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VfGH vom 29.09.2006, G37/06

VfGH vom 29.09.2006, G37/06

Sammlungsnummer

17936

Leitsatz

Kompetenzwidrigkeit einer Bestimmung des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes betreffend die Verpflichtung des Bauherren zur Berücksichtigung der allgemeinen Gefahrenverhütung bereits bei der Vorbereitung eines Bauprojektes; Arbeitnehmerschutz nur im Verhältnis zwischen Betriebsinhaber und Beschäftigten; keine Zuständigkeit des Bundes zur Normierung von Pflichten des Bauherren zum Schutz der Beschäftigten

Spruch

§ 4 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Koordination bei Bauarbeiten (Bauarbeitenkoordinationsgesetz - BauKG), BGBl. I 37/1999 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B556/05 die Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich anhängig, der ein Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz bestätigt, womit über den Beschwerdeführer wegen Verwaltungsübertretung nach § 10 Abs 1 Z 1 iVm § 4 Abs 1 Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) eine Geldstrafe von 1.000 €

(Ersatzfreiheitsstrafe von 46 Stunden) verhängt wurde. Der Beschuldigte sei in der Zeit von 1. Februar bis bei der Vorbereitung der "Herstellung der Dacharbeiten für eine Dachsanierung" beim Objekt G. in Linz als Bauherr der Verpflichtung nicht nachgekommen, dafür zu sorgen, dass die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz bei Entwurf, Ausführungsplanung und Vorbereitung des Bauprojekts berücksichtigt werden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Verfassungswidrigkeit des BauKG gerügt: Zur Erlassung dieses Gesetzes sei nicht der Bundesgesetzgeber (unter dem Titel des Arbeitsrechts, insbesondere des Arbeitnehmerschutzrechts), sondern der Landesgesetzgeber als Baurechtsgesetzgeber zuständig, weil es nicht um Pflichten des Arbeitgebers, sondern um solche des Bauherrn gehe.

Die belangte Behörde tritt dem Beschwerdevorwurf entgegen und führt insbesondere aus, das BauKG gelte für alle Baustellen, auf denen Arbeitnehmer beschäftigt werden, also auch für solche, die nicht einer Baubewilligung bedürfen.

II. Aus Anlass dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des bei seiner Beurteilung anscheinend anzuwendenden § 4 Abs 1 des BauKG entstanden. Er steht (hervorgehoben) in folgendem Zusammenhang:

"Geltungsbereich

§1. (1) Dieses Bundesgesetz soll Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auf Baustellen durch die Koordinierung bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauarbeiten gewährleisten.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt für alle Baustellen, auf denen Arbeitnehmer beschäftigt werden.

(3) ...

Begriffsbestimmungen

§2. (1) Bauherr im Sinne dieses Bundesgesetzes ist eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, in deren Auftrag ein Bauwerk ausgeführt wird.

(2) ...

(3) Baustellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen, an denen Hoch- und Tiefbauarbeiten durchgeführt werden. Dazu zählen insbesondere folgende Arbeiten: Aushub, Erdarbeiten, Bauarbeiten im engeren Sinn, Errichtung und Abbau von Fertigbauelementen, Einrichtung oder Ausstattung, Umbau, Renovierung, Reparatur, Abbauarbeiten, Abbrucharbeiten, Wartung, Instandhaltungs-, Maler- und Reinigungsarbeiten, Sanierung.

...

Bestellung von Koordinatoren für Sicherheit und Gesundheitsschutz

§3. (1) Werden auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig, so hat der Bauherr einen Planungskoordinator für die Vorbereitungsphase und einen Baustellenkoordinator für die Ausführungsphase zu bestellen. Dieselbe Person kann Planungs- und Baustellenkoordinator sein. Der Bauherr kann die Aufgaben des Planungs- und Baustellenkoordinators selbst wahrnehmen, wenn er die Voraussetzungen nach Abs 3 erfüllt.

(2) ... - (6) ...

Vorbereitung des Bauprojekts

§4. (1) Der Bauherr hat dafür zu sorgen, daß die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG bei Entwurf, Ausführungsplanung und Vorbereitung des Bauprojekts berücksichtigt werden, insbesondere bei der architektonischen, technischen und organisatorischen Planung, bei der Einteilung der Arbeiten, die gleichzeitig oder nacheinander durchgeführt werden, und bei der Abschätzung der voraussichtlichen Dauer für die Durchführung dieser Arbeiten.

(2) ...

...

Strafbestimmungen

§10. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 € bis 7 260 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 € bis 14 530 € zu bestrafen ist, begeht, wer

1. als Bauherr die Verpflichtungen nach § 3, § 4 Abs 1, § 6, § 7 oder § 8 dieses Bundesgesetzes verletzt,

...

(2) ..."

Der in § 4 des Gesetzes genannte § 7 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) lautet:

"Grundsätze der Gefahrenverhütung

§ 7. Arbeitgeber haben bei der Gestaltung der Arbeitsstätten, Arbeitsplätze und Arbeitsvorgänge, bei der Auswahl und Verwendung von Arbeitsmitteln und Arbeitsstoffen, beim Einsatz der Arbeitnehmer sowie bei allen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer folgende allgemeine Grundsätze der Gefahrenverhütung umzusetzen:


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1.
Vermeidung von Risiken;
2.
Abschätzung nicht vermeidbarer Risiken;
3.
Gefahrenbekämpfung an der Quelle;
4.
Berücksichtigung des Faktors 'Mensch' bei der Arbeit, insbesondere bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen sowie bei der Auswahl von Arbeitsmitteln und Arbeits- und Fertigungsverfahren, vor allem im Hinblick auf eine Erleichterung bei eintöniger Arbeit und bei maschinenbestimmtem Arbeitsrhythmus sowie auf eine Abschwächung ihrer gesundheitsschädigenden Auswirkungen;
5.
Berücksichtigung des Standes der Technik;
6.
Ausschaltung oder Verringerung von Gefahrenmomenten;
7.
Planung der Gefahrenverhütung mit dem Ziel einer kohärenten Verknüpfung von Technik, Arbeitsorganisation, Arbeitsbedingungen, sozialen Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz;
8.
Vorrang des kollektiven Gefahrenschutzes vor individuellem Gefahrenschutz;
9.
Erteilung geeigneter Anweisungen an die Arbeitnehmer."


