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VfGH vom 17.06.2000, g26/00

VfGH vom 17.06.2000, g26/00

Sammlungsnummer

15819

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der pauschalierten Anrechnung des Unterhaltsanspruchs bei nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten für die Berechnung der Ausgleichszulage; Entsprechung des Pauschalsatzes im Hinblick auf das Unterhaltsrecht nur bei Vorliegen eines mehrfach so hohen Einkommens des Unterhaltsverpflichteten gegenüber dem Unterhaltsberechtigten; Unzulässigkeit einer solchen nicht auf den Regelfall abgestellten Durchschnittsbetrachtung; kein Beitrag zur Verfahrensvereinfachung im Sinne der Verwaltungsökonomie

Spruch

Die Wortfolgen "a) den Ehegatten (die Ehegattin), sofern er (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt", sowie "in Fällen der lita 25 vH und" in § 294 Abs 1 ASVG, in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 31/1973 (29. Novelle zum ASVG), 282/1981 (36. Novelle zum ASVG) und 642/1989 (48. Novelle zum ASVG) sowie die Wendung "a und" in § 294 Abs 3 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 31/1973, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. § 292 Absatz 1 bis 3 und § 294 Abs 1 ASVG lauten:

"§292. (1) Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§293), so hat der Pensionsberechtigte, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension. Dies gilt nicht im Falle des Bezuges einer Gleitpension.

(2) Bei Feststellung des Anspruches nach Abs 1 ist auch das gesamte Nettoeinkommen des (der) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (Ehegattin) unter Bedachtnahme auf § 294 Abs 4 zu berücksichtigen.

(3) Nettoeinkommen im Sinne der Abs 1 und 2 ist, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge. Für die Bewertung der Sachbezüge gilt, soweit nicht Abs 8 anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, daß als Wert der vollen freien Station der Betrag von 2 654 S heranzuziehen ist; an die Stelle dieses Betrages tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , der unter Bedachtnahme auf § 108 Abs 9 mit dem Anpassungsfaktor (§108f) vervielfachte Betrag. Im Falle des Bezuges einer Hinterbliebenenpension (§257) vermindert sich dieser Betrag, wenn für die Ermittlung der Ausgleichszulage zur Pension des verstorbenen Ehegatten (Elternteiles) Abs 8 anzuwenden war oder anzuwenden gewesen wäre und der (die) Hinterbliebene nicht Eigentümer (Miteigentümer) des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes war, für Einheitswerte unter 60 000 S im Verhältnis des maßgeblichen Einheitswertes zu dem genannten Einheitswert, gerundet auf volle Schilling; Entsprechendes gilt auch bei der Bewertung von sonstigen Sachbezügen.

...

§294. (1) Bei Anwendung des § 292 sind Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen


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a)
den Ehegatten (die Ehegattin), sofern der (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt,


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b)
den geschiedenen Ehegatten (die geschiedene Ehegattin),


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c)
die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben,

gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, daß dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten in den Fällen der lita 25 vH und in den Fällen der litund c 12,5 vH des monatlichen Nettoeinkommens der dort genannten Personen zuzurechnen sind. Der so festgestellte Betrag vermindert sich jedoch in dem Ausmaß, in dem das dem Verpflichteten verbleibende Nettoeinkommen den Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 litb unterschreitet.

(2) ...

(3) Wenn und solange das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen in den Fällen des Abs 1 lita und b nicht nachgewiesen wird, ist anzunehmen, daß die Höhe der monatlichen Unterhaltsverpflichtung 25 v. H. des Dreißigfachen der Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§45 Abs 1) beträgt. Eine Zurechnung zum Nettoeinkommen erfolgt nur in der Höhe eines Vierzehntels der jährlich tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung, wenn die nach Abs 1 und 2 berechnete Unterhaltsforderung der Höhe nach trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches in dieser Höhe offenbar aussichtslos oder offenbar unzumutbar ist.

..."

2. Beim Oberlandesgericht Wien sind Berufungen der Klägerin und der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter anhängig; in diesem arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren geht es um den Ausgleichszulagenanspruch der Klägerin, welcher vom Bestehen und vom Ausmaß der Anrechnung eines Unterhaltsanspruches der Klägerin gegen ihren Ehegatten abhängt.

Aus Anlaß der Entscheidung über diese Berufungen hegt das OLG Wien verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 294 Abs 1 ASVG; es beantragt "im § 294 ASVG in der Fassung der 29. Novelle zum ASVG (BGBl. Nr. 31/1973) sowie der Novellen BGBl. Nr. 282/1981 (36. Novelle zum ASVG) und BGBl. Nr. 642/1989 (48. Novelle zum ASVG) die Wortfolgen im Abs 1 'a) den Ehegatten (die Ehegattin), sofern er (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt,' und 'in den Fällen der lita 25 v.H. und' sowie im Abs 3 die Wendung 'a und' als verfassungswidrig aufzuheben."

