen den Grundsatz der Unzulässigkeit von Strafen für fremdes Verhalten

Spruch

§ 28 Abs 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung des Antimißbrauchsgesetzes, BGBl. Nr. 895/1995, war verfassungswidrig. Er ist nicht mehr anzuwenden.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Beschäftigung von Ausländern bedarf nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. 218/1975, regelmäßig einer behördlichen Erlaubnis (Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung, Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein oder Anzeigebestätigung, § 3 Abs 1). Als Beschäftigung gilt die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis, einem arbeitnehmerähnlichen oder einem Ausbildungsverhältnis sowie die Entgegennahme von Leistungen in den Betrieb entsandter oder von einem anderen überlassener Arbeitskräfte (§2 Abs 2 und 3). Wer gegen näher bestimmte Vorschriften des Gesetzes verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde nach Maßgabe des § 28 AuslBG zu bestrafen. So insbesondere bei Beschäftigung ohne Bewilligung (Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein oder Anzeigebestätigung), Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen ohne Bewilligung oder Beschäftigung entgegen vorhergehender Untersagung durch die Behörde (Abs1 Z 1).

Durch ArtI Z 5 Antimißbrauchsgesetz, BGBl. 895/1995, wurde dem § 28 AuslBG mit Wirkung vom (§34 Abs 15) unter anderem folgender Absatz eingefügt:

"(6) Gemäß Abs 1 Z 1 ist neben dem Beschäftiger auch sein Auftraggeber (Generalunternehmer) zu bestrafen, sofern der Auftrag im Rahmen der Tätigkeit des Auftraggebers als Unternehmer erfolgt."

Mit Wirkung vom wurde dieser Absatz durch die Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz und Arbeitslosenversicherungsgesetz, BGBl. I 78/1997, neu gefaßt.

1. Mit dem zu G408/97 protokollierten Antrag begehrt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Aufhebung des § 28 Abs 6 AuslBG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I 78/1997 als verfassungswidrig oder - falls die Entscheidung erst nach dem fällt - die Feststellung, daß er verfassungswidrig war. Bei der antragstellenden Behörde ist ein Verfahren über die Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen anhängig, worin über den Beschuldigten vier Geldstrafen in Höhe von je 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen je 42 Stunden) verhängt werden, weil er als Auftraggeber im Rahmen seiner Tätigkeit als Unternehmer zu verantworten habe, daß eine näher bezeichnete Bau-GesmbH (Beschäftiger und Auftragnehmer) im Oktober 1996 in Tulln vier polnische Staatsangehörige als Bauhilfsarbeiter ohne Bewilligung beschäftigt habe. Der antragstellende Senat erachtet bei Entscheidung über die Berufung § 28 Abs 6 AuslBG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung anwenden zu müssen und trägt folgende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung vor:

"I. Unter dem Blickwinkel des Sachlichkeitsgebotes (Art2 StGG und Art 7 B-VG).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Strafnormen am Sachlichkeitsgebot zu messen (vgl. insbesondere VfSlg. 11917/88, 11587/87 und 10597/85).

Zwar hat der Gesetzgeber einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, welchen er aber überschreitet, wenn das mit dem Gesetz verfolgte Ziel an sich unsachlich ist oder die daraus entstehende Belastung ihrer Art und Intensität nach, unzumutbar und daher unverhältnismäßig ist (VfSlg. 11917/88 - Unbedenklichkeit der Gurtenanlegepflicht).

Die Strafe muß in angemessenem Verhältnis zum Grad des Verschuldens und zur Höhe des bewirkten Schadens stehen. Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art und Weise zu verfolgen, sofern die angeordneten Mittel sachlich zu rechtfertigen sind. Zumindest schwere Strafen müssen in angemessenem Verhältnis zu den Umständen des Einzelfalles stehen; es dürfen keine Fälle denkbar sein, in denen die vorgesehene Strafe (außer in allenfalls vernachlässigbaren atypischen Einzelfällen) unverhältnismäßig streng ist (VfSlg. 11587/87:

Behebung einer Verfalls-(=Straf-)Regelung wegen mangelnder Flexibilität). Ähnlich VfSlg. 10597/85 - keine Relation einer Verfalls-(=Straf-)Bestimmung zum Grad des Verschuldens, zur Höhe des Wertes der dem Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Ware sowie zum verursachten Schaden.

Hingewiesen sei auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach eine gesetzliche Regelung, die einem Gebührenschuldner eine 50 %ige Erhöhung einer Abgabe ohne Berücksichtigung der Entschuldbarkeit seiner Versäumnis oder ihres sonstigen Gewichtes auferlegt, eine überschießende (exzessive) Reaktion auf die Unterlassung des Abgabepflichtigen darstellt, welche den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers überschreitet und gegen den Gleichheitssatz verstößt (VfSlg. 10903/86 mit Vorjudikatur).

