VfGH vom 15.10.2004, g237/03

VfGH vom 15.10.2004, g237/03

Sammlungsnummer

17340

Leitsatz

Teilweise Zurückweisung, teilweise Abweisung, teilweise Stattgabe der Anträge zweier Landesregierungen und des Unabhängigen Bundesasylsenates auf Aufhebung von Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 in der Fassung der Novelle 2003 sowie des Bundesbetreuungsgesetzes; Verstoß des nur bei medizinisch belegbarer Traumatisierung des Asylwerbers ausgeschlossenen Neuerungsverbotes im Berufungsverfahren gegen das Rechtsstaatsprinzip, das Recht auf eine wirksame Beschwerde und die Bedarfskompetenz; Verstoß des generellen Ausschlusses einer aufschiebenden Wirkung im Zusammenhang mit einer Ausweisung bei Berufungen gegen bestimmte Zurückweisungsentscheidungen gegen das Rechtsstaatsprinzip und die Bedarfskompetenz; Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch die Regelung über die Verhängung der Schubhaft bei Stellung eines Folgeantrags; keine Verfassungswidrigkeit der Drittstaatsicherheit der Schweiz und Liechtensteins, der Liste sicherer Herkunftsstaaten, des beschränkten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung in bestimmten Fällen, der Unzulässigkeit einer Antragsrückziehung, der Bestimmungen über eine Durchsuchung von Kleidung und Behältnissen sowie Sicherstellung von Dokumenten, der Stellungnahmefrist im Zulassungsverfahren, der Schubhaftregelung bei ungerechtfertigter Entfernung von der Erstaufnahmestelle sowie der Regelungen über den Ausschluss eines Rechtsanspruchs auf Bundesbetreuung in bestimmten Fällen

Spruch

I. 1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung wird

zurückgewiesen, soweit er die nachstehenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, zum Gegenstand hat:


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§18 Abs 3 zweiter Satz und § 24 Abs 4 zweiter Satz;


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§32 Abs 2 und § 32 Abs 3, 4 und 4a, soweit diese Bestimmungen jeweils über die Wortfolge "und 6" hinausgehen;


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§32 Abs 8.


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2. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung auf Aufhebung des § 1 Abs 3 des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 101/2003, wird zurückgewiesen.


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3. Der Antrag der Wiener Landesregierung wird zurückgewiesen, soweit er die nachstehenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, zum Gegenstand hat:


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§1 Z 6;


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§16 Abs 1 und Abs 2;


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§24a Abs 5 erster und dritter Satz;


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bloß § 32 Abs 1 Z 1 bis 4 und das Wort "nur" in § 32 Abs 1;


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§32 Abs 8.


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4. Der Antrag der Wiener Landesregierung auf Aufhebung des § 13a des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003 wird zurückgewiesen.


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5. Der Antrag des unabhängigen Bundesasylsenates zu G55/04 wird zurückgewiesen.


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6. Das Verfahren über den Antrag der oberösterreichischen Landesregierung auf Aufhebung des § 2 Abs 2 Z 7, 8 und 9 Bundesbetreuungsgesetz in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, wird eingestellt.

II. 1. Die folgenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, werden als verfassungswidrig aufgehoben:


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die Worte "auf Grund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung" in § 32 Abs 1 Z 4;


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der zweite Satz des § 32 Abs 2 sowie § 5a Abs 1 zweiter Satz;


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§34b Abs 1 Z 3.


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2. Die aufgehobenen Worte "auf Grund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung" in § 32 Abs 1 Z 4 sowie der zweite Satz des § 32 Abs 2 und § 5a Abs 1 zweiter Satz sind nicht mehr anzuwenden.

Die Aufhebung des § 34b Abs 1 Z 3 tritt mit Ablauf des in Kraft. Diese Bestimmung ist in den am beim Verfassungsgerichtshof, beim Verwaltungsgerichtshof und beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.

3. Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

III. Die übrigen Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Schriftsätze

1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung

Mit dem am beim Verfassungsgerichtshof eingegangenen Gesetzesprüfungsantrag begehrte die oberösterreichische Landesregierung die Aufhebung folgender Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, jeweils idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003 und der Kundmachung BGBl. I Nr. 105/2003:

"1. § 4 Abs 2 Asylgesetz 1997,


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2.
§8 Abs 2 Asylgesetz 1997,
3.
§18 Abs 3 Asylgesetz 1997,
in eventu § 18 Abs 3 erster Satz Asylgesetz 1997,
4.
§24 Abs 4 erster und zweiter Satz Asylgesetz 1997, in eventu § 24 Abs 4 erster Satz Asylgesetz 1997,
5.
§32 Abs 1 Asylgesetz 1997,
6.
§32 Abs 2 Asylgesetz 1997,
7.
§32 Abs 3, 4 und 4a Asylgesetz 1997,
in eventu § 32 Abs 3, 4 erster Satz und 4a Asylgesetz 1997,
in eventu § 32 Abs 3 und 4 Asylgesetz 1997, in eventu § 32 Abs 3 und 4 erster Satz Asylgesetz 1997,
in eventu § 32 Abs 4 erster Satz Asylgesetz 1997,
8.
§32 Abs 8 Asylgesetz 1997,
9.
§34b Abs 1 Z. 1 und Z. 3 Asylgesetz 1997, in eventu § 34b Abs 1 Z. 1 Asylgesetz 1997, in eventu § 34b Abs 1 Z. 3 Asylgesetz 1997."

Ferner beantragte die oberösterreichische Landesregierung die Aufhebung der nachstehenden Bestimmungen des Bundesbetreuungsgesetzes, jeweils BGBl. Nr. 405/1991 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003:


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"10.
§1 Abs 3 und die Wortfolge 'und Abs 3' im § 13a Bundesbetreuungsgesetz,
11.
die Wortfolge 'und Abs 2 und § 2a' im § 13a Bundesbetreuungsgesetz,
12.
§2 Abs 2 Z. 7 Bundesbetreuungsgesetz,
13.
§2 Abs 2 Z. 8 Bundesbetreuungsgesetz,
14.
§2 Abs 2 Z. 9 Bundesbetreuungsgesetz."

Am langte beim Verfassungsgerichtshof ein Schriftsatz der oberösterreichischen Landesregierung ein, in dem der Antrag auf Aufhebung des § 2 Abs 2 Z 7, 8 und 9 Bundesbetreuungsgesetz idF der AsylG-Novelle, BGBl. I Nr. 101/2003, zurückgezogen und gleichzeitig der Antrag gestellt wird, "§2 Abs 2 Z. 6 des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991 idF des ArtI des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2004", als verfassungswidrig aufzuheben. Das Verfahren über den zurückgezogenen Antrag der oberösterreichischen Landesregierung ist daher einzustellen.

Die Anträge der oberösterreichischen Landesregierung sind beim Verfassungsgerichtshof unter G237/03 und G238/03 protokolliert.

2. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Mit Antrag vom , eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am , beantragte die Wiener Landesregierung, folgende Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben:


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1.
§5a Abs 1 2. Satz, § 32 Abs 2 und Abs 8
Asylgesetz 1997,
eventualiter § 5 Abs 1 2. Satz und die Worte
"eine" und
"nicht" im ersten Satz des § 32 Abs 2
einschließlich des ganzen 2. Satzes dieser Bestimmung sowie das Wort "keinesfalls" im § 32 Abs 8 Asylgesetz 1997 einschließlich des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung,
2.
§32 Abs 1 Z 1 bis Z 4 und das Wort "nur" in § 32 Abs 1 Asylgesetz 1997,
3.
§6 Abs 1 Z 1, § 6 Abs 2 und das Wort
"begründeten" in § 6 Abs 1 Asylgesetz 1997, eventualiter nur das Wort "begründeten" in § 6 Abs 1 Asylgesetz 1997,
4.
5.
§23 Abs 3 1. Satz und § 31 Abs 2 Asylgesetz 1997, eventualiter nur § 23 Abs 3 1. Satz Asylgesetz 1997,
6.
§24 Abs 4 1. Satz und § 24 Abs 4 2. Satz
Asylgesetz 1997,
eventualiter nur § 24 Abs 4 1. Satz oder nur § 24 Abs 4 2. Satz Asylgesetz 1997,
eventualiter auch und somit bezogen auf alle vorgenannten Alternativen § 18 Abs 3 Asylgesetz 1997,
7.
§4 Abs 2 und § 17 Asylgesetz 1997,
eventualiter die Wortfolge "in der Person des Asylwerbers gelegene" in § 4 Abs 2 und § 17 Asylgesetz 1997,
8.
§16 Abs 1 Asylgesetz 1997,
9.
§24a Abs 5 Asylgesetz 1997,
eventualiter die Wortfolge ",24 Stunden nicht unterschreitende," in § 24a Abs 5 2. Satz Asylgesetz 1997,
10.
§1 Z 6, § 4a Abs 3 Z 3 und § 8 Abs 2 Asylgesetz 1997, jeweils BGBl. I 76/1997 in der Fassung BGBl. I 101/2003,
11.
§13a des Bundesbetreuungsgesetzes,
eventualiter die Wendung "und Abs 3" in § 13a Bundesbetreuungsgesetz, BGBl. 405/1991 in der Fassung BGBl. I 101/2003.

In einer im Zuge des Vorverfahrens abgegebenen Replik vom auf die Äußerung der Bundesregierung stellte die Wiener Landesregierung einen "ergänzende[n] Antrag gemäß Art 140 Abs 1 B-VG", "eventualiter § 13a des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. 405/1991 in der Fassung BGBl. I 101/2003, und § 16 Abs 11 des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. 405/1991 idF BGBl. I 32/2004, beide Bestimmungen jeweils zur Gänze", als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Anträge sind zu G16/04 und G17/04 protokolliert.

3. Der Antrag des unabhängigen Bundesasylsenates

Mit Antrag vom , eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am , beantragte der unabhängige Bundesasylsenat, folgende Bestimmungen des Asylgesetzes als verfassungswidrig aufzuheben:

"1. in § 8 Abs 2 leg. cit. das Wort 'Ausweisung', in eventu den gesamten genannten Absatz,

2. in eventu - d.h. für den Fall, dass dem Erstantrag nicht im größtmöglichen Umfang, also nicht ohne Setzung einer Frist im Sinne des Art 140 Abs 5 B-VG und nicht in Verbindung mit einem Ausspruch im Sinne des Art 140 Abs 7 B-VG, dass die in Entsprechung des Erstantrages aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei, entsprochen werde - in § 44 Abs 3 leg. cit. die Zeichenfolge '8,15,'".

Der Antrag ist zu G55/04 protokolliert.

4. Äußerungen und Stellungnahmen

Die Bundesregierung erstattete zu jedem Anfechtungsantrag eine Äußerung, in der sie jeweils die angefochtenen Bestimmungen verteidigt und begehrt, teils die Anträge zurückzuweisen, teils die bekämpften Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

In ihrer Äußerung vom zum Antrag der oberösterreichischen Landesregierung begehrte die Bundesregierung, für den Fall der Aufhebung der § 8 Abs 2,§ 32 Abs 3, 4, 4a und 8 Asylgesetz eine Frist von 18 Monaten und für den Fall der Aufhebung der § 18 Abs 3,§ 24 Abs 4, und § 34b Abs 1 Z 1 und 3 Asylgesetz eine Frist von 12 Monaten für das Außerkrafttreten zu bestimmen. Sie begründete dies damit, dass die unterschiedlichen Fristen erforderlich seien, da für den Fall der Aufhebung eine umfangreiche Neuregelung der betroffenen Gesetzesstellen erforderlich erscheine. Mit gleicher Begründung begehrte die Bundesregierung in ihrer Äußerung vom zum Antrag der Wiener Landesregierung darüber hinaus für den Fall der Aufhebung des § 6 Abs 1 und 2 sowie des § 16 Abs 1 und 2 Asylgesetz eine Frist von 12 Monaten, für die Aufhebung des § 5a Abs 1,§ 32 Abs 2 und 8,§ 23 Abs 3 und § 31 Abs 2,§ 24a Abs 5 und § 1 Z 6 sowie § 4a Abs 3 Z 3 Asylgesetz eine Frist von 18 Monaten.

Dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (im Folgenden kurz: UNHCR) wurden in jedem der verbundenen Verfahren die Schriftsätze der Parteien zugestellt. Das UNHCR wurde jeweils zu einer Stellungnahme eingeladen, wovon es Gebrauch gemacht hat. Es hat in seinen Schriftsätzen zu den möglichen Auswirkungen des Asylgesetzes auf die Asylpraxis und die Vereinbarkeit mit der Genfer Flüchtlingskonvention Stellung genommen.

Ein nach Schluss der Verhandlung beim Verfassungsgerichtshof eingelangter und als "Replik und ergänzende Äußerung" übertitelter Schriftsatz des unabhängigen Bundesasylsenates vom zu G55/04 konnte nicht mehr berücksichtigt werden.

5. Verbindung der Rechtssachen

Die Anträge der oberösterreichischen Landesregierung und der Wiener Landesregierung sowie des unabhängigen Bundesasylsenates wurden gemäß § 463 Abs 1 und § 404 iVm § 187 Abs 1 ZPO (§35 Abs 1 VfGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

II. Die Rechtslage

1. Die einfachgesetzliche österreichische Rechtslage

1.1. Die Novellierung des Asylgesetzes und des Bundesbetreuungsgesetzes

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997) wurde im BGBl. I Nr. 76/1997 kundgemacht und seither mehrfach geändert. Die letzte Änderung ist durch das Bundesgesetz über die Änderung des Asylgesetzes 1997 (AsylG-Novelle 2003), BGBl. I Nr. 101/2003, erfolgt. Sämtliche Anträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Asylgesetzes betreffen die mit BGBl. I Nr. 101/2003 geänderte Fassung. Diese Fassung trat mit in Kraft (§42 Abs 6). Bereits mit traten § 14 Abs 5,§ 35 und § 36 Abs 5 in Kraft, doch sind diese Bestimmungen nicht angefochten (§42 Abs 5). In der Folge sind die angefochtenen Bestimmungen jeweils hervorgehoben.

Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 101/2003 wurde ferner das Bundesbetreuungsgesetz, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2001, novelliert.

Wenn daher in der Folge die Kurzbezeichnung "AsylG" oder "BBetrG" verwendet wird, so betrifft dies jeweils die nach Erlassung des BGBl. I Nr. 101/2003 geltende Fassung, sofern nicht im Einzelfall auf eine andere Fassung hingewiesen wird.

Mit BGBl. I Nr. 32/2004, kundgemacht am , wurde das BBetrG neuerlich geändert. So entfallen gemäß ArtI des BG ua. die Z 6 bis 8 des § 2 Abs 2 BBetrG, wobei Z 8 durch die Novellierung zur Z 2 wird und die frühere Z 9 die Z 6 erhält. Diese Veränderungen traten mit in Kraft. In ArtII erhalten die §§1 bis 12 BBetrG eine gänzliche Neufassung; § 14 BBetrG, der zu § 16 wird, erhält einen Abs 11, demgemäß "[d]ie Anwendung des § 13a idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003 auf Sachverhalte, die vor dem eingetreten sind, [...] unberührt" bleibt. Die §§1 bis 15 BBetrG idF des ArtII in BGBl. I Nr. 32/2004 treten mit in Kraft.

1.2. Sachlicher Geltungsbereich des AsylG

Fremde, die sich im Bundesgebiet aufhalten, erlangen nach den Bestimmungen des AsylG "Asyl und die Feststellung, dass sie damit kraft Gesetzes Flüchtlinge sind" (§2 Abs 1 AsylG). Daraus ist zu schließen, dass nur jene Fremde Asyl erhalten können, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Dies wurde in der Regierungsvorlage zur Stammfassung des Gesetzes (RV 686 BlgNR XX. GP, 16) ua. auch damit begründet, dass die tatsächliche Möglichkeit bestehen muss, "über den betreffenden Fremden die Hoheitsgewalt in einem erforderlichen Mindestmaß auszuüben".

Neben der Asylgewährung regelt das AsylG auch den sog. subsidiären Schutz: "Subsidiärer Schutz" wird nach § 2 Abs 2 AsylG Fremden, die sich im Bundesgebiet aufhalten und einen Asylantrag gestellt haben, gewährt, wenn sie zwar kein Asyl erhalten, ihre Ausweisung jedoch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzen würde. Fremden, die subsidiären Schutz erlangen, wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung (vgl. § 15 AsylG) zuerkannt.

1.3. Zeitlicher Geltungsbereich der AsylG-Novelle 2003

Die Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum gestellt wurden, werden nach den Bestimmungen des AsylG 1997 in der Stammfassung und idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt (§44 Abs 1 AsylG), jedoch sind auf solche Verfahren bereits § 8 (subsidiärer Schutz), § 15 (befristete Aufenthaltsberechtigung), § 22 (Verständigung der Sicherheitsbehörde), § 23 Abs 3, 5 und 6 (Verfahrensrecht), § 36 (Ermittlungsdienst), § 40 (Flüchtlingsberater) und § 40a (Rückkehrhilfe) idF der AsylG-Novelle 2003 anzuwenden (§44 Abs 3 AsylG). Asylanträge, die ab dem gestellt werden, werden nach dem AsylG in der jeweils geltenden Fassung, also unter Berücksichtigung der AsylG-Novelle 2003, geführt.

1.4. Begriffsbestimmungen

§ 1 AsylG enthält eine Reihe von Begriffsbestimmungen; er lautet folgendermaßen:

"§1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. die Genfer Flüchtlingskonvention die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974;

2. Asyl das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;

3. Asylwerber(in) ein Fremder oder eine Fremde ab Einbringung eines Asylantrages oder eines Asylerstreckungsantrages bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung;

4. Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes;

5. Asylberechtigter ein Fremder, der nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Asyl erlangt hat, und dem dieses Recht nicht aberkannt wurde oder der nicht auf sein Recht auf Asyl verzichtet hat (§13a);

6. Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist;

7. unbegleiteter Minderjähriger, wer vor Vollendung des 18. Lebensjahres Asylwerber ist und dessen Interessen nicht von seinem gesetzlichen Vertreter wahrgenommen werden können."

Gemäß Art 1 Abschnitt A Z 2 der in § 1 Z 1 AsylG genannten Genfer Flüchtlingskonvention ist ua. Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

1.5. Antragstellung und Antragseinbringung

§ 3 Abs 2 und 3 AsylG unterscheiden zwischen dem Stellen und Einbringen eines Asylantrages und lauten:

"§3.

...

(2) Ein Asylantrag ist gestellt, wenn Fremde auf welche Weise immer gegenüber einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erkennen geben, in Österreich Schutz vor Verfolgung zu suchen.

(3) Ein Asylantrag ist eingebracht, wenn der Fremde entweder persönlich in einer Erstaufnahmestelle den Antrag stellt oder von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstaufnahmestelle vorgeführt (§18) wird."

Im Einzelnen ergeben sich folgende Möglichkeiten der Antragstellung:

1.5.1. Antragstellung bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes

Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben gemäß § 18 Abs 1 AsylG Fremde, die im Inland einen Asylantrag bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes stellen, der Erstaufnahmestelle zum Zweck der Sicherung der Ausweisung vorzuführen, wenn diese keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel oder keine Bescheinigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung vorweisen können. Fremde, die nicht vorzuführen sind, sind an die Erstaufnahmestelle zu verweisen.

1.5.2. Antragstellung bei einer Erstaufnahmestelle

Der Fremde kann sich selbst zu einer Erstaufnahmestelle begeben und dort seinen Asylantrag stellen.

1.5.3. Antragstellung aus Anlass der Grenzkontrolle

Bei Antragstellung an der Grenze ist der Fremde einer Erstaufnahmestelle vorzuführen. Zu einer solchen Vorführung kommt es aber nicht, wenn der Fremde aus einem sicheren Drittstaat (§4a Abs 2 AsylG) einreist. Diesfalls ist er an der Grenze zurückzuweisen. § 17 AsylG lautet:

"§17. Fremde, die anlässlich der Grenzkontrolle einen Asylantrag stellen, sind nicht der Erstaufnahmestelle vorzuführen, wenn sie, aus einem sicheren Drittstaat (§4a Abs 2) kommend, an der Landgrenze einzureisen beabsichtigen. In diesen Fällen sind sie in diesen sicheren Drittstaat zurückzuweisen und darauf hinzuweisen, dass sie die Möglichkeit haben, im Staat ihres derzeitigen Aufenthaltes Schutz vor Verfolgung zu suchen."

1.5.4. Antragstellung am Flugplatz

Fremde, die "nach Anreise über einen Flugplatz" einen Asylantrag stellen, sind einer Erstaufnahmestelle vorzuführen (§18 Abs 2 AsylG).

1.5.5. Antragstellung bei österreichischen Berufsvertretungsbehörden

Abgesehen von der Antragstellung gegenüber Sicherheitsbehörden oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes können Anträge im Familienverfahren bei österreichischen Berufsvertretungsbehörden gestellt werden. Eine Antragstellung von Asylwerbern (außerhalb des Familienverfahrens) bei einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde sieht das Gesetz hingegen nicht vor. § 16 AsylG lautet:

"§16. (1) Bei einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde, in deren Amtsbereich sich die Antragsteller aufhalten, können Anträge im Familienverfahren gemäß § 10 Abs 1 Z 1 von Familienangehörigen (§1 Z 6) eines Asylberechtigten gestellt werden. Diese Anträge gelten außerdem als Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels. Dasselbe gilt für Anträge gemäß § 10 Abs 4.

(2) Werden solche Anträge gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass die Fremden ein in einer ihnen verständlichen Sprache gehaltenes Antrags- und Befragungsformular ausfüllen; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge so festzulegen, dass dessen Ausfüllen der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Urkunden aktenkundig zu machen. Der Antrag im Familienverfahren ist unverzüglich dem Bundesasylamt zuzuleiten.

(3) Die Vertretungsbehörde hat dem Antragsteller ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen, wenn ihr das Bundesasylamt mitgeteilt hat, dass die Asylgewährung wahrscheinlich ist. Der Antragsteller ist darauf aufmerksam zu machen, dass der Asylantrag erst nach der persönlichen Einbringung in der Erstaufnahmestelle als eingebracht gilt.

(4) Werden Anträge im Familienverfahren (§10) anlässlich der Grenzkontrolle gestellt, sind diese Fremden darauf hinzuweisen, dass sie ihren Asylantrag bei der zuständigen österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Staat ihres Aufenthaltes stellen können."

1.5.6. Die Zurückziehung von Asylanträgen

Die Zurückziehung eines Asylantrages ist unzulässig. § 23 Abs 3 AsylG lautet:

"§23.

...

(3) Die Zurückziehung eines Asylantrages ist unzulässig (§31 Abs 2); die Behörde hat jedenfalls über den Asylantrag abzusprechen, es sei denn, das Verfahren wird eingestellt oder der Antrag wird als gegenstandslos abgelegt (§40a Abs 3). Eine Zurückziehung des Asylantrages im Stadium der Berufung gilt als Zurückziehung der Berufung."

Ein dritter Absatz des § 40a, auf den in § 23 Abs 3 erster Satz AsylG hingewiesen wird, existiert nicht.

"Anträge auf Zurückziehung des Asylantrages" sind nach Belehrung des Asylwerbers über die Rechtsfolgen als gegenstandslos abzulegen (§31 Abs 2 AsylG). § 31 Abs 2 lautet:

"§31.

...

(2) Anträge auf Zurückziehung des Asylantrages sind nach entsprechender Belehrung des Asylwerbers über die Rechtsfolgen als gegenstandslos abzulegen."

1.6. Unzulässige Asylanträge

Das Verfahren beginnt mit dem Zulassungsverfahren in einer der Erstaufnahmestellen, das der inhaltlichen Prüfung des Asylantrages jedenfalls zeitlich vorzuschalten ist. Nach dem AsylG sind Asylanträge in folgenden Fällen unzulässig:


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-
bei Einreise aus sicheren Drittstaaten (§§4 und 4a);
-
bei Unzuständigkeit (§5).


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§4 Abs 1 AsylG bestimmt hiezu:

"§4. (1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der Fremde in einem Staat, mit dem ein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder die Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist, nicht anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat)."

1.6.1. Drittstaatsicherheit

Das Gesetz kennt zwei verschiedene Regelungen zur Drittstaatsicherheit: Einerseits sind Staaten - unter der Voraussetzung des (Nicht-)Vorliegens bestimmter Umstände - als sichere Drittstaaten im Gesetz bezeichnet (derzeit die Schweiz und Liechtenstein), andererseits wird abstrakt die Drittstaatsicherheit umschrieben. Der erste Fall ist in § 4 Abs 2 geregelt, der zweite in § 4a Abs 1 und 2 AsylG. Diese Bestimmungen lauten:

§ 4 Abs 2 lautet:

"§4.

...

(2) Sofern nicht besondere, in der Person des Asylwerbers gelegene, Umstände ausnahmsweise für eine gegenteilige Annahme sprechen, ist Drittstaatsicherheit in Liechtenstein und der Schweiz jedenfalls gegeben."

§ 4a Abs 1 und 2 lauten:

"§4a. (1) Schutz im sicheren Drittstaat besteht darüber hinaus für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs 1 oder 2 FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht oder im Wege über andere Staaten gesichert ist (Asylverfahren), sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat auch im Wege über andere Staaten haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs 1 oder 2 FrG bedroht sind. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

(2) Die Voraussetzungen des Abs 1 sind in einem Staat regelmäßig dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt, sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und das Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus samt Anhang, BGBl. III Nr. 30/1998, ratifiziert hat."

Die in dieser Bestimmung zitierten Abs 1 und 2 des § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, lauten:

"§57. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschafftung der Todesstrafe verletzt würde.

(2) Die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974)."

Weiters normiert § 4a Abs 3 AsylG, unter welchen Voraussetzungen der Aspekt der Drittstaatsicherheit unbeachtlich ist.

§4a Abs 3 lautet:

"§4a.

...

(3) Schutz in einem sicheren Drittstaat ist jedenfalls unbeachtlich, wenn


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1.
die Asylwerber EWR-Bürger sind oder
2.
den Eltern minderjähriger, unverheirateter Asylwerber in Österreich Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde oder
3.
den Ehegatten oder minderjährigen Kindern der Asylwerber in Österreich Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde."

1.6.2. Unzuständigkeit

Bei Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ist zunächst zu prüfen, ob Österreich für die Behandlung des Asylantrags zuständig ist. Maßstab für diese Prüfung ist das Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags, BGBl. III Nr. 165/1997 (im Folgenden kurz: Dubliner Übereinkommen), das derzeit jedoch nur mehr für die Beziehung zu Dänemark gilt, sowie die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50/1 vom ; im Folgenden kurz: Dublin II-VO), die in bezug auf die anderen Mitgliedstaaten der EU sowie für Norwegen und Island maßgebend ist (zu Norwegen und Island vgl. Erwägungsgrund 8 der Verordnung [EG] Nr. 1560/2003 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist; ABl. L 222 vom ). § 5 AsylG bestimmt hiezu Folgendes:

"§5. (1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

(2) Gemäß Abs 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist."

1.6.3. Behandlung unzulässiger Asylanträge

Unzulässige Asylanträge sind zurückzuweisen. Diese Zurückweisung ist nach § 5a Abs 1 erster Satz AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Eine solche Ausweisung gilt nach § 5a Abs 4 stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den jeweiligen Staat. Wird ein Antrag wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen, so bestimmt § 5 Abs 1 zweiter Satz, dass die Asylbehörde festzustellen hat, welcher Staat zuständig ist. § 5a lautet:

"§5a. (1) Die Zurückweisung des Antrages gemäß der §§4, 4a oder 5 ist mit einer Ausweisung zu verbinden. Diese Ausweisung wird mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar.

(2) Können Fremde, deren Asylantrag gemäß der §§4 oder 4a als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen, die nicht im Verhalten des Fremden begründet sind, binnen zweier Monate nach Erlassung des Bescheides nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt dieser außer Kraft. Das Asylverfahren dieser Fremden ist zulässig; ihnen ist eine Aufenthaltsberechtigungskarte (§24a) auszustellen und sie können einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden (§37b).

(3) Können Fremde, deren Asylantrag gemäß § 5 als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen nach Erlassung des Bescheides gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt dieser außer Kraft. Bis zur Entscheidung, ob ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Norwegen oder Island zur Behandlung des Asylantrages zuständig ist, können diese Fremden einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden (§37b).

(4) Eine Ausweisung gemäß Abs 1 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat."

1.7. Asylbehörden

Asylbehörde erster Instanz ist das Bundesasylamt, das in Unterordnung unter den Bundesminister für Inneres errichtet ist (§37 Abs 1 AsylG). Die Erstaufnahmestellen sind Teil des Bundesasylamtes (§37a AsylG).

Asylbehörde zweiter Instanz ist der unabhängige Bundesasylsenat (UBAS), der über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes entscheidet (§38 AsylG).

1.8. Das Zulassungsverfahren

Wie bereits erwähnt, ist der Behandlung von Asylanträgen ein Verfahren vorgeschaltet, das in der Erstaufnahmestelle geführt wird und in dem über die Zulässigkeit von Anträgen entschieden wird (sog. Zulassungsverfahren).

Zunächst muss der Asylwerber längstens innerhalb von 72 Stunden ab Antragstellung einvernommen werden. Nach dieser sog. Ersteinvernahme ist dem Asylwerber mitzuteilen, ob das Verfahren zulässig ist oder ob beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurück- bzw. abzuweisen. Ist das Verfahren zulässig, so wird dem Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigung ausgehändigt und er kann einer Betreuungseinrichtung (iSd § 37b AsylG) zugewiesen werden. Beabsichtigt die Behörde jedoch die Zurück- oder Abweisung des Antrages, so ist dem Asylwerber eine Aktenabschrift auszuhändigen, und er hat die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von mindestens 24 Stunden unter Beiziehung eines Rechtsberaters Stellung zu nehmen.

Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen 20 Tagen nach Einbringung des Antrages, so ist der Antrag zulässig. Diese Frist gilt nicht im Falle von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO. Entzieht sich ein Asylwerber dem Verfahren, so wird dieses eingestellt und der Antrag als gegenstandslos abgelegt.

Das Zulassungsverfahren ist in § 24a AsylG geregelt. Diese Bestimmung lautet:

"§24a. (1) Das Bundesasylamt führt in der Erstaufnahmestelle jedenfalls das Zulassungsverfahren, das der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages dient. Diese Prüfung ist der inhaltlichen Prüfung des Asylantrages jedenfalls zeitlich vorzuschalten.

(2) Nach Einbringung des Antrags hat binnen 48 - längstens jedoch nach 72 - Stunden in der Erstaufnahmestelle eine Einvernahme (Ersteinvernahme) des Asylwerbers zu seiner Reiseroute und zum sonstigen maßgeblichen, entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu erfolgen. Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage hemmen die Frist gemäß Satz 1. Der Asylwerber ist vor Beginn der Einvernahme darauf hinzuweisen, dass seinen Aussagen in der Erstaufnahmestelle eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt.

(3) Nach Abschluss der Ersteinvernahme ist dem Asylwerber mitzuteilen, dass


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1.
das Verfahren zulässig ist;
2.
beabsichtigt ist, seinen Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen oder
3.
beabsichtigt ist, seinen Asylantrag abzuweisen.

(4) Nach Mitteilung gemäß Abs 3 Z 1 endet der faktische Abschiebeschutz, dem Asylwerber wird die Aufenthaltsberechtigungskarte ausgehändigt und er kann einer Betreuungseinrichtung (§37b) zugewiesen werden.

(5) Beabsichtigt das Bundesasylamt gemäß Abs 3 Z 2 oder 3 vorzugehen, ist dem Asylwerber eine Aktenabschrift auszuhändigen. Es wird ihm eine, 24 Stunden nicht unterschreitende, Frist zur Stellungnahme eingeräumt und er wird unter einem zur neuerlichen Einvernahme nach Verstreichen dieser Frist geladen. In der auf die Ersteinvernahme folgenden Frist hat eine Rechtsberatung (§39a) in der Erstaufnahmestelle zu erfolgen; dem Rechtsberater sind unverzüglich die relevanten Aktenbestandteile zugänglich zu machen (§36).

