VfGH vom 03.03.2017, G3/2017 ua
Leitsatz
Gleichheitswidrigkeit der Regelung über die Berechnung des Inflationsabschlags bei der Immobilienertragbesteuerung; keine Bedenken gegen die "verlängerte" Steuerverfangenheit von Grundstücken bei begünstigt abgesetzten Herstellungsaufwendungen
Spruch
I. § 30 Abs 3 zweiter Teilstrich des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988), BGBl Nr 400 idF BGBl I Nr 112/2012, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E655-656/2015 eine auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom einerseits bzw. mit Kaufverträgen vom und vom andererseits Anteile an zwei näher bezeichneten Liegenschaften, die er mit am bzw. am unterfertigten Kaufverträgen veräußerte. Mit Einkommensteuerbescheid vom unterzog das Finanzamt Wien 1/23 die vom Beschwerdeführer aus diesen privaten Grundstücksveräußerungen erzielten – mit dem jeweiligen Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten angesetzten (§30 Abs 3 EStG 1988) – Einkünfte mit dem in § 30a Abs 1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2012 vorgesehenen besonderen Steuersatz von 25% der Einkommensteuer. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
1.2. Mit Kaufvertrag vom veräußerte der Beschwerdeführer zudem (teilweise) die beiden mit Kaufverträgen vom und erworbenen Hälfteanteile an einer weiteren näher bezeichneten Liegenschaft. Nach erfolgter Selbstberechnung setzte das Finanzamt Wien 1/23 mit Bescheid vom die Immobilienertragsteuer fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer ebenfalls fristgerecht Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
1.3. Die beiden Beschwerden wurden jeweils mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom mit gleichlautender Begründung abgewiesen. Das Bundesfinanzgericht führte – unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Vertrauensschutz – im Wesentlichen aus, dass es die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 (BGBl I 22/2012) erfolgten Einführung der Ertragsbesteuerung privater Grundstücksveräußerungen nicht teile.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidungen gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 30 Abs 3 zweiter Teilstrich EStG 1988 idF BGBl I 112/2012 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss (Pkt. III.) wie folgt dar:
"4. Vorangestellt sei, dass der Verfassungsgerichtshof gegen die 'verlängerte' Steuerverfangenheit von Grundstücken, für die Herstellungsaufwendungen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 begünstigt abgesetzt wurden, aus Anlass der vorliegenden Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt:
4.1. Nach der mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 in Kraft gesetzten Rechtslage ist für private Grundstücksveräußerungen gemäß § 30 Abs 3 EStG 1988 grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den (tatsächlichen) Anschaffungskosten als Einkünfte anzusetzen. § 30 Abs 4 EStG 1988 sieht daneben eine pauschale Ermittlung der Einkünfte für jene Grundstücke vor, die am nicht steuerverfangen waren. Zugleich sieht § 30 Abs 5 EStG 1988 vor, dass die Einkünfte statt nach Abs 4 auf Antrag auch nach Abs 3 ermittelt werden können.
4.2. Ob ein Grundstück am nicht (mehr) steuerverfangen war, er-gibt sich aus § 30 Abs 1 Z 1 lita EStG 1988, BGBl 400. Demnach galten Ver-äußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, bei Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, als (steuerpflichtige) Spekulationsgeschäfte. Nach § 30 Abs 1 Z 1 lita zweiter Satz EStG 1988 verlängert sich diese Frist für Grundstücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 abgesetzt wurden, auf fünfzehn Jahre.
4.3. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurden für die mit Kaufvertrag vom bzw. vom erworbenen Grundstücksteile Herstellungs-aufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 abgesetzt, wodurch sich die Spekulationsfrist gemäß § 30 Abs 1 Z 1 lita zweiter Satz EStG 1988 von zehn auf fünfzehn Jahre verlängerte. Nach der bis zum geltenden Rechtslage wäre eine steuerfreie Veräußerung der in Rede stehenden Liegenschaft daher frühestens im Jahr 2016 möglich gewesen. Da die Grundstücksteile zum Stichtag somit noch steuerverfangen waren, gelten diese nach der mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 in Kraft getretenen Rechtslage als Neuvermögen, auf das die (in § 30 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl I 22/2012 für am nicht mehr steuerverfangenes Altvermögen vorgesehene) pauschale Einkünfteermittlung nicht zur Anwendung gelangt.
