VfGH vom 13.10.2005, g39/05

VfGH vom 13.10.2005, g39/05

Sammlungsnummer

17677

Leitsatz

Verstoß der Regelungen des IESG betreffend die Anordnung zur Überweisung von Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger bzw die SVA der gewerblichen Wirtschaft gegen den Gleichheitssatz mangels eines persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zwischen den Versicherungsgemeinschaften; Gesetzwidrigkeit der Verordnungen über die Festsetzung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag der Jahre 1999 bis 2004 mangels Herabsetzung des Zuschlagssatzes bei Außerachtlasssung der verfassungswidrigen Sonderzahlungen

Spruch

I. Die Absätze 6 und 7 des § 12 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz in der Fassung der Budgetbegleitgesetze 2000, BGBl. I 26, und 2001, BGBl. I 142/2000, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Die Verordnungen der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales bzw. des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Festsetzung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag, BGBl. II 511/1999, 410/2000, 452/2001, 454/2002, 560/2003 und 503/2004 werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

III. Die Verordnungen der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die Festsetzung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag, BGBl. II 366/1997 und 386/1998, werden nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die beim Verfassungsgerichtshof zu B205/04 und B727/04 beschwerdeführenden Gesellschaften haben im Juni 2003 bzw. Februar 2004 bei der Oberösterreichischen bzw. Burgenländischen Gebietskrankenkasse Anträge auf Rückzahlung der seit Mai 1998 bzw. Februar 1999 zu Ungebühr entrichteten Beiträge - Zuschläge zum Arbeitgeberanteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages nach § 12 Abs 1 Z 4 IESG - beantragt und gegen die abweisende Entscheidung Einspruch erhoben, den der zuständige Landeshauptmann mit dem jeweils angefochtenen Bescheid keine Folge gab. Auf die Behauptung, diese Beitragspflicht beruhe auf einem verfassungswidrigen Gesetz und einer die Höhe des Beitrages gesetzwidrig festlegenden Verordnung, könne die an diese Rechtsvorschriften gebundene Behörde nicht eingehen.

Bei der Beratung über diese Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der für den Zeitraum von 1998 bis 2003 bzw. auch 2004 maßgeblichen Verordnungen über die Höhe des Zuschlags und ob der Verfassungsmäßigkeit der ihr zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen über die Verwendung von Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds für den Ausgleichsfonds der Träger der Pensionsversicherung und die Pensionsversicherung der gewerblichen Wirtschaft entstanden.

1. Maßgeblich ist folgende Rechtslage:

Aufgrund des Gesetzes über die Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers, BGBl. 324/1977 (IESG) wird Arbeitnehmern und anderen Anspruchsberechtigten für näher umschriebene gesicherte Ansprüche Ausfallgeld gewährt, wenn über das Vermögen des Arbeitgebers der Konkurs eröffnet oder ein näher umschriebenes für sie gleich bedeutendes Ereignis eintritt (§1); der Anspruch umfasst auch die auf die Dienstnehmer entfallenden Beitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung (§13a). Vom Arbeitgeber zu leistende Zahlungen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz werden der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse abgeführt (§13b). Den Leistungsaufwand trägt der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (§13), dessen Geschäfte seit dem IAF-Service-GmbH-Gesetz (BGBl. I 88/2001 Artikel 1) die Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Service Gesellschaft mbH besorgt (§1). Bestritten wird er nach § 12 Abs 1 IESG aus dem Zufluss von Mitteln aufgrund der Zahlung der auf den Fonds übergegangenen Arbeitnehmeransprüche (Z1), zufließenden Geldstrafen (Z2) und erwirtschafteten Zinsen (Z3) sowie (Wortlaut bis zum BudgetbegleitG 2003, BGBl. I 71, das diesen Satz aber nur mit dem folgenden verband):

"4. einem nach Maßgabe der gemäß Z 1 bis 3 zufließenden Mittel für die ausgeglichene Gebarung des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds im Sinne der Abs 2 und 3 erforderlichen, mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales jährlich festzusetzenden Zuschlag zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden Anteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages nach § 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (AMPFG), BGBl. Nr. 315/1994."