Das Oberlandesgericht Wien begründet seinen Antrag wie folgt:

"Die Regelung des § 294 Abs 1 lita ASVG sieht nun konkret vor, dass dann, wenn Unterhaltsansprüche von Ehegatten, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, gegeben sind, diese mit 25 % des monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen anzurechnen sind. Es wird also ausschließlich auf das Nettoeinkommen des Unterhaltsberechtigten abgestellt.

Zivilrechtlich beträgt der Unterhaltsanspruch gemäß § 94 Abs 2 ABGB nach den als Orientierungshilfe anzusehenden Prozentsätzen (vgl. MGA ABGB34 § 94 E 185 a) dann, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte kein oder nur ein sehr geringes Einkommen hat (vgl. MGA ABGB34 § 94 E 186 a) ca. 33 % des Nettoeinkommens des anderen Ehegatten (vgl. MGA ABGB34 § 94 E 191).

Verfügt der Ehegatte jedoch über ein eigenes Einkommen, so beträgt sein Anteil 40 % des von beiden Ehegatten erzielten Familieneinkommens (vgl. MGA ABGB34 § 94 E 186). Das bedeutet, dass wohl bei zwei früher voll berufstätigen Ehegatten (vgl. MGA ABGB34 E 69), von diesem errechneten Wert von 40 % sein eigenes Einkommen abzuziehen ist (MGA ABGB34 § 94 E 182 a) und die verbleibende Differenz seinen Unterhaltsanspruch darstellt (vgl. zur Berechnung etwa RZ 1992/49, 125).

In beiden Fällen werden die Prozentsätze durch das Vorhandensein von Sorgepflichten gegenüber Kindern (vgl. MGA ABGB34 § 94 E 192 ff) gemindert. Auch auf das Einkommen einer neuen Ehefrau wird Bedacht genommen (vgl. MGA ABGB34 § 94 E 193 a).

Vereinfacht dargestellt bedeutet dies, dass der Standardfall, den das ASVG bei Ausgleichszulagen im Rahmen des § 294 Abs 1 ASVG regelt, jener ist, dass beide Ehegatten über ein Einkommen verfügen, da die Pension Voraussetzung für den Anspruch auf Ausgleichszulage des Unterhaltsberechtigten ist und der Unterhaltsverpflichtete regelmäßig nur ein solcher sein kann, der über ein Einkommen verfügt. Dementsprechend würde also in einem solchen Fall die Judikatur zu § 94 ABGB zuerst das gemeinsame Familiennettoeinkommen ermitteln und davon ausgehend von 40 % dieses Familieneinkommens den Unterhaltsanspruch des Berechtigten unter Abzug des eigenen Einkommens, festlegen. § 294 ASVG hingegen stellt überhaupt nicht auf das gemeinsame Familieneinkommen, sondern nur auf das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten ab; vor allem sieht er aber keinerlei Berücksichtigung des zivilrechtlich vorgesehenen Abzuges des eigenen Einkommens des Pensionsberechtigten vor. Eine Grenze der Pauschalanrechnung von 25 % ist nur insoweit gegeben, als das dem Verpflichteten verbleibende Nettoeinkommen den Richtsatz für alleinstehende Pensionsberechtigte nicht unterschreiten darf.

Betrachtet man nun die Unterschiede vereinfacht dargestellt an dem für 1995 geltenden Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Ehegatten in Höhe von S 7.500,--, so bedeutet die von der Berechnung des Unterhaltsanspruches in seinen zivilrechtlichen Grundlagen strukturell abweichende Pauschalierung des ASVG folgendes:

Zieht man etwa ein durchaus als Standardfall anzusehendes Beispiel heran, in dem die Pensionsberechtigte eine Pension von S 5.000,-- hat und der Unterhaltsverpflichtete über ein Einkommen von netto S 10.000,-- verfügt, so sind gemäß § 294 Abs 1 ASVG, ausgehend von einem Unterhaltsanspruch, 25 %, also S 2.500,--, pauschal anzurechnen. Daraus ergibt sich dann ein fiktives Gesamtnettoeinkommen von S 7.500,-- der oder des Pensionsberechtigten, sodaß also kein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht. Zivilrechtlich hat die Pensionsberechtigte jedoch nur einen Anspruch auf 40 % des Gesamteinkommens abzüglich ihres eigenen Einkommens. Konkret also von 40 % von S 15.000,-- = S 6.000,-- abzüglich S 5.000,--, also nur von S 1.000,--. Im Ergebnis bleibt ihr Einkommen - völlig unabhängig von Fragen der Einbringlichkeit etc - also bei einer ordnungsgemäßen Zahlung des Unterhaltsanspruches um S 1.500,-- unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz.