4.4. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G111/2015, ausgeführt hat, wird durch die mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 erfolgte Einführung einer Steuerpflicht für private Grundstücksveräußerungen ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen hinsichtlich jener Grund-stücke, die zum in Folge Ablaufs der nach § 30 EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 geltende Spekulationsfrist nicht (mehr) steuerverfangen waren, nicht verletzt.
Nichts anderes kann daher für Grundstücke gelten, für die zum die nach § 30 EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 geltende Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen war: Die im Zeitpunkt der Anschaffung des Grundstücks bestehende Erwartung des Steuerpflichtigen, dass die Veräußerung des Grundstücks infolge Ablaufs der Spekulationsfrist keiner Ertragsteuerpflicht unterliegen werde, begründet für sich kein verfassungsgesetzlich geschütztes Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage (vgl. , Rz 40).
Es bestehen somit auch keine Bedenken dagegen, dass vom Gesetzgeber Grund-stücke in die Steuerpflicht für private Grundstücksveräußerungen nach dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 einbezogen werden, für die die nach § 30 Abs 1 Z 1 lita EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 maßgebende Frist zum noch nicht abgelaufen war.
4.5. An dieser Ausgangslage vermag entgegen der Auffassung des Beschwerde-führers auch der Umstand nichts zu ändern, dass er nach Anschaffung der Liegenschaft Herstellungsaufwendungen getätigt hat, die gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 über seinen Antrag gleichmäßig auf fünfzehn Jahre verteilt worden sind und durch diese Vorgehensweise – bezogen auf den Zeitpunkt der Anschaffung – eine Verlängerung der Steuerverfangenheit eingetreten ist, deren Konsequenzen im Zeitpunkt der Investition nicht abgesehen werden konnte:
Das Wesen dieser Begünstigung besteht in einer beschleunigten ('vorzeitigen') Abschreibung von bestimmten, in § 28 Abs 3 EStG 1988 näher angeführten Herstellungsaufwendungen, die ansonsten auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes verteilt abzuschreiben wären. Nach der im Zeitpunkt der Investition geltenden Rechtslage sah § 28 Abs 7 EStG 1988 eine Rückgängigmachung dieser Begünstigung u.a. dann vor, wenn das Gebäude veräußert wurde und innerhalb von fünfzehn Jahren vor der Übertragung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen begünstigt gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 abgesetzt worden waren. Zudem bedingten derartige Herstellungsaufwendungen gemäß § 30 Abs 1 Z 1 lita EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, dass sich die für das Vorliegen eines Spekulationsgeschäftes maßgebende Frist von zehn auf fünfzehn Jahre verlängerte.
Vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles ist nicht zu erkennen, dass mit der gemäß § 30 Abs 1 Z 1 lita EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 geltenden Rechtslage dem Steuerpflichtigen eine Begünstigung des steuerfreien Verkaufs in Aussicht gestellt worden wäre, mit der der Steuerpflichtige zu Herstellungsaufwendungen veranlasst werden sollte, zumal nach der vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 geltenden Rechtslage auch ohne die Vornahme begünstigter Aufwendungen die Veräußerung nach Ablauf der Spekulationsfrist nicht der Besteuerung unterlag und die Vornahme derartiger Herstellungsaufwendungen die maßgebende Frist verlängerte. Hinzu kommt, dass der Steuerpflichtige nach der im Zeitpunkt der Investition geltenden Rechtslage davon ausgehen musste, dass der Vorteil aus der vorzeitigen Abschreibung im Fall der Veräußerung unter bestimmten Voraussetzungen rückgängig zu machen war.
4.6. Soweit der Beschwerdeführer vermeint, die lediglich auf den Umstand der Steuerhängigkeit zum abstellende Differenzierung zwischen Alt- und Neuvermögen sei als unsachlich zu bewerten, ist ihm Folgendes entgegen-zuhalten:
4.6.1. Für den Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass das im Jahr 2001 angeschaffte Grundstück zum steuerverfangen war, weil für dieses Grundstück Herstellungsaufwendungen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 über Antrag gleichmäßig auf fünfzehn Jahre verteilt abgesetzt wurden und § 30 Abs 1 Z 1 lita zweiter Satz EStG 1988 für diesen Fall vorsieht, dass sich die Spekula-tionsfrist von zehn auf fünfzehn Jahre verlängert. Das Grundstück wäre somit zum nicht mehr steuerverfangen gewesen, hätte der Beschwerde-führer keinen Antrag gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 auf Verteilung der Herstellungskosten auf fünfzehn Jahre gestellt, sondern diese auf die Restnutzungs-dauer abgeschrieben. Damit wäre es ihm offen gestanden, den Veräußerungsgewinn nach § 30 Abs 4 EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetzes 2012 unter Zugrundelegung pauschal ermittelter Anschaffungskosten zu berechnen.
