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VfGH vom 09.03.2011, G287/09

VfGH vom 09.03.2011, G287/09

19349

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des Gebots der Anbringung von Kreuzen im Kindergarten nach dem Niederösterreichischen Kindergartengesetz 2006; Individualantrag zulässig trotz Freiwilligkeit des Kindergartenbesuchs im vorliegenden Fall; kein Ausdruck der Präferenz des Staates für eine bestimmte Glaubensüberzeugung; keine Verpflichtung zu religiösen Handlungen; keine Verletzung des Indoktrinierungsverbots; teils Zurückweisung des Individualantrags; keine Verpflichtung zur Teilnahme an religiösen Feiern

Spruch

I. Der Antrag wird, soweit er sich gegen die Wortfolge "religiösen und" in § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz 2006, LGBl. 5060-2, richtet, zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.

Mit dem vorliegenden, auf Art 140 B-VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge "religiösen und" in § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz 2006, LGBl. 5060-2, sowie § 12 Abs 2 leg.cit. als verfassungswidrig aufheben und den Antragstellern den Ersatz der Kosten zusprechen.

II.

Der Antrag ist vor dem Hintergrund der folgenden Rechtslage zu beurteilen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Kindergartengesetzes 2006, LGBl. 5060-2, lauten (die angefochtene Wortfolge und der angefochtene Absatz sind hervorgehoben):

"§2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

1. Kindergarten: jede Einrichtung, in der Kinder frühestens vom vollendeten 2,5. Lebensjahr bis zum Schuleintritt, längstens jedoch bis zum Ende des Kindergartenjahres, in das die Vollendung des 7. Lebensjahres fällt, durch hiezu befähigte Personen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes gebildet, erzogen und betreut werden;

2. Öffentlicher Kindergarten: ein Kindergarten, der von einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband errichtet und erhalten wird und der allgemein, ohne Unterschied des Geschlechts, der Sprache, der Staatsbürgerschaft und des Bekenntnisses im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zugänglich ist;

3. - 15. ...

§3 Aufgaben des Kindergartens

(1) Der Kindergarten hat durch das Kindergartenpersonal die Aufgabe, die Familienerziehung der Kinder zu unterstützen und zu ergänzen. Insbesondere ist die körperliche, seelische und geistige Entwicklung der Kinder durch Bildungsangebote, geeignete Spiele und durch die erzieherische Wirkung, welche die Gemeinschaft bietet, zu fördern, zu unterstützen, ein grundlegender Beitrag zu einer religiösen und ethischen Bildung zu leisten und die Erreichung der Schulfähigkeit zu unterstützen.

(2) - (5) ...

...

§12 Ausstattung

(1) ...

(2) In allen Gruppenräumen jener Kindergärten, an denen die Mehrzahl der Kindergartenkinder einem christlichen Religionsbekenntnis angehört, ist ein Kreuz anzubringen.

(3) - (5) ...

...

§18 Aufnahme

(1) Der Kindergartenerhalter nimmt auf Antrag der Eltern (Erziehungsberechtigten) im Einvernehmen mit der Kindergartenleitung Kinder frühestens ab dem vollendeten 2,5. Lebensjahr auf. ...

(2) - (6) …

(7) Der Besuch eines Kindergartens ist freiwillig, doch haben die Eltern (Erziehungsberechtigten) ein Fernbleiben ihres Kindes der Kindergartenleitung ehestmöglich zu melden. ...

(8) ...

...

§19a Verpflichtendes Kindergartenjahr

(1) Die Eltern (Erziehungsberechtigten) sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder, die ihren Hauptwohnsitz in Niederösterreich haben, während des Kindergartenjahres, das vor Beginn ihrer Schulpflicht (§2 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2006) liegt, einen Kindergarten in Niederösterreich oder in einem anderen Bundesland besuchen. Die Verpflichtung zum Kindergartenbesuch beginnt mit dem ersten Montag im September dieses Kindergartenjahres und endet mit Beginn der Hauptferien nach § 2 Abs 2 NÖ Schulzeitgesetz 1978, LGBl. 5015, die vor dem ersten Schuljahr liegen. Die Gemeinden haben die Eltern (Erziehungsberechtigten), der im ersten Satz genannten Kinder, spätestens 12 Monate vor Beginn des verpflichtenden Kindergartenjahres über das verpflichtende Kindergartenjahr schriftlich zu informieren.

(2) Die Verpflichtung nach Abs 1 kann auch durch den Besuch einer Tagesbetreuungseinrichtung gemäß § 3 Abs 3

NÖ Kinderbetreuungsgesetz 1996, LGBl. 5065, oder im Rahmen der häuslichen Erziehung bzw. durch eine Tagesmutter/einen Tagesvater erfüllt werden.

(3) - (4) ...

(5) Die zum Kindergartenbesuch verpflichteten Kinder haben den Kindergarten an mindestens vier Tagen der Woche für mindestens 16 Stunden im Rahmen der Bildungszeit zu besuchen.

(6) - (7) …

(8) Die Eltern (Erziehungsberechtigten) haben eine gewünschte andere Erfüllung ihrer Verpflichtungen gemäß Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 außerhalb eines NÖ Landeskindergartens, sowie die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gemäß Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 in einer anderen Gemeinde, der Hauptwohnsitzgemeinde, spätestens im November vor Beginn des verpflichtenden Kindergartenjahres bekanntzugeben. Eine Betreuung im Rahmen der häuslichen Erziehung oder bei einer Tagesmutter/ einem Tagesvater ist gleichzeitig der Landesregierung anzuzeigen. Wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass durch die Betreuung im Rahmen der häuslichen Erziehung oder bei der Tagesmutter/beim Tagesvater die Aufgaben und Zielsetzungen nach Abs 7 und § 3 nicht in mindestens gleicher Weise erfüllt werden, hat die Landesregierung binnen einem Monat ab Einlangen der Anzeige mit Bescheid den betroffenen Eltern (Erziehungsberechtigten) vorzuschreiben, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Kind der Verpflichtung gemäß Abs 1 oder 2 nachkommt, und hat davon die Hauptwohnsitzgemeinde in Kenntnis zu setzen.

(9) - (10) ...

...

§21 Eltern (Erziehungsberechtigte)

(1) Die Eltern (Erziehungsberechtigten) übernehmen mit der Aufnahme ihres Kindes in den Kindergarten die grundsätzliche Pflicht, die Bildungsarbeit in Zusammenarbeit mit der Kindergartenpädagogin/dem Kindergartenpädagogen zu unterstützen.

(2) Jede gruppenführende Kindergartenpädagogin/jeder gruppenführende Kindergartenpädagoge hat spätestens sechs Wochen nach Beginn des Kindergartenjahres einen Elternabend, sowie im Laufe des Kindergartenjahres mindestens einen weiteren Elternabend durchzuführen. Die Elternabende sind grundsätzlich zwei Wochen vorher den Eltern (Erziehungsberechtigten) und dem Kindergartenerhalter anzukündigen.

(3) Am ersten Elternabend im Kindergartenjahr ist über die Einsetzung eines Elternbeirates zu entscheiden. Liegt ein Antrag von den Eltern (Erziehungsberechtigten) mindestens eines Kindes auf Einsetzung eines Elternbeirates vor, sind die anwesenden Eltern (Erziehungsberechtigten) darüber zu befragen. Ein Elternbeirat ist einzusetzen, wenn sich die Mehrheit dafür ausspricht.

(4) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Bestimmungen über den Wahlvorgang und die Geschäftsordnung zu erlassen. In die Geschäftsordnung sind Bestimmungen über die Einberufung der Sitzungen, die Beschlussfähigkeit, die Abstimmung und die Geschäftsbehandlung aufzunehmen.

(5) Der Elternbeirat wirkt beratend bei der Gestaltung von Elternabenden, anderen Elternveranstaltungen und administrativen, jedoch nicht pädagogischen Maßnahmen in der Kindergartengruppe mit. Der Elternbeirat hat bei seiner Tätigkeit den Kontakt mit den übrigen Eltern (Erziehungsberechtigten) herzustellen.

§29 Religiöse Erziehung

Der Kindergartenerhalter und die Kindergartenleitung haben den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften die religiöse Erziehung der Kinder ihres Bekenntnisses im öffentlichen Kindergarten im Gesamtausmaß von höchstens einer Stunde wöchentlich zu gewähren. Die Eltern (Erziehungsberechtigten) können die Kinder jederzeit schriftlich von der Teilnahme abmelden."

2. Art 4 NÖ Landesverfassung 1979, LGBl. 0001-17, lautet auszugsweise wie folgt:

"Artikel 4

Ziele und Grundsätze des staatlichen Handelns

1. Subsidiarität:

Das Land Niederösterreich hat unter Wahrung des Gemeinwohles die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen zu sichern, die Selbsthilfe der Landesbürger und den Zusammenhalt aller gesellschaftlichen Gruppen zu fördern ...

