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VfGH vom 08.03.2002, g308/01

VfGH vom 08.03.2002, g308/01

Sammlungsnummer

16485

Leitsatz

Keine Gleichheitsverletzung durch die Regelung des Anspruchs auf Kriegsgefangenenentschädigung zugunsten Kriegsgefangener der mittelost- und osteuropäischen Staaten; keine grobe Verkennung der historischen Gegebenheiten durch die Annahme besonders menschenunwürdiger Umstände für diese Personengruppe; keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums, keine unsachliche Differenzierung aufgrund des Kriteriums der Gefangennahme durch bestimmte kriegsführende Mächte

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Wirkung vom wurde das in Art 70 Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, enthaltene Bundesgesetz, mit dem eine Entschädigung für Kriegsgefangene eingeführt wird (Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz - KGEG), in Kraft gesetzt.

Dieses Gesetz räumt in seinem § 1 bestimmten Personengruppen einen Anspruch auf Kriegsgefangenenentschädigung ein, uzw. österreichischen Staatsbürgern, die - die zur Prüfung gestellte Wortfolge ist hervorgehoben -

"1. im Verlauf des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft mittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens) gerieten, oder

2. während der Besetzung Österreichs durch die Alliierten Mächte von einer ausländischen Macht aus politischen oder militärischen Gründen in Österreich festgenommen und durch mittelost- oder osteuropäische Staaten angehalten wurden, oder

(idF Art 8 Z 2 Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 2002 - VRÄG 2002, BGBl. I Nr. 70/2001)

3. sich auf Grund politischer Verfolgung oder drohender politischer Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947, außerhalb des Gebietes der Republik Österreich befanden und aus den in Z 2 angeführten Gründen von einer ausländischen Macht festgenommen und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges durch mittelost- oder osteuropäische Staaten angehalten wurden, ..."

(idF Art 8 Z 3 Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 2002 - VRÄG 2002, BGBl. I Nr. 70/2001).

Vom Bezug der Entschädigung ausgeschlossen sind jene Personen, "deren Verhalten in Wort oder Tat mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreich unvereinbar war" (§2).

Die - als "Anerkennung" der mit "besonderen Härten" verbundenen Situation des in § 1 umschriebenen Personenkreises gedachte (vgl. EB 311 BlgNR XXI. GP, zu Art 70 Budgetbegleitgesetz 2001) - Entschädigung wird zwölf Mal jährlich als monatliche Geldleistung in Höhe von S 200,-- (bei mindestens dreimonatiger Gefangenschaft; seit : € 14,53), S 300,-- (bei mindestens zweijähriger Gefangenschaft; seit : € 21,80), S 400,-- (bei mindestens vierjähriger Gefangenschaft; seit : € 29,07) bzw. S 500,-- (bei mindestens sechsjähriger Gefangenschaft; seit :

€ 36,34) gewährt (§4 Abs 1), uzw. ab Beginn des Monats, in dem der Antrag gestellt wurde, (längstens) bis zum Ableben des Anspruchsberechtigten (§5).

Die Leistung gilt bei der Bemessung von Ausgleichszulagen und vergleichbarer Leistungen nicht als Einkommen (§4 Abs 2) und ist von der Einkommensteuer befreit (§10 Abs 1).

Die Entschädigung ist durch Antrag geltend zu machen, in dem die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nachzuweisen sind (§15 Abs 1). Der Antrag ist prinzipiell beim leistungszuständigen Pensionsversicherungsträger einzubringen, der darüber mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden hat. Im Fall der Ablehnung des Antrags kann der Betroffene die ordentlichen Gerichte als Arbeits- und Sozialgerichte im Wege der sukzessiven Kompetenz anrufen.

II. 1.1. Das Oberlandesgericht Innsbruck stellt als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen aus Anlaß zweier Verfahren gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 erster Satz B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge "(m)ittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens)" in § 1 Z 1 KGEG, Art 70 Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, als verfassungswidrig aufheben.