Der Zuschlag ist vom Arbeitgeber zu tragen (§12 Abs 1 Z 4 Satz 2, seit 2003 Satz 1 Ende). Für arbeitslosenversicherungspflichtige Personen, die keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld haben (§1 Abs 6 IESG), ist kein Zuschlag zum Arbeitgeberanteil zu entrichten (§12 Abs 1 Z 4 Satz 3, seit 2003 Satz 2).

Nach § 12 Abs 2 ist "zur Sicherstellung einer ausgeglichenen Gebarung" der Zuschlag

"1. zu erhöhen, wenn ein Kredit (§13 Abs 3) aufgenommen werden mußte bzw. der voraussichtliche Leistungsaufwand des laufenden Jahres oder des Folgejahres laut Voranschlag nicht gedeckt ist,

2. zu senken, wenn sich unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Bilanz des Vorjahres sowie des voraussichtlichen Gebarungsabschlusses des laufenden Jahres und des Folgejahres laut Voranschlag ein Überschuß ergibt, der 20 vH des durchschnittlichen Leistungsaufwandes dieser Jahre übersteigt."

Die Erhöhung des Zuschlages ist nach Abs 3

"so zu bemessen, daß nach Abdeckung allfälliger Kredite (§13 Abs 3) die voraussichtliche Gebarung des laufenden Jahres und des Folgejahres laut Voranschlag einen Überschuß ergibt, der 10 vH des durchschnittlichen Leistungsaufwandes dieser Jahre nicht übersteigt."

Die Aufnahme von Krediten ist in § 13 Abs 3 "zur Überbrückung finanzieller Bedeckungsschwierigkeiten" vorgesehen.

Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag, zu dem der Zuschlag nach § 12 Abs 1 Z 4 IESG zu leisten ist, wird nach § 2 Abs 1 Arbeitsmarktpolitik-FinanzierungsG von den Versicherungspflichtigen und deren Dienstgebern eingehoben.

Nach § 12 Abs 5 IESG waren die Mittel des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gemäß Abs 1 Z 1 bis 4 für den Aufwand gemäß § 12 Abs 1 zweckgebunden.

Mit Art 23 des Budgetbegleitgesetzes 2000, BGBl. 26, wurde dem § 12 mit Wirkung vom folgender Abs 6 angefügt:

"(6) Der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hat im Jahr 2000 2.000 Millionen Schilling in zwei gleichen Teilraten am und am an den beim Hauptverband eingerichteten Ausgleichsfonds der Träger der Pensionsversicherung (§447g ASVG) zu überweisen."

Der in § 447g ASVG eingerichtete Ausgleichsfonds der Träger der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz und dem Freiberuflichen Sozialversicherungsgesetz wird unter anderem auch aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung gespeist, und zwar einerseits zur Abgeltung der Aufwendungen, die den Pensionsversicherungsträgern aus der Anrechnung von Ersatzzeiten für Zeiten des Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (Abs3 Z 1 lita) und andererseits zur Abgeltung der Aufwendungen, die diesen wegen vorzeitiger Alterspension bei Arbeitslosigkeit erwachsen (Abs3 Z 2 iVm § 6 AMPFG). Aus den Mitteln des Fonds sind (nach Abzug näher bestimmter Leistungen aus den Erträgen von Zusatzbeiträgen) die Ersätze für die wegen Überschreiten der Höchstbeitragsgrundlage erstatteten Beiträge an alle Sozialversicherungsträger zu leisten (Abs5 Satz 2 iVm §§70 ASVG, 127b GSVG und 118b B-SVG); erst der verbleibende Rest ist an die Pensionsversicherungsträger des ASVG zu überweisen; der Aufteilungsschlüssel ist nach dem Verhältnis festzusetzen, in welchem der nicht gedeckte Aufwand (des zweitvorangegangenen Geschäftsjahres) aller Träger auf den einzelnen entfällt (Abs7).