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Ihm folgt im ASchG nachstehende Bestimmung:

"Koordination

§8. (1) Werden in einer Arbeitsstätte, auf einer Baustelle oder einer auswärtigen Arbeitsstelle Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber beschäftigt, so haben die betroffenen Arbeitgeber bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten. Sie haben insbesondere


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1.
ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet der Gefahrenverhütung zu koordinieren und
2.
einander sowie ihre Arbeitnehmer und die zuständigen Belegeschaftsorgane über die Gefahren zu informieren.

(2) Werden in einer Arbeitsstätte Arbeitnehmer beschäftigt, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu den für diese Arbeitsstätte verantwortlichen Arbeitgebern stehen, (betriebsfremde Arbeitnehmer), so sind die für diese Arbeitsstätte verantwortlichen Arbeitgeber verpflichtet,


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1.
erforderlichenfalls für die Information der betriebsfremden Arbeitnehmer über die in der Arbeitsstätte bestehenden Gefahren und für eine entsprechende Unterweisung zu sorgen,
2.
deren Arbeitgebern im erforderlichen Ausmaß Zugang zu den Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten zu gewähren,
3.
die für die betriebsfremden Arbeitnehmer wegen Gefahren in der Arbeitsstätte erforderlichen Schutzmaßnahmen im Einvernehmen mit deren Arbeitgebern festzulegen und
4.
für deren Durchführung zu sorgen, ausgenommen die Beaufsichtigung der betriebsfremden Personen.

(3) Werden auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber beschäftigt, so haben diese durch eine entsprechende Koordination der Arbeiten dafür zu sorgen, dass Gefahren für Sicherheit oder Gesundheit der auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer vermieden werden.

(4) Sind für eine solche Baustelle Personen mit Koordinationsaufgaben auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes beauftragt, so haben die Arbeitgeber bei der Umsetzung der Grundsätze der Gefahrenverhütung die Anordnungen und Hinweise dieser Personen zu berücksichtigen. Soweit dies zur Vermeidung von Gefahren für Sicherheit oder Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich ist, ist bei der Koordination, der Information und der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen auch auf jene auf einer Baustelle tätigen Personen Bedacht zu nehmen, die keine Arbeitnehmer sind.

(5) Durch Abs 2 bis 4 wird die Verantwortlichkeit der einzelnen Arbeitgeber für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften für ihre Arbeitnehmer nicht eingeschränkt und deren Verantwortung für betriebsfremde Arbeitnehmer nur insoweit ausgeweitet, als sich die ausdrücklich aus Abs 2 bis 4 ergibt.

(6) ..."

Im Prüfungsbeschluss hat der Gerichtshof Bedenken zweierlei Richtung entwickelt:

"1. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass § 4 Abs 1 BauKG dem Bauherrn jene Pflichten auferlegt, die schon dem Arbeitgeber oder mehreren an einer Baustelle tätigen Arbeitgebern zum Schutz ihrer Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmer anderer an der Baustelle tätiger Arbeitgeber obliegen. Der Zweck der Vorschrift ist daher der Schutz der Arbeitnehmer jener Arbeitgeber, die sie bei Ausführung eines Auftrages des Bauherrn verwenden. Sie dient dem Arbeitnehmerschutz, wird dem Bauherrn aber nicht auferlegt, weil er Arbeitnehmer beschäftigt - was nicht der Fall ist -, sondern Unternehmern einen Bauauftrag erteilt.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des BauKG, 1462 Blg

20. GP 7 stützen den Entwurf auf die Kompetenztatbestände nach Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG (Arbeitsrecht), Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG (Dienstrecht der Bundesbediensteten) und Art 21 Abs 2 B-VG (Arbeitnehmerschutz für Bedienstete der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die in Betrieben beschäftigt sind). Der Verfassungsgerichtshof geht jedoch vorläufig davon aus, dass unter den Kompetenztatbestand Arbeitsrecht und Dienstrecht (mit Einschluss des Arbeitnehmerschutzrechtes) nur Regelungen fallen, die letztendlich das Verhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer betreffen, und dass nicht alle Vorschriften, die auf den Begriff Arbeitnehmer abstellen, deshalb Gegenstand des Arbeitsrechts (Arbeitnehmerschutzrechts) sind. Es scheint daher für die Zuordnung zu den in Anspruch genommenen Kompetenztatbeständen der Zweck 'Arbeitnehmerschutz' nicht auszureichen. Maßgeblich scheint vielmehr zu sein, welche Tätigkeit die auferlegten Verpflichtungen auslösen soll. Das ist aber die Errichtung eines Bauwerks durch ein oder mehrere Unternehmen, wobei der Bauherr selbst keine Arbeitnehmer beschäftigt.