Das kann nun nicht als Einzelfall erachtet werden, sondern stellt geradezu den typischen Anwendungsfall des Ausgleichszulagenrechtes dar. Der Gesetzgeber hat aber damit in diesem Bereich vorgesehen, dass ein weiter Teil der Pensionsberechtigten nicht das Nettoeinkommen erreichen kann, das dem Ausgleichszulagenrichtsatz entspricht. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, warum im Rahmen der Pauschalierung eine Berechnungsweise gewählt wird, die von jener bei zivilrechtlichen Unterhaltsansprüchen abweicht, und ein Einkommen angerechnet wird, auf das kein Anspruch entstehen kann, während im übrigen Bereich nur auf tatsächlich erzielte Einkünfte abgestellt wird, ist nicht ersichtlich. Auch Gründe der Verwaltungsvereinfachung können nicht dafür sprechen, da auch nach dem vorgesehenen System sowohl das gesamte Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten als auch das des Unterhaltsverpflichteten ermittelt werden muss. Ausgehend davon stellt es jedoch nur noch eine Frage der verwaltungstechnisch nicht belastenden Rechenoperationen dar, ob das anzurechnende Einkommen entsprechend den tatsächlich bestehenden Strukturen der Berechnung zivilrechtlicher Unterhaltsansprüche, oder nach davon in ihrer Struktur abweichenden fiktiven Berechnungsmethoden, ermittelt wird.

Das bestehende System führt dazu, daß bei ganz kleinen Pensionen - etwa S 500,-- - bei denen der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch nur ausgehend vom Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten im Regelfall mit 33 % berechnet wird (vgl. MGA ABGB34 § 94 E 191) wegen des im ASVG vorgesehenen geringeren Prozentsatzes von 25 % sogar zu einem über den Ausgleichszulagenrichtsatz führenden Einkommen des Pensionsberechtigten führt, was nicht als Rechtfertigung angesehen werden kann. Es kann nicht als Zielrichtung des Systems der Ausgleichszulage erkannt werden, dass gerade Versicherten, die wegen ihrer besonders kurzen Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft einen besonders niedrigen Pensionsanspruch haben, dann unter Berücksichtigung der Ausgleichszulage über ein höheres als das existenzsichernde Nettoeinkommen verfügen, während jene, die wegen ihrer längeren Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft über eine höhere Pension verfügen, kein existenzsicherendes Einkommen erreichen können.

Das Oberlandesgericht Wien hat daher die Bedenken, dass die angefochtenen Regelungen gegen den Gleichheitssatz der Art 7 Abs 1 B-VG und Art 2 StGG verst(oßen). Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum zwar auf das Ordnungsystem des Unterhaltsrechtes Bezug genommen wird, dieses aber dann bei den Anknüpfungspunkten, einer grundsätzlich als zulässig zu erachtenden Pauschalierung (vgl. VfSlg. 11.775) wieder verlassen wird (vgl. VfSlg. 10.823), ohne dass dadurch Erleichterungen bei der Pauschalierung erzielbar wären oder andere, mit den Zielsetzungen des Ausgleichszulagenrechtes oder des Sozialversicherungsrechtes insgesamt übereinstimmende Gründe, erkannt werden könnten.

Vielmehr wird durch die vom Unterhaltsrecht abweichende Wahl der Anknüpfungspunkte einerseits das Ziel des Ausgleichszulagenrechtes, ein bestimmtes Mindestnettoeinkommen des Pensionisten zu garantieren, schon von der Struktur der Berechnung her verfehlt und andererseits der wesentliche Anknüpfungspunkt für die Höhe der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche im Pensionsversicherungsrecht, die Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft, genau ins Gegenteil verkehrt. Gründe dafür sind nicht ersichtlich.

Der Bruch in der Anknüpfung an das Unterhaltsrecht scheint sachlich nicht gerechtfertigt, auch wenn man berücksichtigt, dass das Ausgleichszulagenrecht auch besonderen Sozialhilfecharakter hat, da dieser für alle Ausgleichszulagenbezieher gleich zutrifft, hier aber nur jene benachteiligt werden, die ein nennenswertes eigenes Einkommen haben.

Auch eine verfassungskonforme Interpretation (vgl. etwa VfSlG. 11.991) unter Berücksichtigung des § 294 Abs 3 letzter Satz ASVG scheint nicht möglich. Nach dieser Bestimmung ist nur auf die tatsächlich zufließende Unterhaltsleistung abzustellen, wenn u.a. die nach § 294 Abs 1 ASVG berechnete Unterhaltsforderung der Höhe nach, trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen, einschließlich der Exekutionsführung, nicht einbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches in dieser Höhe offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist.