(6) Wird das Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle am Flugplatz geführt, gilt Abs 5 mit der Maßgabe, dass eine Einvernahme im Beisein des Rechtsberaters (§39a Abs 4) zu führen ist, dem zu diesem Zeitpunkt die relevanten Aktenbestandteile zugänglich sein müssen (§36). Verfahren gemäß § 7 sind keinesfalls in der Erstaufnahmestelle am Flugplatz zu führen.

(7) Bei der neuerlichen Einvernahme hat der Rechtsberater anwesend zu sein. Zu Beginn der neuerlichen Einvernahme ist dem Asylwerber das bisherige Beweisergebnis vorzuhalten. Der Asylwerber hat die Möglichkeit, weitere Tatsachen und Beweismittel anzuführen oder vorzulegen. Mit der zurückweisenden oder abweisenden Entscheidung endet der faktische Abschiebeschutz.

(8) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrages, dass der Asylantrag als unzulässig gemäß der §§4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, ist der Antrag zugelassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom geführt; Abs 4 gilt. Die Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 oder eine Entscheidung gemäß der §§7 oder 10 ersetzt die Entscheidung im Zulassungsverfahren. Satz 1 gilt nicht, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzieht und das Verfahren eingestellt oder als gegenstandslos abgelegt wird.

(9) Die Erstaufnahmestelle, in der sich der Asylwerber befindet und die Unterkunft, in der der Asylwerber versorgt wird, sind auch Abgabestelle für eine persönliche Zustellung nach dem Zustellgesetz (BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung). Ladungen im Zulassungsverfahren sind nur dem Asylwerber persönlich oder seinem Rechtsberater in der Erstaufnahmestelle zuzustellen."

Für Folteropfer und Traumatisierte gelten besondere Bestimmungen. § 24b Abs 1 AsylG lautet:

"§24b. (1) Ergeben sich in der Ersteinvernahme oder einer weiteren Einvernahme im Zulassungsverfahren (§24a) medizinisch belegbare Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber Opfer von Folter oder durch die Geschehnisse in Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert sein könnte, ist das Verfahren zuzulassen und der Asylwerber kann einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden. In dieser und im weiteren Verlauf des Asylverfahrens ist auf die besonderen Bedürfnisse des Asylwerbers Bedacht zu nehmen."

1.9. Die Abweisung von Asylanträgen

Ist ein Asylantrag zulässig, so hat das Bundesasylamt inhaltlich über den Asylantrag zu entscheiden. Asyl ist zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt (§7 AsylG). Fehlen diese Voraussetzungen, ist der Antrag abzuweisen.

Für zulässige, aber offensichtlich unbegründete Asylanträge enthält das Gesetz besondere Regelungen:

1.9.1. Offensichtlich unbegründete Asylanträge

Das AsylG regelt in § 6, was unter "offensichtlich unbegründeten Asylanträgen" zu verstehen ist, und ordnet deren Abweisung in jedem Stadium des Verfahrens an. Unter gewissen Voraussetzungen sind Asylanträge ua. offensichtlich unbegründet, wenn ein Asylwerber Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist (ihm gleichgestellt sind Staatenlose mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem sicheren Herkunftsstaat). In § 6 Abs 2 sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und sieben weitere Staaten als sichere Herkunftsstaaten bezeichnet. § 6 AsylG lautet folgendermaßen:

"§6. (1) Asylanträge gemäß § 3 sind in jedem Stadium des Verfahrens als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn ohne begründeten Hinweis auf eine Flüchtlingseigenschaft oder das Vorliegen subsidiärer Schutzgründe gemäß § 8


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1.
der Asylwerber Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist oder als Staatenloser in einem solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
2.
der Asylwerber die Asylbehörde über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen getäuscht hat;
3.
der Asylwerber keine Asylgründe oder subsidiären Schutzgründe geltend gemacht hat;
4.
das Vorbringen des über einen Flugplatz angereisten Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht.

(2) Sichere Herkunftsstaaten gemäß Abs 1 Z 1 sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Australien, Island, Kanada, Liechtenstein, Neuseeland, Norwegen und die Schweiz.

(3) Die Abweisung des Antrages gemäß Abs 1 ist mit einer Ausweisung zu verbinden."

Nach dem Protokoll 29 zum Vertrag von Amsterdam über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. C 340 vom ) gelten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union "füreinander für alle rechtlichen und praktischen Zwecke im Zusammenhang mit Asylangelegenheiten" als sichere Herkunftsländer. Diese Bestimmung bezieht sich allerdings nur auf Unionsbürger und nicht auf Staatenlose mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Europäischen Union.

Der einzige Artikel des Protokoll 29 lautet:

"In Anbetracht des Niveaus des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die Mitgliedstaaten füreinander für alle rechtlichen und praktischen Zwecke im Zusammenhang mit Asylangelegenheiten als sichere Herkunftsländer. Dementsprechend darf ein Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats von einem anderen Mitgliedstaat nur berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen werden,

a) wenn der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam

Artikel 15 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anwendet und Maßnahmen ergreift, die in seinem Hoheitsgebiet die in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen außer Kraft setzen,

b) wenn das Verfahren des Artikels F.1 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union eingeleitet worden ist und bis der Rat diesbezüglich einen Beschluss gefaßt hat,

c) wenn der Rat nach Artikel F.1 [nunmehr: Art 7; Anmerkung] Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung von in Artikel F [nunmehr: Art 6; Anmerkung] Absatz 1 genannten Grundsätzen durch den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, festgestellt hat;

d) wenn ein Mitgliedstaat in Bezug auf den Antrag eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats einseitig einen solchen Beschluss faßt; in diesem Fall wird der Rat umgehend unterrichtet; bei der Prüfung des Antrags wird von der Vermutung ausgegangen, daß der Antrag offensichtlich unbegründet ist, ohne daß die Entscheidungsbefugnis des Mitgliedstaats in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird."

1.9.2. Die Behandlung unbegründeter Asylanträge

Im Falle der Abweisung des Asylantrages hat die Behörde gemäß § 8 Abs 1 AsylG von Amts wegen auch bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Erfolgt keine (für den Asylwerber) positive Refoulement-Entscheidung (zum Begriff des Refoulementverbotes vgl. § 57 Abs 2 FrG und Art 33 Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention), ist dieser Bescheid gemäß Abs 2 mit der Ausweisung zu verbinden. Nach dem dritten Absatz dieser Bestimmung ist Fremden, deren Asylantrag abgewiesen wurde, eine befristete Aufenthaltsberechtigung von jener Behörde zu erteilen, die erstmals festgestellt hatte, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist. Ausgenommen sind jedoch Fälle, bei denen die Abweisung aus Gründen erfolgte, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention Asylausschlussgründe sind, oder wenn Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellen oder wegen eines besonders schweren Verbrechens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten (§13 AsylG).

§ 8 AsylG lautet:

"§8. (1) Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

(2) Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß Abs 1 ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden.

(3) Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§13) abgewiesen wurde, ist von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.

(4) Bei Wegfallen aller Umstände, die einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden nach Abs 1 entgegenstehen, kann das Bundesasylamt von Amts wegen bescheidmäßig feststellen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden zulässig ist."

§ 13 AsylG lautet:

"§13. (1) Asyl ist ausgeschlossen, wenn einer der in Art 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt.

(2) Asyl ist weiters ausgeschlossen, wenn Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine solche durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht."

1.10. Besonderheiten des Berufungsverfahrens

Für das Berufungsverfahren sieht das AsylG einige vom AVG abweichende Bestimmungen vor, und zwar (ua.) betreffend ein beschränktes Neuerungsverbot, sowie den generellen oder relativen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Berufungen.

1.10.1. Beschränktes Neuerungsverbot

In Berufungen dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur unter gewissen Umständen vorgebracht werden. § 32 Abs 1 lautet:

"§32. (1) In Berufungen gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen nur neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden,


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1.
wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung erster Instanz entscheidungsrelevant geändert hat;
2.
wenn das Verfahren erster Instanz mangelhaft war;
3.
wenn diese dem Asylwerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz nicht zugänglich waren (nova reperta) oder
4.
wenn der Asylwerber auf Grund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung nicht in der Lage war, diese vorzubringen."

1.10.2. Der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei Unzuständigkeit nach § 5 AsylG und bei Zurückweisung wegen entschiedener Sache

§ 32 AsylG schließt in Abs 2 die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine Zurückweisung des Asylantrages wegen vertraglicher Unzuständigkeit oder Unzuständigkeit auf Grund der Dublin II-VO (§5 AsylG) im Zulassungsverfahren aus.

§ 32 Abs 2 lautet:

"§32.

...

(2) Berufungen gegen Entscheidungen gemäß § 5 im Zulassungsverfahren kommt eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Diese Entscheidungen sind mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen."

Diese Bestimmung stützt sich im Wesentlichen inhaltlich auf Art 19 Abs 2 letzter Satz der Dublin II-VO, welcher lautet:

"Ein gegen die Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist."

Ferner kommt einer Berufung gegen Entscheidungen, mit denen ein Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, generell keine aufschiebende Wirkung zu, wenn über einen vorherigen Antrag des Asylwerbers innerhalb von 12 Monaten bereits rechtskräftig entschieden worden war.

§ 32 Abs 8 lautet:

"(8) Berufungen gegen Entscheidungen, mit denen ein Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, kommt keinesfalls aufschiebende Wirkung zu, wenn über einen vorherigen Asylantrag des Asylwerbers in den der weiteren Antragstellung vorausgehenden zwölf Monaten bereits rechtskräftig entschieden wurde."

1.10.3. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei Zurückweisung wegen Drittstaatsicherheit oder Abweisung wegen offensichtlicher Unbegründetheit

Einer Berufung gegen eine Zurückweisung nach §§4 bzw. 4a wegen Drittstaatsicherheit oder gegen eine Abweisung nach § 6 wegen offensichtlicher Unbegründetheit kommt zwar nach § 32 Abs 3 an sich ebenfalls keine aufschiebende Wirkung zu; in diesen Fällen ist die Entscheidung des Bundesasylamtes gemäß § 32 Abs 4 sieben Tage nach Berufungsvorlage an den unabhängigen Bundesasylsenat durchsetzbar. Der unabhängige Bundesasylsenat kann jedoch innerhalb dieser Frist der Berufung aufschiebende Wirkung zuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und die Berufung nicht aussichtslos erscheint.

§ 32 Abs 3, 4 und 4a lauten:

"§32.

...

(3) Berufungen gegen Entscheidungen gemäß der §§4, 4a und 6 kommt eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Diese Entscheidungen sind nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nach Maßgabe des Abs 4 durchsetzbar. Der unabhängige Bundesasylsenat kann der Berufung binnen sieben Tagen ab Einlangen der Berufungsvorlage aufschiebende Wirkung zuerkennen; Abs 7 gilt sinngemäß.

(4) Wird gegen Entscheidungen gemäß der §§4, 4a und 6 Berufung erhoben, ist die Entscheidung sieben Tage nach Berufungsvorlage an den unabhängigen Bundesasylsenat durchsetzbar. Der unabhängige Bundesasylsenat hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der Berufungsvorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

(4a) Der unabhängige Bundesasylsenat kann der Berufung gegen Entscheidungen gemäß der §§4, 4a und 6 mit Bescheid aufschiebende Wirkung zuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und die Berufung nicht aussichtslos erscheint."

1.11. Durchsuchung von Kleidern und Behältnissen

§ 18 Abs 3 und § 24 Abs 4 AsylG ermächtigen zur Durchsuchung der Kleider und mitgeführter Behältnisse Fremder.

§ 18 Abs 3 betrifft die Durchsuchung Fremder durch jene Organe, die die Fremden der Erstaufnahmestelle vorzuführen haben. Im Wesentlichen sind dies die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Die anschließende Sicherstellung ist in § 18 Abs 4 geregelt. § 18 Abs 3 und 4 lauten:

"§18.

...

(3) Die Kleidung und mitgeführten Behältnisse Fremder, die gemäß der Abs 1 oder 2 der Erstaufnahmestelle vorzuführen sind, sind zu durchsuchen (§24 Abs 4), soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Fremden Gegenstände und Dokumente, die Aufschluss über die Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe geben können, mit sich führen und diese auch nicht auf Aufforderung vorlegen. Diese Fremden sind erkennungsdienstlich zu behandeln.

(4) Bei einer Durchsuchung nach Abs 3 sind alle Gegenstände und Dokumente, die Aufschluss über die Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe des Fremden geben können, sicherzustellen. Diese sind der Erstaufnahmestelle gleichzeitig mit der Vorführung des Fremden zu übergeben."

§ 24 Abs 4 regelt hingegen die Durchsuchung und Sicherstellung in der Erstaufnahmestelle, die entweder durch Organe der öffentlichen Sicherheit oder besonders hiezu ermächtigte Organe des Bundesasylamtes vorzunehmen ist. Diese Maßnahmen können unterbleiben, wenn sie bereits im Zuge der Vorführung gemäß § 18 Abs 3 gesetzt worden sind (§24 Abs 5). § 24 Abs 4 und 5 lauten:

"§24.

...

(4) Anlässlich der Einbringung eines Asylantrages in der Erstaufnahmestelle sind die Kleidung und mitgeführten Behältnisse Fremder unter den Voraussetzungen des § 18 Abs 3 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder besonders hiezu ermächtigte Organe des Bundesasylamtes desselben Geschlechts unverzüglich zu durchsuchen. Gegenstände und Dokumente, die Aufschluss über die Identität, die Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe des Fremden geben können, sind sicherzustellen und dem Bundesasylamt vorzulegen. Dem Asylwerber ist eine ärztliche Untersuchung in der Erstaufnahmestelle zu ermöglichen.

(5) Sind diese Maßnahmen und die Maßnahmen gemäß § 35 bereits im Zuge der Vorführung (§18 Abs 3) gesetzt worden, können sie nunmehr unterbleiben."

Mit diesen Bestimmungen korrespondiert § 34a in seinen Abs 2 bis 4, die folgendermaßen lauten:

"§34a.

...

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, die Kleidung und mitgeführte Behältnisse Fremder, die einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt haben, zu durchsuchen.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Gegenstände und Dokumente sicherzustellen, die Aufschluss über die Identität, Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe des Fremden geben können.

(4) Die Befugnisse der Abs 2 und 3 stehen auch besonders geschulten und hiezu ermächtigten Organen des Bundesasylamtes zu. Für diese Organe gilt die Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden, BGBl. Nr. 266/1993, sinngemäß."

1.12. Schubhaft

In § 34b AsylG wird ferner geregelt, wann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde die Schubhaft anordnen kann. Diese Bestimmung lautet folgendermaßen:

"§34b. (1) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung mit Bescheid anordnen, wenn


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1.
der Asylwerber sich im Zulassungsverfahren ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat;
2.
gegen den Asylwerber eine - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung gemäß der §§5a und 6 erlassen wurde, oder
3.
der Fremde nach einer rechtskräftigen Zurückweisungsentscheidung im Zulassungsverfahren oder nach rechtskräftig negativer Entscheidung einen neuerlichen Asylantrag (Folgeantrag) stellt oder einbringt.

(2) Auf Asylwerber, über die Schubhaft verhängt worden ist, findet das Fremdengesetz insgesamt Anwendung."

Unter welchen Voraussetzungen die Entfernung von der Erstaufnahmestelle ungerechtfertigt ist, regelt § 30 Abs 1, welcher lautet:

"§30.

...

(1) Asylverfahren, über deren Zulässigkeit noch nicht abgesprochen wurde (§24a) sind einzustellen, wenn eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes noch nicht erfolgen kann und sich der Asylwerber aus der Erstaufnahmestelle ungerechtfertigt entfernt hat. Ungerechtfertigt ist das Entfernen aus der Erstaufnahmestelle dann, wenn der Asylwerber trotz Aufforderung zu den ihm von Bundesasylamt gesetzten Terminen nicht kommt und er nicht in der Erstaufnahmestelle angetroffen werden kann. Ein Krankenhausaufenthalt ist jedenfalls kein ungerechtfertigtes Entfernen aus der Erstaufnahmestelle."

§ 26 AsylG bestimmt ferner, dass der Bundesminister für Inneres ein Merkblatt über die den Asylwerbern obliegenden Pflichten aufzulegen hat und dieses dem Asylwerber in einer ihm verständlichen Sprache bei Antragseinbringung in der Erstaufnahmestelle zu übergeben ist. In diesem Merkblatt ist insb. auf die Rechtsfolgen der §§30, 31 und 34b AsylG hinzuweisen.

1.13. Subsidiäre Anwendung des AVG

Auf das Verfahren findet das AVG Anwendung, soweit das Asylgesetz nichts anderes bestimmt (§23 Abs 1 AsylG).

Bereits vor der AsylG-Novelle 2003 sah das AsylG ergänzend zu den Ermittlungspflichten des AVG Folgendes vor:

"§28. Die Behörde hat in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen."

1.14. Bundesbetreuung

1.14.1. Rechtsanspruch auf Bundesbetreuung

Gemäß § 1 Abs 1 BBetrG übernimmt der Bund die Betreuung hilfsbedürftiger Fremder, die einen Asylantrag nach § 3 AsylG eingebracht haben. Diese Betreuung gewährleistet die Gewährung der materiellen Aufnahmebedingungen; diese haben auf die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylwerber Bedacht zu nehmen. Die Bundesbetreuung umfasst die Unterbringung, die Verpflegung, Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. § 1 Abs 1 und 3 des BBetrG lauten:

"§1. (1) Der Bund übernimmt die Betreuung hilfsbedürftiger Fremder, die einen Asylantrag nach § 3 des Asylgesetzes, BGBl. I Nr. 76/1997 in der geltenden Fassung eingebracht haben (Asylwerber). Diese Betreuung gewährleistet die Gewährung der materiellen Aufnahmebedingungen; diese haben auf die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylwerber Bedacht zu nehmen. Die Bundesbetreuung umfasst Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. Die einzelnen Leistungen können unter Berücksichtigung des Grades der Hilfsbedürftigkeit auch teilweise gewährt werden.

...

(3) Auf die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung besteht dann kein vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbarer Rechtsanspruch, wenn die Kriterien für die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung nicht erfüllt sind (Art17 B-VG)."

Dies bedeutet ua., dass Asylwerber nur dann Anspruch auf Bundesbetreuung haben, wenn sie hilfsbedürftig sind. Nach § 2 Abs 1 BBetrG sind Zuwendungen dritter Seite, etwa von karitativen Organisationen, bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit mit zu berücksichtigen. § 2 Abs 1 BBetrG lautet:

"§2. (1) Hilfsbedürftig ist, wer den Lebensbedarf einschließlich der Unterbringung für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann. Leistungen, auf die ein sonstiger gesetzlicher Anspruch besteht oder sonstige Zuwendungen, die von dritter Seite, etwa von karitativen Organisationen oder anderen Gebietskörperschaften, erbracht werden, sind bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit mit zu berücksichtigen."

Trotz bestehender Hilfsbedürftigkeit können gemäß § 2 Abs 2 Z 6 BBetrG idF BGBl. I Nr. 32/2004 in die Bundesbetreuung (ua.) nicht aufgenommen werden:

"6. Asylwerber, die in der Unterkunft ein für die anderen Mitbewohner unzumutbares Verhalten an den Tag legen".

1.14.2. Zeitlicher Anwendungsbereich

Zum zeitlichen Anwendungsbereich der Änderungen durch das BGBl. I Nr. 101/2003 bestimmt § 13a BBetrG:

"§13a. Mit Ausnahme von Verfahren, die am gegen die Republik Österreich gerichtsanhängig sind, bestimmt sich der zeitliche Anwendungsbereich der Änderungen von § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 2 Abs 1 und Abs 2 und § 2a des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, nach den Regelungen des § 8 ABGB."

Die in dieser Bestimmung genannten Abs 1 und 3 des § 1 sowie § 2 Abs 1 BBetrG (Definition der Hilfsbedürftigkeit) sind bereits oben wiedergegeben. Abs 2 des § 2 BBetrG betrifft jene Fälle, in denen Asylwerber trotz Hilfsbedürftigkeit nicht in die Bundesbetreuung aufgenommen werden. § 2a BBetrG betrifft den Ausschluss und die Einschränkung der Bundesbetreuung. Diese Bestimmung lautet:

"§2a. (1) Gemäß § 1 Abs 1 in Bundesbetreuung aufgenommene Asylwerber können von der weiteren Betreuung ausgeschlossen werden, wenn


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1.
sie an der Feststellung des für die Asylverfahrensführung notwendigen Sachverhaltes nicht mitwirken;
2.
sie einen Sachverhalt verwirklichen, der die Einstellung des Asylverfahrens rechtfertigt (§30 AsylG);
3.
sie einen Sachverhalt verwirklichen, der einen Asylausschlussgrund darstellt (§13 AsylG);
4.
sie aus der Betreuungseinrichtung weggewiesen werden (§38a SPG);
5.
nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Nichtaufnahme in die Bundesbetreuung rechtfertigen würden (§2 Abs 2).

(2) Gefährdet der Ausschluss von der Aufnahme oder der weiteren Betreuung den Zugang zur medizinischen Notversorgung des Asylwerbers, ist dieser unzulässig.

(3) Wäre der Ausschluss von der weiteren Betreuung unverhältnismäßig, kann die Betreuung bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 auch eingeschränkt werden (zB Entzug des Taschengeldes)."

Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2004 wurde folgender § 16 Abs 11 angefügt:

"§16.

...

(11) Die Anwendung des § 13a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003 auf Sachverhalte, die vor dem eingetreten sind, bleibt unberührt."

2. Gemeinschaftsrechtliches und völkerrechtliches Umfeld

Die oben behandelte einfachgesetzliche Rechtslage steht in folgendem gemeinschaftsrechtlichen und völkerrechtlichen Kontext:

2.1. Gemeinschaftsrecht

2.1.1. Der Vertrag von Amsterdam sieht vor, dass wesentliche Regelungskomplexe des Asylrechtes, die bisher nur Gegenstand der Zusammenarbeit von Regierungen und gewisser Harmonisierungsbestrebungen in den Bereichen Inneres und Justiz gebildet hatten, in den Kompetenzbereich der Europäischen Gemeinschaft fallen, und zwar als flankierende Maßnahmen zum freien Personenverkehr. Unter dem Titel IV finden sich Bestimmungen über Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr (Art61 bis 69 EG).

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sind im Oktober 1999 beim Europäischen Rat im finnischen Tampere |bereingekommen, auf ein gemeinsames Europäisches Asylsystem hinzuwirken, das sich auf die uneingeschränkte und allumfassende Anwendung der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, stützt, wodurch sichergestellt wird, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, dh. der Grundsatz der Nichtzurückweisung gewahrt bleibt.

In einer ersten Phase sollte dieses System Folgendes enthalten: eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staates, gemeinsame Standards für ein gerechtes und wirksames Asylverfahren, gemeinsame Mindestbedingungen für die Aufnahme von Asylwerbern und die Annäherung der Bestimmungen über die Zuerkennung und die Merkmale der Flüchtlingseigenschaft. Hinzukommen sollten ferner Vorschriften über die Formen des subsidiären Schutzes, die einer Person, die eines solchen Schutzes bedarf, einen angemessenen Status verleihen. In einer zweiten Phase sollten die Regeln der Gemeinschaft zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für diejenigen, denen Asyl gewährt wird, führen.

Die Umsetzung der ersten Phase sollte gemäß Art 63 EG innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam (also bis spätestens ) stattfinden.

Zur Umsetzung des Art 63 EG hat der Rat bisher folgende Verordnungen und Richtlinien im Bereich der gemeinsamen Asylpolitik beschlossen:

2.1.2. Die bereits erwähnte Dublin II-VO ist am in Kraft getreten (soweit einzelne Bestimmungen dieser Verordnung für das Verfahren von Bedeutung sind, werden sie an der entsprechenden Stelle wiedergegeben).

2.1.3. Richtlinie 2003/9 EG des Rates vom zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31/18 vom ), sog. Aufnahme-RL:

Die Aufnahme-RL beschäftigt sich insb. mit der Information, Dokumentation, Freizügigkeit, Gesundheitsversorgung, Unterkunft, dem Schulbesuch von Minderjährigen sowie dem Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Berufsausbildung. Darüber hinaus sind Sonderregelungen für Personen mit besonderen Bedürfnissen, wie Minderjährige, unbegleitete Kinder und Folteropfer, vorgesehen. Die Richtlinie ist bis zum umzusetzen.

2.1.4. Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304/12 vom ), sog. Status-RL:

Am kam es beim Treffen der Innenminister in Luxemburg zur Annahme der Status-RL. Die Status-RL behandelt die Fragestellung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Status subsidiär Schutzberechtigter. Das wesentliche Ziel der Richtlinie ist es, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen. Die Richtlinie ist bis zum umzusetzen.

2.1.5. Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. L 212 vom ), sog. Massenzustroms-RL. Diese Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis umzusetzen, enthält aber keine für dieses Verfahren relevanten Bestimmungen.

2.1.6. Europäischer Flüchtlingsfonds:

Der Europäische Flüchtlingsfonds wurde errichtet, um das Tragen der Belastungen zu unterstützen, die für die Mitgliedstaaten mit der Aufnahme von Flüchtlingen und vertriebenen Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind.

2.1.7. Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, sog. Verfahrens-RL:

Am kam es beim Treffen der Innenminister in Luxemburg zu einer politischen Einigung hinsichtlich der Verfahrens-RL.

2.1.8. Ferner beschäftigen sich das Protokoll 29 zum Vertrag von Amsterdam über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. C 340 vom ) sowie die Erklärung 48 des Amsterdamer Vertrags zu diesem Protokoll mit der Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

2.2. Die antragstellenden Landesregierungen weisen mehrfach auf Gemeinschaftsrecht hin. Die Bundesregierung bringt zunächst ohne konkrete Bezugnahme auf die Anträge ganz allgemein vor, dass die Arbeiten an der AsylG-Novelle maßgeblich auch vom Anliegen geprägt waren, möglichst vielen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben bzw. bereits absehbaren Entwicklungen Rechnung zu tragen. Abgesehen von der Aufnahme-RL sei eine Orientierung der legistischen Tätigkeit auch an den Vorarbeiten zur Status-RL und Verfahrens-RL erfolgt. Hinsichtlich der Verfahrens-RL - bezüglich welcher am erst eine sog. "gemeinsame Ausrichtung" beschlossen worden sei und die erst nach Befassung der Parlamente Deutschlands, der Niederlande, Schwedens und des Vereinigten Königreichs einer neuerlichen Anhörung durch das Europäische Parlament zu unterziehen sein werde - habe der Gesetzgeber der AsylG-Novelle 2003 beabsichtigt, die Ziele und den beabsichtigten Regelungsgehalt der Richtlinie bereits in den innerstaatlichen Gesetzgebungsprozess einfließen zu lassen; dies auch vor dem Hintergrund, einen allenfalls bei Inkrafttreten der Richtlinie erforderlich werdenden Novellierungsbedarf des innerstaatlichen Rechts hintanzuhalten. In einem weiteren Schriftsatz erläutert die Bundesregierung im Hinblick auf die im gegenständlichen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bestimmungen des AsylG, inwieweit bei deren Formulierung eine Berücksichtigung der künftigen Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene mitbedacht worden sei.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass eine allfällige Gemeinschaftswidrigkeit einer innerstaatlichen Vorschrift ihn im Allgemeinen nicht daran hindert, diese nach Art 139 bzw. 140 B-VG zu prüfen (vgl. VfSlg. 15.106/1998; 15.215/1998 ua.; Grundsatz der doppelten Bindung). Insoweit Gemeinschaftsrecht für dieses Verfahren von Bedeutung ist, wird dies im Teil III. behandelt.

2.3. Die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll vom betreffend die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde gemäß Art 50 Abs 1 B-VG im Rang von einfachgesetzlichem Bundesrecht in die österreichische Rechtsordnung transformiert und bietet als solche daher Flüchtlingen keinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz. Wenn es sich auch bei der Genfer Flüchtlingskonvention um unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht handelt, das "self executing" ist, so bildet sie keine dem AsylG gegenüber höherrangige Norm, an der das AsylG zu messen wäre (vgl. VfSlg. 4233/1962, ; , 96/01/0797).

Allerdings nimmt das AsylG mehrmals auf die Genfer Flüchtlingskonvention Bezug (zB § 3 Abs 1) und regelt das Verhältnis zu ihr ausdrücklich in § 43 dahingehend, dass die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention unberührt bleiben. Deshalb - und nicht zuletzt auf Grund ihrer Natur als die Republik Österreich bindender völkerrechtlicher Vertrag - ist die Genfer Flüchtlingskonvention zur völkerrechtskonformen Interpretation asylgesetzlicher Regelungen, insb. auch im Hinblick auf deren Sachlichkeit (vgl. zur Sachlichkeit von Bestimmungen, die völkerrechtliche Verträge umsetzen, etwa VfSlg. 12.326/1990 iZm der Doppelbesteuerung), heranzuziehen, wenn sie auch keinen verfassungsrechtlichen Maßstab für die Gesetzesprüfung bildet (zu § 43 AsylG vgl. ).

III. Die Anträge zu den einzelnen Bestimmungen

Der Verfassungsgerichtshof ist bei Gesetzesprüfungsanträgen von Landesregierungen oder eines unabhängigen Verwaltungssenates - sowohl hinsichtlich der beantragten Gesetzesaufhebungen, als auch hinsichtlich der geltend gemachten Bedenken - an die Anträge gebunden. Er hat sich daher auf die Erörterung Anträge und der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken (VfSlg. 14.802/1996 mwH).

1. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs 2 AsylG (Drittstaatsicherheit der Schweiz und von Liechtenstein) sowie des § 17 AsylG (Zurückweisung an der Grenze)

1.1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung

Die oberösterreichische Landesregierung ficht § 4 Abs 2 AsylG in seiner Gesamtheit an und begründet den gewählten Anfechtungsumfang mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Vorliegen einer untrennbaren Einheit von in Prüfung zu ziehenden Vorschriften. Es bestehe ferner keine Möglichkeit, die in § 4 Abs 2 aufzuzeigende Verfassungswidrigkeit durch die Anfechtung bzw. Aufhebung einer bloßen Wortfolge dieser Bestimmung beheben zu können.

Zur Darlegung der Bedenken verweist die oberösterreichische Landesregierung auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (im Folgenden kurz: EGMR), wonach die Ausweisung eines Fremden Art 3 EMRK verletze, wenn es begründete Anhaltspunkte dafür gebe, dass dieser im Land, in dem er aufgenommen wird, einer Behandlung unterzogen wird, die Art 3 EMRK verletzt. In engem Zusammenhang mit Art 3 EMRK stehe das "Refoulement-Verbot", das die Ausweisung und Zurückweisung von Flüchtlingen in ein Gebiet verbiete, in welchem ihr Leben oder ihre Freiheit aus bestimmten Gründen bedroht wäre.

Aus der Rechtsprechung des EGMR ergebe sich nach Meinung der oberösterreichischen Landesregierung in eindeutiger Weise, dass eine Liste sicherer Drittstaaten den Vorgaben des "Refoulement-Verbotes" und somit den durch Art 3 EMRK gewährten Rechten nicht entspräche: Der EGMR betone etwa auch in seiner Entscheidung vom , 3844/98 - T.I. gegen Vereinigtes Königreich, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art 3 EMRK die Abschiebung von Personen nicht nur in Staaten, wo ihnen Misshandlung drohe, sondern auch in Staaten verbiete, die nicht die notwendigen Garantien bieten, Personen vor Weiterschiebung zu schützen. § 4 Abs 2 AsylG enthalte diesbezüglich jedoch keinerlei objektiviertes Verfahren und keine Gewähr, dass die Vorgaben des Art 3 EMRK in den im Abs 2 angeführten Staaten erfüllt werden. Weiters meint die oberösterreichische Landesregierung:

"Die Erstellung der Liste der sicheren Drittstaaten ist dabei in keiner Weise transparent nachvollziehbar, in den Erläuterungen finden sich diesbezüglich keinerlei Anhaltspunkte, wie bzw. auf Grund welcher Kriterien diese Liste erstellt wurde. Die Normierung, dass Drittstaatsicherheit dann nicht 'jedenfalls' gegeben ist, wenn 'besondere, in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände ausnahmsweise für eine gegenteilige Annahme sprechen', reicht zur Erfüllung der Kriterien des Art 3 EMRK nicht aus, weil dies eine Prüfung in allen Fällen ausschließt, in denen sich die mangelnde Sicherheit eines Asylwerbers in einem Drittstaat aus anderen Gründen ergeben könnte. Dies wäre jedoch beispielsweise dann der Fall, wenn sich die diesbezüglichen Voraussetzungen in den als sichere Drittstaaten angeführten Ländern ändern (z.B. eine Weiterschiebung in den Herkunftsstaat ermöglichen); in diesem Fall wäre eine erforderliche schnelle, einzelfallbezogene Reaktion nicht möglich, da dies nicht den im § 4 Abs 2 Asylgesetz 1997 als alleinige Ausnahmemöglichkeit vorgesehenen Fall betreffen würde, dass 'besondere, in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände ausnahmsweise für eine gegenteilige Annahme sprechen'. Vielmehr wäre eine entsprechende Reaktion nur durch die Änderung der betreffenden Bestimmung selbst möglich, was jedoch ein - zeitlich langwieriges - Tätigwerden des Gesetzgebers erfordern würde und den im Art 3 EMRK vorgegebenen Verpflichtungen jedenfalls nicht gerecht wird.

