VfGH vom 17.10.1997, G285/96
Sammlungsnummer
14992
Leitsatz
Aufhebung der die Familienbesteuerung betreffenden Bestimmungen des EStG 1988 wegen Widerspruchs zum Gleichheitsgrundsatz; Unterhaltsleistung an Kinder nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung; Unsachlichkeit der Gleichbehandlung von unterhaltspflichtigen und nicht unterhaltspflichtigen Einkommensbeziehern; kein Ausgleich der steuerlichen Belastung der zur Erfüllung der Unterhaltspflicht erforderlichen Einkommensteile durch Transferleistungen; Steuerfreiheit zumindest der Hälfte des für den Unterhalt erforderlichen Einkommens geboten
Spruch
I. 1. Als verfassungswidrig werden aufgehoben:
Die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in § 20 Abs 1 Z 1 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988;
die Z 3 des § 33 Abs 4 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 312/1992;
die lita der Z 3 des § 33 Abs 4 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818/1993;
die Z 1 des § 34 Abs 7 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 312/1992;
die Z 1 und 2 des § 34 Abs 7 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818/1993;
die lita der Z 3 des § 57 Abs 2 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 312/1992.
2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Im übrigen werden die Verfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B7/95 ein Verfahren zur Prüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides der Finanzlandesdirektion für Kärnten anhängig, mit dem die von einem Lohnsteuerpflichtigen in seinem Antrag auf Jahresausgleich betreffend das Kalenderjahr 1993 als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Unterhaltsleistungen für seine drei studierenden Kinder (und auch für seine Ehefrau) nicht anerkannt wurden.
b) Weiters ist beim Verfassungsgerichtshof - zu B1952/96 - ein Verfahren zur Prüfung eines im Instanzenzug ergangenen, das Jahr 1994 betreffenden Einkommensteuerbescheides anhängig, mit dem den vom Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Unterhaltsleistungen an seine zwei Kinder (, von denen eines nicht haushaltszugehörig ist, sowie auch an seine Ehefrau und seine geschiedene Ehefrau) die Anerkennung versagt wurde.
2. a) Bei Behandlung dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit jener Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988 in der jeweils geltenden Fassung (das ist für den das Jahr 1993 betreffenden Bescheid jene, die das EStG 1988 durch das Familienbesteuerungsgesetz 1992, BGBl. 312, erhalten hatte, für den das Jahr 1994 betreffenden Bescheid die durch das Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 818, in Kraft gesetzte Fassung) entstanden, die es einem für Kinder Sorgepflichtigen verwehren, die ihm entstehenden Unterhaltslasten in dem von der zivilgerichtlichen Judikatur anerkannten Ausmaß steuerlich geltend zu machen; diese Bestimmungen führen nämlich dazu, daß der Steuerpflichtige auch von jenem Einkommensbestandteil, den er im Wege von Unterhaltsleistungen weiterzugeben verpflichtet ist, Einkommensteuer zu zahlen hat. Die dies bewirkenden Bestimmungen erachtete der Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung im Lichte seiner Vorjudikatur (vgl. insbesondere VfSlg. 12940/1991) für verfassungswidrig, weshalb er die Einleitung von Gesetzesprüfungsverfahren beschloß.
b) Die Bundesregierung teilte mit, daß sie beschlossen habe, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen, und beantragte für den Fall der Aufhebung "für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten (zu) bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen".
c) Der Beschwerdeführer im Verfahren B7/95 gab als Beteiligter im Gesetzesprüfungsverfahren Äußerungen ab, in denen er die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu untermauern suchte. Weiters gingen beim Verfassungsgerichtshof verschiedene Stellungnahmen öffentlicher und privater Stellen ein, darunter auch je eine Stellungnahme des Bundesministers für Finanzen und des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie.
II. Der Verfassungsgerichtshof
hat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Beschlußfassung verbunden.
III. 1. Nach § 20 Abs 1 Z 1 EStG
1988 dürfen bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens Ausgaben für den Unterhalt von Familienangehörigen von den Einkünften nicht abgezogen werden. Die diesbezügliche Bestimmung lautet (die in den beiden Verfahren in Prüfung genommene Wortfolge ist hervorgehoben):
"§20. (1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:
1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.
..."
Die Unterhaltslasten mindern - wie in der im Verfahren B7/95 erstatteten Gegenschrift der Finanzlandesdirektion für Kärnten im Einklang mit der verfassungsgerichtlichen Judikatur (vgl. insbesondere VfSlg. 12940/1991) formuliert wird -
"... die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und sind daher im Einkommensteuerrecht zu berücksichtigen. Der Staat hat jedoch nicht die Unterhaltspflichten des einzelnen zu übernehmen, sondern ausschließlich dafür zu sorgen, daß nur die durch die Unterhaltspflichten geminderte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen steuerlich erfaßt wird (Swoboda, Familienbesteuerung weiterhin verfassungswidrig?, RdW 1992, 225). Der Abzug der Unterhaltslast soll lediglich vermeiden, daß die unterhaltspflichtigen Eltern so besteuert würden, als stünde ihnen das gesamte Einkommen zur Verfügung, und ihnen damit zusätzlich zur Unterhaltsleistung noch die Steuerlast für Beträge auferlegt wird, die ihnen nur vorläufig zufließen, über die sie aber aus rechtlichen Gründen nicht disponieren können."
Das EStG 1988 (idF sowohl des Familienbesteuerungsgesetzes 1992 als auch des Steuerreformgesetzes 1993) berücksichtigt diese Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Bestreitung des Unterhaltes von Kindern in Form von Kinder- (bzw. Unterhalts-)absetzbeträgen. Diesbezüglich bestimmt der unter der Überschrift "Steuersätze und Steuerabsetzbeträge" stehende § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 idF BGBl. 312/1992:
"(4) Zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen stehen nachfolgende Absetzbeträge zu:
...
3. a) Einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 350 S für das erste Kind, 525 S für das zweite Kind und 700 S für jedes weitere Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
b) Einem Steuerpflichtigen, der für ein Kind, das nicht seinem Haushalt zugehört (§2 Abs 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und für das weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt wird, den gesetzlichen Unterhalt leistet, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 350 S monatlich zu. Leistet er für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht ihm für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 525 S und für jedes weitere Kind ein Absetzbetrag von jeweils 700 S monatlich zu. Erfüllen mehrere Personen in Bezug auf ein Kind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag, so steht der Absetzbetrag nur einmal zu."