2. Mayer (Verfassungsrechtliche Grenzen verwaltungsstrafrechtlicher Haftung, ecolex 1996, S 803 ff) legt seiner verfassungsrechtlichen Analyse des § 28 Abs 6 AuslBG die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Sachlichkeit der Haftung für Abgabenschulden zugrunde. Dabei stellt sich die Interessens- und Einflußsphäre als entscheidendes Kriterium heraus: Es sei allgemein unsachlich, 'wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, hier also auch für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflußsphäre liegen' (VfSlg. 15831/66; 13583/93). Ferner verweist Mayer auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Wr. AnzeigenabgabeG (VfSlg. 13583/93) zur Haftung des Herausgebers eines Druckwerkes neben dem Medieninhaber zur ungeteilten Hand für die Entrichtung der Anzeigeabgaben. Mayer führt dazu aus: 'Dieses Erkenntnis ist deshalb beachtlich, weil der Verfassungsgerichtshof hier weder auf die tatsächlichen Verhältnisse zwischen Herausgeber und Medienunternehmer noch auf allenfalls bestehende spezifische vertragliche Vereinbarungen zwischen diesen abstellte. Für die Beurteilung der Sachlichkeit der Haftungsregelung sei allein 'das typische, im Mediengesetz definiert und vom Wr. AnzeigenabgabeG 1983 durchaus übernommene Erscheinungsbild des Herausgebers' entscheidend. Für die Beurteilung der Sachlichkeit war also der Vergleich der gesetzlich typisierten Funktionen des Herausgebers und des Medienunternehmers Maßstab; daß der Herausgeber im allgemeinen auch Interesse an den wirtschaftlichen Grundlagen des Medienwerkes und damit auch an den Anzeigenträger hat, konnte eine Sachlichkeit der Haftung des Herausgebers deshalb nicht begründen, weil aus diesem bloß allgemeinen Interessen regelmäßig keine spezifische, rechtlich begründete Teilhabe an der Unternehmensgestion im betreffenden kommerziellen Bereich folgt.'

Aus dem Erkenntnis VfSlg. 13583/93 werde 'deutlich, daß der Verfassungsgerichtshof bei der Beurteilung der Sachlichkeit einer 'Haftung für fremde Schuld' entscheidend darauf abstellt, ob eine bestehende Rechtsbeziehung typischerweise eine Beherrschung des Tatbestandes ermöglicht, aus dem eine gesetzliche Verpflichtung erwachsen kann' (unter weiterem Hinweis auf Verfassungsgerichtshof, Erkenntnis vom , G18/95, zur Frage der Sachlichkeit des § 18 Abs 3 AWG).

3. Die Unsachlichkeit des § 28 Abs 6 AuslBG ergibt sich nach

h. Auffassung schon aus dem Strafzweck: In den 'Materialien' (BlgNR 437/A 19. GP) wird ausgeführt, die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Generalunternehmers neben der des Beschäftigers sei unerläßlich, 'um gerade im Zusammenhang mit der illegalen Ausländerbeschäftigung auf Baustellen, auf denen die Zuordnung der Arbeitnehmer zu bestimmten Arbeitgebern in der Praxis auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt, eine wirksame strafrechtliche Verfolgung sicherstellen zu können'.

Der O.ö. Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß in einem Rechtsstaat Strafnormen, die bezwecken, Ermittlungs- und Beweisschwierigkeiten zu kompensieren, keine Berechtigung haben. Nach treffenden und übereinstimmenden Literaturmeinungen (vgl. Mayer, ecolex 1996, 805 und Wilhelm, ecolex 1996, S 149) läuft die spezielle Intention des § 28 Abs 6 AuslBG auf die Schaffung eines 'Sündenbocks' hinaus. Wäre schon eine Regelung sachwidrig, die unter mehreren 'Verdächtigen' schematisch einen haften läßt (etwa den Ersten im Alphabet), so gilt dies umso mehr in der vorliegenden Situation, in der voraussetzungsgemäß sogar feststeht, daß der zu Bestrafende nicht der Beschäftiger ist. Auf die Spitze getrieben wird die Problematik dadurch, daß der Auftraggeber auch dann zu bestrafen ist, wenn, was in der Regel der Fall sein wird (und im vorliegenden Fall auch tatsächlich der Fall ist!), der Beschäftiger ohnehin bekannt ist. In diesem Fall ist der Auftraggeber sogar strafbar, obwohl gar kein 'Sündenbock' mehr 'benötigt' wird.

Auch wenn man über diese demaskierende Äußerung der Materialien hinwegsieht, ist kein legitimer Strafzweck erkennbar. Ein solcher könnte nämlich auch nicht in einer 'Privatisierung' einer an sich dem Staat obliegenden Überwachungsaufgabe liegen, an der dieser selbst offenbar scheitert. Treffend bemerkt Mayer (ecolex 1996, S 806): Die Schaffung des § 28 Abs 6 AuslBG 'ist offenbar durch den Umstand motiviert, daß der Staat nicht in der Lage ist, eine gesetzwidrige Beschäftigung von Fremden durch entsprechende Kontrollen zu verhindern. Daher soll die Strafrechtspflege offenbar 'privatisiert' werden; die Strafdrohung gegen den Generalunternehmer, die ihm die Haftung für ein strafbares Verhalten eines Dritten aufbürdet, soll ihn offenbar dazu zwingen, ein entsprechendes Kontrollsystem einzurichten und zu verwirklichen. Er soll also als privater Unternehmer das erreichen, was staatliche Organe trotz der ihnen zustehenden hoheitlichen Befugnisse nicht schaffen.'

