VfGH vom 16.06.1997, g364/96
Sammlungsnummer
14861
Leitsatz
Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung einer Regelung des BSVG betreffend den Ausschluß des Gegenbeweises für die gesetzliche Vermutung der forstwirtschaftlichen Nutzung von Waldgrundstücken bezüglich länger als einen Monat von der Meldung des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes zurückliegender Zeiten; gravierender Eingriff in die Rechtsposition der von der materiellen Rückwirkung Betroffenen; keine sachliche Rechtfertigung für eine rückwirkende Gesetzesänderung; Aufhebung der die Rückwirkung bewirkenden Übergangsbestimmung einer Novelle zum BSVG zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage ausreichend
Spruch
ArtIII Abs 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
§ 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1471/95 ein Beschwerdeverfahren gegen einen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales anhängig, mit dem festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer vom bis in der Unfallversicherung der Bauern pflichtversichert war.
Dieser Bescheid stützte sich im wesentlichen auf § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 sowie auf ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991.
2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen entstanden.
Der Gerichtshof hat daher mit Beschluß vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen eingeleitet.
3.1. § 2 Abs 1 Z 1 BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 - der in Prüfung gezogene letzte Satz ist hervorgehoben - lautet wie folgt:
"Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und in der
Pensionsversicherung
§2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:
1. Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird. Dabei wird vermutet, daß Grundstücke, die als forstwirtschaftliches Vermögen nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148, bewertet sind oder Teil einer als solches bewerteten wirtschaftlichen Einheit sind, in der einem forstwirtschaftlichen Betrieb entsprechenden Weise auf Rechnung und Gefahr der dazu im eigenen Namen Berechtigten bewirtschaftet werden. Der Gegenbeweis ist für Zeiten, die länger als einen Monat von der Meldung (§16) des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes zurückliegen, unzulässig;"
Gemäß § 243 Abs 1 BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 ist diese Bestimmung am in Kraft getreten.
Die ebenfalls in Prüfung gezogene Übergangsbestimmung des ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 - sie ist mit Ablauf des in Kraft getreten - lautet:
"Die Vermutung des § 2 Abs 1 Z 1 zweiter Satz des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes in der Fassung des ArtI Z 2 gilt nicht, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt bereits vor dem gemeldet wurde."
3.2. Dem Gerichtshof schien in seinem Prüfungsbeschluß folgende Rechtslage als beachtlich:
"Für die Anwendbarkeit der Vermutungsregelung, die durch die in Prüfung gezogenen Regelungen festgelegt wird, ist der Zeitpunkt der Meldung der allfälligen Versicherungspflicht maßgeblich. Da die - auch für die Unfallversicherungspflicht geltende - Vermutungsregelung wohl am in Kraft getreten ist, aber auch die Zeiträume vor diesem Zeitpunkt betreffen dürfte, scheint aus der Sicht des Beschwerdefalles für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen der Rechtslage ab dem Bedeutung zuzukommen.
... Gemäß § 8 Abs 1 Z 3 litb ASVG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 189/1955, waren alle selbständig Erwerbstätigen in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (und diesen gleichgestellten Betrieben nach § 27 Abs 2 leg.cit.) sowie bestimmte Familienangehörige des selbständig Erwerbstätigen, sofern sie in dessen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder gleichgestellten Betrieben tätig waren, in der Unfallversicherung teilversichert. Hinsichtlich der Melde- und Auskunftspflichten waren die §§33 ff ASVG maßgeblich, nähere Regelungen hinsichtlich der in die Unfallversicherung zu entrichtenden Beiträge enthielt § 72 leg.cit.
... Durch die 29. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, wurde § 72 ASVG mit Wirkung vom novelliert. Nach § 72 Abs 3 ASVG idF BGBl. Nr. 31/1973 schuldete den nach Abs 2 (des § 72) zu ermittelnden Betriebsbeitrag der Betriebsführer. Weiters wurde eine Regelung eingefügt, wonach anzunehmen war, daß der Eigentümer des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes diesen Betrieb auf seine Rechnung und Gefahr führte. Diese Vermutung galt bis zum Ersten des Kalendermonates, in dem der Eigentümer den Nachweis der Betriebsführung durch eine andere Person erbrachte.
Für die Meldungen und Auskunftspflichten und die Beiträge nach Abs 2 galten näher bezeichnete Bestimmungen mit der Maßgabe, daß das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge binnen fünf Jahren vom Tage ihrer Fälligkeit verjährt, wenn der Pflichtversicherte die Erstattung einer Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über die Grundlage für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen.
... § 8 Abs 1 Z 3 litb ASVG und § 72 leg.cit. sind gemäß ArtI Z 4 litc bzw. ArtI Z 26 des BG BGBl. Nr. 684/1978 mit außer Kraft getreten. Sie wurden durch die Bestimmungen des am selben Tag in Kraft getretenen BSVG, BGBl. Nr. 559/1978, ersetzt.