2. Lebensbedingungen:

Das Land Niederösterreich hat in seinem Wirkungsbereich dafür zu sorgen, dass die Lebensbedingungen der niederösterreichischen Bevölkerung in den einzelnen Gemeinden und Regionen des Landes unter Berücksichtigung der abschätzbaren, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse gewährleistet sind. Dabei kommt der Schaffung und Erhaltung von entsprechenden Arbeits- und Sozialbedingungen, der grundsätzlichen Anerkennung und Erhaltung des Sonntages als Tag der Arbeitsruhe, der bestmöglichen Sicherung der gesundheitlichen Versorgung sowie ausreichenden Wohnmöglichkeiten, dem Schutz und der Pflege von Umwelt, Natur, Landschaft und Ortsbild besondere Bedeutung zu. Wasser ist als Lebensgrundlage nachhaltig zu sichern. Dem Klimaschutz kommt besondere Bedeutung zu.

3. Wirtschaft:

Das Land Niederösterreich hat die Entfaltung der Wirtschaft unter Berücksichtigung sozialer, ökologischer und regionaler Notwendigkeiten zu fördern.

4. Jugend, Familie und ältere Generation:

Das Land Niederösterreich hat die Familie in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zu unterstützen und in Anbetracht, dass Kinder aufgrund ihrer Verletzbarkeit besonderem Schutz und besonderer Fürsorge bedürfen, ihre Anliegen im Sinne der UN-Konvention über die Rechte des Kindes im Wirkungsbereich des Landes besonders zu fördern, sowie die Interessen der älteren Generation zu unterstützen und ein Altern in Würde zu sichern.

5. - 7. ..."

3. Art 14 Abs 5a B-VG, BGBl. 1/1930 idF BGBl. I 31/2005, lautet wie folgt:

"Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen sind Grundwerte der Schule, auf deren Grundlage sie der gesamten Bevölkerung, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund, unter steter Sicherung und Weiterentwicklung bestmöglicher Qualität ein höchstmögliches Bildungsniveau sichert. Im partnerschaftlichen Zusammenwirken von Schülern, Eltern und Lehrern ist Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen, damit sie zu gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientierten, pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden, die befähigt sind, an den sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert Verantwortung für sich selbst, Mitmenschen, Umwelt und nachfolgende Generationen zu übernehmen. Jeder Jugendliche soll seiner Entwicklung und seinem Bildungsweg entsprechend zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt werden, dem politischen, religiösen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Kultur- und Wirtschaftsleben Österreichs, Europas und der Welt teilzunehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken."

III.

1. Zur Begründung der Antragslegitimation wird vorgebracht, dass der Erstantragsteller, der mit seiner Tochter, der Zweitantragstellerin, und der Kindesmutter im gemeinsamen Haushalt lebe, "bekennender Atheist und daher ohne religiöses Bekenntnis" sei und dass "auch die Zweitantragstellerin bis zur Erreichung der Religionsmündigkeit ohne religiöses Bekenntnis, jedoch weltoffen und dem Pluralismus verpflichtet, aufwachsen bzw. erzogen werden" solle.

1.1. Die Zweitantragstellerin, geboren am , besuche seit den öffentlichen Kindergarten und habe seitdem bereits an zumindest vier ausschließlich religiös geprägten Feiern (Erntedankfest, Martinsfest, Nikolausfeste), die teilweise in der Kirche und unter Mitwirkung des Pfarrers stattgefunden hätten, bzw. an den Vorbereitungen auf diese teilnehmen müssen. Auf alle Feiern seien die Kinder ausführlich vorbereitet worden, indem ihnen die religiöse Bedeutung der Feiern erklärt worden sei. Die dargestellte religiöse Erziehung im Kindergarten sei in § 3 Abs 2 [gemeint wohl: Abs 1] NÖ Kindergartengesetz angeordnet. Im Aufenthaltsraum des Kindergartens hänge auf Augenhöhe der Kinder ein Kreuzzeichen, welches von diesen unmöglich übersehen werden könne.

1.2. Sowohl durch die Veranstaltung religiöser Feiern und die damit verbundene Vorbereitung als auch durch das Anbringen eines Kreuzzeichens im Aufenthaltsraum des Kindergartens werde der Erstantragsteller "in der von ihm für sein Kind gewünschten, konfessionslosen Erziehung gestört". Die angeführten Umstände seien ferner dazu geeignet, der heranwachsenden Zweitantragstellerin "den Eindruck zu vermitteln, dass der christliche Glaube in Österreich dem Staat besonders nahe stehe und demzufolge den privilegierten Status einer Staatskirche genieße, anstatt ihr die Werte einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft zu vermitteln", und so die Zweitantragstellerin, die von den Eltern ohne religiöses Bekenntnis erzogen werde, zu beeinflussen, zu verunsichern und zu verstören.

1.3. Ein anderer - öffentlicher oder privater - Kindergarten in naher Umgebung, der unter zumutbaren Bedingungen zu erreichen wäre und in dem weder ein Kreuzzeichen angebracht sei noch (ausschließlich christlich geprägte) religiöse Veranstaltungen abgehalten würden, stehe nicht zur Verfügung.

1.4. Die angefochtenen Bestimmungen seien sowohl dem Erstantragsteller als auch der Zweitantragstellerin gegenüber unmittelbar, dh. ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung sowie ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam. Ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit stehe den Antragstellern nicht offen, da weder ein gerichtliches noch ein verwaltungsbehördliches Verfahren vorgesehen sei.

2. In der Sache selbst bringen die Antragsteller vor, durch die angefochtenen Bestimmungen in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art 2 1. ZPEMRK iVm Art 9 EMRK sowie - im Fall der Zweitantragstellerin - iVm Art 14 StGG verletzt zu sein.

2.1. Im Antrag wird dazu näher ausgeführt, dass der Erstantragsteller aus einer bewussten Entscheidung heraus ohne religiöses Bekenntnis sei und auch die Zweitantragstellerin, die ohne religiöses Bekenntnis sei, so erziehen wolle. Im Kindergarten, den die Zweitantragstellerin besuche, werde die religiöse Erziehung der Kinder im Sinne einer christlichen Tradition in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Dorfkirche angestrebt.

2.2. Das Kreuzzeichen sei ein eindeutiges Symbol für den christlichen Glauben und ferner - historisch bedingt - auch eindeutig als katholisches Herrschaftssymbol zu deuten. Auch die genannten Feiern samt Segnung bzw. Kirchenbesuch würden der christlichen Glaubensrichtung entspringen; die Vorbereitung darauf sei als religiöse Erziehung zu sehen.

2.3. Insbesondere führen die Antragsteller Folgendes aus (Hervorhebungen wie im Original):

"Sowohl das Kreuzzeichen als auch die Durchführung ausschließlich christlich geprägter Veranstaltungen durch den Kindergarten bzw die intensive Vorbereitung der Kinder darauf schränken das Recht des Erstantragstellers, sein Kind nach seinen eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen - pluralistisch, weltoffen und ohne religiöses Bekenntnis - zu erziehen, deutlich ein.

Der Zweitantragstellerin wird ein von der Erziehung der Eltern völlig abweichendes Bild vermittelt, wonach es sich beim christlichen Glauben um eine vom Staat besonders geförderte Glaubensrichtung handle. Ihr wird dadurch nicht der von den Eltern vermittelte Pluralismus einer Gesellschaft bzw die Möglichkeit, auch ohne Religion zu leben, verdeutlicht.

Vielmehr wird sie durch das Kreuzzeichen und die religiösen Veranstaltungen - insbesondere aufgrund ihres sehr jungen Alters - in eine bestimmte, religiös eindeutig geprägte Richtung nachhaltig beeinflusst, die jedoch vom Erstantragsteller in keiner Weise gewünscht ist, da er seine Tochter ohne eine bestimmte Konfession erziehen will (vgl. EGMR, Lautsi v Italy, No. 30814/06).

Weiteres wird die Zweitantragstellerin dadurch in ihrem Recht, ohne religiöses Bekenntnis aufzuwachsen, verletzt (…).

Eine Einschränkung des Rechts auf Glaubensfreiheit der Antragsteller wäre nur unter den in Art 9 Abs 2 EMRK genannten Gründen zulässig. Solche sind hier aber nicht erkennbar."

3. Die Niederösterreichische Landesregierung als zur Vertretung der angefochtenen Bestimmungen berufene Behörde erstattete fristgerecht eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

3.1. Zur Zulässigkeit führt sie aus, dass der vorliegende Antrag zwar die Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des NÖ Kindergartengesetzes behaupte, eine schlüssige und präzise Ausführung der Normbedenken aber nicht enthalte. Außerdem würden sich die angefochtenen Bestimmungen nicht an die Antragsteller, sondern an das Kindergartenpersonal bzw. an den jeweiligen Kindergartenerhalter richten.

Des Weiteren wird in der Äußerung diesbezüglich Folgendes ausgeführt:

"… Entgegen den Ausführungen im Antrag bestand keinerlei Verpflichtung der Zweitantragstellerin an den in Rede stehenden Feiern teilzunehmen. Das 'Erntedankfest' ist als einziges Fest im Rahmen der Bildungszeit durchgeführt worden. Eine Teilnahme an diesem Fest bzw. an den Vorbereitungen war nicht verpflichtend und hat es die Möglichkeit gegeben, die Zweitantragstellerin alleine durch eine Kinderbetreuerin zu beaufsichtigen.