1.2. Begründend wird dazu ausgeführt, die Kläger hätten mit Eingaben vom bzw. vom bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter bzw. bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, von denen sie eine Alters- bzw. Erwerbsunfähigkeitspension beziehen, beantragt, ihnen Kriegsgefangenenentschädigung zuzuerkennen. Diese Anträge seien jedoch abgelehnt worden, weil die Kläger nicht - wie in § 1 Z 1 KGEG vorgesehen - im Verlauf des Zweiten Weltkriegs von einem mittelost- oder osteuropäischen Staat, sondern von den USA bzw. von Frankreich und den USA als Kriegsgefangene angehalten worden seien.

Gegen die abweislichen Bescheide der genannten Pensionsversicherungsträger hätten die Kläger sodann das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht angerufen, das die Klagen jedoch als unbegründet abgewiesen habe.

1.3. Das in beiden Klagssachen als Berufungsgericht befaßte antragstellende Oberlandesgerichts legt seine Bedenken gegen die in § 1 Z 1 KGEG getroffene Differenzierung zwischen "Ost-" und "Westgefangenen" wie folgt dar:

"... Der Begriff der Kriegsgefangenschaft wurde in der bisherigen Rechtsprechung (vgl OLG Wien in SVSlg 27.424, 31.331, Infas 1986, S 87) offenbar im Sinne der einschlägigen Völkerrechtsnormen verstanden. Nach diesen Völkerrechtsnormen, wie sie seinerzeit, aber auch derzeit in Geltung stehen, beginnt die Kriegsgefangenschaft mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene tatsächlich in die Hand der gegnerischen Partei fällt. Anspruch auf die Behandlung als Kriegsgefangene haben, falls sie in die Hand der gegnerischen Partei fallen, unter anderem die Kombattanten, das sind vor allem die Mitglieder der Streitkräfte (vgl hiezu Hummer-Schreuer, Handbuch des Völkerrechtes 1. Teil, Rz 2642, 2643 und 2598; vgl auch Strupp, Das internationale Landkriegsrecht, Seite 38 und 45). Der Begriff der Kriegsgefangenschaft im völkerrechtlichen Sinn ist demnach ein einheitlicher in dem Sinne, dass es nur darauf ankommt, ob der Kombattant in die Hand der gegnerischen Kriegspartei (des anderen kriegführenden Staates) fällt, ohne dass aber unterschieden wird, um welchen Staat es sich dabei handelt.

Diesem Gesichtspunkt der einheitlichen Betrachtungsweise ist bislang offenbar auch der Gesetzgeber gefolgt. Er hat nämlich in § 228 Abs 1 Z 1 lita ASVG auch jene Zeiten als Ersatzzeiten nach dem ASVG vor dem qualifiziert, während denen ein Versicherter sich in Kriegsgefangenschaft befunden hat. Gemäß § 228 Abs 2 erster Satz ASVG zählt zur Kriegsgefangenschaft auch die Heimkehr aus ihr, soweit die Zeit nicht überschritten ist, die der Einberufene bei Berücksichtigung aller Zwischenfälle benötigte, um an seinen letzten Wohnort vor der Einberufung zurückzukehren.

Auch im Bundesgesetz vom über die finanzielle Hilfeleistung an Spätheimkehrer (BGBl Nr 128/1958) ist in § 1 Abs 1 lita der anspruchsberechtigte Personenkreis mit jenen Personen definiert, die im Verlauf des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft gerieten, ohne dass in diesem Gesetz darauf abgestellt worden wäre, in welche Kriegsgefangenschaft der Betreffende genommen wurde.

(...)

Aus diesen Unterlagen (Das Buch des österreichischen Heimkehrers(,) herausgegeben vom Bundesministerium für Inneres Abt. 14 S 61) ergibt sich also, dass bis zum Jahre 1949 die Zahl der heimgekehrten Kriegsgefangenen der 'Westalliierten' sogar größer war als jene der aus ost- und mittelosteuropäischen Staaten. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Rückkehr der Kriegsgefangenen gerade aus den letztgenannten Gebieten sich zeitlich sehr in die Länge zog und es insbesondere ständiger Interventionen bedurfte, um die Rückkehr zu betreiben. Für diese 'Spätheimkehrer' bestand aber das bereits oben erwähnte Gesetz, in welchem finanzielle Leistungen zugestanden wurden, sodass nach Ansicht des (Berufungsgerichtes) dieser Gesichtspunkt nicht (neuerlich) zur Begründung der angefochtenen Vorschrift herangezogen werden kann. Die Dauer der Anhaltung ist im Gesetz selbst berücksichtigt und scheidet als Differenzierungsgesichtspunkt aus.