Nach den Erläuterungen zur 51.ASVG-Novelle RV (vgl. 932 Blg.NR 18.GP) sollte dadurch die Pauschalanrechnung gemildert werden. Dies war auch bereits das Anliegen früherer Novellen (vgl. Teschner-Widlar, ASVG, 56 Erg.Lieferung, 1450/2a u.a.)

Nach der Judikatur ist bei Unterhaltsansprüchen zwischen Ehegatten, die nur nach dem Gesetz bestehen eine Pauschalanrechnung vorzunehmen (SSV-NF 2/15, 2/18, 5/105) während bei Unterhaltsansprüchen, die erst auf Grund eines Vertrages zustehen, nur der tatsächliche Unterhalt herangezogen, bzw. von der Aussichtslosigkeit der Geltendmachung eines höheren Unterhaltsanspruches ausgegangen wird (SSV-NF 5/119).

Selbst wenn man nun auch bei den dem Grunde nach bestehenden gesetzlichen Unterhaltsansprüchen davon ausgeht, daß die Pauschalierung der Höhe nach dort nicht greift, wo der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch geringer ist ('offensichtliche Aussichtslosigkeit'), wäre damit eine Verzerrung gegeben. Derjenige Pensionist, dessen Unterhaltsanspruch wegen der eigenen Pension geringer ist, muss dies im Verfahren nachweisen, während jener, der wegen der geringen Eigenpension sogar einen tatsächlich höheren als den pauschalierten Unterhaltsanspruch hat, sich auf die Pauschalierung (stützen) könnte. Eine sachliche Rechtfertigung für eine in ihrer Struktur von den zivilrechtlichen Unterhaltsansprüchen abweichende Pauschalierung, die gerade den typischerweise länger der Versicherungsgemeinschaft angehörenden Versicherten schlechter stellt, kann nicht gesehen werden."

Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung; darin heißt es:

"...

2. Gemäß § 294 Abs 1 lita ASVG sind bei der Beurteilung des Anspruches auf Ausgleichszulage Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten, wenn sie sich gegen den nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten richten, mit 25 % von dessen monatlichem Einkommen dem Pensionsberechtigten zuzumessen. Diese Bestimmung legt also hinreichend klar fest, wie bei der Anrechnung des Unterhaltsanspruches vorzugehen ist.

3. Demgegenüber stellt § 94 Abs 2 ABGB bei der Berechnung der Unterhaltsansprüche auf die 'angemessenen Bedürfnisse' bzw. die 'angemessene' Berücksichtigung eigener Einkünfte ab und läßt damit durch die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes 'angemessen' der Rechtsprechung einen relativ weiten Beurteilungsspielraum (vgl. z. B. VfSlg. 9166/1981). Diese hat nun auch - wie das antragstellende Oberlandesgericht Wien ausführt - gewisse Prozentsätze als Orientierungshilfe zur Berechnung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 94 Abs 2 ABGB entwickelt. Zur Begründung der Verfassungswidrigkeit von § 294 Abs 1 ASVG betrachtet das Oberlandesgericht Wien diese Prozentsätze - entgegen ihrer Funktion als Orientierungshilfe - als starre normative Größe und erachtet deshalb die davon abweichende Berechnungsmethode in § 294 Abs 1 ASVG als unsachlich und also gleichheitswidrig. Dazu ist zunächst folgendes anzumerken:

Der Oberste Gerichtshof hat etwa im Urteil vom , 2 Ob 603/93 (zitiert nach EvBl 1994/148), zur Bedeutung der Prozentsätze folgendes ausgesprochen:

'Die von der Rsp entwickelten Prozentsätze sind als Orientierungshilfe brauchbar, um für Durchschnittsfälle eine 'generalisierende Regel' zur Verfügung zu haben (EFSlg 61.752 uva); das aus Berechnungsformeln (Prozentsätzen) resultierende Ergebnis ist dann nicht bindend, wenn besondere vom Durchschnitt abweichende Umstände des Einzelfalls für einen höheren oder niedrigeren Unterhaltsanspruch sprechen (EFSlg 61.753; RZ 1992/95).'