Weiters wird in diesem Zusammenhang angemerkt, dass eine Pflicht zum Besuch eines Kindergartens nach dem NÖ Kindergartengesetz 2006 nicht besteht. § 19a des NÖ Kindergartengesetzes 2006 normiert zwar ein verpflichtendes Kindergartenjahr, doch sieht diese Bestimmung in ihrem Abs 2 auch die Möglichkeit vor, diese Verpflichtung auch durch den Besuch [einer] Tagesbetreuungseinrichtung oder im Rahmen der häuslichen Erziehung bzw. durch eine Tagesmutter/einen Tagesvater zu erfüllen.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt keinen Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers an, wenn sich dieser freiwillig in den Anwendungsbereich einer Norm stellt (vgl. VfSlg. 18.233). Daher liegt nach Ansicht der NÖ Landesregierung ein die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller nicht vor."

3.2. In der Sache bringt die Niederösterreichische Landesregierung zunächst vor, dass die Zweitantragstellerin keineswegs dazu verpflichtet gewesen sei, an den in Rede stehenden Feiern teilzunehmen; auch hätte es die Möglichkeit der Beaufsichtigung durch eine Kinderbetreuerin gegeben. Teilweise hätten die Feiern auch außerhalb der Kindergartenöffnungszeiten stattgefunden.

3.2.1. In der Folge geht die Niederösterreichische Landesregierung in ihrer Äußerung auf das den Eltern gemäß Art 2

1. ZPEMRK zukommende Recht ein:

"… Der EGMR führte ergänzend aus, dass der Unterricht nie völlig wertungsfrei sein könne, Wissensvermittlung schließe Wertungen durch das Erziehungs- bzw. Lehrpersonal in einem gewissen Umfang mit ein. Die zugrundeliegenden Wertungen seien zwar zum Teil moralischer Natur, doch von sehr allgemeiner Art und überschritten daher nicht die Grenze dessen, was ein demokratischer Staat als das 'öffentliche Interesse' ansehen kann. Eine strikte Trennung zwischen Wissensvermittlung und ethischen Fragestellungen sei weder möglich noch geboten."

3.2.2. Hinsichtlich des § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz bringt die Niederösterreichische Landesregierung vor, dieser Bestimmung sei "in verfassungskonformer Interpretation" Folgendes zu entnehmen:

"… 1. Die religiös-weltanschauliche Komponente stellt einen integrierenden Bestandteil des öffentlichen, vorschulischen Erziehungswesens dar. 2. Der Auftrag zu einer wertorientierten Erziehung ist - in altersgemäßer Abstufung - bis zu einem gewissen Grad auch im Rahmen vorschulischer Bildung wahrzunehmen. 3. Die von den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften durchgeführte 'religiöse Erziehung' gemäß § 29 ist von der religiösen Bildung gemäß § 3 Abs 1 leg. cit. zu unterscheiden und in die allgemeinen staatlichen Erziehungsziele eingebunden.

Diesen Vorgaben trägt das Gesetz expressis verbis zum einen dadurch Rechnung, dass gemäß § 3 Abs 3 'in den einzelnen Bildungsbereichen der Entwicklungsstand des einzelnen Kindes in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht zu berücksichtigen' ist. Und zum anderen dadurch, dass das Gesetz selbst eine Differenzierung vornimmt, indem es im Zusammenhang mit den umfassenden Aufgaben, die ein Kindergarten zu erfüllen hat, in § 3 Abs 1 von 'religiöser Bildung' spricht, in § 29 leg cit jedoch von 'religiöser Erziehung'. … Während 'religiöse Erziehung' im Sinn dieser Bestimmung in konfessioneller Gebundenheit erfolgt, ist 'religiöse Bildung' durch Vermittlung mit der notwendigen Offenheit charakterisiert."

Das Herstellen religiöser Bezüge durch Informationen über die religiösen Wurzeln und die religiöse Bedeutung von Festen stelle jedenfalls eine zulässige bzw. sogar notwendige Form sachlicher Wissensvermittlung, nicht aber eine religiöse Manifestation bzw. Indoktrinierung dar. Bei den genannten Festen handle es sich um solche mit christlichen Wurzeln, die auch im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld und - bei der überwiegenden Mehrheit der den Kindergarten besuchenden Kinder - auch im familiären Rahmen begangen würden. Die praktische Handhabung der Vorbereitung auf diese Feste, etwa die Ausweichmöglichkeit mit fachkundiger Betreuung der nicht teilnehmenden Kinder, werde den rechtlichen Vorgaben sowie der Neutralitätsverpflichtung des Staates im öffentlichen Erziehungswesen gerecht. Eine "abstrakte Relevierung anderer religiöser Feste" erscheine mangels davon betroffener Kinder nicht angezeigt bzw. eine religionskritische Auseinandersetzung im Hinblick auf das Alter der Kinder kaum vorstellbar.

3.2.3. Beim Kreuz handelt es sich der Äußerung der Niederösterreichischen Landesregierung zufolge um ein Glaubenssymbol des Christentums, nicht nur des Katholizismus. Zugleich komme jenem in Europa auch eine kulturelle Bedeutung zu, was in seiner vielfachen Verwendung als Symbol seinen Niederschlag gefunden habe. Davon ausgehend komme dem Kreuz eine "multivalente Bedeutung" zu; daher sei es in hohem Maße interpretationsbedürftig und offen für die Deutung sowohl durch den Betrachter als auch durch die Instanz, die sich dieses Symbols bediene.

Das Anbringen des Kreuzes sei im Sinne der "kooperierenden Neutralität" im Kontext der Zielbestimmungen der österreichischen Schule zu sehen. Der Staat bringe damit zum Ausdruck, dass er die religiöse Dimension im Erziehungs- und Bildungsbereich nicht ausgeblendet wissen wolle.

Das Kreuz stelle für "entsprechend (religiös) disponierte" Schülerinnen und Schüler [gemeint wohl auch den Kindergarten besuchende Kinder] und deren Eltern eine "Grundrechtsofferte" dar:

"… Der Staat schafft damit den gesetzlichen Rahmen zur 'positiven' Religionsausübung. Hinsichtlich jener Schüler und Schülerinnen, die das Kreuz ablehnen, ergeben sich dadurch insoweit zweifelsohne gewisse Zwangselemente, als sie sich dem Anblick des Kreuzes ohne Ausweichmöglichkeit nicht entziehen können. Durch die bloße Konfrontation mit einem Kreuz wird jedoch aufgrund der äußerst geringen Eingriffsintensität typischerweise die Grenze zur Grundrechtserheblichkeit nicht überschritten. Dies gilt auch im Hinblick auf das elterliche Erziehungsrecht, da in dem Vorhandensein eines Kreuzes im Gruppenraum grundsätzlich keine Beeinträchtigung der intendierten Erziehung von Kindern nach säkularen bzw. atheistischen Grundsätzen bzw. nach 'eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen - pluralistisch, weltoffen und ohne religiöses Bekenntnis', …, gesehen werden kann. Eine offene, pluralistische Erziehung impliziert vielmehr ein frühes Kennenlernen des nicht uniformen sozio-kulturellen Umfeldes sowie anderer weltanschaulich-ethischer Grundhaltungen.

Weder aus der Anbringung des Kreuzes im Gruppenraum noch aus der Veranstaltung der oben behandelten Feste kann auch nur im Entferntesten auf die Existenz einer 'Staatskirche' (...) geschlossen werden. …"

4. Der Verfassungsgerichtshof gab auch den anderen Landesregierungen sowie dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst Gelegenheit, zum Antragsvorbringen Stellung zu nehmen. In mehreren Äußerungen wird die Antragslegitimation zur Anfechtung der betreffenden Bestimmungen verneint. In der Sache wird durchwegs die Verletzung der Rechte nach Art 9 EMRK und Art 2 1. ZPEMRK verneint.

4.1. Die Salzburger Landesregierung erachtet die angefochtenen Bestimmungen mit folgenden Überlegungen als verfassungskonform:

"… Durch ein Kreuz in einem Kindergarten, aber auch in einer Pflichtschule, werden Kinder weder einem Glaubenszwang noch einer Pflicht zur Identifikation mit dem Kreuz ausgesetzt. Auch ein Druck zur Offenlegung des eigenen Bekenntnisses wird auf die Schüler nicht ausgeübt, zumal sie nicht zu besonderen Zeichen der Ehrerbietung gegenüber dem Kreuz veranlasst werden, von denen sie sich ausdrücklich distanzieren müssten. Nach herrschender Auffassung, der hier ausdrücklich gefolgt wird, besteht kein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht, im staatlichen Raum nicht auf andere Religionen oder Weltanschauungen zu treffen (…). Außerdem muss ein Kreuz nicht als Ausdruck eines Bekenntnisses zu einem konfessionellen Glauben gesehen werden. …

Was schließlich den gegen § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz gerichteten Vorwurf betrifft, dass es Aufgabe des Kindergartens sei, auch einen Beitrag zu einer religiösen Bildung zu leisten, ist daraus zum einen nicht zwingend zu entnehmen, dass 'religiös' nur im Sinn von christlich oder katholisch zu verstehen ist, sondern es diese Formulierung offen lässt, auch andere Religionen ausgewogen nach den allfälligen Bekenntnissen der aufgenommenen Kinder miteinzubeziehen. … Zum anderen wird dadurch auch nicht ausgeschlossen, dass einzelne Kinder, die nach dem Wunsch der Eltern atheistisch erzogen werden sollen, vom religiösen 'Bildungsbeitrag' ausgeklammert bleiben, indem sie zu einschlägigen Veranstaltungen nicht mitgenommen werden und es für sie ein spezielles Programm gibt. Nur grundsätzlich muss der Kindergarten ein Angebot liefern, das auch - für die, die es wollen - einen Beitrag zur religiösen Bildung zu leisten vermag. Wird dieser Sichtweise, bei der sich grundrechtliche Bedenken erübrigen, nicht Rechnung getragen, mag dies ein Vollzugsfehler sein, der aber dem Gesetzgeber nicht angelastet werden kann."