Gemäß § 2 Abs 1 BSVG, BGBl. Nr. 559/1978, waren natürliche Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitergesetzes führten oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wurde, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Gemäß § 3 Abs 1 Z 1 leg.cit. waren die in § 2 Abs 1 Z 1 bezeichneten Personen (auch) in der Unfallversicherung pflichtversichert. Nach § 30 Abs 2 BSVG schuldete den Betriebsbeitrag der Betriebsführer. Hiebei war anzunehmen, daß der Eigentümer des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes - der land(forst)wirtschaftlichen Fläche - diesen Betrieb (diese Fläche) auf seine Rechnung und Gefahr führte (bewirtschaftete). Diese Vermutung galt bis zu dem Ersten des Kalendermonates, in dem der Eigentümer den Nachweis erbrachte, daß der ihm gehörige Betrieb (die ihm gehörige Fläche) durch eine andere Person (andere Personen) bewirtschaftet wurde.
... Voraussetzung der Anwendung der in § 72 Abs 3 ASVG idF BGBl. Nr. 31/1973 und § 30 Abs 2 BSVG enthaltenen Vermutungsregelungen war - wie schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen erhellt - das Bestehen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes oder einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche. Ob ein Betrieb bestand oder nicht, scheint nicht Gegenstand der Vermutungsregelung, sondern eine vom zuständigen Sozialversicherungsträger zu klärende Frage gewesen zu sein, wobei der potentiell Versicherungspflichtige nach § 358 ASVG Auskünfte zur Feststellung des Sachverhaltes zu erteilen hatte.
Eine wie immer ausgestaltete Verpflichtung der Eigentümer land(forst)wirtschaftlicher Flächen, das Nichtbestehen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes zu melden, bestand somit anscheinend nicht."
3.3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Frage, ob ein solcher Betrieb vorlag (und die Vermutungsregelung somit anwendbar war) nach dem Erkenntnis vom , Z 81/08/0175,
"zunächst zu klären, welche Zwecke der Waldbesitzer mit seinem Wald anstrebt und auch tatsächlich verfolgt. Wie sich nämlich aus § 1 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, ergibt, sind Wirkungen des Waldbesitzes nicht nur die forstwirtschaftliche Nutzwirkung, sondern auch die Schutz-, die Wohlfahrts- und die Erholungswirkung; zulässige Zwecke können also nicht nur die forstwirtschaftliche Nutzung, sondern auch die Verfolgung anderer Zielsetzungen wie etwa die selbst gewählte Beschränkung auf die Erholungswirkung oder die gesetzlich vorgesehene Beschränkung auf die Schutzwirkung des Waldes sein.
... Wie der Zusammenhang, in dem vom § 8 Abs 1 Z. 3 litb ASVG bzw. vom § 3 BSVG auf den Betriebsbegriff des Landarbeitsgesetzes verwiesen wird, zeigt, muß es sich hiebei um eine grundsätzlich dem selbständigen Erwerb dienende, nachhaltig betriebene Betätigung, eine organisierte Erwerbsgelegenheit, handeln; dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 1 Z. 3 litb ASVG ...
bzw. aus dem im § 1 BSVG allgemein umschriebenen persönlichen
Anwendungsbereich des Gesetzes ... . Dabei wird es im besonderen
Maße auch auf das äußere Erscheinungsbild der mit Hilfe von
technischen oder immateriellen Mitteln erfolgenden nachhaltigen
Tätigkeiten zum Zwecke der Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse
der land(forst)wirtschaftlichen Produktion ankommen ... . Ob
hiebei in jedem Falle die Absicht oder auch nur die Möglichkeit, Gewinne (d. h. Überschüsse der Erträge über die Aufwendungen) zu erzielen, gegeben sein muß, ist eine Abgrenzungsfrage, die im vorliegenden Fall nicht zur Diskussion gestellt ist (vgl. hiezu z. B. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 5654/A und vom , Zl. 598/68).
Entscheidend ist im Beschwerdefall vielmehr, ob der Beschwerdeführer tatsächlich bereits Handlungen gesetzt hat, die sich als eine forstwirtschaftliche Nutzung seines Waldes darstellen oder zumindest eine Prognoseentscheidung rechtfertigen, daß er aus Erträgen seines Waldes künftig wirtschaftlichen Nutzen ziehen werde. Es kommt also auf die vollzogene tatsächliche Nutzung oder zumindest auf die im Hinblick auf künftige Erträge tatsächlich gesetzten Bewirtschaftungshandlungen an ... . Der Umstand, daß der Waldbesitzer zur Einhaltung der alp- und forstpolizeilichen Bestimmungen an sich verpflichtet ist, läßt hingegen keinen zwingenden Schluß darauf zu, daß tatsächlich eine alp- und waldwirtschaftliche Tätigkeit auf der betreffenden Liegenschaft erfolgt ..."
