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VfGH vom 27.06.2018, G30/2017

VfGH vom 27.06.2018, G30/2017

Leitsatz

Keine Verletzung im Eigentums- und Gleichheitsrecht durch die Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern aus einer GesmbH durch Beschluss des mit mindestens neun Zehntel am Nennkapital der Gesellschaft beteiligten Mehrheitsgesellschafters gegen eine angemessene Abfindung; keine Verletzung des Vertrauensschutzes

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Antrag

1.Gestützt auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG begehrt die Antragstellerin,

"im Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern (Gesellschafter-Ausschlussgesetz – GesAusG), BGBl I Nr 75/2006 idF BGBl I Nr 71/2009

in § 1 Abs 1 die Wortfolge 'oder Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung',

in § 1 Abs 4 erster Satz die Wortfolge '(der Gesellschaftsvertrag)',

in § 1 Abs 4 zweiter Satz die Wortfolge 'oder des Gesellschaftsvertrags',

in § 3 Abs 1 erster Satz die Wortfolge '(die Geschäftsführung)',

§3 Abs 9 zur Gänze,

in § 4 Abs 1 erster Satz die Wortfolge '(der Gesellschaftsvertrag)',

in § 5 Abs 1 erster Satz die Wortfolge '(die Geschäftsführung)',

in § 5 Abs 2 erster Satz die Wortfolge '(die Geschäftsführung)',

in § 9 Abs 2 dritter Satz die Wortfolge 'oder wenn bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die zur Beschlussfassung notwendigen Unterlagen nach dem an die Gesellschafter übersendet werden',

in § 9 Abs 2 vierter Satz die Wortfolge 'oder die Unterlagen an die Gesellschafter übersendet wurden', sowie

in § 10 die Wortfolge '(der Gesellschaftsvertrag)',

in eventu

in § 1 Abs 1 die Wortfolge 'oder Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung' als verfassungswidrig aufzuheben."

II.Rechtslage

1.Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern (Gesellschafter-Ausschlussgesetz – GesAusG), BGBl I 75/2006, idF BGBl I 71/2009 lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Voraussetzungen

§1. (1) Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auf Verlangen des Hauptgesellschafters die Übertragung der Anteile der übrigen Gesellschafter auf den Hauptgesellschafter gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen.

(2) Hauptgesellschafter ist, wem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Anteile in Höhe von mindestens neun Zehnteln des Nennkapitals gehören. Welcher Teil der Anteile dem Hauptgesellschafter gehört, bestimmt sich nach dem Verhältnis der ihm gehörenden Anteile zum Nennkapital, bei Aktiengesellschaften mit Stückaktien nach der Zahl der Aktien. Eigene Anteile der Gesellschaft oder Anteile, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören, sind vom Gesamtnennkapital beziehungsweise von der Gesamtzahl der Stückaktien abzuziehen.

(3) Als Anteile, die dem Hauptgesellschafter gehören, gelten auch Anteile anderer mit dem Hauptgesellschafter verbundener Unternehmen (§228 Abs 3 UGB); die Verbindung muss im letzten Jahr vor der Beschlussfassung durchgehend bestanden haben.

(4) Die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) kann vorsehen, dass der Ausschluss von Gesellschaftern nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht zulässig ist oder dass dem Hauptgesellschafter eine höhere als die in Abs 2 genannte Anteilsquote gehören muss. Eine entsprechende Bestimmung der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags kann nur mit Zustimmung aller Gesellschafter aufgehoben oder geändert werden, es sei denn, die Bestimmung sieht ausdrücklich eine andere Mehrheit vor, die jedoch nicht weniger als drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfassen darf.

Barabfindung

§2. (1) Der Hauptgesellschafter hat eine angemessene Barabfindung zu gewähren. Der Tag der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung gilt als Stichtag für die Feststellung der Angemessenheit. Werden Sonderrechte entzogen, so ist dies bei der Festlegung der Abfindung zu berücksichtigen.

(2) Die Barabfindung ist zwei Monate nach dem Tag fällig, an dem die Eintragung des Ausschlusses gemäß § 10 UGB als bekannt gemacht gilt; der Anspruch auf Barabfindung verjährt innerhalb von drei Jahren. Die Barabfindung ist ab dem der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung folgenden Tag bis zur Fälligkeit mit jährlich zwei Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz zu verzinsen. Die Kosten der Durchführung des Ausschlusses, insbesondere der Auszahlung der Barabfindung, trägt der Hauptgesellschafter.

(3) Der Hauptgesellschafter hat einen Treuhänder mit Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat des EWR zu bestellen. Bei diesem ist die Barabfindung vor Einberufung der Gesellschafterversammlung zu hinterlegen. Stattdessen kann dem Treuhänder eine Bankgarantie in Höhe des Abfindungsbetrags mit einer Laufzeit bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Auszahlung übergeben werden; tritt die Fälligkeit der Barabfindung nicht vor dem Ende der Laufzeit ein, so hat der Treuhänder die Bankgarantie abzurufen, wenn keine neue Bankgarantie übergeben wird. Die Bankgarantie ist von einem Kreditinstitut im Sinn des § 1 Abs 1 BWG mit anrechenbaren Eigenmitteln von mindestens 18,2 Millionen Euro oder von einem Kreditinstitut, das seine Tätigkeit in Österreich auf Grund des § 9 BWG über eine Zweigstelle oder im Weg des freien Dienstleistungsverkehrs erbringt und über anrechenbare Eigenmittel beziehungsweise Eigenmittel von mindestens 18,2 Millionen Euro verfügt, auszustellen. Hat der Hauptgesellschafter seinen Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat des EWR, so muss dem Treuhänder zusätzlich eine Bankgarantie eines solchen Kreditinstituts in Höhe von 50 vom Hundert des Abfindungsbetrags mit einer Laufzeit von zwei Monaten nach dem voraussichtlichen Zeitpunkt der Bekanntmachung der Eintragung des Beschlusses übergeben werden. Wird bis zu diesem Zeitpunkt ein Verfahren auf Überprüfung der Barabfindung eingeleitet, so hat der Treuhänder die Bankgarantie abzurufen, wenn keine neue Bankgarantie übergeben wird.

Vorbereitung der Beschlussfassung durch die Gesellschafter

§3. (1) Der Vorstand (die Geschäftsführung) der Kapitalgesellschaft und der Hauptgesellschafter haben gemeinsam einen Bericht über den geplanten Ausschluss aufzustellen. Dieser muss zumindest die Voraussetzungen des Ausschlusses darlegen und die Angemessenheit der Barabfindung erläutern und begründen; auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung des Unternehmens ist hinzuweisen. § 118 Abs 3 AktG ist sinngemäß anzuwenden. Im Bericht ist darauf hinzuweisen, dass jedem Minderheitsgesellschafter ein Anspruch auf eine angemessene Abfindung gemäß § 2 zusteht, weiters darauf, dass die Gesellschafter, auch wenn sie dem Beschluss zustimmen, bei dem Gericht, in dessen Sprengel die Kapitalgesellschaft ihren Sitz hat, innerhalb einer Frist von einem Monat nach dem Tag, an dem die Eintragung des Beschlusses gemäß § 10 UGB als bekanntgemacht gilt, einen Antrag auf Überprüfung des Barabfindungsangebots stellen können (§6).

(2) Die Richtigkeit des Berichts nach Abs 1 und die Angemessenheit der Barabfindung sind von einem sachverständigen Prüfer zu prüfen. Dieser wird auf gemeinsamen Antrag des Aufsichtsrats der Kapitalgesellschaft und des Hauptgesellschafters vom Gericht ausgewählt und bestellt. § 220b Abs 3 bis 5 AktG ist mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass das Auskunftsrecht auch gegenüber dem Hauptgesellschafter besteht.

(3) Hat die Kapitalgesellschaft einen Aufsichtsrat, so hat dieser den Ausschluss auf der Grundlage des Berichts gemäß Abs 1 und des Prüfungsberichts gemäß Abs 2 zu prüfen und darüber einen schriftlichen Bericht zu erstatten. § 118 Abs 3 AktG ist sinngemäß anzuwenden.

(4) Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat einen Hinweis auf die geplante Beschlussfassung mindestens einen Monat vor dem Tag der Hauptversammlung zu veröffentlichen (§18 AktG). In dieser Veröffentlichung sind die Aktionäre auf ihre Rechte gemäß Abs 5 und 6 hinzuweisen.

(5) Bei einer Aktiengesellschaft sind mindestens während eines Monats vor dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung gemäß § 108 Abs 3 bis 5 AktG bereit zu stellen:

1. der Entwurf des Beschlussantrags über den Ausschluss;

2. die Berichte gemäß Abs 1, 2 und 3;

3. allfällige Gutachten, auf denen die Beurteilung der Angemessenheit beruht; § 118 Abs 3 AktG ist sinngemäß anzuwenden;

4. die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der Gesellschaft für die letzten drei Geschäftsjahre.

(7) In der Hauptversammlung sind die in Abs 5 bezeichneten Unterlagen aufzulegen. Der Vorstand und der Hauptgesellschafter haben den Bericht nach Abs 1 vor der Beschlussfassung mündlich zu erläutern. Der Vorstand hat die Gesellschafter vor der Beschlussfassung über jede wesentliche Veränderung der Vermögens- oder Ertragslage der Gesellschaft sowie der Pläne des Hauptgesellschafters, die zwischen der Erstattung des Berichts gemäß Abs 1 und dem Zeitpunkt der Beschlussfassung eingetreten ist, zu unterrichten; dies gilt insbesondere, wenn die Veränderung eine andere Barabfindung rechtfertigen würde.

(8) Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung auch über alle für den Ausschluss wesentlichen Angelegenheiten des Hauptgesellschafters Auskunft zu geben. § 118 Abs 3 AktG ist sinngemäß anzuwenden.

(9) Die in Abs 5 genannten Unterlagen sind den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu übersenden. Zwischen dem Tag der Aufgabe der Sendung zur Post und der Beschlussfassung muss ein Zeitraum von mindestens 14 Tagen liegen. Die Veröffentlichung gemäß Abs 4 sowie die Auflegung zur Einsicht gemäß Abs 5 sind nicht erforderlich. Die Geschäftsführer und der Hauptgesellschafter haben jedem Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der Einberufung jederzeit Auskunft zu geben; das betrifft auch Veränderungen im Sinn des Abs 7 und Angelegenheiten im Sinn des Abs 8. In der Einberufung ist auf dieses Recht ausdrücklich hinzuweisen.

(10) Abs 1 bis 9 und § 2 Abs 3 sind nicht anzuwenden, wenn sämtliche Gesellschafter schriftlich oder in der Niederschrift zur Gesellschafterversammlung auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichten.

Beschlussfassung durch die Gesellschafter

§4. (1) Der Beschluss der Gesellschafterversammlung bedarf der Mehrheit der abgegebenen Stimmen und der Zustimmung durch den Hauptgesellschafter; die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) kann eine größere Mehrheit und weitere Erfordernisse vorsehen. Sonderbeschlüsse einzelner Aktiengattungen sind nicht erforderlich.

(2) Der Beschluss ist notariell zu beurkunden. Die Berichte über den Ausschluss gemäß § 3 Abs 1 bis 3 sind – vorbehaltlich § 3 Abs 10 – in die Niederschrift über den Beschluss aufzunehmen oder dieser als Anlage beizufügen.

Anmeldung und Eintragung des Beschlusses

§5. (1) Der Vorstand (die Geschäftsführung) der Kapitalgesellschaft hat den Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsgesellschafter zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Der Anmeldung sind in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift beizufügen:

1. die Niederschrift des Beschlusses über den Ausschluss;

2. wenn der Beschluss einer behördlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde;

3. bei Aktiengesellschaften der Nachweis der Veröffentlichung nach § 3 Abs 4.

(2) Weiters hat der Vorstand (die Geschäftsführung) dem Gericht eine Erklärung vorzulegen, dass eine Klage auf Anfechtung, Feststellung der Nichtigkeit oder Nichtigerklärung des Beschlusses innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung nicht erhoben oder zurückgenommen worden ist oder dass alle Anteilsinhaber durch notariell beurkundete Erklärung auf eine solche Klage verzichtet haben. Können diese Erklärungen nicht vorgelegt werden, so hat das Gericht gemäß § 19 FBG vorzugehen.

(3) Der Beschluss darf nur eingetragen werden, wenn der Treuhänder dem Firmenbuchgericht angezeigt hat, dass er im Besitz der Gesamtsumme der Barabfindungen oder einer Bankgarantie ist (§2 Abs 3).

(4) Mit der Eintragung des Beschlusses in das Firmenbuch gehen alle Anteile der Minderheitsgesellschafter auf den Hauptgesellschafter über, der dies verlangt hat. Sind über diese Mitgliedschaftsrechte Wertpapiere ausgegeben, so verbriefen sie ab dem genannten Zeitpunkt nur den Anspruch auf Barabfindung. Die Auszahlung der Barabfindung hat Zug um Zug gegen Übergabe der Wertpapiere zu erfolgen.

(5) Hat die Gesellschaft Rechte zum Bezug von Anteilen (Umtausch-, Bezugs-, Optionsrechte oder ähnliche Rechte) begeben, so haben die Berechtigten ab der Eintragung des Beschlusses einen Anspruch gegenüber dem Hauptgesellschafter auf eine dem Inhalt der Rechte angemessene Barabfindung.

(6) Der Mangel der notariellen Beurkundung des Beschlusses wird durch die Eintragung in das Firmenbuch geheilt.

Überprüfung der Barabfindung

§6. (1) Die Anfechtung des Beschlusses kann nicht darauf gestützt werden, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist oder dass die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gemäß § 3 den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen.

(2) Für die Überprüfung der Barabfindung durch die ausgeschlossenen Gesellschafter sind die §§225c bis 225m AktG – ausgenommen § 225c Abs 3 und 4, § 225e Abs 3 zweiter Satz und § 225j – über die Verschmelzung zur Aufnahme auf die Kapitalgesellschaft sinngemäß anzuwenden. An die Stelle des Verschmelzungsvertrags tritt der Bericht gemäß § 3 Abs 1, an Stelle der übernehmenden Gesellschaft der Hauptgesellschafter, an Stelle des Umtauschverhältnisses die Höhe der baren Abfindung für die Anteile. Für die Fälligkeit und die Verzinsung zugesprochener oder auf Grund eines Vergleichs zustehender barer Zuzahlungen ist § 2 Abs 2 sinngemäß anzuwenden.

Ausschluss nach einem Übernahmeangebot

§7. (1) Hat der Hauptgesellschafter seine Beteiligung durch ein Übernahmeangebot im Sinn des ÜbG erworben oder erweitert und war das Übernahmeangebot auf Erwerb aller Aktien der Zielgesellschaft gerichtet, so ist der Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zulässig, wenn die Hauptversammlung den Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Angebotsfrist fasst. Die Satzung kann von diesen Bestimmungen nicht abweichen.

(2) Hauptgesellschafter ist, wem Aktien an der Zielgesellschaft im Ausmaß von mindestens 90 vom Hundert des gesamten stimmberechtigten Grundkapitals der Aktiengesellschaft und 90 vom Hundert ihrer Stimmrechte gehören; für die Berechnung gilt § 1 Abs 3 sinngemäß. Das Ausschlussrecht erstreckt sich nur auf die übrigen stimmberechtigten Aktien. Hält der Hauptgesellschafter zusätzlich 90 von Hundert des gesamten Grundkapitals, so kann die Hauptversammlung auch die Übertragung der stimmrechtslosen Vorzugsaktien auf den Hauptgesellschafter beschließen. Haben mehrere Bieter gemeinsam ein Angebot abgegeben, so ist auf ihre gemeinsame Beteiligung abzustellen; enthält die Angebotsunterlage keine abweichende Angaben zur Aufteilung der Aktien, so werden den Bietern die Aktien zu gleichen Teilen übertragen.

(3) Eine Barabfindung unter dem Wert der höchsten Gegenleistung des Übernahmeangebots ist jedenfalls nicht angemessen. Hat der Bieter im Rahmen des Übernahmeangebots oder in Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot mehr als 90 vom Hundert der durch das Angebot betroffenen Aktien erworben, so wird vermutet, dass eine Barabfindung in Höhe des Werts der höchsten Gegenleistung angemessen ist. Die Berechnung ist für jede Aktiengattung getrennt vorzunehmen. § 16 Abs 7 ÜbG gilt sinngemäß.

(4) Für die Einberufung der Hauptversammlung auf Verlangen des Hauptgesellschafters gemäß § 105 Abs 3 AktG ist es nicht erforderlich, dass der Hauptgesellschafter seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien ist.

Verweisungen

§8. Soweit in diesem Bundesgesetz auf die Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

In-Kraft-Treten

§9. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft.