Das am unter BGBl. 142 kundgemachte Budgetbegleitgesetz 2001 fügte § 12 IESG mit Wirkung vom einen weiteren Absatz an:

"(7) Der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hat im Jahr 2001

3.700 Millionen Schilling in zwei gleichen Teilraten am und am an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu überweisen."

Am formulierte die unter derselben Nummer wie das oben bereits genannte IAF-Service-GmbH-Gesetz (Artikel 3) im Bundesgesetzblatt als "Änderung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz" kundgemachte Novelle § 12 Abs 5 wie folgt um:

"(5) Die Mittel des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gemäß Abs 1 Z 1 bis 4 sind für die gesetzlich übertragenen Aufgaben zweckgebunden." (Hervorhebung nicht im Original)

Schließlich erhielt § 12 Abs 1 IESG in einem Bundesgesetz (BGBl. I 158/2002), dessen (hier nicht näher interessierender) Titel zehn Zeilen über die volle Breite des Bundesgesetzblattes benötigt (Artikel 4), noch einen Absatz 8:

"(8) Der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hat dem Bund in den Jahren 2003 bis 2005 jeweils die zum Zwecke der besonderen Förderung der Beschäftigung von Lehrlingen ('Lehrlingsausbildungsprämie') benötigten Mittel bis zum Höchstausmaß der bei einem in der Höhe von 0,2 vH festgesetzten Zuschlag gemäß Abs 1 Z 4 im jeweiligen Kalenderjahr zufließenden Mittel zur Verfügung zu stellen."

Dabei wurde an Abs 1 Z 4 noch ein weiterer (vierter) Satz angefügt:

"Für Lehrlinge ist kein Zuschlag zum Arbeitgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung zu entrichten."

Das BudgetbegleitG 2003, BGBl. I 71, ergänzte diese Bestimmung noch in weiteren, hier nicht wesentlichen Punkten.

Für den im Rückforderungsantrag der zu B205/04 beschwerdeführenden Gesellschaft genannten und im angefochtenen Bescheid behandelten Zeitraum vom Mai 1998 bis Juli 2003 war die Höhe des Zuschlages in den jährlich im Dezember kundgemachten Verordnungen des jeweils zuständigen Ministers stets gleich bleibend nach folgendem Muster mit 0,7 vH festgesetzt worden:

"§1. Der Zuschlag zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden

Arbeitslosenversicherungsbeitrag ... wird für das Jahr ... mit 0,7 vH

festgesetzt.

§ 2. Diese Verordnung tritt mit Beginn der Beitragsperiode

... in Kraft."

2. Am beschloss der Verfassungsgerichtshof zu B205/04 die Prüfung der für die Zeit von 1998 bis 2003 maßgebenden Verordnungen der zuständigen Bundesminister über die Festsetzung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag, BGBl. II 366/1997, 386/1998, 511/1999, 410/2000, 452/2001 und 454/2002, sowie der Abs 6 und 7 des § 12 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz in der Fassung der Budgetbegleitgesetze 2000, BGBl. I 26, und 2001, BGBl. I 142/2000 (V32-37/05, G40/05). Am selben Tag beschloss der Gerichtshof zu B727/04 außerdem noch die Prüfung der für 2004 maßgebenden Verordnung BGBl. II 560/2003 (diese Verfahren erhielten versehentlich die frühere Geschäftszahl V25-31/05, G39/05).

Aus Anlass einer gleichartigen Beschwerde gegen einen gleichartigen Bescheid des (zufolge Devolution zuständig gewordenen) Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Anträge an die Salzburger Gebietskrankenkasse beschloss der Gerichtshof schließlich zu B607/05 die Prüfung derselben Normen und im Hinblick auf die Rückforderung der für 2005 entrichteten Beiträge zusätzlich der Verordnung BGBl. II 503/2004 (V56-63/05, G82/05).

a) Die Bedenken gegen die gesetzlichen Bestimmungen hat der Gerichtshof im Prüfungsbeschluss zu B205/04 wie folgt formuliert:

"Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die Abschöpfung von Mitteln in der Größenordnung von 2.000 Millionen Schilling (§12 Abs 6) und 3.700 Millionen Schilling (§12 Abs 7) entscheidenden Einfluss auf die Höhe des für eine ausgeglichene Gebarung des Fonds erforderlichen Zuschlages hat. Zwar sollte der erstgenannte Betrag nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Budgetbegleitgesetzes 2000 (61 BlgNR 21. GP, 37) als einmalige Zahlung noch 'keinen Einfluß auf die geplante Beitragssenkung für den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds von derzeit 0,7 Prozentpunkte (sic!) um 0,4 Prozentpunkte auf 0,3 Prozentpunkte ab dem Jahr 2001' haben, doch scheint diese Einschätzung in keiner Vorschrift Deckung zu finden und jedenfalls durch die Änderung des Abs 5 im IAF-Service-GmbH-Gesetz vereitelt worden zu sein, der nun die Zweckbindung der Fondsmitteln für alle dem Fonds gesetzlich übertragenen Aufgaben klarstellt.

Der Verfassungsgerichtshof teilt nun zwar nicht die Ansicht der Beschwerde, dass für die Zulässigkeit der Verwendung der Fondsmittel der primäre Zweck der Insolvenz-Entgeltsicherung maßgeblich ist, weil es sich um einen Zuschlag zum Arbeitgeberanteil am Arbeitslosenversicherungsbeitrag handelt, der seinerseits allgemein für Zwecke der Arbeitslosenversicherung eingehoben wird, so dass es unbedenklich zu sein scheint, wenn die solcherart aufgebrachten Mittel auch für Zwecke der Arbeitsmarktpolitik verwendet werden, die in sachlichem Zusammenhang mit dem Verhalten beitragspflichtiger Arbeitgeber stehen (wie solche auch mit der Förderung der Beschäftigung von Lehrlingen verfolgt werden). Der Gerichtshof kann aber vorläufig nicht erkennen, welche sachlichen Gründe es rechtfertigen könnten, allein den Kreis der beitragspflichtigen Arbeitgeber - also jener Unternehmer, die Arbeitnehmer beschäftigen - mit der Abdeckung von Aufwendungen der Pensionsversicherung zu belasten:

Die Erläuterungen zum Budgetbegleitgesetz 2000 motivieren die erste Zahlung als 'einmalige(n) Beitrag zur Abdeckung der budgetären Mehraufwendungen der Pensionsversicherung'; diese Maßnahme erscheine 'umso mehr gerechtfertigt, als durch Insolvenzen in nicht unbeträchtlichem Ausmaß Pensionierungen bzw. Frühpensionierungen verursacht werden.' Für die zweite Zahlung enthalten die Materialien anscheinend keine Begründung; der Bundesminister sieht darin eine Defizitabdeckung, die 'letztendlich praktisch demselben Personenkreis zugute' komme, der die Zuschläge entrichtet (was ganz offenkundig nicht zutrifft), nach Kaszanits´ Erläuterungen, ASoK 2001, 6, erfolgte die Anordnung hingegen 'zu Gunsten des Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit (Versöhnungsfonds für Zwangsarbeiter) zur Durchführung seiner Aufgaben als Zuwendung aus allen Bereichen der Wirtschaft' (wobei diese Transaktion finanztechnisch über die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft erfolge). Diese beiden Zahlungen scheinen jedoch weder der Insolvenz-Entgeltsicherung noch solchen Zwecken der Arbeitsmarktförderung zu dienen, deren Finanzierung vorzugsweise den Arbeitgebern auferlegt werden darf. Es ist dem Verfassungsgerichtshof vorläufig weder einsichtig, warum gerade und nur Arbeitgeber nach Maßgabe der Zahl der von ihnen Beschäftigten für Mehraufwendungen der Pensionsversicherung aufkommen müssen, die unter anderem ('in nicht unbeträchtlichem Ausmaß') auch durch Pensionierungen bzw. Frühpensionierungen aufgrund von Insolvenzen 'verursacht worden' sind - die Insolvenz hat nicht als solche die Arbeitslosigkeit zur Folge, deren eigentliche Ursache vielmehr das Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes ist, das zB auch bei Massenkündigungen in ähnlicher Weise auftritt -, noch schiene es ihm - wenn es beabsichtigt gewesen sein sollte - begründbar, diesen Personenkreis in besonderer Weise mit der Aufbringung der Mittel für den Versöhnungsfonds zu belasten."