Dass aus dem im § 32 Abs 3 Asylgesetz 1997 festgelegten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen im Verfahren nach § 4 Asylgesetz 1997 ergangene Entscheidungen auch eine Verletzung des Rechts auf wirksame Beschwerde gemäß Art 13 EMRK resultiert, wurde bereits im Abschnitt 3.3.3. aufgezeigt.

Die Bestimmung des § 4 Abs 2 Asylgesetz 1997 widerspricht daher Art 3 EMRK und ist aus diesem Grund verfassungswidrig."

Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sieht die oberösterreichische Landesregierung darin, dass § 4a Abs 2 AsylG eine Regelung hinsichtlich des Bestehens von Drittstaatsicherheit enthalte, die jedoch wesentlich weiter gehe als jene des § 4 Abs 2. Unter Berufung auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR XXII. GP, 13) wird dazu ausgeführt:

"Während § 4a Abs 2 Asylgesetz 1997 somit einen allgemeinen Regelvorbehalt statuiert und damit anerkennt, dass in allen Bereichen Ausnahmemöglichkeiten bestehen, akzeptiert § 4 Abs 2 Asylgesetz 1997 lediglich 'besondere, in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände'; damit werden in dieser Bestimmung - wie bereits aufgezeigt - so gravierende Umstände wie etwa eine Änderung der Rechtslage in einem gemäß § 4 Abs 2 Asylgesetz 1997 als sicher angesehenen Drittstaat (etwa dahingehend, dass eine Weiterschiebung des Asylwerbers in den Herkunftsstaat zugelassen würde), nicht als Grund für den Wegfall des Status als sicherer Drittstaat berücksichtigt. Diese in den Abs 2 des § 4 Asylgesetz 1997 einerseits und des § 4a Asylgesetz 1997 andererseits vorgenommene Differenzierung ist - nachdem sich auch aus den diesbezüglichen Erläuterungen nichts entnehmen lässt - unsachlich und verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot, Gleiches nicht ungleich zu behandeln. § 4 Abs 2 Asylgesetz 1997 verstößt daher weiters gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und ist auch aus diesem Grund verfassungswidrig."

1.2. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung ficht § 4 Abs 2 AsylG gemeinsam mit § 17 AsylG an. Für den Fall, dass zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit bereits die Aufhebung der Wortfolge "in der Person des Asylwerbers gelegene", in § 4 Abs 2 ausreicht, stellt die Wiener Landesregierung einen entsprechenden Eventualantrag.

Zunächst erörtert die Wiener Landesregierung die historische Rechtslage: Im Asylgesetz 1968 idF BGBl. Nr. 190/1990 sei erstmals ein spezielles Verfahren an der Grenze vorgesehen gewesen, das auch bei der Grenzkontrollstelle die Einbringung des Asylantrags ermöglicht habe, über dessen Tauglichkeit die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeibehörde abzusprechen gehabt habe. Nach dem Asylgesetz 1991 habe ausschließlich das Grenzkontrollorgan über die Zulässigkeit einer fremdenpolizeilichen Zurückweisung entschieden. Da die Grenzkontrollorganwalter mit dieser anspruchsvollen Aufgabe in weiten Bereichen überfordert gewesen wären, habe das AsylG 1997 in der Stammfassung beim Verfahren an der Bundesgrenze eine Beiziehung des Bundesasylamtes als sachkundige Behörde dergestalt vorgesehen, dass dem Asylwerber die Einreise zu gestatten wäre, nachdem das Bundesasylamt der Grenzkontrollbehörde mitgeteilt hatte, dass die Asylgewährung nicht unwahrscheinlich war. In der Neufassung des § 17 AsylG seien diese Regelungen weggefallen, sodass das Grenzkontrollorgan über die Zurückweisung entscheide, wogegen keine Überprüfung durch den unabhängigen Bundesasylsenat mehr möglich sei. Ferner verweist die Wiener Landesregierung auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR XXII. GP, 16), denen zufolge durch die Normierung sicherer Drittstaaten mittels Liste im Gesetz ein eigenes Verfahren an der Landgrenze obsolet sei.

Auch die Wiener Landesregierung meint, dass Art 3 EMRK durch § 4 Abs 2 und § 17 AsylG verletzt sei. Unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR sowie auf Art 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bringt die Wiener Landesregierung vor, dass eine Festlegung von sicheren Drittstaaten - wie sie in § 4 Abs 2 AsylG erfolge - mit einem Refoulementschutz iSd EMRK und Genfer Flüchtlingskonvention unvereinbar sei. § 4 Abs 2 unterlasse gänzlich eine Refoulementprüfung iSd § 57 Fremdengesetz 1997 und ordne vielmehr bei Vorliegen der beiden als jedenfalls sichere Drittstaaten genannten Staaten Schweiz und Liechtenstein die Zurückweisung des Asylantrags und - damit verbunden - die Ausweisung des Asylwerbers an.

Die Normierung, dass Drittstaatsicherheit "jedenfalls" dann nicht vorliege, wenn "besondere, in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände ausnahmsweise für eine gegenteilige Annahme sprechen", reiche zur Erfüllung der Kriterien des Art 3 EMRK nicht aus, da in solchen Fällen, in denen sich die mangelnde Sicherheit eines Asylwerbers aus anderen als in seiner Person gelegenen Gründen ergibt, dennoch immer die Ausweisung angeordnet sei. Weiters meint die Wiener Landesregierung:

"Selbst wenn der zuständigen Asylbehörde also solche nicht in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände bekannt sind - wie zum Beispiel Informationen, dass sich die faktische Situation in den beiden betreffenden Ländern dahingehend geändert hat, dass sie entgegen den gesetzlichen Bestimmungen keinen Refoulementschutz mehr in allen Fällen sicherstellen - hätte sie aufgrund von § 4 Abs 2 Asylgesetz 1997 die Ausweisung anzuordnen. Dies widerspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, gemäß welcher die Asylbehörden verpflichtet sind, Amtswissen, das aufgrund diverser Informationskanäle bei den Behörden entsteht (durch Berichte namhafter Organisationen oder der österreichischen Vertretungsbehörden, etc.) bei der Refoulementprüfung jedenfalls in Erwägung zu ziehen und wenn nötig ergänzende Ermittlungen zur faktischen Situation im Drittstaat durchzuführen (). Natürlich ist einzugestehen, dass die Schweiz und Liechtenstein in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle 'sichere Drittstaaten' sein werden, doch wie oben unter Punkt 3) aufgezeigt, kann es auch in solchen zumeist 'sicheren Drittstaaten' in Einzelfällen vorkommen, dass Personen Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind (vgl. EGMR, Iruretagoyena gegen Frankreich, Urteil vom ; EGMR, Conka gegen Belgien, Urteil vom ). Ohne, dass das hier als aktuelle Gefahr gesehen wird: Potentiell ist es, wie zum Beispiel die Verfassungsdiskussion in Liechtenstein zeigt, nicht ausgeschlossen, dass Personen auch dort einmal politischer Verfolgung ausgesetzt sein können. Dies kann von vorneherein eben bei keinem Staat ausgeschlossen werden, gerade die Sicherung vor derartigen Extremsituationen ist Sinn und Zweck des grundrechtlich angeordneten Refoulementschutzes. Der Refoulementschutz im Sinne von Art 3 EMRK und Art 33 Abs 1 GFK verlangt daher aus diesen Überlegungen heraus immer eine Einzelfallprüfung in jeglicher Richtung. Dem widerspricht die Regelung des § 4 Abs 2 Asylgesetz 1997."

Zum Verbot der Ausweisung bei drohender Kettenabschiebung verweist die Wiener Landesregierung - wie bereits die oberösterreichische Landesregierung - insb. auf die Entscheidung des EGMR vom , 3844/98 - T.I. gegen Vereinigtes Königreich, und auf das Erk. VfSlg. 13.897/1994. Dieses Verbot sei bei der Refoulement-Prüfung gemäß § 57 Fremdengesetz 1997 mit zu berücksichtigen. Die Regelung des § 4 Abs 2 AsylG verhindere aber durch ihre generelle Anordnung der Drittstaatsicherheit eine solche individuelle Prüfung. Gerade dabei handle es sich im Übrigen nicht um "in der Person des Asylwerbers gelegene" Umstände, sondern um Umstände, die in der Ausgestaltung der einschlägigen Verfahren im "sicheren Drittstaat" liegen. So könne einfach nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsordnung eines dieser "sicheren Drittstaaten" für bestimmte Staatsangehörige auf Verlangen des jeweiligen Staatsangehörigkeitsstaates eine Auslieferung anordnet, womit potentiell die Möglichkeit einer Art 3 EMRK verletzenden Behandlung im Auslieferungsstaat eröffnet werde. Dies zu prüfen, sei Sinn und Zweck der grundrechtlich angeordneten Einzelfallprüfung, die § 4 Abs 2 AsylG verwehre.

Zu § 17 AsylG führt die Wiener Landesregierung aus:

"Im Verfahren nach § 17 Asylgesetz 1997 obliegt es ausschließlich den Grenzkontrollorganen Refoulementschutz im Zuge der Beantwortung der Frage der Drittstaatsicherheit sicherzustellen. Die Frage der Drittstaatsicherheit erfordert jedoch umfangreiche Ermittlungen im Tatsachenbereich und die Lösung komplexer Rechtsfragen, was den Grenzkontrollorganen in der Regel nicht möglich sein wird (vgl. Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl [1999], 306). Ferner erfüllt § 17 Asylgesetz 1997 aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht die Anforderungen der Entschließung des Rates über Mindestgarantien für Asylverfahren (Abl. Nr. C 274, , Seite 13 - 17). Z. 24 dieser Mindestgarantien bestimmt wie folgt:

'Die Mitgliedsstaaten können, soweit dies nach nationalem Recht vorgesehen ist, spezielle Verfahren anwenden, um vor der Entscheidung über die Einreise festzustellen, ob der Asylantrag offensichtlich unbegründet ist. Während dieses Verfahrens wird keine Rückführungsmaßnahme durchgeführt. Ist der Asylantrag offensichtlich unbegründet, so kann dem Asylwerber die Einreise verweigert werden. In diesen Fällen kann das nationale Recht eines Mitgliedsstaats eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Suspensiveffekts eines Rechtsmittels (Grundsatz Nr. 17 Mindestgarantien) vorsehen. Dabei muss zumindest gewährleistet sein, dass die Entscheidung über die Einreise durch ein Ministerium oder eine vergleichbare zentrale Behörde getroffen und die Richtigkeit der Entscheidung durch ausreichende zusätzliche Absicherungsmaßnahmen (z. B. vorherige Prüfung durch eine andere zentrale Behörde) sichergestellt wird. Diese Behörden verfügen über die erforderliche Sachkenntnis und Erfahrung auf dem Gebiet des Asylrechts.'

Das Grenzkontrollorgan gemäß § 17 Asylgesetz 1997 ist jedenfalls keine solche zentrale Behörde und hat nicht die erforderliche Sachkenntnis und Erfahrung auf dem Gebiet des Asylrechts, um das Vorliegen von Drittstaatssicherheit zu beurteilen. Daher verstößt auch § 17 Asylgesetz 1997 gegen Art 3 EMRK."

Darüber hinaus verletze § 17 AsylG nach Auffassung der Wiener Landesregierung Art 13 EMRK. Habe § 17 Abs 4 AsylG 1997 in der Stammfassung noch eine Überprüfung der Zurückweisung durch den unabhängigen Bundesasylsenat ermöglicht, fehle nunmehr eine solche Möglichkeit. Somit gebe es bei drohender Verletzung von Art 3 EMRK wegen Verkennung des Vorhandenseins der Drittstaatsicherheit nach § 4a Abs 2 AsylG durch das Grenzkontrollorgan - im Gegensatz zur Regelung des § 32 Abs 3 AsylG - keine Möglichkeit einer wirksamen Beschwerde gemäß Art 13 EMRK. In Widerspruch zu Z 24 der Entschließung des Rates über Mindestgarantien für Asylverfahren gebe es somit auch keine einzige Absicherungsmaßnahme, welche die Richtigkeit der Entscheidung des Grenzkontrollorgans überprüft.

§ 4 Abs 2 und § 17 AsylG würden aber auch den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 7 B-VG verletzen. Unter Berufung auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber verbiete, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zu schaffen bzw. Gleiches ungleich zu behandeln, führt die Wiener Landesregierung aus, dass § 4 Abs 2 und § 4a Abs 1 und 2 AsylG das Vorliegen von Drittstaatsicherheit von unterschiedlichen Bedingungen abhängig machen und unterschiedliche Ausnahmemöglichkeiten gewähren würden, ohne dass es dafür eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung gebe. Während § 4a Abs 1 und 2 in allen Fällen etwa einer Änderung der Rechtslage oder der Regierung in einem als "sicherer Drittstaat" angesehenen Land, eine Ausnahme zuließen, anerkenne § 4 Abs 2 AsylG nur "besondere, in der Person des Asylwerbers gelegene, Umstände" als Ausnahme vom ansonsten bestehenden Vorliegen der Drittstaatsicherheit der Schweiz und Liechtensteins. Weder in den Gesetzesmaterialien noch sonst finde sich dazu eine sachliche Rechtfertigung, weshalb § 4 Abs 2 AsylG auch wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig sei.

Den Verstoß des § 17 AsylG gegen den Gleichheitsgrundsatz begründet die Wiener Landesregierung dahingehend, dass diese Bestimmung Fremde, die in ihrer Heimat politisch verfolgt werden, unterschiedlich behandle, je nachdem aus welchem Staat und auf welche Weise sie nach Österreich einreisen:

"Es ist nicht ersichtlich, warum Flüchtlinge, die an der Grenze auf legale Weise einreisen, und Flüchtlinge, die auf andere Weise, sei es auf dem Luftweg oder auf illegale Weise, einreisen, unterschiedlich behandelt werden. Denn jene Asylwerber, die ihren Antrag am Grenzposten stellen, müssen in Kauf nehmen, dass darüber kein sachverständiges Organ wie das Bundesasylamt entscheidet, sondern lediglich ein Grenzkontrollorgan, das an der Grenze in der Regel nicht über jene Einrichtungen verfügt, die zur Lösung der komplexen Frage der Drittstaatsicherheit erforderlich sind. Ferner steht einem Asylantragsteller an der Grenze - im Gegensatz zu jenem, der sich bereits innerhalb der Landesgrenzen befindet - keine Möglichkeit einer wirksamen Beschwerde gegen die Zurückweisungsentscheidung zu. Dies ist eine weitere Ungleichbehandlung, die einer sachlichen Rechtfertigung entbehrt. Der Hinweis in den EBRV (120 BlgNR. 22. GP, Seite 16), dass Asylantragssteller an der Grenze, deren Antrag zurückgewiesen wird, Schutz im sicheren Drittstaat finden können, geht jedenfalls ins Leere, da solcher Schutz auch jenen Asylwerbern innerhalb der Landesgrenzen zukommt, deren Antrag gemäß § 4a in Verbindung mit § 5a Abs 1 und Abs 4 Asylgesetz 1997 zurückgewiesen wird. Für letztere sieht § 32 Abs 3 Asylgesetz 1997 aber - im Gegensatz zu § 17 Asylgesetz 1997 - die Möglichkeit der Berufung vor. Aus diesen Gründen ist § 17 Asylgesetz 1997 wegen Verletzung von Art 7 Abs 1 B-VG in Verbindung mit Art 1 BVG gegen rassische Diskriminierung verfassungswidrig."

1.3. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung

Im Hinblick auf die von der oberösterreichischen Landesregierung behauptete Verletzung von Art 3 EMRK erwidert die Bundesregierung, dass in die Liste sicherer Drittstaaten nur Staaten aufgenommen werden dürften, in denen ein Asylwerber ein faires Verfahren erhalte und deren Rechtsordnung auch eine Weiterschiebung in einen "Viertstaat" verbiete, in welchem die Gefahr bestehe, der Asylwerber werde ohne inhaltliche Prüfung oder trotz des Vorliegens von EMRK- oder konventionsrelevanten Schutzgründen in den Herkunftsstaat zurückgeschoben. Dazu führt die Bundesregierung weiter aus:

"Sowohl Liechtenstein als auch die Schweiz haben die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 (Schweiz am , Liechtenstein am ), das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Schweiz und Liechtenstein am ) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Schweiz am , Liechtenstein am ) ratifiziert. Beide Staaten verfügen über ein Verfahren zur Gewährung von Asyl, das auch eine Rückschiebung in einen Drittstaat, wo die Weiterschiebung in den Heimatstaat droht, verbietet und es ist kein Hinweis zu erkennen, dass in diesen Staaten Asylsuchende nicht den nach den oben genannten internationalen Normen notwendigen Schutz erfahren. Im Rahmen einer Regelannahme konnte der Gesetzgeber angesichts des hohen Schutzstandards dieser beiden Länder, der bezüglich der Schweiz - zu Liechtenstein gibt es keine Anlassfälle - auch in der Judikatur des Unabhängigen Bundesasylsenates Bestätigung findet (vgl Judikatur des UBAS , 203/584/0-I/02/98, , 210.347/0-XII/37/99, , 223.841/0-IV/29/01, , 221.665/0-III/07/01 und , 222.814/0-XII/36/01), daher auch davon ausgehen, dass in Bezug auf beide Länder regelmäßig die Drittstaatssicherheit vorliegt. Dennoch sollte in Abs 2 eine behördliche Überprüfung ermöglicht werden, ob im konkreten Fall - somit einzelfallbezogen - dem Asylwerber bei Zurückweisung in einen dieser beiden Staaten eine Verfolgungssituation droht und Österreich damit seine völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Der Beweis des Gegenteils wird damit ermöglicht."

Der Gesetzgeber habe folglich in besonderen Fällen den Behörden die Möglichkeit eingeräumt, nicht nach § 4 AsylG entscheiden zu müssen, nämlich dann, wenn in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände ausnahmsweise für die Annahme sprechen, dass einer der beiden Staaten für diese Person nicht sicher sein könnte. Unter diesen Gesetzeswortlaut sei auch der Fall subsumierbar, dass etwa infolge einer Rechtsänderung in der Schweiz oder in Liechtenstein die Sicherheit des betroffenen Asylwerbers gefährdet sei, da in jedem Verfahren auf die persönliche Situation des Asylwerbers abzustellen sei, die auch dann iSd § 4 Abs 2 AsylG relevant werde, wenn sich ein genereller Sachverhalt ändert.

"Diese Bestimmung ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass im Begutachtungsentwurf noch vorgesehen war, in § 4 Abs 2 keinerlei Einschränkung der Drittstaatssicherheit zu normieren. Aus den Erläuterungen zu § 4a, die von der Antragstellerin offenbar zur Begründung der Verfassungswidrigkeit von § 4 Abs 2 herangezogen werden, lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung nichts zur Stützung der Position der Antragstellerin gewinnen; die Erläuterungen beziehen sich im maßgeblichen Punkt vielmehr lediglich auf die Rechtslage vor der Novelle und stellen klar, in welchem Punkt keine Änderung erfolgt."

§ 4 Abs 2 enthalte nach Auffassung der Bundesregierung keine Anhaltspunkte, die auf eine Verletzung von Art 3 EMRK schließen lassen könnten. Vielmehr erlaube der Gesetzeswortlaut der Vollziehung, auf den Einzelfall abgestimmte verfassungskonforme Entscheidungen zu treffen. Abschließend verweist die Bundesregierung auf die Entscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom , 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93, in denen sich das Bundesverfassungsgericht mit einer ähnlichen Problematik hinsichtlich der generellen Vereinbarkeit von Listen sicherer Drittstaaten auch unter dem Gesichtspunkt der EMRK zu beschäftigen gehabt und keine Verletzung der EMRK erkannt habe, wenn sich der Gesetzgeber bei Festlegung dieser Listen innerhalb des ihm zustehenden Einschätzungs- und Wertungsspielraums "von guten Gründen" habe leiten lassen.

Ungeachtet der Frage, inwiefern die im B-VG und StGG gewährleisteten Rechte im vorliegenden Fall zur Begründung einer Verfassungswidrigkeit herangezogen werden könnten, meint die Bundesregierung zu der aus einer vergleichenden Zusammenschau der §§4 und 4a begründeten Verletzung von Art 7 B-VG und Art 2 StGG, § 4a als ergänzende Bestimmung zu § 4 zu verstehen sei und eine Regelung nur hinsichtlich jener Staaten zu treffen sei, die nicht ohnedies bereits von § 4 AsylG erfasst seien. Damit sei bereits die für eine allfällige Gleichheitswidrigkeit erforderliche Voraussetzung, nämlich das Vorliegen "gleicher Sachverhalte", nicht gegeben.

1.4. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

In allgemeinen Bemerkungen verweist die Bundesregierung einleitend auf historische Gesetzeslagen sowie auf die Asylwerberzahlen der letzten Jahre. Bei Erlassung des AsylG 1997 habe der Gesetzgeber von einer Zahl von etwas mehr als 10.000 Asylwerbern ausgehen können, in der Folge sei jedoch die Asylwerberzahl - mit Ausnahme eines leichten Rückganges im Jahr 2000 - kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2001 habe der Anstieg der Asylwerberzahl sogar fast 65 % in Bezug auf das Vorjahr betragen. Auffallend sei, dass die Asylwerberzahl in den Jahren des Asylgesetzes 1991 - von 1992 abgesehen - stetig unter 10.000 gelegen sei, wogegen es in der Zeit ab 1998 zu einem starken Anstieg der Asylwerberzahlen gekommen sei, wobei die Bundesregierung nicht verkenne, dass Ereignisse die Flüchtlingszahl bestimme, die ihrer Ingerenz entzogen sei, wie etwa der Bürgerkrieg in Slowenien und Kroatien, in Bosnien sowie die Kosovokrise oder politische Krisen in verschiedenen Weltregionen, wie Afghanistan, Irak oder der ehemaligen Sowjetunion. Vor diesem Hintergrund habe sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, ein neues System für Asylverfahren zu schaffen, um die Verfahrensdauer - die eine der Probleme des derzeitigen Systems darstellt - auch mit legistischen Maßnahmen zu verkürzen.

Den von der Wiener Landesregierung geltend gemachten Bedenken einer Verletzung von Art 3 EMRK tritt die Bundesregierung - wie bereits der oberösterreichischen Landesregierung - mit dem Hinweis entgegen, dass die Schweiz und Liechtenstein die Genfer Flüchtlingskonvention, das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und die EMRK ratifiziert haben und über ein auch Refoulement-Schutz gewährendes Asylverfahren verfügen würden. Da Gegenteiliges nicht erkennbar sei, habe der Gesetzgeber im Rahmen einer Regelannahme vom Vorliegen einer regelmäßigen Drittstaatsicherheit dieser Länder ausgehen können.

Mit wortgleichen Ausführungen wie in ihrer Äußerung zum Antrag der oberösterreichischen Landesregierung betont die Bundesregierung die Ermöglichung einer einzelfallbezogenen Beurteilung und einer Entscheidung nicht nach § 4 AsylG, wenn "in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände" ausnahmsweise für die Annahme sprechen würden, dass einer der beiden Staaten für diese Person nicht sicher sein könnte. Auch verweist die Bundesregierung erneut auf die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom , 2 BvR 1938, 2315/93 betreffend Listen sicherer Drittstaaten.

Den Bedenken der Wiener Landesregierung hinsichtlich eines Verstoßes von § 17 AsylG gegen Art 3 EMRK hält die Bundesregierung entgegen, dass außer Bedacht gelassen werde, dass das Grenzkontrollorgan in einen Behördenapparat eingebettet und von diesem mit den zur Entscheidung notwendigen Informationen, Richtlinien und Weisungen auszustatten sei. Letzten Endes schließe § 17 AsylG "nur eine - bei genauerem Hinsehen nicht zu rechtfertigende - Unterscheidung zwischen Fremden, die um Asyl ansuchen und solchen, die ohne Asylantrag nach Österreich einzureisen beabsichtigen, aus".

Vor dem Hintergrund ihrer Ausführungen zu § 4 Abs 2 AsylG könne nach Ansicht der Bundesregierung davon ausgegangen werden, dass die Schweiz und Liechtenstein - in einen anderen Staat sei eine Zurückweisung nicht zulässig, da EU-Mitgliedstaaten systematisch nicht unter § 4a Abs 2 AsylG 1997 subsumierbar seien - die Voraussetzungen, die an die Sicherheit eines "Drittstaates" zu stellen seien, erfüllen. Folglich erhalte der zurückgewiesene Fremde - sollte er Flüchtling sein oder anderwärtigen Schutzes bedürfen - diesen Schutz in der Schweiz oder Liechtenstein. Auf Grund der dortigen Rechtslage drohe auch keine Weiterschiebung in einen unsicheren "Viertstaat" oder in einen unsicheren Herkunftsstaat.

Weiters führt die Bundesregierung aus:

"Da es sich bei Asylwerbern jedoch jedenfalls um Fremde handelt, ist § 57 FrG anwendbar. Daher hat das Grenzkontrollorgan - wie bei jeder Zurückweisung - zu überprüfen, ob durch die Zurückweisung gem. § 17 AsylG 1997 eine Verletzung der Art 2 oder 3 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe eintreten könnte. Bereits derzeit haben die Grenzorgane diese Überprüfung im Rahmen der fremdenpolizeilichen Zurückweisung § 57 FrG zu beachten, und für den Fall der Verletzung der genannten Bestimmungen gegebenenfalls die Zurückweisung zu unterlassen.

Die Antragstellerin nimmt eine Verletzung von Art 3 EMRK auch unter Hinweis auf die Entschließung des Rates über Mindestgarantien für Asylverfahren mit der Begründung an, § 17 AsylG erfülle die darin festgelegten Anforderungen nicht. Dazu ist festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf VfSlg 14.805/1997, 14.886/1997 und 15.368/1998 und den Umstand, dass es sich bei der Entschließung des Rates über Mindestgarantien für Asylverfahren um einen rechtlich nicht verbindlichen Akt handelt (vgl. Röttinger/Weyringer, Handbuch der europäischen Integration2, 36), diese keinen Prüfungsmaßstab in einem Verfahren zur Prüfung einer innerstaatlichen generellen Norm in einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof darstellen kann, weshalb das diesbezügliche Vorbringen im vorliegenden Fall nicht von Relevanz sein kann."

Zu den Bedenken der Wiener Landesregierung, es würde zwischen Asylwerbern - je nachdem, aus welchem Staat und auf welche Weise sie nach Österreich einreisen - sachlich nicht gerechtfertigt differenziert, erwidert die Bundesregierung, dass die Regelung nicht auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft der Asylwerber differenziere: Die unterschiedliche Regelung knüpfe vielmehr insofern an einen Unterschied im Tatsächlichen an, als danach differenziert werde, ob sich ein Fremder, der einen Asylantrag stellt, bereits im Inland befindet, oder der Fremde aus einem Nachbarstaat Österreichs in das Bundesgebiet einzureisen beabsichtigt und anlässlich der Grenzkontrolle einen Asylantrag stellt.

Unter Berufung auf das Erk. VfSlg. 14.191/1995 und den Regelungszusammenhang der AsylG-Novelle 2003 meint die Bundesregierung, dass es einem Fremden, der aus einem Nachbarstaat einreise und Asyl zu begehren beabsichtige, zumutbar sei, in diesem Nachbarstaat um "asylrechtlichen Schutz" zu ersuchen. Dies deshalb,

"da sie in den in Frage kommenden Staaten Schutz vor Verfolgung erhalten können und Zugang zu einem Asylverfahren erhalten können, welches der GFK und dem Asylacquis der Europäischen Union entspricht. Während bei bereits eingereisten Antragstellern für den Fall einer abweislichen Entscheidung über ihren Antrag allenfalls eine Ausweisung zu verfügen ist (welche im Rahmen der Anwendbarkeit des AsylG 1997 von den Asylbehörden zu treffen ist), ist bei Letzteren eine Entscheidung über die Einreise zu treffen, welche den Grenzkontrollorganen obliegt. Das Regelungsregime entspricht im Übrigen dem des FrG 1997; auch hier haben die Grenzkontrollorgane über die Einreise zu entscheiden, während die Fremdenpolizeibehörde für die allfällige Anordnung einer Ausweisung zuständig ist."

Zusammengefasst sei daher nach Ansicht der Bundesregierung im vorliegenden Fall von Unterschieden im Tatsächlichen auszugehen, die im Ergebnis eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, weshalb die von der Wiener Landesregierung geäußerten Bedenken im Hinblick auf das aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließende Sachlichkeitsgebot nicht zutreffen würden.

1.5. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

Die Bundesregierung hat Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anträge nicht vorgebracht. Auch sonst sind keine Zweifel an der Zulässigkeit der Anfechtung des gesamten § 4 Abs 2 AsylG hervorgekommen, da die antragstellenden Landesregierungen Bedenken gegen die gesamte Konstruktion der in § 4 Abs 2 enthaltenen Bestimmung vorgebracht haben.

§ 4 Abs 2 steht in keinem rechtlich untrennbaren Zusammenhang mit § 17 AsylG, sodass die Anfechtung auch bloß einer der beiden Bestimmungen zulässig ist.

Die Bundesregierung vermeint, dass die oberösterreichische Landesregierung bei der Berufung auf den Gleichheitssatz die Ausländereigenschaft von Asylwerbern übersehe und Art 2 StGG sowie Art 7 B-VG nur für Staatsbürger gelten. Auf das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973, werde hingegen nicht immer hingewiesen, sodass die Bedenken nicht ordnungsgemäß ausgeführt seien. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Bezugnahme bloß auf den Gleichheitssatz alle Bestimmungen betrifft, die die Gleichheit regeln, und keine Zweifel daran bestehen, worin die Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung jeweils konkret liegen.

1.6. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs in der Sache

1.6.1. Zu den Bedenken zu § 4 Abs 2 AsylG

Der Verfassungsgerichtshof geht in Übereinstimmung mit dem EGMR davon aus (vgl. VfSlg. 13.314/1992, 13.453/1993, 13.897/1994, 14.119/1995 uva.), dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden auszuliefern - oder in welcher Form immer außer Landes zu schaffen - unter dem Blickwinkel des Art 3 EMRK erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (EGMR , 1/1989/161/217, EuGRZ 1989, 314 - Soering gegen Vereinigtes Königreich; , 46/1990/237/307, EuGRZ 1991, 203 - Cruz Varas ua. gegen Schweden; , 70/1995/576/662, ÖJZ 1997, 632 - Chahal gegen Vereinigtes Königreich). Dies gilt auch in gleichem Maße, wenn die Abschiebung in einen Staat erfolgt, in welchem die konkrete Gefahr einer Weiterschiebung des Fremden in einen derartigen Staat droht (sog. Kettenabschiebung; vgl. EGMR , 3844/98 - T.I. gegen Vereinigtes Königreich; VfSlg. 13.897/1994, 16.160/2001; ferner uva.).