Ferner ist auch folgendes zu beachten:

Nach der Rechtsprechung (vgl. etwa EFSlg 28.556, 44.873) ist die Höhe des Unterhaltsanspruches unter Berücksichtigung der sogenannten 'Anspannungstheorie' zu ermitteln. Demnach sind beide Ehegatten verpflichtet, die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und damit auch ihre Arbeitskraft unter Bedachtnahme auf ihre berufliche Ausbildung und Möglichkeiten einzusetzen. Das bedeutet, daß bei der Ausmessung des Unterhalts auch ermittelt werden muß, welches Einkommen der Unterhaltsberechtigte und der Unterhaftspflichtige zumutbarerweise erzielen könnte, selbst wenn es tatsächlich nicht erzielt wird. Hiebei werden eingehende Ermittlungen über die berufliche Leistungsfähigkeit von Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen anzustellen sein.

4. Somit wird offenbar auch von der Rechtsprechung anerkannt, daß § 94 Abs 2 ABGB keine starre Berechnungsmethode verlangt, sondern vielmehr eine auf verschiedene Umstände Bedacht nehmende Abwägung erlaubt. Anders als § 294 ASVG - der insoweit eine klare Regelung trifft - ist daher § 94 Abs 2 ABGB einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich, der nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes mehrdeutige und vage Begriffe - wie hier der Begriff 'angemessen(') - zu unterziehen sind (vgl. z.B. (VfSlg.) 12.098/1989). Im vorliegenden Fall ließe sich daher die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit dadurch beseitigen, daß jedenfalls in den vom antragstellenden Gericht angeführten Fällen bei der Berechnung des Unterhaltsanspruches gemäß § 94 Abs 2 ABGB auf das Berechnungssystem des Unterhaltsanspruches gemäß § 294 ASVG Bedacht genommen wird.

Da das Oberlandesgericht Wien die Verfassungswidrigkeit mit dem Zusammenwirken der beiden Bestimmungen begründet, würde es somit reichen(,) § 94 Abs 2 ABGB verfassungskonform zu interpretieren, um auch § 294 Abs 1 ASVG verfassungskonform erscheinen zu lassen.

Demnach hätte die Rechtsprechung zu § 94 Abs 2 ABGB auch § 294 ASVG zu berücksichtigen, wodurch ein verfassungskonformes Ergebnis erzielt würde."

Die Klägerin des arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahrens hat ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des antragstellenden Gerichtes beitritt. Soweit sie darüberhinaus weitere Bedenken vorträgt, ist darauf schon im Hinblick darauf nicht einzugehen, daß der VfGH an die Bedenken des antragstellenden Gerichtes gebunden ist (vgl. etwa VfSlg. 12592/1990 mwH).

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

1. Zur Zulässigkeit des Antrages:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Rechtsmittelgericht an eine bestimmte Gesetzesauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag eines an sich iSd Art 140 B-VG legitimierten Gerichtes nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die angefochtene generelle Norm eine Voraussetzung der gerichtlichen Entscheidung im Anlaßfall bildet (vgl. VfSlg. 9911/1983, 11373/1987 u.v.a.).

1.2. Das antragstellende Gericht hat einen Rechtsstreit zu entscheiden, bei welchem der Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage u.a. von der Anrechnung eines gegenüber ihrem Ehegatten bestehenden Unterhaltsanspruches abhängt. Es ist nicht denkunmöglich, wenn das antragstellende Gericht angenommen hat, daß die Eheleute infolge getrennten Wirtschaftens als nicht im gemeinsamen Haushalt lebend iS des § 294 Abs 1 lita ASVG anzusehen sind und das Gericht deshalb die angefochtenen Wortfolgen anzuwenden hätte.

1.3. Die Anfechtung der im Spruch genannten Wortfolge ist auch nicht zu eng und bewirkt - im Falle ihres Erfolges - auch keinen zu weitreichenden Eingriff in das Ausgleichszulagenrecht: Die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge bewirkt nämlich, daß der der Klägerin des Ausgangsverfahrens tatsächlich zustehende Unterhalt (der nun nicht mehr im Sinne des § 294 Abs 1 ASVG zu berücksichtigen ist) bei Ermittlung des Nettoeinkomens im Sinne des § 292 Abs 1 ASVG angerechnet würde.

1.3. Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Die Unterhaltsanrechnung im Ausgleichszulagenrecht erfolgte nach der Stammfassung des § 292 Abs 2 ASVG als Teil des "Gesamteinkommens"; dieses war definiert als "die Summe aller Einkünfte eines Rentenberechtigten, die bei Bemessung einer Fürsorgeunterstützung nach den Vorschriften über die öffentliche Fürsorge zu berücksichtigen sind oder auf die der Rentenberechtigte Anspruch hat".