b) Unter Bezugnahme auf die in der Stellungnahme des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit im Beschwerdeverfahren vorgelegte Ausgaben-Einnahmen-Rechnung lauten die Bedenken in Bezug auf die Verordnungen:

"Demnach scheint allein 1998/99 schon ein Überschuss erzielt worden zu sein, der auch nach Abzug der Sonderzahlungen für 2000 noch Anlass zur Herabsetzung geboten hätte. Mangels näherer Kenntnis der Berechnungsgrundlagen (insbesondere auch der Einschätzungen für das jeweils kommende Jahr) besteht daher das Bedenken, dass die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben eine Herabsetzung des Zuschlages gemäß § 12 Abs 2 und 3 notwendig gemacht hätte. Jedenfalls scheint bei Außerachtlassung der verfassungsrechtlich bedenklichen Sonderzahlungen eine solche unvermeidlich gewesen zu sein."

3. Die Bundesregierung hat in beiden Verfahren gleichlautende Äußerungen abgegeben, in denen sie die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen bezweifelt. Die belangten Behörden hätten sie nicht angewendet und auch der Verfassungsgerichtshof sei - wie er in ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg. 14.078/1995) betone - nicht ermächtigt, jede generelle Norm von Amts wegen zu prüfen, die für seine Entscheidung auch nur irgendwie von Bedeutung sein könnte.

In der Sache hält die Bundesregierung dem Prüfungsbeschluss folgendes entgegen:

"1. Das IESG enthält Regelungen, die ihrem Inhalt nach sozialversicherungsrechtlicher Natur sind, und gründet sich auf den Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' (Art10 Abs 1 Z 11 B-VG), was insbesondere für die Vorschriften über den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gilt. Andere Regelungen insolvenzrechtlicher und zivilrechtlicher Natur (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) sind für den gegenständlichen Zusammenhang ohne Bedeutung.

2. Beim Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds handelt es sich jedenfalls um eine Einrichtung im Rahmen der Sozialversicherung.

3. Da der beim Hauptverband eingerichtete Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger (§447g ASVG; diese Bestimmung wurde mit Art 2 Z 89 des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, aufgehoben und trat gemäß Art 2 Z 101 leg.cit. [§617 Abs 2 ASVG] mit Ablauf des außer Kraft), an welchen gemäß § 12 Abs 6 IESG ein Betrag zu überweisen war, und die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, an welche gemäß § 12 Abs 7 IESG ein Betrag zu überweisen war, ebenfalls Einrichtungen im Rahmen der Sozialversicherung sind, liegt eine Transferzahlung im Rahmen der Sozialversicherung vor.

4. Was nun die durch § 12 Abs 6 IESG angeordnete Überweisung anlangt, ist auf das Erkenntnis VfSlg. 6039/1969 zu verweisen, von welchem abzugehen sich der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G279/02 ua., (vgl. Punkt III.B. 4.1.1.) nicht veranlasst sah. Im Erkenntnis VfSlg. 6039/1969 ging es um eine durch - Gesetz angeordnete Überweisung von der Unfallversicherung zur Pensionsversicherung. Der Verfassungsgerichtshof führte in diesem Zusammenhang aus, dass es nicht unsachlich sei, einen Überschuss nicht zu einer Beitragsreduktion zu verwenden, sondern eine Transferleistung anzuordnen. Auch der Umstand, dass die Unfallversicherung nur vom Dienstgeber zu leisten ist, die Pensionsversicherung jedoch eine zwischen Dienstnehmer- und Dienstgeber geteilte Beitragslast aufweist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht für unsachlich erachtet.

Dieses Erkenntnis scheint nach Ansicht der Bundesregierung auf die gegenständliche Überweisung (§12 Abs 6 IESG) übertragbar zu sein. Auch den Zuschlag nach IESG hat allein der Arbeitgeber zu leisten, während dies in der Pensionsversicherung anders ist. Auch in diesem Fall erscheint die Transferzahlung nicht unsachlich.