Für die Festlegung von Pflichten eines Bauherrn im öffentlichen Interesse und zum Schutz von Gefahren für Leib und Leben (auch von Arbeitnehmern, die bei Errichtung eines Bauwerks beschäftigt werden) scheint aber eine Kompetenz des Bundes im Allgemeinen nicht zu bestehen. Eine solche Maßnahme scheint vielmehr (als Baurecht) nach Art 15 B-VG in der Kompetenz der Länder verblieben zu sein (vgl. zB § 40 Oö BauO 1994, wonach sich der Bauwerber oder Bauherr zur Ausführung von bewilligungspflichtigen Bauvorhaben einer gesetzlich dazu befugten Person - eines Bauführers - zu bedienen hat, der unter anderem für die erforderlichen Abschrankungen und sonstigen Sicherheitsvorkehrungen sowie überhaupt für die Einhaltung aller Vorschriften zu sorgen hat, die sich auf die Bauausführung beziehen).

Der Hinweis der belangte Behörde, dass das BauKG auch auf Arbeiten an Baustellen anzuwenden ist, die nicht baubewilligungspflichtig sind, scheint an der kompetenzrechtlichen Einordnung nichts zu ändern, da es Aufgabe des Baurechts ist, die bewilligungspflichtigen Vorhaben festzulegen, und auch sonst keinen Anhaltspunkt für eine Bundeskompetenz erkennbar ist.

Es besteht daher das Bedenken, dass die Erlassung des § 4 Abs 1 BauKG nicht in die Zuständigkeit des Bundes fällt.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch Bedenken ob der Sachlichkeit des § 4 Abs 1 BauKG. Geht man nämlich von der Umschreibung des Begriffs 'Baustelle' im § 2 Abs 3 des Gesetzes aus und betrachtet die im zweiten Satz beispielsweise aufgezählten Arbeiten (die anscheinend - wie zumindest die belangte Behörde meint - gar nicht das Gewicht eines baubewilligungspflichtigen Vorhabens erreichen müssen), so dürfte nicht nur völlig unklar sein, welche Arbeiten die im § 4 Abs 1 genannten Pflichten des 'Auftraggebers' auslösen sollen, sondern insgesamt unsachlich (und dem Gleichheitssatz widersprechend), demjenigen Unkundigen solche Pflichten aufzuerlegen, der kundige Unternehmen mit der Ausführung eines Bauwerks betraut.

Denn anders als ein Arbeitgeber, der die in seinem Unternehmen be- oder entstehenden Gefahren kraft seiner Tätigkeit voraussehen und einschätzen kann, scheint eine Pflicht zur Gefahrenverhinderung demjenigen, der bloß solchen mit der Gefahrenverhinderung vertrauten Unternehmen einen 'Auftrag' gibt - womit offenbar der zumeist abgeschlossene Werkvertrag gemeint ist -, nicht ohne weiteres zumutbar zu sein. Er wird vielmehr regelmäßig davon ausgehen, dass die beigezogenen Unternehmen die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen (einschließlich der Notwendigkeit allfälliger Koordination) selbst besitzen. Von ihm kann jedenfalls keine besondere Sorgfalt erwartet werden.

Der Hinweis auf die Möglichkeit (und Notwendigkeit) der Bestellung eines Planungs- und Baustellenkoordinators kann diese Bedenken vorläufig nicht zerstreuen, weil die Notwendigkeit dieser Bestellung dem Werkbesteller ebenso wenig bewusst werden muss wie die ihm in § 4 Abs 1 BauKG auferlegte Aufgabe."

III. Die Bundesregierung tritt den Bedenken des Gerichtshofs wie folgt entgegen:

"I. Zu den kompetenzrechtlichen Bedenken

...

2.1. Das BauKG wurde auf Basis der Kompetenztatbestände 'Arbeitsrecht' (Art10 Abs 1 Z 11 B-VG) sowie 'Dienstrecht' (Art10 Abs 1 Z 16 B-VG) und 'Arbeitnehmerschutz' der Bediensteten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die in Betrieben beschäftigt sind (Art21 Abs 2 B-VG), erlassen.

Der Kompetenztatbestand 'Arbeitsrecht' ist nach den Erläuterungen zur RV der BVG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444, mit welcher die Kompetenztatbestände 'Arbeitsrecht' und 'Dienstrecht' neu gefasst wurden und die am in Kraft trat, umfassend zu verstehen. 'Es fallen darunter alle in herkömmlicher Weise rechtswissenschaftlich dem Arbeitsrecht zuzuzählende Normen' (182 Blg NR XIII. GP, 10). Weiters ist zu beachten, dass der Begriff 'Arbeitsrecht' und der Begriff 'Dienstrecht' kompetenzrechtlich deckungsgleich sind und sich nur durch den jeweils angesprochenen Personenkreis unterscheiden (a.a.0, 11), weshalb im Weiteren keine Differenzierung notwendig ist.

Grundsätzlich umfasst der Begriff 'Arbeitsrecht' rechtwissenschaftlich und somit auch kompetenzrechtlich auch das (technische) Arbeitnehmerschutzrecht (vgl. bereits Öhlinger, Das Arbeitsrecht in der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, 21 [22] in FS Strasser [1983]), sodass auch im Hinblick auf Art 21 Abs 2 B-VG keine Differenzierung erforderlich ist.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 1936/1950 festgestellt hat, fallen unter den Begriff 'Arbeitnehmerschutz' 'alle jene Maßnahmen, die zum Schutz der Arbeitnehmer gegen eine Ausbeutung oder vorzeitige Abnützung ihrer Arbeitskraft' getroffen werden.

Im Erkenntnis VfSlg. 7932/1975 hat der Verfassungsgerichtshof ferner ausgesprochen, dass der Kompetenztatbestand 'Arbeitsrecht' zur Erlassung von Regelungen ermächtigt, die auf den Arbeitsschutz aller Personen abzielen, die im Betrieb unselbständige Arbeit leisten, unabhängig davon, ob und in welchem Vertragsverhältnis sie zum Betriebsinhaber stehen.