4.6.2. Dazu ist zu bedenken, dass sich Grundstücke, die zum steuerverfangen waren, von solchen Grundstücken, für die im betreffenden Zeitpunkt die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, insofern unterscheiden, als die Anschaffungskosten des steuerverfangenen Grundstücks im betreffenden Zeitpunkt steuerlich relevant und damit für Besteuerungszwecke evident zu halten waren.
4.6.3. Dieser Umstand schließt es aus, für solche steuerverfangenen Grundstücke eine pauschale Ableitung der Anschaffungskosten vorzusehen, wie sie in § 30 Abs 4 EStG 1988 für Altvermögen angeordnet wird. Vielmehr rechtfertigt der Umstand der Steuerverfangenheit, die Einkünfte für Neuvermögen unter Zugrundelegung der tatsächlichen Anschaffungskosten zu ermitteln. Dass im Rahmen der Einkünfteermittlung gemäß Abs 3 die Anschaffungskosten um die AfA zu vermindern sind, soweit sie bei der Ermittlung von Einkünften zum Abzug gebracht wurde, begegnet hiebei entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal durch diese einkünfte-erhöhend wirkende Regelung die doppelte steuerliche Berücksichtigung des nutzungsbedingten Wertverlustes verhindert werden soll (vgl. RV 1434 BlgNR 22. GP, 6).
4.6.4 Wenn der Beschwerdeführer vermeint, dass es sachlich geboten wäre, Grundstücke, für die vor Inkrafttreten der neuen Immobilienbesteuerung begünstigte Herstellungsaufwendungen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 geltend gemacht wurden, im Rahmen der mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 vorgesehenen Regelung zur Einkünfteermittlung hinsichtlich der Steuerverfangenheit gleich zu behandeln wie Liegenschaften, für die solche Aufwendungen nicht angefallen sind, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:
§28 Abs 3 EStG 1988 sieht für bestimmte Herstellungsaufwendungen eine vorzeitige Abschreibung vor, die unter Geltung der Rechtslage vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 u.a. im Fall der Veräußerung eines solchen Grundstückes – auch nach Ablauf der Spekulationsfrist – zum Ansatz besonderer Einkünfte gemäß § 28 Abs 7 EStG 1988 geführt hat. Diese Regelung zielte auf die Nachversteuerung begünstigter Herstellungsaufwendungen, wenn diese innerhalb von fünfzehn Jahren vor der Übertragung abgesetzt wurden. Für die in diesem Zeitraum geltend gemachten Fünfzehntel war die Differenz zur rechnerischen AfA, die sich bei Verteilung der Kosten auf die Restnutzungsdauer ergeben hätte, als besondere Einkünfte anzusetzen.
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012 wurde § 28 Abs 7 EStG 1988 mit Wirkung ab novelliert: Nach der geltenden Rechtslage erfolgt die Nach-versteuerung begünstigt abgesetzter Herstellungsaufwendungen im Rahmen der Ermittlung des Unterschiedsbetrages gemäß § 30 Abs 3 EStG 1988, indem die Anschaffungskosten um die AfA zu vermindern sind, wodurch eine Erhöhung der Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen nicht nur in Höhe jener Beträge eintritt, die als normale Abschreibung, sondern auch in Höhe jener, die als Herstellungsaufwendungen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 begünstigt abgesetzt wurden. Für nicht zum steuerverfangene Grundstücke ordnet Abs 4 hingegen an, dass die pauschal ermittelten Einkünfte um die Hälfte der in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 abgesetzten Herstellungsaufwendungen erhöht werden, soweit sie innerhalb von fünfzehn Jahren vor Veräußerung geltend gemacht wurden.
Ohne eine solche Differenzierung unterlägen begünstigte Herstellungsaufwendungen bei Grundstücken, deren Anschaffung zum weniger als fünfzehn, aber mehr als zehn Jahre zurückliegt, im Fall einer unter Geltung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 erfolgenden Veräußerung lediglich einer pauschalen Nachversteuerung, obgleich nach der zum geltenden Rechtslage für diese eine Nachversteuerung nach den tatsächlichen Verhältnissen unter Anrechnung der rechnerischen AfA zu erfolgen hatte. Vor diesem Hintergrund ist die Frist der Steuerverfangenheit für Grundstücke, für die begünstigte Herstellungsaufwendungen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 abgesetzt wurden, nicht unsachlich.