5. Was nun die durch § 12 Abs 7 IESG angeordnete Überweisung betrifft, ist zunächst festzuhalten, dass diese Bestimmung in der Regierungsvorlage (311 BlgNR XXI. GP) nicht enthalten war und durch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Mag. Trattner eingefügt wurde (vgl. AB 369 BlgNR XXI. GP).

Die Bundesregierung geht davon aus, dass auf Grund der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zwischen den 'Versicherten' des belasteten Trägers und des begünstigten Trägers unter anderem ein persönlicher Zusammenhang bestehen muss. Nun sind Arbeitgeber zur Leistung des IESG-Zuschlags verpflichtet und andererseits Selbständige bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichert. Die Bundesregierung übersieht nicht, dass der Kreis der durch die Überweisung Verpflichteten und der Kreis der dadurch Begünstigten nicht völlig deckungsgleich ist, es ist dies jedoch im Wesentlichen der Fall. Nach Ansicht der Bundesregierung ist diese wesentliche Deckungsgleichheit des Kreises der Begünstigten und des Kreises der Verpflichteten ausreichend, um die angeordnete Transferleistung sachlich zu rechtfertigen. Denn niemals besteht eine völlige Identität, wenn man etwa an die Familienangehörigen denkt oder den Umstand der zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber geteilten Beitragslast."

Für den Fall der Aufhebung beantragt die Bundesregierung unter Hinweis auf die Notwendigkeit, für den zulässigen Teil des Zuschlages eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die Bestimmung einer Frist von 18 Monaten für das Außerkrafttreten.

Die zu B727/04 beschwerdeführende Gesellschaft hat zur Äußerung der Bundesregierung Stellung genommen.

4. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hält die Verordnungen für gesetzmäßig und legt eine Zusammenstellung der wesentlichen Daten der Voranschläge und Gewinn- und Verlustrechnungen für die einzelnen Jahre vor, die (abgesehen von höheren Einnahmen für 1998) zufolge des negativen Kassenstandes Anfang 1998 zu Ergebnissen führt, die von den im Anlassverfahren vorgelegten Zahlen abweichen. Demnach sieht die Tabelle der tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen wie folgt aus (Beträge in Mio. €):

1 2 3 4 5 6 7 11

Jahr Kassa IAG 13a- 12/6- Aus- IAG- Re- Ein- (6-9) Kassa

Anfang 13c 8 gaben Zu- gress nah- Ende

(3+4+5) schlag men

(7+8)

1998 -254,6 211,7 43,1 --- 254,8 347,- 53,6 400,6 +145,8 -120,-

1999 -120,- 202,3 47,3 --- 249,6 359,3 26,9 386,2 +136,6 +14,7

2000 +14,7 213,2 46,5 145,3 405,- 382,2 20,- 402,2 -2,8 +12,7

2001 +12,7 197,5 54,6 268,9 521,- 397,- 30,5 427,5 -93,5 -84,3

2002 -84,3 224,9 58,4 --- 283,3 404,6 27,2 431,8 +148,5 +111,7

2003 +111,7 305,7 60,2 85,3 451,2 409,2 33,9 443,1 -8,1 +97,6

2004 +97,6 259,1 77,9 142,1 479,1 420,5 35,- 455,5 -23,6 +67,1

"Erklärung des Inhalts der einzelnen Spalten:

Alle Spalten: Die jeweils angeführten Beträge sind so zu

verstehen, dass es sich um zeitlich zugeordnete Werte unabhängig von ihrer tatsächlichen Zahlung handelt (Beispiel: Zahlung von IAG im Jänner 2000, betrifft aber IAG-Bescheide, die im Dezember 1999 erlassen wurden, daher deren Zuordnung zum Jahr 1999).