4.2. Die Tiroler Landesregierung bringt in ihrer Äußerung u. a. vor, dass aus § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz eine "wie auch immer geartete Bevorzugung bestimmter Glaubensrichtungen … in keinster Weise ableitbar" sei und sich daraus auch kein Verstoß des Staates gegen die ihm auferlegte grundsätzliche Neutralität im Umgang mit unterschiedlichen Religionsbekenntnissen ergebe.

Insbesondere wird Folgendes vorgebracht:

"Die Vermittlung religiöser Lehren bedeutet per se also nicht den Versuch einer weltanschaulichen Indoktrinierung und erfolgt allein dadurch keine Beeinflussung der Kinder hin zu einer bestimmten Konfession. Religion deckt vielmehr einen wesentlichen Teil der Allgemeinbildung ab, sodass deren Vermittlung grundsätzlich nicht im Widerspruch zum Grundrecht auf Bildung steht, sondern vielmehr der Gewährleistung dieses Grundrechtes dient. Religiöse Bildung fördert die Möglichkeit, für sich selbst die geeignete Lebensweise zu finden und in einem gewissen Alter selbst sein Bekenntnis frei wählen zu können. ..."

Die Tiroler Landesregierung schließt eine Verletzung des Art 2

1. ZPEMRK auf Grund der Möglichkeiten, die im Kindergarten angebotene religiöse Bildung nicht in Anspruch nehmen zu müssen, aus:

"... Diesbezüglich ist wiederum auf die bereits erwähnte

Rechtssache Folgerø zu verweisen. Darin erachtete es der EGMR im Zusammenhang mit der Frage einer möglichen Verletzung des Rechtes der Eltern, ihr Kind nach den eigenen religiösen Anschauungen zu erziehen, für maßgeblich, ob eine Abmeldung der Kinder möglich ist (siehe auch EGMR , Zengin, No. 1448/04). Das NÖ Kindergartengesetz bietet nun - wie bereits dargelegt - den Eltern in ausreichendem Maß die Möglichkeit, ihr Kind von der religiösen Erziehung im Kindergarten abzumelden oder ihr Kind gar keinen Kindergarten besuchen zu lassen. Das Erziehungsrecht der Eltern ist dadurch jedenfalls ausreichend gewahrt, zumal Art 2 1. ZProt. EMRK den Eltern gegenüber der staatlichen Erziehung und Bildung kein Recht auf Ausgestaltung der Erziehungsziele, -inhalte und -methoden nach ihren Überzeugungen einräumt (…)."

Hinsichtlich der im Antrag behaupteten Verletzung im Grundrecht auf Religionsfreiheit fehlt es der Tiroler Landesregierung zufolge bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich. Im Sinne der positiven Ausprägung dieses Grundrechts solle der Einzelne primär die Möglichkeit haben, seinen Glauben frei zu wählen und sich danach verhalten zu dürfen. Das NÖ Kindergartengesetz ziele aber in keiner Weise darauf ab, diese Freiheit zu beschränken: § 3 Abs 1 spreche nur ganz allgemein von der Vermittlung religiöser Bildung und auch durch das Anbringen eines Kreuzes werde niemand daran gehindert, selbst jede beliebige Art von Glauben oder Nichtglauben auszuüben. Insofern werde aber auch in den Schutzbereich der negativen Religionsfreiheit, nämlich keiner Religion angehören und an keinen religiösen Handlungen teilnehmen zu müssen, nicht eingegriffen. Durch die Vermittlung religiöser Erziehung, von der die Kinder nach § 29

NÖ Kindergartengesetz jederzeit abgemeldet werden könnten, werde keine religiöse Indoktrinierung gefördert. Weiters stelle das Aufhängen eines Kreuzes deshalb keinen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, da der Begriff Freiheit gerade impliziere, dass auch das Anbringen religiöser Symbole zulässig sein müsse; das Anbringen in öffentlichen Räumen hindere niemanden daran, eine andere oder auch keine Religion auszuüben.

Schließlich wird in der Äußerung zur Reichweite der (negativen) Religionsfreiheit Folgendes vorgebracht:

"Einschränkungen der Religionsfreiheit sind nach Art 9 EMRK unter anderem zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer zulässig. Die Rechte der anderen - im konkreten Fall das Recht der Kinder darauf, nicht im Kindergarten mit religiösen Symbolen konfrontiert zu werden - können allerdings nicht so weit gehen, dass die zu gewährleistende (negative) Religionsfreiheit letztlich in ein Verbot der Religionsausübung bzw. der Konfrontation mit religiösen Symbolen einer bestimmten Glaubensrichtung im öffentlichen Raum umgedeutet würde. In der österreichischen Gesellschaft, die den Anspruch erhebt, demokratisch und pluralistisch zu sein und in der Respekt und Toleranz herrschen sollen, ist daher die Annahme, dass allein die öffentliche Anbringung eines Kreuzes das Recht eines anderen auf freie Religionsausübung oder das Recht der Eltern auf eine religiöse Erziehung ihrer Kinder nach eigener Auffassung verletzen könnte, nach Ansicht der Tiroler Landesregierung nicht vertretbar. Denn auch jenen, die - wie die Antragsteller - dieser Rechte für sich in Anspruch nehmen, ist in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft eben dieser Respekt und diese Toleranz gegenüber - von ihnen selbst abgelehnten - religiösen Überzeugungen und Symbolen zumutbar."

4.3. Die Oberösterreichische Landesregierung hält dem Antragsvorbringen zu § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz entgegen, dass sich ein Recht, dass die Zweitantragstellerin in einer gänzlich areligiösen Umgebung, dh. ohne religiöse Symbole und Feierlichkeiten im öffentlichen Raum, aufwachse, nicht aus Art 9 EMRK ableiten lasse. Der Erstantragsteller werde bei objektiver Betrachtung nicht in der "für sein Kind gewünschten, konfessionslosen Erziehung" gestört und könne weiterhin die Zweitantragstellerin "ohne religiöses Bekenntnis, jedoch weltoffen und dem Pluralismus verpflichtet" erziehen.

4.4. Der Stellungnahme der Vorarlberger Landesregierung zufolge gewährt Art 2 1. ZPEMRK den Eltern kein Recht auf Ausgestaltung der Erziehungsziele, -inhalte und -methoden nach ihren Überzeugungen. Es lasse sich daraus auch kein Recht ableiten, nicht mit Überzeugungen konfrontiert zu werden, die den eigenen widersprechen. Der EGMR habe ausdrücklich festgehalten, dass der Unterricht in staatlichen Schulen sich auch auf religiöse Inhalte beziehen könne; wesentlich sei lediglich die Vermeidung einseitiger Indoktrinierung. Allenfalls müsse der Staat die Interessen der Eltern durch entsprechende Befreiungsmöglichkeiten berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sei auch auf den auf der Grundlage des NÖ Kindergartengesetzes erlassenen Bildungsplan für Kindergärten zu verweisen, wonach "unterschiedliche weltanschauliche und religiöse Traditionen, die in einer Gruppe vertreten sind, zu einer interessanten Auseinandersetzung führen und als Basis für ein respektvolles Miteinander genutzt werden" könnten. Von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang auch die Regelung des § 21

NÖ Kindergartengesetz über die Mitwirkung der Eltern; diese hätte im Rahmen ihrer grundsätzlichen Pflicht zur Unterstützung der Bildungsarbeit die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass auch ihre religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen in die Bildungsarbeit Eingang fänden.

Unter Verweis auf das Urteil des EGMR im Fall Leyla Sahin wird in der Stellungnahme ausgeführt, dass der EGMR in seiner bisherigen Rechtsprechung den weiten Gestaltungsspielraum gerade in der Frage der religiösen Symbole in Bildungseinrichtungen anerkannt habe. Zwar seien diesem Spielraum Schranken gesetzt, das Symbol eines Kreuzes an der Wand sei jedoch kein starkes äußeres Zeichen in dem Sinne, dass es einen Bekehrungseffekt oder sonstigen nachhaltigen Einfluss auf die Kinder haben könne, zumal von den Kindern kein konkretes religiös bestimmtes Verhalten - weder unmittelbar noch mittelbar - abverlangt werde.

4.5. Die Kärntner Landesregierung wirft die Frage auf, ob überhaupt ein Grundrechtseingriff in die negative Religionsfreiheit erfolgt oder eine bloße Grundrechtsberührung vorliegt. Dafür sei entscheidend, welche Einwirkungen auf die Kindergartenkinder die Konfrontation mit dem Kreuz im Gruppenraum habe.