5. Bedenken hegt der Verfassungsgerichtshof jedoch gegen die Regelung des § 30 Abs 3 EStG 1988 zum Inflationsabschlag:
5.1. § 30 Abs 3 zweiter Teilstrich EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetzes 2012 sieht vor, dass die Einkünfte ab dem elften Jahr nach dem Zeitpunkt der Anschaffung oder späteren Umwidmung um 2% jährlich, höchstens jedoch um 50% zu vermindern sind; dies gilt nicht, soweit der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs 4 EStG 1988 nicht anwendbar ist. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 1. Stabilitätsgesetz 2012 (1680 BlgNR 24. GP, 9) soll mit dem Inflationsabschlag eine Berücksichtigung der inflationsbedingten Wertsteigerung im Rahmen der Einkünfteermittlung stattfinden (vgl. auch Bodis/Hammerl , in: Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg.], EStG 17 § 30, Tz 244 ff.):
'Zusätzlich zum besonderen Steuersatz, der bereits implizit eine Inflationsabgeltung berücksichtigt, ist der Veräußerungsgewinn ab dem 11. Jahr nach der Anschaffung jährlich um 2%, höchstens jedoch um 50% zu reduzieren (Inflations-abschlag). Der Inflationsabschlag von 2% orientiert sich einerseits an historischen Werten für Österreich (zwischen 1999 und 2010 lag die durchschnittliche, jährliche Inflationsrate bei rund 1,87%) sowie anderseits am impliziten Inflationsziel der Europäischen Zentralbank, wonach die Inflationsrate geringfügig unter 2% liegen soll. Bei einem maximalen Inflationsabschlag entspricht die Besteuerung mit dem besonderen Steuersatz gemäß § 30a Abs 1 daher einem effektiven Steuersatz von 12,5%.'
5.2. Die in Geltung stehende Einkommensteuer beruht auf dem Prinzip der Besteuerung zu Nominalwerten (vgl. zB Doralt/Mayr , EStG 13 , § 6 Tz 1; Tipke/Lang , Steuerrecht 20 [2010] § 9 Rz 56). Dies hat seinen Grund im Wesentlichen in Praktikabilitätsgesichtspunkten, da die Ermittlung des Einkommens auf einer Geldrechnung beruht. Die Besteuerung nach dem Nominalwertprinzip bedingt u.a., dass nominelle Vermögenswertsteigerungen, die im Zuge einer Veräußerung eines Wirtschaftsgutes realisiert werden, sog. Scheingewinne enthalten können, die allein durch die Geldentwertung bedingt sind und nicht der realen Wertsteigerung entsprechen, oder auch einen realen Wertverlust verdecken können.
5.3. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, zu entscheiden, ob und inwieweit er die Geldentwertung im Rahmen der Einkommensbesteuerung berücksichtigt. Inhaltliche Schranken setzt lediglich der Gleichheitssatz, der es verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Ob die Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann allerdings nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (vgl. zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003, 19.904/2014).
Aus den Materialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die 'Inflationsabgeltung' zusätzlich zum besonderen Steuersatz durch einen Inflationsabschlag berücksichtigt. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die Berücksichtigung der Geldentwertung im Rahmen der Besteuerung von privaten Grundstücksveräußerungen nicht unzulässig sein dürfte, handelt es sich doch in solchen Fällen typischerweise um Veräußerungsgewinne, die auch geldwertbedingte Scheingewinne enthalten können. Für den Verfassungsgerichtshof ist aber vorderhand nicht erkennbar, welche sachlichen Gründe dafür sprechen, die Geldentwertung durch eine Kombination der Faktoren aus besonderem Steuer-satz und Abschlag von den Einkünften zu berücksichtigen. Dies vor dem Hinter-grund, dass der besondere Steuersatz iZm der Besteuerung von Kapitalerträgen auch als Instrument zur typisierenden Bereinigung der Inflation gesehen wird (AB 881 BlgNR 18. GP, 2 zum Endbesteuerungsgesetz), ohne dass darüber hinaus für langfristige Veranlagungen eine weitere spezifische Berücksichtigung in Form eines Abschlages vorgesehen wäre.