2.2. Dieses Erkenntnis steht nach Ansicht der Bundesregierung bereits einer im Beschluss vom getroffenen vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes entgegen. Anders als etwa im Arbeitsvertragsrecht ist für das Arbeitnehmerschutzrecht eine Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung nicht erforderlich, um eine Person zum Adressaten von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu machen. Dies zeigt sich sowohl bei familieneigenen Arbeitskräften, als etwa auch bei überlassenen Arbeitnehmern, die jeweils kein vertragliches Band mit dem Normadressaten verbindet. Auch beim gegenständlichen § 4 Abs 1 BauKG steht also allein dieser Aspekt einer Zuordnung der Regelung zum Kompetenztatbestand 'Arbeitsrecht' nicht entgegen.

Ausgelöst wird die Verpflichtung nach § 4 Abs 1 BauKG durch die Vorbereitung eines Bauprojekts, bei dem gleichzeitig oder nacheinander Arbeitnehmer verschiedener Arbeitgeber tätig sein werden. Es ist dabei ja auch zu berücksichtigen, welche Verpflichtung ausgelöst wird, nämlich bloß bei der Planung und Vorbereitung den Arbeitnehmerschutz zu berücksichtigen.

2.3. Aber auch die zweite Annahme des Verfassungsgerichtshofes, nicht alle Vorschriften, die an den Begriff 'Arbeitnehmer' anknüpfen, könnten bereits auf Basis des Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG erlassen werden, ist aus Sicht der Bundesregierung im gegebenen Zusammenhang nicht treffend. Das BauKG knüpft nämlich nicht bloß an den Begriff 'Arbeitnehmer' an und trifft dann Regelungen für Schutz von Leib und Leben allgemeiner Art, sondern besteht in inhaltlicher Sicht ausschließlich aus Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern im Baubereich und entfaltet in Bezug auf einen allgemeinen Schutz von Leib und Leben allenfalls 'Reflexwirkungen'.

Ausgehend von der Tatsache, dass der Bausektor für Arbeitnehmer ein besonders hohes Unfallrisiko mit sich bringt und dies vor allem dadurch erhöht wird, dass Arbeitnehmer verschiedener Arbeitgeber gleichzeitig oder aufeinander folgend tätig sind, sieht das BauKG Maßnahmen und Verfahrensweisen vor, diesen für die auf Baustellen tätigen Arbeitnehmern spezifischen Gefahren zu begegnen, wie etwa durch die Einsetzung von Koordinatoren, die Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes bei größeren Baustellen, wo besondere Gefahren für die Arbeitnehmer anfallen oder etwa die Ausarbeitung von Vorankündigungen für größere Baustellen, die den Aufsichtsbehörden zu übermitteln sind (vgl. RV 1462 Blg NR XX. GP, 7).

Da das BauKG der Umsetzung der Richtlinie 92/57/EWG ('Baustellen-Richtlinie') dient, ergibt sich auch aus deren mit dem Gesetz übereinstimmenden Inhalt und deren Rechtsgrundlage, nämlich Art 118a EG-Vertrag (heute: Art 137 Abs 1 lita EG-Vertrag), dass es sich inhaltlich um Arbeitnehmerschutzvorschriften handelt, die nicht bloß 'auch' Arbeitnehmer schützen, sondern ausschließlich. Dadurch unterscheidet sich aber das BauKG von dem nach Art 15 Abs 1 B-VG in die Kompetenz der Länder fallenden 'Bauwesen', das auf die Beseitigung allgemeiner Gefahren bei der Errichtung und Benützung von Gebäuden abstellt, also den Schutz der Allgemeinheit zum Gegenstand hat und nicht jenen der Arbeitnehmer (vgl. bereits VfSlg. 5024/1965).

2.4. Weiters sprechen noch folgende Überlegungen für die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des § 4 Abs 1 BauKG. Die Bestimmung verpflichtet den Bauherrn in der Planungs- und Vorbereitungsphase eines Bauprojekts, die Grundsätze der Gefahrenverhütung nach § 7 ASchG zu berücksichtigen. Ferner sieht § 3 Abs 1 BauKG in Bezug auf das Tätigwerden von Arbeitnehmern verschiedener Arbeitgeber die Einsetzung von Planungs- und Baustellenkoordinatoren für die Vorbereitungs- bzw. Ausführungsphase vor.

Aus diesen Normen lassen sich zwei Gesichtspunkte erkennen. Einerseits der Gedanke der Gefahrenverhütung, die möglichst früh die Berücksichtigung des Arbeitnehmerschutzes erfordert, andererseits eine Methode für das Zusammenwirken mehrer Arbeitgeber, die auf einer Baustelle tätig sind.

Diese Gedanken waren aber im Versteinerungszeitpunkt des Kompetenztatbestandes 'Arbeitsrecht' () in der österreichischen Rechtsordnung grundgelegt. So war die Prävention bereits ein Grundgedanke des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972 (vgl. § 2). Die Verpflichtung nach § 4 BauKG setzt nun die Berücksichtigung des Arbeitnehmerschutzes noch ein Stadium früher an, nämlich bereits ab dem Entwurf. Dies erscheint der Bundesregierung durchaus eine Fortentwicklung schon bestanden habender Grundsätze des Arbeitnehmerschutzrechts zu sein.

Ähnliches gilt für die hier aber nicht maßgebliche Einsetzung von Koordinatoren, die sich nur als neue Verfahrensweise der Abstimmung und Koordination der einzelnen Arbeitgeber selbst darstellt (vgl. § 18 Abs 2 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972).

Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung daher der Ansicht, dass § 4 Abs 1 BauKG auf Basis des Kompetenztatbestandes 'Arbeitsrecht' (Art10 Abs 1 Z 11 B-VG) erlassen werden konnte.

II. Zu den Bedenken in Bezug auf die Sachlichkeit des § 4 Abs 1 BauKG

...

1. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes sei zunächst völlig unklar, welche Arbeiten die in § 4 Abs 1 BauKG genannten Pflichten des Bauherrn auslösen.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Bestimmung keine Einschränkungen auf bestimmte Pflichten auslösende Arbeiten trifft. Die Bestimmung ist somit im gesamten Geltungsbereich des BauKG anzuwenden, also auf allen Baustellen, auf denen Arbeitnehmer beschäftigt werden (§1 Abs 2) und Hoch- oder Tiefbauarbeiten durchgeführt werden (§2 Abs 3). Wer ein solches Bauvorhaben in Auftrag gibt, ist Bauherr (§2 Abs 1) und somit ohne weitere Einschränkung Adressat der in § 4 Abs 1 normierten Pflichten. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang auch eine allfällige Bewilligungspflicht nach den Bauordnungen der Länder.

Die im zweiten Satz des § 2 Abs 3 enthaltene Aufzählung bestimmter Arbeiten ist demonstrativ und entstammt wörtlich der Richtlinie 92/57/EWG (Anhang I). Die vom Verfassungsgerichtshof angenommene 'völlige Unklarheit' ist daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht gegeben. Sofern in Einzelfällen Abgrenzungsfragen auftreten sollten, sind diese gegebenenfalls mittels Interpretation lösbar. So hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die in. der Aufzählung genannten 'Reinigungsarbeiten' aufgrund teleologischer und systematischer Auslegung nur dann unter den Begriff 'Baustelle' fallen, wenn sie in Zusammenhang mit der Durchführung von Hoch- und Tiefbauarbeiten stehen (Erkenntnis vom , 98/02/0234, zu dem § 2 Abs 3 BauKG wörtlich gleich lautenden § 2 Abs 3 ASchG). Dies gilt wohl in gleicher Weise hinsichtlich der ebenso in der Aufzählung genannten Maler- oder Instandhaltungsarbeiten.

Es darf bemerkt werden, dass 1998 gegen den dem zitierten Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis zu Grunde gelegenen Bescheid auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof anhängig war. Dieser hatte damals allerdings keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 2 Abs 3 ASchG (wörtlich gleich lautend wie § 2 Abs 3 BauKG) und hat die Beschwerde mit Beschluss vom , B1617/97-4, abgelehnt.

2. Weiters hält es der Verfassungsgerichtshof für unsachlich, einem Unkundigen, der sich eines kundigen Unternehmens bedient, Pflichten aufzuerlegen.

Dem ist Folgendes entgegen zu halten:

Was die Unkunde des Bauherrn betrifft, wird diese - wenn der Bauherr kein Baufachmann ist - vermutlich nicht auf das BauKG beschränkt sein, sondern wohl in gleicher Weise hinsichtlich anderer den Bauherrn in Zusammenhang mit dem Bauvorhaben treffenden rechtlichen, aber auch technischen oder organisatorischen Verpflichtungen und Notwendigkeiten bzw. oftmals hinsichtlich der Planung und Durchführung des Bauvorhabens schlechthin bestehen. Der unkundige Bauherr wird daher mit der Planung und Abwicklung seines Bauvorhabens einen Baufachkundigen seines Vertrauens (z.B. Bauträger, Ziviltechniker, Baumeister, Architekt) beauftragen, bzw. ist dazu aufgrund der Bauordnungen der Länder gesetzlich verpflichtet (vgl. § 25 Abs 1 NÖ BauO, LGBl. Nr. 1996/129, wonach der Bauherr mit der Planung und Berechnung des Bauvorhabens Fachleute zu betrauen hat, die hiezu gewerberechtlich oder als Ziviltechniker befugt sind). Dieser vom Bauherrn mit der Planung, Ausführung oder Überwachung beauftragte Fachkundige gilt im Sinne des BauKG als Projektleiter (§2 Abs 2) und ist aufgrund seiner beruflichen Stellung sowohl des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes kundig und im Rahmen der Grundsätze seines Berufsausübungsrechts auch verpflichtet, seinen Auftraggeber auf die diesen treffenden Rechtspflichten, darunter auch auf die des § 4 Abs 1 BauKG, hinzuweisen, als auch fachlich befugt, diese Verpflichtungen, wenn sie ihm übertragen werden, wahrzunehmen. Daher räumt § 9 Abs 1 BauKG dem Bauherrn die Möglichkeit ein, seine ihm aus dem BauKG erwachsende Verantwortung - auch jene des § 4 Abs 1 BauKG - an den Projektleiter zu delegieren.

3. Der Verfassungsgerichtshof hält es auch für unzumutbar, demjenigen eine Pflicht zur Gefahrenverhinderung aufzutragen, der bloß einen Auftrag gibt.

Dem ist Folgendes entgegen zu halten:

Die den beauftragten Unternehmen - in ihrer Funktion als Arbeitgeber der auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer - nach den Arbeitnehmerschutzvorschriften obliegenden Pflichten zur Gefahrenverhinderung sind von diesen während der Beschäftigung von Arbeitnehmern, also während der Ausführung des Bauvorhabens zu erfüllen. Hingegen beziehen sich Art und Inhalt der Pflicht, die § 4 Abs 1 BauKG dem Bauherrn auferlegt, allein auf Projektschritte, die vor Baubeginn zu treffen sind, gebietet § 4 Abs 1 BauKG doch die Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung bereits bei


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1.
Entwurf
2.
Ausführungsplanung und
3.
Vorbereitung des Bauprojekts,

also in einem Stadium, in dem die ausführenden Unternehmen weder die Pflicht noch die Möglichkeit haben, ihre Kenntnisse und Erfahrungen bei der Gefahrenverhütung einzubringen und einzig der Auftraggeber des Bauvorhabens als Normadressat einer derartigen Verpflichtung in Frage kommt.