Sollte dem Gesetzgeber als Strafzweck die Erzwingung der Mitwirkung der Auftraggeber bei der Ermittlung von Auftragnehmern vorgeschwebt sein (in diesem Sinne BlgNR 437/A 19. GP zum mit gleichem Gesetz eingefügten Abs 7 des § 28 AuslBG; die dort aufgestellte Vermutung der Beschäftigung wird damit gerechtfertigt, daß diese unbedingt erforderlich sei, 'um die Mitwirkung des Beschäftigers im Beweisverfahren vor der Strafbehörde sicherstellen zu können' - von Mayer, ecolex 1996, 808 als 'Absurdität' apostrophiert), so hat er sich in der Formulierung völlig vergriffen und ein aliud unter Strafe gestellt. Zweckentsprechend wäre die Festlegung von (eventuell mit Strafe sanktionierten) Auskunftspflichten, wenn der Gesetzgeber dies wollte. Abgesehen davon, reicht zu diesem Zweck die ohnehin bestehende Pflicht, sich der Zeugeneinvernahme zu unterziehen, in der Regel aus; lediglich in besonderen Konstellationen wird die Situation so unklar sein, daß gegen keine bestimmte Person ein Verfahren geführt werden kann und daher auch die Zeugnispflicht leerläuft. Solchen Situationen vorzubeugen ist freilich Aufgabe der staatlichen Erhebungsorgane.

4. Daß ausgerechnet der Auftraggeber mit den Aufgaben des Al und der Strafbehörden 'beglückt' wird, erscheint an sich schon unsachlich, da die Personalverwaltung von Auftragnehmern dem Einfluß der Auftraggeber entzogen ist: Wie Mayer (ecolex 1996, S 805) ausführt, hat 'der Generalunternehmer ... jedenfalls typischerweise keinen Einfluß auf die Unternehmensgestion des Auftragnehmers (des Beschäftigers); ob eine solche Einflußmöglichkeit in einzelnen Fällen tatsächlich doch besteht, ist nach VfSlg. 13583 nicht relevant, weil es - zutreffend - auf die typischerweise bestehenden Verhältnisse ankommt. Typischerweise besteht eben keine Einflußmöglichkeit des Generalunternehmers auf die Personalverwaltung seines Subunternehmers; man wird sogar umgekehrt sagen müssen, daß der Generalunternehmer typischerweise gar nicht in der Lage ist, tatsächlich einen Einfluß auf die beim Subunternehmer herrschenden Beschäftigungsverhältnisse auszuüben. Man kann auch nicht davon ausgehen, daß der Generalunternehmer aus der Begehung der strafbaren Handlung durch den Beschäftiger einen spezifischen Nutzen zieht. Er hat gegen den Subunternehmer im allgemeinen einen vertraglichen Anspruch darauf, daß dieser bestimmte Leistungen erbringt. Dafür hat er ein Entgelt zu zahlen. Ob diese Leistungen durch zugelassene Beschäftigung oder durch nicht zugelassene verbotswidrig Beschäftigte erbracht werden, hat für den Generalunternehmer keine typische, spezifische Bedeutung.'

5. Die Gleichheitswidrigkeit und Unsachlichkeit des § 28 Abs 6 AuslBG ergibt sich nach h. Ansicht auch daraus, daß, wie erwähnt, die Bestrafung des Auftraggebers insbesondere dann nicht erforderlich ist, wenn der Beschäftiger bekannt ist. Eine Strafwürdigkeit (in diesem womöglich sogar typischen Fall) könnte allenfalls daraus resultieren, daß der Auftraggeber rechtswidriges Verhalten des Auftragnehmers bewußt fördert. Diesem Ziel trägt jedoch § 7 VStG (Mittäterschaft) ausreichend Rechnung. Auch Schein- und Umgehungsgeschäften bzw Rechtsformenmißbräuchen ist bereits anderweitig ausreichend entgegengewirkt, sodaß sich auch aus diesem Blickwinkel kein zusätzliches Strafbedürfnis ergibt, welches 'heimlich' hinter der gegenständlichen Regelung stecken könnte.

6. Fragwürdig erscheint die vorgesehene Bestrafung des Auftraggebers auch im Hinblick auf das Sachlichkeitskriterium der Eignung zur Zielerreichung: Es mag sein, daß ein besonders enthusiastisch kontrollierender Auftraggeber einen Auftragnehmer zur größerer Vorsicht bringt, wenn letzterem aus dem Vertragsverhältnis heraus unangenehme zivilrechtliche Konsequenzen drohen. Dennoch ist die Situation grundsätzlich so, daß dann, wenn der Auftraggeber eine illegale Ausländerbeschäftigung entdeckt, er den Tatbestand des § 28 Abs 6 AuslBG bereits verwirklicht hat, die allfälligen Gegenmaßnahmen des Auftraggebers also zu spät kommen und das eigentliche Ziel, die Unterbindung der illegalen Beschäftigung der Ausländer, demgemäß verfehlt wird.

7. Gleichheitswidrig erscheint die gegenständliche Regelung ferner deshalb, weil der Strafrahmen in keinem angemessenen Verhältnis zum Verschulden steht. Der Strafrahmen ist identisch mit dem für den Täter gemäß § 21 Abs 1 Z 1 lita AuslBG geltenden Strafrahmen, obwohl voraussetzungsgemäß keine Mittäterschaft vorliegt und, mangels Einflusses auf die Personalverwaltung des Auftragnehmers, das Verschulden des Auftraggebers typischerweise sogar geringer ist, als jenes des 'Beschäftigers', wenn es nicht Oberhaupt so ist, daß das Verschulden des Auftraggebers regelmäßig gegen Null tendiert. Diese unsachliche Gewichtung ist umso bedenklicher, je weiter (in einer Subvertragskette) der Bestrafte ('Generalunternehmer') vom Täter ('Beschäftiger') 'entfernt' ist. Geht man davon aus, daß die nach Strafbestimmungsgründen gestuften Strafrahmen des § 28 Abs 1 Z 1 lita AuslBG (welche sonst?) auch für die Bestrafung gemäß § 28 Abs 6 AuslBG gelten, so muß der Arbeitgeber außerdem 'den Kopf dafür hinhalten', daß der Auftragnehmer unter Umständen Wiederholungstäter ist, bzw dafür, wieviele Ausländer er illegal zur Erfüllung seines Vertrages einsetzt. All dies ist um frappanter, als, wie Mayer, ecolex 1996, S 803 f, verdeutlicht hat, das Verwaltungsrecht die Haftung für fremdes Verhalten an höhergradiges Verschulden knüpft.