Mit dieser Rechtsprechung steht die Definition der Drittstaatsicherheit durch § 4a Abs 1 AsylG im Einklang, da (ua.) auf das Bestehen eines der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Verfahrens abgestellt wird, das Schutz vor der drohenden Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in einen Staat bietet, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Asylwerber Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden (vgl. § 57 Fremdengesetz in § 4a AsylG). Ein Staat, in dem Personen zwar nicht gefoltert oder unmenschlich behandelt werden, in dem sie wohl aber Gefahr laufen, an unsichere Drittstaaten abgeschoben zu werden, ist nach dem AsylG jedenfalls kein sicherer Drittstaat.

Durch die Einführung einer sog. Liste sicherer Drittstaaten (§4 Abs 2 AsylG) wollte der Gesetzgeber für die auf dieser Liste aufscheinenden Staaten kein anderes Schutzniveau als in der Definition des § 4a Abs 1 AsylG vorsehen. Insofern sind auch die Bedenken der antragstellenden Landesregierungen, dass nach § 4 Abs 2 und § 4a AsylG andere Maßstäbe über das Schutzniveau gelten, unzutreffend. Vielmehr sollte nach der Absicht des Gesetzgebers die Behörde im Einzelfall die Möglichkeit haben, weitere als in der Liste aufscheinende Staaten unter den Voraussetzungen des § 4a Abs 1 und 2 AsylG als sichere Drittstaaten zu behandeln (vgl. hiezu RV 120 BlgNR XXII. GP, 13 sowie AB 253 BlgNR XXII. GP, 2).

Die antragstellenden Landesregierungen bringen hiezu vor, dass eine Liste sicherer Drittstaaten den Vorgaben des Refoulement-Verbotes und Art 3 EMRK nicht entspreche. Die antragstellenden Landesregierungen wären mit diesem Vorbringen allerdings nur dann im Recht, wenn der Gesetzgeber - entgegen seiner im Gesetz vorgegebenen Systematik - Staaten in die Liste sicherer Drittstaaten aufnehmen würde, die den Voraussetzungen des § 4a Abs 1 AsylG und damit auch des Art 3 EMRK nicht entsprächen.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Gesetzesprüfungsverfahren zu untersuchen, ob die angefochtene Norm zum Zeitpunkt der Prüfung verfassungswidrig ist. Sollten sich die Umstände, die der Regelung zugrunde liegen, in der Zukunft ändern, so hätte der Gesetzgeber die Norm anzupassen, widrigenfalls sie verfassungswidrig würde (vgl. VfSlg. 8871/1980, 11.048/1986, 14.533/1996). In diesem Verfahren ist daher bloß zu untersuchen, ob § 4 Abs 2 AsylG derzeit verfassungswidrig ist. Die antragstellenden Landesregierungen haben in den Anträgen keine Argumente vorgebracht, dass in der Schweiz und in Liechtenstein, die beide Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK sind, die Voraussetzungen für die Sicherheit iSd obigen Ausführungen im Allgemeinen fehlen würden. Es wurden auch keine Rechtsnormen, Umstände in der Praxis des Asylrechtes oder Entscheidungen zitiert, die die Drittstaatsicherheit der beiden Nachbarstaaten derzeit in Frage stellen könnten.

Sollte ausnahmsweise die Drittstaatsicherheit nicht gewährleistet sein, etwa aus besonderen in der Person des Asylwerbers gelegenen Umständen einschließlich des Umstandes, dass der Gesetzgeber bei Erfüllung seiner Pflicht zur Änderung der Rechtslage säumig ist, so ist die Behörde ohnehin nach § 4 Abs 2 AsylG verpflichtet, dies zu berücksichtigen. Das Ziel des Asylrechts liegt letztlich in der Beurteilung im Einzelfall, ob jemand Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.

Die Worte "in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände" sind nicht so eng auszulegen, wie dies die antragstellenden Landesregierungen meinen. Darunter fallen vielmehr alle Umstände, die sich auf die besondere Situation des einzelnen Asylwerbers auswirken, daher auch solche, die durch Änderung der Rechtslage oder der Behördenpraxis bewirkt werden.

Die Anträge auf Aufhebung von § 4 Abs 2 AsylG waren daher abzuweisen.

1.6.2. Zu den geltend gemachten Bedenken zu § 17 AsylG

Nach der Systematik des Gesetzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine Drittstaaten. Dies entspricht im Übrigen auch der Diktion der Dublin II-VO (Art2 lita). Infolgedessen wird die Einreise aus einem Mitgliedstaat auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Drittstaatsicherheit, sondern der Zuständigkeit behandelt. Daher bezieht sich § 17 AsylG nach Auffassung der Bundesregierung (Äußerung vom , S 43) nicht auf die Mitgliedstaaten der EU. Sie meint aber, dass § 17 AsylG nur für Einreisen aus der Schweiz und aus Liechtenstein gelte. Auch in den Erläuterungen des Gesetzgebers (AB 253 BlgNR XXII. GP, 2) wird ausgeführt, dass § 17 "im Verhältnis zu Schweiz und Liechtenstein Anwendung" finde.

Diese Auffassung steht allerdings mit dem Wortlaut des Gesetzes in Widerspruch, da in § 17 AsylG - dies ergibt sich aus dem Klammerausdruck "(§4a Abs 2)" - mit sicherem Drittstaat nur ein solcher iSd § 4a Abs 2 AsylG bezeichnet wird, wogegen Liechtenstein und die Schweiz in der Regelung des § 4 Abs 2 namentlich genannt sind. Somit würde als Staat, aus dem ein Fremder gemäß § 17 AsylG an der Landgrenze einzureisen beabsichtigt, nur ein solcher in Frage kommen, der weder Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, noch von der Drittstaatsregelung des § 4 Abs 2 AsylG erfasst wird. Es würden dann nur Staaten übrig bleiben, die nicht an das österreichische Bundesgebiet angrenzen. Die Einreise müsste also auf dem Luftwege (und nicht an der Landgrenze) erfolgen.

Gemäß § 18 Abs 2 AsylG sind aber Fremde, die nach Anreise über einen Flugplatz einen Asylantrag stellen, einer Erstaufnahmestelle vorzuführen und nicht bei der Einreise zurückzuweisen. Auch bei illegaler Einreise kommt es zu keiner Zurückweisung, weil § 17 AsylG ausdrücklich auf den Anlass der Grenzkontrolle an der Landesgrenze abstellt und nicht auf einen Aufgriff einer Person, die bereits die Grenze überschritten hat.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass es für § 17 AsylG keinen Anwendungsfall gibt.

Eine korrigierende Interpretation in dem von der Bundesregierung in der Verhandlung vorgetragenen Sinn, dass es sich nämlich beim Klammerausdruck ("§4a Abs 2") um einen Redaktionsfehler handle und in Wahrheit § 4 Abs 2 gemeint sei, ist schon deshalb nicht möglich, weil dies zu einem Normwiderspruch führen würde. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, einerseits vorzusehen, dass bei Asylanträgen von Personen, die aus der Schweiz oder aus Liechtenstein eingereist sind, zu prüfen ist, ob nicht in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände ausnahmsweise gegen die Annahme der Drittstaatsicherheit sprechen, andererseits aber zu bestimmen, dass solche Personen bereits anlässlich der Grenzkontrolle zurückzuweisen sind, sodass es gar nicht zu einem Verfahren über ihren Antrag kommt.

Da es somit keinen Anwendungsfall des § 17 AsylG gibt, fehlt auch die Prämisse für die Bedenken der Wiener Landesregierung. Der Antrag war somit abzuweisen.

2. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs 1 Z 1 und § 6 Abs 2 und das Wort "begründeten" in § 6 Abs 1 AsylG (Liste sicherer Herkunftsstaaten)

2.1. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung ficht § 6 Abs 1 Z 1 und Abs 2 sowie das Wort "begründeten" in § 6 Abs 1 AsylG an. Für den Fall, dass die Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit allein durch die Aufhebung des Wortes "begründeten" in § 6 Abs 1 AsylG bewirkt werden könnte, stellt die Wiener Landesregierung einen entsprechenden Eventualantrag.

Nach einem Vergleich mit der Rechtslage vor der AsylG-Novelle 2003 meint die Wiener Landesregierung, dass sich § 6 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 AsylG in einem Spannungsverhältnis zu der in einfachem Gesetzesrang stehenden Genfer Flüchtlingskonvention befinde, da die Staatsangehörigkeit des Asylwerbers in gewissen Fällen nunmehr de facto ein Asylausschlussgrund sei. Dies widerspreche Art 3 der Genfer Flüchtlingskonvention, der die vertragsschließenden Staaten verpflichte, das Abkommen auf Flüchtlinge ohne unterschiedliche Behandlung aus Gründen des Herkunftslandes vorzusehen. Außerdem normiere § 6 Abs 1 in Abweichung von Art 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention, der die Asylausschlussgründe taxativ aufzähle, iSd Konvention unzulässige Asylausschlussgründe. Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen erblickt die Wiener Landesregierung in einem Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Kollektivausweisungen von Fremden nach Art 4 des 4. ZPEMRK sowie gegen ArtI BVG BGBl. Nr. 390/1973.

Nach Auffassung der Wiener Landesregierung ermögliche § 6 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 2 und 3 AsylG die Abweisung eines Asylantrages bloß auf Grund der Staatsangehörigkeit eines Asylwerbers ohne individuelle Prüfung, wenn kein begründeter Hinweis auf eine Flüchtlingseigenschaft oder subsidiäre Schutzgründe gemäß § 8 AsylG vorliegen, wobei keine Pflicht zur Nachprüfung bestehe. Die Europäische Kommission für Menschenrechte (im Folgenden kurz: EKMR) und der EGMR würden aber unter jeder Maßnahme, die Ausländer zur Ausreise verhält, einen Verstoß gegen Art 4 des 4. ZPEMRK sehen, sofern nicht für jeden einzelnen Fall der betroffenen Personen eine umfassende und objektive Überprüfung durchgeführt werde. Die Wiener Landesregierung zitiert die Rechtsprechung des EGMR (insb. EGMR , 45917/99, Andric gegen Schweden, sowie , 51564/99, Conka gegen Belgien) und meint, dass eine solche - vom EGMR in dieser Judikatur geforderte - konkrete, auf den einzelnen Fall eines jeden Asylantragstellers bezogene Prüfung in den angefochtenen Regelungen gerade nicht vorgesehen sei: § 6 Abs 1 erfordere keine Prüfung der Flüchtlingseigenschaft oder des Vorliegens subsidiärer Schutzgründe, sondern verpflichte die Behörde, bei Vorliegen einer der Tatbestandsvoraussetzungen der Z 1 bis Z 4 den Antrag abzuweisen und gemäß § 6 Abs 3 eine Ausweisung auszusprechen, sofern keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft oder subsidiäre Schutzgründe vorliegen. Dazu führt die Wiener Landesregierung aus:

"Das Regelungssystem des § 6 Abs 1 Z. 1 in Verbindung mit § 6 Abs 2 und § 6 Abs 3 Asylgesetz 1997 erfüllt also jene Tatbestände, die Art 4 des 4. ZPEMRK in der dargestellten Rechtsprechung des EGMR für eine konventionsrechtlich unzulässige und damit verfassungswidrige Kollektivausweisung von Fremden aufstellt: Über die Definition der 'sicheren Herkunftsstaaten' wird eine Gruppenbildung vorgenommen, aufgrund derer ohne individuelles Prüfungsverfahren ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen und zwangsläufig mit der Ausweisung zu verbinden ist. Es handelt sich also bei dem dargestellten Regelungssystem um die Anordnung einer unzulässigen Kollektivausweisung. Es unterscheidet sich damit von einer - im Hinblick auf Art 4 des 4. ZPEMRK zulässigen - Fallkonstellation, in der mehrere Fremde inhaltlich ähnliche oder gleichlautende, aber jeweils individuelle Entscheidungen erhalten [...]. Denn das Gesetz selbst ordnet die Gruppenbildung und die Rechtsfolge der Abweisung des Asylantrags und über die Verbindungsanordnung in § 6 Abs 3 Asylgesetz 1997 die Rechtsfolge der Ausweisung an. Für eine individuelle Prüfung bleibt kein Raum, die Gruppenzugehörigkeit entscheidet über die Rechtsfolge. Damit liegt genau jene Konstellation vor, die Art 4 des 4. ZPEMRK den Mitgliedsstaaten konventionsrechtlich verwehrt.

Es könnte erwogen werden, mit dem Hinweis auf den zweiten Halbsatz des § 6 Abs 1 Satz 1 ('wenn ohne begründeten Hinweis auf eine Flüchtlingseigenschaft oder das Vorliegen subsidiärer Schutzgründe') dem vorstehenden Befund entgegenzuhalten, dass bei Vorliegen eines derartigen 'begründeten Hinweises' ja gerade eine individuelle Prüfung ermöglicht wird. Der genannte Halbsatz ist aber nicht geeignet, eine solche individuelle Prüfung, wie sie Art 4 des

4. ZPEMRK fordert, anzuordnen: Zunächst ist weder aus dem Gesetzestext noch aus den EBRV ersichtlich, was der Gesetzgeber unter einem 'begründeten Hinweis' verstanden wissen will. Aus dem Regelungszusammenhang des § 6 Asylgesetz 1997 ist ersichtlich, dass ein 'begründeter Hinweis' gerade nicht einfach dahingehend verstanden werden kann, dass der Asylwerber Asylgründe oder sonstige subsidiäre Schutzgründe angeben muss, um seinen Asylantrag verständlich und überprüfbar zu machen. Denn dass dies gefordert ist, ergibt sich schon aus § 6 Abs 1 Z. 3 Asylgesetz 1997. Will man dem Gesetzgeber nicht unterstellen, er hätte zwei Mal dasselbe angeordnet, muss der 'begründete Hinweis' in § 6 Abs 1 2. Halbsatz Asylgesetz 1997 anderes meinen als der ohnedies in § 6 Abs 1 Z. 3 Asylgesetz 1997 separat 'vertypte' Tatbestand, dass der Asylantrag insofern keine 'Begründung' enthält, als der Asylwerber keine Asylgründe oder subsidiären Schutzgründe geltend macht. Die Verwendung des Wortes 'begründeten' in § 6 Abs 1 2. Halbsatz Asylgesetz 1997 muss daher dahingehend verstanden werden, dass der Gesetzgeber damit besonders qualifizierter Hinweise verlangt, die vorliegen müssen, damit bei Asylwerbern, die Staatsangehörige eines sicheren Herkunftsstaates im Sinne des § 6 Abs 1 Z 1 Asylgesetz 1997 sind, überhaupt eine individuelle Prüfung durchgeführt wird, ob Asylgründe vorliegen oder nicht. Damit werden zwei Kategorien von Asylwerbern gebildet: Einmal jene, die aufgrund der gesetzlichen Definition in § 6 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 2 Asylgesetz 1997 bestimmten Gruppen von Fremden zugehören (nämlich Staatsangehörige eines sicheren Herkunftsstaates sind) und sonstige Asylwerber. Bei der erstgenannten Kategorie entscheidet im Normalfall die Gruppenzugehörigkeit über die Rechtsfolge, nämlich die Abweisung des Asylantrags ohne jede weitere Prüfung als offensichtlich unbegründet und ohne jedes weitere Verfahren ('in jedem Stadium des Verfahrens'). Nur wenn offensichtlich besonders qualifizierte Hinweise vorliegen, kann in diesen Fällen trotz Gruppenzugehörigkeit eine individuelle Prüfung das automatische Eintreten der geschilderten Rechtsfolgen zunächst verhindern."

Art 4 des 4. ZPEMRK fordere nun aber gerade in jedem Fall eine individuelle Prüfung, ob Asylgründe vorliegen oder nicht. Die Bestimmung solle verhindern, dass auf Grund einer generell abstrakt bestimmten Gruppenzugehörigkeit Fremde ausgewiesen oder eben auch "leichter" ausgewiesen werden können, als dies sonst in individuellen Verfahren der Fall sei. Umgekehrt formuliert sei das Verbot der Kollektivausweisung nichts anderes als ein konventionsrechtlich verankertes Recht des Fremden, nur nach Durchführung eines individuellen Prüfungsverfahrens ausgewiesen zu werden. Eine solche individuelle Prüfung müsse stattfinden, gleich, ob besonders qualifizierte oder nur "irgendwelche", schlicht wenn "Hinweise" auf eine Flüchtlingseigenschaft oder das Vorliegen sonstiger subsidiärer Schutzgründe bestehen.

Nach Auffassung der Wiener Landesregierung könnte allenfalls noch erwogen werden, ob die Anfechtung der genannten Bestimmungen des AsylG unzulässig ist, da der Verfassungsgerichtshof aus folgenden Gründen die genannten Bestimmungen gar nicht anzuwenden habe: Die Dublin II-VO verpflichte in ihrem Art 3 Abs 1 die Mitgliedstaaten, jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt, zu prüfen. Das Gemeinschaftsrecht ordne damit unmittelbar und direkt die Durchführung eines individuellen Prüfungsverfahrens an. Es sei daher vertretbar, dass die hier angefochtenen Bestimmungen des § 6 AsylG, insb. das Wort "begründeten" in § 6 Abs 1, nicht anzuwenden seien, weil sie der genannten Bestimmung der Dublin II-VO widersprechen und damit auf Grund des Anwendungsvorrangs als durch diesen Art 3 Abs 1 verdrängt anzusehen wären.

Die "Liste sicherer Herkunftsstaaten" gemäß § 6 Abs 1 Z 1 und Abs 2 verletze nach Meinung der Wiener Landesregierung überdies das in ArtI BVG BGBl. Nr. 390/1973 ausgedrückte Verbot der Ungleichbehandlung von Fremden, durch welches der Gleichheitsgrundsatz auf das Verhältnis von Ausländern untereinander ausgedehnt worden sei. Unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes folgert die Wiener Landesregierung, dass dem genannten BVG Regelungen widersprechen würden, die eine Schlechterstellung von Angehörigen bestimmter Staaten bewirken und die nicht sachliche Gründe haben, sondern eine nach ihrer Staatsangehörigkeit abgegrenzte Gruppe von Fremden allein aus dem Grund der "nationalen Herkunft" (d.h. aus dem Grund der Angehörigkeit zu einem bestimmten Staat) diskriminieren.

Im Hinblick auf das Regelungsanliegen, nämlich die Entscheidung über das Vorliegen von Asylgründen, könne eine solche sachliche Rechtfertigung jedoch nur durch eine individuelle Prüfung des Asylantrags erfolgen, niemals allein durch die bloße Staatsangehörigkeit. Es werde nicht verkannt, dass zwischen den in § 6 Abs 2 genannten Staaten und anderen Staaten eine Reihe von Unterschieden in ganz unterschiedlicher Hinsicht bestehen. Es komme aber nicht darauf an, ob zwischen den dort genannten und sonstigen Staaten irgendwelche sachlichen Unterschiede bestehen, sondern darauf, ob im Hinblick auf die gegenständliche Regelung Unterschiede bestehen, die eine Differenzierung sachlich rechtfertigen können.

Dies sei nicht der Fall. Die Wiener Landesregierung führt ferner aus:

"[E]ine Flüchtlingseigenschaft kann auch faktisch nicht einmal bei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und dieser am beitretenden Staaten ausgeschlossen werden. Dies beweisen die beiden Fälle Iruretagoyena und Conka vor dem EGMR: Im Fall Iruretagoyena gegen Frankreich (EGMR, Urteil vom ) wurde der baskische Beschwerdeführer spanischer Staatsangehörigkeit von Frankreich nach Spanien abgeschoben und dort Berichten zufolge misshandelt, was beweist, dass Refoulementgefahr auch innerhalb der derzeit 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht immer und in jedem Fall ausgeschlossen ist. In Conka gegen Belgien [...] hatte der slowakische Beschwerdeführer, ein Angehöriger der Volksgruppe der Roma, in Belgien um Asyl angesucht und angegeben, die slowakische Polizei sei unwillig, ihn und seine Familie gegen wiederholte rassistisch motivierte Angriffe durch militante Rechtsradikale zu schützen (ein Asylgrund nach ArtI Abschnitt A GFK). Die Abschiebung des Beschwerdeführers und seiner Familie sowie anderer slowakischer Asylsuchender unter Hinweis auf den sicheren Herkunftsstaat Slowakei führte zur Verurteilung Belgiens wegen Verletzung von Art 4 des

4. ZPEMRK. Auch die österreichische Asylstatistik des BMI untermauert, dass die Flüchtlingseigenschaft auch bei Staatsangehörigen (künftiger) Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegeben sein kann. So gab es im Berichtszeitraum 2002 zwei positive Erledigungen von Asylwerbern slowakischer Staatsangehörigkeit sowie zwei positive Erledigungen von Asylwerbern rumänischer Staatsangehörigkeit (mögliches EU-Mitglied ab 2007). Im Berichtszeitraum 2003 (Jänner bis inklusive November) gab es bisher je eine positive Erledigung eines Asylwerbers rumänischer sowie bulgarischer Staatsangehörigkeit (auch für Bulgarien ist der Beitritt zur EU für 2007 vorgesehen). Überdies gab es 56 positive Erledigungen von Staatsangehörigen der Türkei, die ebenfalls offizieller Beitrittskandidat zur Europäischen Union ist. Diese Zahlen unterstreichen, dass jeder Asylantrag unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Asylwerbers einer individuellen Prüfung bedarf und dass das Abstellen auf die Staatszugehörigkeit eine unzulässige, weil nicht sachlich gerechtfertigte Diskriminierung im Sinne des BVG gegen rassische Diskriminierung darstellt."

2.2. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

Den geäußerten Bedenken der Wiener Landesregierung im Hinblick auf eine Verletzung des Art 4 des 4. ZPEMRK hält die Bundesregierung entgegen, dass

"die genannte Bestimmung nicht für sich untersagt, eine (bestimmte) Gruppe von Fremden auszuweisen. Solange eine entsprechende, eine Ausweisung des betroffenen Fremden verfügende Entscheidung 'after and on the basis of a reasonable and objective examinitation of the particular cases of each individual alien of the group' getroffen wird (vgl. hiezu die bei Pöschl, in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz. 16 zu Art 4, 4. ZPMRK, wiedergegebene Judikatur) liegt keine Verletzung des genannten Artikels vor. Gerade eine solche individuelle Prüfung und Entscheidung ordnet jedoch § 6 Abs 1 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 an, wenn es heißt, dass eine Abweisung eines Asylantrages nur dann erfolgen soll, wenn kein "begründeter Hinweis auf eine Flüchtlingseigenschaft oder das Vorliegen subsidiärer Schutzgründe gemäß § 8" gegeben ist.

Die Bundesregierung ist weiters der Ansicht, dass die angefochtene Bestimmung keineswegs zu Maßnahmen ermächtigt, Fremde 'als Gruppe' aus dem Staatsgebiet auszuweisen, sondern vielmehr eine Einzelfallprüfung anordnet, da von jeweils individuellen Entscheidungen auszugehen ist. So gelangte auch die Kommission im Fall Becker v. Denmark, Appl. No. 7011/75, zur Auffassung, dass eine Kollektivausweisung 'any measure of the competent authority compelling aliens as a group to leave the country' darstelle. Im Fall der auf die genannten Bestimmungen gestützten individuellen Entscheidungen ist daher nach Ansicht der Bundesregierung auch nicht von einem Vorliegen eines 'zeitlichen Zusammenhanges' dieser Maßnahmen auszugehen.

Zu der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des EGMR im Fall Conka v. Belgien (Urteil vom ) ist ebenfalls festzuhalten, dass die besonderen Umstände der vorgenommenen Ausweisung slowakischer Staatsangehöriger aus Belgien in die Slowakei für die Annahme einer Verletzung des Art 4 des

4. ZPMRK sprachen. So wurden die Zweifel an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit Art 4 conv.cit. dadurch begründet, dass die gemeinsame Ausweisung der Betroffenen von politischer Seite gezielt geplant war, dass sich die Asylwerber alle zur gleichen Zeit bei der Polizei einzufinden hatten, dass die dort übergebenen Ausweisungsanordnungen gleichlautend waren, dass den Betroffenen die Konsultation eines Rechtsvertreters kaum möglich war und schließlich, dass ihre Asylverfahren nicht abgeschlossen worden sind (vgl hiezu Pöschl, aaO, Rz 17)."

Gerade die in der angefochtenen Bestimmung angeordnete Prüfung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls im zweiten Halbsatz des § 6 Abs 1 AsylG bringe nach Ansicht der Bundesregierung mit sich, dass die von der antragstellenden Landesregierung geäußerten Bedenken im Hinblick auf Art 4 des 4. ZPEMRK nicht zutreffen.

Weiters versuche die Wiener Landesregierung unter Bezugnahme auf das Wort "begründeten" in § 6 Abs 1 AsylG darzulegen, dass hiedurch "besonders qualifizierte Hinweise" verlangt würden, damit bei Asylwerbern aus einem sicheren Herkunftsstaat iSd § 6 Abs 1 Z 1 AsylG überhaupt eine individuelle Prüfung durchgeführt werde, ob Asylgründe vorliegen; dabei bleibe jedoch im Dunkeln, inwiefern durch die Verwendung gerade des Wortes "begründeten" eine Verletzung des Art 4 des 4. ZPEMRK durch den dadurch bedingten Entfall einer individuellen Prüfung begründet sein solle. Diese Bestimmung lasse sich jedenfalls verfassungskonform interpretieren:

"Bei richtigem Verständnis der Bestimmung reicht es lediglich nicht hin, auf das Vorliegen einer Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutzgründe gemäß § 8 AsylG 1997 hinzuweisen, sondern ist erforderlich, dass dargetan wird, aus welchem Grund gerade in der Person des jeweiligen Asylwerbers die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiäre Schutzgründe vorliegen. Den Asylwerber trifft daher nicht die Pflicht, 'besonders qualifizierte Hinweise' vorzubringen; es ist lediglich erforderlich, das Vorliegen dieser Hinweise zu begründen. In diesem Sinne sind auch die Erläuterungen zu dieser Bestimmung zu verstehen, da an keiner Stelle der Erläuterungen erwähnt wird, dass die Hinweise 'besonders qualifiziert' sein müssten. Das diesbezügliche Vorbringen der Antragstellerin geht daher ins Leere."

Zu der von der Wiener Landesregierung aufgeworfenen Frage einer allfälligen Verdrängung der angefochtenen Bestimmung durch Art 3 Abs 1 Dublin II-VO bringt die Bundesregierung vor, dass die Wiener Landesregierung von der irrtümlichen Annahme ausgehe, einer Entscheidung nach § 6 gehe keine Prüfung voraus. Eine solche Entscheidung nach § 6 stelle jedoch eine materielle Entscheidung dar, da entgegen der im Antrag geäußerten Auffassung sehr wohl geprüft werde, ob der Asylwerber Asylgründe vorgebracht habe oder ob solche amtsbekannt seien; gleiches gelte für den subsidiären Schutz. Von einem Anwendungsvorrang der Dublin II-VO und einer Verdrängung des § 6 Abs 1 AsylG sei daher auf Grund der Gemeinschaftskonformität der österreichischen Rechtslage nicht auszugehen.

Dem Vorwurf der Wiener Landesregierung, durch die in § 6 Abs 1 Z 1 und Abs 2 AsylG normierte "Liste sicherer Herkunftsstaaten" werde das Grundrecht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt, hält die Bundesregierung entgegen, dass den angefochtenen Regelungen eine entsprechende sachliche Rechtfertigung zugrunde liege. Sie führt dazu Folgendes aus:

"Zutreffend ist, dass sich der Gesetzgeber dazu entschlossen hat, für besonders ausgewählte Staaten ein besonderes Verfahren zu normieren. Bestandteil der Rechtsordnungen der ausgewählten Staaten ist ein Verbot der Todesstrafe im Sinne des 6. ZPEMRK, die Staaten sind Mitglieder der EMRK oder haben - soweit es sich um außereuropäische Staaten handelt - vergleichbare Grundrechte und verfügen über entsprechende Rechtsschutzstandards. Daher ist davon auszugehen, dass Staatsangehörige dieser Staaten oder Staatenlose, die in solchen Staaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, in aller Regel weder Flüchtlinge sind, noch Schutzgründe gemäß § 8 vorliegen. Auch seitens der Bundesregierung wird nicht verkannt, dass ein Abstellen auf die Staatsangehörigkeit allein in manchen Fällen eine sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierung darstellt. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber für jene Fälle, in denen entgegen der Regelvermutung davon auszugehen ist, dass dennoch die Flüchtlingseigenschaft gegeben oder subsidiäre Schutzgründe im Sinn des § 8 AsylG vorliegen könnte, die Möglichkeit geschaffen, nicht gemäß § 6 zu entscheiden, sondern ein 'Normalverfahren' gemäß § 7 zu führen.

Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass sich auch das deutsche Bundesverfassungsgericht schon mit der Zulässigkeit von Listen sicherer Herkunftsstaaten zu befassen hatte (Gz 2 BvR 1507 und 1508/93 vom ). Im gegenständlichen Verfahren stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass sowohl die Möglichkeit einer Liste sicherer Herkunftsstaaten, als auch die Aufnahme Ghanas in diese Liste mit dem Deutschen Grundgesetz vereinbar sind.

Es kann daher entgegen den Ausführungen im Antrag - im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - nicht davon ausgegangen werden, dass eine differenzierte Regelung 'aus dem alleinigen Grund' der Nationalität der Asylwerber angeordnet getroffen wird; vielmehr wird eine solche unterschiedliche Behandlung erst dann wirksam, wenn zusätzlich zur Voraussetzung der Staatsangehörigkeit zu einem (oder, als Staatenloser, des gewöhnlichen Aufenthaltes in einem) 'sicheren Herkunftsstaat' keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft oder das Vorliegen subsidiärer Schutzgründe gemäß § 8 AsylG 1997 hinzutreten.

Die im Hinblick auf das BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung vorgebrachten Bedenken der Antragstellerin treffen daher nicht zu."

2.3. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

Die Bundesregierung hat keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages der Wiener Landesregierung vorgebracht. Auch im Verfahren sind keine die Zulässigkeit in Zweifel ziehende Umstände hervorgekommen.

2.4. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs in der Sache

Den Ausführungen der Wiener Landesregierung, Art 3 Dublin II-VO habe möglicherweise § 6 AsylG verdrängt, sodass diese Bestimmung nicht anzuwenden sei, ist zu entgegnen, dass das in der Dublin II-VO vorgesehene individuelle Prüfungsverfahren sich auf die Zuständigkeit bezieht, also gerade nicht auf die in § 6 genannten Kriterien. Auch ist § 6 AsylG - wie noch näher auszuführen sein wird - nicht als Bestimmung zu verstehen, die individuelle Verfahren verhindert, sondern setzt gerade ein Verfahren voraus, in dem sich erst herausstellt, ob der Antrag offensichtlich unbegründet ist.

Im Jahr 2002 haben laut Statistik des Bundesministeriums für Inneres, Sektion III - Recht, zwei Angehörige aus den damaligen Mitgliedstaaten der EU sowie weitere 114 aus den damaligen Kandidatenländern, die seit dem Mitgliedstaaten der EU sind, Asylanträge gestellt. Angehörige sonstiger in § 6 Abs 2 AsylG genannter Herkunftsländer haben zwei Asylanträge gestellt. Im Jahr 2003 sind die Asylanträge aus den Kandidatenländern zurückgegangen. Im ersten Halbjahr 2004 haben 4 deutsche, 1 kanadischer, 3 lettische, 4 litauische, 3 polnische, 1 slowakischer, 1 slowenischer, 3 tschechische und 1 ungarischer Staatsangehöriger Asylanträge gestellt.

Aus einer weiteren Statistik des Bundesministeriums für Inneres ergibt sich ferner hinsichtlich der Anzahl der Personen aus den in § 6 Abs 2 AsylG genannten Herkunftsländern, denen Asyl (bzw. Refoulementschutz) gewährt wurde, Folgendes: Im Jahr 2002 wurde zwei Slowaken, im Jahr 2003 einem Franzosen und im Jahr 2004 (mit Stand ) keiner Person aus einem sicheren Herkunftsland iSd § 6 AsylG Asyl bzw. Refoulementschutz gewährt.