(2) § 3 Abs 1, 3, 5 und 8 sowie § 7 Abs 4 in der Fassung des Aktienrechts-Änderungsgesetzes 2009, BGBl I Nr 71/2009, treten mit in Kraft. § 3 Abs 6 tritt mit Ablauf des außer Kraft. § 3 Abs 1, 3, 5 und 8 sowie § 7 Abs 4 in der Fassung des Aktienrechts-Änderungsgesetzes 2009, BGBl I Nr 71/2009, sind auf Gesellschafterausschlüsse anzuwenden, wenn die Gesellschafterversammlung nach dem einberufen wird oder wenn bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die zur Beschlussfassung notwendigen Unterlagen nach dem an die Gesellschafter übersendet werden. Auf Gesellschafterausschlüsse, bei denen vor diesem Zeitpunkt die Gesellschafterversammlung einberufen wurde oder die Unterlagen an die Gesellschafter übersendet wurden, sind die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Übergangsbestimmung

§10. Sofern die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) einer Kapitalgesellschaft bereits vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes für den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erschwerende Regeln vorsah, gelten diese sinngemäß für den Gesellschafterausschluss nach diesem Bundesgesetz.

Vollziehungsklausel

§11. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut."

III.Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.Mit Teilurteil vom wies das Landesgericht Klagenfurt das Begehren der Klägerin (der antragstellenden Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) auf Nichtigerklärung des in der Generalversammlung der beklagten Partei (einer der beteiligten Parteien im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) vom gefassten Gesellschafterbeschlusses auf Ausschluss der Klägerin gemäß Gesellschafter-Ausschlussgesetz ab.

2. Gegen dieses Teilurteil erhob die Antragstellerin Berufung und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels unter einem den vorliegenden Antrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG. Darin legt die Antragstellerin ihre Bedenken wie folgt dar:

"I. Sachverhalt

Die Antragstellerin ist Gesellschafter [einer namentlich genannten] Gesellschaft m.b.H. […]. In der Generalversammlung dieser Gesellschaft vom wurden mit den Stimmen des Hauptgesellschafters [, einer Privatstiftung], gegen die Stimmen der Antragstellerin, mehrere Gesellschafterbeschlüsse gefaßt. Einer dieser Beschlüsse war der Ausschluß der Antragstellerin aus der Gesellschaft gem. §§1 ff GesAusG.

Die Antragstellerin hat gegen jene Gesellschafterbeschlüsse, die gegen ihre Stimmen gefaßt wurden, Widerspruch zu Protokoll und Anfechtungsklage erhoben. Über einen Punkt des Klagebegehrens dieser Anfechtungsklage – nämlich den Ausschluß der Antragstellerin nach dem GesAusG für nichtig zu erklären – hat das Landesgericht Klagenfurt am zu ************* ein Teilurteil gefällt […]. Mit diesem Teilurteil wurde das Begehren der Antragstellerin, den Gesellschafterbeschluß über ihren Gesellschafterausschluß für nichtig zu erklären, abgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen das Teilurteil die Berufung […] erhoben […].

II. Zulässigkeit des Antrags

Die angefochtene Bestimmung wurde vom Landesgericht Klagenfurt in seinem Teilurteil vom […] im Verfahren *************, in dem die Antragstellerin klagende Partei ist, angewendet. Dieses Urteil wurde dem Vertreter der Antragstellerin/klagenden Partei am zugestellt. Sie hat dagegen am das Rechtsmittel der Berufung erhoben […].

Mit einem Teilurteil werden einzelne Teile des Verfahrensgegenstandes abschließend erledigt. Eine weitere Entscheidung ergeht zu diesem Teil des Verfahrensgegenstandes nicht. Artikel 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG erfaßt daher auch Teilurteile im Zivilprozeß [Grabenwarter/Musger, Praxisfragen der Gesetzes-beschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015 551, 552].

Die angefochtenen Bestimmungen wurde[n] vom Landesgericht Klagenfurt unmittelbar angewandt. Der Inhalt des Gesellschafterbeschlusses, der vor dem Landesgericht Klagenfurt bekämpft wird, ist der Ausschluß der Antragstellerin aus der Gesellschaft nach den hier angefochtenen Bestimmungen des GesAusG. Das Landesgericht Klagenfurt hat in seinem Teilurteil den Gesellschafterausschluß nach diesen angefochtenen Bestimmungen als rechtmäßig beurteilt. Die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof hätte einen Wegfall jener Teile des GesAusG zur Folge, die den begründungslosen Ausschluß eines Gesellschafters aus einer GmbH erlauben. Dies würde sich auf die anhängige Rechtssache insofern auswirken, als der Anfechtungsklage der Antragstellerin jedenfalls stattzugeben wäre, da es für den angefochtenen Gesellschafterausschluß keine Rechtsgrundlage mehr gäbe. Die angefochtenen Bestimmungen sind daher präjudiziell.

III. Begründung des Antrags

Das GesAusG wurde zur Umsetzung der Übernahme-RL [Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom betreffend Übernahmeangebote, ABl Nr L 142 vom ] erlassen [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 1]. Die Übernahme-RL sieht die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses nur im Zuge einer erfolgreichen Übernahme börsennotierter Aktiengesellschaften vor; in jenem Ausmaß, in dem der österreichische Gesetzgeber darüber hinausgegangen ist und den Gesellschafterausschluß auch in anderen Fällen ermöglicht hat, fehlen europarechtliche Vorgaben – und das Gesetz ist am Maßstab des österreichischen Verfassungsrechts zu messen [Kalss, Verschmelzung Spaltung Umwandlung2 Rz 1 Vor § 1 GesAusG]. Die im GesAusG vorgesehene Möglichkeit, nicht nur (wie von der Übernahme-RL vorgesehen) Aktionäre börsennotierter Aktiengesellschaften, sondern – wie im vorliegenden Fall – auch Minderheitsgesellschafter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus der Gesellschaft auszuschließen, ist mit der österreichischen Grundrechtsordnung nicht in Einklang zu bringen.

Die Antragstellerin wurde durch die Anwendung der bekämpften Bestimmung im Urteil […] in ihren Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums (dazu sogleich 1.) und auf Gleichheit vor dem Gesetz (dazu unten 2.) verletzt.

[…]

1.2 Anwendbarkeit der Eigentumsgarantie auf Geschäftsanteile

Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie umfaßt jedes vermögenswerte Privatrecht [VfGH VfSlg 18.320, VfGH G97/2013]. Gesellschaftsanteile sind vermögenswerte Privatrechte; sie unterliegen dem verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutz gem. Art 5 StGG und Art 1 1. ZProt MRK [Vgl. Kalss aaO Rz 2 Vor § 1 GesAusG mwN aus der Rspr und Lehre].

Darüber hinaus schützt die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie die Privatautonomie schlechthin. Eine gesetzliche Maßnahme, die einen privatrechtlichen Vertrag unmittelbar verändert, greift daher in das Eigentumsrecht beider Vertragsteile ein [VfGH VfSlg 17.817/2006].

1.3 Eigentumseingriff

Durch eine Enteignung wird eine Sache dem Eigentümer entzogen und dem Staat, einer anderen Körperschaft, oder einer gemeinnützigen Unternehmung übertragen, oder es werden daran in gleicher Weise bestimmte Rechte begründet. Hoheitliche Maßnahmen, die das Eigentum belasten oder seine Nutzung regeln, aber nicht als Enteignung zu qualifizieren sind, sind Eigentumsbeschränkungen [Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 1480 f. mwN]. Der Gesellschafterausschluß nach GesAusG, bei dem das Eigentum an den Anteilsrechten durch Beschluß der Gesellschafterversammlung entzogen wird, welche dabei die gesetzliche Ermächtigung des § 1 GesAusG ausnützt, ist eine solche Eigentumsbeschränkung [Kalss aaO Rz 2 Vor § 1 GesAusG mwN aus der Rspr und Lehre].

Darüber hinaus greift ein Gesetz, das einen privatrechtlichen Vertrag unmittelbar verändert, allein schon dadurch in das Eigentumsrecht beider Vertragsteile ein [VfGH G298/02 (VfSlg 17.071) mwN]. Die Möglichkeit, Aktionäre aus einer Gesellschaft hinauszudrängen, ist ein[e] Eigentumsbeschränkung [VfGH G175/10 (VfSlg 19.486/2011) mwN]. Das GesAusG enthält keine Übergangsregelung, die seinen Anwendungsbereich auf Gesellschaften beschränk[t], die nach seinem Inkrafttreten gegründet werden. Die Übergangsbestimmung in § 10 GesAusG läßt nur solche Gesellschaftsvertragsklauseln weitergelten, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erschwerende Regeln für einen Gesellschafterausschluß vorsahen. Für Gesellschaftsverträge, die vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen wurden und keine Regelungen für einen Gesellschafterausschluß enthielten, weil die Vertragspartner eine solche Möglichkeit nicht vereinbaren wollten, gibt es keine Übergangsbestimmung. Für diese Verträge führt das GesAusG zu einer von den Parteien bei Vertragsabschluß nicht gewollten Änderung des Gesellschaftsvertrages; und zwar zu einer Änderung, die die schwächeren Vertragsparteien (Minderheitsgesellschafter) nicht ohne Zustimmung der stärkeren Vertragspartei (Hauptgesellschafter) abwenden können (s. zu einer vergleichbaren Konstellation etwa VfGH G141/10: haben Anspruchswerber im Vertrauen auf eine längere Verjährungsfrist Ansprüche noch nicht geltend gemacht, so könnte eine Verkürzung der Verjährungsfrist [womit die Ansprüche mit einem Schlag verjährt wären] die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie verletzen – so wie in casu das Vertrauen auf einen Gesellschaftsvertrag ohne Gesellschafterausschluß durch seine nachträgliche gesetzliche Einführung verletzt wird).

Das GesAusG greift daher auf zwei Arten in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums ein:

Zum einen kann dem Minderheitsgesellschafter sein Gesellschaftsanteil durch Handlung eines Dritten (des Mehrheitsgesellschafters) entzogen werden, ohne daß er die Möglichkeit hätte dies zu verhindern.

Zum anderen verändert das GesAusG unmittelbar alle Gesellschaftsverträge und Satzungen, in denen bis zu seinem Inkrafttreten () keine Gesellschafterausschlußregel enthalten war; diese Verträge wurden durch Inkrafttreten des GesAusG gegen den Willen der Vertragsparteien abgeändert und damit in deren Privatautonomie eingegriffen.

Eigentumsbeschränkungen sind nur zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht berühren oder in anderer Weise gegen bindende Verfassungsgrundsätze verstoßen, im öffentlichen Interesse liegen, und nicht unverhältnismäßig und unsachlich sind. Wie in Folge (1.4) ausgeführt wird, sind diese Voraussetzungen jedenfalls bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht erfüllt – und der Eigentumseingriff durch das GesAusG daher verfassungswidrig.

1.4 Verfassungswidrigkeit

Das GesAusG greift in das verfassungsgesetzlich gewährleistete[…] Recht[…] auf Unverletzlichkeit des Eigentums ein. Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen sind nur zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen [VfGH VfSlg 1853, VfSlg 9911/1983, VfSlg 14.535/1996, VfSlg 15.577/1999]. Das öffentliche Interesse wird durch bestimmte Voraussetzungen präzisiert; in Folge wird ausgeführt, daß diese Voraussetzungen [VfGH VfSlg 3666] nicht vorliegen:

– es liegt kein konkreter Bedarf vor, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt (dazu sogleich 1.4.1); und

– der Eingriff genügt nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu unten 1.4.2).

Darüber hinaus dürfen Eigentumsbeschränkungen den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht berühren oder in anderer Weise gegen bindende Verfassungsgrundsätze verstoßen [VfGH VfSlg 9189/1981, VfSlg 10.981/1986, VfSlg 15.577/1999]; auch diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt (dazu unten 1.4.3).

1.4.1 Öffentliches Interesse

Es ist (auch von Seiten des Gesetzgebers) unbestritten, daß die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses vor allem im Interesse des Hauptgesellschafters liegt [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 26]. Das über das Interesse des Hauptgesellschafters (welches unzweifelhaft keine Eigentumsbeschränkung rechtfertigen würde) hinausgehende öffentliche Interesse soll nach Ansicht des Gesetzgebers 'an der Schaffung wettbewerbsfähiger und reaktionsschneller Unternehmens- und Kontrollstrukturen' bestehen, 'die ohne Minderheitsgesellschafter leichter zu verwirklichen sind; denn um die effizienzsteigernde unternehmerische Vollintegration zu erreichen' bedürfe es der Möglichkeit des Durchgriffs, die 'leichter gegeben ist, wenn die Interessen der Minderheitsgesellschafter nicht mehr zu berücksichtigen sind.' [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 26f]. Hinzu komme 'auch die hohe Kostenbelastung der Gesellschaft durch eine kleine Minderheit (allenfalls verschärft durch die Kosten der Börsennotierung)' [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 27].

Da der Eingriff in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte nur aus öffentlichem Interesse zulässig ist, wird auf das Interesse des Mehrheitsgesellschafters in Folge nicht weiter eingegangen. Dafür wird das öffentliche Interesse einer genaueren Betrachtung unterzogen. Dabei zeigt sich, daß zum vermeintlichen öffentlichen Interesse sowohl in den Gesetzesmaterialien als auch in der Literatur immer die gleichen Schlagworte von wettbewerbsfähigen und reaktionsschnellen Unternehmensstrukturen wiederholt werden [Vgl. etwa Kalss aaO Rz 2 Vor § 1 GesAusG mwN. ] – daß sich aber offenbar noch niemand darüber Gedanken gemacht hat, was diese 'Überschriften' in materieller Hinsicht eigentlich aussagen; was also an (sicher toll klingenden) Schlagworten wie 'wettbewerbsfähigen und reaktionsschnellen Unternehmens- und Kontrollstrukturen' inhaltlich eigentlich dran ist. Dies wird in Folge für die hier interessierende Konstellation – nämlich eine GmbH – untersucht.

Ausgangspunkt dafür sind die Gesetzesmaterialien. Dabei fällt zunächst ins Auge, daß diese zum Gesellschafterausschluß aus einer GmbH nichts 'hergeben'. Denn ausweislich der Materialien soll das öffentliche Interesse grundsätzlich darin bestehen, daß ohne Rücksicht auf Minderheitsgesellschafter die 'effizienzsteigernde unternehmerische Vollintegration' leichter zu erreichen sei, aufgrund derer 'wettbewerbsfähige und reaktionsschnelle Unternehmens- und Kontrollstrukturen' geschaffen würden [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 26 f.]. Damit bezieht sich das gesamte vom Gesetzgeber dargetane öffentliche Interesse am Gesellschafterausschluß ausschließlich auf jenen Fall, für den er europarechtlich vorgesehen war: nämlich auf die Integration einer börsennotierten Gesellschaft nach einer erfolgreichen Übernahme. Die Gesetzesmaterialien gehen nicht mit einem Wort darauf ein, worin das öffentliche Interesse an der Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses in der GmbH – bei der es keine Übernahme nach dem ÜbG gibt (und für die weder ÜbG noch Übernahme-RL gelten) – liegen soll.

Eine direkte Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien scheidet also aus – das Gesetz selbst ermöglicht zwar auch den Gesellschafterausschluß aus der GmbH, die Materialien erklären das öffentliche Interesse aber nur für die Konstellation einer börsennotierten AG nach einer Übernahme. In einem zweiten Schritt ist daher zu prüfen, ob ein öffentliches Interesse sichtbar wird, wenn man die vom Gesetzgeber herangezogene Begründung gleichsam interpretativ auf die GmbH erweitert:

Die Schaffung besserer 'Kontrollstrukturen' scheidet dabei aus, denn die werden durch den Ausschluß von Minderheitsgesellschaftern aus einer GmbH keinesfalls verwirklicht. Gerade das Vorhandensein anderer Gesellschafter, die die Gebarung des Unternehmens im Rahmen ihrer gesetzlichen Kontrollmöglichkeiten überwachen (und wenn nötig gerichtlich durchsetzen), zwingt Geschäftsführung und Mehrheitsgesellschafter zur Einhaltung von Transparenz- und Gläubigerschutzbestimmungen. Ein Unternehmen, in dem niemand dem Mehrheitseigentümer 'auf die Finger schaut', ist nicht besser sondern wesentlich schlechter kontrolliert. Dazu kommt noch, daß Minderheitsgesellschafter ohnedies nur kontrollieren können, ob die ihnen zugänglichen Informationen auf rechtswidrige Vorgänge im Unternehmen hindeuten; und ein öffentliches (!) Interesse daran, Unternehmen die Einhaltung 'lästiger' gesetzlicher Bestimmungen zu ersparen (indem man ihnen ermöglicht, die effizienteste Kontrollinstanz – nämlich die Minderheitsgesellschafter – loszuwerden), gibt es bestimmt nicht.