3.4. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (286 BlgNR 18. GP) wird über die in Prüfung gezogenen Regelungen im wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Das Beseitigen von Holz, das durch Windwurf, Schneebruch oder auf ähnliche Weise angefallen ist, und Maßnahmen, mit denen nur den forstrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen wird, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Bewirtschaftungshandlungen, die den Schluß auf eine forstwirtschaftliche Nutzung zulassen. Während des Wuchses geht die Bewirtschaftung des Waldes zur Erzielung der forstwirtschaftlichen Nutzwirkung aber selbst oft lange Zeit nicht über derartige Maßnahmen hinaus, sodaß sie oft kaum nachweisbar ist.
Nachdem Wald nach § 12 litb Forstgesetz 1975 aber so zu behandeln ist, daß unter anderem auch die forstwirtschaftliche Nutzwirkung des Waldes nachhaltig gesichert bleibt und der ständige Wachstums- bzw. Alterungsprozeß des Waldes einen Stillstand ausschließt, ist der Waldbesitzer in der Regel zu einer Bewirtschaftung verpflichtet, die zwangsläufig zu einer forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit führt. Der Verzicht auf eine forstwirtschaftliche Nutzung und die Beschränkung auf die anderen Wirkungen des Waldes stellen daher Ausnahmefälle dar.
Da Wälder somit in der Regel zum selbständigen Erwerb nachhaltig forstwirtschaftlich - also in der einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes entsprechenden Weise - genutzt werden, dies aber oft lange Zeit kaum nachweisbar ist, würde die vorgeschlagene gesetzliche Vermutung den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragen.
Diese Vermutung entscheidet aus folgenden Gründen auch die Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr die Bewirtschaftung erfolgt: Ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, ua.) auf Rechnung und Gefahr desjenigen geführt, der 'auf Grund der nach außen in Erscheinung tretenden Rechtsbeziehungen aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird'. Wenn während des Wuchses des Waldes längere Zeit keine Bewirtschaftungshandlungen gesetzt werden und daher keine 'nach außen in Erscheinung tretenden Rechtsbeziehungen' entstehen, kann insbesondere bei einer Veränderung der Besitzverhältnisse der Fall eintreten, daß diese Frage nicht entschieden werden kann. Die Formulierung 'des dazu im eigenen Namen Berechtigten' schließt an diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an, nach der die Betriebsführung in erster Linie dem Eigentümer zuzurechnen ist und eine Änderung dieser Zurechnung durch dingliche oder obligatorische Rechtsakte bewirkt werden kann.
Da die Frage nach dem Bestehen einer Pflichtversicherung wegen dem Erfordernis der Rechtssicherheit nicht für länger zurückliegende Zeiten offenbleiben und die gegenständliche Vermutung auch der Verwaltungsvereinfachung dienen soll, wäre die Möglichkeit eines Gegenbeweises für die Vergangenheit grundsätzlich auszuschließen. Es ist dem Betreffenden jedoch die im § 16 BSVG vorgesehene Frist von einem Monat einzuräumen, um den der Vermutung widersprechenden Sachverhalt zu melden.
Die Vermutung soll - ebenfalls zur Gewährleistung der erforderlichen Rechtssicherheit und weil den Betreffenden bei rechtzeitiger Meldung nicht zugemutet werden kann, nachträglich einen Gegenbeweis erbringen zu müssen - für Zeiten vor dem nur dann gelten, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt nicht bereits vor diesem Zeitpunkt gemeldet wurde und daher die Frage nach dem Bestehen einer Pflichtversicherung ohnehin noch offensteht.
Wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt bereits vor dem begonnen hat und bis dahin auch gemeldet wurde, soll die Vermutung aus folgenden Gründen auch für die Zeit des Weiterbestehens dieses Sachverhaltes nach dem nicht gelten: Andernfalls müßte auch in allen Fällen, in denen die Nichtbewirtschaftung bisher als erwiesen angesehen wurde, nun von den Betreffenden dafür dennoch ein Nachweis erbracht werden, und sie wären im Fall, daß ihnen der Nachweis nicht gelingt, von nun an pflichtversichert. Nachdem der Nachweis der Nichtbewirtschaftung aber oft schwierig sein wird, wäre die Einführung der Vermutung auch für bereits bestehende und akzeptierte Verhältnisse somit nicht zumutbar. Das gilt insbesondere für Pensionisten, die dann, wenn ihnen der Nachweis nicht gelingt, den üblicherweise vor dem Ruhestand für diese Zeit festgelegten Besitzstand verändern müßten, um ihren Pensionsanspruch aufrechtzuerhalten."
4. Der Verfassungsgerichtshof ging bei Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet wurden und daß auch er sie bei der Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde anzuwenden hätte.
Seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen formulierte der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß wie folgt:
"... Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 jedenfalls dann anzuwenden ist, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt erst nach dem gemeldet wurde. Dies scheint sich e contrario aus ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 zu ergeben, wonach die Vermutung nicht gilt, wenn der ihr widersprechende Sachverhalt vor dem gemeldet wurde. Dabei dürfte der vom Gesetzgeber im § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 angeordnete Ausschluß des Gegenbeweises auch für Zeiten gelten, die vor dem liegen. § 2 Abs 1 Z 1 leg.cit. scheint also mit rückwirkender Kraft ausgestattet zu sein. Diese Rechtsauffassung liegt auch dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales zugrunde.
Während vor der Änderung des BSVG durch das BG BGBl. Nr. 678/1991 die Vermutungsregelungen des § 72 Abs 3 ASVG, rsp. des § 30 Abs 2 BSVG für die Klärung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wurde, maßgebend zu sein schienen, dürfte die aufgrund der zitierten Novelle geltende neue Vermutungsregelung für die Frage bedeutsam sein, ob überhaupt ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wird.
Diese Regelung dürfte auch für die Fälle gelten, in denen eine Meldung über das Nichtbestehen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes - also eine Brachmeldung - nicht erfolgte, obwohl (jedenfalls) vor dem eine solche 'negative' Meldepflicht (Brachmeldepflicht) nicht bestanden haben dürfte und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Bestehen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes nur bei tatsächlicher Nutzung oder tatsächlich gesetzten Bewirtschaftungshandlungen angenommen werden durfte.
Die in Prüfung gezogene Regelung scheint zu bewirken, daß dann, wenn eine Meldung gemäß § 16 BSVG nach dem erfolgt ist, den Betroffenen - abgesehen von der Zeit, die nicht länger als einen Monat vor der Meldung zurückliegt - für die vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeiten jede Möglichkeit genommen ist, einen Beweis dafür zu erbringen, daß ihr Grundstück nicht land(forst)wirtschaftlich genutzt wurde.
Vor der Erlassung der in Prüfung gezogenen Regelungen hätte ein von ihr Betroffener von sich aus aber keinen Grund gehabt, einen Nachweis dafür zu erbringen, daß sein Grundstück nicht land(forst)wirtschaftlich genutzt wurde, weil er dazu weder durch eine diesbezügliche Vermutung noch durch eine sonstige Regelung veranlaßt gewesen sein dürfte.
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind rückwirkende Gesetzesänderungen, die die Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (vgl. zB VfSlg. 12186/1989, 12322/1990, 12325/1990, 12479/1990, 12673/1991, 13197/1992, 13461/1993 und 13980/1994). Maßgebend für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit ist dabei die Gravität des Eingriffs sowie das Gewicht der für diesen sprechenden Gründe.
Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig für die durch § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 anscheinend angeordnete Rückwirkung keinen die Regelung rechtfertigenden sachlichen Grund zu erkennen; er vermeint, daß jedenfalls die in den Materialien genannten Gründe hiefür nicht geeignet sind, eine präsumptio juris et de jure zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers festzulegen. Er geht vielmehr vorläufig davon aus, daß diese Regelung nur geschaffen worden sein dürfte, um die vom Verwaltungsgerichtshof judizierte Gesetzesauslegung rückwirkend auszuschalten. Die in Prüfung gezogene Regelung dürfte daher im Widerspruch zum Gleichheitssatz der Bundesverfassung stehen.
... Im Gesetzesprüfungsverfahren wird jedoch zu klären sein, ob sich die Regelung des § 2 Abs 1 Z 1 leg.cit. überhaupt auf Zeiträume vor dem beziehen kann, da diese Norm erst mit diesem Datum in Kraft getreten ist und eine Rückwirkung nicht ausdrücklich angeordnet wurde.
Ebenso wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu klären sein, ob § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 im Zusammenhalt mit § 16 leg.cit. nicht in verfassungskonformer Weise so interpretiert werden kann, daß dann, wenn die Meldung aufgrund der neuen Rechtslage nicht innerhalb eines Monats vorgenommen wird, die Rechtsfolgen den Betroffenen nur für den betreffenden Monat, nicht aber rückwirkend belasten können.
In diese Richtung könnten auch die Gesetzesmaterialien gedeutet werden: Im ersten Absatz der Seite 12 der Regierungsvorlage ist nämlich davon die Rede, daß die Vermutung für Zeiten vor dem nur unter bestimmten Voraussetzungen gelten soll, 'weil den Betreffenden bei rechtzeitiger Meldung nicht zugemutet werden kann, nachträglich einen Gegenbeweis erbringen zu müssen'. Aus dieser Textpassage könnte gefolgert werden, daß es jedenfalls die Absicht des Gesetzgebers war, die Möglichkeit eines Gegenbeweises für Zeiten vor dem nicht schlechthin auszuschließen (es scheint jedoch, daß diese Absicht in dem beschlossenen Gesetzestext nicht zum Ausdruck kommt).