(Die im Verfahren B7/95 in Prüfung genommene Z 3 des § 33 Abs 4 ist hervorgehoben.)
Eine wörtlich gleichlautende - ebenfalls in Prüfung genommene - Regelung enthält für den Bereich der Lohnsteuer § 57 Abs 2 (Z3) leg.cit.
Durch das Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 818, erhielt § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 folgende Fassung (die aus Anlaß der Behandlung der zu B1952/96 protokollierten Beschwerde in Prüfung genommene Z 3 ist wieder hervorgehoben):
"(4) Zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen stehen nachfolgende Absetzbeträge zu:
...
3. a) Einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 350 S für das erste Kind, 525 S für das zweite Kind und 700 S für jedes weitere Kind zu. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
b) Einem Steuerpflichtigen, der für ein Kind, das nicht seinem Haushalt zugehört (§2 Abs 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und für das weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt wird, den gesetzlichen Unterhalt leistet, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 350 S monatlich zu. Leistet er für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht ihm für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 525 S und für jedes weitere Kind ein Absetzbetrag von jeweils 700 S monatlich zu. Erfüllen mehrere Personen in Bezug auf ein Kind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag, so steht der Absetzbetrag nur einmal zu."
(Die Bestimmung des § 57 Abs 2 Z 3 EStG 1988 wurde durch das Steuerreformgesetz 1993 nicht geändert; sie ist jedoch gemäß § 127 Abs 1 EStG 1988 idF BGBl. 680/1994 für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden, nicht mehr anzuwenden.)
Eine die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch Unterhaltszahlungen für Kinder abschwächende Funktion kommt den Familienbeihilfen zu. Die Familienbeihilfe beträgt nach § 8 Abs 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (in der sowohl für 1993 wie auch für 1994 maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 311/1992) im Regelfall
"für jedes Kind monatlich 1 400 S. Die Familienbeihilfe erhöht sich für jedes Kind ab Beginn des Kalenderjahres, in dem das Kind das 10. Lebensjahr vollendet, um monatlich 250 S; sie erhöht sich weiters ab ab Beginn des Kalendermonats, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet, um monatlich 300 S."
Unterhaltsleistungen an Kinder, die die steuerliche Leistungsfähigkeit in einem über das durch die Familienbeihilfe und die Kinder- (bzw. Unterhalts-)absetzbeträge abgedeckte Ausmaß beeinträchtigen, werden einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt (vgl. § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988), und zwar auch nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinn des § 34 EStG 1988. Denn dessen im Verfahren B7/95 insgesamt in Prüfung genommener (und in der folgenden Wiedergabe deshalb hervorgehobener) Abs 7 bestimmt (in der für 1993 maßgeblichen Fassung BGBl. 312/1992):
"(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein haushaltszugehöriges Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lita abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§106 Abs 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind, das nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört, sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 litb abgegolten.
3. Unterhaltsleistungen für den (Ehe)Partner (§106 Abs 3) sind durch den Alleinverdienerabsetzbetrag abgegolten.
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen."
Durch das Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 818, erhielt diese Bestimmung folgende Fassung, die im Verfahren B1952/96 in Prüfung genommen wurde (und ebenfalls hervorgehoben ist):
"(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lita abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§106 Abs 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind, das nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört und für das weder der Steuerpflichtige noch sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner Anspruch auf Familienbeihilfe hat, sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 litb abgegolten.
3. Unterhaltsleistungen für den (Ehe)Partner (§106 Abs 3) sind durch den Alleinverdienerabsetzbetrag abgegolten.
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen."
2. Der Verfassungsgerichtshof ging in den Einleitungsbeschlüssen davon aus, daß die Beschwerden zulässig sind und daß er bei deren Behandlung die in Prüfung genommenen Bestimmungen anzuwenden hätte, die miteinander in untrennbarem Zusammenhang zu stehen scheinen.
Hiezu hat der Gerichtshof erwogen:
Die Annahme, daß die Beschwerden zulässig sind, hat sich bestätigt. Hingegen sind nicht alle der in Prüfung genommenen Bestimmungen präjudiziell und die Annahme des untrennbaren Zusammenhanges hat sich nur teilweise als zutreffend erwiesen:
Durch die in Prüfung genommenen Worte in § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988 wird angeordnet, daß bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens Ausgaben für den Unterhalt von Familienangehörigen nicht abgezogen werden dürfen; § 34 Abs 7 EStG 1988 ordnet (in beiden in Prüfung stehenden Fassungen) an, daß Unterhaltsleistungen für Kinder durch die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag (Z1) bzw. den Unterhaltsabsetzbetrag (Z2) abgegolten sind und daß Unterhaltsleistungen darüber hinaus nur unter ganz bestimmten Umständen abzugsfähig sind (Z4). Die Z 3 des § 33 Abs 4 EStG 1988 schließlich enthält (in beiden in Prüfung stehenden Fassungen) die nähere Regelung der Kinderabsetzbeträge und Unterhaltsabsetzbeträge und die für Lohnsteuerpflichtige geltende Bestimmung des § 57 Abs 2 Z 3 EStG 1988 wiederholt diese Bestimmung. Diese Vorschriften sind von den belangten Behörden - entsprechend der jeweiligen Konstellation des von ihnen zu erledigenden Falles - angewendet worden, um die Frage der steuerlichen Berücksichtigung der geltend gemachten Unterhaltsleistungen an Kinder zu beantworten:
a) Bei Erlassung des im Verfahren B7/95 bekämpften Bescheides betreffend den Jahresausgleich für das Jahr 1993 wurden von der im Beschwerdeverfahren belangten Behörde nur die in Prüfung genommenen Worte in § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988 sowie die die Kinderabsetzbeträge betreffenden Bestimmungen der lita des § 33 Abs 4 Z 3, der Z 1 des § 34 Abs 7 und der lita der Z 3 des § 57 Abs 2 EStG 1988 (diese idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992), nicht aber auch die die Unterhaltsabsetzbeträge betreffenden Regelungen, die der Verfassungsgerichtshof ebenfalls in Prüfung gezogen hat (§33 Abs 4 Z 3 litb, § 34 Abs 7 Z 2, § 57 Abs 2 Z 3 litb), angewendet; nur die zuerst genannten Bestimmungen sind daher aus Anlaß dieses Verfahrens präjudiziell.