Wie durch die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses aus der GmbH 'wettbewerbsfähige Unternehmensstrukturen' geschaffen werden könnten (oder wo das öffentliche Interesse daran liegen soll), ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Wahl der Rechtsform ist eine typische unternehmerische Entscheidung. Wie alle Gesellschaftsformen haben auch Kapitalgesellschaften positive Seiten (erleichterte Kapitalaufbringung, beschränkte Haftung, usw.) und negative Seiten (wenn man die Beachtung der gesetzlichen Rechte aller Gesellschafter – auch der gering beteiligten – als solche verstehen will). Mit diesen positiven und negativen Seiten steht das Unternehmen der Kapitalgesellschaft im Wettbewerb mit allen anderen Mitbewerbern, die ebenfalls die unternehmerische Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform getroffen haben (und mit den positiven und negativen Aspekten der gleichen, oder einer anderen, Rechtsform arbeiten). Die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses schafft keine 'wettbewerbsfähigen Unternehmensstrukturen'. Doch selbst wenn: worin liegt das öffentliche Interesse darin, Kapitalgesellschaften, die zu mindestens 90% in der Hand eines Eigentümers sind (und nur diese), 'wettbewerbsfähiger' zu machen? Wenn die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses ein Unternehmen tatsächlich wettbewerbsfähiger macht: worin liegt das öffentliche Interesse daran, Kapitalgesellschaften mit Minderheitsbeteiligung bis zu 10% gegenüber allen anderen (insb. Kapitalgesellschaften mit Minderheitsbeteiligung über 10%) einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen? 'Wettbewerbsfähige Unternehmensstrukturen' klingt gut, ist bei näherer Betrachtung aber eine Leerformel.

Richtig könnte hingegen sein, daß ein Unternehmen 'reaktionsschneller' geführt werden kann, 'wenn die Interessen der Minderheitsgesellschafter nicht mehr zu berücksichtigen sind'. Denn ein Alleingesellschafter, der niemanden fragen und niemanden informieren muß und niemandem Rechenschaft schuldig ist, kann – so möchte man meinen – schneller entscheiden. Das erklärt das Interesse des Mehrheitsgesellschafters, seine(n) Minderheitsgesellschafter loszuwerden; ein öffentliches Interesse daran erklärt es aber nicht. Ein solches ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Dazu kommt noch, daß das Argument der Reaktionsschnelle nur auf den ersten Blick richtig erscheint, einer genaueren Betrachtung aber nicht standhält. Jedenfalls nicht bei der GmbH, um die es hier geht: denn das Unternehmen der GmbH wird nicht durch die Gesellschafter geführt, sondern durch den/die Geschäftsführer. Sie sind es, denen die Geschäftsleitung und die Vertretung der Gesellschaft übertragen ist, sie sind es, die im Tagesgeschäft schnell reagieren müssen. Dagegen könnte man natürlich einwenden, daß die Geschäftsführer Weisungen der Gesellschafter zu befolgen haben. Das stimmt, nur beißt sich die Katze dann in den Schwanz (weil es dann wieder nur um das Interesse des Mehrheitsgesellschafters geht, nicht um öffentliches); vor allem aber führt es hier nicht weiter, da es beim GesAusG nur um den Ausschluß von Gesellschaftern mit einer Beteiligung von maximal 10% geht – und solche Minderheitsgesellschafter können rechtmäßige Gesellschafterweisungen sowieso nicht verhindern (§39 Abs 1 GmbHG).

Was bleibt, ist 'die hohe Kostenbelastung der Gesellschaft durch eine kleine Minderheit'. Auch das ist aber keine tragfähige Begründung eines öffentlichen Interesses; und zwar bei näherer Betrachtung gleich aus mehreren Gründen:

a)Zunächst ist es überhaupt kein öffentliches Interesse, sondern ein Interesse der Gesellschaft, die die Kostenbelastung trifft – was der Gesetzgeber sogar erkannt und in den Materialien offen ausgesprochen hat ['…die hohe Kostenbelastung der Gesellschaft…' (ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 27, Hervorhebung durch Schriftsatzverfasser)].

b)Vor allem aber handelt es sich um einen Zirkelschluß: natürlich verursacht die Ausübung der (umfassenden) Informations- und (spärlichen) Mitbestimmungsrechte der Minderheitsgesellschafter einen gewissen Aufwand. Doch ist diese genau das: die Ausübung von Rechten! Gegen ihre mißbräuchliche Ausübung besteht ohnedies gesetzlicher Schutz (§1295 Abs 2 ABGB), was bleibt ist ihre berechtigte Ausübung – und das öffentliche (!) Interesse an einem Gesellschafterausschluß kann wohl kaum damit begründet werden, daß Gesellschafter die Befugnisse ausüben, die ihnen das Gesetz einräumt [Torggler, Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesellschafter-Ausschlußgesetzes 2006 (11/SN-363/ME XXII. GP) S. 4]. Das ist ein Zirkelschluß, mit dem alles und nichts begründet werden kann.

c)Letztlich wird in den Materialien zwar auf den 'Mehrpersonenaufwand' hingewiesen, den die Beteiligung von Minderheitsgesellschaftern erzeugen soll; es bleibt aber im Dunkeln, worin dieser Aufwand bestehen und welche Ausmaße er haben soll. Ein GmbH-Minderheitsgesellschafter (der sich nicht obstruktiv verhält – aber dafür gibt es bereits gesetzliche Vorsorge, nämlich § 1295 Abs 2 ABGB), verursacht überhaupt keinen nennenswerten Aufwand – und ganz sicher erreicht ein solcher 'Mehrpersonenaufwand' keine volkswirtschaftlich spürbaren Dimensionen, die das öffentliche Interesse tangieren würden [Torggler aaO S. 3].

Im Ergebnis besteht kein öffentliches Interesse daran, den grundlosen Gesellschafterausschluß aus einer GmbH zu erlauben. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Gründe mögen bei einer AG (insb. bei einer börsennotierten nach einer Übernahme) ihre Berechtigung haben, bei der GmbH erweisen sie sich bei näherer Betrachtung als Leerformeln. Der Versuch, das Interesse des Mehrheitsgesellschafters in ein öffentliches umzudeuten, muß scheitern – jedes behauptete 'öffentliche' Interesse führt letztlich doch wieder zum Interesse des Mehrheitsgesellschafters. Natürlich kann man mit Alleineigentum ungebundener verfahren als mit Miteigentum – das begründet aber kein öffentliches Interesse daran, dem Mehrheitseigentümer gesetzlich zu ermöglichen, die Minderheitseigentümer aus ihrem Eigentum zu drängen.

Mit der gleichen Argumentation von Effizienz und Kosten müßte man sonst etwa auch den Kündigungsschutz des MRG beseitigen, wenn in einem (nicht abzubrechenden) Zinshaus nur noch 10% der Fläche vermietet und der Rest bestandfrei ist – denn der Eigentümer hätte natürlich viel weitergehende Möglichkeiten, müßte er auf keine Bestandrechte mehr Rücksicht nehmen (und er könnte am Immobilienmarkt 'wettbewerbsfähiger und reaktionsschneller' agieren). Dennoch käme niemand auf die Idee, daß derartiges im 'öffentlichen Interesse' liegen könnte.

Es hat schon einen Grund, daß sich die Literatur über das öffentliche Interesse am Gesellschafterausschluß aus der GmbH nobel zurückhaltend ('nur in relativ geringem Maß ausgeprägt' [Kalss aaO Rz 2 Vor § 1 GesAusG; Kalss/Zollner, Squeeze-out S. 37], 'eher schwach' [Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out S. 38]) bis eindeutig ablehnend ('gar kein öffentliches Interesse' [Torggler aaO S. 5]) äußert.

1.4.2 Verhältnismäßigkeit

Eigentumsbeschränkungen sind nur dann nicht verfassungswidrig, wenn sie verhältnismäßig sind. Sie müssen also im öffentlichen Interesse liegen (was sie in casu nicht tun – dazu oben 1.4.1), und zur Erreichung ihres Ziels geeignet sein (was überschießende Eingriffe idR sind, weswegen auf dieses Kriterium nicht weiter eingegangen wird). Des weiteren müssen sie zur Erreichung des Ziels erforderlich und adäquat sein; die beiden letztgenannten Voraussetzungen sind, wie in Folge ausgeführt wird, im vorliegenden Fall nicht erfüllt (zur Erforderlichkeit sogleich 1.4.2.1, zur Adäquanz unten 1.4.2.2).

1.4.2.1 Erforderlichkeit

Eine Eigentumsbeschränkung ist erforderlich, wenn sie das gelindeste Mittel zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles bildet – also von mehreren möglichen Mitteln jenes ist, das die Grundrechtsposition am [W]enigsten einschränkt. Spätestens an diesem Punkt wird die Einbeziehung der GmbH in das GesAusG jedenfalls verfassungswidrig. Denn auch, wenn man ein öffentliches Interesse anerkennen wollte (oben 1.4.1), so gäbe es zahlreiche weniger eingriffsintensive Möglichkeiten zur Erreichung der vom Gesetzgeber genannten Ziele; [VfGH VfSlg 19.515/2011], alles über einen Kamm zu scheren (börsennotierte und geschlossene Aktiengesellschaften, Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bereits existente und noch zu gründende Gesellschaften) ist keinesfalls erforderlich. Im einzelnen:

a)Um den 'Aufwand' zu verringern, den das Informationsrecht der Gesellschafter verursacht, würde es ausreichen, dieses von der Rspr entwickelte Recht gesetzlich zu konkretisieren (und etwa festzulegen, in welche Unterlagen der Gesellschafter mit welchem Aufwand zu welcher Zeit Einsicht nehmen darf und welche Auskünfte ihm erteilt werden müssen).

b)Geht es um rechtsmißbräuchliche Anfechtungsklagen, so könnten die ohnedies bereits bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten über § 1295 Abs 2 ABGB hinaus erweitert oder die Minderheitenklagerechte reformiert werden [Badenberg, Hinreichender Eigentumsschutz der Minderheitsaktionäre beim Rauswurf (Squeeze-out) S. 18].

c)Soll der Gesellschafterausschluß 'lästiger' Gesellschafter möglich sein, so muß er wenigstens ultima ratio bleiben, statt im Belieben des Mehrheitsgesellschafters zu stehen – also etwa als Gesellschafterausschluß aus wichtigem Grund, wie bei Dauerschuldverhältnissen.

d)Der Gesetzgeber könnte dem Minderheitsgesellschafter auch eine Wahlmöglichkeit einräumen, die Anteile des Hauptgesellschafters zu den gleichen Konditionen zu übernehmen, zu denen der Hauptgesellschafter jene des Minderheitsgesellschafters übernehmen will. Eine solche Regelung wird häufig in Gesellschaftsverträgen vereinbart. Sie erwirkt eine gerechte Bewertung (weil der Hauptgesellschafter nicht weiß, ob er zum festgesetzten Preis übernehmen oder abgeben wird), und verhindert, daß ein Gesellschafter seine Anteile verliert ohne eine Möglichkeit zu haben, dies zu vermeiden. Das Ergebnis bleibt das gleiche (die Vereinigung aller Anteile in der Hand eines Gesellschafters), der Grundrechtseingriff ist aber deutlich gelinder.

e)Auch die Beeinflussung von 'Reaktionsgeschwindigkeit' und 'Wettbewerbsfähigkeit' einer Gesellschaft durch ihre Minderheitsgesellschafter hängt ausschließlich davon ab, wie die Minderheitenrechte gesetzlich ausgestaltet sind (allein die Beseitigung manch formaler Beschlußerfordernisse würde sehr viel mehr dazu beitragen, 'reaktionsschnelle Unternehmensstrukturen' zu schaffen, als die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses in der GmbH).

f)Der Eingriff in die Privatautonomie, der durch die unterschiedslose Anwendbarkeit des GesAusG auch auf bei seinem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Gesellschaftsverträge verwirklicht wird, könnte durch entsprechende Übergangsbestimmungen gelinder ausgestaltet werden. Zwar kann die Ausschlußmöglichkeit nach GesAusG gesellschaftsvertraglich abbedungen werden – all jenen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits Gesellschafter waren, hilft das aber nichts; bei bereits bestehenden Gesellschaften müßte die Zweifelsregel daher umgekehrt werden [Torggler aaO S. 6] (sodaß der Gesellschafterausschluß weiterhin unmöglich bleibt, wenn er nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird).

g)Letztlich könnte der Gesellschafterausschluß auch einfach auf jenen Bereich beschränkt werden, in dem tatsächlich geringer Streubesitz einen unverhältnismäßigen Aufwand erzeugen kann (und in dem der typische Anleger reine Vermögens- und keine Bestandsinteressen hat): nämlich auf (börsennotierte) Aktiengesellschaften.

Im Ergebnis ist die Möglichkeit des grundlosen Ausschlusses aus einer GmbH daher keinesfalls das gelindeste Mittel zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele. Dem Gesetzgeber stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, diese Ziele auf eine Art und Weise zu erreichen, welche die Grundrechtsposition deutlich weniger einschränkt. Demgegenüber wurde mit der Anwendbarkeit des GesAusG auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung jener Weg gewählt, der den stärksten Eingriff in die Grundrechtsposition verwirklicht: nämlich den gänzlichen Entzug des Eigentums.

1.4.2.2 Adäquanz

Zwischen dem öffentlichen Interesse und der durch den Eingriff verkürzten Grundrechtsposition muß eine angemessene Relation bestehen (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn). Der Eingriff muß bei einer Gesamtabwägung zwischen seiner Schwere einerseits und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits verhältnismäßig sein [VfGH VfSlg 16.740/2002]. Nimmt man die Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse (sogleich a.) und dem Interesse des Minderheitsgesellschafters (unten b.) vor, so zeigt sich, daß die Möglichkeit des grundlosen Ausschlusses aus einer GmbH keineswegs verhältnismäßig ist (unten c.):

a.) Öffentliches Interesse

Wie bereits ausgeführt (oben 1.4.1), ist das öffentliche Interesse an der Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses gering bis nonexistent. Das Interesse des Mehrheitsgesellschafters daran, Minderheitsgesellschafter möglichst einfach und billig loswerden zu können, ist zwar evident, aber für die Verfassungskonformität nicht relevant. Nebenbei bemerkt, ist dieses Interesse des Mehrheitsgesellschafters auch nicht schutzwürdig: denn jeder, der sich an einer Mehrpersonengesellschaft – d.h. an einer vertraglichen Zweckvereinigung – beteiligt, weiß, daß eine solche Vereinigung mit anderen Personen zu einem 'gemeinsamen Zweck' nicht ganz ohne Reibungsverluste abgeht [Torggler aaO S. 3]. Dazu kommt noch, daß die Verbandsqualität die Grundlage dafür ist, daß der Gesetzgeber juristischen Personen überhaupt Rechtspersönlichkeit verleiht. Die Einmann-Gesellschaft (und insb. die beherrschte Gesellschaft im Konzern) ist eine systemwidrige Entwicklung, die erst in jüngster Vergangenheit gesetzlich anerkannt wurde. Systematisch ist sie die tolerierte Ausnahme, nicht der anerkannte und von der Rechtsordnung geschützte Regelfall.

b.) Interesse des Minderheitsgesellschafters einer GmbH

Die Interessen des (ausgeschlossenen) Gesellschafters lassen sich in Bestands- und Vermögensinteresse teilen [Kalss aaO Rz 2 Vor § 1 GesAusG mwN]. Während das Vermögensinteresse den Wert des Anteils beschreibt, zielt das Bestandsinteresse auf den Erhalt der Beteiligung selbst.

Je geringer das Bestandsinteresse eines Gesellschafters ist, desto eher ist der Ausschluß gerechtfertigt [Kalss aaO Rz 2 Vor § 1 GesAusG]. Je eher eine Beteiligung für den Gesellschafter typischerweise 'nur Geld' ist, nur ein Posten in seinem Portfolio, an dem ihn lediglich der Kurs interessiert – desto eher ist es gerechtfertigt, diese Beteiligung zwangsweise gegen Geld umzutauschen (sozusagen 'quasi nur Geld' gegen 'wirklich nur Geld'). Umgekehrt ist ein Gesellschafterausschluß umso weniger gerechtfertigt, je mehr das Interesse des Gesellschafters über das reine Vermögensinteresse hinausgeht. Je eher eine Beteiligung für den Gesellschafter typischerweise 'mehr als nur Geld' ist, sich der Gesellschafter typischerweise nicht nur als Kapitalgeber begreift, sondern als Teilhaber, der das Unternehmen, seine Produkte, seine Werte und seiner Geschichte mitträgt – desto weniger ist es gerechtfertigt, diese Beteiligung zwangsweise gegen Geld umzutauschen (weil 'nur Geld' dem Gesellschafter das, was ihm entzogen wird, nicht ersetzen kann). Das Bestandsinteresse äußert sich aber nicht nur in der ideellen und persönlichen Verbundenheit mit dem Unternehmen, es hat auch handfeste wirtschaftliche Komponenten, die es vom Vermögensinteresse unterscheiden – so kann etwa eine Unternehmensbeteiligung in Zeiten starker Inflation ein Schutz vor Vermögensverlust sein, sie kann (gerade wenn der Gesellschafter mit den Produkten des Unternehmens vertraut ist) besondere Gewinnchancen für die Zukunft bergen, etc.