8. Gleichheitswidrig erscheint § 28 Abs 6 AuslBG auch deshalb, weil die sich für den Auftraggeber an die Delinquenz eines anderen knüpfenden Konsequenzen unverhältnismäßig einschneidend sind. In diesem Zusammenhang ist auf die Aufnahme in die zentrale Strafevidenz wegen Beschäftigung von Ausländern entgegen den Bestimmungen des AuslBG in einer Betriebsstätte oder auf einer auswärtigen Arbeitsstätte eines Unternehmens (§28b Abs 2 AuslBG) hinzuweisen die - in Verbindung mit der Nichtbescheinigung der fehlenden wesentlichen Verletzung des AuslBG durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales (§28b Abs 1 und 5 AuslBG) und mit diversen Auftragsvergabegesetzen - zu ruinösen Konsequenzen führen kann. Daß § 28b AuslBG in Verbindung mit § 28 Abs 6 AuslBG (und Auftragsvergabegesetzen; vgl. für das Wr. LandesvergabeG Mayer, ecolex 1996, S 806) mancherlei Unklarheit aufweist, ist ein Problem des Bestimmtheitsgrundsatzes.

9. Gleichheitswidrig erscheint § 28 Abs 6 AuslBG schließlich auch deshalb, weil die daraus resultierende Belastung (verglichen mit dem Strafzweck bzw der Erforderlichkeit und Effizienz der Bestrafung von Auftraggebern) unverhältnismäßig hoch ist. Nach wohl zutreffender Auffassung Mayers (ecolex 1996, 804, 806) ist § 28 Abs 6 AuslBG als Erfolgshaftungstatbestand (der Tatbestand des § 28 Abs 6 AuslBG ist erfüllt, wenn ein anderer den Tatbestand des § 28 Abs 1 Z 1 lita AuslBG verwirklicht) in Verbindung mit der Schuldvermutung des § 5 Abs 1 VStG konstruiert. Legt man an die Glaubhaftmachung der Schuldlosigkeit die Maßstäbe der 'Kontrollsystemjudikatur' des Verwaltungsgerichtshofes an, so ergibt sich, in Verbindung mit den Kontrollproblemen, die für die Inpflichtnahme des Auftraggebers durch § 28 Abs 6 AuslBG offenbar motivierend waren, etwa folgendes Bild:

Die Kontrollore hätten zunächst alle nach einem bestimmten Merkmal definierten Personen (zB: alle auf einer Baustelle befindlichen Personen), zu versammeln. Hierauf wären die Personen, die nicht iSd AuslBG beschäftigt sind, auszuscheiden. Diese Aufgabe erfordert durchaus nicht nur in vernachlässigbaren Sonderfällen hochgradiges Expertenwissen (etwa: Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitskräfteüberlassung, Abgrenzung des arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses von nicht unter das AuslBG fallenden Vertragstypen, Erfassung der relevanten Beteiligungsformen an Gesellschaften, Vorliegen einer Betriebsentsendung, Vorliegen eines 'Volontariats' udgl. mehr; dies alles unter dem Blickwinkel des 'wahren wirtschaftlichen Gehalts' und unter Anwendung 'beweglicher Systeme'). Ferner wäre die Staatsbürgerschaft der erfaßten Personen festzustellen und die Ausländer nach EU/EWR-Bürgern, türkischen Staatsbürgern und sonstigen Drittstaatsangehörigen zu ordnen. Hierauf wären die Ausländer auszuscheiden, die keine arbeitsmarktrechtlichen Papiere benötigen und unter den verbliebenen Ausländern zu prüfen, ob sie bzw ihr Arbeitgeber die 'passenden Papiere' haben (die Kasuistik des AuslBG kennt eine ganze Palette von 'Papieren' für unterschiedliche Situationen und mit unterschiedlichen Reichweiten in örtlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht). Nach Feststellung der jeweiligen 'Beschäftiger' wäre zu prüfen, ob es sich dabei um einen Auftragnehmer des zur Kontrolle verpflichteten Auftraggebers handelt bzw gegebenenfalls die Lückenlosigkeit der Auftragskette ins Kalkül zu ziehen.

Diejenigen Ausländer, für die keine passenden Papiere vorliegen, wären, sofern der Auftraggeber bzw dessen Außenvertretungsbefugter die Kontrolle nicht selbst vornimmt, diesem zu melden. Der Auftraggeber hätte sich dann mit den Vertretern der betroffenen Auftragnehmer in Verbindung zu setzen und zu klären, ob der Vorwurf zu Recht besteht. Bejahendenfalls wären die im Vertrag vorgesehenen Konsequenzen für illegale Ausländerbeschäftigung zu ziehen, also gegebenenfalls der Vertrag aufzulösen und der Auftrag neu zu vergeben.