Die Verpflichtung des Bauherrn nach § 4 Abs 1 BauKG besteht (und erschöpft sich) darin, dafür zu sorgen, dass bereits zum frühest möglichen Zeitpunkt - zu dem eben nur er, und nicht etwa ein erst später zum Einsatz kommendes bauausführendes Unternehmen, Einfluss auf die Projektgestaltung nehmen kann - Entwurf, Planung und Vorbereitung des Vorhabens unter Berücksichtigung der Grundsätze der Gefahrenverhütung erfolgen. Wenn die Grundsätze der Gefahrenverhütung in diesem Stadium - und damit auch bei der Auftragsvergabe an die ausführenden Unternehmen - unberücksichtigt bleiben, können sie im Hinblick auf den Bauzeitplan und auf die präliminierten Baukosten auch von den ausführenden Unternehmen später kaum noch umgesetzt werden, da alle im Vorfeld entstandenen Fehler erst auf der Baustelle zusammenlaufen. Leidtragende sind letztlich die einzelnen Arbeitnehmer auf der Baustelle.

Dabei ist zu bedenken, dass die wirtschaftlichen Interessen des Bauherrn naturgemäß auf eine möglichst knappe Bemessung von Bauzeit und Baukosten gerichtet sind, sodass ohne die Verpflichtung des § 4 Abs 1 BauKG die Gefahrenverhütungsgrundsätze bei Entwurf, Planung und Vorbereitung des Bauvorhabens unberücksichtigt bleiben könnten.

Da zudem gemäß § 4 Abs 1 BauKG die Berücksichtigung der Grundsätze der Gefahrenverhütung ja keineswegs durch den Bauherrn persönlich erfolgen muss (da dieser lediglich für deren Berücksichtigung zu sorgen hat), sondern durch denjenigen, der den Entwurf, die Ausführungsplanung und die Projektvorbereitung durchführt, wird sich die den Bauherrn treffende Pflicht nach § 4 Abs 1 BauKG in der Regel auf eine entsprechende Vertragsgestaltung mit demjenigen, den er mit der Durchführung von Entwurf, Ausführungsplanung und Projektvorbereitung beauftragt, beschränken, was jedenfalls zumutbar erscheint.

Im Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift, nämlich den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen einerseits und das Unfallgeschehen im Bauwesen andererseits, erscheint eine solche Verpflichtung auch durchaus sachlich gerechtfertigt:

Die Baubranche ist der Wirtschaftszweig mit dem mit Abstand höchsten Unfallrisiko. In Österreich ereignen sich jährlich rund 100.000 Arbeitsunfälle, davon entfällt nahezu ein Viertel allein auf die Baubranche. Jeder Arbeitsunfall zieht aber nicht nur menschliches Leid, sondern auch betriebswirtschaftliche und vor allem auch enorme volkswirtschaftliche Folgekosten nach sich. Die Ausgaben der gesetzlichen Unfallversicherung in Österreich betragen jährlich etwa 1,3 Milliarden Euro [Quelle: Die österreichische Sozialversicherung in Zahlen, Hauptverband, März 2006].

Demgegenüber steht, dass zwei von drei Unfällen im Bauwesen durch schlechte Arbeitsorganisation 'vorprogrammiert' (und damit vermeidbar) sind: Laut einer im Vorfeld der EU-Richtlinie 92/57/EWG durchgeführten Erhebung der EU-Kommission sind 60 % der tödlichen Unfälle auf Baustellen auf Entscheidungen zurückzuführen, die vor Beginn der Arbeiten gefällt wurden. Sie sind entweder auf Fehler bei der Bauplanung oder auf mangelnde Organisation und Koordinierung der beteiligten Unternehmen zurückzuführen [Quelle: Publikation 'Sicherheit und Gesundheit im Bauwesen'; Hrsg.: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 1993].

Präventive Gefahrenverhütung, die in einem möglichst frühen Stadium, nämlich bereits bei der Projektierung, ansetzt, liegt daher im gesamtgesellschaftlichen Interesse und stellt eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für den Gesetzgeber dar, eine Berücksichtigung der Grundsätze der Gefahrenverhütung bereits beim Entwurf, bei der Ausführungsplanung und bei der Vorbereitung eines Bauprojekts vorzusehen und dazu den Bauherrn als einzigen, der in dieser Projektphase alle diesbezüglichen Entscheidungen trifft, zu verpflichten.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass seit Inkrafttreten des BauKG in Österreich () erfreulicherweise eine positive Entwicklung des Unfallgeschehens im Bauwesen festzustellen ist: Die Arbeitsunfälle im Bauwesen sind von 23.652 (2000) auf 21.793 (2005) zurückgegangen, die tödlichen von 48 (2000) auf 39 (2005).

4. Was die Feststellung des Verfassungsgerichtshofes betrifft, die [Verpflichtung zur] Bestellung eines Planungs- bzw. Baustellenkoordinators müsse dem Werkbesteller ebenso wenig bewusst sein, wie die Verpflichtung nach § 4 Abs 1 BauKG, hält die Bundesregierung fest, dass es sich dabei um in der Rechtsordnung verankerte Pflichten handelt, denen sich Einzelne bei gleich welcher Norm nicht dadurch entziehen können, dass sie behaupten, die Norm sei ihnen nicht bekannt.