Bei Erlassung des im Verfahren B1952/96 bekämpften Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1994 wurden die in Prüfung genommenen Worte des § 20 Abs 1 Z 1 sowie die Z 3 des § 33 Abs 4 und die Z 1 und 2 des § 34 Abs 7 EStG 1988 (die Wortfolge in § 20 Abs 1 Z 1 in der Stammfassung, lita der Z 3 des § 33 Abs 4 idF des Steuerreformgesetzes 1993, litb dieser Ziffer idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992 und die in Prüfung genommenen Bestimmungen des Abs 7 des § 34 idF des Steuerreformgesetzes 1993) angewendet; auch der Verfassungsgerichtshof hätte diese Bestimmungen bei Behandlung der bei ihm anhängigen Beschwerde anzuwenden.
Da die von den Behörden angewendeten Bestimmungen miteinander in einem das System der Familienbesteuerung konstituierenden untrennbaren Zusammenhang stehen und für sie auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Gesetzesprüfungsverfahren insoweit zulässig. Hinsichtlich der nicht angewendeten Vorschriften war das Verfahren einzustellen.
b) Angewendet wurde von den belangten Behörden auch § 34 Abs 7 Z 3 EStG 1988 (in beiden in Prüfung stehenden Fassungen), demzufolge Unterhaltsleistungen für den Ehepartner durch den Alleinverdienerabsetzbetrag abgegolten sind, und auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist diese Bestimmung anzuwenden. Sie ist aber von den übrigen in Prüfung genommenen Bestimmungen durchaus trennbar und die in den Prüfungsbeschlüssen aufgeworfenen Bedenken beziehen sich - angesichts der Vorjudikatur (vgl. VfSlg. 13068/1992, 13297/1992) - nur auf die nicht ausreichende Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für Kinder, nicht aber auch auf solche gegenüber Ehegatten. Hinsichtlich der Z 3 des § 34 Abs 7 EStG 1988 (in beiden in Prüfung genommenen Fassungen) waren daher die Verfahren einzustellen.
Verbleibt aber diese Bestimmung und (vorläufig auch) § 34 Abs 7 Z 2 (idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992) im Rechtsbestand und werden - wie im folgenden Pkt. 3. zu begründen ist - die Z 1 des § 34 Abs 7 EStG 1988 idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992 sowie die Z 1 und 2 dieser Bestimmung idF des Steuerreformgesetzes 1993 aufgehoben, so reduziert sich der Anwendungsbereich der Z 4 dieses Absatzes (, demzufolge Unterhaltsleistungen "darüber hinaus" nur insoweit abzugsfähig sind, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden,) auf den Regelungsbereich der Z 3 (bzw. für das Jahr 1993 auch der Z 2) und geht hinsichtlich der Kinderabsetzbeträge (Z1) (und in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1993 auch hinsichtlich der Unterhaltsabsetzbeträge (Z2)) ins Leere. Angesichts dieses Kontextes wäre die Aufhebung der Z 4 nicht erforderlich, um die angenommene Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, würde aber im Hinblick auf Unterhaltsleistungen für Ehegatten (Z3) (bzw. für 1993 auch für die Unterhaltsabsetzbeträge (Z2)) den Sinn des Gesetzes grundlegend verändern. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 7376/1974, 11506/1987 uva.) waren die Verfahren daher auch hinsichtlich der Z 4 des § 34 Abs 7 EStG 1988 (die beiden in Prüfung stehenden Fassungen entsprechen einander) einzustellen.
3. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
a) Die für Unterhaltsleistungen von einkommensteuerpflichtigen Personen, denen gegenüber Kinder Unterhaltsansprüche haben, aufzuwendenden Mittel werden aufgrund der unter Pkt. III/1 geschilderten Rechtslage der Steuerbemessungsgrundlage voll zugerechnet. Nun verringert aber die Notwendigkeit, aus dem erzielten Einkommen nicht nur den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch den Kindern Unterhalt zu leisten, die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern. Da das Ertragsteuerrecht im allgemeinen vom Grundsatz der Maßgeblichkeit der Leistungsfähigkeit ausgeht, bedarf es einer besonderen sachlichen Rechtfertigung, wenn in einem Teilbereich des Ertragsteuerrechts von diesem Grundsatz abgegangen wird (vgl. VfSlg. 3334/1958, 5740/1968, 12940/1991, ua.). Eine solche ist u.a. dort gegeben, wo die Leistungsfähigkeit durch Ausgaben gemindert wird, die der Sphäre privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind; hiezu zählen - wie der Gerichtshof in VfSlg. 13068/1992 ausgeführt hat - im Regelfall auch Unterhaltsleistungen an Ehepartner. Die Unterhaltsleistungen an Kinder sind aber, wie in VfSlg. 12940/1991 näher dargetan wurde, nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung oder des persönlichen Risikos. Der Gerichtshof hat in dieser Entscheidung dementsprechend ausgesprochen, es sei angesichts der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit von unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen sachlich nicht zu rechtfertigen, daß Unterhaltsleistungen steuerlich nicht in einer der geminderten Leistungsfähigkeit entsprechenden Weise berücksichtigt, sondern als Sache privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos behandelt und insofern den Eltern zu tragen überlassen werden.
Das Außerachtlassen der Unterhaltslast bewirke eine vergleichsweise höhere Belastung unterhaltspflichtiger Eltern. Diese sei sachlich nicht zu rechtfertigen, auch nicht damit, daß die Tragung der Kinderlasten mit steigendem Einkommen leichter wird. Der ausschlaggebende Vergleich dürfe nicht zwischen Eltern mit niedrigerem und höherem Einkommen, sondern müsse zwischen unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen gleicher Einkommensstufe gezogen werden. Insbesondere werde die Diskriminierung von unterhaltspflichtigen Eltern gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen nicht schon dadurch vermieden, daß das Existenzminimum gesichert bleibe.