Die Grundlage der - anscheinend auch dann bestehenden - Rückwirkung wäre diesfalls ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991, der auch eine materielle Rückwirkung der Vermutung, wenn schon nicht des Gegenbeweisausschlusses anordnen dürfte. Aus der Sicht dieser vorläufigen Auslegung hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 mit dem aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebot unvereinbar ist: Durch diese Regelung wird von bestimmten Personen, die vor dem keine Meldung erstatten mußten und, da ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 (erst) mit Ablauf des in Kraft getreten ist, lediglich vier Tage Zeit hatten, um die Anwendbarkeit der Vermutungsregelung des § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BG BGBl. Nr. 678/1991 auf sich abzuwenden, ein Beweis dafür verlangt, daß ein bestimmtes Verhalten - hier: die Bewirtschaftung des Waldes - vor vielen Jahren nicht gesetzt wurde. Damit wird aber rückwirkend eine einseitige Beweislastzuweisung vorgenommen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht zu erkennen ist, zumal der geforderte Beweis in der Praxis kaum zu erbringen sein wird.
Ein solches Ergebnis könnte, wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt, wenn überhaupt, nur dann verfassungskonform sein, wenn man davon ausgeht, daß diese Regelung nicht für Fälle anwendbar ist, in denen vor dem eine Meldung des Nichtbestehens einer Versicherungspflicht nach dem BSVG nicht erfolgen mußte. Eben dieses Verständnis scheint jedoch durch die rückwirkende Vermutungsregelung ausgeschlossen zu sein, sodaß bei einer solchen Deutung ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 mit Verfassungswidrigkeit belastet wäre.
Im Gesetzesprüfungsverfahren wird jedoch auch zu klären sein, ob ArtIII Abs 1 leg.cit. nicht in verfassungskonformer Weise so verstanden werden kann, daß diese Regelung lediglich eine begünstigende Bestimmung für jene Fälle darstellt, in denen vor dem ein der Vermutung widersprechender Sachverhalt gemeldet wurde, sodaß in diesen Fällen eine neuerliche Meldung nicht erforderlich ist."
6. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern als beteiligte Partei hat eine Stellungnahme abgegeben. Hierin führt sie aus, daß § 2 Abs 1 Z 1 BSVG dahingehend zu interpretieren sei, daß "die Vermutung nur ab zum Tragen kommt, Sachverhalte die vorher liegen jedenfalls aber einem normalen Beweisverfahren zu unterziehen sind, da die Übergangsbestimmung des ArtIII Abs 1 des Bundesgesetzblattes Nr. 678/91 verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, daß diese Regelung lediglich eine begünstigende Bestimmung für jene Fälle darstellt, in denen vor dem ein der Vermutung widersprechender Sachverhalt gemeldet wurde, sodaß in diesen Fällen eine neuerliche Meldung ab dem nicht erforderlich ist."
7. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen im wesentlichen wie folgt verteidigt:
"Im Hinblick auf die vom Verfassungsgerichtshof geäußerte Ansicht, § 2 Abs 1 Z 1 BSVG enthalte eine materielle Rückwirkung, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß eine derartige Auslegung bereits aufgrund des Wortlautes der Bestimmung, die eine Rückwirkung nicht anordnet, nicht geboten erscheint. Soferne nichts anderes bestimmt ist, ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Rechtsvorschrift der Beginn sowohl des zeitlichen Bedingungs- als auch des zeitlichen Rechtsfolgenbereiches. Dies folgt auch aus Art 49 B-VG, der undifferenziert den Beginn des zeitlichen Bedingungs- und Rechtsfolgenbereiches festlegt. Es trifft zwar zu, daß § 243 Abs 1 BSVG 'ausdrücklich anderes bestimmt', als aus Art 49 B-VG folgen würde, diese Bestimmung trifft aber - ebenso wie die erwähnte Verfassungsvorschrift - keine Differenzierung zwischen dem Beginn des zeitlichen Bedingungsbereiches einerseits und dem zeitlichen Rechtsfolgenbereich andererseits, so daß beide Bereiche gleichermaßen erfaßt sind (vgl. Richtlinie 38 der Legistischen Richtlinien 1990). Dies bedeutet für den zeitlichen Bedingungsbereich, daß nur Sachverhalte, die sich ab dem in § 243 Abs 1 BSVG bezeichneten Tag ereignen, nach der mit dieser Bestimmung in Kraft gesetzten Vorschrift zu beurteilen sind (vgl. auch Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 493).
Nach der legistischen Übung im Sozialversicherungsrecht werden im übrigen Rückwirkungen ausdrücklich angeordnet (vgl. etwa § 247 Abs 1 Z 1 bis 4 und § 248 Abs 1 Z 1 und 2 BSVG, wobei es sich hier um keine erschöpfende Aufzählung handelt). Ebenso werden Fälle, in denen der Beginn des zeitlichen Bedingungsbereiches vor dem Beginn des zeitlichen Rechtsfolgenbereiches liegt, mit einer spezifischen Novellierungstechnik erfaßt (vgl. dazu - wieder nur beispielhaft - § 244 Abs 3 und § 247 Abs 2 BSVG sowie § 547 Abs 4, 10 und 13, § 548 Abs 3 und § 551 Abs 3 ASVG). Diese systematischen Übertragungen können bei der Beurteilung der Frage, ob § 2 Abs 1 Z 1 rückwirkend gelten soll, nicht unberücksichtigt bleiben.