Die Wiener Landesregierung wendet sich gegen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten an sich. Es sei unsachlich, gerade die ausgewählten Staaten im Gesetz zu nennen. Weiters führe das Konzept zu einer Kollektivausweisung und verbiete nach § 6 AsylG die Einzelfallprüfung. Die Bundesregierung hält dem ua. entgegen, dass § 6 AsylG eine individuelle Prüfung und Entscheidung anordne, wenn es dort heißt, dass eine Abweisung eines Asylantrages nur dann erfolgen solle, wenn kein "begründeter Hinweis auf eine Flüchtlingseigenschaft oder das Vorliegen subsidiärer Schutzgründe gemäß § 8 AsylG" gegeben sei.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass § 6 AsylG keine besondere Verfahrensart vorsieht: Wenn der Antrag zulässig ist, hat das Bundesasylamt inhaltlich über den Asylantrag in Anwendung des AVG zu entscheiden. Ist ein Antrag unbegründet, so ist er abzuweisen. Das Gesetz differenziert jedoch, ob ein Antrag offensichtlich unbegründet ist oder sich erst nach näherer Prüfung als unbegründet herausstellt. Die Rechtsfolgen dieser Unterscheidung betreffen die aufschiebende Wirkung einer Berufung und die sofortige Durchsetzbarkeit von Bescheiden, nicht aber die Verfahrensregelungen, die die Asylbehörden zu beachten haben. Stellt sich im Zuge des Ermittlungsverfahrens heraus, dass die Voraussetzungen für die Asylgewährung nicht gegeben sind, so ist der Antrag entweder nach § 6 oder nach § 7 AsylG abzuweisen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die beiden Bestimmungen über die materielle Erledigung von Asylanträgen nicht. Auch die Prüfung des Refoulementverbotes ist in beiden Fällen der Abweisung vorzunehmen: Selbst wenn ein Asylantrag abgewiesen wird, kommt es nach Maßgabe des § 8 Abs 1 AsylG zu einer Refoulementprüfung, und der Asylwerber kann subsidiären Schutz erhalten.

§ 6 Abs 2 enthält zwei Gruppen von sicheren Herkunftsstaaten, nämlich einerseits die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und andererseits einige andere Staaten, die als sichere Herkunftsstaaten gemäß dem AsylG gelten.

Dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Prinzip rechtlich als sichere Herkunftsstaaten gelten, ergibt sich aus dem Protokoll 29 zum Vertrag von Amsterdam, jedoch zeigt die Erklärung 48, dass mit dem Protokoll das Recht eines jeden Mitgliedstaats nicht berührt wird, "die organisatorischen Maßnahmen zu treffen, die er zur Erfüllung seiner Verpflichtungen [aus der Genfer Flüchtlingskonvention] für erforderlich hält". Im Protokoll 29 sind bloß Staatsangehörige von Mitgliedstaaten genannt, während § 6 Abs 1 Z 1 auch Staatenlose einschließt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem sicheren Herkunftsstaat haben. Die im genannten Protokoll vorgesehenen Ausnahmen betreffen außerordentliche Maßnahmen, die Mitgliedstaaten gegenüber anderen Mitgliedstaaten treffen können, die der Gesetzgeber nicht vorwegnehmen muss, sondern sinnvoller Weise erst - idR wohl nur in Abstimmung mit anderen Mitgliedstaaten - treffen wird, wenn die dort genannten außerordentlichen Zustände eintreten.

Nach Art 4 des 4. ZPEMRK sind Kollektivausweisungen von Fremden nicht zulässig. Der Ausdruck "Ausweisung" umfasst vom Wortsinn her alle Maßnahmen, die darauf abzielen, dass der Fremde bzw. Asylwerber das Land verlasse (VfSlg. 13.300/1992). Diese Definition steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung der Straßburger Organe, wonach eine Ausweisung iSd 4. ZPEMRK eine Maßnahme der zuständigen Autorität ist, die den Fremden zum Verlassen des Landes zwingt (EKMR , Becker gegen Dänemark; , Tahiri gegen Schweden). Als Ausweisung ist nicht erst der unmittelbare Zwang zum Verlassen des Staates anzusehen, sondern bereits die dem Fremden auferlegte Pflicht, aus dem Staatsgebiet auszureisen (vgl. Muzak, Die Aufenthaltsberechtigung für "De-facto-Flüchtlinge" durch Verordnung der Bundesregierung, ÖJZ 1999, 13, [19]; Pöschl in: Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 7 zu Art 4 des 4. ZPEMRK). Art 3 des

4. ZPEMRK verbietet die Ausweisung eigener Staatsbürger und unterscheidet bereits Ausweisungen durch Einzel- bzw. Kollektivmaßnahmen. Der Begriff der Kollektivausweisung in Art 4 des

4. ZPEMRK ist als Ausweisung einer ganzen Personengruppe ohne individuelle Prüfung der Ausweisungsgründe zu verstehen (vgl. Berka, Die Grundrechte [1999], 254). Bei der Abgrenzung von Einzel- oder Kollektivmaßnahmen ist daher von Bedeutung, ob die Ausweisung nach generellen Kriterien erfolgt oder ob die Berücksichtigung individueller Besonderheiten von Bedeutung ist.

Im Fall Andric gegen Schweden meinte der EGMR, dass die Kollektivausweisung eine Maßnahme sei, nach der Fremde als Gruppe ("as a group") gezwungen würden auszureisen (EGMR , 45917/99, ÖJZ 1999/33). Keine Kollektivausweisung sei es, wenn eine solche Maßnahme auf Grund einer vernünftigen und objektiven Prüfung des Einzelfalles der Gruppe erfolge. Dass Angehörige einer solchen Gruppe ähnliche Bescheide erhielten, begründe nicht die Annahme einer Kollektivausweisung, wenn der Einzelne seine Argumente vorbringen konnte.

Im Fall Conka gegen Belgien wiederholte der EGMR zunächst seine allgemeinen Aussagen zum Begriff der Kollektivausweisung (EGMR , 51564/1999). Dem Urteil lag als Sachverhalt zugrunde, dass eine Gruppe von aus der Slowakei stammenden Roma in Belgien Asylanträge einbrachte. Der EGMR kam zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung des Art 4 des 4. ZPEMRK vorliege. Hierbei verwies er auf eine "Note providing general guidance on overall policy in immigration matters", die vom Belgischen Kabinett approbiert wurde und worin ua. ausgeführt wird, dass ein Plan für kollektive Ausweisungen in Beratung stehe, einerseits um ein Signal an die slowakischen Behörden zu senden, andererseits um eine große Zahl illegaler Einwanderer zu deportieren, deren Anwesenheit nicht länger toleriert werden könne. Auch wenn formal individuelle Entscheidungen erlassen wurden, konnte nach Auffassung des EGMR unter den gegebenen Umständen nicht von einer vernünftigen und objektiven Überprüfung der besonderen Umstände jedes einzelnen zu einer Gruppe gehörigen Fremden gesprochen werden, da man auch den Hintergrund der individuellen Entscheidung in Betracht ziehen müsse (Nr. 56 bis 63 des Urteils).

Der Regelung des AsylG liegt kein Bestreben des Staates zu Grunde, bestimmte Gruppen von Fremden kollektiv außer Landes zu schaffen. Dass Einzelverfahren zu führen sind, in denen auch über die Sicherheit des Herkunftslandes und ein allfälliges Refoulement-Verbot endgültig zu entscheiden ist, wurde bereits oben dargetan.

Dem Gesetz liegt also - anders als der Vorgangsweise im Fall Conka - keine diskriminierende Absicht zu Grunde. Die Liste soll bloß der Vereinfachung des Verfahrens in dem Sinne dienen, dass der Gesetzgeber selbst zunächst eine Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall vornimmt. Eine solche Vorbeurteilung setzt allerdings voraus, dass sich der Gesetzgeber, wie auch bei der Beurteilung der Drittstaatsicherheit, der Sicherheit durch entsprechende Untersuchungen vergewissert. Anders als bei der Drittstaatsicherheit bezieht sich die Vergewisserung aber nicht auf das Bestehen eines Asylrechts und einer entsprechenden Asylpraxis, das der Genfer Flüchtlingskonvention entspricht. Sicherheit im Herkunftsstaat bedeutet vielmehr, dass der Staat in seiner Rechtsordnung und Rechtspraxis alle in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor einem dem Art 3 EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechenden Verhalten seiner Behörden ebenso schützt wie gegen die Auslieferung an einen "unsicheren" Staat. Das Schutzniveau muss jenem der Mitgliedstaaten der EU entsprechen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die anderen sicheren Herkunftsstaaten in § 6 Abs 2 AsylG in einem Zug mit den Mitgliedstaaten der EU genannt werden.

Was nun die Sicherheit in Australien, Island, Kanada, Liechtenstein, Neuseeland, Norwegen und der Schweiz betrifft, so hat die antragstellende Landesregierung nichts vorgebracht, was an der Sicherheit dieser Staaten zweifeln lässt. Die Asylstatistik des Bundesministeriums für Inneres zeigt weiters, dass zumindest seit dem kein einziger Asylantrag von Staatsangehörigen Australiens, Islands, Liechtensteins, Neuseelands, Norwegens und der Schweiz gestellt wurde. Im Jahr 2002 stellten lediglich zwei Kanadier, im Jahr 2003 drei Kanadier und im Jahr 2004 bis zum ein Kanadier Asylanträge. In derselben Zeit wurde keinem einzigen Angehörigen dieser Staaten Asyl gewährt. Diese Asylstatistik mag Zweifel über das praktische Bedürfnis zu einer Regelung - wie sie § 6 Abs 2 AsylG trifft - wecken, bestätigt aber auch, dass gegen die Aufnahme dieser Staaten in die Liste sicherer Herkunftsstaaten keine Bedenken bestehen. Dass die Liste nur sieben Staaten enthält und nicht mehr - vielleicht vergleichbare - Staaten, macht sie nicht gleichheitswidrig, weil es dem Gesetzgeber freisteht, die Sicherheit von Herkunftsländern eher vorsichtig zu beurteilen.

Wenn die Wiener Landesregierung Entscheidungen anführt, in denen die Sicherheit von Ländern der Europäischen Union, vor allem solcher Staaten, die erst seit dem Mitgliedstaaten sind, in Frage gestellt worden sei, so werden die Asylbehörden begründeten Hinweisen der Asylwerber nachzugehen haben. Dem Gesetzgeber, der solche Überprüfungen ermöglicht hat, kann aber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegen getreten werden, wenn er nach entsprechender Vergewisserung im oben angeführten Sinn eine vereinfachte Lösung für den Normalfall trifft.

Richtig ist, dass die Genfer Flüchtlingskonvention das Konzept sicherer Herkunftsländer nicht kennt, sondern die vertragsschließenden Staaten verpflichtet, die Bestimmungen des Abkommens auf Flüchtlinge anzuwenden, ohne bei ihnen einen Unterschied wegen ihrer Rasse, ihrer Religion oder ihres Herkunftslandes zu machen (Art3 Genfer Flüchtlingskonvention). Wie bereits eingangs erwähnt, ist die Genfer Flüchtlingskonvention nicht Teil des österreichischen Verfassungsrechtes und damit auch kein Prüfungsmaßstab, weshalb auch auf das Argument, § 6 AsylG verstoße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, nicht einzugehen ist.

Dem Vorbringen, Rechte der Asylwerber würden durch die Worte "begründeter Hinweis" in verfassungswidriger Weise beschränkt, ist entgegenzuhalten, dass - wie oben dargelegt - § 6 AsylG die Asylbehörden nicht der Aufgabe enthebt, ein Asylverfahren mit den vollen Garantien der Verwaltungsverfahrensgesetze durchzuführen und eine Abweisung eines Asylantrages erst dann zu verfügen, wenn sich im Verfahren dessen Unbegründetheit herausstellt. Dass ein Antrag auch abzuweisen ist, wenn er offensichtlich unbegründet ist, ändert nichts an der Notwendigkeit zur Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Auch ohne die Existenz des § 6 AsylG wäre in den in § 6 genannten Fällen mit Abweisung (dann nach § 7 AsylG) vorzugehen.

Mit den Worten "begründeter Hinweis" wird - anders als die Wiener Landesregierung meint - keineswegs eine zu Lasten des Asylwerbers gehende Beweislast festgelegt, weil der Asylwerber - wie vorgebracht wird - häufig keine Möglichkeit der Beischaffung der entsprechenden Beweise hätte. Vielmehr wird damit angeordnet, dass die Asylbehörde nicht von Amts wegen allen denkbaren Asylgründen selbst dann nachgehen muss, wenn es keinen begründeten Hinweis dafür gibt, dass möglicherweise ein in der Liste des § 6 Abs 2 AsylG aufscheinender Herkunftsstaat doch im Einzelfall als nicht sicher für den Asylwerber anzusehen ist. Dass ein solcher Hinweis vorliegen muss, um die Behörde zur amtswegigen Ermittlung zu veranlassen, ist keine Besonderheit des § 6 AsylG. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung betont, hat die Asylbehörde in allen Verfahrensstadien von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrags geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel bezeichnet oder ergänzt sowie überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, die zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen; hingegen besteht keine Verpflichtung der Behörde, von Amts wegen mögliche Gründe zu ermitteln, für deren Vorliegen kein "hinreichend deutlicher Hinweis" besteht. Demnach ist die Behörde auch nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die der Antragsteller gar nicht behauptet hat (vgl. ; , 98/20/0196; , 99/20/0590; , 2000/20/0467; , 2001/20/0041; , 2000/20/0015 ua.).

Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Ersatz der Worte "sonstiger Hinweis" in § 6 AsylG 1997 in der Stammfassung durch die Worte "begründeter Hinweis" zu einer Verschlechterung der Position des Asylwerbers führen soll (aA Schmid/Frank/Anerinhof, Asylgesetz² [2004] 132). Die Neuregelung bedeutet nämlich nicht etwa, dass der Asylwerber eine qualifizierte Begründung vorzulegen hätte. Dazu findet sich weder in den Gesetzesmaterialien ein Hinweis, noch ist ersichtlich, warum die Änderung des Textes zu solchen Konsequenzen führen soll. Wenn der Gesetzgeber einen begründeten Hinweis auf eine Ausnahmesituation - sei es durch den Asylwerber selbst, sei es auf Grund anderer Umstände - verlangt, so folgt er damit nur der selbstverständlichen und auch in der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck kommenden Voraussetzung für ein amtswegiges Tätigwerden der Behörde, nämlich dass konkrete Anhaltspunkte für Umstände vorhanden sein müssen, um diesen nachzugehen. Dazu reicht aber nicht jeder abstrakte (unbegründete) Hinweis aus. Auch ein Asylwerber muss iS seiner Mitwirkungspflicht, wenn er Hinweise gibt, diese konkretisieren (begründen). Es wird hingegen vom Asylwerber nicht eine Beweisführung verlangt, die die amtswegige Ermittlung ersetzen soll, noch muss - wie auch die Bundesregierung einräumt - der Hinweis "besonders qualifiziert" sein.

Der Antrag war daher abzuweisen.

3. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 1 Z 6 und § 4a Abs 3 Z 3 sowie § 8 Abs 2 AsylG (Unbeachtlichkeit der Drittstaatsicherheit bloß bei Kernfamilie, Verbindung des Asylbescheides mit der Ausweisung)

3.1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung

Die oberösterreichische Landesregierung begehrt die Aufhebung des § 8 Abs 2 AsylG in seiner Gesamtheit und begründet den gewählten Anfechtungsumfang mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Vorliegen einer untrennbaren Einheit von in Prüfung zu ziehenden Vorschriften sowie ferner damit, dass die in § 8 Abs 2 liegende Verfassungswidrigkeit durch die Anfechtung bzw. Aufhebung einer bloßen Wortfolge dieser Bestimmung nicht behoben werden könne.

Die oberösterreichische Landesregierung erachtet § 8 Abs 2 AsylG als gleichheitswidrig. Sie vergleicht § 8 AsylG mit § 37 Fremdengesetz 1997. Nach dessen Wiedergabe meint sie, dass die im Fremdengesetz eröffnete Möglichkeit der Berücksichtigung der in Art 8 EMRK geschützten Rechte durch § 8 Abs 2 AsylG nicht gewährt würde. Dadurch, dass § 8 Abs 2 AsylG ohne weitere Abwägungskriterien und ohne die Möglichkeit einer Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 8 EMRK eine negative Entscheidung im Asylverfahren zwingend mit einer Ausweisung verbindet, entspreche die angefochtene Bestimmung nicht dem durch den Gleichheitsgrundsatz normierten Sachlichkeitsgebot und sei somit verfassungswidrig.

Aus diesen Überlegungen ergebe sich auch, dass § 8 Abs 2 AsylG gegen Art 8 EMRK verstoße. Nach Wiedergabe der Judikatur des EGMR zu Art 8 EMRK führt die oberösterreichische Landesregierung aus:

"Dadurch, dass § 8 Abs 2 Asylgesetz 1997 - im Gegensatz zu § 37 Fremdengesetz 1997 - bei der Abweisung des Asylantrags und der damit zwingend verbundenen Ausweisung ein Eingehen auf Art 8 EMRK nicht vorsieht, setzt er sich damit auch in Widerspruch zu Art 8 EMRK (vgl. dazu auch das Erkenntnis des ). Diese Problematik tritt beispielsweise in der Konstellation zu Tage, dass ein Asylantrag dazu benützt wird, auf diesem Weg auch eine Familienzusammenführung zustande zu bringen. Es ist in einem solchen Fall nicht erkennbar, dass eine Ausweisung zur Erreichung eines der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele notwendig ist. § 8 Abs 2 Asylgesetz 1997 ist daher auch aus diesem Grund verfassungswidrig."

3.2. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung beantragt die Aufhebung der gesamten Z 6 in § 1 AsylG, der gesamten Z 3 in § 4a Abs 3 AsylG sowie des gesamten § 8 Abs 2 AsylG. Sie begründet dies damit, dass nur auf diese Weise die geltend gemachten Verfassungswidrigkeiten beseitigt werden könnten.

Die Wiener Landesregierung erachtet § 1 Z 6 und § 4a Abs 3 Z 3 sowie § 8 Abs 2 AsylG wegen Verstoßes gegen Art 8 Abs 1 EMRK als verfassungswidrig. Aus der Rechtsprechung des EGMR ergebe sich, dass der Begriff "Familienleben" in Art 8 Abs 1 EMRK nicht auf die Kleinfamilie von Eltern und Kindern beschränkt, sondern in einem weiten Sinne zu verstehen sei. Das Familienleben umfasse nach Auffassung des EGMR auch Beziehungen zwischen "nahen Verwandten", die in der Familie eine wesentliche Rolle spielen könnten, wie jene zwischen Großeltern und Enkeln.

Zudem werde durch Art 8 Abs 1 EMRK nicht nur eine bestehende Ehe geschützt, sondern auch erst beabsichtigtes Eheleben, wenn ausreichende Hinweise für die Annahme eines künftigen Familienlebens bestehen. Überhaupt würden uneheliche und verwandtschaftliche Beziehungen dann, wenn sie tatsächlich und in einer bestimmten Intensität (gemeinsamer Haushalt, Unterhaltsleistungen) gelebt werden, als "Familienleben" iSv Art 8 Abs 1 EMRK gelten. Auch die Volljährigkeit der Kinder schließe ein "Familienleben" zwischen diesen und ihren Eltern nicht aus. In ständiger Rechtsprechung vertrete der EGMR, dass in das Recht auf Familienleben durch Ausweisung eines Familienangehörigen sowie durch Beschränkung des Aufenthaltsrechts eines Elternteils eingegriffen werde.

Der Ausweisungstatbestand des § 8 Abs 2 AsylG verweise zwar iVm § 8 Abs 1 auf das Refoulement-Verbot gemäß § 57 Fremdengesetz 1997 und sei daher mit Art 3 EMRK vereinbar, unterlasse aber - im Gegensatz zu § 37 Fremdengesetz 1997 - eine Berücksichtigung von Art 8 EMRK. Da es der angefochtenen Bestimmung an einer die grundrechtlichen Anforderungen ausführenden gesetzlichen Regelung mangelt, die eine Ausweisung nur zulässt, wenn dies zur Erreichung einer der Ziele des Art 8 Abs 2 EMRK notwendig ist, verletze § 8 Abs 2 AsylG Art 8 EMRK.

Da die Definition des Familienangehörigen in § 1 Z 6 und die diesbezügliche Referenz in § 4a Abs 3 Z 3 im Widerspruch mit der wesentlich weiteren Definition Familienangehöriger durch die Judikatur des EGMR zu Art 8 EMRK stehe, seien beide Bestimmungen verfassungswidrig. Die Wiener Landesregierung meint dazu weiters:

"Es könnte allenfalls argumentiert werden, dass § 1 Z 6 Asylgesetz 1997 vom VfGH gar nicht anzuwenden und daher der Antrag diesbezüglich unzulässig ist: Denn § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 bleibt unter den Mindestanforderungen von Art 2 litd der Richtlinie 9/2003 EG des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedsstaaten (ABl. 2003 L 31, Seite 18) zurück. § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 definiert nämlich 'Familienangehörige' wesentlich enger als Art 2 litd der genannten Richtlinie und widerspricht somit gemeinschaftsrechtlichem Sekundärrecht. Im Gegensatz zur Mindestanforderung der Richtlinie, die vorsieht, dass nicht verheiratete (Lebens-) Partner, die mit dem Asylwerber eine dauerhafte Beziehung führen, als Familienangehörige zu gelten haben, anerkennt § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 lediglich Ehegatten (neben Elternteilen und unverheirateten minderjährigen Kindern) als Familienangehörige.

Nun ist zwar zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 9/2003 EG des Rates von den Mitgliedsstaaten nach ihrem Art 26 Abs 1 erst mit umgesetzt sein muss. Dennoch ist die Bestimmung des § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist unzulässig. Es folgt nämlich aus der Rechtssprechung des EuGH, dass während der Fristen bis zum In-Kraft-Treten einer Richtlinie von den Mitgliedsstaaten keine Vorschriften neu erlassen werden dürfen, die geeignet sind, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels bei Ablauf der Umsetzungsfrist ernstlich in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Rs C-129/96, Inter-Environnement Wallonie ASBL/Region wallone, Slg. 1997, S. I-7411 ff., Urteil vom ). Ob dies der Fall ist, habe, so der EuGH weiter, das nationale Gericht zu beurteilen, dass dabei insbesondere die konkreten Folgen der Anwendung der mit der Richtlinie nicht übereinstimmenden Vorschriften und deren Geltungsdauer zu untersuchen habe. Die Anwendung der richtlinienwidrigen Bestimmung des § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 steht in Widerspruch mit wesentlichen Zielen der Richtlinie 9/2003 EG des Rates, die sich in den Absätzen 5, 7 und 8 der Vorbemerkungen zur Richtlinie finden und wie folgt lauten:

'(5) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Ziel dieser Richtlinie ist es vor allem, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde zu gewährleisten und die Anwendung der Artikel 1 und 18 der genannten Charta zu fördern.

(...)

(7) Es sollten Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern festgelegt werden, die diesen im Normalfall ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedsstaaten gewährleisten.

(8) Einheitliche Bedingungen für die Aufnahme von Asylwerbern sollten dazu beitragen, die auf unterschiedliche Aufnahmevorschriften zurückzuführende Sekundärmigration von Asylwerbern einzudämmen.'

Der zu enge Begriff der Familienangehörigen in § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 verstößt gegen diese Ziele, da er Art 7 ('Achtung des Privat- und Familienlebens') der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt. Die Rechte nach Art 7 entsprechen jenen, die durch Art 8 EMRK garantiert sind (Art52 Abs 3 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, vgl. auch Fischer, Konvent zur Zukunft Europas [2003], ArtII-7, Seite 203). Wie oben dargelegt ist § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 nicht mit Art 8 EMRK vereinbar. Darüber hinaus folgt aus der Nicht-Einhaltung des gemeinschaftsrechtlichen Mindeststandards, dass auch das Ziel, einheitliche Bedingungen für die Aufnahme von Asylwerbern und somit eine Eindämmung der Sekundärmigration zu erreichen, vereitelt wird. So ist die Geltungsdauer von § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 unbefristet und kann erst durch eine neue gesetzliche Regelung beendet werden. Aus diesem Grund ist § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 gemeinschaftsrechtswidrig.

Die zu § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 gemachten Ausführungen treffen auch auf die Bestimmung des § 4a Abs 3 Z. 3 Asylgesetz 1997 zu, welche in Anlehnung an § 1 Z. 6 Asylgesetz 1997 ebenfalls nur Ehegatten, nicht aber, wie in Hinblick auf Art 8 EMRK und Art 2 litd der Richtlinie 2003/9/EG erforderlich, nicht verheiratete Lebenspartner anführt."

Weiters verletze § 8 Abs 2 AsylG nach Auffassung der Wiener Landesregierung den (gemäß ArtI BVG BGBl. 390/1973 auch auf Fremde untereinander anzuwendenden) Gleichheitsgrundsatz, da es keine sachliche Rechtfertigung dafür gebe, warum bei Ausländern, die gemäß §§33 ff. Fremdengesetz 1997 außer Landes gewiesen werden, dies nur unter Beachtung von Art 8 EMRK erfolgen dürfe, wogegen für asylsuchende Ausländer nach § 8 Abs 2 AsylG keine solche Prüfung im Hinblick auf Art 8 EMRK durchgeführt werden müsse. Aus denselben Gründen verstoße diese Bestimmung gegen Art 8 iVm Art 14 EMRK.

3.3. Der Antrag des unabhängigen Bundesasylsenates

Der unabhängige Bundesasylsenat (im Folgenden kurz: UBAS) ficht in § 8 Abs 2 das Wort "Ausweisung", in eventu den gesamten Absatz an. "[I]n eventu - d.h. für den Fall, dass dem Erstantrag nicht im größtmöglichen Umfang, also nicht ohne Setzung einer Frist im Sinne des Art 140 Abs 5 B-VG und nicht in Verbindung mit einem Ausspruch im Sinne des Art 140 Abs 7 B-VG, dass die in Entsprechung des Erstantrages aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei, entsprochen werde -" ficht der UBAS in § 44 Abs 3 leg. cit. die Zeichenfolge "8, 15," an.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges führt der UBAS zur Zulässigkeit seines Antrages aus, dass der das Verfahren in Gang setzende Asylantrag am gestellt worden sei, weshalb auf das Berufungsverfahren vor dem UBAS grundsätzlich gemäß § 44 Abs 1 das AsylG in der alten Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 anzuwenden sei. Jedoch normiere § 44 Abs 3 AsylG, dass ua. § 8 in der geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 101/2003) auch anzuwenden sei. Weiters meint der UBAS:

"Demnach hat die antragstellende Behörde im gegenständlichen Verfahren nunmehr, dh. nach dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 mit , im gegenständlichen Verfahren im Rahmen ihrer Berufungsentscheidung dann, wenn auch sie zu der Auffassung gelangen sollte, dass nicht nur die Gewährung von Asyl zu versagen, sondern überdies 'die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung' des Berufungswerbers ihres Verfahrens in die Türkei zulässig sei, diesen ihren (bestätigenden) Ausspruch gemäß § 8 Abs 2 AsylG idgF 'mit der Ausweisung zu verbinden' bzw. jedenfalls, in Wahrnehmung dieser den Asylbehörden mit neu zugewachsenen Kompetenz, eine - im einzelnen wie immer geartete - Ausweisungsentscheidung zu treffen [...].

b) Wie aus der Verhandlungsschrift vom ersichtlich, ist die antragstellende Behörde im gegenständlichen Verfahren, auf der Grundlage eines diesbezüglich aufgenommenen Sachververständigenbeweises, zu eben dieser Auffassung bereits tatsächlich gelangt.

§ 8 Abs 2 und § 44 Abs 3 AsylG idgF sind daher, jedenfalls im gegenwärtigen Verfahrensstadium, für die Entscheidung der antragstellenden Behörde bereits unmittelbar präjudiziell.

2.

a) Die mit diesem Antrag an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Bedenken der antragstellenden Behörde richten sich ausschließlich gegen die in § 8 Abs 2 AsylG idgF allgemein und in § 44 Abs 3 leg. cit. auch für Verfahren, die auf vor dem gestellten Anträgen beruhen, verfügte Einbeziehung einer Entscheidung über eine 'Ausweisung' in das bisherige Verfahren über die Gewährung von Asyl bzw. von Refoulementschutz.

Angesichts des Umstandes jedoch, dass mit der Eliminierung des Wortes 'Ausweisung' § 8 Abs 2 AsylG idgF jeden normativen Inhalt verlöre, wird eventualiter die Behebung des gesamten Abs 2 des § 8 leg. cit. beantragt.

b) § 8 AsylG idgF enthält in seinem ersten Absatz den normativen Inhalt des bisherigen § 8; Abs 2 ist vollständiger Neubestand, während der normative Inhalt der Absätze 3 und 4 sich bisher in den ersten drei Absätzen des § 15 AsylG idF BGBl. I Nr. 126/2002 fand.

Nachdem nun in § 44 Abs 3 AsylG idgF nicht zwischen einzelnen Absätzen der dort angeführten verschiedenen Paragraphen differenziert wird, ist - angesichts des einhelligen formellen Verständnisses der dem Verfassungsgerichtshof in Art 140 B-VG eingeräumten Kompetenz,

'ein Gesetz ... als verfassungswidrig auf(zu)heben', d.h., angesichts

der sich daraus ergebenden Unmöglichkeit, dass der Verfassungsgerichtshof, als lediglich 'negativer Gesetzgeber', etwa in § 44 Abs 3 AsylG idgF das Zeichen '8,' durch die Wortfolge '8 Abs 1, 3 und 4,' ersetzte (was bei materieller Betrachtungsweise durchaus einer 'Aufhebung' nur der Anführung des § 8 Abs 2 in § 44 Abs 3 entspräche!) - als engstmöglicher Umfang der Anfechtung nur der Antrag, die Erwähnung des gesamten § 8 in § 44 Abs 3 AsylG idgF aufzuheben, in Betracht zu ziehen.

Zur Vermeidung der diesfalls jedoch bewirkten Lücke dadurch, dass diese Aufhebung auch Teile des bislang in § 15 Geregelten beträfe, schien es erforderlich, auch die Erwähnung des gesamten § 15 in § 44 Abs 3 leg. cit. in die Anfechtungserklärung miteinzubeziehen, um demnach insgesamt die Wirkungen der beantragten Aufhebung auf das geringstmögliche Maß zu beschränken.

c) Die beantragte Aufhebung im Bereich des § 44 Abs 3 AsylG idgF erübrigte sich jedoch, wenn - mit sofortiger, größtmöglicher Wirkung - dem Erstantrag entsprochen werden sollte; deshalb wurde der Zweitantrag nur als Eventualantrag, unter genauer Angabe der entsprechenden Determinanten, gestellt."

3.4. Die Äußerung der Bundesregierung zur Zulässigkeit der Anträge

Die Bundesregierung zieht die Zulässigkeit der Anträge der Landesregierungen nicht in Zweifel. Hingegen führt sie zur Zulässigkeit des Antrages des unabhängigen Bundesasylsenates nach Erörterung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes aus, dass im Falle der Stattgabe des Antrages und antragsgemäßer Aufhebung des

Wortes "Ausweisung" in § 8 Abs 2 AsylG der Schluss des Abs 2 "... hat

die Behörde diesen Bescheid mit der zu verbinden." lauten würde. Außerdem erschiene der verbleibende Teil auch sprachlich fehlerhaft, da nicht erkennbar sei, womit die Behörde den Bescheid über die Abweisung des Asylantrages und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zu verbinden habe. Dann meint die Bundesregierung:

"Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind die Grenzen eines Antrages auf Aufhebung einer Gesetzesbestimmung so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden; dies treffe sowohl auf von Amts wegen als auch auf auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (vgl. VfSlg. 8155/1977, 12465/1990, 13140/1992).

Stellt sich der einer angestrebten Aufhebung verbleibende Rest der Bestimmung als unverständlicher Torso, inhaltsleer und unanwendbar dar so ist - wie aus dem Erkenntnis VfSlg 16.365/2001 folgt - davon auszugehen, dass der Aufhebungsantrag jedenfalls zu eng gehalten wurde. Aus diesem Grund ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Primärantrag auf Aufhebung des Wortes 'Ausweisung' in § 8 Abs 2 AsylG 1997 zurückzuweisen sein wird (vgl. zu einem zu eng gefassten Aufhebungsantrag insbesondere das Erkenntnis VfSlg 12859/1991, in welchem ein Aufhebungsantrag festgehalten wurde '...der (nach der von den Antragstellern angestrebten Aufhebung) verbleibende Rest des ersten Satzes des § 8b Abs 5 AGO 1982 wäre nämlich als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar (vgl. zB )'.