Das Vermögensinteresse des Gesellschafters drückt sich im Wert der Beteiligung aus, und wird daher durch die Barabfindung geschützt. Deshalb ist die Angemessenheit der Entschädigung ein maßgebliches Kriterium für die Verfassungsmäßigkeit des Gesellschafterausschlusses [Kalss aaO Rz 2 Vor § 1 GesAusG mwN]. Das Bestandsinteresse wird durch die Barabfindung nicht geschützt – der ausgeschlossene Gesellschafter mag zwar Geld erhalten, aber seine Beteiligung ist ihm gegen seinen Willen entzogen worden.

Die Unterscheidung zwischen Vermögens- und Bestandsinteresse ist wesentlich. Denn sie zeigt, warum es einen entscheidenden Unterschied macht, ob das Gesetz den Gesellschafterausschluß nur bei der AG oder auch bei der GmbH erlaubt. Beide Interessen, das Vermögens- und das Bestandsinteresse, sind geschützt [vgl. hiezu die Nachweise bei Torggler aaO Fn 8]. Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist das Bestandsinteresse, das nicht durch eine Barabfindung kompensiert werden kann, aber typischerweise viel stärker ausgeprägt als bei Aktiengesellschaften – die Gesellschafterstellung in einer GmbH ist in aller Regel viel weniger reine Vermögensveranlagung als der Kauf einer Aktie an der Börse. Eine GmbH hat zahlreiche personalistische Elemente [Koppensteiner/Rüffler, GmbH-Gesetz3 Rz 4 Allg Einl]; sie hat keinen Streubesitz, unterliegt erschwerten Bedingungen für die Übertragung von Geschäftsanteilen, zeigt oft eine Personalunion von Gesellschaftern und Geschäftsführern, etc. [Vgl. weiterführend Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 17 zu § 3]. Die GmbH ist zwar auch eine Kapitalgesellschaft wie die AG, aber eben nicht nur; sie verbindet damit viele personalistische Elemente [Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 4/9] – und dies keineswegs 'nebenbei', sondern weil der Gesetzgeber sie im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bewußt personalistischer ausgestaltet hat als die AG. Man denke nur an die Notariatsaktpflicht für die Übertragung von Geschäftsanteilen (§76 Abs 2 GmbHG), die ausweislich der Gesetzesmaterialien (und der stRspr [Nachweise bei Rauter in Straube, Wiener Kommentar GmbHG (68. Lieferung 2014) Rz 14 zu § 76 GmbHG]) eine möglichst weitgehenden Immobilisierung der Geschäftsanteile bezweckt, um diese mit umso größerer Sicherheit dem Handel zu entziehen [Zollner in Torggler, GmbHG (2014) Rz 14 zu § 76 GmbHG, sowie Rauter in Straube aaO Rz 14 § 76 GmbHG, je mwN] – 'Das Formerfordernis beruht darauf, dass die Geschäftsanteile nicht zum Gegenstand des Handelsverkehrs werden sollen; insbesondere sollen sie nicht in den Börsenverkehr geraten und nicht zum Gegenstand der Agiotage werden […] [RIS-Justiz RS0060244]. Man denke weiters an das (ursprünglich sogar gerichtlich strafbare! [§121 GmbHG idF RGBl 1906/58, aufgehoben durch BGBl 1990/475]) Verbot der Ausgabe negoziabler Wertpapiere über Geschäftsanteile (§75 Abs 3 GmbHG) [Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer aaO Rz 4/28], das gerade solche Übertragungsformen ausschließt, die die Umlauffähigkeit erhöhen sollen [Rauter in StraubeaaO (67. Lieferung 2014) Rz 45 zu § 75 GmbHG mwN]. Oder man denke an § 32 Abs 2 IO und § 4 Abs 2 AnfO, die Gesellschafter einer GmbH als 'nahe Angehörige' (!) der Gesellschaft behandeln [Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer aaO Rz 4/24]. Oder auch an die subsidiäre Mithaftung jedes einzelnen Gesellschafters für die Aufbringung ausständiger Stammeinlagen (§70 GmbHG) und im Falle einer Einlagenrückgewähr an andere Gesellschafter (§83 Abs 3 GmbHG) – 'auf diese Weise befinden sich GmbH-Gesellschafter selbst dann, wenn ihre Einlagen vollständig aufgebracht und korrekt bewertet wurden, weiterhin in einer Haftungsgemeinschaft mit dem damit verbundenen persönlichen Haftungsrisiko!' [Reich-Rohrwig in Harrer/Rüffler/Schima, Die GmbH – Festschrift für Hans-Georg Koppensteiner, S. 237 mwN]. Die Beispiele ließen sich fortführen, sie illustrieren aber nur, was ohnedies unstrittig ist – daß nämlich die GmbH in ihrer gesetzlichen Konzeption gerade keine der AG vergleichbare 'anonyme Kapitalanlage' ist, sondern eine Kapitalgesellschaft mit stark personalistischen Zügen [Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 4 Allg Einl; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer aaO Rz 4/9], die sich teilweise den Personengesellschaften annähert [Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer aaO Rz 4/24] und daß diese Ausgestaltung auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers beruht [In kaum überbietbarer Deutlichkeit etwa der Herrenhausbericht (272 Blg stProt HH XVII. Session [1905], 2): '…so muss hier, wo die Gesellschafter durch eine aufgezwungene Garantiepflicht aneinander gekettet werden, jeder Gesellschafter in der Auswahl der Mitgesellschafter mit solcher Vorsicht verfahren, wie wenn er eine offene Gesellschaft eingehen wollte.' (Hervorhebung durch Schriftsatzverfasser)].

Mit diesem rechtlichen Rahmen ist die GmbH geradezu das kapitalgesellschaftliche Gegenstück zur AG – während die großen Vorteile der AG besonders im Bereich der Kapitalaufbringung und der Handelbarkeit der Anteile liegen, eignet sich die GmbH besonders für Gesellschaften mit wenigen Gesellschaftern, die zum Teil oder alle in der Geschäftsführung mitarbeiten wollen, daher insb. für Klein- und Mittelbetriebe [Nowotny in Kalss/Nowotny/SchaueraaO Rz 4/10]. Das ist nicht nur juristische Theorie, es spiegelt sich auch in der gelebten Praxis wider, wie die typische Gesellschafterstruktur der österreichischen GmbH eindrucksvoll zeigt: von den ca. 95.000 GmbH, die es Ende 2003 in Österreich gab, hatten ca. 91.000 (!) nicht mehr als fünf Gesellschafter [Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer aaO Rz 4/10].

Ein GmbH-Geschäftsanteil ist also (anders als die Beteiligung eines Kleinaktionärs) typischerweise keine bloße Vermögensanlage. Der ideal- oder realtypische GmbH-Kleingesellschafter ist nicht ein Anleger mit bloßen Vermögensinteressen. Es geht meist um Personen, die dem Unternehmensgründer persönlich nahegestanden und sich gerade deswegen beteiligt haben [Torggler aaO S. 3]. Der vorliegende Anlaßfall ist somit kein Beispiel für eine ausgerissene Ausnahme, sondern für eine typische GmbH-Geschichte: die Gesellschafter sind keine anonymen Finanzinvestoren, sondern das ehemalige Ehepaar (*****************mittlerweile über seine Privatstiftung), das die erste Werkshalle noch selbst gestrichen hat und auf dessen Küchentisch die ersten Pläne gezeichnet wurden; der ausgeschlossene Gesellschafter ist kein Minderheitsaktionär, der an der Börse Aktien gekauft hat, sondern die Ehefrau die in den Gründungsjahren des Unternehmens mit den Kindern am Rücksitz Lieferungen ausfuhr, während ihr Mann seinem Brotberuf nachging, und die noch mit über 70 jeden Tag in ihr Büro kam, in 'ihrer' Gesellschaft. Das ist die österreichische GmbH! Eine ausgerissene Ausnahme ist im vorliegenden Fall der enorme finanzielle Erfolg des Unternehmens – nicht aber die Verbundenheit des Minderheitsgesellschafters, die sich mit 'nur Geld' weder beschreiben noch kompensieren läßt.

Abschließen[d] darf darauf hingewiesen werden, daß auch der Gesetzgeber anerkennt, daß 'bei Gesellschaftern einer GmbH häufig das Bestandsinteresse stärker ausgeprägt ist als bei Anlegern, die notierende Aktien besitzen' [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 27]. Nach den Gesetzesmaterialien soll die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses auch bei der GmbH (statt nur bei der AG) aber deshalb dennoch verfassungskonform sein, weil sich GmbH-Gesellschafter 'oft gegen einen Ausschluß schützen' könnten: 'Denn erstens kann in einer Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern die Ausübung der Ausschlussbefugnis verboten werden; zweitens kann die Anwendung des Gesetzes auch im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung abbedungen werden (vgl. § 1 Abs 3).' [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 27]. Dieses Argument ist allerdings nicht tragfähig; denn ein verfassungswidriges Gesetz wird nicht dadurch verfassungskonform, daß die Rechtsunterworfenen abweichende vertragliche Vereinbarungen treffen können. Es ist der Gesetzgeber, der die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte zu garantieren hat. Im [Ü]brigen hilft dies Gesellschaften, die bei Inkrafttreten des GesAusG schon existierten, nicht – hiezu hätte es jener Übergangsregelung bedurft, die dem GesAusG fehlt (oben 1.4.2.1.f).

c.) Ergebnis

Einem – wenn überhaupt! – schwachen öffentlichen Interesse an der Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses aus der GmbH steht ein typischerweise starkes Bestandsinteresse des Minderheitsgesellschafters gegenüber. Das GesAusG ermöglicht einen gravierenden Eingriff in die Rechtsposition des Minderheitsgesellschafters; durch einseitiges Handeln von Privaten (Hauptgesellschafter) können ihm sämtliche mit seiner Gesellschafterstellung verbundenen Rechte entzogen werden. Dies völlig unabhängig davon, wie sich der Minderheitsgesellschafter verhält: das GesAusG enthält kein objektivierendes Element, das den Gesellschafterausschluß auf Fälle beschränken würde, in denen ein Minderheitsgesellschafter das Unternehmen tatsächlich behindert (und ein volkswirtschaftlicher Nachteil – und somit ein öffentliches Interesse – überhaupt erst möglich ist).

Die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Regelung und dem Interesse des Betroffenen an der Vermeidung des Eigentumseingriffs führt somit zu einem eindeutigen Ergebnis: das öffentliche[...] Interesse überwiegt nicht. Die Eigentumsbeschränkung durch die Möglichkeit des grundlosen Ausschlusses aus einer GmbH ist daher nicht verhältnismäßig.

Torggler bringt die Besonderheit der GmbH, bei der (im Unterschied zur börsennotierten AG) typischerweise ein hohes Bestandsinteresse besteht, auf den Punkt: 'Es ist ein Unrecht, wenn zB ein beteiligter Arbeitnehmer, die Ex-Ehefrau oder ihre Nachfahren aus zweiter Ehe ohne weiteres hinausgekündigt werden können, sobald der einst so heiß ersehnte Beitrag zur Eigenkapitalbildung ersetzbar geworden ist.' [Torggler aaO S. 3].

1.4.3 Wesensgehalt der Eigentumsgarantie

Einfache Gesetze dürfen die grundrechtlich garantierten Freiheiten nur so weit einschränken, als diese dadurch nicht beseitigt werden. Ein Gesetz darf den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht antasten. Für die Eigentumsordnung bedeutet dies insb. die Gewährleistung als Institutsgarantie: dem einfachen Gesetzgeber ist es verwehrt, die von ihm selbst geschaffene Eigentumsordnung zu beseitigen oder essentiell zu verändern.

Darüber hinaus muß ein Gesetz, das ein Grundrecht ausführt und beschränkt, seiner Funktion als das Grundrecht konkretisierende und realisierende Norm nachkommen – also in seiner Richtung mit der grundrechtlichen Wertentscheidung selbst übereinstimmen und die Grundrechtsgewährleistung nicht übermäßig einschränken.

Das GesAusG widerspricht somit dem Wesen des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums. Das Eigentumsrecht des Minderheitsgesellschafters wird auf die intensivst mögliche Art beschränkt: es wird entzogen (was das Bestandsinteresse betrifft sogar entschädigungslos), ohne daß er irgendetwas dagegen tun könnte. Dadurch wird in verfassungswidrigem Ausmaß in die grundrechtliche Wertentscheidung (die das Eigentum des Individuums schützt, statt es dem Belieben der Mehrheit zu unterwerfen) eingegriffen.

2. Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz

[…]

2.2 Sachlichkeitsgebot

Aus dem Verbot unsachlicher Differenzierungen und dem Gebot sachlicher Differenzierungen ergibt sich das den Gesetzgeber bindende Sachlichkeitsgebot, das auch die Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die Rechtsposition des Einzelnen gebietet [Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer aaO Rz 1360 mwN].

Die Anwendbarkeit des GesAusG auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung liegt nicht im öffentlichen Interesse (oben 1.4.1) und ist unverhältnismäßig (oben 1.4.2). Sie verstößt daher nicht nur gegen die Eigentumsgarantie, sondern auch gegen das Sachlichkeitsgebot.

Des [W]eiteren gibt es keine sachlichen Gründe dafür, die Anwendbarkeit des GesAusG auch auf bei seinem Inkrafttreten bereits existierende Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu erstrecken und dadurch in bestehende Gesellschaftsverträge einzugreifen. Der Minderheitsgesellschafter hat gegen diese Vertragsänderung keine rechtliche Handhabe. Auch darin liegt nicht nur ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie, sondern auch gegen das Sachlichkeitsgebot.

Letztlich ist die Beteiligungsschwelle für die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses völlig willkürlich festgelegt. Anerkennt man das öffentliche Interesse, gibt es keinen sachlichen Grund dem 89%-Gesellschafter zu verwehren, was der 90%-Gesellschafter darf; verneint man es, gibt es keinen sachlichen Grund den 10%-Gesellschafter schlechter zu stellen als den 11%-Gesellschafter. Die Überlegung, daß bei gering beteiligten Gesellschaftern typischerweise das Vermögensinteresse stärker ausgeprägt ist als das Bestandsinteresse, greift bei der GmbH nicht; denn für den GmbH-Gesellschafter ist es im Unterschied zum Kleinaktionär gerade typisch, daß ihn – auch bei geringer Beteiligung – ein lebhaftes Bestandsinteresse mit 'seiner' Gesellschaft verbindet.

2.3 Vertrauensschutz

Der Vertrauensschutz umfaßt die ineinandergreifenden Problembereiche der Rückwirkung gesetzlicher Regelungen, des Eingriffs in Rechtspositionen, sowie der Enttäuschung faktischer Dispositionen, die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage vorgenommen wurden [Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer aaO Rz 1365]. Gemeinsam ist diesen verschiedenen Ausprägungen des Vertrauensschutzprinzips der Schutz von Vertrauenspositionen des Bürgers vor überraschenden und nicht vorhersehbaren Rechtsänderungen. Dies betrifft insbesondere Normen, die auf Lebenssachverhalte anwendbar sind, denen längerfristige Dispositionen zugrundeliegen, wodurch eine bestimmte Erwartungshaltung geschaffen wurde.

Die Anwendbarkeit des GesAusG auch auf bei seinem Inkrafttreten bereits existierende Gesellschaften mit beschränkter Haftung verletzt den Vertrauensschutz. Vor Inkrafttreten des GesAusG konnte jeder 1%-Gesellschafter einer GmbH, deren Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zu einem Gesellschafterausschluß enthielt, darauf vertrauen, daß ein grundloser Gesellschafterausschluß gegen seinen Willen nicht möglich wäre; er konnte auch darauf vertrauen, daß der Gesellschaftsvertrag nicht ohne seine Zustimmung dergestalt abgeändert würde, daß ein solcher Ausschluß möglich wäre (denn eine solche Gesellschaftsvertragsänderung mit den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters wäre wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nichtig [Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 12 zu Anh § 71, Rz 30 zu § 41]).