"Hier erscheint es zweifelhaft, ob Kindergartenkinder, insbesondere angesichts ihres Alters, religiöse Vorstellungen auf Grund des Anblicks mit dem Kreuz entwickeln können […]. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die bloße Betrachtung keine für andere wahrnehmbare Reaktion, kein Bekennen oder keine Veranlassung die eigene religiöse oder agnostische Überzeugung zu offenbaren verlangt […]. Die Präsenz des Kreuzzeichens verlangt darüber hinaus auch keinen Zwang zur Identifikation mit dem Kreuz oder den darin symbolhaft verkörperten Ideen […]. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass Kindern unter sieben Jahren wohl die geistige Fähigkeit fehlen wird, eine entsprechende Urteilsbildung in religiösen Belangen vorzunehmen (vgl. hierzu VfSlg. 797/1927).

… Durch die Pflicht zum Aufenthalt in dem Gruppenraum, in dem ein Kreuz angebracht ist, werden die Kindergartenkinder weder einem Glaubenszwang noch einem Zwang zur Identifikation mit dem Kreuz im obigen Sinne ausgesetzt (…). Darüber hinaus wird auch kein Zwang zur Offenlegung des eigenen Bekenntnisses auf die Kindergartenkinder - soweit sie vom Standpunkt der Grundrechtsfähigkeit dazu überhaupt in der Lage sind - ausgeübt, da sie weder zu besonderen Zeichen der Ehrerbietung gegenüber dem Kreuz veranlasst werden, noch sich ausdrücklich von ihm distanzieren müssen (…). Insofern ist sowohl hinsichtlich des Erstantragstellers als auch hinsichtlich der Zweitantragstellerin höchstens von einer bloßen Grundrechtsberührung und keinem Engriff in ihre negative Religionsfreiheit auszugehen. …"

Schließlich verweist die Kärntner Landesregierung hinsichtlich des § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz auf Art 14a Abs 5 B-VG, welcher im schulischen und wohl auch im vorschulischen Bereich einen speziellen verfassungsrechtlichen Referenzmaßstab für die Hereinnahme religiöser Elemente in das Erziehungswesen setze. Demnach sollten Kinder und Jugendliche dazu befähigt werden, an sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert Verantwortung zu übernehmen und dem Denken anderer gegenüber aufgeschlossen zu sein. Dementsprechend müssten Kinder bei der Entwicklung religiöser und weltanschaulicher Werte auch gefördert werden. Soweit der Landesgesetzgeber dem Träger eines Kindergartens daher eine Unterstützung in der Entwicklung der Kindergartenkinder hinsichtlich der Herausbildung dieser Werte auftrage, sei dies als verfassungskonform iSd Art 14a Abs 5 zweiter und dritter Satz B-VG anzusehen und werde dadurch keine Verletzung der negativen Religionsfreiheit bewirkt.

4.6. Der Stellungnahme des Bundeskanzleramts-Verfassungsdienst ist hinsichtlich der Anfechtung der bezeichneten Wortfolge in § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz zu entnehmen, dass das im Antrag kritisierte konkrete Bildungsangebot eines konkreten Kindergartens nicht mit dem Inhalt der angefochtenen Gesetzesstelle gleichzusetzen sei. Diese Bestimmung lasse ihrer Ausgestaltung nach auf keinen Zwang schließen, sondern ziele auf die Wissensvermittlung ab und sei verfassungskonform so auszulegen, dass in objektiver Art und Weise religiöse Bildung vermittelt werden solle. Dem Gesetz könne nicht unterstellt werden, einen Auftrag zu einseitiger religiöser Erziehung zu erteilen. Dem Vorbringen, dass die religiöse Erziehung im Kindergarten ausschließlich auf christliche Themen Bezug nehme, sei entgegenzuhalten, dass diese Art der Kindererziehung nicht dem Gesetz anzulasten, sondern Sache des Gesetzesvollzuges sei.

Zur gesetzlich vorgeschriebenen Anbringung eines Kreuzes in den Gruppenräumen bringt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst Folgendes vor (Hervorhebungen wie im Original):

"… Die Frage, ob die Pflicht zum Aufenthalt in einem Schulzimmer mit einem Kreuz einen Glaubenszwang oder einen Zwang zur Identifikation mit dem Kreuz darstelle und die Verpflichtung des Anbringens eines Schulkreuzes einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit darstelle, wurde von der überwiegenden Lehre, etwa Grabenwarter (in Korinek/Holoubek zu Art 9 Rz 22) oder Schinkele/Kalb/Potz (Das Kreuz im Klassenzimmer) verneint: Zudem wurde argumentiert, dass, selbst wenn ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit vorläge, dieser durch die positive Religionsfreiheit der christlichen Schüler gerechtfertigt sei. Die Anbringung eines Kreuzes stelle nur eine Grundrechtofferte dar (…).

Folgt man diesen Rechtsmeinungen begründet ein Kreuz in einem Gruppenraum eines Kindergartens keinen Glaubenszwang beziehungsweise bedeutet keinen Eingriff in die negative Religionsfreiheit eines Kindes. Dies vor allem deshalb, weil Gruppenräume von Kindergärten - anders als Schulräume, in denen die Schulbänke meist in eine einheitliche Richtung zeigen - nicht derart ausgestaltet sind, dass sich der Blick aller Kinder auf dieses Kreuz richtet. Kinder in Kindergärten sitzen selten über eine längere Zeit an einem Tisch. Damit ist auch eine wesentliche Unterscheidung zu den vom deutschen Bundesverfassungsgericht erarbeiteten Argumenten der Unvermeidbarkeit der Begegnung mit dem Kreuz (auch aufgrund der weitgehenden Freiwilligkeit des Kindergartenbesuchs) und der Unausweichlichkeit (aufgrund der anderes strukturierten Kindergartenräume bzw. Erziehungsplanes) erkennbar (dBVerGE 93,1 Rz 39).

Zudem gewährleistet die Religionsfreiheit auch kein Recht, im staatlichen Raum nicht mit anderen Religionen oder Weltanschauungen konfrontiert zu werden (Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Rz 22).

Schließlich ist zu fragen, welche Wirkung der Anblick eines Kreuzes überhaupt auf die religiöse oder areligiöse Einstellung eines Kindes im Kindergartenalter (und deren Ausdruck) überhaupt hat. Entgegen den Ausführungen des Antrages wird nicht angenommen werden können, dass ein Kindergartenkind aus dem Anblick eines Kreuzes tatsächlich den Eindruck zu gewinnen vermag, '… dass der christliche Glaube in Österreich dem Staat besonders nahe stehe und demzufolge den privilegierten Status einer Staatskirche genieße …', wie dies vorgebracht wird. Aus diesem Grund erscheint wenig plausibel, dass die erwähnten Umstände dazu geeignet seien, das Kind 'zu beeinflussen, zu verunsichern und zu verstören' (…).

Überdies werden als Eingriffe in die negative Religionsfreiheit vor allem Handlungsverpflichtungen, wie etwa eine Eidesleistung (vgl. Grabenwarter, EMRK 259) angesehen. Weder eine Eidesleistung, noch religiöse Handlungen oder sonstige Formen religiöser Ehrerbietung werden von den Kindern verlangt oder im angefochtenen Gesetz normiert. Zudem hat auch der EGMR im Zusammenhang mit einer Verpflichtung zur Teilnahme an einer Schulparade die Frage eines Eingriffs in die negative Religionsfreiheit verneint (EGMR, , Appl. 21787/93)."

5. Dem in den eingebrachten Äußerungen und Stellungnahmen erstatteten Vorbringen treten die Antragsteller in ihrer Stellungnahme vom entgegen.

Hinsichtlich der Antragslegitimation führen die Antragsteller aus, dass der Zugang zu den - aus Steuergeldern finanzierten - öffentlichen Kindergärten der Allgemeinheit gleichermaßen offen stehen müsse; das Argument der Freiwilligkeit impliziere, dass die Zweitantragstellerin, bloß weil sie ohne Bekenntnis aufwachse, auf diese Möglichkeit verzichten solle.

Zur Teilnahme an den religiösen Feiern bringen die Antragsteller vor, dass diese im Rahmen der Kindergartenaktivität durchgeführt worden und dem Tätigkeitsbereich des Kindergartens zuzuordnen gewesen seien. Die - intensive - Vorbereitung der Kinder auf diese Feste sei in die tägliche Kindergartenaktivität eingegliedert und eine selektive Abmeldung daher keineswegs praktizierbar gewesen. Den einzigen Ausweg hätte eine nicht zumutbare tagelange Abmeldung des Kindes von der gesamten Kindergartenaktivität geboten.

Zum Zweck der Darstellung der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen führen die Antragsteller Näheres zur Symbolik und Bedeutung des Kreuzzeichens, zu alternativen Deutungsmöglichkeiten des Kreuzes, zum historischen Hintergrund von Kreuzen in österreichischen Schulen, zum Konkordat und zum Religionsunterrichtsgesetz, zum Bildungsauftrag des Kindergartens und zur gesellschaftlichen Säkularisation aus. Insbesondere erstatten die Antragsteller folgendes Vorbringen (Hervorhebungen wie im Original):

"Die Liste der weiteren dogmatisch bzw. historisch begründeten, jedoch kritikwürdigen, nicht zeitgemäßen und in Widerspruch zum Grundkonsens der österreichischen Gesellschaft stehenden Botschaften, die dem Kreuz als katholisches Symbol entnommen werden können, ist fast beliebig erweiterbar.