... Wie bereits dargestellt, trat § 2 Abs 1 Z 1 BSVG mit in Kraft, was bedeutet, daß diese Bestimmung auch erst mit diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen zu entfalten beginnt und zwar nur im Hinblick auf nach diesem Zeitpunkt verwirklichte Sachverhalte, da nichts anderes angeordnet und der Wortlaut eindeutig ist. Das heißt, daß nur für Zeiten nach dem die dargestellte Vermutungsregel gilt. Melden daher die davon betroffenen Personen nicht binnen eines Monats den der Vermutung widersprechenden Sachverhalt, so treffen sie nur für diese(n) Monat(e) die Rechtsfolgen der Pflichtversicherung. Abgesehen davon, daß sich dies - wie die Bundesregierung meint - aus dem Wortlaut und der Systematik des § 2 Abs 1 Z 1 und der Inkrafttretensregel des BSVG ergibt, sprechen auch die vom Verfassungsgerichtshof zitierten Teile der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (268 BlgNR, 18. GP, 12) für diese Auslegung.
...
... Gemäß ArtIII Abs 1 der 16. Novelle zum BSVG gilt die Vermutungsregel des § 2 Abs 1 Z 1 zweiter Satz des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes, in der Fassung des ArtI Z 2 der 16. Novelle zum BSVG nicht, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt bereits vor dem gemeldet wurde.
...
Nach ihrem Wortlaut enthält diese Bestimmung keine Anordnung einer Rückwirkung. Vielmehr wird bloß angeordnet, daß die Vermutungsregel auf jene Fälle keine Anwendung findet, in welchen der widersprechende Sachverhalt vor dem gemeldet wurde. Eine explizite Anordnung, wonach diese Bestimmung auf Fälle anwendbar sein soll, in denen eine Meldung vor dem nicht erfolgt ist, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen.
... Es ist aber einzuräumen, daß die Bestimmung derart verstanden werden könnte, daß sie in Verbindung mit § 2 Abs 1 Z 1 BSVG auch auf Zeiten, die vor dem liegen, anwendbar ist. Dieses Ergebnis könnte sich aufgrund eines Umkehrschlusses aus ArtIII Abs 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991 (die Vermutungsregelung des § 2 Abs 1 Z 1 BSVG gilt, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt vor dem nicht gemeldet wurde) ergeben.
Dies bedeutet, daß die genannte Bestimmung eine Auslegung in zumindest zwei Richtungen zuläßt. Würde man ArtIII Abs 1 leg.cit. allerdings unterstellen, daß sie auch auf Zeiten vor dem in der Weise anwendbar ist, wie im obigen Klammerausdruck erwähnt, würde sich aus dieser Auslegung ein Widerspruch zum Gleichheitssatz ergeben, da nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 13197/1992) rückwirkende Gesetzesänderungen nur unter bestimmten Umständen (die hier nicht vorzuliegen scheinen) zulässig sind, wobei die Schwere des Eingriffs, sowie die für diesen sprechenden Gründe maßgeblich sind.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 11466/1987 und VfSlg. 12566/1990) ist aber im Zweifel jene Auslegung vorzuziehen, die ein Gesetz verfassungskonform erscheinen läßt. Eine solche Auslegung muß aber auch im Wortsinn der zu prüfenden Bestimmung Deckung finden. Ist das Gesetz einer Auslegung zugänglich, die verfassungswidrige Ergebnisse vermeidet, so ist den Bedenken gegen seine Verfassungswidrigkeit der Boden entzogen. Eine derartige Auslegung ist aber hinsichtlich der in Rede stehenden Bestimmung möglich.
... Bereits oben wurde dargestellt, daß der Gesetzgeber die in Prüfung gezogenen Bestimmungen auch aus Gründen der 'erforderlichen Rechtssicherheit' so ausgestaltet hat, daß die Vermutung nur dann gelten soll, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt nicht bereits vor dem gemeldet wurde.
Vor dem Hintergrund dieser Absicht kann ArtIII Abs 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991 nur als eine Begünstigung für jene Fälle verstanden werden, in denen vor dem eine negative Meldung vorgenommen wurde, sodaß in diesen Fällen eine neuerliche Meldung nicht erfolgen muß. Die Übergangsbestimmung des ArtIII Abs 1 leg.cit. kommt somit erst ab dem zum Tragen, wobei Sachverhalte, die vor dem genannten Datum liegen, einem normalen Beweisverfahren zu unterziehen sind. Als Begünstigungsregel wäre die genannte Bestimmung jedenfalls erforderlich, da andernfalls bereits bestehende oder akzeptierte Rechtsverhältnisse neuerlich geprüft werden müßten. Solche 'Begünstigungsregeln' sind im Sozialversicherungsrecht durchaus üblich (vgl. etwa - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - § 247 Abs 6 BSVG und § 551 Abs 8
ASVG)."