Aufgrund des Fehlens von Übergangsbestimmungen kann der Minderheitsgesellschafter einer solchen GmbH jetzt plötzlich durch einseitiges Handeln des Hauptgesellschafters alle mit seinem Geschäftsanteil verbundenen Rechte verlieren, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Dadurch wird das verfassungsgesetzlich geschützte Vertrauen auf faktische Dispositionen (nämlich die Beteiligung an einer GmbH, die keine Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses vorsieht) in einem unverhältnismäßigen und durch kein öffentliches Interesse gerechtfertigten Ausmaß verletzt.

3. Gegenargumente

Die Frage der Verfassungskonformität der hier angefochtenen Bestimmungen des GesAusG wurde im Verfahren ************* des LG Klagenfurt bereits thematisiert, da die Antragstellerin im ersten Rechtsgang beim OLG Graz als Berufungsgericht einen Antrag gem. Art 89 Abs 2 angeregt hat. Das Berufungsgericht hatte aufgrund der Rspr des OGH zum Gesellschafterausschluß in der AG (die allerdings – wie oben ausgeführt – für die GmbH nicht herangezogen werden kann) keine verfassungsrechtlichen Bedenken (und im [Ü]brigen wurde der Berufung der Antragstellerin ohnedies Folge gegeben). Im Rahmen dieser Thematisierung hat die ***** Gesellschaft m.b.H. allerdings ein Privatgutachten von ************************, *****, vom eingeholt und dem Gericht vorgelegt, [*******, Gutachten zu ausgewählten grundrechtlichen Fragestellungen des Gesellschafterausschlusses bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach den Vorgaben des Gesellschafterausschlussgesetzes] um die hier von der Antragstellerin vertretene Rechtsansicht zu entkräften. Es ist daher angezeigt, im Rahmen des vorliegenden Antrages auch kurz zu den darin erhobenen Einwänden Stellung zu nehmen.

Bei genauer Betrachtung enthält das Privatgutachten von *******keine tragfähigen Argumente gegen die Verfassungswidrigkeit des Gesellschafterausschlusses in der GmbH – und zwar weder hinsichtlich des fehlenden öffentlichen Interesses, noch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit; das Problem wird umschifft:

(a) Zum öffentlichen Interesse übernimmt ******* aus den Gesetzesmaterialien jene Prämisse, die oben (1.4.1) im Detail untersucht wurde [******* aaO S. 7 f.], aber wie bereits ausgeführt, entbindet die Wiederholung der immer gleichen Schlagworte zu wettbewerbsfähigen und reaktionsschnellen Unternehmensstrukturen (in Gesetzesmaterialien und österreichischer Literatur) im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht von der Frage, was eigentlich der materielle Inhalt dieser 'Überschriften' ist, und ob er tatsächlich ein öffentliches Interesse begründet. Das Postulat des öffentlichen Interesses, egal von wem es kommt, kann das tatsächliche öffentliche Interesse nicht ersetzten – und ebenso vermag der Hinweis von *******, daß Gesetzesmaterialien und ein Teil der Lehre das öffentliche Interesse postulieren, nicht die (im Privatgutachten fehlende) inhaltliche Auseinandersetzung mit dem vermeintlichen öffentlichen Interesse zu ersetzen. Dazu kommt die ebenso unglückliche wie leider gängige Vermischung der Interessen des Hauptgesellschafters mit öffentlichen Interessen: [*******aaO S. 7 f.] natürlich schadet es dem öffentlichen Interesse nicht, daß der Gesellschafterausschluß auch im Interesse des Mehrheitsgesellschafters liegt; das heißt aber nicht, daß das Interesse des Mehrheitsgesellschafters das öffentliche Interesse ersetzen kann. Das sind zwei verschiedene Fragen, die ohne Not zu oft in einen Topf geworfen werden (die Verknüpfung wäre nicht notwendig – sie ist idR ein argumentativer Trick, um zu verschleiern, daß letztlich doch nur das öffentliche Interesse durch das Gesellschafterinteresse ersetzt oder gar mit ihm gleichgesetzt wird) [Illustrativ hiezu etwa die Ausführungen von******* zu Fn 31 (******* aaO S. 8)].

(b) Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung geht ******* von einer falschen Grundlage aus (die sich dann naturgemäß in der Interessenabwägung niederschlägt) – nämlich von einem 'atypisch hohen Bestandsinteresse des Minderheitsgesellschafters' [******* aaO S. 10, Hervorhebung durch Schriftsatzverfasser.]Wie oben (1.4.2.2.b) gezeigt, ist ein über das Vermögensinteresse hinausgehendes Bestandsinteresse bei der GmbH aber nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In der angezeigten typisierenden Betrachtung ist für die Interessenabwägung bei der GmbH (anders als bei der AG) daher von einem Gesellschafter mit Bestandsinteressen auszugehen, nicht von einem Gesellschafter mit reiner Kapitalbeteiligung. Vor allem aber ist das Privatgutachten bei der Prüfung der Erforderlichkeit mit einem juristischen 'Kardinalfehler' behaftet – weil der Gesellschafterausschluß aus der GmbH mit aktienrechtlichen Argumenten gerechtfertigt wird. ******* begründet die Erforderlichkeit damit, daß Mehrheitsgesellschafter infolge unverhältnismäßiger Transaktionskosten ('Hold-Out') an einer effizienten Anteilskonzentration gehindert werden, insofern die Position des Minderheitsgesellschafters vielfach strategisch eine Maximierung des Transaktionsgewinns nahelegt [*******aaO S. 8 f.]. Diese Argumentation stammt aus dem deutschen Aktienrecht (Nachweise bei ******* Fn 35) – und im Aktienrecht hat sie auch ihre Berechtigung; aber nur dort. Dies wird in den folgenden zwei Absätzen ausgeführt.

Das zentrale Argument für die Verfassungskonformität, auf das sich sowohl die mitbeteiligten Parteien als auch (über den oben b. zitierten Weg)******* berufen haben, ist die deutsche Rechtslage und die hiezu ergangene Judikatur und Lehre. Dieses zentrale Argument hat einen zentralen Fehler: die deutsche Rechtslage ist nämlich genau in dem Punkt, um den es hier geht, mit der österreichischen nicht vergleichbar. Gegenstand des vorliegenden Antrages ist die Aufhebung von Bestimmungen des GesAusG, die den Gesellschafterausschluß aus der GmbH ermöglichen, weil (nach der hier vertretenen Rechtsansicht) es die Unterschiede zwischen personalistischer GmbH und kapitalistischer AG nicht erlauben, die GmbH für Zwecke des Gesellschafterausschlusses der AG gleichzustellen. Das deutsche Recht kennt aber keinen begründungslosen Ausschluß aus der GmbH. Im Gegenteil: der deutsche Gesetzgeber hat genau jene Unterscheidung zwischen GmbH und AG getroffen, die nach Ansicht der Antragstellerin auch in Österreich geboten wäre. Der begründungslose Ausschluß, der dem österreichischen GesAusG entspricht, ist nach §§327a ff dAktG bei Aktiengesellschaften – aber nur bei Aktiengesellschaften – möglich. Der Ausschluß von GmbH-Gesellschaftern hingegen hat nach deutschem Recht entweder durch Ausschlußklage gegen Einziehungsvergütung, oder durch Einziehung des Geschäftsanteils gegen Abfindung gem. § 34 Abs 2 dGmbHG zu erfolgen. Beides ist nicht (wie nach §§327a ff dAktG) begründungslos, sondern nur aus wichtigem Grund zulässig; es bedarf also (wie oben 1.4.2.1.c vorgeschlagen) einer sachlichen Rechtfertigung. Diese steht nicht im Belieben der Gesellschafter: Gesellschaftsvertragsklauseln, die den Ausschluß eines Gesellschafters ohne sachlichen Grund in das freie Ermessen der Gesellschaftermehrheit stellen, sind nach § 138 Abs 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig [StRspr, vgl. etwa BGH II ZR 173/04 (BGHZ 164, 98), BGH II ZR 300/05 (ZIP 2007, 862)]. Das deutsche Recht enthält also jene Differenzierung, die nach der hier vertretenen Rechtsansicht auch in Österreich geboten wäre: aus der kapitalistischeren Gesellschaftsform (AG) ist ein begründungsloser Ausschluß möglich, bei der personalistischeren Gesellschaftsform (GmbH) bedarf der Ausschluß einer sachlichen Rechtfertigung.

Die deutsche Rspr und Lehre zu §§237a ff dAktG kann daher für die Beurteilung der hier relevanten Frage nicht fruchtbar gemacht werden. Sie basiert auf einer Rechtslage, die sich genau im wesentlichen Punkt von der österreichischen unterscheidet; sie kann zur Frage beitragen, warum der begründungslose Ausschluß bei der AG im öffentlichen Interesse liegt – aber nicht zur Frage, warum dies auch bei der GmbH der Fall sein sollte. Dementsprechend ist die Judikatur der deutschen Höchstgerichte auch ganz auf die typische Situation der AG zugeschnitten: Kleinstbeteiligungen würden demnach oftmals mißbraucht, um den Mehrheitsaktionär bei der Unternehmensführung zu behindern und ihn zu – in der Sache nicht gebotenen – finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen; [BGH II ZR 302/06 (BGHZ 180, 154); BVerfG 1 BvR 390/04 (ZIP 2007, 1261)] das ist die Konstellation der 'räuberischen' Kleinaktionäre, die ihren Anteil nicht unter dem Gesichtspunkt der Gewinnerwartungen der Gesellschaft bewerten, sondern danach, was der Mehrheitsaktionär ihnen zahlen wird, um ihr obstruktives Verhalten wieder loszuwerden (in der Formulierung im Privatgutachten: daß 'die Position des Minderheitsgesellschafters vielfach strategisch die Maximierung des Transaktionsgewinns nahelegt' [******* aaO S. 9]). Das ist ein Problem, daß sich für die AG tatsächlich – und typischerweise für die börsennotierte AG – stellt; für die GmbH aber typischerweise nicht. Denn es ist sehr leicht, mit unlauteren Absichten in den Gesellschafterkreis einer börsennotierten AG einzudringen – zwei Minuten auf einer Online-Plattform, oder ein Anruf beim Bankberater, und schon ist man Aktionär; die Gesellschafter einer börsennotierten AG haben keine Kontrolle darüber, wer sich an der Gesellschaft beteiligt. Es ist aber ungleich schwerer, in den Gesellschafterkreis einer GmbH 'einzudringen' – das Gesetz hat die Geschäftsanteile effektiv immobilisiert (oben 1.4.2.2.b), die Transaktionskosten sind erheblich, und aufgrund der personalistischen Elemente der GmbH handelt es sich idR um einen kleinen, einander gut bekannten Gesellschafterkreis (auch dazu oben 1.4.2.2.b: über 95% der GmbH haben nicht mehr als fünf Gesellschafter); dazu kommt noch, daß die Gesellschafter einer GmbH in aller Regel die Kontrolle darüber behalten, wer sich an der Gesellschaft beteiligt – die Vinkulierung der Geschäftsanteile (§77 GmbHG) ist nicht Ausnahme, sondern Standard. Es überrascht daher nicht, daß sich die Rechtspraxis immer wieder mit erpresserischen Aktionären mit Kleinstbeteiligung konfrontiert sieht, die sich durch Kauf einiger Aktien mit 0,0001% o.ä. an der AG beteiligt haben und sich dann vom Hauptaktionär abkaufen lassen wollen, daß sie ihre Aktionärsrechte nicht obstruktiv ausüben. Hingegen hat wohl noch niemand von einem 0,0001% GmbH-Gesellschafter gehört, der so etwas versucht. In der Praxis scheitert das schon daran, daß eine solche Kleinstbeteiligung mangels Börsennotierung der GmbH überhaupt nicht erworben werden kann. Die typische AG hat also ein Problem, das ein öffentliches Interesse am grundlosen Gesellschafterausschluß begründet; die typische GmbH hat dieses Problem nicht. Darüber hinaus muß die deutsche Rspr auch keine Abwägung mit dem Bestandsinteresse des Gesellschafters (das nicht durch Barabfindung kompensiert werden kann) vornehmen: denn es geht nur um die AG, und bei der typischen AG stehen (anders als bei der typischen GmbH) nicht Bestands- sondern Vermögensinteressen im Vordergrund. Dem Ausschluß aus der deutschen AG stehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen, weil der Interessenschwerpunkt von Kleinaktionären regelmäßig auf der Vermögenskomponente ihrer Beteiligung liegt, deren Verlust mit einer vollen wirtschaftlichen Entschädigung hinreichend kompensiert werden kann; [BGH II ZR 302/06 (BGHZ 180, 154)] für Minderheitsaktionäre stellt die Aktie typischerweise eher eine Kapitalanlage als eine unternehmerische Beteiligung dar. [BVerfG 1 BvR 390/04 (ZIP 2007, 1261)]. Den deutschen Gerichten stellt sich daher die Frage, um die es hier geht, nicht – denn der deutsche Gesetzgeber hat bereits jene Differenzierung zwischen AG (begründungsloser Ausschluß) und GmbH (Ausschluß aus wichtigem Grund) vorgenommen, die nach Ansicht der Antragstellerin auch in Österreich verfassungsrechtlich geboten ist.

Ergänzend wurde von der ***** Privatstiftung vertreten, daß eine differenzierte Behandlung börsennotierter und nicht börsennotierter Gesellschaften vor allem im Lichte des Erkenntnisses VfGH VfSlg 16.636 gleichheitswidrig wäre, weil doch beide Arten von Gesellschaften das gleiche Interesse an den durch das GesAusG eröffneten Möglichkeiten der Reorganisation, Anpassung an geänderte wirtschaftliche oder steuerliche Rahmenbedingungen, etc. hätten. Diese Argumentation ist nicht tragfähig: denn wie ausgeführt, haben AG und GmbH typischerweise nicht das gleiche Problem; und selbst wenn sie es hätten, hätten sie nicht automatisch Anspruch auf die gleiche Lösung. Der Gleichheitssatz verbietet unsachliche Differenzierungen, im Lichte der zahlreichen konzeptionellen Unterschiede zwischen GmbH und AG steht er einer sachlich differenzierten Regelung des Ausschlusses (wie etwa nach deutschem Recht) nicht entgegen. Die Regelungen des AktG und des GmbHG unterscheiden sich in unzähligen Punkten, da es sich eben um deutlich unterschiedliche Ausformungen des Prinzips Kapitalgesellschaft handelt – warum gerade in dem Punkt des Gesellschafterausschlusses eine solche Differenzierung gleichheitswidrig sein sollte, ist nicht ersichtlich.

4. Ergebnis

Ein öffentliches Interesse daran, den grundlosen Gesellschafterausschluß aus der GmbH zu ermöglichen, besteht nicht (oben 1.4.1). Hinter den in Gesetzesmaterialien und Lehre hiezu genannten Schlagworten steht kein echtes öffentliches Interesse. Dies gilt jedenfalls für die GmbH, bei der sich aufgrund ihrer gesetzlichen Ausgestaltung als personalistische Kapitalgesellschaft typischerweise jene Probleme der 'erpresserischen Kleinaktionäre' nicht stellen, die das öffentliche Interesse am Gesellschafterausschluß bei der AG begründen.

Selbst wollte man ein solches Interesse auch bei der GmbH anerkennen, so stünden dem Gesetzgeber zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, dieses Ziel auf eine Art und Weise zu erreichen, welche die Grundrechtsposition deutlich weniger einschränkt als der gänzliche Entzug des Eigentums; die angefochtene Bestimmung ist daher auch nicht erforderlich (oben 1.4.2.1).

Doch selbst wollte man sowohl das öffentliche Interesse als auch die Erforderlichkeit anerkennen, wäre jedenfalls die Adäquanz zu verneinen. Denn bei typisierender Betrachtung ist das Bestandsinteresse des GmbH-Gesellschafters unvergleichlich stärker ausgeprägt als jenes des Aktionärs (oben 1.4.2.2). Der typische Kleinaktionär hat eine Kapitalanlage, der typische Minderheitsgesellschafter hat eine Unternehmensbeteiligung. Für das Vermögensinteresse ist eine Kompensation durch die Barabfindung möglich, für das Bestandsinteresse nicht. Das, was beim Kleinaktionär den Gesellschafterausschluß verfassungskonform erhält – nämlich, daß er durch die angemessene Barabfindung einen im [W]esentlichen gleichwertigen Ersatz bekommt – ist beim GmbH-Gesellschafter nicht möglich, da sein Interesse an der Beteiligung typischerweise über eine reine Geldanlage hinausgeht und daher durch reinen Geldersatz nicht ausgeglichen werden kann. Es ist daher geboten, den Gesellschafterausschluß aus der GmbH anders zu beurteilen als jenen aus der AG.