Die Ablehnung des Kreuzes im öffentlichen Kindergarten als Träger der oa Inhalte und Botschaften kann daher inhaltlich fundiert sein und aus einer konträren, jedoch bei Weitem verfassungskonformeren Weltanschauung herauswachsen.

Eine Erwähnung positiver Botschaften und Inhalte, die dem Kreuz bzw. Kruzifix zu entnehmen sind, ist keiner der abgegebenen Stellungnahmen zu entnehmen.

...

Dem [Vorbringen der Niederösterreichischen Landesregierung] ist entgegenzusetzen, dass gerade die religiös unparitätische Formulierung des § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz, wonach als einziges anzubringendes religiöses Symbol ein Kreuz in Frage kommt, offen legt dass es um die ausschließliche Privilegierung der katholischen Kirche, die seit Beginn der zweiten Republik in Niederösterreich Politik und Gesellschaft dominierende Kirche, geht. Unabhängig von jeglicher nur denkbaren Zusammensetzung der im Kindergarten vertretenen Religionen ermöglicht § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz in keiner Weise das Anbringen anderer religiösen Symbole anstelle des Kreuzes.

...

Anders als bei der Vermittlung von Informationen, die auf wissenschaftlichen oder empirischen Erkenntnissen beruhen und daher als 'Bildung' betrachtet werden können, handelt es sich bei der Vermittlung von religiösen Inhalten an Kindergartenkinder und aus dem Standpunkt einer konfessionellen Zugehörigkeit heraus zwangläufig nicht um 'Bildung' sondern um 'Erziehung'. Eine religiöse Bildung würde die Vermittlung von Informationen über Religionen aus dem distanzieren Standpunkt eines unbeteiligten Religionswissenschaftlers unter Miteinbeziehung von Religionskritik involvieren. Wie aber auch die Niederösterreichische Landesregierung in ihrer Stellungnahme richtig erkannt hat (…), ist jedoch 'eine religionskritische Auseinandersetzung im Hinblick auf das Alter der Kinder … kaum vorstellbar'. Die Möglichkeiten einer wahren religiösen Bildung im Rahmen der Kindergartenerziehung sind daher von vornherein sehr eingeschränkt, wenn nicht praktisch ausgeschlossen.

Schon aufgrund der unterschiedlichen, geistigen und kognitiven altersabhängigen Entwicklungsstadien von Kindern im Kindergartenalter gegenüber Kindern im Schulalter können die Aufgaben des Kindergartens, wie im § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz festgelegt, nicht ohne weiters, …, von Art 14 Abs 5a B-VG bzw. § 2 SchOG abgeleitet werden.

Die Behandlung von religiös-weltanschaulichen Fragen im Kindergarten kann daher in einer 'objektiven, sachlich-kritischen und pluralistischen Form' keineswegs erfolgen, womit § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz in seinem derzeitigen Wortlaut dazu geeignet ist, einen Verstoß gegen das Indoktrinierungsverbot zu bewirken.

...

... Mit der Entscheidung des VfGH zu VfSlg. 802/1927 wurde

der Begriff der negativen Religionsfreiheit erweitert, indem jeder Person der Schutz auch vor einem staatlichen Zwang zur Teilnahme an einer religiösen Übung oder an einem Religionsunterricht gewährt wurde.

Wegen des appellativen Charakters eines allgegenwärtigen Kreuzes bzw. Kruzifixes und aufgrund der Einbettung aller in Verbindung mit § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz stehenden religiös konnotierten Bildungsaktivitäten in die gewöhnlichen Kindergartenaktivität kommt es zwangsläufig zu einer Verletzung der negativen Religionsfreiheit konfessionsfreier Kinder. Gerade die hohe Lernfähigkeit und -willigkeit von Kindergartenkindern, die typischerweise von mangelnder Kritikfähigkeit und einem unterentwickelten Urteilsvermögen begleitet werden, verschärfen diesen [Umstand] deutlich und lassen in aller Deutlichkeit eine unzumutbare Einengung der Grenzen der negativen Glaubensfreiheit - und des Rechtes der Eltern nach Art 2 1. ZPEMRK - erkennen."

IV.

Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2. Der Antrag ist, soweit er gegen die Wortfolge "religiösen und" in § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz gerichtet ist, unzulässig.

2.1. Das Vorbringen der Antragsteller zum Vorliegen der Antragslegitimation zur Bekämpfung der genannten Wortfolge erschöpft sich in den Ausführungen über die Teilnahme der Zweitantragstellerin an (zum Teil in der Kirche und unter Mitwirkung eines Geistlichen stattfindenden) religiös geprägten Feiern bzw. an den Vorbereitungen auf diese.

2.2. Dieses Vorbringen vermag den Anforderungen an die Darlegung eines unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragsteller nicht zu genügen. Weder sieht § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz die Bevorzugung einer bestimmten Religionsgesellschaft (im Sinne einer einseitigen religiösen Bildung) vor, noch ergibt sich aus dieser Vorschrift, die bloß die Aufgaben eines Kindergartens in Form einer allgemeinen Zielbestimmung umschreibt, unmittelbar eine Verpflichtung zur Durchführung von bzw. zur Teilnahme an bestimmten religiösen Feiern. Die im konkreten Fall tatsächlich vorgenommene Gestaltung des Aufenthalts der Kinder im Kindergarten wird durch die angefochtene Wortfolge in § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz weder angeordnet, noch steht sie damit in einem sonstigen rechtlichen Zusammenhang. Dies wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge keine Konsequenzen hinsichtlich der gemeinsamen Aktivitäten im Rahmen des Aufenthalts im Kindergarten nach sich ziehen würde.

2.3. Die Antragsteller haben somit nicht dargetan, inwiefern die angefochtene Wortfolge unmittelbar in ihre Rechtssphäre eingreifen würde. Der Antrag erweist sich daher, soweit damit die Wortfolge "religiösen und" in § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz angefochten wird, schon aus diesem Grund als unzulässig.

3. Soweit sich der Antrag gegen die Bestimmung des § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz richtet, ist er zulässig.

3.1. Zwar besteht nach § 19a NÖ Kindergartengesetz eine Verpflichtung zum Kindergartenbesuch für Kinder mit Hauptwohnsitz in Niederösterreich nur (und erst) im Kindergartenjahr, das vor Beginn ihrer Schulpflicht liegt; vor diesem Jahr ist der Kindergartenbesuch freiwillig (vgl. § 18 Abs 7 NÖ Kindergartengesetz). Demnach ergibt sich aus dem Alter der am geborenen Zweitantragstellerin, dass weder für das Kindergartenjahr 2009/10 noch für das laufende Kindergartenjahr eine Pflicht zum Besuch des Kindergartens bestanden hat bzw. besteht.

Dass der Kindergartenbesuch insoweit auf freiwilliger Basis erfolgt, schließt jedoch eine unmittelbare aktuelle Betroffenheit der Antragsteller in ihrer Rechtssphäre nicht aus. Jene Fälle, in denen der Verfassungsgerichtshof in der Vergangenheit die rechtliche Betroffenheit unter Hinweis auf eingeräumte Dispositionsmöglichkeiten ("Freiwilligkeit") verneint hat (vgl. VfSlg. 18.233/2007 zur Übernahme eines Ehrenamtes sowie , zur Wahl im Wege des E-Voting), sind nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, da in diesen Fällen vertretbare Handlungsalternativen zur Verfügung standen.

Eine solche Handlungsalternative ist hier aber nicht gegeben. Nach § 2 Z 2 NÖ Kindergartengesetz sind öffentliche Kindergärten allgemein, dh. ohne Unterschied des Geschlechts, der Sprache, der Staatsbürgerschaft und des Bekenntnisses zugänglich. Angesichts dessen ist es - ungeachtet der grundsätzlichen Freiwilligkeit des Kindergartenbesuchs - in den heutigen Lebensverhältnissen im Hinblick auf die hier zu beurteilende Frage der Zulässigkeit des Antrags nicht zumutbar, wenn auf den Kindergartenbesuch nur deshalb verzichtet wird, um so den Kontakt des Kindes mit religiösen Symbolen zu vermeiden: Insoweit vermag der Umstand, dass der Kindergartenbesuch freiwillig ist, die unmittelbare und aktuelle Betroffenheit der Antragsteller nicht zu beseitigen.

3.2. Die angefochtene Bestimmung des § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz richtet sich auf Grund ihrer sprachlichen Fassung zwar lediglich an den Betreiber des Kindergartens ("In allen Gruppenräumen … ist ein Kreuz anzubringen"). Sie ist jedoch ihrem Inhalt und Zweck nach von einer solchen Wirkung auf die Gestaltung des Aufenthalts der Kinder, welche den Kindergarten besuchen, dass damit nicht nur die tatsächliche Situation, sondern auch die - durch das Grundrecht auf negative Religionsfreiheit geprägte - Rechtssphäre dieser Kinder sowie jene der Eltern, welchen die Erziehung dieser Kinder obliegt, berührt wird. Die Antragsteller sind daher jedenfalls dem Zweck und Inhalt dieser angefochtenen Bestimmung nach als Normadressaten anzusehen (vgl. VfSlg. 13.038/1992 zur Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Frauen-NachtarbeitsG, sowie 13.558/1993).