b) Im Prüfungsbeschluß zu B7/95 (, auf den insoweit im Beschluß zu B1952/96 verwiesen wurde,) hat der Gerichtshof davon ausgehend seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Bestimmungen des EStG 1988 folgendermaßen formuliert:
"Der Verfassungsgerichtshof bleibt vorläufig bei dieser Ansicht, die auch im Anlaßbeschwerdeverfahren unbestritten geblieben ist. Umstritten ist die Frage, ob die ... (in Prüfung genommene) Rechtslage die Unterschiede in der persönlichen Leistungsfähigkeit der zu vergleichenden Personengruppen entsprechend berücksichtigt und so eine verfassungsrechtlich unzulässige Diskriminierung von unterhaltspflichtigen Eltern gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen vermeidet. Dabei ist es keineswegs erforderlich, daß die unterschiedliche Leistungsfähigkeit in jeder Hinsicht und zur Gänze vollkommen berücksichtigt wird. Das zitierte Erkenntnis ist zum Teil aber in diesem Sinn (miß)verstanden worden.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung VfSlg. 12940/1991 festgehalten, daß es der Gleichheitsgrundsatz nicht verlange, daß der Gesetzgeber bei Bedachtnahme auf die tatsächlichen Unterhaltsleistungen und die darauf entfallende Steuer etwa individuell-konkrete Leistungen oder Leistungspflichten berücksichtigen müsse. Er dürfe von Durchschnittswerten ausgehen und der Bemessung der Steuer jenen Unterhalt zugrunde legen, der sich aus dem für die Besteuerung in Frage kommenden Einkommen unter Außerachtlassung steuerlich irrelevanter Einkommensteile oder Vermögenswerte typischerweise ergibt.
In der Gegenschrift, in der die belangte Behörde die angegriffenen Gesetzesbestimmungen verteidigt, wird anknüpfend an diese Sentenz des Verfassungsgerichtshofes ausgeführt:
'Bei der Bemessung der Höhe der Kinderabsetzbeträge - in Kombination mit der Familienbeihilfe - ist der Gesetzgeber daher von jenen Durchschnittswerten ausgegangen, die sich vor allem durch die Rechtsprechung zum § 140 ABGB gefestigt haben.'
Damit wird auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Familienbesteuerungsgesetzes 1992 (463 BlgNR 18.GP, S. 5) verwiesen, in denen es heißt:
'Bei der Neugestaltung der Familienbesteuerung muß auf die Grundsätze des Unterhaltsrechts Bedacht genommen werden. Der Unterhaltsanspruch eines Kindes errechnet sich im wesentlichen nach einem vom Kindesalter abhängigen Prozentsatz, der auf das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten angewendet wird. Diese Prozentsätze betragen (Kapfer, ABGB33, 111) für Kinder
von 0 bis 6 Jahren ..................... 16 %
von 6 bis 10 Jahren ..................... 18 %
von 10 bis 15 Jahren ..................... 20 %
über 15 Jahre ............................. 22 %
Diese Prozentsätze reduzieren sich bei mehreren gleichzeitigen
Unterhaltslasten wechselseitig um ein bis zwei Prozentpunkte. Die
sich aus diesen Prozentsätzen ergebenden Beträge werden überdies
nicht in jedem Fall voll ausgeschöpft. Bei erheblich über dem
Durchschnitt liegenden Einkommen des (der)
Unterhaltsverpflichteten wird ein sogenannter 'Unterhaltsstop'
eingezogen (Schwimann, ABGB-Praxiskommentar, § 140 Tz 10). Der
Unterhaltsstop setzt beim 2,5fachen der sogenannten
Regelbedarfsätze ein. Die Sätze betragen derzeit für Kinder
von 0 bis 3 Jahren .................... 1 670 S
von 3 bis 6 Jahren .................... 2 130 S
von 6 bis 10 Jahren .................... 2 720 S
von 10 bis 15 Jahren .................... 3 120 S
von 15 bis 19 Jahren .................... 3 690 S
von 19 bis 28 Jahren..................... 4 650 S.'
In ihrer Gegenschrift meint die belangte Behörde daran anknüpfend:
'Im Beschluß des OGH vom 8. Feber 1995, GZ. 7 Ob 503/95 wird dazu ausgeführt, daß die Unterhaltsbemessung nach der 'Prozentsatzkomponente' für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe darstelle, um einen sachlichen Ausgleich zwischen der Deckung der Bedürfnisse des oder der Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsschuldners zu erreichen. Diese Methode sei insbesondere auch im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle heranzuziehen. Der OGH habe auch selbst bereits mehrfach die Unterhaltsbemessung nach Hundertsätzen vom Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen vorgenommen.
Nach der Judikatur sind dies nach dem Alter des Kindes gestaffelte Prozentsätze, die jeweiligen Abschläge von diesen Prozentsätzen um bestimmte Prozentpunkte für Unterhaltsleistungen an den nicht oder kaum verdienenden Ehegatten und für Unterhaltsleistungen an weitere unterhaltsberechtigte Kinder, sowie die sogenannten Regelbedarfssätze und der mit dem Zweieinhalbfachen des Regelbedarfes begrenzte Unterhaltsstop (siehe dazu u.a. Dittrich-Tades, ABGB, 34. Auflage, § 140, Punkt VII, litb). Der OGH hat allerdings wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß besonders atypische Fälle eine den tatsächlichen Verhältnissen angepaßte individuelle Berücksichtigung der Bemessungskriterien erfordern (ebenfalls 7 Ob 503/95 mwH). Es ist sowohl einem erheblich überdurchschnittlichen wie auch einem sehr geringen Einkommen des Unterhaltsschuldners und zahlreichen konkurrierenden Sorgepflichtigen Rechnung zu tragen.'
Der Verfassungsgerichtshof hat kein Bedenken, daß ein Anknüpfen an anerkannte Methoden der Unterhaltsbestimmung, wie sie von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelt wurden, im besonderen die Berechnung nach der 'Prozentsatzkomponente', auf die der Oberste Gerichtshof bei durchschnittlichen Verhältnissen abstellt (zB ) unsachlich wäre, und bezweifelt nicht, daß hierin eine geeignete Methode der zulässigen Typisierung gelegen ist. Er hat auch kein Bedenken ob der Sachlichkeit des Einziehens des in den Erläuterungen und in der Gegenschrift bezogenen sogenannten Unterhaltsstops, d.h., daß 'bei erheblich überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen eine Obergrenze beim Unterhaltsbeitrag gezogen (wird), um eine Überalimentierung zu vermeiden' (OGH in der eben zitierten Entscheidung). Von den in der genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes angesprochenen Ausnahmefällen abgesehen dürfte es zulässig sein, in solcher Weise auf typisierte und begrenzte Unterhaltslasten abzustellen.
Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Bedenken, daß die oben geschilderte Regelung selbst bei Annahme der Zulässigkeit der genannten Berechnungsmethode und des 'Unterhaltsstops' nicht geeignet ist, eine steuerliche Diskriminierung unterhaltspflichtiger Eltern hintanzuhalten. Das Anlaßbeschwerdeverfahren scheint dies zu illustrieren:
Dieses Verfahren betrifft einen Fall, bei dem die Unterhaltsleistungen 'zwischen dem Regelbedarf und dem Unterhaltsstop' (Gegenschrift, S. 8) liegen und damit keine außergewöhnliche Konstellation, weshalb der Fall wohl auch nicht als Härtefall angesehen werden kann. Dabei zeigt sich selbst auf Basis der Annahmen der belangten Behörde (denen der Beschwerdeführer zwar in einzelnen Punkten, nicht aber in solchen großen Gewichts entgegentritt) folgendes Bild: Das für die fiktive Unterhaltsbemessung heranzuziehende Nettoeinkommen (Bruttobezüge abzüglich Werbungskosten und Lohnsteuer) beträgt rund S 675.000,--. Die Behörde errechnet nach der Prozentsatzkomponente eine Jahresunterhaltsverpflichtung von 45 %, also rund S 303.750,--. Dem stehen die Kinderabsetzbeträge in Höhe von S 18.900,-- und die bezahlte Familienbeihilfe in Höhe von S 66.600,-- gegenüber.
Obwohl also die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen durch die Unterhaltspflicht von über S 300.000,-- wesentlich geringer ist als die persönliche Leistungsfähigkeit eines nicht unterhaltspflichtigen Steuerpflichtigen, vermindert sich die Steuerlast des unterhaltspflichtigen Steuerpflichtigen bloß um S 18.900,--, und auch wenn man die Familienbeihilfe bei der Berechnung zur Gänze mitberücksichtigt, vermindert sich die Gesamtbelastung bloß um insgesamt S 85.500,--. Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß dies zu einer Diskriminierung des zur Unterhaltsleistung verpflichteten Steuerpflichtigen gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen führt und daher im Lichte der Entscheidung VfSlg. 12940/1991 unsachlich ist; zumal das steuerpflichtige Einkommen keine Höhe erreichen dürfte, bei der diese Diskrepanz allenfalls vernachlässigt werden könnte.
Nicht zielführend scheint dem Verfassungsgerichtshof - angesichts der Umstellung der Berechnung und der Erhöhung des Selbstbehaltes bei außergewöhnlichen Belastungen gegenüber dem EStG 1972 durch das EStG 1988 - die von der belangten Behörde angestellte Vergleichsrechnung, die zeigen soll, daß die Berücksichtigung der Unterhaltspflicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 zu einer geringeren Entlastung geführt hätte als die Summe der Familienbeihilfen und der Kinderabsetz-(bzw. Unterhaltsabsetz-)beträge: Denn maßgebend für die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über die Familienbesteuerung ist nach dem mehrfach zitierten Vorerkenntnis die Vermeidung einer sachlich nicht rechtfertigbaren Diskriminierung jener Steuerpflichtigen, die im Gegensatz zu anderen zur Unterhaltsleistung für Kinder verpflichtet sind. Diese Diskriminierung scheint aber nach der neuen Regelung ebenso vorzuliegen wie nach der vom Verfassungsgerichtshof im Vorerkenntnis beanstandeten früheren Regelung, zumal der Selbstbehalt weit über eine fiktive Einkommensteuer bei den Unterhaltsberechtigten hinausgehen dürfte (vgl. VfSlg. 12940/1991, S. 765)."
c) aa) Die Bedenken des Gerichtshofes treffen im Ergebnis zu. Diese Bedenken gingen nicht etwa dahin, daß von Verfassungs wegen gefordert wäre, der Staat solle die Unterhaltslasten von unterhaltspflichtigen Eltern ganz oder teilweise übernehmen. Solches zu tun, steht ebenso im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wie auch die Ausgestaltung einer allfälligen Übernahme von Teilen der Unterhaltspflicht etwa im Hinblick auf deren Staffelung nach der Anzahl oder dem Alter der Kinder oder nach der sozialen Bedürftigkeit, sofern die konkrete Regelung nur in sich sachlich ist. Auch hat der Verfassungsgerichtshof in den Prüfungsbeschlüssen das derzeitige System der Familienbesteuerung nicht in Zweifel gezogen.
Gegenstand des Prüfungsverfahrens ist also nicht die Verfassungsmäßigkeit von Maßnahmen der Familienförderung oder die Beurteilung der Frage, welches das beste System der Familienbesteuerung ist, sondern (nur) die Frage der Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Belastung jener Einkommensteile, die vom Steuerpflichtigen für Unterhaltsleistungen an Kinder verwendet werden müssen: Der Verfassungsgerichtshof hatte das Bedenken, daß jene Steuerpflichtigen, die zur Unterhaltsleistung an ihre Kinder verpflichtet sind, durch die in Prüfung genommenen Vorschriften gehalten sind, auch von jenen Beträgen, die sie an ihre Kinder als Unterhalt leisten und zu leisten verpflichtet sind, Steuer zu entrichten. Dadurch würden zur Unterhaltsleistung an Kinder Verpflichtete nicht nur - wie andere Steuerpflichtige - hinsichtlich der ihnen zur Verwendung verbleibenden Einkommensteile, sondern auch hinsichtlich jener Einkommensteile besteuert, die ihnen gar nicht zur Verfügung stehen, obleich die Unterhaltsleistung an Kinder - wie in VfSlg. 12940/1991 näher dargelegt wurde - nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung ist.