1 Nach § 13 Abs 2 IESG ist das Geschäftsjahr des IAG-Fonds jeweils das Kalenderjahr.

2, 11 Unter 'Kassa' ist der Kassenstand zu verstehen. Zu

bemerken ist ausdrücklich, dass der Zusatz '+' bzw. '-'vor dem jeweiligen Betrag bedeutet, dass es sich um einen positiven bzw. negativen Kassenstand handelt. 'Kassa Anfang' bedeutet den Kassenstand zu Beginn des jeweiligen Jahres, 'Kassa Ende' den am Ende desselben, der gleichzeitig dem Kassastand zu Beginn des Folgejahres entspricht.

4,5 Es handelt sich jeweils um §§des IESG, auf deren

Grundlage Zahlungen geleistet werden. Während es sich bei den §§in Sp. 4 um permanente[n] Zahlungen handelt, sind die in Sp. 5 nur Zahlungen temporärer Art.

6, 9, 10, 12 Die Zahlen in den Klammerausdrücken geben jeweils

in der zweiten horizontalen Zeile an, welche Spalten addiert - '+' - bzw. von einander subtrahiert - '-' - wurden.

10 Der Zusatz '+' bzw. '-' vor dem jeweiligen Betrag gibt

an, ob im betreffenden Jahr die Einnahmen (Sp. 9) die Ausgaben (Sp. 6) übersteigen oder dies umgekehrt der Fall ist.

12 Der Zusatz '+' bzw. '-' vor dem jeweiligen Betrag gibt

an, ob im betreffenden Jahr der Kassenstand zu Beginn des Jahres (Sp. 2) gegenüber dem Kassenstand zu Jahresende (Sp. 12) geringer wurde oder gestiegen ist."

Auch dazu nahm die zu B727/04 beschwerdeführende Gesellschaft Stellung.

II. Die Verfahren sind zulässig.

Es ist nicht zweifelhaft geworden, dass die jeweils in Betracht kommenden Verordnungen über die Höhe des Zuschlags in den - zulässigen - Anlassbeschwerdeverfahren anzuwenden sind. Bei Überprüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungen hat der Verfassungsgerichtshof offenkundig alle gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, nach denen sich die Höhe der Ausgaben des Fonds bestimmt. Denn nach § 12 Abs 2 IESG ist die Höhe des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag am Leistungsaufwand des Fonds auszurichten. Die Absätze 6 und 7 des § 12 sind also entgegen der Meinung der Bundesregierung nicht "nur irgendwie von Bedeutung", sondern für die Verordnung schlechthin maßgebend.

Auch sonst sind die Prozessvoraussetzungen gegeben.

III. Die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Abs 6 und 7 des § 12 IESG in der Fassung der Budgetbegleitgesetze 2000 und 2001 treffen auch zu. Die Anordnung, die dort genannten Summen dem Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger bzw. der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu überweisen, ist gleichheitswidrig.

1. Die Bundesregierung will die Überweisungen an den Ausgleichsfonds (Abs6) unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 6039/1969 als Transferleistung (zum internen Lastenausgleich zwischen den Sozialversicherungsträgern) rechtfertigen. In dieser Entscheidung ging es um die Verwendung eines Überschusses aus der (durch Arbeitgeberbeiträge finanzierten) Unfallversicherung für die Pensionsversicherung der Arbeiter (die nur zum Teil auf Arbeitgeberbeiträgen ruht). Ausschlaggebend für die Zulässigkeit des finanziellen Ausgleichs innerhalb der Sozialversicherungsträger war die Überlegung, dass das selbe Ergebnis auch durch eine "andere Aufteilung der Beiträge auf die Versicherten und den Dienstgeber" erzielt werden könnte; der Gesetzgeber könne eine Erhöhung des Dienstgeberbeitrages vermeiden und statt dessen die Überweisung aus den (vom Dienstgeber für die Versicherung der Dienstnehmer bereits bezahlten) Mitteln der Unfallversicherung an andere Versicherungen anordnen.