Überdies ist nach Ansicht der Bundesregierung bei Beurteilung der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen vor dem UBAS auch die Übergangsbestimmung des § 44 AsylG 1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 zu beachten. Ohne dass eine vorhergehende Aufhebung der Wortfolge '8, 15,' in § 44 Abs 3 erfolgt ist davon auszugehen, dass § 8 Abs 2 in der angefochtenen Fassung im zugrundeliegenden Verfahren vor dem UBAS nicht zur Anwendung gelangen kann.

Interpretiert man § 44 Abs 3 leg. cit. verfassungskonform, so folgt aus dieser Bestimmung, dass § 8 Abs 2 in 'Altverfahren' (dies sind Verfahren, in denen der zugrunde liegende Asylantrag vor dem gestellt wurde) nur dann anzuwenden ist, wenn die Entscheidung des Bundesasylamtes nach dem ergeht. In diesen Fällen wäre eine entsprechende Entscheidung mit der Ausweisung zu verbinden. Entscheidet das in erster Instanz zuständige Bundesasylamt vor dem und der UBAS nach diesem Datum, so hat dieser - auf Grund seiner Stellung als Berufungsbehörde - § 8 Abs 2 nicht anzuwenden.

Auch insofern erscheint die vom UBAS angefochtene Bestimmung im gegenständlichen Verfahren nicht präjudiziell, weshalb der Antrag auch aus diesem Grund zurückzuweisen wäre.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass diese Ansicht zur Frage der Präjudizialität auch von der antragstellenden Behörde, etwa in der Entscheidung vom

(Zl. 246.158/0-XII/37/04) geteilt wird, in welcher über ein - dem (angeblich) präjudiziellen Verfahren entsprechendes - Berufungsverfahren entschieden wird, ohne dass über die Ausweisung abgesprochen wird.

3. Gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz VerfGG hat der Antrag überdies die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes jedoch nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit - in überprüfbarer Art - präzise ausgebreitet werden, d.h. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. z.B. VfSlg. 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997). Es genügt sohin jedenfalls nicht, dass von den Antragstellern behauptet wird, dass die bekämpften Gesetzesstellen gegen eine oder mehrere - wenn auch näher bezeichnete - Verfassungsbestimmung(en) verstoßen; vielmehr muss von den Antragstellern konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen den bekämpften Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten ist. Begnügt sich ein Antrag damit, den Verstoß gegen Verfassungsgebote zu behaupten, unterlässt er aber konkrete Darlegungen, warum die bekämpften Regelungen im Einzelnen gegen die genannten Verfassungsbestimmungen verstoßen, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so - gleichsam stellvertretend - das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (idS insbesondere VfSlg. 13.123/1992).

In dieser Hinsicht ist zu erwähnen, dass es die antragstellende Behörde nach Ansicht der Bundesregierung verabsäumt hat, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zeichenfolge '8, 15' in § 44 Abs 3 AsylG 1997 entsprechend darzulegen. Dem Antrag kann zwar gerade noch entnommen werden, dass der UBAS vermeint, die gegenständliche Norm wäre gleichheitswidrig und ungenügend determiniert. Die Bundesregierung kann jedoch nicht erkennen, dass die antragstellende Behörde diese Meinung mit einer schlüssigen Argumentationslinie darlegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es aber - wie soeben ausgeführt - nicht die Aufgabe des Höchstgerichts, die - wenn auch bezeichnete angebliche Verfassungswidrigkeit - praktisch stellvertretend für den Antragsteller zu spezifizieren (VfSlg. 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997).

Es ist aber dem gegenständlichen Antrag zumindest in Bezug auf § 44 Abs 3 nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, aus welchen Gründen der antragstellende UBAS zur Annahme des Bestehens einer Verfassungswidrigkeit der gegenständlichen Bestimmung gelangt.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist der Antrag insoweit daher unzulässig und aufgrund der oben angeführten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Die Bundesregierung geht aufgrund der Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Antrag des UBAS und der von diesem anzuwendenden Rechtslage davon aus, dass § 8 Abs 2 AsylG in der angefochtenen Fassung nicht als präjudiziell zu betrachten wäre, und die Prozessvoraussetzungen im Hinblick auf den Antrag auf Aufhebung des gesamten § 8 Abs 2 und der Zeichenfolge '8, 15' in § 44 Abs 3 AsylG 1997 i. d. F. BGBl. I Nr. 101/2003 insgesamt im vorliegenden Fall nicht gegeben sind."

3.5. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung

Zur Behauptung der oberösterreichischen Landesregierung, dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz und gegen Art 8 EMRK durch § 8 Abs 2 AsylG vorliegt, verweist die Bundesregierung auf § 17 Fremdengesetz 1992. Sie führt dazu aus:

"[I]n § 17 FremdenG 1992, BGBl. Nr. 838/1992, war durch einen Verweis auf § 19 leg. cit. vorgesehen, dass bei einer - der Formulierung nach - obligatorischen Ausweisung durch Bescheid auf die durch Art 8 EMRK gewährleisteten Rechte Bedacht zu nehmen war. Auch in den §§33ff FrG 1997 ist normiert, dass eine Ausweisung (gemäß den § 33 Abs 1 oder 34 Abs 1, 2a, 2b und 3) im Falle eines damit verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Fremden nur unter den Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 EMRK zulässig ist. Das FrG 1997 wurde mit BGBl. I Nr. 76, das AsylG 1997 mit BGBl. I Nr. 75 kundgemacht. Aufgrund der zeitlichen Nähe und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Verwendung des Begriffes 'Ausweisung' in beiden Normen von einer identen Begrifflichkeit ausgegangen ist, also der in § 8 AsylG verwendete Begriff der Ausweisung jedenfalls auch so zu verstehen ist, dass anlässlich dieser Ausweisung (wie auch in der Ausweisung gem § 33 Abs 1 FrG 1997) auf die durch Art 8 EMRK geschützten Rechte Bedacht zu nehmen ist. Auch im Rahmen der Ausweisung nach dem AsylG ist somit nach Auffassung der Bundesregierung § 37 FrG anzuwenden.

Sollte der Verfassungsgerichtshof dieser - systematischen - Interpretation nicht folgen, dann ist festzuhalten, dass in jedem Fall - auch wenn § 37 FrG nicht explizit auf die jüngeren Ausweisungsfälle des § 8 AsylG Bezug nimmt - im Rahmen der gebotenen verfassungskonformen Interpretation die Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 EMRK zu beachten sind (zur Möglichkeit der verfassungskonformen Interpretation des § 5 AsylG im Hinblick auf Art 8 und auch Art 3 EMRK siehe etwa VfSlg. 16122)."

Dem bisherigen System der Verbindung einer negativen Entscheidung mit einer Ausweisung des § 5 AsylG in der alten Fassung folgend, habe der Gesetzgeber "alle doppelt negativen Entscheidungen", also Entscheidungen, in denen weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird, im "Normalverfahren" mit einer Ausweisung verbunden. Voraussetzung für die Ausweisung sei also, dass weder Asyl noch subsidiärer Schutz zu gewähren sei, es sich um keine Zurückweisung und um keine Abweisung als offensichtlich unbegründet handle (für die beiden zuletzt genannten Fälle würden Spezialnormen greifen, nämlich die §§5a Abs 1 und 6 Abs 3).

Die von der oberösterreichischen Landesregierung geäußerten Bedenken gegen § 8 AsylG würden daher nach Ansicht der Bundesregierung insgesamt nicht zutreffen. Abschließend weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Niederlassungs- oder Fremdenpolizeibehörden nach den §§10 Abs 4 oder 19 Abs 2 Z 6 Fremdengesetz 1997 vorgehen würden, und auch in Fällen des § 8 Abs 2 AsylG den Fremden ohne Aufenthaltstitel, deren Abschiebung sich als nicht zulässig erweist, einen Aufenthaltstitel "aus humanitären Gründen" erteilen könnten, womit den Fremden über ihren Aufenthaltsstatus Rechtssicherheit zuteil werde.

3.6. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

Zum behaupteten Verstoß gegen Art 8 EMRK führt die Bundesregierung aus, dass gemäß § 1 Z 6 AsylG die Definition des Familienangehörigen "im Sinne dieses Bundesgesetzes" zu verstehen sei, woraus allein nicht zu folgern sei, dass das aus Art 8 EMRK erfließende Recht auf Achtung des Familienlebens insofern beschränkt wäre, als lediglich die genannten Personen eine wechselseitige Beeinträchtigung des entsprechenden Familienlebens etwa anlässlich einer Entscheidung über eine Ausweisung geltend machen könnten. Die Begriffsbestimmung des § 1 Z 6 sei vielmehr im Zusammenhalt mit jenen Bestimmungen zu verstehen, in denen der Begriff "Familienangehöriger" verwendet werde. Als Beispiele führt die Bundesregierung § 2 Abs 3 oder § 10 AsylG an.

Es möge zwar zutreffen, dass durch die Verwendung des Begriffs der Familienangehörigen in § 10 AsylG etwa einem nicht zur "Kernfamilie" zählenden Angehörigen eines Asylberechtigten oder Asylwerbers die Antragstellung im Familienverfahren nicht möglich sei, doch könne in dieser Einschränkung allein noch keine Verletzung des Art 8 EMRK erkannt werden.

"Der angefochtene § 4a Abs 3 Z 3 AsylG 1997 schränkt zwar die Unbeachtlichkeit des bestehenden Schutzes in einem sicheren Drittstaat auf die Gruppe der minderjährigen Kinder von Asylwerber bzw. deren Ehegatten ein, knüpft jedoch nicht an die Definition des § 1 Z 6 AsylG an. Aus der Judikatur des EGMR ergibt sich, dass Art 8 EMRK nicht die generelle Verpflichtung eines Vertragsstaates umfasst, die Wahl des Familienwohnsitzes durch die verschiedenen Familienmitglieder anzuerkennen und die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention [2003], § 22 Rz 39; Urteil des EGMR im Fall Abdulaziz ua. gegen das Vereinigte Königreich vom , Z 68 ebenso wie im Fall Sen gegen die Niederlande, vom ; vgl weiters das Urteil im Fall Al Nashif gegen Bulgarien vom , Z 114). Auch beinhaltet Art 8 EMRK nicht das Recht, den geeignetsten Ort für die Entwicklung des Familienlebens zu wählen (Urteil im Fall Ahmut gegen die Niederlande, vom ). Diese Auffassung des EGMR liegt darin begründet, dass er den allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz respektiert, wonach jeder Staat das Recht habe, die Einreise von Nichtstaatsangehörigen in sein Gebiet einem Kontrollregime zu unterwerfen. Zusammenfassend kann festgehalten [werden], dass der EGMR eine grundsätzliche positive Verpflichtung der Konventionsstaaten zur Herstellung des Familienlebens verneint.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass durch diese Bestimmung die Bedachtnahme auf das durch Art 8 EMRK geschützte Familienleben eines allenfalls gem. § 5a AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 auszuweisenden Asylwerbers keinesfalls ausgeschlossen wird.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EGMR zu Fragen der Familienzusammenführung begegnet daher die durch § 4a Abs 3 Z 3 getroffene Einschränkung keinen Bedenken im Hinblick auf einen allfälligen Verstoß gegen Art 8 EMRK."

Zur behaupteten Verletzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bringt die Bundesregierung vor, dass diese Charta eine rechtlich nicht verbindliche Deklaration darstelle, ihr innerstaatlich nicht der Rang eines Verfassungsgesetzes zukomme und diese daher keinen Prüfungsmaßstab für ein innerstaatliches einfaches Gesetz in einem Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bilden könne.

Da in Art 2 litd Z i Aufnahme-RL unverheiratete Partner dann unter den Begriff des Familienangehörigen iS dieser Richtlinie zu subsumieren seien, wenn "in den Rechtsvorschriften oder nach der Praxis des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich ähnlich wie verheiratete Paare behandelt werden", könne den insofern geäußerten Bedenken der Wiener Landesregierung nicht gefolgt werden. Überdies komme den Bestimmungen dieser Richtlinie - ebenso wie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - (noch) keine Bedeutung im Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu.

Letztlich sei aus der Sicht der Bundesregierung festzuhalten, dass - um eine Verletzung von Art 8 EMRK hintanzuhalten - keine Sonderregelung im AsylG notwendig erschien, da für solche Fälle der Familienzusammenführung die Bestimmungen der § 10 Abs 4 und § 19 Abs 2 Z 6 Fremdengesetz 1997 heranzuziehen wären. Der Gesetzgeber des AsylG habe lediglich den "typischen" Fall der Antragstellung im Familienverfahren einer - auch für den Vollzug - vereinfachten Regelung zuzuführen gewollt.

Zusammengefasst sei daher festzuhalten, dass die vor dem Hintergrund des Art 8 EMRK geäußerten Bedenken gegen § 4a Abs 3 AsylG und die Definition des Begriffs der Familienangehörigen nicht zutreffen. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Gleichheitssatzes tritt die Bundesregierung den Bedenken der Wiener Landesregierung mit den selben, wortgleichen Ausführungen entgegen, mit denen sie die angefochtenen Regelungen gegenüber den Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung verteidigt hat.

3.7. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit des Antrages der oberösterreichischen Landesregierung

Die Bundesregierung brachte keine konkreten Einwände gegen die Zulässigkeit der Anträge der oberösterreichischen Landesregierungen vor. Auch im Verfahren sind keine gegen die Zulässigkeit des Antrages sprechende Gründe hervorgekommen.

3.8. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit des Antrages der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung ficht § 1 Z 6 AsylG an, der eine Definition des Begriffes "Familienangehöriger" enthält. Nun hat eine Definition keine eigenständige normative Bedeutung. Sie erhält eine solche Bedeutung erst im Zusammenhang mit anderen Regelungen, die diesen Begriff verwenden. Die Wiener Landesregierung ficht die Definition allerdings gemeinsam mit § 4a Abs 3 Z 3 und § 8 Abs 2 AsylG an. Keine der beiden Bestimmungen verwendet aber den Begriff "Familienangehöriger". In § 4a Abs 3 Z 3 AsylG wird abweichend von der Definition der Kreis der Betroffenen mit "Ehegatten oder minderjährige Kinder des Asylwerbers" umschrieben, sodass eine Aufhebung des § 1 Z 6 AsylG keine Änderung des Inhaltes dieser Bestimmung bewirken würde. Gleiches gilt für § 8 Abs 2 AsylG, der überhaupt auf keine familiären Beziehungen Bedacht nimmt. Die Wiener Landesregierung sieht die Verbindung zur Definition des § 1 Z 6 AsylG darin, dass § 8 Abs 2 AsylG zu Unrecht nicht auf familiäre Beziehungen Bezug nehme und daher Art 8 EMRK verletze. Wäre die Argumentation der Wiener Landesregierung richtig, so würde sich dennoch am Inhalt des § 8 Abs 2 durch Aufhebung des § 1 Z 6 AsylG nichts ändern, weil eben - wie die Wiener Landesregierung meint - § 8 Abs 2 keine Familienbeziehungen berücksichtigen würde, gleichgültig wie der Kreis der Familienmitglieder zu ziehen ist.

Es besteht also zwischen der Definition und den beiden anderen angefochtenen Bestimmungen kein Zusammenhang, der eine Aufhebung (auch) der Definition erforderte, falls die beiden anderen Bestimmungen verfassungswidrig wären. Der Antrag § 1 Z 6 AsylG aufzuheben, ist daher unzulässig.

Der Antrag der Wiener Landesregierung auf Aufhebung des § 4a Abs 3 Z 3 und des § 8 Abs 2 ist hingegen zulässig.

3.9. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit des Antrages des unabhängigen Bundesasylsenates

Der Hauptantrag des UBAS begehrt die Aufhebung bloß des Wortes "Ausweisung" in § 8 Abs 2 AsylG. Die Aufhebung bloß dieses Wortes würde jedoch einen sprachlich unverständlichen Torso zurücklassen, weshalb der Hauptantrag unzulässig ist (vgl. zB VfSlg. 16.365/2001).

Es sind aber auch die Eventualanträge unzulässig:

Dem Verfahren vor dem UBAS liegt eine Berufung gegen einen vor dem erlassenen erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde, mit dem ein Asylantrag abgewiesen (Spruchteil I) und ausgesprochen wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in die Türkei zulässig sei (Spruchteil II). Dies führt dazu, dass der UBAS, wenn er zur Ansicht gelangt, der Berufung im Spruchpunkt I und II keine Folge zu geben, nunmehr nach der neuen Rechtslage (§44 Abs 3 iVm § 8 Abs 2 AsylG) - so jedenfalls nach der Auffassung des UBAS - auch die Ausweisung aussprechen müsste.

Der Kern der Bedenken des UBAS richtet sich dagegen, dass er, der nach Art 129c B-VG als Berufungsbehörde eingerichtet ist, in den Übergangsfällen erstmalig und damit in erster Instanz die Ausweisung verfügen müsste und dagegen, dass er als Asylbehörde zweiter Instanz über "Ausweisungen" entscheiden soll, Ausweisungen jedoch Angelegenheiten des Fremdenrechts und nicht des Asylrechts seien. Diese behaupteten Verfassungswidrigkeiten könnten aber mit Wirkung für den beim UBAS anhängigen Übergangsfall durch bloße Beseitigung des Verweises in § 44 Abs 3 beseitigt werden. Eine Aufhebung des § 8 Abs 2 AsylG würde aber mehr aus dem Rechtsbestand entfernen, als im Anlassfall beim UBAS zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit erforderlich ist, sodass auch der erste Eventualantrag, § 8 Abs 2 AsylG zur Gänze aufzuheben, unzulässig ist.

Der zweite Eventualantrag wird von der Art der Entscheidung über die Frist (Art140 Abs 5 B-VG) und den Ausspruch über die Anwendung des Gesetzes auf vor der Aufhebung verwirklichte Tatbestände abhängig gemacht. Die Stellung einer Bedingung für den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs unzulässig (VfSlg. 10.196/1984, 12.722/1991, 14.956/1997, 15.198/1998, 16.589/2002, 16.615/2002).

Daher ist auch der zweite Eventualantrag des UBAS unzulässig und die Anträge daher insgesamt zurückzuweisen.

3.10. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in der Sache

3.10.1. Zu § 4a Abs 3 Z 3 AsylG

Die Wiener Landesregierung geht von der Prämisse aus, dass § 4a Abs 3 Z 3 AsylG einen engen, dem Familienbegriff des Art 8 EMRK widersprechenden Kreis von Familienangehörigen zieht, sodass die Nichtberücksichtigung der Drittstaatsicherheit bei anderen als in § 4a Abs 1 Z 3 AsylG genannten Personen nicht möglich sei.

Diese Prämisse und der daraus gezogene Schluss sind unzutreffend:

In § 4a Abs 3 AsylG werden in den Z 1 bis 3 Fälle aufgezählt, in denen der Aufenthalt in einem sicheren Drittstaat kein Versagungsgrund für die Asylgewährung ist. Der Wortlaut des Einleitungssatzes zu diesem Absatz zeigt, dass die in den Z 1 bis 3 genannten Fälle nur Beispiele sein sollen, in denen - ohne nähere Detailprüfung - die Drittstaatsicherheit unbeachtlich ist (arg. "jedenfalls"). Dies bedeutet, dass bei Ehegatten und minderjährigen Kindern ohne nähere Prüfung der Umstände des familiären Lebens unwiderleglich vermutet wird, dass sie eine Familie (auch iSd Art 8 EMRK) sind, während bei anderen Familienangehörigen eine Prüfung des Vorhandenseins eines Familienlebens im Einzelfall erfolgen muss. Ob eine Familie iSd Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des EGMR nicht allein vom Verwandtschaftsgrad ab, sondern auch von einer Reihe anderer Umstände, wie etwa der Intensität und Dauer des Zusammenlebens (EGMR , EuGRZ 1979, 454, Marckx gegen Belgien; , 25702/94, K.u.T. gegen Finnland). Nach dieser Rechtsprechung kann auch jemand, der nicht blutsverwandt ist, zur Familie zählen. Alle diese Umstände und deren Abwägung kann aber der Gesetzgeber nicht durch eine allgemeine generelle Umschreibung regeln, sondern muss der Beurteilung im Einzelfall überlassen. Genau dies sieht aber § 4a Abs 3 AsylG vor. Der Gesetzgeber hebt bloß die Ehegatten und minderjährigen Kinder hervor, bei denen eine Einzelfallprüfung unterbleiben kann, weil bei diesen Angehörigen nahezu ausnahmslos ein Familienleben iSd Art 8 EMRK bestehen wird. Einer solchen - letztlich Art 8 EMRK berücksichtigenden - Lösung kann aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht entgegen getreten werden. Der Antrag auf Aufhebung des § 4a Abs 3 Z 3 AsylG war daher abzuweisen.

3.10.2. Zu § 8 Abs 2 AsylG

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Der Eingriff in dieses Recht ist gemäß Art 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft ua. für die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes notwendig ist.

Die Bundesregierung stellt nicht in Abrede, dass auch im Asylverfahren bei einer Ausweisungsentscheidung auf Art 8 EMRK Bedacht zu nehmen sei, und meint, dass § 8 Abs 2 AsylG in verfassungskonformer Weise so auszulegen sei, dass eine solche Berücksichtigung möglich ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gebietet das Prinzip der verfassungskonformen Auslegung, "den Sinnzusammenhang zweier Vorschriften in der Weise zu berücksichtigen, dass durch eine bestimmte Auslegung der einen Vorschrift die sonst eintretende Verfassungswidrigkeit der anderen ausgeschlossen wird" (VfSlg. 16.122/2001 mwN). In der genannten Entscheidung wurde § 5 Abs 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 4/1999, der die Verbindung der Ausweisung mit der Zurückweisung eines Asylantrages betraf und in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung des Art 8 EMRK nicht erwähnte, ein Sinn beigemessen, der eine solche Berücksichtigung ermöglichte.

Auch § 8 Abs 2 AsylG ist in diesem Sinne (verfassungskonform) auszulegen. Auch wenn er sprachlich keinen Hinweis auf Art 8 EMRK enthält, so ist bei der Prüfung, ob eine Ausweisung erfolgen darf, iSd zitierten Judikatur auch Art 8 EMRK mit zu berücksichtigen. Dies entspricht im Übrigen auch dem Selbstverständnis des Gesetzgebers. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR XXII. GP, 14) wird - an sich zu § 5a Abs 4 AsylG, aber doch verallgemeinernd - ausgeführt:

"Hier ist selbstredend - wie bei jeder Ausweisungsentscheidung im österreichischen Fremdenwesen - Art 8 EMRK in die Entscheidungsfindung einzubeziehen".

Auch die Bundesregierung folgt dieser Auffassung, wenn sie zu § 8 AsylG ausführt, dass

"in jedem Fall - auch wenn § 37 FrG nicht explizit auf die jüngeren Ausweisungsfälle des § 8 AsylG Bezug nimmt - im Rahmen der gebotenen verfassungskonformen Interpretation die Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 EMRK zu beachten sind".

Durch die aufgezeigte Möglichkeit der verfassungskonformen Interpretation ist den Bedenken der antragstellenden Landesregierungen der Boden entzogen. Die Anträge waren daher abzuweisen.

4. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 32 Abs 1 bis 4a und 8 sowie § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG (eingeschränktes Neuerungsverbot, Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, Durchsetzbarkeit der noch nicht rechtskräftigen Ausweisung)

4.1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung

4.1.1. Der Inhalt der Anträge

Die oberösterreichische Landesregierung beantragt die Aufhebung des § 32 Abs 1, 2 und 8 AsylG, ferner die Aufhebung des § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
in eventu § 32 Abs 3, 4 erster Satz und 4a AsylG,
-
-
in eventu § 32 Abs 3 und 4 erster Satz AsylG,
-
-
-
in eventu § 32 Abs 4 erster Satz AsylG.

Die Anfechtung des § 32 Abs 1, 2 und 8 AsylG in seiner Gesamtheit begründet die oberösterreichische Landesregierung mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Vorliegen einer untrennbaren Einheit von in Prüfung zu ziehenden Vorschriften sowie damit, dass die in § 32 Abs 1 und Abs 8 behauptetermaßen liegende Verfassungswidrigkeit durch die Anfechtung bzw. Aufhebung einer bloßen Wortfolge dieser Bestimmung nicht behoben werden könne. Die Anfechtung des gesamten § 32 Abs 2 resultiere darüber hinaus aus der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Unzulässigkeit, dass die isolierte Aufhebung und damit der Wegfall bestimmter angefochtener Sätze den verbleibenden Rest der Gesetzesbestimmung unverständlich wie auch unanwendbar werden ließe, was jedoch bei Aufhebung des § 32 Abs 2 erster Satz eintreten würde.

Die mit einem weiteren Hauptantrag begehrte Aufhebung der gesamten Abs 3, 4 und 4a des § 32 AsylG begründet die oberösterreichische Landesregierung ebenfalls mit der verfassungsgerichtlichen Judikatur zur untrennbaren Einheit von Rechtsnormen; die Eventualanträge seien nur für den Fall gestellt worden, dass der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelange, dass die Verfassungswidrigkeit auch mit geringerem Aufwand beseitigt werden könne. Da die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken in gleicher Weise sowohl für Verfahren nach § 4, als auch für Verfahren nach § 4a und § 6 zutreffen, würde die Anfechtung bloß eines oder mehrerer dieser Zitate in Abs 3 die Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen; die Anfechtung lediglich des ersten Satzes würde dagegen die weiteren Sätze des § 32 Abs 3 AsylG unverständlich machen und als unanwendbaren "legislativen Torso" zurücklassen. Für den Fall, dass das sich in § 32 Abs 3, 4 und 4a manifestierende System und die daraus resultierende Verfassungswidrigkeit sich auch mit einem geringeren Aufhebungsumfang beseitigen lasse, würden die weiteren Eventualanträge gestellt, welche die Abs 4 und 4a bzw. den ersten Satz des Abs 4 iVm Abs 3 des § 32 sowie § 32 Abs 3 AsylG allein betreffen. Der nur die Aufhebung des § 32 Abs 4 erster Satz AsylG begehrende Eventualantrag solle schließlich der Möglichkeit Rechnung tragen, dass der Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit des Systems der Abs 3 bis 4a des § 32 bereits durch die Aufhebung allein dieses Satzes als behebbar erachtet, wonach die Entscheidung des Bundesasylamtes sieben Tage nach der Berufungsvorlage an den unabhängigen Bundesasylsenat durchsetzbar ist.

Inhaltlich erachtet die oberösterreichische Landesregierung die von ihr bekämpfte Regelung des § 32 Abs 1, 2, 3, 4, 4a und 8 AsylG wegen des Verstoßes



* gegen Art 11 Abs 2 B-VG (siehe Punkt 4.1.2.),

* gegen Art 13 EMRK (siehe Punkt 4.1.3.),

* gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 2 StGG und

Art 7 B-VG (siehe Punkt 4.1.4.) und

* gegen das Rechtsstaatsprinzip (Gebot der faktischen

Effektivität des Rechtsschutzes) nach Art 18 B-VG (siehe Punkt 4.1.5. bis 4.1.7.),

als verfassungswidrig.

4.1.2. Bedenken wegen des Verstoßes gegen Art 11 Abs 2 B-VG

Den behaupteten Verstoß von § 32 Abs 1, 2, 3, 4, 4a und 8 AsylG gegen Art 11 Abs 2 B-VG begründet die oberösterreichische Landesregierung folgendermaßen:

"Gemäß Art 11 Abs 2 B-VG werden, soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in den Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht, insbesondere auch in den Angelegenheiten des Abgabenwesens, durch Bundesgesetz geregelt; abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstands erforderlich sind. Von dieser 'Bedarfsgesetzgebungskompetenz' hat der Bund durch Erlassung der Verwaltungsverfahrensgesetze - und somit auch des AVG - Gebrauch gemacht.

Es ist daher - unabhängig von der Prüfung der Vereinbarkeit von Rechtsschutzeinrichtungen mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes - auch zu prüfen, ob derartige Bestimmungen im Fall ihres Abweichens von den Verwaltungsverfahrensgesetzen mit Art 11 Abs 2 B-VG in Einklang zu bringen sind, da selbst eine Vereinbarkeit einer Norm mit dem Prinzip der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes noch nichts über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Abweichung von den unter Heranziehung der Bedarfskompetenz des Art 11 Abs 2 B-VG erlassenen Verwaltungsverfahrensgesetzen sowie darüber aussagen könnte, warum im konkreten Fall nicht mit den allgemeinen, durch die Verwaltungsverfahrensgesetze zur Verfügung gestellten Instrumentarien das Auslangen gefunden werden kann. [...]

Zur Auslegung des Begriffs 'erforderlich' betont der Verfassungsgerichtshof - in Rückgriff zu dem in dieser Hinsicht wortgleichen Art 15 Abs 9 B-VG - in ständiger Judikatur, dass eine von einer Regelung der unter Inanspruchnahme der Bedarfsgesetzgebungskompetenz nach Art 11 Abs 2 B-VG erlassenen Verwaltungsverfahrensgesetze abweichende Bestimmung in einem Bundes- oder Landesgesetz nur dann der Verfassung entspricht, wenn sie für die Regelung des Gegenstands unerlässlich ist".

Die oberösterreichische Landesregierung gibt den Inhalt des § 64 AVG wieder, wonach rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung hätten und die aufschiebende Wirkung von der Behörde nur dann ausgeschlossen werden könne, wenn die vorzeitige Vollstreckung im öffentlichen oder Parteien-Interesse wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Die Regelungen des AVG würden keinen generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung kennen, sondern seien vielmehr von den Grundsätzen der Offizialmaxime, der materiellen Wahrheit und des Rechts auf Parteiengehör getragen.

§ 32 Abs 1, 2, 3, 4, 4a und 8 AsylG würden eine massive Abweichung von den Regelungen und Grundsätzen des AVG vorsehen, welche nur dann verfassungsrechtlich zulässig wäre, wenn deren Vollziehung bzw. die Vollziehung des AsylG bei Wegfall der vom AVG abweichenden Bestimmungen geradezu verunmöglicht würde. Um die Frage der Unerlässlichkeit beurteilen zu können, müsste die Unerlässlichkeit - meint die oberösterreichische Landesregierung unter Hinweis auf das Erk. VfSlg. 14.374/1995 - zumindest in den Erläuterungen entsprechend schlüssig dokumentiert sein. Nach Wiedergabe der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR XXII. GP, 10 und 20) sowie des Ausschussberichtes (253 BlgNR XXII. GP, 8) kommt die oberösterreichische Landesregierung zum Ergebnis, dass diese Ausführungen in keiner Weise geeignet seien, die geforderte Unerlässlichkeit der abweichenden Bestimmungen darzutun.

Es sei den Feststellungen des Ausschusses für innere Angelegenheiten zwar zuzugestehen, dass der Verfassungsgerichtshof in den Erk. VfSlg. 13.831/1994, 13.834/1994 und 18.838/1994 festgehalten habe, "dass das Asylverfahren Besonderheiten aufweise, die Abweichungen von den Bestimmungen des AVG erforderlich machen". Die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes, auf die der Ausschuss für innere Angelegenheiten rekurriere, könnten aber insb. gerade für jene Bestimmungen keine Erforderlichkeit ("Unerlässlichkeit") belegen, die durch den generellen Ausschluss der Möglichkeit einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung die vorzeitige Abschiebung - noch vor Rechtskraft der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenats - ermöglichen und somit das vorläufige Aufenthaltsrecht - im exakten Gegenteil der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes - ausschließen würden. Auch diese Judikatur entbinde den Gesetzgeber in keiner Weise von der Notwendigkeit, für jede von den Verwaltungsverfahrensgesetzen gemäß Art 11 Abs 2 B-VG abweichende Verfahrensbestimmung deren konkrete Unerlässlichkeit im Einzelnen schlüssig und nachvollziehbar darzulegen. Da sich § 32 Abs 1, 2, 3, 4, 4a und 8 AsylG nicht als unerlässliche Abweichungen zu Art 11 Abs 2 B-VG erweisen würde, seien die angefochtenen Bestimmungen auch aus diesem Grund verfassungswidrig.