Daß die Nichtberücksichtigung der Unterhaltspflicht zu einer Ungleichbehandlung von unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen führt, ist nicht zu bezweifeln und blieb in den Anlaßverfahren ebenso wie in den Gesetzesprüfungsverfahren unbestritten. Allerdings hat sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage auseinanderzusetzen, ob nicht die in § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 vorgesehenen steuerlichen Kinderabsetzbeträge und Unterhaltsabsetzbeträge und die nach § 8 FLAG gebührenden Familienbeihilfen (diese Leistungen werden im folgenden auch als Transferleistungen bezeichnet) oder sonstige von der Allgemeinheit zur Entlastung der für die Versorgung von Kindern aufzuwendenden Mittel (wie zB die Ermöglichung kostenlosen Schulbesuches oder die kostenlose Mitversicherung in der Krankenversicherung oder verschiedene Begünstigungen, etwa bei der Inanspruchnahme von Verkehrsleistungen, des Zur-Verfügung-Stellens von Schulbüchern usw.) die sich aus der Unterhaltsverpflichtung ergebende Belastung in einem Maße vermindern, das die fehlende Entlastung der steuerlichen Bemessungsgrundlage für Unterhaltspflichtige wettmacht.
bb) Die Höhe der Unterhaltsverpflichtung wird von den Gerichten (im Streitfall) nach der sogenannten Prozentsatzmethode berechnet. Diese wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, 463 BlgNR 18.GP, S 5, folgendermaßen beschrieben:
"Der Unterhaltsanspruch eines Kindes errechnet sich im wesentlichen nach einem vom Kindesalter abhängigen Prozentsatz, der auf das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten angewendet wird. Diese Prozentsätze betragen (Kapfer, ABGB33, 111) für Kinder
von 0 bis 6 Jahren ..................... 16 %
von 6 bis 10 Jahren ..................... 18 %
von 10 bis 15 Jahren ..................... 20 %
über 15 Jahre ............................. 22 %
Diese Prozentsätze reduzieren sich bei mehreren gleichzeitigen Unterhaltslasten wechselseitig um ein bis zwei Prozentpunkte. Die sich aus diesen Prozentsätzen ergebenden Beträge werden überdies nicht in jedem Fall voll ausgeschöpft. Bei erheblich über dem Durchschnitt liegenden Einkommen des (der) Unterhaltsverpflichteten wird ein sogenannter 'Unterhaltsstop' eingezogen (Schwimann, ABGB-Praxiskommentar, § 140 Tz 10). Der Unterhaltsstop setzt beim 2,5fachen der sogenannten Regelbedarfsätze ein."
(Die in den Erläuterungen wiedergegebenen Regelbedarfsätze (siehe oben Pkt. III/3/b) haben sich inzwischen verändert, vgl. dazu Schwimann, ABGB - Praxiskommentar2, § 140 Tz 22, und wurden - wie aus einer Mitteilung des Rechtsmittelsenates 43 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien hervorgeht - mit Wirkung ab aufgrund der Verbraucherpreisindexentwicklung neuerlich erhöht. Sie betragen nunmehr für Kinder im Alter von
0 bis 3 Jahren S 1.970,--
3 bis 6 Jahren S 2.520,--
6 bis 10 Jahren S 3.220,--
10 bis 15 Jahren S 3.700,--
15 bis 19 Jahren S 4.370,--
19 bis 28 Jahren S 5.500,--.)
Bei Berechnung des für den Unterhaltsstop maßgeblichen Regelbedarfs wird von den Ausgaben für Kinder verschiedener Altersstufen ausgegangen, die in einer Durchschnittsfamilie bestehend aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit einem Verbrauchsausgaberahmen von derzeit S 13.280,-- bis S 19.450,-- geleistet werden. Nach der Judikatur der Zivilgerichte versteht man unter Regelbedarf "ganz allgemein jenen Bedarf, den jedes Kind einer bestimmten Altersstufe in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern an Nahrung, Kleidung, Wohnung und zur Bestreitung der weiteren Bedürfnisse, wie etwa kulturelle und sportliche Betätigung, sonstige Freizeitgestaltung und Urlaub, hat" ( = SZ 63/81). Der Regelbedarf ist dabei "jeweils als Mindestbedarf anzusehen" ().
Bei Berechnung der Unterhaltspflicht nach der Prozentsatzmethode finden demgemäß die vorhin genannten Leistungen der Allgemeinheit für Kinder ebenso Berücksichtigung wie bei der Ermittlung des für den Unterhaltsstop maßgeblichen Regelbedarfs: Würden nämlich die Leistungen der Allgemeinheit gekürzt, so würden sich die für die Bestreitung des Unterhalts der Kinder notwendigen Ausgaben zwangsläufig erhöhen, was zur Erhöhung sowohl der Regelbedarfsätze wie auch der Prozentsätze führen müßte, nach denen die Unterhaltspflicht bemessen wird. Es sind also die vorhin genannten Leistungen der Allgemeinheit bei der Bemessung der Unterhaltspflicht schon berücksichtigt, sodaß sich im Falle deren Änderung andere Beträge ergäben.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs, dem der Verfassungsgerichtshof insoweit beistimmt, stellt die für die Berechnung der Höhe des an Kinder zu leistenden Unterhalts angewandte Prozentsatzmethode "für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe dar, um einen sachlichen Ausgleich zwischen der Deckung der Bedürfnisse des oder der Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsschuldners zu erreichen" ().
Die Einkommensteile, die ein Unterhaltsschuldner benötigt, um seiner Leistungspflicht gegenüber den Unterhaltsberechtigten nachzukommen, werden aufgrund der in Prüfung genommenen Wortfolge des § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988 zur Gänze der Einkommensteuer unterworfen, obwohl sie nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten zufließen. Das führt im System der progressiven Einkommensbesteuerung zu einer überproportionalen Belastung der von Beziehern höherer Einkommen an ihre Kinder zu leistenden Unterhaltsbeträge. Denn die Einnahmen dieser Gruppen von Einkommensbeziehern werden nicht nur hinsichtlich der ihnen verbleibenden Einnahmen mit höherer Einkommensteuer belegt, was durch das Leistungsfähigkeitsprinzip (vgl. dazu oben Pkt. III/3/a) gerechtfertigt ist, sondern auch hinsichtlich jener Beträge, die sie für ihre Kinder aufzuwenden verpflichtet sind, die also nicht ihnen, sondern diesen Kindern zugute kommen und die bei den Unterhaltspflichtigen selbst nur "durchlaufen". Im geltenden System des Einkommensteuerrechts werden somit auch diese zur Weiterleitung an die unterhaltsberechtigten Kinder bestimmten Einkommensteile der Steuer unterworfen, und zwar entsprechend dem Einkommensteuertarif progressiv.