Die Bundesregierung stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß die beiden in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.
8. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
8.1. Der Annahme des Einleitungsbeschlusses, daß die in Prüfung gezogenen Regelungen in dem angefochtenen Bescheid des Anlaßverfahrens angewendet wurden und daß sie auch der Gerichtshof bei der Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde anzuwenden hätte, ist keine Partei des Gesetzesprüfungsverfahrens entgegengetreten. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen die Präjudizialität, wie sie der Verfassungsgerichtshof in seinem Einleitungsbeschluß angenommen hat, sprechen würde. Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
8.2. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluß von der Prämisse aus, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen eine materielle Rückwirkung bewirken. Ausgehend von dieser Prämisse hegte der Gerichtshof das Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Regelungen - mangels sachlicher Rechtfertigung der Rückwirkung - gleichheitswidrig seien.
Die Bundesregierung unterläßt es in ihrer Stellungnahme, die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen unter dieser Annahme zu verteidigen. Vielmehr räumt die Bundesregierung ausdrücklich ein, daß rückwirkende Gesetzesänderungen unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nur unter bestimmten Umständen zulässig sind, wobei solche Umstände "hier nicht vorzuliegen scheinen".
8.3. Die Bundesregierung ist allerdings der Auffassung, daß die beiden in Prüfung gezogenen Bestimmungen einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich sind, die ihnen keine materielle Rückwirkung beimißt.
8.3.1. Der Verfassungsgerichtshof deutete bereits in seinem Einleitungsbeschluß an, daß § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 im Hinblick darauf, daß diese Norm erst mit in Kraft getreten ist und eine Rückwirkung nicht ausdrücklich angeordnet wurde, möglicherweise
- verfassungskonform - dahingehend ausgelegt werden kann, daß sich diese Bestimmung nicht auf Zeiträume vor dem beziehen kann.
Unter Hinweis darauf, daß § 2 Abs 1 Z 1 BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 erst mit in Kraft getreten sei und nichts anderes angeordnet wurde, vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß die in dieser Bestimmung enthaltene Vermutungsregelung nur für Zeiten nach dem Inkrafttreten der Regelung, also nach dem , gilt.
8.3.2. Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluß jedoch davon ausgegangen, daß § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 auch und gerade im Zusammenhalt mit der Übergangsbestimmung des ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 rückwirkende Kraft beigemessen werden müsse.
Die Bundesregierung räumt ausdrücklich ein, daß ein solches Verständnis möglich ist. Sie vertritt jedoch die Ansicht, daß ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 nach seinem Wortlaut keine Anordnung der Rückwirkung enthalte; vielmehr werde bloß angeordnet, daß die Vermutungsregel auf jene Fälle keine Anwendung findet, in welchen der widersprechende Sachverhalt vor dem gemeldet wurde.
Der Verfassungsgerichtshof vermag diesen Ausführungen im Ergebnis nicht zu folgen:
Gemäß ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 gilt die Vermutung des § 2 Abs 1 Z 1 zweiter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 nicht, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt bereits vor dem gemeldet wurde.
Aus dieser Formulierung ist im Wege eines Umkehrschlusses zu folgern, daß die in Rede stehende Vermutungsregelung des § 2 Abs 1 Z 1 BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 dann gilt, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt vor dem nicht gemeldet wurde. Erscheint schon im Hinblick auf diesen Umstand die Möglichkeit einer verfassungskonformen Interpretation zweifelhaft, so wird sie angesichts der Absicht des historischen Gesetzgebers vollends unmöglich. Aus den Gesetzesmaterialien geht nämlich eindeutig hervor, daß die Vermutungsregelung auch für Zeiten vor dem maßgeblich sein sollte. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (286 Blg NR 18. GP), wo auf Seite 12 ausdrücklich ausgeführt wird:
"Die Vermutung soll ... für Zeiten vor dem ... dann gelten, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt nicht bereits vor diesem Zeitpunkt gemeldet wurde ..."
Der Verfassungsgerichtshof vermag daher der Bundesregierung nur insoweit zu folgen, als § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 für sich alleine keine rückwirkende Kraft entfalten könnte. Die materielle Rückwirkung dieser Bestimmung ergibt sich aber aus dem Zusammenhalt mit der Übergangsbestimmung des ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene verfassungskonforme Auslegung ist angesichts der klaren und unmißverständlichen Absicht des historischen Gesetzgebers, die Vermutungsregelung auch für Zeiten vor dem in Kraft zu setzen, und dem Wortlaut des ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991, aus dem im Wege eines Umkehrschlusses die Maßgeblichkeit der Vermutung auch für Zeiten vor dem eindeutig hervorgeht, nicht möglich.