5.4. Selbst wenn solche Gründe bestehen sollten, scheint die Regelung zu unsachlichen Ergebnissen zu führen:
Mag auch der jährliche Prozentsatz der Höhe nach typisierend betrachtet der Geldentwertung entsprechen, ist die Bereinigung der Inflationswirkung nach der Regelung des § 30 Abs 3 EStG 1988 nicht durch eine Indexierung der historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, sondern in Form eines Abschlages von den Einkünften vorzunehmen. Dies bedingt, dass bei gleichen Einkünften und gleicher Behaltedauer unabhängig von den tatsächlich eingetretenen Inflationswirkungen stets dieselbe Geldentwertung vom Gesetzgeber unterstellt wird. Damit dürfte aber offenbar vom Gesetzgeber nicht hinreichend berücksichtigt werden, dass sich die Geldentwertung auf die für den jeweiligen Gegenstand aufgewendeten Anschaffungskosten (und nicht pauschal auf die anlässlich der Veräußerung erzielten Einkünfte) bezieht. Die Regelung dürfte vielmehr in unsachlicher Weise zur Folge haben, dass – bei gleichen Einkünften und gleicher Behaltedauer – der Abschlag mit steigenden Veräußerungserlösen eine abnehmende Geldentwertung abbildet.
Inwieweit der Umstand, dass die Regelungstechnik im Ergebnis für Veranlagungen von mehr als zehn Jahren zu einer fortschreitenden Abschmelzung des besonderen Steuersatzes von 25% auf 12,5% führt, die Vorschrift zu rechtfertigen vermag, wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu klären sein."
4. Die Bundesregierung hat in ihrer Mitteilung an den Verfassungsgerichtshof vom von einer meritorischen Äußerung Abstand genommen.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):
1. § 30 Abs 1 Z 1 lita EStG 1988 lautet in seiner Stammfassung BGBl 400:
"Spekulationsgeschäfte
§30. (1) Spekulationsgeschäfte sind:
1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:
a) Bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre. Für Grundstücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs 3 abgesetzt wurden, verlängert sich die Frist auf fünfzehn Jahre."
2. § 28 EStG 1988 idF BGBl 201/1996 lautet auszugsweise (Abs7 wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl I 112/2012 aufgehoben bzw. maßgeblich geändert – siehe Pkt. 3., Rz 11):
"Vermietung und Verpachtung
§28. […]
(3) Folgende Aufwendungen, soweit sie Herstellungsaufwand darstellen, sind über Antrag gleichmäßig auf fünfzehn Jahre verteilt abzusetzen:
1. Aufwendungen im Sinne der §§3 bis 5 des Mietrechtsgesetzes in Gebäuden, die den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes über die Verwendung der Hauptmietzinse unterliegen.
2. Aufwendungen für Sanierungsmaßnahmen, wenn die Zusage für eine Förderung nach dem Wohnhaussanierungsgesetz, dem Startwohnungsgesetz oder den landesgesetzlichen Vorschriften über die Förderung der Wohnhaussanierung vorliegt.
3. Aufwendungen auf Grund des Denkmalschutzgesetzes. § 8 Abs 2 zweiter und dritter Satz gilt entsprechend.
Werden zur Finanzierung dieses Herstellungsaufwandes erhöhte Zwangsmieten oder erhöhte Mieten, die auf ausdrücklich gesetzlich vorgesehenen Vereinbarungen beruhen, eingehoben, dann kann der Herstellungsaufwand gleichmäßig auch auf die Laufzeit der erhöhten Mieten, mindestens aber gleichmäßig auf zehn Jahre verteilt werden. Wird das Gebäude auf eine andere Person übertragen, so können ab dem der Übertragung folgenden Kalenderjahr die restlichen Teilbeträge der auf zehn bis fünfzehn Jahre verteilten Herstellungsaufwendungen nicht mehr abgezogen werden. Nur bei Erwerb von Todes wegen kann der Rechtsnachfolger die restlichen Teilbeträge weiter geltend machen, wenn er die Absetzung für Abnutzung für das erworbene Gebäude vom Einheitswert (§16 Abs 1 Z 8 litb) berechnet. § 8 Abs 2 zweiter und dritter Satz gilt entsprechend.
[…]
(7) Wird ein Gebäude unter Lebenden übertragen und wurden innerhalb von fünfzehn Jahren vor der Übertragung vom Steuerpflichtigen oder bei Erwerb von Todes wegen von seinem Rechtsvorgänger Herstellungsaufwendungen in Teil-beträgen gemäß Abs 3 abgesetzt, dann sind im Jahr der Übertragung zusätzlich besondere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn das Gebäude im Zeitpunkt der Übertragung nicht mehr der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient. Die besonderen Einkünfte sind wie folgt zu errechnen:
1. Zunächst ist zu ermitteln, welcher Betrag bei der Einkunftsermittlung im Falle der Verteilung dieser Kosten auf die Restnutzungsdauer als Absetzung für Ab-nutzung abzusetzen gewesen wäre (rechnerische Absetzung für Abnutzung).