Was die Behandlung der Kriegsgefangenen durch jene Staaten anlangt, in deren Gewahrsame sie geraten waren, scheint eine Differenzierung wohl unerhört schwierig zu sein. Auch die Kriegsgefangenen der Westalliierten hatten - jedenfalls im unmittelbaren Anschluss an die Kapitulation und Internierung - heute wohl kaum mehr vorstellbare Strapazen und Schwierigkeiten zu erleiden (vgl. für jenen Bereich, in dem möglicherweise der Kläger angehalten war, Rüdiger Overmanns, Die Rheinwiesenlager 1945 in 'Kriegsgefangenschaft im 2. Weltkrieg', herausgegeben von Günter Bischof und Rüdiger Overmanns, S 61 ff bzw. Eisterer, Die österreichischen Kriegsgefangenen in französischer Hand, ebendort, S 109 ff). Für eine diesbezügliche Differenzierung fehlen dem Berufungsgericht jegliche Anhaltspunkte wie auch abschließend nicht gesagt werden kann, dass die Kriegsgefangenen der Westalliierten eine derart geringe Zahl dargestellt hätten, dass sie der Gesetzgeber schlicht hätte übersehen dürfen.

... Nach Ansicht des Berufungsgerichtes hat also der Gesetzgeber mit der vorliegenden Regelung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum in gleichheitswidriger Weise überschritten, vor allem weil die im Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (ergänze wohl: normierte Anspruchsberechtigung) von einer reinen, noch dazu in der Vergangenheit liegenden Zufälligkeit abhängt: Nämlich wo sich der seinerzeitige Kombattant gerade aufgehalten hat und durch welche kriegsführende Macht (kriegsführenden Staat) er in Gefangenschaft genommen wurde. Ungeachtet dessen, dass der Gesetzgeber wohl das bisher geschaffene Ordnungssystem (vgl die zitierten Bestimmungen des ASVG bzw des Spätheimkehrergesetzes) verlassen durfte, muss nichts desto weniger die (neue) Regelung dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen, was nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht der Fall ist."

1.4. Die Bundesregierung hat hiezu eine schriftliche Äußerung erstattet, in der bemerkt wird, daß nach Schätzung des Ludwig Boltzmann-Institutes für Kriegsfolgen-Forschung derzeit etwa 24.000 Personen in Österreich leben, die von mittelost- oder osteuropäischen Staaten ("Ostgefangene"), sowie etwa weitere 50.000 Personen, die von anderen Staaten als Kriegsgefangene angehalten worden seien ("Westgefangene").

Anschließend daran wird ausgeführt:

"Wie auch aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (RV 311 BlgNR XXI. GP zu Art 70) hervorgeht, hat der erstgenannte Personenkreis durch die Kriegsgefangenschaft vielfältige Nachteile erlitten. So hatten diese Personen in vielen Fällen nicht adäquat abgegoltene Arbeitsleistungen unter oft schwierigsten Bedingungen zu erbringen und waren besonderen körperlichen und seelischen Qualen ausgesetzt. Darüber hinaus waren diese Personen bei ihrer Heimkehr nach Österreich mit großen wirtschaftlichen Belastungen konfrontiert.

Weiters ist davon auszugehen, dass die Arbeitsleistungen der Ostgefangenen dazu beigetragen haben, dass die Reparationsleistungen der Republik Österreich verringert wurden.

Es wurde daher aus budgetären Erwägungen zunächst eine Regelung für Ostgefangene getroffen, wobei sich der budgetäre Mehraufwand für die Entschädigungsleistungen auf rund 80 Mio. S jährlich beläuft. Darüber hinaus wurde auch eine Ausdehnung der Kriegsgefangenenentschädigung auf Westgefangene angestrebt."

1.5. Die in dem zu G312/01 protokollierten Verfahren beteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie sich dem Bedenken des antragstellenden Oberlandesgerichts ausdrücklich anschließt und - für diese Eingabe - "den Zuspruch von Pauschalkosten nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs" beantragt.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen (§404 Abs 2, § 187 Abs 1 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG) - Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Gemäß Art 89 Abs 2 B-VG hat ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht, falls es gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieses Gesetzes zu beantragen (vgl. auch Art 140 Abs 1 erster Satz B-VG).

Wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, hält er sich nicht für berechtigt, bei der Prüfung der Frage, ob die Vorschrift, deren Verfassungswidrigkeit behauptet wird, für die Entscheidung des Gerichtes präjudiziell ist, das Gericht an eine bestimmte Auslegung zu binden und damit auf diese Art der gerichtlichen Entscheidung indirekt vorzugreifen. Ein Mangel der Präjudizialität liegt daher nur dann vor, wenn die zur Prüfung beantragte Bestimmung ganz offenbar und schon begrifflich überhaupt nicht - dh. denkunmöglich - als eine Voraussetzung des vom antragstellenden Gericht zu fällenden Erkenntnisses in Betracht kommen kann (vgl. VfSlg. 6278/1970 und die dort angeführte Rechtsprechung, ferner zB VfSlg. 7999/1977, 8136/1977, 8318/1978, 8871/1980, 9284/1981, 9811/1983, 9911/1983, 10.296/1984, 10.357/1985, 10.640/1985, 11.565/1987, 12.189/1989).

Im vorliegenden Fall ist jedoch nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der bekämpften Gesetzesstelle zweifeln ließe; die Anträge erweisen sich somit als zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Das antragstellende Oberlandesgericht macht geltend, die in § 1 Z 1 KGEG getroffene Differenzierung zwischen "Ost-" und "Westgefangenen" sei sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Bundesregierung hat dem im wesentlichen die Begründung der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2001 (311 BlgNR XXI. GP, zu Art 70 Budgetbegleitgesetz 2001) entgegengehalten, worin ausgeführt wird, daß österreichische Staatsbürger, die während des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft osteuropäischer Staaten gerieten oder während der Besetzung Österreichs von einer ausländischen Macht festgenommen und in osteuropäischen Staaten angehalten wurden, dadurch vielfältige Nachteile erlitten hätten.

Angesichts dessen sei aus budgetären Erwägungen (vorerst) davon abgesehen worden, auch Kriegsgefangenen der Westalliierten einen Anspruch auf Entschädigung einzuräumen. Eine Neuregelung dahin, daß künftig auch diesem Personenkreis eine Entschädigung zuerkannt werden könne, sei aber in Aussicht genommen, allerdings erst mit Wirkung vom (s. nunmehr das Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 40/2002, mit dem ua. § 1 Z 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz dahin neu gefaßt wurde, daß künftig im Verlauf des Ersten oder Zweiten Weltkriegs als Kriegsgefangene Angehaltene - ohne jede Differenzierung - eine Entschädigung erhalten).

2.2. Dem Gesetzgeber des KGEG ging es - im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewährung von Entschädigungsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiter des NS-Regimes -, wie den Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2001 (EB 311 BlgNR XXI. GP, zu Art 70) entnommen werden kann, vorrangig darum, auch eine finanzielle Anerkennung bzw. Entschädigung für vergleichbare Anhaltungen von Kriegsgefangenen unter besonders erschwerten Bedingungen vorzusehen, wie sie nach Einschätzung des Gesetzgebers in den genannten mittelost- oder osteuropäischen Staaten bestanden haben.

2.2.1. Das antragstellende Oberlandesgericht räumt hiezu selbst ein, daß es besonders schwierig sei, die (unterschiedlichen) Bedingungen der Anhaltung als Kriegsgefangener durch einzelne Staaten in aussagekräftiger Weise miteinander zu vergleichen.

Nun mag es zutreffen, daß (auch) die Kriegsgefangenen der Westalliierten - wie das Oberlandesgericht ausführt - jedenfalls im unmittelbaren Anschluß an die Kapitulation und Internierung "heute wohl kaum mehr vorstellbare Strapazen und Schwierigkeiten zu erleiden" hatten.