Der Rechtsordnung liegt grundsätzlich das Prinzip zugrunde, dass die Rechtsunterworfenen die sie betreffenden Verpflichtungen auch kennen. So normiert § 2 ABGB, dass sich nach gehöriger Kundmachung eines Gesetzes niemand damit entschuldigen kann, dass ihm dasselbe nicht bekannt geworden ist (vgl. auch Bydlinski in Rummel, ABGB,§ 2 ABGB). Die Rechtsunkenntnis ist nur dann nicht vorwerfbar, wenn sie unzumutbar war (vgl. aa0, Rz 3). Dieser Grundsatz wird auch vom Verwaltungsgerichtshof seiner Judikatur zugrundegelegt (Erk. vom , 2001/08/0127).

Im Bereich des Verwaltungsstrafrechts wird der Aspekt der Rechtsunkenntnis in § 5 Abs 2 VStG geregelt. In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird in ständiger Rechtsprechung vom Betroffenen 'die nach seinen Verhältnissen erforderliche Sorgfalt' über die Kenntnis eines Gesetzes verlangt (VwSlg. 7528 A/1969; siehe Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Aufl., 2000, 90f). Im Zweifel sei es Sache der Partei, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde nachzufragen (vgl. etwa VwSlg. 14020 A/1994). In der Unterlassung von diesbezüglichen Erkundigungen liege zumindest ein fahrlässiges Verhalten (siehe die in Walter-Thienel, aa0, 91 wiedergegebene Judikatur).

Die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes wird daher von der Bundesregierung nicht geteilt. Behauptete Rechtsunkenntnis kann sich allenfalls auf ein Verwaltungsstrafverfahren auswirken, kann aber jedenfalls nach Auffassung der Bundesregierung nicht die Verfassungswidrigkeit einer Norm nach sich ziehen; zudem ist die Kenntnis und Einhaltung der gegenständlichen Norm vor dem Hintergrund der Ausführungen oben auch zumutbar. Abgesehen davon, wird sich - wie bereits oben ausgeführt wurde - der Laie eines Fachmanns bedienen. Einem ergebenden Verpflichtungen übertragen werden.

5. Letztlich ist noch anzumerken, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung ihre sachliche Rechtfertigung in dem Umstand findet, dass sie der Umsetzung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift dient.

Durch § 4 Abs 1 BauKG wird Art 4 der Richtlinie 92/57/EWG umgesetzt. Dieser lautet:

'Vorbereitung des Bauprojekts: Allgemeine Grundsätze

Art 4 Bei Entwurf, Ausführungsplanung und Vorbereitung des Bauprojekts sind die in der Richtlinie 89/391/EWG aufgeführten allgemeinen Grundsätze zur Verhütung von Gefahren für Sicherheit und Gesundheit vom Bauleiter und gegebenenfalls vom Bauherrn zu berücksichtigen, insbesondere


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-
bei der architektonischen, technischen und/oder organisatorischen Planung, um die verschiedenen Arbeiten oder Arbeitsabschnitte einzuteilen, die gleichzeitig oder nacheinander durchgeführt werden;


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-
bei der Abschätzung der voraussichtlichen Dauer für die Durchführung dieser verschiedenen Arbeiten oder Arbeitsabschnitte.

Jedesmal wenn es sich als notwendig erweist, werden ebenfalls jeder Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan und jede Unterlage berücksichtigt, die gemäß Artikel 5 Buchstaben b) und c) ausgearbeitet bzw. zusammengestellt oder gemäß Artikel 6 Buchstabe c) angepasst werden.'

Dem 'Bauleiter' iSd Richtlinie entspricht der 'Projektleiter' iSd § 2 Abs 2 BauKG. Die Richtlinie definiert den 'Bauleiter' als Person, die im Auftrag des Bauherrn von diesem beauftragt ist (Art2 litc). Es geht daher auch die Richtlinie davon aus, dass den Bauleiter nur dann Pflichten treffen (können), wenn er vom Bauherrn beauftragt ist, während primär und originär der Bauherr verantwortlich ist, was auch für Art 4 gelten muss. Dem wird wiederum durch § 9 Abs 1 BauKG Rechnung getragen, wonach die Verpflichtungen des Bauherrn (ua. jene nach § 4 Abs 1 BauKG) im Fall der Beauftragung des Projektleiters mit dessen Zustimmung (aber eben nur in diesem Fall), diesen treffen.

Eine Formulierung des § 4 Abs 1 BauKG analog Art 4 der Richtlinie ('Der Projektleiter oder gegebenenfalls der Bauherr hat dafür zu sorgen ...') wäre zwar grundsätzlich denkbar, aber rechtstechnisch unsystematisch (da primär eben der Bauherr und nicht der Projektleiter verpflichtet ist) und würde inhaltlich auch nichts daran ändern, dass der Projektleiter, auch wenn er zuerst genannt würde, nur dann verpflichtet werden kann, wenn er vom Bauherrn beauftragt wird.

§ 4 Abs 1 BauKG ist somit auch gemeinschaftsrechtlich geboten."

IV. Das Verfahren ist zulässig. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs sind jedenfalls in kompetenzrechtlicher Hinsicht begründet.

1. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlassbeschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung für die Entscheidung darüber zweifeln ließe. Auch sonst sind die Prozessvoraussetzungen gegeben.