2. Die tatsächlich abgesetzten Teilbeträge der Herstellungsaufwendungen abzüglich der rechnerischen Absetzung für Abnutzung (Z1) werden als besondere Einkünfte erfaßt."
3. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl I 112 wurde § 28 Abs 7 EStG 1988 wie folgt geändert, womit der Ansatz besonderer Einkünfte entfallen ist:
"(7) § 4 Abs 2 Z 2 gilt in Bezug auf die Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- und Abschlägen sinngemäß."
4. Die Bestimmungen der §§29 ff. EStG 1988 idF BGBl I 112/2012 (Abgaben-änderungsgesetz 2012) lauten auszugsweise:
"Sonstige Einkünfte (§2 Abs 3 Z 7)
§29. Sonstige Einkünfte sind nur:
[…]
2. Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (§30) und aus Spekulationsgeschäften (§31).
[…]
Private Grundstücksveräußerungen
§30. (1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.
(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:
1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§18 Abs 1 Z 3 litb), wenn sie dem Veräußerer
a) ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder
b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.
2. Aus der Veräußerung von selbst hergestellten Gebäuden, soweit sie innerhalb der letzten zehn Jahre nicht zur Erzielung von Einkünften gedient haben.
3. Aus der Veräußerung von Grundstücken infolge eines behördlichen Eingriffs oder zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffs.
4. Aus Tauschvorgängen von Grundstücken im Rahmen eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens im Sinne des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl Nr 103/1951, sowie im Rahmen behördlicher Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland, insbesondere nach den für die bessere Gestaltung von Bauland geltenden Vorschriften. Das in solchen Verfahren erworbene Grundstück tritt hinsichtlich aller für die Ermittlung der Einkünfte relevanter Umstände an die Stelle des hingegebenen Grundstückes.
(3) Als Einkünfte ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten sind um Herstellungsaufwendungen und Instandsetzungsaufwendungen zu erhöhen, soweit diese nicht bei der Ermittlung von Einkünften zu berücksichtigen waren. Die Anschaffungskosten sind um Absetzungen für Abnutzungen, soweit diese bei der Ermittlung von Einkünften abgezogen worden sind, sowie um die in § 28 Abs 6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. Müssen Grundstücksteile im Zuge einer Änderung der Widmung auf Grund gesetzlicher Vorgaben an die Gemeinde übertragen werden, sind die Anschaffungskosten der verbleibenden Grundstücksteile um die Anschaffungskosten der übertragenen Grundstücksteile zu erhöhen. Die Einkünfte sind zu vermindern um
– die für die Mitteilung oder Selbstberechnung gemäß § 30c anfallenden Kosten und um anlässlich der Veräußerung entstehende Minderbeträge aus Vorsteuerberichtungen gemäß § 6 Z 12;
– 2% jährlich ab dem elften Jahr nach dem Zeitpunkt der Anschaffung oder späteren Umwidmung, höchstens jedoch um 50% (Inflationsabschlag); dies gilt nicht, soweit der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs 4 nicht anwendbar ist.
(4) Soweit Grundstücke am nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen:
1. Im Falle einer Umwidmung des Grundstückes nach dem der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten. Als Umwidmung gilt eine Änderung der Widmung, die nach dem letzten entgeltlichen Erwerb stattgefunden hat und die erstmals eine Bebauung ermöglicht, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entspricht. Dies gilt auch für eine spätere Umwidmung in engem zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung.
2. In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten.
Der Unterschiedsbetrag erhöht sich um die Hälfte der in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs 3 abgesetzten Herstellungsaufwendungen, soweit sie innerhalb von fünfzehn Jahren vor der Veräußerung vom Steuerpflichtigen selbst oder im Fall der unentgeltlichen Übertragung von seinem Rechtsvorgänger geltend gemacht wurden.
(5) Auf Antrag können die Einkünfte statt nach Abs 4 auch nach Abs 3 ermittelt werden.