Diese steuerliche Belastung der zur Unterhaltsleistung Verpflichteten wird, wie der Vertreter der in einem Anlaßverfahren belangten Behörde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht dargelegt hat, durch die Auszahlung der nach der Kinderanzahl gestaffelten Kinderabsetzbeträge und Unterhaltsabsetzbeträge sowie der nach dem Kindesalter gestaffelten Familienbeihilfe verringert. Die Kinder-(Unterhalts-)absetzbeträge verringern zwar - ebenso wie die Familienbeihilfen - nicht die Steuerlast der Unterhaltspflichtigen (vgl. Doralt/Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, Band I5, S 211 f.), wohl aber wirken sich diese Transferleistungen insofern aus, als sie die Unterhaltslast der zur Leistung von Unterhalt Verpflichteten verringern.
Das Verfahren hat gezeigt, daß diese Transferleistungen die steuerliche Belastung jener Einkommensteile, die zur Erfüllung der Verpflichtung zur Unterhaltsleistung erforderlich sind, nicht auszugleichen vermögen, ja daß sie nicht einmal in allen Fällen geeignet sind, den von den Zivilgerichten bei Ermittlung der Unterhaltspflicht herangezogenen fiktiven Regelbedarf (, bis zu dessen Zweieinhalbfachem die Unterhaltspflicht von den Zivilgerichten angesetzt wird,) abzudecken, also zu bewirken, daß dieser Regelbedarf so behandelt würde, als würde er von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen.
So heißt es in einer dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Stellungnahme des Bundesministers für Finanzen u.a.:
"Vorauszuschicken ist, daß die Gesetzgebung bei Neugestaltung der Familienbesteuerung auf die Grundsätze des Unterhaltsrechts Bedacht genommen und sich an den sogenannten 'Regelbedarfsätzen' orientiert hat, die vom Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien jährlich bekanntgegeben werden.
Stellt man den durch Kinderabsetzbeträge und Familienbeihilfe erzielten Entlastungseffekt einer fiktiven Minderung der Leistungsfähigkeit (somit Minderung der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage) gegenüber, so stellt sich diese Minderung bezogen auf die Grenzsteuersätze des EStG 1988 - nach der für 1996 geltenden Rechtslage - monatlich wie folgt dar:
Minderung der Bemessungsgrundlage
bei Grenzsteuersatz
FB + KAB 22% 32% 42% 50%
1. Kind 0-10 1650 7500 5156 3929 3300
1. Kind 10-19 1900 8636 5938 4524 3800
1. Kind > 19 1950 8864 6094 4643 3900
2. Kind 0-10 1825 8295 5703 4345 3650
2. Kind 10-19 2075 9432 6484 4941 4150
2. Kind > 19 2125 9659 6641 5060 4250
3. Kind 0-10 2050 9318 6406 4881 4100
3. Kind 10-19 2300 10455 7188 5476 4600
3. Kind > 19 2350 10682 7344 5595 4700
(FB + KAB: Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge)
Zu prüfen ist nunmehr, ob die dargestellte Minderung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage ausreicht, auch in höheren Einkommensstufen eine vermeintliche Diskriminierung unterhaltspflichtiger Eltern gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen hintanzuhalten.
...
(Dazu) gibt das Bundesministerium für Finanzen zu bedenken, daß nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte die (fiktive) Unterhaltslast durch seine Angemessenheit bestimmt wird. Diese Angemessenheit des Unterhaltsbedarfes ist ein veränderlicher Parameter, der sich einerseits am familiären Ambiente, nämlich den Lebensverhältnissen beider Eltern (insbesondere deren Stand, Einkommen, Vermögen, sonstigen Unterhaltspflichten), andererseits an den individuellen Kindesbedürfnissen orientiert, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung von Gesundheitszustand und Persönlichkeitsstruktur (den Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten) des Kindes bestehen (Schwimann, aaO, 24 f). Die auf die Einkommensverhältnisse von den Zivilgerichten angewandte 'Prozentsatzkomponente' bezieht sich auf den Anspruch des Kindes, an den Lebensverhältnissen des verpflichteten Elternteils angemessen teilzuhaben, die bei überdurchschnittlichem Einkommen allerdings nicht auszuschöpfen ist ('Unterhaltstop' - vgl. Schwimann, aaO, 27).
Der 'Regelbedarf' hingegen, der nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen einer steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltslasten zugrunde zu legen ist, bestimmt nun jenen Bedarf, den jedes Kind einer bestimmten Altersstufe in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensumstände zur Bestreitung eines dem Durchschnitt gleichaltriger Kinder entsprechenden Lebensaufwandes neben der Betreuung durch den haushaltsführenden Elternteil noch zusätzlich hat. Der Regelbedarf stellt eine Orientierungsgröße für Durchschnittsfälle dar, um ein vernünftiges Verhältnis zwischen der konkreten Unterhaltshöhe und dem Durchschnittsbedarf zu wahren.
In der folgenden Tabelle wird der monatliche steuerliche Entlastungseffekt bei einem (fiktiven) vollständigen Abzug der derzeit geltenden Regelbedarfsätze von der Einkommensteuerbemessungsgrundlage bezogen auf die Grenzsteuersätze des EStG 1988 dargestellt (ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes - dazu vgl unten). Diese steuerliche Entlastung wird den Kinderabsetzbeträgen und Familienbeihilfen gegenübergestellt:
Regel- 22% 32% 42% 50% FB+KAB FB+KAB FB+KAB
bedarf 1. Kind 2. Kind 3. Kind
0-3 1930 425 618 811 965 1650 1825 2050
3-6 2470 543 790 1037 1235 1650 1825 2050
6-10 3150 693 1008 1323 1575 1650 1825 2050
10-15 3620 796 1158 1520 1810 1900 2075 2300
15-19 4280 942 1370 1798 2140 1900 2075 2300
19-25 5380 1184 1722 2260 2690 1950 2125 2350
Aus dieser Tabelle ergibt sich, daß eine vollständige Berücksichtigung des jeweiligen Regelbedarfs bei der Einkommensteuerbemessungsgrundlage zu einer Steuerersparnis führen würde, die in nahezu allen Fällen unter den erhaltenen Kinderleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) liegt. Die fiktive steuerliche Ersparnis würde nur bei einem Grenzsteuersatz von 42 % und einem erst- oder zweitgeborenen Kind über 19 Jahren, bei einem Grenzsteuersatz von 50 % bei einem erst- oder zweitgeborenen Kind zwischen 15 und 19 Jahren sowie bei einem Grenzsteuersatz von 50 % bei allen Kindern über 19 Jahren über den erhaltenen Kinderleistungen liegen, wobei sich die Differenzen zwischen monatlich 65 S und 740 S bewegen.