4.1.3. Bedenken wegen des Verstoßes gegen Art 13 EMRK

Zur Behauptung, die angefochtenen Bestimmungen verstoßen gegen Art 13 EMRK, führte die oberösterreichische Landesregierung aus, dass die durch § 32 Abs 1 AsylG vorgesehene Beschränkung des Berufungsvorbringens zur Folge hätte, dass erst in der Berufung vorgebrachte Behauptungen einer drohenden Verletzung der durch die Art 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte bei der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenats keine Berücksichtigung finden könnten.

Die EKMR habe jedoch festgehalten, dass verspätetes Vorbringen von Asylwerbern, die auf drohende Folter oder Misshandlung im Zielstaat hinweisen, von den nationalen Behörden nicht generell als verspätet und daher irrelevant zurückgewiesen werden können. Falls das Vorbringen eine drohende Verletzung des Art 3 EMRK beweise, müsse es sehr wohl als relevant betrachtet und daher von den nationalen Behörden berücksichtigt werden. Diese Auffassung habe auch die EKMR im Bericht zum Fall Bahaddar gegen Niederlande (, 25.894/94) vertreten. Dabei habe die EKMR das Argument der niederländischen Regierung zurückgewiesen, der Beschwerdeführer hätte relevante Dokumente verspätet vorgebracht, da genau diese die Verfolgung des Beschwerdeführers bewiesen.

Im Hinblick auf jene die aufschiebende Wirkung der Berufung betreffenden Regelungen des § 32 AsylG führt die oberösterreichische Landesregierung aus:

"Da eine Verletzung der Art 2 und 3 EMRK durch die in den §§4 ff Asylgesetz 1997 getroffenen unwiderleglichen Vermutungen der Verfolgungssicherheit in bestimmten Staaten nicht jedenfalls ausgeschlossen werden kann, bestehen hinsichtlich der weiters angefochtenen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, die den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gegen Entscheidungen gemäß den §§4 ff Asylgesetz 1997 vorsehen, ebenfalls Bedenken im Hinblick auf eine Verletzung der Art 2 und 3 i.V.m. Art 13 EMRK (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom im Fall Jabari gegen Türkei, Beschwerde 40.035/98). Pinter stellt daher etwa fest, dass allen Berufungen gegen Asylanträge im Hinblick auf die Wahrung der Rechte des Art 13 EMRK aufschiebende Wirkung zukommen muss (Pinter, Internationales Flüchtlingsrecht, in: Muzak/Taucher/Pinter/Loibner [Hrsg.], Fremden- und Asylrecht, Kommentar3, 2002, S. 108)."

Art 13 EMRK gewährleiste, dass jedermann, der aus vertretbaren Gründen behauptet, Opfer einer Verletzung seiner durch die EMRK gewährten Rechte zu sein, eine wirksame Beschwerde vor einer nationalen Instanz erheben könne; dass die Konventionsverletzung bloß vertretbar behauptet werde und nicht tatsächlich gegeben sein müsse, bedeute, dass Art 13 EMRK einen spezifischen Rechtsschutzanspruch einräume. Ein Rechtsmittel müsse sowohl rechtlich als auch faktisch wirksam sein. Erforderlich sei, dass sich die nationale Instanz mit dem Beschwerdevorbringen inhaltlich befassen muss und dass sie geeignete Abhilfe schaffen kann. Nach Anführung zahlreicher Entscheidungen insb. des EGMR meint die oberösterreichische Landesregierung, dass weder das in § 32 Abs 1 normierte Neuerungsverbot, noch der in den weiters angefochtenen Bestimmungen des AsylG vorgesehene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung den Anforderungen auf Einräumung einer wirksamen Beschwerde zu entsprechen vermöge und sich somit in Widerspruch zum Recht auf wirksame Beschwerde gemäß Art 13 EMRK setze.

4.1.4. Bedenken wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz

Die vorgebrachte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art 2 StGG und Art 7 B-VG durch § 32 Abs 1, 2, 3, 4, 4a und 8 AsylG begründet die oberösterreichische Landesregierung unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes damit, dass dieser in seiner Judikatur insb. Normen, die zu einer unzulässigen Beeinträchtigung "der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes" führen, als gleichheitswidrig angesehen habe. Er habe unter dem Gesichtspunkt des Art 7 B-VG festgestellt, dass eine gesetzliche Regelung, die dazu führe, dass ein behördliches Fehlverhalten vorläufig hingenommen werden muss, - wenn dies irgendwie vermeidbar ist - nicht so ausgestaltet werden dürfe, dass daraus endgültige Belastungen entstehen. Diese Problematik resultiere jedoch insb. aus dem vorgesehenen Neuerungsverbot sowie aus dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, wodurch dem Asylwerber ein effektives Rechtsmittel zur Bekämpfung einer mit den Tatsachen nicht übereinstimmenden negativen Entscheidung über seinen Asylantrag nicht zur Verfügung stehe. Daher stünden auch die Regelungen des § 32 Abs 1, 2, 3, 4, 4a und 8 AsylG auch im Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz.

4.1.5. Bedenken wegen des Verstoßes des § 32 Abs 1 (Neuerungsverbot) gegen das Rechtsstaatsprinzip

Nach allgemeiner Darstellung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes bringt die oberösterreichische Landesregierung zu § 32 Abs 1 AsylG Folgendes vor:

"Aus dem Jahresbericht des unabhängigen Bundesasylsenats für die Jahre 1998 und 1999 ergibt sich für die Berufungsverfahren eine erhebliche Behebungs- bzw. Abänderungsquote der erstinstanzlichen Entscheidungen (von 5130 Berufungen wurden 2430 Bescheide aufgehoben). In seinem Tätigkeitsbericht für die Jahre 2000 und 2001 (S. 11 f) merkt der unabhängige Bundesasylsenat kritisch an, dass in einer beträchtlichen Anzahl von Verfahren eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt oder dem diesbezüglichen Vorbringen der Asylwerber erstmalig im Rechtsmittelverfahren stattgefunden hat; sogar die vom unabhängigen Bundesasylsenat bestätigten Bescheide seien überwiegend erst als Ergebnis umfangreicher Ergänzungen im Rahmen der Berufungsverfahren zu sehen oder seien nach Durchführung eines (de facto komplett) neuen Asylverfahrens erfolgt.

Im Wahrnehmungsbericht zur österreichischen Rechtspflege für das Jahr 2001/2002 der Österreichischen Rechtsanwaltskammer (S. 39) weist diese darauf hin, dass der unabhängige Bundesasylsenat notorisch überlastet sei. Einer von mehreren Gründen dafür sei, dass der unabhängige Bundesasylsenat mit in hohem Maße mangelhaften Bescheiden belastet sei.

Die Caritas Österreich weist in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Begutachtung der Asylgesetz-Novelle 2003 vom Mai 2003 auf die Problematik hin, dass die regelmäßig besondere psychische Situation der Asylwerber, die häufig vorverfolgt ausreisen und nicht selten Schlepperdienste in Anspruch nehmen, zwangsläufig dazu führen würde, dass entscheidungsrelevante Informationen mitunter erst einige Wochen nach der Einreise preisgegeben würden. Sie verweist weiters auf die im Jahr 2002 zahlreich aufgetretenen Fälle von Tschetschenen, die aus Furcht vor einer sofortigen Abschiebung vor dem Bundesasylamt falsche Namen und stark abgeschwächte Fluchtgründe zu Protokoll gaben, nach mehrmonatiger psychotherapeutischer Betreuung durch private Vereine für Folteropfer und Zugang zu kompetenter Rechtsberatung jedoch neues Vorbringen erstatteten und vom unabhängigen Bundesasylsenat in oder wenige Wochen nach der ersten Berufungsverhandlung als Flüchtlinge anerkannt wurden.

Das UNHCR veranschaulichte im Rahmen des Experten-Hearings zur Asylgesetz-Novelle 2003 im Parlament am die sich aus dem eingeschränkten Neuerungsverbot des § 32 Abs 1 Asylgesetz 1997 ergebende Problematik mit folgendem Beispiel:

'Gerade Verfolgte befinden sich in einer menschlichen Ausnahmesituation, dem das geplante Neuerungsverbot nicht gerecht wird. UNHCRs internationale Erfahrung besagt, dass die Annahme völlig unrealistisch ist, Verfolgte könnten sofort nach Ankunft in einem fremden Land im ersten Anlauf alles wirklich Wichtige lückenlos, schlüssig und ohne Beeinträchtigung durch persönliche und kulturelle Hemmungen darlegen. Es ist daher eine unabdingbare Notwendigkeit, dass sich Asylsuchende auch vor der zweiten Instanz ergänzend erklären können und diese Tatsachen vollinhaltlich gewürdigt werden. Nur so kann dem Schutzanspruch der Genfer Flüchtlingskonvention Rechnung getragen werden.

Stellen Sie sich z.B. den Fall einer einfachen Frau aus einem traditionell muslimischen Land vor, wo sexuelle Gewalt tabuisiert wird. Sie erzählt der Beamtin des Bundesasylamts zwar von Benachteiligungen aufgrund unterstellter regimefeindlicher Haltung, verschweigt aber, obwohl danach gefragt, erlittene sexuelle Misshandlungen. Dies aus Scham, Angst vor Verlust der Familienehre und vor der Reaktion des Ehemanns. Kein Trauma, keine Missbrauchsabsicht, sondern kulturell bedingte und persönliche Hemmungen lassen sie schweigen. Das Bundesasylamt lehnt nach einigen Wochen in Unkenntnis des vollen Sachverhalts den Antrag ab und erklärt die Abschiebung in die Heimat für zulässig.

Angesichts der drohenden Abschiebung ins Heimatland kann eine Vertrauensperson sie von der Notwendigkeit überzeugen, die erlebten sexuellen Misshandlungen im Berufungsverfahren vorzubringen.

Trotz Neuerungsverbots muss sich der unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) mit den neuen Tatsachen befassen. Aber nicht dahingehend, ob sie glaubwürdig und relevant sind, sondern vielmehr ob sie überhaupt zulässig sind.

Im vorliegenden Fall wird klar sein: das Verfahren vor dem Bundesasylamt war nicht mangelhaft. Es liegt keine Traumatisierung vor. Die Antragstellerin hatte Gelegenheit, diese Fakten schon bei der ersten Anhörung vorzubringen. Das verspätete Vorbringen muss somit per Gesetz außer Acht gelassen werden und der unabhängige Bundesasylsenat bestätigt daher die erstinstanzliche Entscheidung. Die Asylwerberin wird in ihren Heimatstaat abgeschoben.

...

Die Einführung des Neuerungsverbots kann dazu führen, dass ein Flüchtling in den Verfolgerstaat abgeschoben wird, was die schwerstmögliche Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention darstellt.'"

Auch der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Judikatur bereits mehrfach auf die für Asylwerber bestehenden Probleme hingewiesen, die zur Bestärkung und Verdeutlichung der dargelegten Bedenken dienen können, wenn er etwa in VfSlg. 15.218/1998 und 15.529/1999 ausführte, es sei davon auszugehen, dass der Asylwerber im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig sei und daher schon zum rein sprachlichen Verständnis des ihm zugestellten Bescheids fremder Hilfe bedürfe, zumal ihm zwar der Spruch, die Rechtsmittelbelehrung sowie eine Übersetzung der für das Meritum der Entscheidung maßgeblichen Gesetzesbestimmung, nicht jedoch die Begründung in einer ihm verständlichen Sprache zukommen müsste. Hinzu trete der Umstand, dass das rein sprachliche Verständnis des Bescheids zur sachgerechten Aktualisierung eines notwendigen Rechtsschutzes nicht ausreiche. Dem Rechtsschutzsuchenden müsste vielmehr auch das rechtliche Verständnis des Bescheids möglich gemacht werden.

Der Verfassungsgerichtshof habe mit VfSlg. 13.834/1994 das Wort "offenkundig" im § 20 Abs 2 des Asylgesetzes 1991 mit der Begründung als verfassungswidrig aufgehoben, dass er im aufgehobenen Wort einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip gesehen habe, weil die Beschränkung der letztinstanzlichen Behörde auf die Ahndung "offenkundiger" Verfahrensmängel der Unterinstanz somit die Beseitigung der Möglichkeit der unbeschränkten Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns auch durch den Verwaltungsgerichtshof bewirke und es daher der Behörde erster Instanz ermögliche, sanktionslos (nicht den Grad der Willkür erreichende) Verfahrensfehler zu begehen und somit in einem Teilbereich nicht "auf Grund der Gesetze" (Art18 Abs 1 B-VG) vorzugehen.

Nach wörtlicher Wiedergabe eines Begründungsteils des Erk. VfSlg. 13.834/1994 führt die oberösterreichische Landesregierung ferner aus, es solle nicht verkannt werden, dass § 20 Abs 2 Asylgesetz 1991 und die nunmehr angefochtene Bestimmung nicht vorbehaltlos miteinander verglichen werden könnten. Die in VfSlg. 13.834/1994 (ua.) zum Ausdruck kommende eminente Wichtigkeit der Gewährung des effektiven Rechtsschutzes gerade in Asylverfahren belege aber - im Verbund mit den aufgezeigten Spezifika des Asylverfahrens sowie den in ständiger Judikatur vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Anforderungen an die Effektivität von Rechtsschutzeinrichtungen -, dass durch die Normierung eines - wenn auch eingeschränkten - Neuerungsverbotes gerade im Asylverfahren das verfassungsrechtliche "Gebot des effizienten Rechtsschutzes" nicht erfüllt werde. Dazu verweist die oberösterreichische Landesregierung auch auf das Erk. VfSlg. 16.122/2001, worin der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß von Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 gegen Art 13 EMRK nur deshalb verneint habe, weil jegliche Entscheidung des Bundesasylamts der uneingeschränkten Rechtskontrolle durch den unabhängigen Bundesasylsenat unterlegen sei, gegen dessen Entscheidung wiederum beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angerufen werden konnten.

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die Bestimmung des § 32 Abs 1 AsylG aus den aufgezeigten Gründen iVm der ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes gemäß Art 18 Abs 1 B-VG verstoße.

4.1.6. Bedenken wegen des Verstoßes des § 32 Abs 2 und 8 (genereller Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) gegen das Rechtsstaatsprinzip

In ihrer Darlegung der Bedenken gegen § 32 Abs 2 und 8 AsylG verweist die oberösterreichische Landesregierung zunächst auf Art 19 Abs 2 letzter Satz der Dublin II-VO sowie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur doppelten Bindung eines in Umsetzung von Gemeinschaftsrecht ergehenden Rechtsaktes (an das Gemeinschaftsrecht und an innerstaatliches Verfassungsrecht). In Anbetracht dieser Rechtsprechung sowie der Tatsache, dass bereits Art 19 Abs 2 Dublin II-VO selbst nicht nur den generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, sondern auch deren Zuerkennung im Einzelfall ermögliche, scheide auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben die vom Gesetzgeber in § 32 Abs 2 vorgenommene Ausgestaltung, die einen generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer derartigen Berufung normiere, aus.

Nach Darstellung der verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln weist die oberösterreichische Landesregierung auf die Rechtsprechung des unabhängigen Bundesasylsenates hin, wonach der Umstand, dass sich der Asylantragsteller nicht im Bundesgebiet befindet, "eine negative Rechtsbedingung" für die Asylgewährung und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sei. Auf Grund des in § 32 Abs 2 und 8 normierten generellen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung und der daraus resultierenden Abschiebung des Asylwerbers noch vor rechtskräftiger Entscheidung über seine Berufung ergebe sich mit jener Spruchpraxis des Bundesasylsenates eine Problematik, die evident sei. Diese Umstände sowie die zahlreichen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes zum generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln zeigen nach Auffassung der oberösterreichischen Landesregierung eindeutig auf, dass § 32 Abs 2 und Abs 8 AsylG mit dem Gebot der faktischen Effektivität von Rechtsmitteln und somit mit dem aus Art 18 B-VG resultierenden Rechtsstaatsprinzip nicht im Einklang stünden und daher verfassungswidrig seien.

4.1.7. Bedenken wegen des Verstoßes des § 32 Abs 3, 4 und 4a (relativer Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) gegen das Rechtsstaatsprinzip

Unter Berufung auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes erachtet die oberösterreichische Landesregierung auch das in den Abs 3, 4 und 4a des § 32 festgelegte System, dass der Berufung keine aufschiebende Wirkung zukomme, aber - wenn die Berufung nicht aussichtslos erscheint - binnen sieben Tagen zuerkannt werden könne, als mit dem Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes unvereinbar. Durch das Kriterium der Erfolgsaussicht der Berufung in Abs 4a - das auch in Zusammenhang mit dem Neuerungsverbot des § 32 Abs 1 zu sehen sei - werde eine Beurteilung als Grundlage für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung normiert, deren Klärung in sachlicher Weise regelmäßig erst im Berufungsverfahren selbst erfolgen könne. Diese Klärung werde noch dadurch erschwert, dass bereits abgeschobene Asylwerber im Berufungsverfahren vom unabhängigen Bundesasylsenat nicht mehr einvernommen werden können.

Zudem bewirke die in Abs 4 normierte Durchsetzbarkeit der Entscheidung nach sieben Tagen, dass der Asylwerber nach Ablauf dieser sieben Tage nicht nur bei einer negativen Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenats abgeschoben werden könne, sondern auch dann, wenn der unabhängige Bundesasylsenat - etwa auf Grund seiner permanenten Überlastung - überhaupt nicht binnen dieser sieben Tage über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entscheidet. Da das Gesetz für diese Fälle keine "provisorische" Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über sie durch den unabhängigen Bundesasylsenat vorsehe, gingen Versäumnisse dieser Art ausschließlich zu Lasten des Asylwerbers. Dies widerspreche gerade in einer sensiblen Materie wie dem Asylrecht dem Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes, weshalb die Bestimmungen des § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG verfassungswidrig seien.

4.2. Der Antrag der Wiener Landesregierung

4.2.1. Der Inhalt des Antrags

Die Wiener Landesregierung beantragt die Aufhebung des § 32 Abs 1 Z 1 bis 4 und des Wortes "nur" in § 32 Abs 1 AsylG, eventualiter des ganzen § 32 Abs 1 AsylG.

Sie beantragt weiters die Aufhebung des § 5a Abs 1 zweiter

Satz und § 32 Abs 2 und 8 AsylG, e v e n t u a l i t e r § 5a Abs 1

zweiter Satz und die Worte "eine" und "nicht" im ersten Satz des § 32 Abs 2 einschließlich des ganzen zweiten Satzes dieser Bestimmung sowie das Wort "keinesfalls" im § 32 Abs 8 AsylG einschließlich des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung.

Die Wiener Landesregierung begründet den von ihr gewählten Anfechtungsumfang hinsichtlich § 32 Abs 1 AsylG damit, dass die behauptete Verfassungswidrigkeit an sich nur durch Aufhebung der Z 1 bis Z 4 sowie des Wortes "nur" im Einleitungshalbsatz des § 32 Abs 1 beseitigt werden könne, womit der verbleibende Teil der angefochtenen Bestimmung insoweit einen eigenständigen Inhalt habe, als er die Zulässigkeit von Neuerungen im Berufungsverfahren betone, was im Hinblick auf die besondere Situation von Asylwerbern sinnvoll sein könne. Der Eventualantrag, § 32 Abs 1 AsylG zur Gänze aufzuheben, trage der Möglichkeit Rechnung, dass diese Bestimmung insofern als untrennbare Einheit angesehen wird, als der erste Halbsatz des § 32 Abs 1 vom Willen des Gesetzgebers nur im Zusammenhang mit den Einschränkungen möglicher Neuerungen in den Z 1 bis 4 angeordnet sein solle.

Die Wiener Landesregierung ficht zwar § 5a Abs 1 zweiter Satz sowie § 32 Abs 2 und 8 AsylG zur Gänze an; da jedoch auch denkbar sei, den zweiten Satz des § 5a Abs 1 AsylG zur Gänze und nur die Worte "eine" und "nicht" im ersten Satz des § 32 Abs 2 AsylG einschließlich des ganzen zweiten Satzes dieser Bestimmung sowie das Wort "keinesfalls" in § 32 Abs 8 AsylG einschließlich des ganzen letzten Halbsatzes zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes aufzuheben, werde ein Eventualantrag entsprechenden Inhalts gestellt.

Wie bereits die oberösterreichische Landesregierung verweist auch die Wiener Landesregierung einleitend auf die im Jahresbericht des unabhängigen Bundesasylsenats für die Jahre 1998 und 1999 veröffentlichten Zahlen der Berufungserledigungen sowie auf die Kritik des unabhängigen Bundesasylsenats in seinem Tätigkeitsbericht 2000 und 2001, dass in einer beträchtlichen Anzahl von Verfahren eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt bzw. dem diesbezüglichen Vorbringen der Asylwerber erstmalig im Rechtsmittelverfahren stattgefunden habe. Auch weist die Wiener Landesregierung auf die von der Caritas Austria und vom UNHCR hervorgehobene Problematik hin, dass die psychische Ausnahmesituation, in der sich in ihrer Heimat verfolgte Asylwerber regelmäßig befinden, zwangsläufig dazu führe, dass Verfolgte nicht sofort nach ihrer Einreise sondern erst Wochen danach entscheidungsrelevante Informationen preisgeben würden. Es sei deshalb notwendig, dass sich Asylwerber in zweiter Instanz ergänzend erklären und somit neue Tatsachen vorlegen können. Als verfassungswidrig erachtet die Wiener Landesregierung § 32 Abs 1 Z 1 bis Z 4 wegen Verstoßes gegen

* Art 129, 129a und 129c B-VG (siehe Punkt 4.2.2.),

* Art 11 Abs 2 B-VG (siehe Punkt 4.2.3.),

* Art 13 EMRK (siehe Punkt 4.2.4.) und

* den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 2 StGG und Art 7

B-VG (siehe Punkt 4.2.4.).

Zu den ferner angefochtenen §§5a Abs 1 zweiter Satz sowie 32 Abs 2 und Abs 8 AsylG macht die Wiener Landesregierung ebenfalls eine Verletzung des

* Rechtsstaatsprinzips,

* Sachlichkeitsgebotes,

* Art 11 Abs 2 B-VG sowie

* Art 13 EMRK geltend [siehe Punkt 4.2.5.].

4.2.2. Bedenken wegen des Verstoßes gegen Art 129, 129a und 129c B-VG

Zur behaupteten Verletzung der Art 129, 129a und 129c B-VG durch § 32 Abs 1 AsylG erörtert die Wiener Landesregierung zunächst die durch Einführung der unabhängigen Verwaltungssenate geschaffene Verfassungsrechtslage:

"Durch die Einführung der unabhängigen Verwaltungssenate (BGBl. Nr. 685/1988, BGBl. I Nr. 87/1997) wurde Art 129 B-VG geändert und wurden die Art 129a, Art 129b sowie Art 129c B-VG eingefügt. Die Erwähnung der unabhängigen Verwaltungssenate in Art 129 B-VG ist angesichts der Überprüfbarkeit ihrer Entscheidungen durch den Verwaltungsgerichtshof (im Rahmen des Art 131 Abs 1 B-VG) systematisch unzutreffend (Mayer, BVG-Kommentar³, Art 129). Nach VfSlg. 14.164/1995 lässt die Anführung der UVS in Art 129 B-VG keinesfalls den Schluss zu, die Bestimmungen der Art 130 bis Art 136 B-VG fänden auch auf die UVS Anwendung (Köhler in: Korinek/Holoubek, BVG-Kommentar, Art 129 B-VG, Randzahl 10). Demnach habe die Bestimmung des Art 129 B-VG keine Gleichschaltung der unabhängigen Verwaltungssenate und des Verwaltungsgerichtshofes zur Folge. Vielmehr bedeutet die auf Art 129 B-VG unmittelbar nachfolgende Trennung der Abschnitte A. 'Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern', B. 'Unabhängiger Bundesasylsenat' und C. 'Verwaltungsgerichtshof', dass das B-VG zwischen den unabhängigen Verwaltungssenaten und dem Verwaltungsgerichtshof differenziert. Erstere sind nicht 'Gerichte', sondern 'Verwaltungsbehörden' im Sinne des B-VG, wie sich aus Art 130 Abs 1 und Art 144 Abs 1 B-VG ergibt, die von 'Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate' sprechen (VfSlg. 13.422/1993). Im Gegensatz zur eingeschränkten Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes beabsichtigte der Verfassungsgesetzgeber, dass die unabhängigen Verwaltungssenate 'als Berufungsbehörden den vor ihnen anhängigen Fall in jeder Richtung hin zu entscheiden und zu überprüfen haben und daher zu einer Kontrolle sowohl der Tat- als auch der Rechtsfrage zuständig sind (EBRV, 132 BlgNR, 17. GP., Seite 5). Rechtspolitisches Anliegen hinter der Schaffung der unabhängigen Verwaltungssenate war der Wille, sowohl für das Verwaltungsstrafverfahren als auch für Angelegenheiten, die civil rights berühren, der EMRK entsprechende Organisations- und Verfahrensgarantien zu schaffen."

Aus diesem nachweisbaren Willen des Verfassungsgesetzgebers sei als verfassungsrechtliche Determinante für die Entscheidungsbefugnis der unabhängigen Verwaltungssenate zu schließen, dass den unabhängigen Verwaltungssenaten jene Kognitionsbefugnis zukommen solle, die nach der Rechtsprechung des EGMR zur Erfüllung der Anforderungen des Art 6 EMRK erforderlich sei und die allgemein im österreichischen Rechtsschutzsystem Verwaltungsbehörden bei der Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide zustehe. Daraus folge, dass den unabhängigen Verwaltungssenaten volle Rechts- und Tatsachenkognition zukommen müsse.

Die Einfügung des Art 129c B-VG habe nun die verfassungsrechtliche Grundlage für die Schaffung des unabhängigen Bundesasylsenats als weiteren unabhängigen Verwaltungssenat geebnet. Auf Grund der Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes durch Beschwerdesachen in Angelegenheiten des Aufenthalts-, des Fremden- und des Asylwesens sei ein unabhängiger Bundesasylsenat geschaffen worden, der nach den Gesetzesmaterialien "als gerichtsähnliche Einrichtung (Tribunal), dem Verwaltungsgerichtshof vorgeschaltet, über Berufungen in Asylangelegenheiten entscheiden" sollte. Der Verfassungsgesetzgeber habe damit den unabhängigen Bundesasylsenat als einen "speziellen" unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen, dem ebenso Tribunal-Qualität iSv Art 6 EMRK zukommen sollte wie den zum Zeitpunkt der Schaffung von Art 129c B-VG bereits bestehenden unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern. Obwohl die Angelegenheiten des Asyl- und Fremdenwesens nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des EGMR nicht in den Bereich der civil rights iSd Art 6 EMRK fallen würden, habe das B-VG durch die Gleichstellung des unabhängigen Bundesasylsenats mit den unabhängigen Verwaltungssenaten (in den Ländern) die Grundlage geschaffen, dass der unabhängige Bundesasylsenat mit voller Rechts- und Tatsachenkognition ausgestattet sein müsse. Ein - wenn auch eingeschränktes - Neuerungsverbot, wie es § 32 Abs 1 AsylG nunmehr vorsehe, sei damit unvereinbar und somit wegen Verstoßes gegen Art 129, 129a und 129c B-VG verfassungswidrig.

4.2.3. Bedenken wegen des Verstoßes gegen Art 11 Abs 2 B-VG

Den Verstoß gegen Art 11 Abs 2 B-VG begründet die Wiener Landesregierung damit, dass eine abweichende Regelung von § 65 AVG - wie sie § 32 Abs 1 AsylG vorsehe - nicht "unerlässlich" iSd Art 11 Abs 2 B-VG sei. Zwar bestünden keine Zweifel, dass die Asylgewährung Besonderheiten aufweist, die Abweichungen von den Bestimmungen des AVG erforderlich machen könnten. Warum im konkreten Fall die Anordnung eines Neuerungsverbots "unerlässlich" sein soll, gehe aber aus den Absichten des Gesetzgebers nicht hervor. Dieser führe in diesem Zusammenhang in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur AsylG-Novelle 2003 lediglich aus, dass die Neufassung des § 32 AsylG dem Konzept Rechnung trage, dass die Kompetenzen des Bundesasylamtes als Tatsacheninstanz erweitert werden. Dies könne - insb. unter Beachtung der oben ausgeführten spezifischen Situation der Asylwerber, die dieser Neuregelung entgegenstehe - kein "unerlässlicher" Grund für eine Einschränkung der Kognitionsbefugnis des unabhängigen Bundesasylsenats sein.

4.2.4. Bedenken wegen des Verstoßes des § 32 Abs 1 gegen das Rechtsstaatsprinzip, gegen Art 13 EMRK und gegen den Gleichheitssatz

Zur Begründung des behaupteten Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip (Prinzip der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes) sowie das allgemeine Sachlichkeitsgebot erläutert die Wiener Landesregierung zuerst das im Zivilprozess durch § 482 ZPO normierte Neuerungsverbot. Dieses sei seinem Wesen nach ein Mittel zur Prozesskonzentration, welches Verzögerungen des Rechtsmittelverfahrens und eine damit bedingte Kostenerhöhung hintanhalten wolle. Dadurch sollen Parteien zu sorgfältiger Prozessvorbereitung verhalten werden. Die durch das Neuerungsverbot ausgelöste Gefahr einer unrichtigen Entscheidung könne angesichts der umfassenden Befugnisse und systematischen Schwerpunktsetzung des Prozesses auf die erste Instanz in Kauf genommen werden. Im Zivilprozess gelte idR der abgeschwächte Untersuchungsgrundsatz. Der reine Untersuchungsgrundsatz gelte in jenen Verfahren, in denen ein öffentliches bzw. überindividuelles Interesse an der Wahrheitsfindung bestehe, wie zB im Ehenichtigkeits-, Rechtsfürsorge- oder Insolvenzverfahren. In diesen Verfahren gebe es als Folge des überindividuellen Interesses abweichend von § 482 ZPO kein Neuerungsverbot.

Im Gegensatz zum Zivilprozess würden im Verwaltungsverfahrensrecht die Offizialmaxime und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit gelten. Das primäre Ziel sei demnach die Ermittlung des wahren Sachverhalts. Diese Grundsätze gebieten es, aus öffentlichem Interesse - unabhängig vom Verhalten der Parteien - den wirklichen entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln. Demgegenüber sei der Grundsatz der Verfahrensökonomie nachrangig. Entsprechend dieser Systematik des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts könnten daher im Berufungsverfahren gemäß § 65 AVG neue Tatsachen und Beweise vorgebracht werden. Aus den Grundsätzen ergebe sich überdies, dass die Berufungsbehörde allenfalls notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens von Amts wegen vorzunehmen hat. Die Berufungsbehörde sei im Allgemeinen verpflichtet, nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetretene Änderungen der Sach- und Beweislage zu berücksichtigen.

Diese Systemgrundsätze des einfachgesetzlichen Verfahrensrechts entsprächen den Sachnotwendigkeiten, auf die das jeweils anzuwendende Verfahrensrecht treffe. Diese Gründe im Tatsächlichen würden die Ausprägung des Verfahrensrechts bestimmen. In dieser Hinsicht sei damit aber die Ausgestaltung des Verfahrensrechts auch verfassungsrechtlich durch den Gleichheitsgrundsatz und das aus ihm abzuleitende Sachlichkeitsgebot vorgeprägt. Es sei unsachlich und damit gleichheitswidrig, verfahrensrechtliche Prinzipien so umzugestalten bzw. außer Kraft zu setzen, dass das Verfahrensrecht den Anforderungen, den das jeweils geregelte Verfahren Rechnung tragen soll, nicht mehr genügen kann. Das weitgehende Neuerungsverbot des § 32 Abs 1 AsylG verunmögliche es aber, dass der unabhängige Bundesasylsenat die ihm gesetzlich zugewiesene (und verfassungsrechtlich grundgelegte) Aufgabe einer Berufungsentscheidung in einem Verwaltungsverfahren nachkommen könne. Es dürfe nicht übersehen werden, dass die Entscheidungen auf Grund des AsylG, insb. die Entscheidungen über die Gewährung von Asyl, auch wenn sie im besonderen Interesse des Asylwerbers liegen, keineswegs ausschließlich im individuellen Interesse des Asylwerbers erfolgen. Vielmehr erfolge die Gewährung von Asyl auch aus übergeordneten, insofern öffentlichen Interessen einer humanitären Ordnung.