(6) Für die Anwendung des Abs 4 gilt Folgendes:
a) Wurde bei einem Grundstück die Absetzung für Abnutzung gemäß § 16 Abs 1 Z 8 von den fiktiven Anschaffungskosten bemessen und war es zum nicht mehr steuerverfangen, sind die Einkünfte für Wertveränderungen vor und ab der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung gesondert zu ermitteln:
– Für Wertveränderungen bis zum Beginn der Einkünfteerzielung kann Abs 4 angewendet werden, wobei an Stelle des Veräußerungserlöses die fiktiven Anschaffungskosten treten.
– Wertveränderungen ab dem Beginn der Einkünfteerzielung sind nach Abs 3 zu ermitteln, wobei an Stelle der tatsächlichen Anschaffungskosten die fiktiven Anschaffungskosten treten. Für einen Inflationsabschlag ist auf den Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung abzustellen.
b) Werden gemäß § 4 Abs 10 Z 3 lita in der Fassung vor dem 1. Stabilitätsgesetz, BGBl I Nr 22/2012, auf- oder abgewertete Grundstücke entnommen, gilt bei deren Veräußerung § 4 Abs 3a Z 3 litc sinngemäß."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Vorauszuschicken ist zunächst, dass der Gesetzgeber mit der durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012 erfolgten Einführung einer Steuerpflicht für private Grundstücksveräußerungen kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen hinsichtlich jener Grundstücke verletzt hat, für die die nach § 30 Abs 1 Z 1 lita EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 maßgebende Frist zum noch nicht abgelaufen war (vgl. Pkt. III.4.4. des Prüfungsbeschlusses mit Hinweis auf ).
Dies gilt auch für jene Fälle, in denen der Steuerpflichtige nach Anschaffung der Liegenschaft Herstellungsaufwendungen getätigt hat, die gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 über seinen Antrag gleichmäßig auf fünfzehn Jahre verteilt worden sind: Selbst wenn durch diese Vorgehensweise eine Verlängerung der Steuerverfangenheit eingetreten ist, deren Konsequenzen im Zeitpunkt der Investition nicht absehbar waren, ist nicht zu erkennen, dass mit der vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 geltenden Rechtslage eine Begünstigung des steuerfreien Verkaufs in Aussicht gestellt worden wäre, mit der der Steuerpflichtige zur Vornahme von Herstellungsaufwendungen veranlasst werden sollte (vgl. Pkt. III.4.5. des Prüfungsbeschlusses).
Ebenso wenig begegnet es Bedenken, dass im Fall der Veräußerung von zum steuerverfangenen Grundstücken die Einkünfte aus einer privaten Grundstücksveräußerung nicht pauschal, sondern unter Zugrundelegung der tatsächlichen Anschaffungskosten zu ermitteln sind, wobei diese um die Absetzungen für Abnutzungen zu vermindern sind, soweit sie bei der Ermittlung von Einkünften zum Abzug gebracht wurden (vgl. Pkt. III.4.6.2. und III.4.6.3. des Prüfungsbeschlusses). Auch ist die "verlängerte" Steuerverfangenheit von Grundstücken, für die Herstellungsaufwendungen begünstigt abgesetzt wurden, nicht unsachlich, bedingt diese doch, dass für solche Grundstücke die Nachversteuerung begünstigt abgesetzter Herstellungsaufwendungen nicht bloß pauschal, sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen zu erfolgen hat (vgl. Pkt. III.4.6.4. des Prüfungsbeschlusses).
2.2. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Regelung des § 30 Abs 3 EStG 1988 zum Inflationsabschlag erweisen sich teilweise als unbegründet:
2.2.1. § 30 Abs 3 zweiter Teilstrich EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetzes 2012 sieht vor, dass die Einkünfte ab dem elften Jahr nach dem Zeitpunkt der Anschaffung oder späteren Umwidmung um 2% jährlich, höchstens jedoch um 50% zu vermindern sind; dies gilt nicht, soweit der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs 4 EStG 1988 nicht anwendbar ist. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 1. Stabilitätsgesetz 2012 (1680 BlgNR 24. GP, 9) soll mit dem Inflationsabschlag eine Berücksichtigung der inflationsbedingten Wertsteigerung im Rahmen der Einkünfteermittlung stattfinden. Die Bestimmung wurde vom Gesetzgeber durch das Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl I 118/2015 wieder aufgehoben und dazu erläuternd ausgeführt, dass die "Geltendmachung eines Inflationsabschlages für Grundstücksveräußerungen ab dem nicht mehr möglich sein (soll)" (vgl. die Erläut. zur RV 684 25. GP, 20).