2.2.1. Mit der 1. Novelle zum ASVG (BGBl. Nr. 266/1956) wurde in § 292 Abs 2 der Unterhalt aus dem Begriff des Gesamteinkommens ausgeschieden, seine Anrechnung jedoch in § 292a ASVG neu geregelt:

zum einen wurde der Kreis der zu berücksichtigenden Unterhaltsverpflichtungen in § 292a Abs 1 eingeschränkt (umfaßte aber weiterhin nach § 292a Abs 1 lita "die Unterhaltsverpflichtung zwischen Ehegatten, auch zwischen geschiedenen Ehegatten"); ferner wurde die Anrechnung von der tatsächlichen Unterhaltsleistung abgekoppelt:

Unterhaltsverpflichtungen waren nunmehr zu berücksichtigen, "gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird". Die Höhe des anzurechnenden Unterhalts erfolgte nach einer in § 292a Abs 2 ASVG vorgesehenen, nach der Art eines Tarifs aufgebauten Staffel nach festen Beträgen die in Abhängigkeit von der Höhe des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen festgelegt worden waren.

2.2.2. Von der zuletzt genannten "Staffel" ging der Gesetzgeber mit dem Pensionsanpassungsgesetz - PAG, BGBl. Nr. 96/1965, ab: der neue Absatz 2 des § 292a ASVG in der Fassung des ArtI Z 35 des PAG lautete:

"(2)Als monatliche Unterhaltsverpflichtung im Sinne des Abs 1 gelten, gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, 28 v.H. des um den Betrag des Richtssatzes für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung (§292 Abs 3 lita) verminderten monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen."

Diese Änderung diente offenkundig der Vereinfachung der Handhabung des Ausgleichszulagenrechtes, ist jedoch in den Gesetzesmaterialien nicht näher begründet (vgl. AB 709 Blg. NR X. GP, woraus hervorgeht, daß die Änderung auf einen Initiativantrag von Abgeordneten zurückgeht).

2.2.3. In der 29. Novelle zum ASVG (BGBl. Nr. 31/1973) wurde das Ausgleichszulagenrecht neu gefaßt, jedoch am System der Unterhaltsanrechnung nichts Wesentliches geändert; diese findet sich nunmehr in § 294 ASVG. Dessen Abs 1 lautete in der Fassung der 29. Novelle:

"Bei Anwendung des § 292 sind Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen


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a)
den Ehegatten, sofern er mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt,
b)
den geschiedenen Ehegatten
c)
die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben,

gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, daß dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten in den Fällen der lita 30 v. H. und in den Fällen der litb und c 15 v. H. des monatlichen Nettoeinkommens der dort genannten Personen zuzurechnen sind."

§ 292 Abs 2 sah eine Verminderung dieser Prozentsätze um 2 v. H. bei Vorhandensein weiterer unterhaltsberechtigter Angehöriger vor.

Der Unterhaltsanspruch gemeinsam lebender Ehegatten wurde nunmehr zufolge der Einführung eines "Familienrichtsatzes" durch die Anrechnung des gemeinsamen Familieneinkommens auf diesen Richtsatz gegenstandslos (vgl. RV 404 BlgNR XIII. GP, 115). Die Hundertsätze, nach denen der dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten zuzurechnende Pauschalbetrag bemessen wird, sollten - so die Erläuterungen zur RV wörtlich - "in ihrer Höhe ungefähr den üblichen Unterhaltsverpflichtungen entsprechen. Dabei wurde davon ausgegangen, daß erfahrungsgemäß die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einer Ehegattin in aufrechter Ehe höher bemessen wird, als im Falle einer geschiedenen Ehe" (RV, aaO, 115, rechte Spalte 3. Absatz).

2.2.4. Die 35. Novelle zum ASVG (BGBl. Nr. 585/1980) fügte dem Abs 1 des § 294 einen Satz an:

"Der so festgestellte Betrag vermindert sich jedoch in dem Ausmaß, in dem das dem Verpflichteten verbleibende Nettoeinkommen den Richtsatz gem. § 293 Abs 1 litb unterschreitet"

womit insoweit zu einem fiktiven "geschützten Sockelbetrag" des Unterhaltspflichtigen im Sinne des früheren § 292a zurückgekehrt wurde.

2.2.5. Die 36. Novelle zum ASVG (BGBl. Nr. 282/1981) formulierte § 294 ASVG "geschlechtsneutral" und die 48. Novelle zum ASVG (BGBl. Nr. 642/1989) verminderte die Pauschalsätze für die Unterhaltsanrechnung für Ehegatten von 30 vH auf 25 vH und für geschiedene Ehegatten von 15 vH auf 12,5 vH. Dies wird in den Gesetzesmaterialien (RV 1098 Blg. StenProt NR, XVII.GP) nicht näher begründet.