Das Bundesministerium für Finanzen ist daher der Ansicht, daß den Erfordernissen einer sachlich gerechtfertigten Familienförderung damit Genüge getan ist, daß durch die Kinderabsetzbeträge in Verbindung mit der Familienbeihilfe lediglich jene Unterhaltslasten steuerrechtlich abgegolten werden, die etwa dem Regelbedarf eines Kindes entsprechen."
dd) Die Transferleistungen führen im Effekt - was verfassungsrechtlich natürlich nicht zu beanstanden ist - zu einem sozial gestaffelten Zuschuß zur Tragung des Aufwandes für Kinder, der freilich in der absoluten Höhe fast immer unter dem Regelbedarf liegt (voll abgedeckt wäre der Regelbedarf durch die Transferleistungen nur bei drittgeborenen Kindern im Alter von unter drei Jahren). Sie werden aber nicht in einer Höhe ausbezahlt, die geeignet wäre, die bei den Steuerpflichtigen durch die (progressive) Besteuerung jener Einkommensteile, die sie an die unterhaltsberechtigten Kinder zu leisten verpflichtet sind, zwangsläufig eintretende Minderung der eigenen Leistungsfähigkeit wettzumachen. Vielmehr führt der Umstand, daß die Unterhaltsleistungen die Steuerbemessungsgrundlage nicht verringern, die auf ihnen liegende steuerliche Belastung aber in einer keineswegs zu vernachlässigenden Anzahl von Fällen durch die Transferleistungen nur zum Teil ausgeglichen wird, dazu, daß von Unterhaltspflichtigen - anders als von Personen, die nicht unterhaltspflichtig sind - im Effekt Einkommensteuer auch von Beträgen zu entrichten ist, die den Steuerpflichtigen nicht zur eigenen Verwendung verbleiben.
Zwar ist nichts dagegen einzuwenden, daß etwa bei höheren Einkommen die zu leistenden Unterhaltszahlungen nicht zur Gänze, sondern nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerlich berücksichtigt werden, der auch nicht unbedingt die Höhe erreichen muß, die der von den Zivilgerichten angewendeten oben näher dargestellten Methode der Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzkomponente unter Einziehung eines Unterhaltsstops entspricht. So hat der Verfassungsgerichtshof in der mehrfach zitierten Vorentscheidung VfSlg. 12940/1991 ausgesprochen, daß der Gesetzgeber bei der Bemessung der Steuer von Durchschnittswerten auszugehen berechtigt ist. Gefordert ist - wie im Prüfungsbeschluß ausgeführt wurde - in der Tat keine vollständige steuerliche Entlastung jener Beträge, die der Unterhaltsschuldner zu leisten verpflichtet ist.
Die in Prüfung stehende Regelung bewirkt aber, daß die zwangsläufig entstehenden Unterhaltsleistungen in vielen Fällen nur in einem geringen Teil steuerlich entlastet werden, und zwar keineswegs nur bei höheren Einkommen, sondern auch bei solchen, die erheblich unter der sozialversicherungsrechtlichen Höchstbemessungsgrundlage liegen.
Selbst wenn man davon ausgeht, daß nicht die ganze nach der Prozentsatzmethode berechnete Unterhaltsleistung, sondern nur ein Teil davon steuerlich berücksichtigt werden muß, führt die in Prüfung genommene Regelung zu einer unverhältnismäßigen Belastung der zur Unterhaltsleistung Verpflichteten, die in erheblichem und progressiv ansteigendem Maß Steuer von Beträgen zu zahlen haben, die ihnen zur Einkommensverwendung nicht zur Verfügung stehen: In manchen Fällen werden die zur Bestreitung des Kinderunterhalts benötigten Mittel - wie sich aus dem vorletzten Absatz der oben wörtlich wiedergegebenen Stellungnahme des Bundesministers für Finanzen ergibt - zum Teil sogar insoweit steuerlich belastet, als sie bloß dem Regelbedarf entsprechen, und in einer größeren Anzahl von Fällen trifft dies dann zu, wenn man die steuerlich zu berücksichtigenden Teile der Unterhaltsleistungen auch nur relativ geringfügig höher ansetzt, als es der Abdeckung des bloßen Regelbedarfs entspricht.
Da aber die Unterhaltsleistung an Kinder, wie in VfSlg. 12940/1991 dargetan und weder in den Beschwerde- noch in den Gesetzesprüfungsverfahren in Zweifel gezogen wurde, nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung ist, geht es nicht an, jene Einkommensbestandteile, die vom Steuerpflichtigen an die Unterhaltsberechtigten weiterzugeben sind, in diesem Umfang zu besteuern. Auf diese Weise werden nämlich unterhaltspflichtige und nicht unterhaltspflichtige Einkommensbezieher gleicher Einkommenshöhe ungeachtet der unterschiedlichen Höhe des ihnen zur eigenen Verwendung verbleibenden Einkommens gleich behandelt, obwohl es sachlich geboten wäre, die - eben nur zum Teil als Folge privater Lebensgestaltung zu qualifizierenden - Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern steuerlich zumindest so zu berücksichtigen, daß nicht der größere Teil des Unterhaltsaufwandes der Einkommensteuer unterworfen wird. Da die in Prüfung genommenen Bestimmungen für einen keineswegs vernachlässigbaren Teil von Einkommensteuerpflichtigen aber solches bewirken, verletzen sie den Gleichheitsgrundsatz, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war. Zumindest die Hälfe der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, müßte im Effekt steuerfrei bleiben.
4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der Regelung gründet sich auf Art 140 Abs 5 B-VG. Die Frist war einerseits so zu bemessen, daß dem Gesetzgeber ausreichend Zeit zur Vorbereitung einer Neuregelung verbleibt, anderseits war dem Umstand Rechnung zu tragen, daß Änderungen im Einkommensteuerrecht tunlichst mit Beginn eines Kalenderjahres in Kraft treten sollen.
Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche im Bundesgesetzblatt I erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG iVm § 2 Abs 1 Z 4 BGBlG, BGBl. 660/1996.