Demgegenüber durfte der Gesetzgeber aber davon ausgehen, daß insbesondere für die durch die ehemalige UdSSR Inhaftierten auch über die unmittelbar der Kapitulation und dem Beginn der Internierung nachfolgende Zeit hinaus wegen der kriegsbedingt auf längere Zeit hindurch extrem schlechten Versorgungslage in den mittelost- und osteuropäischen Staaten besonders ungünstige Anhaltebedingungen für die Kriegsgefangenen bestanden haben, unter denen jene, die sich in der Gewahrsame der Westalliierten befunden hatten, (im allgemeinen und Ausnahmen auf Grund besonderer Verhältnisse außer Betracht lassend) nicht zu leiden hatten.

2.2.2. Dem Gesetzgeber kommt in der Frage, in welchem Umfang er die unterschiedlichen Erscheinungsformen kriegs- und verfolgungsbedingter Haft und Anhaltung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als entschädigungswürdig erachtet, ein weiter - letztlich auch wohl von politischen Bewertungen geprägter - Beurteilungsspielraum zu. In welchem Ausmaß die der zur Prüfung gestellten Entschädigungsregelung allenfalls zugrunde liegende politische Bewertung geteilt wird, ist jedenfalls keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm.

Es kann dem Gesetzgeber daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er vorweg - mit Blick auf die Entschädigung für die Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes (vgl. hiezu AB 255 BlgNR XXI. GP, Allgemeiner Teil, zum Versöhnungsfonds-Gesetz) - nur jenen Kriegsgefangenen eine Entschädigung zukommen lassen wollte, die typischerweise unter vergleichbaren menschenunwürdigen Bedingungen angehalten wurden. Es läßt sich auch nicht sagen, daß der Gesetzgeber die historischen Gegebenheiten grob verkannt hätte, wenn er davon ausgegangen ist, daß eine derartige Vergleichbarkeit in erster Linie bei den ehemaligen Kriegsgefangenen der ost- und mittelosteuropäischen Staaten besteht.

Für welchen Zeitraum es dem Gesetzgeber unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten gestattet wäre, eine Begünstigung der hier zu beurteilenden Art für bloß eine Gruppe der ehemaligen Kriegsgefangenen zu gewähren, muß aus Anlaß dieses Verfahrens nicht abschließend geklärt werden, weil mittlerweile die Entschädigungszahlungen mit Wirkung vom auf alle Kriegsgefangenen ausgeweitet wurden (s. oben Pkt. III.2.1.) und der Gesetzgeber durch diese Art der stufenweisen Einführung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum - vor dem Hintergrund seiner oben wiedergegebenen Motive - keinesfalls überschritten hat.

2.2.3. Es begegnet daher auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat, die - ohne Bedachtnahme auf die besonderen Bedingungen der Anhaltung in jedem Einzelfall - nur daran anknüpft, von welchem Staat der Betroffene als Kriegsgefangener angehalten wurde:

Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist es nämlich mit dem Gleichheitssatz vereinbar, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht (zB VfSlg. 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978, 11.615/1988 uva.) und dabei auch eine pauschalierende Regelung trifft, insbesondere wenn dies der Verwaltungsökonomie dient (VfSlg. 9258/1981, 10.089/1084). Es wird ein solches Gesetz nicht schon deshalb gleichheitswidrig, weil dabei Härtefälle entstehen (zB VfSlg. 3568/1959, 9908/1983, 10.276/1984).

Unter diesem Aspekt trifft es auch nicht zu, wenn das antragstellende Oberlandesgericht meint, die durch das KGEG zuerkannte Entschädigungsleistung sei allein von dem rein zufälligen (und damit als sachliches Differenzierungskriterium untauglichen) Umstand abhängig gemacht, von welcher kriegsführenden Macht der Betroffene in Kriegsgefangenschaft genommen wurde. Soweit - auch zufällig eintretende - Ereignisse typischerweise zB grundlegend voneinander abweichende Kriegsgefangenenschicksale zur Folge hatten, ist es nicht von vornherein unsachlich, wenn der Gesetzgeber an diese Unterschiede im Tatsächlichen bei einer Entschädigungsregelung der vorliegenden Art anknüpft.

2.3. Die Anträge waren daher abzuweisen.

3. Der in dem zu G312/01 protokollierten Verfahren beteiligten Partei waren die für die - nicht aufgetragene - Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil in Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ein Kostenersatz nur in dem - hier nicht gegebenen - Fall des § 65a VfGG in Betracht kommt.

4. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).