3.3. Ansonsten ist nichts vorgebracht worden und auch nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit des Antrages, soweit sich dieser gegen die Bestimmung des § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz richtet, spräche.

Der Antrag ist daher insoweit zulässig.

V.

In der Sache:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2. Die Antragsteller behaupten, durch die Anbringung eines Kreuzes in einem Raum, in dem sich die Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen ihres Kindergartenbesuchs regelmäßig aufhält, in ihren Rechten nach Art 9 EMRK bzw. Art 14 StGG verletzt zu sein. Insoweit vermag der Verfassungsgerichtshof eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen gesetzlichen Bestimmung nicht zu erkennen:

2.1. Nach Art 9 Abs 1 EMRK hat jedermann das Recht auf Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit des Einzelnen, seine Religion einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beobachtung religiöser Bräuche auszuüben. Art 14 Abs 1 StGG gewährleistet jedermann die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Nach Art 63 Abs 2 des Staatsvertrags von St. Germain haben alle Einwohner Österreichs das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist.

Art 9 Abs 2 EMRK enthält einen materiellen Gesetzesvorbehalt:

Demnach darf die Religionsfreiheit "nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind".

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die drei genannten Verfassungsbestimmungen insofern als Einheit anzusehen, als Art 14 StGG durch Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain ergänzt wird und die dort genannten Schranken in Art 9 Abs 2 EMRK näher umschrieben werden (VfSlg. 15.394/1998).

Der Verfassungsgerichtshof hat - im Zusammenhang mit dem Schächtverbot - ausgesprochen, dass die Zulässigkeit des Grundrechtseingriffs im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip des Art 53 EMRK (damals Art 60) anhand des Schrankenvorbehalts des Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain zu beurteilen ist, aber gleichzeitig hinzugefügt, dass dieser durch Art 9 EMRK näher konkretisiert wird (VfSlg. 15.394/1998). Der Rückgriff auf das Günstigkeitsprinzip ist jedoch dann nicht möglich, wenn - wie hier - ein behauptetes Recht aus der "negativen" Religionsfreiheit mit anderen Rechten aus der Religionsfreiheit kollidieren kann, weil hier ein allenfalls weitergehender Grundrechtsschutz nach dem Staatsvertrag von St. Germain den Schutz kollidierender Menschenrechte in konventionswidriger Weise verkürzen könnte.

Es ist daher in harmonisierender Interpretation von Art 9 Abs 2 EMRK und Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain davon auszugehen, dass Art 9 Abs 2 EMRK letzteren konkretisiert und dass das Ziel der "öffentlichen Ordnung" in Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain nicht auf sicherheitspolizeiliche Gefahren beschränkt ist (Rudolf Müller, Über Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Schächtens, FS Adamovich, 2002, 503 [519 f.]). Demgemäß kann auch die Verfolgung der übrigen Eingriffsziele des Art 9 Abs 2 EMRK, insbesondere jenes des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer, unter die Eingriffsziele des Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain subsumiert werden und einen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit rechtfertigen (im Ergebnis ebenso Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht, 2003, 85; Grabenwarter in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Loseblattausgabe - 2005, Bd. III, Art 63 Abs 2, Rz 12).

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht das Wesen der Glaubens- und Gewissensfreiheit im Ausschluss "staatlichen Zwangs auf religiösen Gebieten" (VfSlg. 3220/1957 unter Verweis auf VfSlg. 1408/1931; VfSlg. 13.513/1993, 14.978/1997). Jedermann soll in Sachen der Religion volle, von niemandem beschränkte Freiheit genießen (VfSlg. 799/1927, 800/1927).

Art 9 EMRK und Art 14 StGG schützen im Einklang damit nicht nur die (aktive) Religionsausübung, sondern umfassen auch das Recht, keiner Religion anzugehören und insbesondere nicht zu religiösen Handlungen bzw. zur Teilnahme an diesen gezwungen zu werden (vgl. EGMR , Fall Buscarini ua., Appl. 24.645/94 ua., Z 34; zu den verschiedenen Ausprägungen der negativen Religionsfreiheit vgl. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, 1993, 138 ff., 169 ff., 184 ff.). Art 14 Abs 3 StGG enthält dementsprechend ein explizites Verbot des Zwangs zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an kirchlichen Feierlichkeiten. Diese "negative" Seite der Religionsfreiheit kann sich auch auf (Sonder )Situationen erstrecken, in denen für den Grundrechtsträger eine (staatliche) Einflussnahme - gegebenenfalls mit Hilfe staatlicher Symbole - stattfindet, dies insbesondere dann, wenn sich der Betroffene dieser aus faktischen oder rechtlichen Gründen nicht entziehen kann (vgl. etwa den Fall EGMR , Fall Larissis ua., Appl. 23.372/94 ua.

- griechische Armee, JBl. 1998, 573, mit Anm. Stephan Korinek).

2.3. Eine vergleichbare Situation ist im Fall der Zweitantragstellerin nicht gegeben. Aus dem Gesetz selbst lässt sich nicht ableiten, dass das Kreuz in der Absicht angebracht werden sollte, die den Kindergarten besuchenden Kinder mit dessen Hilfe in eine bestimmte religiöse Richtung zu beeinflussen.

2.4. Das Kreuz ist ohne Zweifel zu einem Symbol der abendländischen Geistesgeschichte geworden. Darüber hinaus war es stets und ist es auch heute ein religiöses Symbol christlicher Kirchen. Das bedeutet vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund, vor dem die angefochtene gesetzliche Regelung insgesamt zu beurteilen ist, aber nicht, dass dem Gesetzgeber bei systematischer und verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes eine - von der Zweitantragstellerin angenommene - staatliche Äußerung einer Präferenz für eine bestimmte Religion oder gar einer Glaubensüberzeugung zugesonnen werden könnte:

2.4.1. Zunächst enthält § 3 NÖ Kindergartengesetz die Vorgabe, dass die körperliche, seelische und geistige Entwicklung der Kinder u. a. durch die erzieherische Wirkung, welche die Gemeinschaft bietet, zu fördern und zu unterstützen, ein grundlegender Beitrag zu einer religiösen und ethischen Bildung zu leisten und die Erreichung der Schulfähigkeit zu unterstützen ist. Mit dem letzten Halbsatz wird auch deutlich gemacht, dass der Kindergartengesetzgeber die Voraussetzungen schaffen will, dass im Anschluss an den Kindergartenbesuch die bundesverfassungsgesetzlich festgelegten Ziele für die schulische Bildung erreicht werden können, wie sie von Art 14 Abs 5a B-VG festgelegt werden. Dieser macht Offenheit und Toleranz sowie die an den sozialen, religiösen und moralischen Werten orientierte Verantwortung zu Bildungszielen und gibt staatlichen Bildungseinrichtungen explizit das Ziel vor, Jugendliche gegenüber dem religiösen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen zu machen.

Auch die Zielbestimmung des Art 4 NÖ Landesverfassung weist in dieselbe Richtung. Nach Z 1 ist die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen zu sichern und der Zusammenhalt aller gesellschaftlichen Gruppen zu fördern. Nach Z 4 sind die Anliegen der Kinder im Sinne der UN-Konvention über die Rechte des Kindes im Wirkungsbereich des Landes besonders zu fördern. Damit werden mittelbar auch die Bildungsziele des Art 29 dieser Konvention zur Leitlinie staatlicher Erziehungsarbeit in Kindergärten gemacht; sie umfassen explizit die Vorbereitung auf ein Leben in einer freien Gesellschaft im Geist u.a. der Toleranz und der Freundschaft zwischen allen Gruppen sowie die Vermittlung der Achtung sowohl der eigenen Kultur des Kindes als auch anderer Kulturen.

2.4.2. In einem staatskirchenrechtlichen System wie dem österreichischen, das vom Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche geprägt ist, scheidet eine Deutung des Symbols des Kreuzes dahingehend, dass es als Ausdruck eines Staatskirchentums verstanden werden kann, daher von vornherein aus.

Jenseits dessen ist es dem Verfassungsgerichtshof auch und gerade bei Fragen der Religionsfreiheit verwehrt, sich bei mehreren Möglichkeiten der Deutung eines religiösen Symbols eine bestimmte Deutung zu eigen zu machen und diese der grundrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhandenseins solcher Symbole in staatlichen Bildungseinrichtungen zugrunde zu legen.

2.4.3. Schließlich spricht dagegen zum einen der Umstand, dass die Anbringung des Kreuzes (allein) davon abhängig gemacht wird, dass die Mehrzahl der Kindergartenkinder einem christlichen Religionsbekenntnis angehört. Zum anderen bestätigt eine systematische, das Regelungsumfeld des § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz und die verfassungsrechtlichen Zielbestimmungen berücksichtigende Sicht die Annahme, dass die Anbringung von Kreuzen in Kindergärten nicht staatliche "Glaubensüberzeugungen" zum Ausdruck bringt, sondern vielmehr die Deutungshoheit über das Kreuz beim einzelnen Kind bzw. bei dessen Eltern belässt. Ungeachtet des § 12 Abs 2

NÖ Kindergartengesetz obliegt die Erziehung des Kindes - und damit auch die Erziehung in Fragen der Religion und der Weltanschauung - vor allem und in erster Linie den Eltern, wie nicht zuletzt Art 2

1. ZPEMRK deutlich macht (zu den Rahmenbedingungen dieses Grundrechts für die Anbringung von Kreuzen im Kindergarten unten 3.). Dies wird durch § 3 leg. cit. bestätigt, demzufolge das Kindergartenpersonal bloß die Aufgabe hat, die Familienerziehung der Kinder zu unterstützen und zu ergänzen.