Hier geht es indessen um die Verwendung eines Überschusses des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds für den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger allgemein. Wie der Verfassungsgerichtshof in dem die Rechtsprechung seit VfSlg. 6039/1969 zusammenfassenden Erkenntnis G279/02 ua. vom dargelegt hat, ist es unzulässig, Beitragseinnahmen einer Versichertengemeinschaft an eine andere Versichertengemeinschaft zu übertragen, sofern zwischen diesen Versichertengemeinschaften kein persönlicher und sachlicher Zusammenhang besteht. Im Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger sind aber nicht nur Pensionsversicherungsanstalten von Arbeitnehmern zusammengefasst, für die der Arbeitgeber auch Zuschläge zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag zahlt, vielmehr sind - wie oben dargestellt - auch die Sozialversicherungsanstalten der Selbständigen mit einbezogen (und Empfänger von Zahlungen). Es fehlt also sowohl der persönliche als auch der sachliche Zusammenhang.

2. Was die Überweisung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft angeht (Abs7), lässt sich die Vermutung des Prüfungsbeschlusses, es sei damit der Versöhnungsfonds für Zwangsarbeiter dotiert worden, rechtlich nicht fassen, sondern ist dies allenfalls das wirtschaftliche Ergebnis verschiedener ineinander greifender Maßnahmen. Der Verfassungsgerichtshof braucht daher nicht zu prüfen, ob die Verwendung von Mitteln des Ausfallgeldfonds für diesen Zweck sachlich gerechtfertigt wäre. Er muss vielmehr davon ausgehen, dass die Überweisung nach § 12 Abs 7 IESG einen wie immer entstandenen Abgang der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft decken (helfen) soll. Es gibt aber keinen Grund, dass gerade und nur, aber auch alle Arbeitgeber nach Maßgabe der Zahl der von ihnen Beschäftigten zum Aufwand für alle versicherten gewerblich Selbständigen beitragen soll. Der Personenkreis der in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pensionsversicherten Selbständigen, der auch jene mit einschließt, die keine Arbeitnehmer beschäftigen, ist vom Kreis der zuschlagszahlenden Arbeitgeber, der wiederum in hohem Maße auch - nicht pensionsversicherte - juristische Personen umfasst, zu verschieden.

Beide in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen erweisen sich somit wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig.

IV. Legt man die vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit in den Verordnungsprüfungsverfahren vorgelegten Zahlen über die tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen ohne die verfassungswidrigen Überweisungen zugrunde, so ist klar, dass - nach Abdecken von Fehlbeträgen aus früheren Jahren durch den inzwischen eingetretenen Einnahmenüberhang - im Jahr 2000 bereits ein 20 % des durchschnittlichen Leistungserfordernisses deutlich übersteigender Überschuss zu erwarten war (und auch erzielt wurde). Offenbar deshalb wurde auch bereits in der Vorschau für 2000 (im Juni 1999) von einem niedrigeren Zuschlagssatz von 0,4 % ausgegangen (worauf die im Prüfungsbeschluss erwähnten Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Budgetbegleitgesetzes 2000 Bezug nehmen), der aber nicht verordnet wurde (was die von den Beschwerdeführern der Anlassverfahren aufgezeigte Diskrepanz zwischen Voranschlag und Ergebnis erklärt). Es hätte daher gemäß § 12 Abs 2 Z 2 IESG schon der im Dezember 1999 kundgemachte Zuschlagssatz niedriger ausfallen müssen. Ab diesem Zeitpunkt war daher die Beibehaltung des Zuschlagsatzes von 0,7 % gesetzwidrig. Bis dahin erweisen sich die Verordnungen aus 1997 und 1998 hingegen als gesetzmäßig.

V. Die in Prüfung gezogenen gesetzlichen Bestimmungen sind daher aufzuheben, die Verordnungen jedoch nur, soweit sie sich als gesetzwidrig erwiesen haben.

Die Aufhebung der Verordnungen ist notwendig überschießend, weil der Zuschlag nicht zur Gänze, sondern nur soweit gesetzwidrig ist, als die gebotene Absenkung unterlassen wurde. Es sind daher jedenfalls gesetzliche Vorkehrungen erforderlich. Um einen nahtlosen Übergang zur Neuregelung zu ermöglichen, ist gemäß Art 139 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten die Frist von einem Jahr zu bestimmen.

Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art 140 Abs 5 und Art 139 Abs 5 B-VG.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden (§19 Abs 4 Satz 1 VfGG).