Die Kontrolle hätte nach der Erlaßpraxis (vgl. Teil A Pkt. 9 des Erlasses des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 68.920/5-5/96 - Kopie beiliegend) mindestens (!) einmal täglich stattzufinden, nach dem bei Aichlreiter (siehe unten III.3.2.) hervorgekehrten Aspekt: am besten permanent. Dies wäre im Hinblick auf die Rechtsprechung des VwGH, wonach auch kurzfristige (stundenweise) Einsätze zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses iSd AuslBG genügen bzw im Hinblick auf die mögliche Fluktuation nur konsequent. Selbstverständlich wären die 'privaten Kontrollore' mit denselben Problemen konfrontiert, wie die staatlichen: Fluchtversuche, Sprachschwierigkeiten, falsche oder unklare Angaben der Befragten usw.

Gerade auf Großbaustellen - für die § 28 Abs 6 AuslBG offenbar primär geschaffen wurde, da dort die staatlichen Erhebungsorgane selbst schwer zu Rande kommen - erweist sich diese Prozedur schon vom Aufwand her als unzumutbar. Es sind außerdem nicht unerhebliche Störungen des Wirtschaftslebens zu befürchten, die aus der Kontrolle selbst entstehen und aus Unterbrechungen der Leistungsbeziehungen im Auftragsvergabesystem resultieren.

Es könnte nun eingewendet werden, daß das 'Kontrollsystem' bei weitem nicht so ernst genommen zu werden braucht, wie dargestellt. Dann aber fehlen überhaupt jegliche Konturen des gebotenen Verhaltens und es stellt sich die Bestimmtheitsproblematik (siehe unten III.) mit voller Schärfe.

Es dürfte wohl der (mit dem Kontrollbegriff kaum noch vereinbare)

Satz aus VfSlg. 14153/95 (zum AZG), wonach 'es ... nicht angeht,

vom Arbeitgeber zu verlangen, daß er bestimmte wirksame

Vorkehrungen - die über die Vermeidung von Anreizen ...

hinausgehen ... - treffe' (und ihm dafür auch noch die Beweislast

aufzuerlegen) auf die vorliegende Problematik nicht übertragbar sein, da dann § 28 Abs 6 AuslBG neben § 7 VStG (iVm § 28 Abs 1 Z 1 lita AuslBG) überflüssig wäre.

II. Unter dem Blickwinkel des Schuldstrafrechts (Art6 Abs 2 MRK).

Mayer (ecolex 1996, S 804) vertritt die Auffassung, daß eine strafrechtliche Verantwortlichkeit bei sonstiger Verfassungswidrigkeit nur an eigenes Verhalten geknüpft sein darf. Dies ergebe sich aus dem tradierten Verständnis des Begriffes 'Strafrecht', das 'Unrecht' sanktioniere und außerdem auf das Verschulden als wesentliches Element abstelle (unter Hinweis auf Art 6 Abs 2 MRK).

Dieser Auffassung wird beigetreten, da die 'Unschuldsvermutung' iSd Art 6 Abs 2 MRK wohl nicht nur für die Tatbestandsverwirklichung, sondern (geradezu selbstverständlich) auch für die Schuld ieS (das Verschulden) gilt (in diesem Sinne zutreffend auch Wilhelm, ecolex 1996, S 149, wenn er behauptet, daß Art 6 Abs 2 MRK das Schuldprinzip voraussetzt). Ohne diesen Zusammenhang wäre auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Pflicht zur amtswegigen Klärung der Schuldfrage bei Anhaltspunkten für Zweifel auf der Grundlage des § 5 Abs 1 VStG (VfSlg. 13790/94) nicht verständlich.

Aus dem Gesagten ist die Verfassungswidrigkeit von Erfolgshaftungstatbeständen schlechthin abzuleiten, ohne daß es darauf ankäme, ob sich der 'Täter' unter dem Titel der 'Schuld' entlasten kann. IdS bezeichnet es Lewisch, Verfassung und Strafrecht, 1993, S 277 (zitiert nach Mayer, ecolex 1996, S 805) als 'tragendes Konzept des modernen Strafrechts', daß ein strafrechtlicher Vorwurf schon auf der Unrechtsebene entfällt, wenn der Täter nicht einmal objektiv die Möglichkeit zur verantwortungsvollen Entscheidung hatte.

Folgt man dieser Auffassung nicht, so bleibt dennoch gültig, daß das Argument der Entlastungsmöglichkeit auf der 'Schuldebene' jedenfalls dann nicht tragfähig ist, wenn - wie gemäß § 5 Abs 1 VStG - eine Schuldvermutung besteht und dem 'Täter' die 'schwierige Last des Gegenbeweises' obliegt (in diesem Sinne Mayer, ecolex 1996, S 806). Daß diese Schuldvermutung in der verwaltungsgerichtlichen Praxis (Kontrollsystem) ihrerseits zumindest an Erfolgshaftung grenzt (wenn nicht einer solchen gleichkommt; siehe unten III.3.2.1.) verschärft die Problematik nur. In diesem Zusammenhang wird nochmals darauf hingewiesen, daß der Verfassungsgerichtshof ebenfalls die Verquickung der Haftung des Arbeitgebers für das Verhalten von Arbeitnehmern mit der Beweislastregel des § 5 Abs 1 VStG als verfassungsrechtlich bedenklich einstufte, wenn die vom Arbeitgeber verlangten Vorkehrungen über die Vermeidung von Anreizen zu rechtswidrigem Verhalten hinausgehen (VfSlg. 14153/95).

III. Unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebotes (Art7 MRK, Art 18 B-VG).

1. Der EGMR ( Kokkinakis, ÖJZ 1994, S 59 ff), die EKMR (, ÖJZ 1994, S 529) und der Verfassungsgerichtshof (Slg 11.776/88, 13.012/92, 13.233/92, , B1724/95) leiten aus Art 7 MRK ein Klarheitsgebot ab (Mayer, B-VG, 2. Auflage, 1997, S 555). Diese Bedingung ist dann erfüllt, wenn der einzelne aus dem Wortlaut der maßgeblichen Bestimmung erkennen kann, erforderlichenfalls mit Hilfe der Auslegung dieser Bestimmung durch Gerichte, welche Handlungen und Unterlassungen ihn strafbar werden lassen (Öhlinger, Verfassungsrecht, 3. Auflage, 1997, S 236 f unter Hinweis auf EGMR, Kokkinakis).

2. Auch aus Art 18 B-VG ergibt sich, daß 'eingriffsnahe Gesetze' den Eingriffstatbestand besonders deutlich umschreiben müssen (Öhlinger, Verfassungsrecht, S 236 unter Hinweis auf Berka, Das 'eingriffsnahe Gesetz' und die grundrechtliche Interessenabwägung in: FS Robert Walter, 1991, S 37 ff, S 42 ff; VfSlg. 10737/85, 11044/86, 11455/87; 13336/93; vgl. ferner Mayer, B-VG, S 116).

3. Die Verfassungswidrigkeit des § 28 Abs 6 AuslBG unter den obgenannten Gesichtspunkten ergibt sich nach h. Ansicht aus folgenden Gründen:

3.1. Zum Täterkreis:

Im Hinblick auf den in Betracht kommenden Täterkreis ist unklar, ob die Bestimmung nur 'Generalunternehmer' oder auch sonstige 'Auftraggeber' umfaßt. Die Beifügung des Wortes 'Generalunternehmer' in Klammer läßt diesbezüglich verschiedene Deutungen offen.

Diese Unklarheit wirkt sich insbesondere bei 'Ketten-Subverträgen' aus: Es fragt sich, ob nur der 'erste' Auftraggeber strafbar ist und/oder (auch) der 'letzte' Auftraggeber. Denkbar ist auch die Deutung, daß sämtliche 'Zwischenauftraggeber' ebenfalls unter diese Bestimmung fallen.

Darüber hinaus ist unklar, was unter einem 'Generalunternehmer' und einem 'Auftraggeber' überhaupt genau zu verstehen ist. Kommt es bei der 'Generalunternehmerschaft' auf die Bezeichnung in Vertragswerken oder auf den Inhalt der Leistung an, die ein seinerseits (etwa von einem Bauherrn) 'Beauftragter' schuldet, und zwar etwa im Sinne der Teilbarkeit eines 'Leistungspaketes'?

Unklar ist auch, ob bei Weitergabe des Gesamtauftrages der 'Auftragnehmer' seinerseits 'Generalunternehmer' iSd § 28 Abs 6 AuslBG wird (bzw dessen 'Auftraggeber' die 'Generalunternehmereigenschaft' verliert).

Fraglich ist ferner, ob § 28 Abs 6 AuslBG nur eine bestimmte Branche (offenbar schwebten dem Gesetzgeber Baustellen vor) erfaßt oder ob jede nur denkbare Auftragsweitergabe betroffen ist.

3.2. Im Hinblick auf das pönalisierte Verhalten:

3.2.1. Nach Mayer, ecolex 1996, S 804, der die 'Täterkreis-Problematik' nicht behandelt, ist der Wortlaut der Norm klar. Dem ist unter der Voraussetzung beizupflichten, daß der Tatbestand des § 28 Abs 6 AuslBG die Strafbarkeit ausschließlich an die Tatbestandsverwirklichung durch einen anderen knüpft. So betrachtet, stellt sich die Frage der Rechtsklarheit nicht anders als für den Beschäftiger.

Man wird allerdings bei 'Erfolgshaftungstatbeständen' auf die (gesetzliche) Bestimmtheit der zur Schuldlosigkeit fahrenden Maßnahmen erhöhte Anforderungen stellen müssen. Anders formuliert: Es darf unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgrundsatzes keinen Unterschied machen, ob von der Jurisprudenz die dem Normunterworfenen zugemuteten Maßnahmen auf der Tatbestands- oder auf der Schuldebene angesiedelt werden. Der Verfassungsgerichtshof sah die erwähnte verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der Verbindung von Erfolgshaftungstatbestand und Verschuldensvermutung (§5 Abs 1 VStG) ausdrücklich (auch) im Zusammenhang mit dem 'Bestimmtheitsgebot der Verfassung' (VfSlg. 14153/95).

§ 5 Abs 1 VStG enthält nun durchaus keine 'Handlungsanleitungen'. Vielmehr ist der Normunterworfene vom Gesetz im Stich gelassen und auf die Kenntnis der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angewiesen. Aber auch diese ist überaus unbestimmt und im Ergebnis in äußerst bedenklicher Nähe zur Erfolgshaftung. Anstelle vieler Kritiker (Befürworter hat diese Rechtsprechung in der Literatur, soweit ersichtlich, nicht gefunden) sei eine Passage aus Aichlreiter, Strukturprobleme des § 9 VStG, ZfV 1996, S 546 ff, S 550 zitiert:

'Die Judikatur des VwGH zeigt, daß es dem beschuldigten Verantwortlichen im Sinne des § 9 VStG nur ausnahmsweise gelingt, erfolgreich sein fehlendes Verschulden ins Treffen zu führen. Diese Rechtsprechung ist durch einen hohen Abstraktionsgrad der Umschreibung des Maßstabs, an dem das Verhalten des strafrechtlich Verantwortlichen zu messen ist, gekennzeichnet. Konkrete Vorgaben, wie er seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nachkommen hätte sollen, fehlen durchwegs; seinen Unschuldsbeteuerungen zur Betriebsorganisation usw tritt der VwGH meist mit dem (ebenfalls abstrakten) Stehsatz entgegen, der Beschuldigte habe dadurch die Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen nicht dargetan (oder einer ähnlichen Formulierung). Was der Verantwortliche verkehren hätte müssen, das bleibt im Dunkeln. Die Judikatur vermittelt nachgerade den Eindruck, daß der verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Vertretungsbefugte seinen Sorgfaltspflichten nur dann nachkomme, wenn tatsächlich keine Verwaltungsübertretung durch Mitarbeiter seines Unternehmens begangen wird. Da Stichproben einem solchen Standard zwangsläufig und auch - insofern konsequenterweise - nach der Rechtsprechung nicht entsprechen, als Stichprobe aber jedwede Überprüfung zu begreifen ist, die nur in regelmäßigen oder unregelmäßigen, möglicherweise auch sehr kurzen Abständen erfolgt, so bliebe nur ein kontinuierliches Kontrollsystem der Mitarbeiter einer juristischen Person, das gleichzeitig effizient jede Normabweichung registriert, samt unverzüglichen, entsprechend effizienten innerbetrieblichen Sanktionen, was dem Verantwortlichen den Nachweis eines normgemäßen Verhaltens eröffnen würde. Wie sieht ein Verhaltensmuster, das nicht dem Olymp allgemeiner Wendungen verhaftet bleibt, sondern zumindest einige konkretisierte Vorgaben nennt, aus, bei dessen Beachtung ein strafrechtlich Verantwortlicher seinen Obliegenheiten nachkommt? Die Rechtsprechung des VwGH gibt darauf keine operationable Antwort ...'.

Die Problematik wird weiterhin dadurch verschärft, daß die 'Beschäftigung' der Gegenstand der Kontrolle ist. Die Feststellung, ob eine 'Beschäftigung' iSd AuslBG vorliegt, führt, wie bereits angedeutet, in schwierigste rechtliche Bereiche. Dies hängt mit der Komplexität des Beschäftigungsbegriffes des AuslBG zusammen: Erfaßt sind nicht nur Arbeitsverhältnisse sondern auch arbeitnehmerähnliche Verhältnisse, Ausbildungsverhältnisse, Betriebsentsendungen, Arbeitskräfteüberlassungen und bestimmte Gesellschaftsbeteiligungen. Jede einzelne dieser Kategorien stellt - insbesondere auch in Verbindung mit der sehr problematischen Formel vom 'wahren wirtschaftlichen Gehalt' - vielfach vor äußerst schwierige rechtliche Abgrenzungsfragen. Die Situation ist vielmehr so, daß sich mit Fug die Frage nach der Verfassungskonformität einzelner Subtatbestände des Beschäftigungsbegriffes unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebotes stellen ließe!

Noch verwirrender wird die Situation wenn man die Regelung des § 28 Abs 7 AuslBG hinzunimmt. Diese Bestimmung lautet: 'Wird ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen, die im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, ist das Vorliegen einer nach diesem Bundesgesetz unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres anzunehmen, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, daß eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt.' Es bleibt im Dunklen, ob diese (sich dem Wortlaut nach sonderbarerweise nur an die Bezirksverwaltungsbehörde wendende) Bestimmung, die nichts anderes darstellt als eine Vermutung der Tatbestandsmäßigkeit zu Lasten des Verdächtigen, Auswirkungen auch auf gebotene Verhalten der Kontrollore des Auftraggebers hat oder nicht; bzw, wenn ja, welche Konsequenzen dies hätte."

Die Bundesregierung hat von einer Äußerung in der Sache abgesehen und beantragt für den Fall der Aufhebung die Setzung einer Frist von achtzehn Monaten für allenfalls erforderliche legistische Vorkehrungen.

Der Berufungswerber im Anlaßverfahren vor dem antragstellenden Verwaltungssenat tritt in seiner Äußerung dem Antrag bei.

2. Gleichartige Anträge auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit stellen aus Anlaß bei ihnen anhängiger gleichartiger Verfahren der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (zu G5/98, G7/98 bis G14/98, G19/98 bis G21/98 und G61/98), der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland (zu G62/98) und der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (zu G80/98, G84/98 und G93/98).

Die Bundesregierung hat auch in diesen Verfahren auf eine Äußerung in der Sache verzichtet und einige Berufungswerber im Anlaßverfahren haben sich auch hier in eigenen Äußerungen den jeweiligen Anträgen angeschlossen.

III. Die Anträge sind zulässig und

begründet. § 28 Abs 6 AuslBG in der Fassung des Antimißbrauchsgesetzes war verfassungswidrig.

1. Daß die antragstellenden Verwaltungssenate die angegriffene Bestimmung in den bei ihnen anhängigen Verfahren anzuwenden hätten, ist nicht zweifelhaft geworden. Auch sonst sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben.