8.3.3. Ausgehend von der Maßgeblichkeit der Vermutungsregelung auch für vor dem liegende Zeiten erweisen sich die vom Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken als begründet:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind rückwirkende Gesetzesänderungen, die die Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, im Lichte des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebotes nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (vgl. zB VfSlg. 12186/1989, 12322/1990, 12479/1990, 12673/1991, 12688/1991, 12944/1991, 13020/1992, 13197/1992, 13461/1993, 13980/1994, 14149/1995 und ). Der Gerichtshof bleibt bei seiner auch im Einleitungsbeschluß vertretenen Ansicht, daß für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Gesetzesänderungen die Gravität des Eingriffs sowie das Gewicht der für diesen sprechenden Gründe maßgeblich sind.
Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß die materielle Rückwirkung der in Prüfung gezogenen Regelungen einen Eingriff in die Rechtsposition der betroffenen Rechtsunterworfenen von beträchtlichem Gewicht darstellt.
Der Gerichtshof bleibt weiters bei seiner bereits im Einleitungsbeschluß vertretenen Auffassung, daß die in Prüfung gezogenen Regelungen auch für jene Fälle gelten, in denen eine Meldung über das Nichtbestehen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes nicht erfolgte, obwohl vor dem eine solche "negative" Meldepflicht (Brachmeldepflicht) nicht bestanden hat und nach der vorstehend wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Bestehen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes nur bei tatsächlicher Nutzung oder tatsächlich gesetzten Bewirtschaftungshandlungen angenommen werden durfte. Die in Prüfung gezogenen Regelungen bewirken damit tatsächlich, daß in den Fällen, in denen eine Meldung gemäß § 16 BSVG nach dem erfolgt, den Betroffenen abgesehen von der Zeit, die nicht länger als einen Monat vor der Meldung zurückliegt, für die vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeiten entweder rückwirkend die Beweislast zugewiesen wird oder ihnen die Möglichkeit eines Beweises dafür, daß ihr Grundstück nicht land(forst)wirtschaftlich genutzt wurde, schlechthin genommen wird. Es erübrigt sich, darauf einzugehen, welche der beiden Auslegungen zutrifft, da sich die in Prüfung gezogene Rechtslage - als rückwirkend belastend - in beiden Fällen als verfassungswidrig erweist: Von dieser Regelung sind nämlich auch Personen betroffen, die vor dem keinen Grund gehabt haben, einen Nachweis dafür zu erbringen, daß ihre Grundstücke nicht land(forst)wirtschaftlich genutzt wurden. Deren Rechtsposition wird somit, da das Bestehen einer Pflichtversicherung aufgrund der in Prüfung gezogenen Regelungen auch rückwirkend für Zeiten vor dem festgestellt werden kann, mit Wirkung für die Vergangenheit entscheidend verschlechtert. Sachliche Gründe, die die durch die beiden in Prüfung gezogenen Bestimmungen geschaffene Rechtslage im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu rückwirkenden Gesetzesänderungen (vgl. hiezu die vorstehend zitierte Judikatur) rechtfertigen könnten, sind im Gesetzesprüfungsverfahren weder vorgebracht worden noch sind solche dem Verfassungsgerichtshof erkennbar. Insbesondere kann die rückwirkende Verschlechterung der Rechtsposition der von den in Prüfung gezogenen Regelungen Betroffenen weder mit "dem Erfordernis der Rechtssicherheit" noch mit dem Streben nach "Verwaltungsvereinfachung" gerechtfertigt werden, wie dies auf S 12 der Erläuterungen zur vorstehend zitierten Regierungsvorlage angedeutet wird. Selbst die Bundesregierung räumt ein, daß sachliche Gründe für die angeordnete Rückwirkung nicht vorzuliegen scheinen.
Zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage ist es jedoch ausreichend, die in Prüfung gezogene Übergangsbestimmung des ArtIII Abs 1 BG BGBl. Nr. 678/1991 als verfassungswidrig aufzuheben. Wie vorstehend dargetan, ergibt sich die rückwirkende Kraft des § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung mit der Übergangsbestimmung des ArtIII Abs 1. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß bei Aufhebung dieser Bestimmung § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden kann, daß diese Bestimmung nur auf jene Sachverhalte anzuwenden ist, die nach ihrem Inkrafttreten am verwirklicht wurden. Bei einer solchen Interpretation bestehen ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 678/1991 ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben. Weiters ist auszusprechen, daß § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG idF BGBl. Nr. 678/1991 nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
8.4. Im Hinblick auf die Ausführungen der Bundesregierung, daß durch die aufgehobene Bestimmung verhindert werden sollte, daß "bereits bestehende oder akzeptierte Rechtsverhältnisse neuerlich geprüft werden müßten", sah sich der Verfassungsgerichtshof zur Setzung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle veranlaßt, um dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, eine verfassungskonforme Ersatzregelung zu treffen.
8.5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.
8.6. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.