2.3.1. § 91 ABGB aF (d.h. bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (Eherechtswirkungen-G), BGBl. Nr. 412/1975) sah eine "Verbindlichkeit" des Mannes vor, "der Ehegattin nach seinem Vermögen den anständigen Unterhalt zu verschaffen". Soweit dieser Unterhalt in Geld zu gewähren war (vornehmlich im Falle getrennt lebender Ehegatten vgl. dazu etwa die bei Kapfer, ABGB, MGA, 29. Aufl. (Wien 1972) unter Nr. 18ff zu § 92 wiedergegebene Rechtsprechung) wurde dieser Unterhalt von der Rechtsprechung bei Fehlen sonstiger Unterhaltspflichten im allgemeinen mit 33 1/3 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Ehemannes ausgemessen, bei Vorliegen von Sorgepflichten für Kinder in einem entsprechend geringeren Ausmaß (vgl. dazu etwa die bei Kapfer, ABGB, MGA,

29. Aufl. (Wien 1972) unter Nr. 1q ff zu § 91 wiedergegebene Rechtsprechung). Diese Unterhaltspflicht des Ehemannes hat vollkommen unabhängig von eigenem Vermögen, Einkommen oder Erwerb der Ehegattin bestanden (vgl. Kapfer, aaO, Nr. 2 ff).

2.3.2. Gem. § 94 Abs 1 ABGB idF des Eherechtswirkungen-G, BGBl. Nr. 412/1975, haben umsomehr die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Gem. § 94 Abs 2 ABGB steht dem Ehegatten, der den Haushalt führt gegenüber dem anderen ein Anspruch auf Unterhalt zu, wobei "eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind". Dasselbe gilt für den Ehegatten, der seinen Beitrag nach § 94 Abs 1 nicht zu leisten vermag (§94 Abs 2 letzter Satz ABGB). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung wird dem wirtschaftlich Schwächeren einschließlich seines eigenen Einkommens ein Anteil von 40% des für beide Eheteile zur Verfügung stehenden Familieneinkommens ausgemessen (vgl. Dittrich-Tades, ABGB, MGA, 34. Auflage, 1994, Nr. E 186 zu § 94), es sei denn, daß das Einkommen des Ehegatten so geringfügig wäre, daß ihm nach dieser Berechnungsweise gegenüber seinem Ehegatten ein höherer Unterhaltsanspruch zustünde, als wenn er über keinerlei Einkommen verfügte (aaO, E 186a). Im letztgenannten Fall beträgt der Unterhaltsanspruch des einkommenslosen Ehegatten im allgemeinen 33 % des Nettoeinkommens des anderen Ehegatten (vgl. aaO, E 191). Weitere Sorgepflichten werden durch entsprechende Reduzierung der 40 % bzw 33 % berücksichtigt (aaO, E 187 ff; E 192 ff).

2.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes widerspricht es dem Gleichheitssatz nicht, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht (zB VfSlg. 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978, 11615/1988 u.v.a.) und dabei auch eine pauschalierende Regelung trifft, insbesondere wenn dies der Verwaltungsökonomie dient (VfSlg. 9258/1981, 10089/1084). Es wird ein solches Gesetz nicht schon deshalb gleichheitswidrig, weil dabei Härtefälle entstehen (zB VfSlg. 3568/1959, 9908/1983, 10276/1984).

2.4.1. Das Ausmaß der solcherart hinzunehmenden ungleichen Auswirkungen einer generellen Norm hängt allerdings nicht nur vom Grad der Schwierigkeit ab, die eine nach verschiedenen Sachverhalten differenzierende Lösung der Vollziehung bereiten würde, sondern auch vom Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen (VfSlg. 8871/1980). Der Verfahrensökonomie dienende, sohin auf Verwaltungsvereinfachung zielende, pauschalierende Regelungen dürfen vom Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Gleichheitssatz auch nur derart getroffen werden, daß diese nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprechen. Die zulässige Bedachtnahme auf die Praktikabilität des Gesetzes ist somit nicht schrankenlos; sie findet ihre Grenze dort, wo anderen Überlegungen, die gegen die Regelung sprechen, größeres Gewicht beizumessen ist als den verwaltungsökonomischen Erwägungen (VfSlg. 13726/1994).

2.4.2. Eine solche pauschalierende Regelung hat der Gesetzgeber im Ausgleichszulagenrecht dadurch getroffen, daß er bei nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten die Anrechnung eines bestehenden Unterhaltsanspruchs mit 25 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen (allenfalls vermindert um einen Betrag, der sich aus der Anwendung des § 294 Abs 1 letzter Satz ASVG ergibt) anordnete. Er wollte damit - wie aus den vorstehend zitierten Gesetzesmaterialien zur 29. Novelle (freilich bezogen auf das damals geltende Unterhaltsrecht) hervorgeht - das Unterhaltsrecht, wenn auch vergröbert, im Ausgleichszulagenrecht berücksichtigen.