2.4.4. Angesichts dessen ist im gesetzlichen Gebot der Anbringung eines Kreuzes in Gruppenräumen von Kindergärten keine Äußerung des Staates zu erblicken, mit der er die Präferenz für eine bestimmte Glaubensüberzeugung zum Ausdruck bringen möchte.

2.5. Vor diesem Hintergrund vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass der bloße Anblick eines Kreuzes die Pflicht begründen könnte, gegenüber diesem Zeichen der Ehrerbietung oder religiöse Handlungen zu setzen, oder dass Kinder dadurch einem sonstigen Identifikations- oder Glaubenszwang ausgesetzt werden. Das Recht, einem beliebigen oder auch gar keinem Glauben anzugehören, ja sogar die von einem religiösen Symbol repräsentierten Glaubensüberzeugungen abzulehnen, wird durch die Anordnung des § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz daher nicht berührt (im Ergebnis ebenso zum Schulkreuz: Mayer-Maly, Das Kreuz in österreichischen Schulzimmern, JRP 1995, 219 [221]; Pabel, Religion im öffentlichen Schulwesen, in: Prisching/Lenz/Hauser [Hrsg.], Bildung und Religion, 2006, 37 [75]; Kröll, Kruzifixe, Minarette, Sonntagsruhe, in:

Lienbacher/Wielinger [Hrsg.], Öffentliches Recht Jahrbuch 2010, 215 [225 f.]; zur Rechtslage in Deutschland Jestaedt, Das Kreuz unter dem Grundgesetz, JRP 1995, 237 [251]).

2.6. Selbst unter der Annahme, dass die Anbringung von Kreuzen einen Eingriff in das Recht auf (negative) Religionsfreiheit bilden könnte, erreicht die Rechtsbeeinträchtigung nicht ein Ausmaß, das den solcherart angenommenen Eingriff unverhältnismäßig und damit als unvereinbar mit dem Gesetzesvorbehalt des Art 9 Abs 2 EMRK erscheinen ließe. Sie verfolgt zunächst jedenfalls im Schutz der Rechte und Freiheiten jener Kindergartenkinder christlichen Glaubens und deren Eltern, die eine Erziehung unter Einsatz auch des religiösen Symbols des Kreuzes wünschen, ein legitimes Ziel iSd Art 9 EMRK iVm Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain.

In der Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs kann der Anbringung von Kreuzen in Kindergärten (wie in Schulen) nicht die Bedeutung eines Mittels der Indoktrinierung oder Missionierung beigelegt werden, weil die Maßnahme in der dargelegten Art und Weise in den bundes- wie landesverfassungsrechtlich determinierten Erziehungs- und Bildungsauftrag eingebettet ist (siehe 2.4.). Dementsprechend sind Ausmaß und Gewicht einer allfälligen Grundrechtsbeeinträchtigung von vornherein begrenzt.

Hinzu tritt der Umstand, dass die gesetzliche Bedingung der Zugehörigkeit der Mehrzahl der Kindergartenkinder zu einem christlichen Religionsbekenntnis deutlich macht, dass in einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe auch die Rechte der Kinder christlichen Glaubens und ihrer Eltern zu berücksichtigen sind und zur Rechtfertigung des Eingriffs beitragen. Wird die Bedingung nämlich nicht erfüllt, besteht kein Gebot zur Anbringung eines Kreuzes und findet im Fall des Unterbleibens der Anbringung ein Grundrechtseingriff dieser Art von vornherein nicht statt.

2.7. Dem - als Behauptung der Unverhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Religionsfreiheit deutbaren - Vorbringen der Antragsteller, dass der Zweitantragstellerin das Bild vermittelt werde, "wonach es sich beim christlichen Glauben um eine vom Staat besonders geförderte Glaubensrichtung handle", und jene "in eine bestimmte, religiös eindeutig geprägte Richtung nachhaltig beeinflusst" werde, ist neben den Überlegungen unter 2.4. und 2.5. entgegenzuhalten, dass eine Einflussnahme durch den Anblick eines Kreuzes auf die religiöse oder nicht religiöse Einstellung eines Kindes im Kindergartenalter nicht angenommen werden kann (vgl. VfSlg. 799/1927).

3. Die Antragsteller machen darüber hinaus eine Verletzung ihres Rechts auf Bildung nach Art 2 1. ZPEMRK geltend. Nach dieser Bestimmung hat der Staat "bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen".

3.1. Nach der zu diesem Grundrecht ergangenen Rechtsprechung des EGMR hat der Staat dort, wo er eine Erziehungs- und Bildungsaufgabe erfüllt, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen der Eltern zu respektieren, dh. im Ergebnis einen wirksamen Grundrechtsschutz sicherzustellen. Daraus können auch staatliche Gewährleistungspflichten folgen (Gutknecht in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Loseblattausgabe - 2005, Bd. III, Art 2 1. ZPEMRK, Rz 53; EGMR , Fall Valsamis, Appl. 21.787/93, Z 27; EGMR , Fall Folgerø ua., Appl. 15.472/02, Z 84; EGMR , Fall Lautsi, Appl. 30.814/06, vor der Großen Kammer anhängig). Der Staat ist nach Art 2 1. ZPEMRK jedoch nicht verpflichtet, eine Erziehung gemäß den besonderen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern in staatlichen Bildungseinrichtungen zu gewährleisten (vgl. Wildhaber in: Karl [Hrsg.], Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Loseblattausgabe - 1995, Art 2 1. ZPEMRK, Rz 71).

Wie der EGMR weiters mehrfach ausgesprochen hat, hindert Art 2

1. ZPEMRK die Staaten nicht daran, in ihrem Unterrichts- und Erziehungswesen Informationen zu verbreiten und Kenntnisse zu vermitteln, die - direkt oder indirekt - religiöser oder weltanschaulicher Natur sind. Der Staat ist aber verpflichtet, darüber zu wachen, dass die Informationen und Kenntnisse, die zum Unterrichtsprogramm bzw. den Bildungszielen gehören, sachlich, kritisch und pluralistisch verbreitet werden. Art 2 1. ZPEMRK wird verletzt, wenn der Unterricht in einer einseitigen, tendenziösen und damit indoktrinierenden Art und Weise erfolgt, die als Nichtachtung der religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern angesehen werden könnte (Indoktrinierungsverbot; vgl. zB EGMR , Fall Kjeldsen ua., Appl. 5095/71 ua., Z 53, sowie EGMR, Fall Folgerø ua., Z 84).

3.2. Die Anbringung eines Kreuzes in einem Aufenthaltsraum des Kindergartens, den die Zweitantragstellerin besucht, vermag keinen Eingriff in die Rechte nach Art 2 1. ZPEMRK zu begründen. Nach den Ausführungen unter 2.4. und 2.5. kann für das Recht auf Bildung in dieser Hinsicht nichts anderes gelten als für die (negative) Religions- und Weltanschauungsfreiheit nach Art 9 EMRK und Art 14 StGG.

3.3. Auch hinsichtlich der Rechtfertigung eines allenfalls vorliegenden Eingriffs in das Grundrecht gelangt der Verfassungsgerichtshof zu keinem abweichenden Ergebnis. Dabei hat der Verfassungsgerichtshof den auch in der Rechtsprechung des EGMR hervorgehobenen Umstand zu berücksichtigen, dass Art 2 1. ZPEMRK ohne ausdrückliche Regelung unter dem Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkung steht, aber - anders als Art 9 EMRK - keine abschließende Aufzählung legitimer Eingriffsziele enthält. Der EGMR betont im Zusammenhang mit Art 2 1. ZPEMRK den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers der Mitgliedstaaten, der daraus folgt, dass die rechtliche Regelung von Bildungseinrichtungen zeitlich und örtlich variieren kann, in Abhängigkeit von den Bedürfnissen und Ressourcen der Allgemeinheit und den unterschiedlichen Erscheinungsformen verschiedener Stufen der Erziehung (EGMR , Fall Leyla Sahin, Appl. 44.774/98, Z 154; EGMR, Fall Folgerø ua., Z 84). Auf dieser Grundlage ist auch im Hinblick auf das Recht auf Bildung davon auszugehen, dass ein allenfalls vorliegender Eingriff angesichts der begrenzten Wirkungen des Kreuzes und konkurrierender Bildungsinteressen christlicher Kindergartenkinder und ihrer Eltern, die mit jenen von christliche Symbole ablehnenden Kindern und ihren Eltern zum Ausgleich zu bringen sind, gerechtfertigt ist.

VI.

1. Der Antrag ist, soweit damit die Wortfolge "religiösen und" in § 3 Abs 1 NÖ Kindergartengesetz angefochten wird, als unzulässig zurückzuweisen.

2. Die von den Antragstellern vorgebrachten Bedenken gegen die Bestimmung des § 12 Abs 2 NÖ Kindergartengesetz treffen nicht zu, weshalb der Antrag insoweit als unbegründet abzuweisen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.