2. Die Bedenken der Verwaltungssenate gehen letzlich (im Antrag des Verwaltungssenats Oberösterreich "unter dem Blickwinkel des Schuldstrafrechts", in den anderen Anträgen unter dem Stichwort "reine Erfolgshaftung") davon aus, daß weder § 28 Abs 6 noch eine andere Vorschrift des AuslBG und auch kein anderes Gesetz ein den Auftraggeber eines Beschäftigers treffendes Ge- oder Verbot enthält, und sehen schon den (auch) in der Bundesverfassung verankerten Grundsatz verletzt, daß strafrechtliche Verantwortlichkeit nur an eigenes Verhalten geknüpft sein darf.

In der Tat setzt der Begriff der Strafe als ein mit Tadel verbundenes Übel wegen schuldhafter Verletzung von Ver- oder Geboten der Rechtsordnung voraus, daß der Täter gegen eine ihn treffende Verhaltensregelung verstoßen hat. Der Grundsatz, daß strafrechtliche Verantwortlichkeit nur an eigenes Verhalten geknüpft sein darf, ist so selbstverständlich, daß er in den einschlägigen verfassungsrechtlichen Garantien (Art90 ff. B-VG, Art 6 und 7 EMRK) unausgesprochen vorausgesetzt wird. Der Verfassungsgerichtshof hält es für ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber von einer anderen Auffassung ausgeht, und hält daher eine nähere Begründung für entbehrlich.

Daß § 28 Abs 6 AuslBG in der angegriffenen (ursprünglichen) Fassung die Strafbarkeit des Auftraggebers (Generalunternehmers) an die Übertretung von Verboten knüpft, die einen anderen - den Beschäftiger - treffen, ist gleichwohl offenkundig. Es ergibt sich nicht nur aus dem klaren Wortlaut, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte: Da das AuslBG bis zur Erlassung des Antimißbrauchsgesetzes keine den Auftraggeber des Beschäftigers berührende Vorschrift enthielt, kann die bloße Einfügung eines Satzes, wonach "neben dem Beschäftiger auch sein Auftraggeber (Generalunternehmer) zu bestrafen" ist, nur so verstanden werden, daß unter der Voraussetzung, daß der Auftrag im Rahmen der Tätigkeit des Auftraggebers als Unternehmer erfolgt ist, er für ein Verhalten des Auftragnehmers (Beschäftigers) bestraft werden soll.

Dem Gesetzgeber mag wohl eine Pflicht des Auftraggebers vorgeschwebt sein, auf den Auftragnehmer dahin einzuwirken, daß er nicht etwa - zur Erzielung geringerer Kosten im Interesse des Auftraggebers - verbotenerweise Ausländer beschäftigt. Der Antrag der Abgeordneten betreffend das Antimißbrauchsgesetz (IA 437/A 19. GP, S 11), der im Gesetzgebungsverfahren - soweit ersichtlich - in diesem Punkt nicht näher erörtert (erläutert, begründet oder in Frage gestellt) wurde, führt zur vorgeschlagenen Verantwortlichkeit des Generalunternehmers nach Hinweis auf die Dringlichkeit der Erlassung wirksamer Sanktionen "im Kampf gegen die illegale Ausländerbeschäftigung" allerdings nur aus, die Strafbestimmung sei

"unerläßlich, um gerade im Zusammenhang mit der illegalen Ausländerbeschäftigung auf Baustellen, auf denen die Zuordnung der Arbeitnehmer zu bestimmten Arbeitgebern in der Praxis auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt, eine wirksame trafrechtliche Verfolgung sicherstellen zu können",

was auf eine bloße "Erfolgshaftung" hinauslaufen würde. Jedenfalls hat es der Gesetzgeber unterlassen, solche Pflichten zu formulieren, deren Verletzung er dann unter Strafe stellen könnte.

Aus dem von ihm möglicherweise stillschweigend vorausgesetzten Erfordernis des Verschuldens (§5 VStG) allein lassen sich keine Verhaltenspflichten ableiten. Selbst wenn es aber möglich wäre, dem Anliegen des Gesetzgebers in dieser Richtung etwas zu entnehmen, könnte ein Zuwiderhandeln gegen seine Absichten nicht strafbar sein. Wie der Verfassungsgerichtshof vor allem im Erkenntnis VfSlg. 11776/1988 (zum Disziplinarrecht für Rechtsanwälte) näher ausgeführt hat, gebietet Art 7 EMRK nämlich eine genaue Umschreibung der Elemente eines strafbaren Tatbestands (vgl. zB auch schon VfSlg. 4037/1961). Eine Strafbestimmung aber, die an das strafbare Verhalten einer anderen Person anknüpft, ohne auch nur ansatzweise erkennen zu lassen, welche Verhaltensanforderungen sie an den strafrechtlich (zusätzlich, und zwar wegen Verletzung dieser Pflichten) Verantwortlichen stellt, könnte dieses Erfordernis von vornherein nicht erfüllen.

Es besteht daher weder Anlaß noch Möglichkeit, etwa unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Auslegung die angegriffene Gesetzesstelle anders zu deuten als sie lautet.

Die Bedenken der antragstellenden Verwaltungssenate erweisen sich schon unter dem Gesichtspunkt der Unzulässigkeit von Strafen für fremdes Verhalten als begründet. Mithin erübrigt es sich, auf die weiter vorgetragenen Bedenken einzugehen.

Bis zu seiner Ablösung durch die geltende - hier nicht in Prüfung stehende - Fassung war § 28 Abs 6 AuslBG verfassungswidrig.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs ein so schwerwiegender Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, daß eine weitere Anwendung der Bestimmung nicht mehr in Betracht kommt (Art140 Abs 7 Satz 2 B-VG). Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art 140 Abs 5 B-VG.