Mit dieser Frage war der Verfassungsgerichtshof bis jetzt noch nicht befaßt. Soweit ersichtlich hatten sowohl der Verfassungsgerichtshof [VfGH VfSlg 16.636/2002, VfSlg 17.584/2005, VfSlg 19.486/2011] als auch der Oberste Gerichtshof [OGH 6 Ob 132/04m, OGH 6 Ob 91/08p, OGH 6 Ob 210/12v] als auch, wegen abweichender Rechtslage, das deutsche BVerfG [BVerfG 1 BvL 16/60 Feldmühle (BVerfGE 14, 263), BVerfG 1 BvR 68/95 Moto Meter (NJW 2001, 279), BVerfG 1 BvR 390/04 (ZIP 2007, 1261), BVerfG 1 BvR 2984/06 (ZIP 2007, 2121)]und der deutsche BGH [BGH II ZR 327/03 (WM 2006, 286), BGH II ZR 302/06 (BGHZ 180, 154)] bis dato nur Fragen des Gesellschafterausschlusses bei Aktiengesellschaften zu beurteilen."

3.Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"I.

1. Zur Rechtslage:

[…]

3. Das GesAusG wurde mit dem Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 – ÜbRÄG 2006, BGBl I Nr 75/2006, erlassen und trat mit in Kraft. Die derzeit geltende Fassung erhielt das GesAusG durch das Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009 – AktRÄG 2009, BGBl I Nr 71/2009; diese Änderungen sind hier nicht weiter von Bedeutung.

4. Das GesAusG wurde anlässlich der Umsetzung der Übernahme-RL 2004/25/EG, ABl. L 142 vom , S. 12, erlassen. Die Übernahme-RL schreibt die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses lediglich im Zuge einer erfolgreichen Übernahme börsennotierter Aktiengesellschaften vor. Mit dem GesAusG wurde der Gesellschafterausschluss darüber hinaus auch bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften und bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) normiert (vgl. RIS-Justiz RS0124447). Damit wurde das Ausschlussrecht des Mehrheitsgesellschafters einer AG oder GmbH einheitlich und unabhängig von Umwandlungs-, Spaltungs- oder Übernahmevorgängen (dazu unten) geregelt.

5. Das GesAusG ermöglicht einem zumindest 90%igen Mehrheitsgesellschafter (vgl. § 1 Abs 2 und 3 GesAusG) einer Kapitalgesellschaft, die übrigen Gesellschafter gegen Barabfindung aus der Gesellschaft auszuschließen. Ein bestimmter Grund (im Sinn einer besonderen sachlichen Rechtfertigung) ist hierfür nicht erforderlich. Der Hauptgesellschafter muss die Übertragung der Anteile der übrigen Gesellschafter formlos verlangen (§1 Abs 1 GesAusG). Der Beschluss bedarf der Mehrheit der abgegebenen Stimmen und der Zustimmung des Hauptgesellschafters (§4 Abs 1 GesAusG). Diese Vorgänge werden – wenn nicht darauf verzichtet wird (vgl. § 3 Abs 10 GesAusG) – von verschiedenen Berichts-, Prüf- und Informationspflichten begleitet (§3 GesAusG). Inhaltlich rechtswidrige oder mit Verfahrensfehlern behaftete Ausschlussbeschlüsse können grundsätzlich nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften bekämpft werden (§§195 ff. AktG; §§41 ff. GmbHG). Mit Eintragung des Ausschlussbeschlusses in das Firmenbuch gehen die Anteile auf den Hauptgesellschafter über (§5 Abs 4 GesAusG). Die Minderheitsgesellschafter sind damit aus der Gesellschaft ausgeschlossen und verfügen nur noch über einen Anspruch auf Barabfindung.

6. Gemäß § 2 Abs 1 GesAusG hat der Hauptgesellschafter eine angemessene Barabfindung zu gewähren. Die Angemessenheit der Barabfindung kann im außerstreitigen Verfahren gerichtlich überprüft werden. Hierzu verweist § 6 Abs 2 GesAusG – mit wenigen Ausnahmen – auf die §§225c – 225m AktG, in denen das in erster Linie für Verschmelzungen, aber auch für Spaltungen, geltende gerichtliche Überprüfungsverfahren geregelt ist. Anders als nach § 225c Abs 3 AktG ist nach dem GesAusG jeder ausgeschlossene Minderheitsgesellschafter, der darauf nicht explizit verzichtet hat, legitimiert, ein Überprüfungsverfahren anzustrengen; eine bestimmte Mindestbeteiligung oder die Erhebung eines Widerspruch[s] zur Niederschrift werden nicht vorausgesetzt.

7. Die Gesetzesmaterialien zum GesAusG (ErlRV 1334 BlgNR 22. GP 26 f.) führen Folgendes aus:

'Der Ausschluss der Minderheitsgesellschafter ist ein Eingriff in ihr Eigentum und bedarf als solcher einer sachlichen Rechtfertigung. Zwar ist es richtig, dass der Ausschluss vor allem im Interesse des Hauptgesellschafters liegt; es besteht jedoch auch ein öffentliches Interesse an der Schaffung wettbewerbsfähiger und reaktionsschneller Unternehmens- und Kontrollstrukturen, die ohne Minderheitsgesellschafter leichter zu verwirklichen sind; denn um die effizienzsteigernde unternehmerische Vollintegration zu erreichen, bedarf es der Möglichkeit des Durchgriffs, die – wenn auch unter Wahrung des Gläubigerschutzes – leichter gegeben ist, wenn die Interessen der Minderheitsgesellschafter nicht mehr zu berücksichtigen sind. Aufgrund dieser Zielrichtung soll es nicht einer beliebigen Mehrheit möglich sein, die Minderheit auszuschließen; vielmehr sollen die 90% von einem Rechtsträger oder doch zumindest in einem Konzern gehalten werden.

Hinzu kommt, dass das Interesse des Minderheitsgesellschafters zumindest beim gesetzlichen Typus der Aktiengesellschaft vor allem ein Vermögensinteresse und weniger ein Bestandsinteresse ist; daher ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Gesellschafters dann weniger gravierend und damit leichter zu rechtfertigen, wenn er den vollen Wert seiner Beteiligung ersetzt bekommt. Stellt man dem die öffentlichen Interessen, letztlich aber auch die hohe Kostenbelastung der Gesellschaft durch eine kleine Minderheit (allenfalls verschärft durch die Kosten der Börsenotierung) gegenüber, so zeigt sich die sachliche Rechtfertigung einer angemessen ausgestalteten Ausschlussmöglichkeit.

Wie bereits bisher soll die Ausschlussmöglichkeit nicht nur bei Aktiengesellschaften bestehen, sondern auch für die GmbH offen stehen. Zwar ist es richtig, dass bei Gesellschaftern einer GmbH, aber auch bei nicht-notierten Aktiengesellschaften häufig das Bestandsinteresse stärker ausgeprägt ist als bei Anlegern, die notierende Aktien besitzen; allerdings können sich die zuerst genannten Gesellschafter oft gegen einen Ausschluss schützen. Denn erstens kann in einer Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern die Ausübung der Ausschlussbefugnis verboten werden; zweitens kann die Anwendung des Gesetzes auch im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung abbedungen werden (vgl. § 1 Abs 3). Hinzu kommt, dass es nicht ohne weiteres möglich ist, dass zB drei GmbH-Gesellschafter einen vierten ausschließen; denn grundsätzlich genügt die Zustimmung einer Mehrheit von 90% nicht, wenn die Anteile nicht vereinigt sind. Der Entwurf spricht auch nicht darüber ab, unter welchen Bedingungen die Ausübung des Ausschlussrechts missbräuchlich ist, was insbesondere bei der GmbH praktische Bedeutung haben kann. Aus diesen Gründen ist der Ausschluss auch bei der GmbH und der nicht notierten Aktiengesellschaft nicht unverhältnismäßig. Für die Gleichbehandlung von Aktiengesellschaft und GmbH spricht auch die Rechtskontinuität. Im Falle einer Beschränkung des GesAusG auf die Aktiengesellschaft wären zudem Maßnahmen gegen die dem Ausschluss vorgeschaltete Umwandlung einer GmbH in eine Aktiengesellschaft erforderlich.'

8. Die Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses ist nicht zwingendes Recht, sondern kann gemäß § 1 Abs 4 GesAusG durch den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung der betreffenden Kapitalgesellschaft erschwert oder ausgeschlossen werden.

In den Gesetzesmaterialien (ErlRV 1334 BlgNR 22. GP 28) wird dazu Folgendes ausgeführt:

'Abs4 hält fest, dass der Ausschluss grundsätzlich dispositiv ist. Bereits bisher war es im Ergebnis zulässig, durch die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag die Schwelle für den Ausschluss zu erhöhen (vgl. § 98 GmbHG,§ 221 Abs 1 AktG jeweils iVm. § 2 Abs 3 UmwG). Das wird durch Abs 4 ausdrücklich angeordnet, auch um möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken zu begegnen. Klargestellt ist auch, dass abgesehen von der Erhöhung der Schwelle keine zusätzlichen Bedingungen für die Gültigkeit des Beschlusses festgelegt werden können.

Um die Gesellschafter, die im Vertrauen auf eine solche Satzungsbestimmung Anteile erworben haben, vor einer Satzungsänderung zu schützen, müssen sie dieser grundsätzlich zustimmen, wenn sie durch diese nachteilig betroffen wären. Etwas anderes gilt, wenn die entsprechende Satzungsbestimmung ausdrücklich eine andere Regel für ihre Aufhebung vorsieht; eine generelle Festlegung der Mehrheit für die Satzungsänderung genügt freilich nicht, weil diese dem Deutlichkeitserfordernis – wie es durch das Wort 'ausdrücklich' normiert ist – nicht genügt.'

9. Um zu verhindern, dass durch das Inkrafttreten des GesAusG bislang vertraglich abbedungene Gesellschafterausschlüsse möglich werden, sieht § 10 GesAusG vor, dass bereits vor dem Inkrafttreten des GesAusG bestehende Regelungen eines Gesellschaftsvertrages, die einen Ausschluss von Gesellschaftern – durch verschmelzende oder errichtende Umwandlung, nicht verhältniswahrende Spaltung oder übertragende Auflösung – erschweren, sinngemäß auch für einen Gesellschafterausschluss nach dem GesAusG gelten.

In den Gesetzesmaterialien (ErlRV 1334 BlgNR 22. GP 32) wird dazu Folgendes ausgeführt:

'Durch § 10 wird § 1 Abs 4 GesAusG ergänzt, demzufolge die Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden kann. Bereits bestehende Satzungen bzw. Gesellschaftsverträge werden allerdings häufig Bestimmungen enthalten, die abstrakt auf den Gesellschafterausschluss oder konkret auf die bisherige Gesetzeslage – dh. insbesondere auf die Squeeze-out-Spaltung und die verschmelzende Umwandlung – Bezug nehmen und diese Gestaltungsrechte erschweren oder ausschließen. Da es nicht das Anliegen des GesAusG ist, bislang unzulässige Gesellschafterausschlüsse zu ermöglichen, wird eine sinngemäße Anwendung solcher Vertragsbestimmungen angeordnet, wobei die genaue Sinnermittlung solcher Klauseln Aufgabe der Rechtsanwendung ist.'

10.1. Wie in den soeben zitierten Erläuterungen angesprochen, bestand schon nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GesAusG die Möglichkeit, Minderheitsgesellschafter (auch einer GmbH) auszuschließen, so etwa durch die verschmelzende Umwandlung (§2 Abs 1 UmwG), die errichtende Umwandlung (§5 UmwG) oder die nicht verhältniswahrende Spaltung (§8 Abs 3 SpaltG aF). Die Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern durch den Mehrheitsgesellschafter war bereits im UmwG 1934 und im UmwG 1954 vorgesehen (siehe dazu Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out (2006) Rz. 6 ff.).

10.2. Bei einem Ausschluss im Zuge einer verschmelzenden oder errichtenden Umwandlung (§§2 und 5 UmwG) wird – unter gleichzeitigem Ausscheiden von Minderheitsgesellschaftern bis zu 10% – das Vermögen der übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den zumindest 90%igen Hauptgesellschafter (§2 UmwG) oder eine neu gegründete Personengesellschaft (§5 UmwG) übertragen, wobei die übertragende Gesellschaft ohne Liquidation erlischt. Es findet also ein Umgründungsschritt mit Universalsukzession statt, während es nach GesAusG zu einem bloßen Anteilsaustausch auf Gesellschafterebene kommt (Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out [2006] Rz. 541). Bei der verschmelzenden Umwandlung besteht ein wesentlicher Unterschied allerdings darin, dass der Hauptgesellschafter die Anteile alleine halten muss. Bei der errichtenden Umwandlung liegt hingegen ein wesentlicher Unterschied zum GesAusG darin, dass die Möglichkeit eines selektiven Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern besteht.

10.3. Bei einer Spaltung werden Teile des Vermögens der spaltenden Gesellschaft auf andere Gesellschaften übertragen. Die Gesellschafter der sich spaltenden Gesellschaft erhalten dafür Anteile an der neuen bzw. übernehmenden Gesellschaft. Bei einer nicht verhältniswahrenden Spaltung (§8 Abs 2 SpaltG) werden die Anteilsinhaber der spaltenden Gesellschaft nicht an allen Nachfolgegesellschaften im gleichen Ausmaß beteiligt. Vor dem ÜbRÄG 2006 wurde dieses Instrument häufig für den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern eingesetzt (so genannte 'Squeeze out-Spaltung'). Die hierzu erforderliche Beschlussmehrheit von 90% konnte spontan von mehreren Gesellschaftern gemeinsam gebildet werden, die weder vorher noch nachher in einer konzernmäßigen Verbindung zueinander standen. Dieser Umstand und weitere Rechtsschutzdefizite machten diese Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses für Minderheitsgesellschafter besonders problematisch.

Durch das ÜbRÄG 2006 wurde einerseits das Rechtsschutzniveau angehoben; andererseits sollte die verhältnismäßige Spaltung nach der Intention des Gesetzgebers nur mehr zu Teilung von Unternehmen, aber nicht mehr zum bloßen Gesellschafterausschluss eingesetzt werden können. Um dies zu erreichen, ist in manchen Konstellationen der nicht verhältnismäßigen Spaltung, die funktional einem Ausschluss gleichkommen, nun Einstimmigkeit erforderlich (vgl. § 8 Abs 3 Z 1 und 2 SpaltG).

10.4. Über diese ausdrücklich gesetzlich geregelten Fälle eines Gesellschafterausschluss[es] hinaus können ganz ähnliche Effekte – wenn auch rechtstechnisch wesentlich mühsamer – über allgemeine gesellschaftsrechtliche Vorgänge erreicht werden. So kann z.B. ein Liquidationsbeschluss mit der Übertragung des Vermögens auf den Hauptgesellschafter kombiniert werden (übertragende Auflösung). Zu denken ist auch an eine stufenweise Kapitalerhöhung mit (echtem oder faktischem) Bezugsrechtsausschluss oder eine Kapitalerhöhung unter Wahrung des Bezugsrechts, aber mit erschwerter Verwertung desselben (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 Einl GesAusG, Rz. 11).

In diesen Fällen bietet das GesAusG – wenn es auch nicht direkt anwendbar ist – ebenfalls einen gewissen Schutz für die Minderheitsgesellschafter. Auch in den Materialien wird unter Bezugnahme auf die übertragende Auflösung festgehalten, dass das GesAusG grundlegende Wertungen enthalte, die auf vergleichbare Sachverhalte übertragen werden können (ErlRV 1334 BlgNR 22. GP 26).

2. Zum Anlassverfahren und zu den Prozessvoraussetzungen

1. Die Antragstellerin ist Minderheitsgesellschafterin einer GmbH und hält 1% der Gesellschaftsanteile. Hauptgesellschafter ist eine Privatstiftung mit 99% der Anteile. Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde die Antragstellerin gemäß dem GesAusG aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Antragstellerin hat gegen diesen Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Am hat das LG Klagenfurt (*************) mit Teilurteil die Klage abgewiesen.

Die Antragstellerin hat dagegen Berufung erhoben. Anlässlich dieser Berufung wurde der gegenständliche Parteiantrag auf Normenkontrolle erhoben.

2. Für die Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Zulässigkeit des Antrages und die Präjudizialität der angefochtenen Wortfolgen sprechen würden.

II.

Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl. zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

Die Bundesregierung weist vorab darauf hin, dass der Gesetzgebung im Bereich des Gesellschaftsrechts, und im Besonderen bei der Regelung der Anteilsrechte an Gesellschaften, ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. jüngst , Rz. 39, wonach es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, welche im öffentlichen Interesse liegenden Ziele er bei der Festlegung der Höhe des Mindeststammkapitals einer GmbH verfolgt; der VfGH könne dem Gesetzgeber daher nicht entgegentreten, wenn er zur Förderung der Gründung von GmbH das Mindeststammkapital vorübergehend niedriger ansetzt und so den Gläubigerschutzaspekt in den Hintergrund treten lässt). Es steht der Gesetzgebung daher prinzipiell frei, unter Berücksichtigung unterschiedlicher gesellschaftsrechtlicher Erwägungen (Wettbewerbsfähigkeit, Effektivität von Kontrollstrukturen, vgl. ErlRV 1334 BlgNR 22. GP 26) ein Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern vorzusehen.

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 5 StGG:

1.1. Die Antragstellerin behauptet, das GesAusG würde in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums eingreifen. Es bestünde kein öffentliches Interesse daran, den grundlosen Gesellschafterausschluss aus einer GmbH zu erlauben. Jedes behauptete 'öffentliche' Interesse führe letztlich doch wieder zum Interesse des Mehrheitsgesellschafters. Das Bestandsinteresse, welches bei GmbH typischerweise viel stärker ausgeprägt sei als bei AG, werde durch die Barabfindung nicht adäquat ausgeglichen.

1.2. Diese Bedenken sind nach Ansicht der Bundesregierung nicht zutreffend.

1.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gilt der erste Satz des Art 5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art 1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

1.2.2. Zwar wird der Gesellschafterausschluss im Einzelfall jedenfalls auch im Interesse des Hauptgesellschafters liegen; entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht aber sehr wohl ein öffentliches Interesse daran, den Interessen des Hauptgesellschafters an einem Ausschluss Vorrang vor den Bestandsinteressen der Minderheitsgesellschafter einzuräumen: Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind effiziente Unternehmensstrukturen von Vorteil, wie sie in Kapitalgesellschaften mit einem Alleingesellschafter typischerweise leichter zu verwirklichen sind als in Gesellschaften mit Minderheitsgesellschaftern. Durch diese effizienten Unternehmensstrukturen können österreichische Gesellschaften veränderten nationalen und internationalen Wettbewerbsbedingungen besser Rechnung tragen. In vergleichbarer Weise hat der Verfassungsgerichtshof etwa ausgesprochen, dass die Bereinigung der Kapitalstruktur bei Kreditinstituten durch die zwangsweise Einziehung von Partizipationskapital durch die Kreditinstitute selbst im öffentlichen Interesse gelegen ist (VfSlg 16.636/2002).

1.2.3. Das Bestandsinteresse mag bei Gesellschaftern einer GmbH zwar in manchen Fällen höher sein als bei Aktionären einer AG. Allerdings ist ein Gesellschafterausschluss nach dem GesAusG nur möglich, wenn den Minderheitsgesellschaftern nicht mehr als 10% des Nennkapitals gehört. Bei bloß zu einem geringen Prozentsatz an einer Gesellschaft beteiligten Personen – im Anlassfall ist die Antragstellerin lediglich zu 1% an der GmbH beteiligt – kann das Bestandsinteresse bei einer typisierenden Betrachtungsweise jedoch nie so gravierend sein, dass es das Interesse des Mehrheitsgesellschafters an der Schaffung einer effizienteren Unternehmensstruktur überwiegen würde (vgl. Kalss, Das neue Recht des Gesellschafterausschlusses, RWZ 2006, 167 f.).

1.2.4. Die Eigentumsbeschränkung ist auch verhältnismäßig:

a) Nach dem GesAusG werden den auszuschließenden Minderheitsgesellschaftern alle in ihrer Sphäre anfallenden Vermögensnachteile ersetzt. Die Angemessenheit der Barabfindung kann im außerstreitigen Verfahren gerichtlich durch jeden ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafter, der darauf nicht explizit verzichtet hat, überprüft werden. Dabei ist das GesAusG rechtsschutzfreundlicher als das AktG (siehe oben Pkt. I.10.).

Schon damit erfüllt das GesAusG aber jene Anforderungen, die der Verfassungsgerichtshof in vergleichbarer Weise an die Möglichkeit der Einziehung von Partizipationskapital durch Kreditinstitute gestellt hat (vgl. VfSlg 16.636/2002, S 265, wonach durch eine Einziehung die bisherigen Partizipanten nicht in ihren Vermögenswerten verkürzt werden dürfen und die Entschädigung für die Einziehung im Hinblick auf den maßgebenden Unternehmenswert nicht unangemessen niedrig sein darf; zur Bedeutung der gerichtlichen Überprüfung für die Sachlichkeit einer Barabfindung vgl. aaO S. 269).

b) Zu betonen ist auch, dass die Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden kann. Es steht den Gesellschaftern frei, den Ausschluss zu erschweren oder zur Gänze auszuschließen (sh. oben I.8.).

1.2.5. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass der angefochtene Ausschluss von Gesellschaftern einer GmbH nach dem GesAusG vor dem Hintergrund des weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums der Gesetzgebung im Hinblick auf die gerichtlich überprüfbare Barfindung und die bloß dispositiven Regelungen über den Gesellschafterausschluss keine Verletzung der Eigentumsfreiheit darstellt.

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Gleichheitsgebot:

2.1. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass die Anwendbarkeit des GesAusG auch auf bei seinem Inkrafttreten bereits existierende Gesellschaften den Vertrauensschutz verletzen würde. Vor Inkrafttreten des GesAusG habe jeder 1%-Gesellschafter einer GmbH, dessen Gesellschaftsvertrag keine Regelung zu einem Gesellschafterausschluss enthielt, darauf vertrauen können, dass ein grundloser Gesellschafterausschluss gegen seinen Willen nicht möglich ist. Die Antragstellerin behauptet weiters, aufgrund des Fehlens von Übergangsbestimmungen könne der Minderheitsgesellschafter jetzt plötzlich durch einseitiges Handeln des Hauptgesellschafters alle mit seinem Geschäftsanteil verbundenen Rechte verlieren, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Schließlich behauptet die Antragstellerin, die Beteiligungsschwelle für die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses nach dem GesAusG sei willkürlich und daher unsachlich.

2.2. Diese Bedenken sind nach Ansicht der Bundesregierung nicht zutreffend.

2.2.1. Bereits nach der Rechtslage vor dem GesAusG war ein Gesellschafterausschluss – wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung – durch verschiedene Umgründungsmaßnahmen und ohne besondere sachliche Rechtfertigung möglich, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass der Rechtsschutz für die Minderheitsgesellschafter durch das GesAusG verbessert wurde (sh. oben Pkt. I.10.).

Weder der Spaltungsbeschluss nach dem SpaltG, noch der Umwandlungsbeschluss nach dem UmwG unterlagen nach herrschender Auffassung einer Interessenabwägung ( mwN). Das Ausmaß des Bestandsinteresses spielte nur für die Frage der Angemessenheit der Abfindung eine Rolle, nicht jedoch für die grundsätzliche Frage der Zulässigkeit eines Gesellschafterausschlusses (vgl. ).

Ein solcher Beschluss konnte daher grundsätzlich nicht wegen Verletzung der Treuepflicht, sondern nur wegen Rechtsmissbrauchs angefochten werden. Laut ständiger höchstgerichtlicher Rsp (zum Umwandlungsbeschluss) lag Rechtsmissbrauch aber nicht schon dann vor, wenn das Motiv für die Umwandlung der Ausschluss des Minderheitsgesellschafters war (vgl. RIS-Justiz RS0109700, RS0109699 jeweils mwN).

Wenn die Antragstellerin somit wiederholt die Begründungslosigkeit des Ausschlusses nach dem GesAusG hervorhebt, entspricht dies der Rechtslage vor dem GesAusG. Im Übrigen weist die Bundesregierung darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Gleichheitssatz weder einen Schutz vor (auch nachteiligen) Gesetzesänderungen bietet, noch dem Gesetzgeber Grenzen auferlegt, die ihn bei seiner Entscheidung über das 'Ob' der Gesetzesänderung in irgendeiner Weise beschränken würden, sofern nur das Gesetz in der geänderten Fassung den Anforderungen des Gleichheitssatzes entspricht (, Rz. 120; , G311/2016, Rz. 38).

2.2.2. Es liegt im – weiten (vgl. oben Pkt. II.) – rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung, die GmbH hinsichtlich de[s] Gesellschafterausschlusses anders oder auch gleich wie die AG zu behandeln. Die Gleichbehandlung dieser Kapitalgesellschaften entspricht vergleichbaren Regelungen in diesem Rechtsgebiet: Sowohl das UmwG als auch das SpaltG gelten (und galten auch nach der Rechtslage vor dem GesAusG) für die AG und für die GmbH. Weder für eine GmbH noch für eine AG besteht ein Recht der Minderheitsgesellschafter auf Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses ().

2.2.3. Schon vor dem GesAusG bestand die Möglichkeit, sich als Minderheitsgesellschafter durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen vor einem Ausschluss zu schützen. Derartige Bestimmungen gelten nach § 10 GesAusG sinngemäß auch für den Gesellschafterausschluss nach dem GesAusG, sodass es durch dieses Gesetz zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung von Minderheitsgesellschaftern gekommen ist.

Im Übrigen genießt das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. VfSlg 16.687/2002, 19.933/2014). Vielmehr bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (vgl. VfSlg 18.010/2006 mwN). Die Enttäuschung des Vertrauens auf den Fortbestand und die zukünftige Entwicklung der Rechtsordnung auch ohne Rückwirkung kann nur für ganz bestimmte, auf Grund besonderer Konstellation schutzwürdige Positionen gegen den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Vertrauensschutz verstoßen (vgl. VfSlg 19.933/2014).

Eine derartige Schutzwürdigkeit ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Wäre das Bestandsinteresse der Antragstellerin tatsächlich besonders groß gewesen, hätte sie schon bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages darauf achten können, dass dieses Interesse entsprechend abgesichert ist (vgl. Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out [2006] Rz. 46f.). Dies hat die Antragstellerin jedoch unterlassen.

2.2.4. Hinsichtlich der Beteiligungsschwelle wird auf die obigen Ausführungen zu Punkt II.1. verwiesen, woraus sich ergibt, dass die Festlegung einer Beteiligungsschwelle von 10% im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung liegt.

3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Wortfolgen des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes – GesAusG, BGBl I Nr 75/2006 idF BGBl I Nr 71/2009, nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

4. Die beteiligte Gesellschaft mbH erstattete eine Äußerung, in der sie den Behauptungen der Antragstellerin im Wesentlichen mit der gleichen Begründung wie die Bundesregierung entgegentritt.

5.Die beteiligte Privatstiftung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den Behauptungen der Antragstellerin im Wesentlichen mit der gleichen Begründung wie die Bundesregierung entgegentritt.

6.Der Verfassungsgerichtshof führte am eine mündliche Verhandlung durch, in welcher die von der Antragstellerin dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes erörtert wurden.

IV.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit

1.1.Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach § 62a Abs 1 erster Satz VfGG idF BGBl I 78/2016 kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2.Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass der Berufung gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom gestellt. Mit diesem Teilurteil wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs 1 Z 1 litd B-VG).

1.3.Als Klägerin ist die Antragstellerin Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit sie zur Antragstellung gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG berechtigt ist.

1.4.Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat die Antragstellerin jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl. ).

Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Oberlandesgerichtes Graz davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.

1.5.Ein auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß § 62 Abs 2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (; vgl. ).

1.6.Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Begehren der Antragstellerin im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof auf Nichtigerklärung des in der Generalversammlung der beklagten Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom gefassten Gesellschafterbeschlusses auf Ausschluss der Antragstellerin gemäß §§1 ff. GesAusG ab. Der Verfassungsgerichtshof hat keine Zweifel, dass das ordentliche Gericht die angefochtenen Gesetzesbestimmungen angewendet hat, deren Verfassungswidrigkeit die Antragstellerin behauptet. Die angefochtenen Bestimmungen sind somit im gerichtlichen Anlassverfahren präjudiziell.

1.7.Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Umfang der in Prüfung gezogenen Norm nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; ; , G640/2015; , G105/2016).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; ; , G444/2015; , G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; ).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Hingegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014; ; , G450/2015; , G286/2016). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem ordentlichen Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (; , G63/2016; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).

1.8.Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der von der Antragstellerin mit dem (Haupt-)Antrag gewählte Aufhebungsumfang richtig abgegrenzt. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der (Haupt-)Antrag auf Aufhebung (näher bezeichneter Teile) der §§1 Abs 1 und Abs 4, 3 Abs 1 und Abs 9, 4 Abs 1, 5 Abs 1 und Abs 2, 9 Abs 2 und 10 GesAusG als zulässig. Damit erübrigt es sich, auf den Eventualantrag einzugehen.

2.In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Der Antrag ist nicht begründet.

2.1. Die Antragstellerin macht zunächst geltend, dass die angefochtenen Bestimmungen des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK verletzten. Es bestehe kein öffentliches Interesse, den – nicht näher zu begründenden – Ausschluss eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch Beschluss des mindestens mit neun Zehntel am Nennkapital der Gesellschaft beteiligten Mehrheitsgesellschafters zu ermöglichen. Das – bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Vergleich zu einer Aktiengesellschaft viel ausgeprägtere – Interesse des Minderheitsgesellschafters am Bestand seiner Gesellschafterstellung bzw. seines Geschäftsanteils werde durch die gesetzlich vorgesehene Barabfindung nicht adäquat ausgeglichen. In diesem Zusammenhang erachtet die Antragstellerin auch die Beteiligungsschwelle des Hauptgesellschafters in Höhe von mindestens neun Zehntel des Nennkapitals für die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz als unsachlich.

2.2.Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht:

2.2.1.Mit dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz ermöglicht der Gesetzgeber – im Anschluss an die frühere Rechtslage, insbesondere nach dem Umwandlungsgesetz und dem Spaltungsgesetz (siehe dazu noch näher unten Punkt 2.2.6.) – den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegen eine angemessene Abfindung: Der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz setzt voraus, dass dem (einzelnen) Gesellschafter oder mehreren konzernverbundenen Gesellschaften gemeinsam eine Mehrheit von mindestens neun Zehntel des Nennkapitals (dh. des Grund- oder Stammkapitals einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung) gehören. Der Ausschluss bedarf keines wichtigen Grundes, kann aber nur gegen eine "angemessene Barabfindung" (§1 Abs 1 und § 2 Abs 1 GesAusG) erfolgen. Die Angemessenheit der Abfindung ist durch das Gericht im Fall der Anrufung eines Minderheitsgesellschafters zu überprüfen (§6 Abs 2 GesAusG iVm §§225c bis 225m AktG).

Die Ausschlussmöglichkeit nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz ist dispositives Recht; in der Satzung der Aktiengesellschaft oder im Gesellschaftsvertrag bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann vorgesehen werden, dass der Ausschluss von Gesellschaftern nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz nicht zulässig ist oder dass dem Hauptgesellschafter eine höhere Anteilsquote als neun Zehntel des Nennkapitals gehören muss (§1 Abs 4 GesAusG).

2.2.2.Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gilt der erste Satz des Art 5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann angesichts des in Art 1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche (etwa auch wirtschaftspolitischen) Ziele er mit seiner Regelung verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen Gründen zweckmäßig ist (VfSlg 12.082/1989). Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (vgl. zB VfSlg 9911/1983, 11.276/1987, 11.503/1987, 11.910/1988, 12.009/1989, 12.082/1989, 12.094/1989, 20.032/2015 uvm.).

Gesellschaftsanteile (sei es Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sei es Aktien an einer Aktiengesellschaft) sind vermögenswerte Privatrechte und vom verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK geschützt. Eine Beschränkung oder ein Entzug der Gesellschaftsanteile stellt eine Eigentumsbeschränkung dar (vgl. VfSlg 16.838/2002 und 17.584/2005), die – wie dargestellt – im öffentlichen Interesse liegen muss und nicht unverhältnismäßig sein darf.

2.2.3.Das vom Gesetzgeber ausweislich der Materialien zum Gesellschafter-Ausschlussgesetz verfolgte Ziel, effiziente Unternehmensstrukturen zu schaffen (vgl. Erläut. zur RV 1334 BlgNR 22. GP, 26 ff.), liegt im öffentlichen Interesse. Wird auf der Gesellschafterebene ein entsprechender rechtlicher Rahmen geschaffen, können schnellere Entscheidungen innerhalb des Unternehmens getroffen werden. Wie die Bundesregierung zu Recht herausstreicht, ist dieses Ziel bei Kapitalgesellschaften mit Minderheitsgesellschaftern mit geringer Beteiligung typischerweise schwerer zu erreichen. In diesem Sinne sah auch der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 16.838/2002 in der Bereinigung der Kapitalstruktur bei Kreditinstituten durch die zwangsweise Einziehung von Partizipationskapital durch die Kreditinstitute ein öffentliches Interesse.