2.5. Vergleicht man vor dem soeben dargelegten verfassungsrechtlichen Hintergrund betreffend die Zulässigkeit pauschalierender gesetzlicher Regelungen die Rechtslage des Unterhaltsrechts, wie sie sich seit dem Eherechtswirkungen-G darstellt, mit der pauschalierten Unterhaltsanrechnung, wie sie in § 294 ASVG im Wesentlichen seit der 29. Novelle zum ASVG (also seit einem Zeitpunkt vor der Änderung der Rechtswirkungen der Ehe durch das Eherechtswirkungen-G) in Geltung steht, dann entspricht der Pauschalsatz für die Unterhaltsanrechnung zwischen getrennt lebenden Ehegatten - auch unter Berücksichtigung der mit der 48. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 642/1989, vorgenommenen Reduzierung auf 25 % des Einkommens des unterhaltspflichtigen Ehegatten - nur in einem solchen Fall dem Unterhaltsrecht, in welchem der Unterhaltsverpflichtete ein mehrfach so hohes Einkommen hat wie der Unterhaltsberechtigte.

Dies ist aber offenkundig nicht der Regelfall, wie das antragstellende Gericht im Ergebnis zutreffend ausführt und ihm darin die Bundesregierung auch nicht entgegentritt.

2.5.1. Die Bundesregierung sucht diesem Vergleich (ausschließlich) mit dem Argument die Spitze zu nehmen, daß die von der Rechtsprechung zu § 94 Abs 2 ABGB entwickelten Prozentsätze nur als Orientierungshilfe dienten, um (wie sich auch aus der Rechtsprechung des OGH - etwa EvBl. 1994/148 - ergebe) "für Durchschnittsfälle eine 'generalisierende Regel' zur Verfügung zu haben", dann aber nicht heranzuziehen seien, wenn "besondere, vom Durchschnitt abweichende Umstände des Einzelfalls für einen höheren oder niedrigeren Unterhaltsanspruch sprechen".

2.5.2. Der Bundesregierung ist in ihrer Argumentation durchaus beizupflichten, daß § 94 Abs 2 ABGB in diesem Sinne keine starre Berechnungsmethode verlangt, sondern vielmehr eine auf verschiedene Umstände Bedacht nehmende Abwägung erlaubt. Gerade dieser Umstand kann es aber umso weniger rechtfertigen, daß sich der Gesetzgeber im Ausgleichszulagenrecht über die Realität des Unterhaltsrechts hinwegsetzt und die Anrechnung eines (fiktiven) Unterhaltes anordnet, der nicht etwa zumindest der vom antragstellenden Gericht und der Bundesregierung übereinstimmend als Durchschnittsfall apostrophierten Berechnungsformel (40 % des Familieneinkommens abzüglich des Eigeneinkommens) entspricht, sondern - im Gegenteil - von einem Ausnahmefall ausgeht, der vom Durchschnittsfall des Unterhaltsrechts in einer unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht mehr hinnehmbaren Weise abweicht.

2.6. Darüber hinaus kann die Regelung für sich aber auch nicht mit Recht in Anspruch nehmen, der Verwaltungsvereinfachung zu dienen.

2.6.1. Von den für die Unterhaltsanrechnung maßgebenden Komponenten verursacht zweifellos die Ermittlung des Nettoeinkommens des getrennt lebenden, unterhaltspflichtigen Ehegatten den größten Verfahrensaufwand: Steht das Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen und des unterhaltsberechtigten Ehegatten einmal fest, so ist der Rest eine einfache Rechenoperation (40 % der Summe beider Nettoeinkommen, abzüglich des Einkommens des Unterhaltsberechtigten ergibt den Unterhalt).

2.6.2. Von diesen Komponenten ist für den Pensionsversicherungsträger die Ermittlung des Nettoeinkommens des eine Ausgleichszulage beantragenden Ehegatten und die Ermittlung des Nettoeinkommens des anderen Ehegatten unerläßlich. Beide Berechnungsgrößen werden durch die pauschalierende Regelung nicht berührt. Diese hat lediglich zur Folge, daß an die Stelle einer Berechnung nach der genannten Unterhaltsformel der Pauschalsatz von 25 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen tritt.

2.6.3. Es ist daher unerfindlich, wie diese "Pauschalregelung" zur Verfahrensvereinfachung beitragen kann, so daß auch aus dieser Sicht eine Rechtfertigung für die angegriffene Regelung nicht gefunden werden kann.

3. Da somit im Ergebnis die Bedenken des antragstellenden Gerichtes zutreffen, war spruchgemäß zu entscheiden und dem Antrag stattzugeben.

4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Beratung beschlossen werden.