Die in Geltung stehende Einkommensteuer beruht zwar auf dem Prinzip der Besteuerung zu Nominalwerten (vgl. zB Doralt/Mayr , EStG 13 , § 6 Tz 1; Tipke/Lang , Steuerrecht 20 [2010] § 9 Rz 56). Dies hat seinen Grund im Wesentlichen in Praktikabilitätsgesichtspunkten, da die Ermittlung des Einkommens auf einer Geldrechnung beruht. Die Besteuerung nach dem Nominalwertprinzip bedingt allerdings u.a., dass nominelle Vermögenswertsteigerungen, die im Zuge einer Veräußerung eines Wirtschaftsgutes realisiert werden, sog. Scheingewinne enthalten können, die allein durch die Geldentwertung bedingt sind und nicht der realen Wertsteigerung entsprechen, oder auch einen realen Wertverlust verdecken können.
2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat im Prüfungsbeschluss dargelegt, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, zu entscheiden, ob und inwieweit er die Geldentwertung im Rahmen der Einkommensbesteuerung berücksichtigt:
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der Ansicht, dass es dem Gleichheitssatz nicht entgegensteht, die Geldentwertung im Rahmen der Besteuerung von privaten Grundstücksveräußerungen zu berücksichtigen, zumal es sich in solchen Fällen typischerweise um Veräußerungsgewinne handelt, die auch geldwertbedingte Scheingewinne enthalten können. Auch kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er für die Berücksichtigung inflationsbedingter Wertsteigerungen neben dem besonderen Steuersatz die Regelung eines Inflationsabschlages vorsieht, steht doch der besondere Steuersatz unabhängig von der Zeitspanne zwischen Anschaffung und Veräußerung des Grundstückes zu. Insofern hält der Verfassungsgerichtshof sein Bedenken, die Kombination zwischen besonderem Steuersatz und Inflationsabschlag sei mit Blick auf die für Kapitaleinkünfte geltende Rechtslage unsachlich, nicht aufrecht.
2.2.3. Die Bedenken, die sich gegen die Art der Berechnung des Inflationsabschlages richten, haben sich hingegen als zutreffend erwiesen:
Nach der Regelung des § 30 Abs 3 EStG 1988 ist die Bereinigung der Inflationswirkung in Form eines von der Behaltedauer abhängigen Abschlages von den Einkünften vorzunehmen. Dies bedeutet, dass bei gleichen Einkünften und gleicher Behaltedauer unabhängig von den tatsächlich eingetretenen Inflationswirkungen stets dieselbe Geldentwertung vom Gesetzgeber unterstellt wird.
Die Regelung hat damit zur Folge, dass – bei gleichen Einkünften und gleicher Behaltedauer – der Abschlag mit steigenden Anschaffungskosten eine abnehmende inflationsbedingte Wertsteigerung abbildet. So bedingt ein maximaler Inflationsabschlag bei Einkünften von € 100.000,–, dass die inflationsbedingte Wertsteigerung pauschal mit € 50.000,– ausgewiesen wird, womit beispielsweise im Fall der Veräußerung eines um € 200.000,– angeschafften Grundstückes eine inflationsbedingte Wertsteigerung von 25%, im Fall der Veräußerung einer um € 1.000.000,– angeschafften Immobilie eine inflationsbedingte Wertsteigerung von 5% abgebildet wird. Auch wenn der Gesetzgeber für die Berücksichtigung inflationsbedingter Wertsteigerungen eine Durchschnittsbetrachtung anstellen kann, muss die Bezugsgröße für diese so gewählt werden, dass sie nicht offenbar der wirtschaftlichen Erfahrung widerspricht (vgl. VfSlg 4409/1963, 4930/1965). Vor diesem Hintergrund erweist sich die Berechnung des Inflationsabschlages als unsachlich, ist doch die Höhe der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften kein Maßstab für eine eingetretene inflationsbedingte Wertsteigerung.
IV. Ergebnis
1. § 30 Abs 3 zweiter Teilstrich EStG 1988 idF BGBl I 112/2012 verstößt daher gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz.
Da die als verfassungswidrig erkannte Bestimmung ungeachtet ihrer zwischenzeitig erfolgten Novellierung mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung steht, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe zB VfSlg 19.343/2011 mwN) mit Aufhebung nach Abs 3 des Art 140 B VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs 4 dieser Verfassungsbestimmung vorzugehen.
2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B VG.
3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2017:G3.2017