Das genannte öffentliche Interesse an der Bereinigung der Kapitalstruktur besteht bei (Minderheitsbeteiligungen an) einer Aktiengesellschaft ebenso wie bei (Minderheitsbeteiligungen an) einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

2.2.4.Die angefochtenen Bestimmungen des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes sind nicht nur geeignet, dem vom Gesetzgeber verfolgten öffentlichen Interesse zu dienen, sondern sind auch verhältnismäßig (im engeren Sinn):

Der Gesetzgeber ermöglicht den Gesellschafterausschluss nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz unter der Voraussetzung, dass auf der einen Seite entweder ein einzelner Gesellschafter oder mehrere Gesellschaften ein und desselben Konzerns eine Beteiligung von mindestens neun Zehntel des Grund- oder Stammkapitals der Aktiengesellschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung halten und auf der anderen Seite ein einzelner oder mehrere Minderheitsgesellschafter mit nicht mehr als 10 vH des Nennkapitals beteiligt ist bzw. sind (vgl. § 1 Abs 2 GesAusG).

Die Interessen eines (Minderheits-)Gesellschafters in Bezug auf seine Beteiligung an einer Aktiengesellschaft oder an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werden – wie dies auch die Antragstellerin zutreffend ausführt – in Vermögensinteressen und Bestandsinteressen unterschieden. Während sich das Vermögensinteresse durch den Wert der Beteiligung an der Gesellschaft ausdrückt, bezieht sich das Bestandsinteresse auf den Erhalt der Beteiligung.

Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er das Bestandsinteresse eines Gesellschafters oder mehrerer Gesellschafter, die nur Minderheitsanteile an einer Kapitalgesellschaft im Ausmaß von nicht mehr als 10 vH halten, als geringer als jenes von Mehrheitsgesellschaftern eingestuft und dementsprechend – unter weiteren, noch zu erörternden Voraussetzungen – den Ausschluss solcher Minderheitsgesellschafter ermöglicht. Je höher die Beteiligungsschwelle des Mehrheitsgesellschafters für den Gesellschafterausschluss ist, desto geringer ist typischerweise das Bestandsinteresse des Minderheitsgesellschafters oder der Minderheitsgesellschafter. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, dass die im Gesellschafter-Ausschlussgesetz vorgesehene Beteiligungsschwelle von neun Zehntel des Nennkapitals der Kapitalgesellschaft für den Mehrheitsgesellschafter (§1 Abs 2 GesAusG) in einer nicht sachgerechten Weise festgesetzt ist. Diese Beteiligungsschwelle von mindestens 90 vH am Nennkapital der Kapitalgesellschaft fügt sich auch insoweit in das sonstige Gesellschaftsrecht ein, als Gesellschaftern mit einer Beteiligungshöhe von nicht mehr als 10 vH keine die Unternehmenspolitik bzw. -strategie bestimmenden (Minderheits-)Rechte eingeräumt werden.

Das Gesellschafter-Ausschlussgesetz erfasst sowohl (börsenotierte und nicht börsenotierte) Aktiengesellschaften als auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (was die Antragstellerin als verfassungswidrig ansieht). Damit hat der Gesetzgeber einen Anwendungsbereich des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes festgelegt, der über jenen der Richtlinie 2004/25/EG betreffend Übernahmeangebote, ABl. 2004 L 142, 12 (die nur Regelungen für börsenotierte Aktiengesellschaften trifft), hinausgeht.

Wie die Regelungen, die bereits vor Erlassung des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern bei einer Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung ermöglichten (und zum Teil nach wie vor ermöglichen; vgl. dazu näher unten Punkt 2.2.6.), zeigen, ist die unterschiedslose Erfassung der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht Ausfluss einer kapitalmarktrechtlichen Betrachtung, sondern folgt der Tradition der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten zum Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern bei einer Aktiengesellschaft wie auch bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Auch wenn es häufig der Fall sein sollte, dass das Bestandsinteresse bei Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei einer Durchschnittsbetrachtung höher ist als bei Gesellschaftern einer Aktiengesellschaft, ändert dies nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nichts daran, dass typischerweise bei einer geringen Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung dem Bestandsinteresse eines Minderheitsgesellschafters bzw. von Minderheitsgesellschaftern, der bzw. die nicht mehr als 10 vH des Stammkapitals hält bzw. halten, weniger Gewicht beizumessen ist. Wenn der Gesetzgeber daher dem Mehrheitseigentümer in Bezug auf derartige Minderheitseigentümer im Interesse der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft ein Gestaltungsrecht einräumt, handelt er nicht unsachlich. Wie bereits dargelegt, hat ein Minderheitsgesellschafter, der einen Geschäftsanteil von nicht mehr als 10 vH des Stammkapitals hält, keine die Unternehmenspolitik und -strategie bestimmenden (Minderheits-)Rechte und kann dementsprechend auch keine bestandsrelevanten Entscheidungen treffen oder verhindern. Für die Einbeziehung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in das Gesellschafter-Ausschlussgesetz spricht auch, dass im Fall der bloßen Einbeziehung der Aktiengesellschaft die Regelungen des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes durch eine rechtsformwechselnde Umwandlung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Aktiengesellschaft (wofür nach dem Gesetz bloß eine Beschlussmehrheit von 75 vH des Nennkapitals erforderlich ist) anwendbar gemacht werden können.

Soweit das Vermögensinteresse des Minderheitsgesellschafters betroffen ist, verlangen § 1 Abs 1 und § 2 Abs 1 GesAusG eine angemessene Barabfindung als Ausgleich für den Verlust der Beteiligung. Darüber hinaus gibt es nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz ein gerichtliches Überprüfungsverfahren, in dem die angemessene Barabfindung zu überprüfen ist (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg 16.636/2002).

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Regelungen über den Gesellschafterausschluss im Gesellschafter-Ausschlussgesetz keinen zwingenden Charakter haben. In der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag kann vorgesehen werden, dass der Ausschluss von Gesellschaftern nach den Bestimmungen des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes nicht zulässig ist oder dem Hauptgesellschafter eine höhere Anteilsquote als neun Zehntel des Nennkapitals gehören muss. Eine entsprechende Bestimmung der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags kann nur mit Zustimmung aller Gesellschafter aufgehoben oder geändert werden, es sei denn, die Bestimmung sieht ausdrücklich eine andere Mehrheit vor, die jedoch nicht weniger als drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfassen darf (§1 Abs 4 GesAusG).

Zusammenfassend bestehen sohin keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK sowie des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art 7 B-VG und Art 2 StGG gegen § 1 Abs 1 und Abs 4, § 3 Abs 1 und Abs 9, § 4 Abs 1, § 5 Abs 1 und Abs 2 GesAusG, weil diesen Regelungen eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Abwägung zwischen den Interessen des Mehrheitsgesellschafters und jenen der Minderheitsgesellschafter zugrunde liegt.

2.2.5.Die Antragstellerin meint schließlich, es widerspreche dem aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Vertrauensschutz, dass das Gesellschafter-Ausschlussgesetz auch auf bei seinem Inkrafttreten bereits existierende Gesellschaften mit beschränkter Haftung anwendbar sei, sofern die zur Beschlussfassung notwendigen Unterlagen für den Gesellschafterausschluss nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz nach dem an die Gesellschafter versendet wurden (vgl. § 9 GesAusG). Vor Inkrafttreten des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes habe jeder Minderheitsgesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gesellschaftsvertrag keine Regelung betreffend einen Gesellschafterausschluss enthielt, darauf vertrauen können, dass ein nicht näher zu begründender Gesellschafterausschluss gegen den Willen des Minderheitsgesellschafters nicht möglich sei.

2.2.6.Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann durch § 9 GesAusG keine Verletzung des aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Vertrauensschutzes bewirkt werden: Bereits vor dem Inkrafttreten des Gesellschafterausschluss-Gesetzes am bestanden gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern sowohl bei einer Aktiengesellschaft als auch bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Zu nennen sind dabei insbesondere die einschlägigen Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes und (des später in Kraft getretenen) Spaltungsgesetzes:

2.2.6.1.Das Bundesgesetz über die Umwandlung von Handelsgesellschaften, BGBl 187/1954 ("Umwandlungsgesetz 1954"), trat an die Stelle des früher in Geltung gestandenen Umwandlungsgesetzes 1934. Nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes 1934 war die Umwandlung auf den Hauptgesellschafter möglich, wenn dieser mehr als drei Viertel des Grundkapitals hielt. Das Vermögen der übertragenden Gesellschaft wurde unter gleichzeitiger Auflösung derselben durch Gesamtrechtsnachfolge auf den Hauptgesellschafter übertragen. Die anderen Gesellschafter wurden nicht Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers, sondern auf diesem Wege ausgeschlossen. Die ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafter hatten einen Anspruch auf angemessene Abfindung, die sie im streitigen Verfahren überprüfen lassen konnten. Neben der verschmelzenden war auch eine errichtende Umwandlung vorgesehen, bei der das Gesellschaftsvermögen auf eine gleichzeitig zu errichtende Personengesellschaft übertragen wurde; auch bei der errichtenden Umwandlung konnten Gesellschafter ausscheiden. Nach dem Umwandlungsgesetz 1954 gab es – wie bereits nach dem Umwandlungsgesetz 1934 – die Möglichkeit der verschmelzenden und der errichtenden Umwandlung mit der Rechtsfolge des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern aus der Gesellschaft. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem Umwandlungsgesetz 1934 bestand darin, dass die Anteilsschwelle, die der Hauptgesellschafter als Voraussetzung für die Umwandlung halten musste, auf neun Zehntel des Nennkapitals erhöht wurde. Die Angemessenheit der Abfindung konnte im außerstreitigen Verfahren beim Registergericht der Kapitalgesellschaft überprüft werden.

2.2.6.2.Im Rahmen des EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes, BGBl 304/1996, wurde in ArtXIV das Bundesgesetz über die Umwandlung von Handelsgesellschaften (UmwG) neu erlassen ("Umwandlungsgesetz 1996"). Die wesentlichen Inhalte des Umwandlungsgesetzes 1934 und 1954 wurden beibehalten, darunter die Möglichkeit, Minderheitsgesellschafter gegen Barabfindung auszuschließen. Dies wird auch ausdrücklich in den Materialien zum Umwandlungsgesetz 1996 festgehalten. Darin heißt es ausdrücklich, man wolle der mit der Umwandlung einhergehenden zwangsweisen Barabfindung für ausscheidende Minderheitsgesellschafter durch Regelungen zum Schutz der ausscheidenden Gesellschafter Rechnung tragen (Erläut. zur RV 32 BlgNR 20. GP, 57).

Der Gesetzgeber nahm somit mit dem Umwandlungsgesetz 1996 die Ausschlussmöglichkeit der Minderheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft (dh. Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung) durch einen Mehrheitsgesellschafter im Wege der verschmelzenden Umwandlung nicht nur in Kauf, sie war zentral für die Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz 1996 (vgl. Gall/Potyka/Winner, Squeeze out, 2006, Rz 10 mwN).

Nach herrschender Lehre (vgl. Gall/Potyka/Winner, aaO, Rz 11 mwN; Diregger/Kalss/Winner, Das österreichische Übernahmerecht², Rz 347; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ Anh § 101 Rz 23; Rieder, Zur Wertpapierleihe beim Squeeze-out, GesRZ2010, 204, 205; Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2§ 2 UmwG, Rz 116) und Rechtsprechung (; , 7 Ob 38/98h) ist der Beschluss über die verschmelzende (oder errichtende) Umwandlung ohne wichtigen Grund möglich und zulässig. Nur in Ausnahmefällen kann der Umwandlungsbeschluss treuepflichtwidrig oder rechtsmissbräuchlich sein (; , 7 Ob 38/98h).

2.2.6.3.Durch ArtXIII des EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes, BGBl 304/1996, wurde eine weitere gesetzliche Grundlage für den Gesellschafterausschluss geschaffen. Das Bundesgesetz über die Spaltung von Kapitalgesellschaften (SpaltG) ermöglicht die sogenannte nicht verhältniswahrende Spaltung. Eine solche liegt vor, wenn die Anteile der neuen Gesellschaften den Anteilsinhabern an der übertragenden Gesellschaft nicht in jenem Verhältnis zugeteilt werden, das ihrer Beteiligung an der übertragenen Gesellschaft entspricht. Diese Spaltungsart wird auch zum Ausschluss von Gesellschaftern eingesetzt (sogenannte Squeeze-out-Spaltung). Bei dieser wird Bargeld oder sonstiges, nicht betriebsnotwendiges Vermögen in eine neu gegründete Gesellschaft (sogenannte Cash Box) abgespalten. Diejenigen Gesellschafter, die ausgeschlossen werden sollen, werden Gesellschafter der Cash Box. In der abgespaltenen Gesellschaft wird in der Folge der Liquidationsbeschluss gefasst, wodurch die Minderheitsgesellschafter infolge des Liquidationsüberschusses zu einer Barabfindung kommen (vgl. Gall/Potyka/Winner, aaO, 12 f. mwN). Für die sogenannte nicht verhältniswahrende Spaltung war ein Mehrheitsbeschluss von neun Zehntel des Nennkapitals erforderlich.

Im Unterschied zum Umwandlungsgesetz 1996 muss der Spaltungsbeschluss nicht von einem (einzigen) Gesellschafter mit einer Beteiligung von neun Zehntel des Nennkapitals gefasst werden; es genügt eine Beschlussmehrheit von neun Zehntel des Nennkapitals (§8 Abs 3 SpaltG). Im Spaltungsplan kann bestimmt werden, welche Minderheitsgesellschafter ausgeschlossen werden und welche nicht. Die ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafter können die Angemessenheit der Barabfindung gerichtlich überprüfen lassen (vgl. § 9 Abs 2 SpaltG).

2.2.6.4.Angesichts dieser bereits vor dem Inkrafttreten des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes bestandenen gesetzlichen Möglichkeiten des Ausschlusses von (Minderheits-)Gesellschaftern, die nicht mehr als 10 vH des Nennkapitals einer Kapitalgesellschaft halten, bestehen nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes keine Bedenken gegen die Übergangsregelung des § 9 GesAusG. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Stellung der Minderheitsgesellschafter nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz gegenüber der früheren Rechtslage verbessert wurde: Die bis dahin bestandenen gesellschaftsrechtlichen Instrumente zum Ausschluss von Gesellschaftern im Umwandlungsgesetz einerseits und im Spaltungsgesetz andererseits wurden zeitgleich mit der Erlassung des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes durch das "Bundesgesetz, mit dem das Übernahmegesetz, das Handelsgesetzbuch, das Börsegesetz, das Umwandlungsgesetz und das Spaltungsgesetz geändert werden, und das Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erlassen wird (Übernahmerechts-Änderungsgesetz – ÜbRÄG 2006)", BGBl I 75/2006, novelliert: § 2 Abs 2 Z 3 UmwG passt die Reglungen der Barabfindung an das Verfahren in § 2 GesAusG an. Eine Umgehung dieses höheren Rechtsschutzstandards mit dem Instrument der nicht verhältniswahrenden Spaltung wurde durch die Einführung des Einstimmigkeitserfordernisses in § 8 Abs 3 zweiter Satz SpaltG beseitigt (Erläut. zur RV 1334, 22. GP, 24 f.).

Im Übrigen bestimmt § 10 GesAusG, dass in der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag einer Aktiengesellschaft bzw. einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bereits vor dem Inkrafttreten des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes für den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern vorgesehene erschwerende Bestimmungen sinngemäß für den Gesellschafterausschluss nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz gelten. Damit gelten diese bereits bestehenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen in demselben Sinne, wie dies § 1 Abs 4 GesAusG festlegt.

Das in der öffentlichen mündlichen Verhandlung erörterte Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 221/16t, betrifft einen anderen Sachverhalt und hat daher im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes keine Bedeutung.

Aus den genannten Gründen liegt keine Verletzung des aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes durch die angefochtene Regelung des § 9 GesAusG vor.

V.Ergebnis

Die ob der Verfassungsmäßigkeit von § 1 Abs 1 und Abs 4, § 3 Abs 1 und Abs 9, § 4 Abs 1, § 5 Abs 1 und Abs 2, § 9 Abs 2 und § 10 GesAusG erhobenen Bedenken treffen nicht zu.

Der Antrag ist daher abzuweisen.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2018:G30.2017
Schlagworte:
Gesellschaftsrecht, Eigentumsbeschränkung, Übergangsbestimmung, Vertrauensschutz, Rechtspolitik, VfGH / Parteiantrag

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