2. Die Bundesregierung hält den kompetenzrechtlichen Bedenken des Verfassungsgerichtshofs zunächst entgegen, dass (jedenfalls) seit der B-VG-Novelle 1974 der Kompetenzbegriff Arbeitsrecht (und Dienstrecht) an den rechtswissenschaftlichen Begriff "Arbeitsrecht" anknüpfe und dieser das (technische) Arbeiternehmerschutzrecht in seiner Gesamtheit umfasse. Damit vermag sie aber nicht darzutun, dass unter diesen Kompetenzbegriff auch Vorschriften fallen, die dem Auftraggeber eines Unternehmers Pflichten zum Schutze der Beschäftigten dieses Unternehmers auferlegen. Das dafür herangezogene Erkenntnis VfSlg. 1936/1950, bei dem es um die Zuständigkeit zur Schaffung von Personalvertretungen im öffentliche Dienst ging (was unter dem Gesichtspunkt des "Arbeiter- und Angestelltenschutzes" verneint wurde), hat an der zitierten Stelle den (schon begrifflich dem Arbeitgeber gegenüber bestehenden), in der Entscheidung so genannten "persönlichen Arbeitsschutz" im Auge und setzt - was den hier in Betracht kommenden Gesichtspunkt anlangt - mit folgenden Worten fort: "... und gegen Gefährdung ihres Lebens, ihrer Gesundheit und ihrer Sittlichkeit in den Betrieben (technischer Arbeitsschutz)". Wie auch im zweiten genannten, Familienangehörige des Betriebsinhabers betreffenden (und sie in den Arbeitnehmerschutz einbeziehenden) Erkenntnis VfSlg. 7932/1976 ist hier also von Personen die Rede, die im Betrieb unselbständige Arbeit leisten (unabhängig davon, ob und in welchem Vertragsverhältnis sie zum Betriebsinhaber stehen). In seinem Prüfungsbeschluss hat der Verfassungsgerichtshof das Wort "Arbeitnehmer" gleichfalls in diesem weiteren, Beschäftigungsverhältnisse aller Art umfassenden Sinn pars pro toto verwendet, ihn aber wie in den Vorerkenntnissen so verstanden, dass es sich um Angelegenheiten im Verhältnis des Betriebsinhabers (Arbeitgebers) zu den in seinem Betrieb (allenfalls in seiner Hauswirtschaft) Beschäftigten handeln muss. Nur in diesem Verhältnis nämlich spielt die unselbständige Beschäftigung als der Regelungsgrund des Arbeitsrechts ihre Rolle. Auch die von der Bundesregierung erwähnten "überlassenen" Arbeitnehmer sind in dem Betrieb des Beschäftigers eingeordnet. Dass sich auf Baustellen Betriebe verschiedener Arbeitgeber "vermischen", macht den Bauherrn nicht zu einem Betriebsinhaber.

Die den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs entgegengehaltene These der Bundesregierung, Regelungen ausschließlich (und nicht nur etwa "auch") zum Schutze von Arbeitnehmern unterfielen dem Kompetenztatbestand Arbeitsrecht ohne Rücksicht darauf, wem eine Pflicht zu diesem Zweck auferlegt wird, kann der Verfassungsgerichtshof daher nicht beipflichten. Zur Hintanhaltung von Umgehungshandlungen mag es zulässig sein, im Zuge dieser Kompetenz auch Dritten Pflichten aufzuerlegen; von einem solchen Anliegen kann hier aber keine Rede sein.

Dass das BauKG ein wichtiges Anliegen verfolgt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht in Zweifel gezogen, ist aber für die Frage, wer zur Regelung dieser Angelegenheit zuständig ist, ohne erkennbare Bedeutung. Es ist offenkundig, dass von - insbesondere größeren - Bauvorhaben Gefahren nicht nur für die an den Baustellen Beschäftigten, sondern potentiell für jedermann ausgehen; der Schutz vor diesen Gefahren wird aber nicht allein deshalb zu Arbeitsrecht, dass der Gesetzgeber dem Bauherrn besondere Pflichten im Interesse der von seinen Vertragspartnern Beschäftigten auferlegt. Die Notwendigkeit der Koordinierung unterschiedlicher Arbeiten auf ein und derselben Baustelle ist - wie § 8 ASchG deutlich macht - eine Aufgabe der mit dem Arbeitnehmerschutz betrauten Unternehmer (Betriebsinhaber, Arbeitgeber), die mit den für sie jeweils einschlägigen Problemen des Arbeitnehmerschutzes vertraut sind. Sie knüpft an die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch sie als Arbeitgeber (Betriebsinhaber, Unternehmer) an.

Die Koordinierung der an diese Unternehmer erteilten Aufträge (Werkverträge) ist freilich eine wichtige Voraussetzung unter anderem auch für die Beachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften durch diese Unternehmer. Sie wird dadurch nicht schon selbst eine Maßnahme des Arbeitnehmerschutzes im Sinne des Kompetenztatbestandes Arbeitsrecht. Sie wird es auch nicht deshalb, weil sie ein frühes Stadium der Prävention erfasst. Die von der Bundesregierung ins Treffen geführte, im Versteinerungszeitpunkt des Kompetenztatbestandes Arbeitsrecht schon grundgelegte Prävention war (und ist) eine Pflicht des Arbeitgebers.

Der Bund ist zur Erlassung von Vorschriften, die dem Bauherrn Pflichten (wenn auch zwecks besserer Wahrnehmung des Arbeitnehmerschutzes durch die Arbeitgeber) auferlegen, nicht zuständig.

Bei diesem Ergebnis ist auf die Bedenken ob der Sachlichkeit der Regelung nicht mehr einzugehen.

Die gemäß Art 140 Abs 5 B-VG gesetzte Frist soll einen nahtlosen Übergang zu den allenfalls erforderlichen Neuregelungen ermöglichen. Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art 140 Abs 5 B-VG. Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).