Aus eben diesen Gründen sei das Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes nicht unabhängig von den Rechtsschutzverfahren zu sehen, um die es der Sache nach geht. Das Rechtsstaatsprinzip der Bundesverfassung verlange eine dem konkreten Verfahren und den Zielsetzungen und Zwecken, denen das Verfahren dient, adäquate Ausgestaltung und damit "faktische Effizienz des Rechtsschutzes". Die Wiener Landesregierung führt weiters aus:

"Die angefochtene Bestimmung des Art 32 Abs 1 Asylgesetz 1997 verkennt diese Erscheinungsformen des Prinzips der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes sowie des Sachlichkeitsgebots und führt stattdessen das zivilgerichtliche und somit systemwidrige Instrumentarium des Neuerungsverbots in markanter Abweichung von § 65 AVG in das Rechtsschutzverfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat ein. Das Neuerungsverbot, als Mittel zur Beschleunigung der Verfahren eingesetzt, ist dort fehl am Platz, wo nach dem Grundsatz der materiellen Wahrheit die Durchsetzung öffentlicher Interessen auf dem Spiel steht (deshalb - wie oben gezeigt - auch dessen Ausschluss in gewissen zivilgerichtlichen Verfahrensarten). Im Verfahren über die Gewährung von Asyl, in dem seit der Asylgesetznovelle 2003 auch über fremdenrechtliche Belange abgesprochen wird, sind solche öffentlichen Interessen sehr stark betroffen. Schließlich zählen die Kompetenzen zur Regelung der Zuwanderung, des Aufenthalts und der Gewährung von Schutz für von anderen Staaten aus politischen Motiven verfolgte Bürger zu den Kernkompetenzen eines jeden Staatswesens. Gerade in einer solchen Materie, wo öffentlichen Interessen ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt wird, kann der Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung niemals Vorrang vor der Wahrheitsfindung eingeräumt werden.

Dazu kommt, dass [...] das Asylverfahren selbst unter den verwaltungsrechtlichen Verfahren eine besondere Rolle einnimmt: Im Gegensatz zu einem 'herkömmlichen' Verwaltungsverfahren, etwa im Gewerberecht, tritt nicht ein Bürger mit einem mehr oder weniger reiflich überlegten Antrag planmäßig an die Behörde heran, sondern ein potentieller Flüchtling landet - oft im Zuge einer anstrengenden und teils gefährlichen Odyssee - mehr oder weniger geplant in Österreich und sucht um Asyl an. Angesichts der psychischen Drucksituation und des neuen, ungewohnten Umfeldes in dem sich ein Flüchtling dabei häufig befindet, wird er wohl niemals so besonnen und überlegt handeln können wie ein Antragsteller unter normalen Bedingungen. Die hohe Zahl an stattgebenden Berufungen im Asylverfahren, wie sie unter Punkt a) dargelegt wurde, untermauert dies. Gerade der psychische und physische Ausnahmezustand, in dem sich Asylwerber in der Regel befinden, gebietet eine im Vergleich zu anderen Verwaltungsverfahren zumindest gleichwertige Behandlung im Rahmen des Berufungsverfahrens. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur auf Besonderheiten im Asylverfahren hingewiesen und dabei ausgeführt, dass davon auszugehen ist, dass Asylwerber im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig sind und daher schon zum rein sprachlichen Verständnis des ihnen zugestellten Bescheids fremder Hilfe bedürfen (VfSlg. 15.218/1998 und 15.529/1999). Gerade aus Verständnisschwierigkeiten mit der deutschen Sprache kann es sich aber auch ergeben, dass der Asylwerber im Verfahren erster Instanz Tatsachen und Beweismittel noch nicht vorgelegt hat."

Ferner verkenne das Neuerungsverbot die Rechte von sog. "refugies sur place", das sind Flüchtlinge, die erst durch "Nachfluchtgründe", wie etwa ihrem Verhalten (zB kritischen Äußerungen gegenüber dem Verfolgerstaat) oder Änderungen im Verfolgerstaat (zB ein Regimewechsel), Flüchtlingsstatus erlangen. Auch sie würden von Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention und Art 3 EMRK geschützt. Ein Erlangen des Flüchtlingsstatus könne auch erst während eines anhängigen Verfahrens stattfinden, und in prima vista unbedeutenden Details begründet liegen. Ein Neuerungsverbot sei - auch in eingeschränkter Form - geeignet, das Vorbringen solcher Nachfluchtgründe als unzulässig zurückzuweisen und daher mit den Anforderungen der Genfer Flüchtlingskonvention und Art 3 EMRK unvereinbar.

"Die Anordnung eines weitgehenden Neuerungsverbots steht überdies in eklatantem Widerspruch zu § 28 Asylgesetz 1997, der durch BGBl. I Nr. 76/1997 eingefügt wurde und im Rahmen der Asylgesetznovelle 2003 trotz der Einführung des § 32 Abs 1 Asylgesetz 1997 in seiner nunmehrigen Form unverändert geblieben ist. § 28 Asylgesetz 1997 regelt die 'Ermittlungspflichten' und bestimmt:

'Die Behörde hat in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.'

Die Anordnung des § 28 Asylgesetz 1997 untermauert, dass die Offizialmaxime und der Grundsatz der materiellen Wahrheit im Asylwesen Anwendung finden. Diese beiden Prinzipien, seien somit, so die EBRV zum Asylgesetz 1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 76/1997 (686 BlgNR 20. GP, Seite 27 f.) für das Verfahren nach diesem Bundesgesetz festgeschrieben. Die EBRV führen dazu aus, dass damit 'das Asylgesetz 1997 fundamentalen Prinzipien des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts folgt. Ein Neuerungsverbot, wie es nunmehr § 32 Abs 1 Asylgesetz 1997 vorsieht, ist aber geradezu das Gegenteil dieser beiden grundlegenden Prinzipien, dessen Anordnung im Asylgesetz 1997 daher widersprüchlich, sachlich nicht gerechtfertigt und damit verfassungswidrig ist."

Zuletzt erörtert die Wiener Landesregierung das Erk. VfSlg. 13.834/1994 und meint, dass § 20 Abs 2 Asylgesetz 1991 in der Fassung BGBl. Nr. 8/1992 kein Neuerungsverbot in das österreichische Verwaltungsrecht eingeführt habe, sondern lediglich die Pflicht des Bundesministers für Inneres als Berufungsbehörde beschränkt habe, von Amts wegen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. In dem zitierten Erk. unterstreiche der Verfassungsgerichtshof die eminente Wichtigkeit der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes gerade im Asylwesen. Besonders in Anbetracht der aufgezeigten Spezifika des Asylverfahrens und der vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Anforderungen an die Effektivität von Rechtsschutzeinrichtungen sei die Einführung des aus dem streitigen zivilgerichtlichen Verfahren stammenden Neuerungsverbots - auch in eingeschränkter Form - mit den Anforderungen der österreichischen Bundesverfassung unvereinbar.

Zur behaupteten Verletzung von Art 13 EMRK bringt die Wiener Landesregierung vor, dass Art 13 EMRK jedermann, der eine Verletzung seiner durch die Konvention geschützten Rechte vertretbar behauptet, das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz gewährleiste. Entscheidungen in Asylsachen und die damit verbundenen fremdenrechtlichen Beschlüsse über die Außerlandesschaffung eines Asylwerbers könnten regelmäßig im Blickwinkel von Art 3 EMRK erheblich werden und eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.

Die durch § 32 Abs 1 AsylG vorgesehene Einschränkung des zulässigen Berufungsvorbingens habe zur Folge, dass auch erstmalig in der Berufung vorgebrachte Behauptungen einer drohenden Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte bei der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenats keine Berücksichtigung finden könnten. Ein Verfahren, das im Berufungsverfahren neues Vorbringen nur unter eingeschränkten Bestimmungen zulasse, könne den von EGMR und EKMR ausgesprochenen Anforderungen nicht genügen, wobei sich die Wiener Landesregierung auf den Bericht der EKMR im Fall Bahaddar gegen Niederlande, sowie auf die Entscheidung des EGMR , 70/1995/576/662, ÖJZ 1997, 632 - Chahal gegen Vereinigtes Königreich, beruft.

Der Verfassungsgerichtshof habe in VfSlg. 16.122/2001 hinsichtlich der Prüfung der § 5 Abs 1 letzter Satz AsylG 1997 in der Stammfassung und § 5 Abs 3 idF BGBl. I Nr. 4/1999 Bedenken wegen Art 13 EMRK entgegnet, dass jegliche Entscheidung des Bundesasylamtes der uneingeschränkten Rechtskontrolle durch den unabhängigen Bundesasylsenat unterliege. Daraus lasse sich e contrario ableiten, dass eine auf gewisses Vorbringen beschränkte Rechtskontrolle durch den unabhängigen Bundesasylsenat den Anforderungen des Art 13 EMRK nicht genüge.

4.2.5. Bedenken wegen des Verstoßes des § 32 Abs 2 und 8 sowie § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG gegen das Rechtsstaatsprinzip, Art 11 Abs 2 B-VG und Art 13 EMRK

Zur Begründung des behaupteten Verstoßes gegen das Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes und des Sachlichkeitsgebotes erörtert die Wiener Landesregierung zunächst den Regelungsinhalt des § 5a AsylG: Die in § 5a Abs 4 enthaltene Anordnung, dass die Ausweisung nach Abs 1 stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat gelte, sei fast wortgleich aus dem AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 4/1999 übernommen worden. Der dortige § 5 Abs 1 letzter Satz und Abs 3 sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf die Refoulementprüfung gemäß § 57 Fremdengesetz 1997 sowie Art 3 und 8 EMRK - unter Heranziehung des Art 3 Abs 4 des Dubliner Übereinkommens - einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich gewesen. Das Dubliner Übereinkommen gelte noch zwischen Dänemark und den anderen Mitgliedstaaten der EU, sei ansonsten aber von der Dublin II-VO abgelöst worden, die in Art 3 Abs 2 eine spiegelbildliche Bestimmung zu Art 3 Abs 4 des Dubliner Übereinkommens enthalte. Diesbezüglich könnten an Stelle einer verfassungskonformen Interpretation nunmehr § 5a Abs 1 erster Satz und Abs 4 AsylG im Anwendungsbereich der Dublin II-VO von dessen Art 3 Abs 2 verdrängt sein. Nach Wiedergabe des Art 19 Abs 2 letzter Satz dieser VO führt die Wiener Landesregierung aus:

"Dass die Zurückweisung nach den §§4, 4a oder 5 Asylgesetz 1997 gemäß § 5a Asylgesetz 1997 mit der Ausweisung zu verbinden ist, dient, so die EBRV zu Z. 5 der Asylgesetznovelle 2003, der Verwaltungsvereinfachung und beseitigt in diesem Fall die Doppelgleisigkeit in der Beschwerdeführung ohne den Rechtsschutz zu beeinträchtigen. Die Ausweisung werde überdies bereits vor Rechtskraft der Entscheidung vollstreckbar sein. Dies sei, so führen die EBRV fort, insofern nicht von zentraler Bedeutung, als es sich bei zurückweisenden Bescheiden gemäß der §§4, 4a oder 5 Asylgesetz 1997 um die Entscheidung handelt, ob das Asylverfahren des Asylwerbers in einem sicheren Drittstaat oder in einem Dublinstaat geführt werden soll. Tatsächlich sieht § 5a Abs 1 2. Satz Asylgesetz 1997 in Verbindung mit § 32 Abs 2 Asylgesetz 1997 explizit vor, dass Berufungen gegen Entscheidungen gemäß § 5 Asylgesetz 1997 im Zulassungsverfahren eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt und sie somit bereits vor ihrer Rechtskraft durchsetzbar sind.

Bezüglich zurückweisender Entscheidungen gemäß den §§4 und 4a Asylgesetz 1997 ist die neue Regelung aber widersprüchlich:

Während § 5a Absl Asylgesetz 1997 auch in diesen Fällen (wie bei § 5 Asylgesetz 1997) eine Durchsetzbarkeit bereits vor dem Eintreten der Rechtskraft vorsieht, bestimmen § 32 Abs 3, Abs 4 und Abs 4a Asylgesetz 1997, abweichend von § 32 Abs 2 Asylgesetz 1997, dass der unabhängige Bundesasylsenat der Berufung binnen sieben Tagen ab Einlangen der Berufungsvorlage aufschiebende Wirkung zuerkennen kann, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und die Berufung nicht aussichtslos erscheint.

Der Ursprung dieses Widerspruchs zwischen den §§5a Abs 1 Asylgesetz 1997 einerseits und den §§32 Abs 3, Abs 4 und Abs 4a Asylgesetz 1997 andererseits liegt in der Entstehungsgeschichte der Asylgesetznovelle 2003 begründet. Die Regierungsvorlage sah ursprünglich den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 32 Abs 2 Asylgesetz 1997 neben dem § 5 Asylgesetz 1997 auch für die §§4 und 4a Asylgesetz 1997 vor. Nach heftiger Kritik während des Begutachtungsverfahrens wurden die §§4 und 4a Asylgesetz 1997 aus § 32 Abs 2 Asylgesetz 1997 gestrichen und dafür in § 32 Abs 3, Abs 4 und Abs 4a zu § 6 Asylgesetz 1997 hinzugefügt. Somit wurde (richtigerweise) auch in den Fällen einer Zurückweisung nach den §§4 und 4a Asylgesetz 1997 dem Unabhängigen Bundesasylsenat die Möglichkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegeben. In der zu § 32 Abs 2 und Abs 3 Asylgesetz 1997 korrespondierenden Bestimmung des § 5a Abs 1 Asylgesetz 1997 wurden die §§4 und 4a Asylgesetz 1997 aber belassen. Das führt dazu, dass die Ausweisung aufgrund einer Zurückweisung nach den §§4 und 4a Asylgesetz 1997 sofort vollstreckbar ist, während hingegen für die Berufung gegen die Zurückweisung aufschiebende Wirkung zuerkannt werden kann.

Eine solche Trennung der Wirksamkeit eines einzig ergehenden Bescheids entbehrt aber jeder sachlichen Rechtfertigung und unterläuft den Rechtsschutz insofern, als ein nach § 5a Abs 1 in Verbindung mit Abs 4 Asylgesetz 1997 ausgewiesener Asylantragsteller von einer möglicherweise erfolgreichen Berufung gegen die Zurückweisung wohl in der Regel gar keine Kenntnis erhalten wird. Es kann also aufgrund von § 5a Abs 1 in Verbindung mit Abs 4 Asylgesetz 1997 dazu kommen, dass ein Asylwerber aufgrund einer Fehlentscheidung der erstinstanzlichen Behörde abgeschoben wird, ohne dass ihm ein effektiver Rechtsschutz dagegen zukommt. Denn das in § 19 Abs 3 Asylgesetz 1997 vorgesehene Wiedereinreiserecht im Falle der Stattgebung der Berufung wird der Asylwerber wohl nur in den seltensten Fällen in Anspruch nehmen können, da er in der Regel von der Stattgebung im Ausland keine Kenntnis erlangen wird. Selbst wenn der Asylwerber im Einzelfall davon erfährt, wird ihm die Wiedereinreise für gewöhnlich aus faktischen Gründen nicht möglich sein."

Es stehe außer Streit, dass der Gesetzgeber Tatbestände umschreiben dürfe, hinsichtlich derer ein sofortiger Vollzug aus dringenden öffentlichen Interessen vorgesehen wird. Doch sei es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes mit dem rechtsstaatlichen Prinzip nicht vereinbar, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt sei. Solches liege hier aber vor, weil die theoretische Möglichkeit der Rückkehr - unabhängig davon, wie hoch deren Wahrscheinlichkeit ist - keinesfalls die effektive Rechtsschutzgewähr substituieren könne.

Der Gesetzgeber dürfe die aufschiebende Wirkung nur ausschließen, wenn er sowohl die Position des Rechtsschutzsuchenden als auch Zweck und Inhalt der ausschließenden Regelung ausreichend berücksichtigt. Ferner habe er auf die Interessen Dritter und schließlich auf das öffentliche Interesse Rücksicht zu nehmen. Dabei müsse er nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs einen Ausgleich schaffen, wobei dem Grundsatz der faktischen Effektivität eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukomme und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig sei.

Im konkreten Fall würden die Regelungen in § 5a Abs 1 zweiter Satz und § 32 Abs 2 und Abs 8 AsylG diesen Anforderungen nicht entsprechen, da sie den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht von sachlich gebotenen, triftigen Gründen abhängig machen, sondern generell und ausnahmslos die aufschiebende Wirkung aberkennen würden. Weder im Gesetzestext noch in den Materialien würden sich diesbezüglich irgendwelche Anforderungen finden; im Gegenteil: Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage würden in Verkennung des rechtsstaatlichen Prinzips davon sprechen, dass die Vollstreckbarkeit der Entscheidung vor ihrer Rechtskraft nicht von zentraler Bedeutung ist, da den Asylsuchenden zugemutet werden könne, den Ausgang ihres Berufungsverfahrens in einem Dublin-Staat oder sicheren Drittstaat abzuwarten.

Nach Auffassung der Wiener Landesregierung trifft es zu, dass für bestimmte Gruppen "Zurückzuweisender und somit Auszuweisender etwa in Zusammenhang mit der Bekämpfung des Kriminaltourismus besondere Regelungen erforderlich sein könnten"; dies dürfe aber nicht um den Preis geschehen, dass dafür andere - sich im Recht befindliche Antragsteller - um ihren Rechtsschutz gebracht würden. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (insb. die Erk. VfSlg. 13.003/1992, 13.005/1992, 15.511/1999 und 14.374/1995) folgert die Wiener Landesregierung, dass § 5a Abs 1 zweiter Satz und § 32 Abs 2 und 8 AsylG wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und das Sachlichkeitsgebot iSd Art 7 Abs 1 B-VG bzw. des ArtI des BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungswidrig seien.

Im Hinblick auf Art 19 Abs 2 Dublin II-VO, der die aufschiebende Wirkung nicht generell ausschließe, sondern deren Zuerkennung im Einzelfall ermögliche, sowie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, dass der Gesetzgeber hinsichtlich gemeinschaftsrechtlicher Akte einer doppelten Bindung (an das Gemeinschaftsrecht und das nationale Verfassungsrecht) unterliege, ergebe sich, dass auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben die in § 32 Abs 2 und Abs 8 AsylG vorgenommene Ausgestaltung, die den generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung normiert, wegen Verfassungswidrigkeit ausscheide.

Wie bereits die oberösterreichische Landesregierung ist auch die Wiener Landesregierung der Meinung, dass die gegenüber § 64 Abs 1 AVG abweichenden Bestimmungen des § 32 Abs 2 und 8 AsylG (sowie des § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG) im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht erforderlich iSd Art 11 Abs 2 B-VG seien. Weder im Gesetz noch in den Erläuterungen fänden sich Anhaltspunkte, weshalb die angefochtenen Abweichungen vom AVG unerlässlich sein sollten. Ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in genereller und ausnahmsloser Form könne nach dem System des österreichischen Bundesverfassungsrechts auch gar nicht unerlässlich sein, weil er in Widerspruch zum rechtsstaatlichen Prinzip sowie zum Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG stehe.

Zur behaupteten Verletzung des Art 13 EMRK erörtert die Wiener Landesregierung die Judikatur des EGMR, des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes:

"Die Entscheidung betreffend der Außerlandesschaffung eines Fremden kann nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR eine solche vertretbare Konventionsverletzung darstellen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden (Refoulement-Verbot; vgl. VfSlg. 13.776/1994, EGMR, Vilvarajah, Urteil vom , ÖJZ 1992, 309ff.). Ein innerstaatliches Rechtsmittel gegen eine solche vertretbare Verletzungsbehauptung muss sowohl rechtlich als auch faktisch wirksam sein, was bedeutet, dass es der zuständigen Behörde erlaubt, sich sowohl inhaltlich mit dem Beschwerdevorbringen auseinander zu setzen als auch angemessene Abhilfe zu schaffen (EGMR, Rotaru, Urteil vom , ÖJZ 2001, 77; EGMR, Vilvarajah, Urteil vom , ÖJZ 1992, 309ff.; EGMR, Soering, Urteil vom , EuGRZ 1989, 314ff.). Unter Berufung auf die zitierte Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR erkannte der Verwaltungsgerichtshof in einem Beschluss (VwGH, , AW 98/21/0104) einer Beschwerde gegen die Abschiebung die aufschiebende Wirkung zu. In dieser Entscheidung führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

'Das in Art 13 EMRK gewährleistete Recht auf eine wirksame Beschwerde gegen die vertretbar behauptete Verletzung eines in der EMRK gewährleisteten Rechts ist auch auf den behaupteten Fall der Außerlandesschaffung eines Fremden und die damit verbundene Gefahr einer Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe anzuwenden. Von einer wirksamen Beschwerde kann nur dann gesprochen werden, wenn mit diesem Rechtsmittel auch eine aufschiebende Wirkung verbunden ist.'

In einem jüngeren Urteil des EGMR (Jabari gegen Türkei, Urteil vom ) statuiert dieser nunmehr sogar ausdrücklich, dass Berufungen gegen Asylanträge im Hinblick auf die Wahrung der Rechte des Art 13 EMRK die Möglichkeit der Zuerkennung aufschiebender Wirkung zukommen muss (vgl. Pinter, Internationales Flüchtlingsrecht, in: Muzak/Taucher/Pinter/Loibner (Hrsg.), Fremden- und Asylrecht, Kommentar³, 2002, Seite 86, 110). Der EGMR führt im Urteil Jabari in Paragraph 50 aus:

'In the Court's opinion, given the irreversible nature of the harm that might occur if the risk of torture or ill-treatment alleged materialised and the importance which it attaches to Article 3, the notion of an effective remedy under Article 13 requires independent and rigorous scrutiny of a claim that there exist substantial grounds for fearing a real risk of treatment contrary to Article 3 and the possibility of suspending the implementation of the measure impugned. Since the Ankara Administrative Court failed in the circumstances to provide any of these safeguards, the Court is led to conclude that the judicial review proceedings relied on by the Government did not satisfy the requirements of Article 13.'

In Abweichung von der im österreichischen Verwaltungsrecht prinzipiell vorgesehen Zuerkennung aufschiebender Wirkung (§64 Abs 1 AVG) sowie deren Möglichkeit der Zuerkennung (§30 Abs 2 VwGG, § 85 Abs 2 VfGG), schließen § 5a Abs 1 2. Satz Asylgesetz 1997 und § 32 Abs 2 Asylgesetz 1997 nicht nur die aufschiebende Wirkung an sich sondern auch die Möglichkeit deren Zuerkennung gänzlich aus. Aus diesem Grunde verstoßen § 5a Abs 1 2. Satz Asylgesetz 1997 und § 32 Abs 2 Asylgesetz 1997 gegen Art 13 EMRK und sind daher verfassungswidrig."

4.3. Die Äußerung der Bundesregierung zur Zulässigkeit der Anträge

4.3.1. Zur Zulässigkeit der Anträge der oberösterreichischen Landesregierung

Zu den Bedenken des Verstoßes gegen Art 13 EMRK meint die Bundesregierung, dass die oberösterreichische Landesregierung in keiner Weise spezifiziert habe, welche Bestimmungen des AsylG dieser Verfassungsnorm widersprechen. Ebenso würden die behaupteten Verfassungswidrigkeiten nicht in Bezug zu einzelnen Bestimmung gesetzt. Es werde lediglich festgehalten, dass die "angefochtenen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, die den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gegen Entscheidungen gemäß den §§4 ff Asylgesetz 1997 vorsehen", die "angefochtenen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997" bzw. "der in weiters angefochtenen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 vorgesehene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung" auch einen Verstoß gegen Art 13 EMRK bewirkten. Es fehle somit die Begründung und die genaue Darlegung der angenommenen Verfassungswidrigkeit in Bezug auf die jeweiligen asylgesetzlichen Vorschriften, die nach Auffassung der oberösterreichischen Landesregierung die Verfassungswidrigkeit begründet, sodass der Antrag insofern unzulässig sei. Ferner beschränke sich die oberösterreichische Landesregierung bei der Geltendmachung der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes auf die Erörterung der verfassungsgerichtlichen Judikatur, ohne im Einzelnen in Bezug auf jede der angeführten Bestimmungen zu begründen, weshalb ein Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz angenommen werde. Eine derart pauschal vorgenommene Behauptung der Gleichheitswidrigkeit genüge nicht den vom Verfassungsgerichtshof geforderten Prozessvoraussetzungen.

4.3.2. Zur Zulässigkeit des Antrages der Wiener Landesregierung

Zur Anfechtung des § 32 Abs 1 AsylG meint die Bundesregierung, dass im Falle der Stattgabe des Hauptantrages § 32 Abs 1 AsylG einen Wortlaut erhielte (nämlich: "In Berufungen gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden."), der im Ergebnis keinen Unterschied zur allgemein gültigen Rechtslage nach dem AVG darstellte. Der Sinn der verbleibenden Bestimmung würde nicht mehr dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen entsprechen, sodass sich der Hauptantrag deshalb als unzulässig erweise. Insofern erscheine daher lediglich der Antrag auf Aufhebung der gesamten Regelung als zulässig.

Zum behaupteten Verstoß der §§5a Abs 1 und 32 Abs 2 und Abs 8 gegen Art 11 Abs 2 B-VG führt die Bundesregierung aus, dass die Wiener Landesregierung diese Verletzung ohne nähere Begründung geltend mache. Die Wiener Landesregierung ziehe sich lediglich auf die Wiedergabe von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs mit der Behauptung zurück, dass sich die getroffene Regelung als "nicht erforderlich" erweise. Diese Ausführungen scheinen jedoch nicht in geeigneter Weise darzulegen, aus welchen Gründen die Wiener Landesregierung den angefochtenen Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anlaste, weshalb der Antrag insofern als unzulässig zurückzuweisen wäre, als eine Verletzung des Art 11 Abs 2 B-VG vorgebracht werde.

Ferner vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass der von der Wiener Landesregierung gestellte Eventualantrag zurückzuweisen sei, da eine Stattgabe dieses Antrages im Ergebnis dazu führen würde, dass der nach Aufhebung verbleibende Normteil einen dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr zusinnbaren Inhalt bekäme, nämlich die Anordnung, dass Berufungen aufschiebende Wirkung zukomme. Hiezu bringt die Bundesregierung vor:

"Abgesehen davon, dass einer Berufung nach einer allfälligen Aufhebung des § 32 Abs 2 AsylG 1997 ohnedies - mangels abweichender Bestimmung - gem. § 64 Abs 1 AVG aufschiebende Wirkung zukäme, ist auf das Erkenntnis VfSlg. 15.599/1999 hinzuweisen, in welchem der Verfassungsgerichtshof festgehalten hat, dass nur der Antrag auf Aufhebung der gesamten Regelung zulässig ist, wenn bei Aufhebung bloß eines Teiles einer Norm der Sinn der verbleibenden Bestimmung nicht mehr dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen entspricht. Diese Bedenken gegen die Zulässigkeit des Eventualantrages gelten sinngemäß für den Entfall des Wortes 'keineswegs' im § 32 Abs 8 AsylG 1997, weshalb die Bundesregierung daher zusammengefasst der Ansicht ist, dass der Eventualantrag insgesamt als unzulässig zurückzuweisen wäre."

4.4. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung

4.4.1. Allgemeines

Einleitend wendet sich die Bundesregierung den von der oberösterreichischen Landesregierung zitierten Tätigkeitsberichten des unabhängigen Bundesasylsenates 1998 und 1999 sowie 2000 und 2001 zu. Hinsichtlich der von der oberösterreichischen Landesregierung ins Treffen geführten Behebungs- bzw. Abänderungsquote meint die Bundesregierung, dass der Jahresbericht 98/99 von besonderen Aspekten geprägt worden sei:

"Zunächst ist die Kosovo-Krise 1999 zu erwähnen, welche im Jahr 1999 aufgrund der geänderten Umstände (zwischen Entscheidung 1. Instanz und Entscheidung 2. Instanz) zur Annahme einer Gruppenverfolgung und hoher Anerkennungsquote geführt hat (offizielle Anerkennungsquote 1999: 50,7% - zum Vergleich 2000: 17,3%). Der Tätigkeitsbericht 98/99 zeigt dies auch sehr klar:

3368 Entscheidungen des UBAS betrafen § 7 (Frage der Flüchtlingseigenschaft) - in 1678 Fällen wurde (in Abänderung der Entscheidung der ersten Instanz) Asyl gewährt - davon betrafen 1450 Entscheidungen Personen aus dem Kosovo. Es darf in diesem Zusammenhang unterstrichen werden, dass ein derartiger Sachverhalt unter § 32 Abs 1 Z 1 zu subsumieren wäre und neue Vorbringen auch in der Berufung erstattet werden können.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der unabhängige Bundesasylsenat im Bereich der Sonderverfahren (§§4 - 6) bis zur Entscheidung des VwGH 98/20/0175 vom von einem reinen Kassationsprinzip ausging, sodass auch hier zur bloßen Ermittlung von bestimmten Sachverhalten Bescheidbehebungen und Rückverweisungen an die erste Instanz zu weiteren Ermittlungen erfolgten, ohne deswegen eine Aussage über die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im engeren Sinne getroffen zu haben. All diese Bescheiderhebungen, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als rechtswidrig zu qualifizieren sind, sind im Tätigkeitsbereich des UBAS 98/99 enthalten. Es darf auch darauf hingewiesen werden, dass in manchen Fällen Mehrfachbehebungen in ein und demselben Verfahren vorliegen: Auch dieser Umstand relativiert die von der Antragstellerin angegebene Behebungsquote.

Gleichzeitig sind in der Statistik des Tätigkeitsberichtes des UBAS 98/99 auch ersatzlose Bescheidbehebungen aufgrund von Zurückziehungen eines Asylantrages während anhängiger Berufungsverfahren miterfasst.

Bei der Darstellung der 'Entscheidungsquote des UBAS' in Aberkennungsverfahren (§14) ist zu berücksichtigen, dass viele dieser Verfahren alleine schon wegen der (durch das AsylG 97 neu eingeführten) Fristverstreichung des § 14 Abs 4 im Entscheidungszeitpunkt des UBAS zu beheben waren.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass diese 'Abänderungs- und Behebungsentscheidungen' alleine für sich keinen Aufschluss über die Verfahrensqualität der ersten Instanz und die 'Ermittlungsnotwendigkeit' der zweiten Instanz geben."

Ferner merkt die Bundesregierung zum Jahresbericht 2000/2001 an, dass der unabhängige Bundesasylsenat sich darin zum Problem der umfassenden Ermittlungsnotwendigkeiten in der zweiten Instanz äußere und sich deutlich kritisch zum Verhalten mancher Asylwerber im Verfahren erster Instanz zeige, was aber geradezu die Notwendigkeit des § 32 Abs 1 dokumentiere.

4.4.2. Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 1 AsylG

Zum Vorwurf der oberösterreichischen Landesregierung, dass durch die Normierung eines (wenn auch eingeschränkten) Neuerungsverbotes gerade im Asylverfahren das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht erfüllt werde, führt die Bundesregierung - die angefochtene Regelung mit der teilweise vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmung des § 20 Asylgesetz 1991 vergleichend - aus:

"Im Asylgesetz 1991 war nicht nur das erlaubte Berufungsvorbringen beschränkt, sondern die Regelung des § 20 AsylG 1991 führte auch dazu, dass ein Ermittlungsverfahren in zweiter Instanz nur dann durchzuführen war, wenn das Ermittlungsverfahren erster Instanz offensichtlich mangelhaft war; der Bundesminister für Inneres beging jedoch keinen Verfahrensfehler, wenn er Verfahrensmängel, die nicht die Schwelle der 'Offensichtlichkeit' und damit der Willkür erreichten, unbeachtet ließ. Dies führte in weiterer Folge dazu, dass bestimmte Verfahrensverletzungen damit auch der Überprüfung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts entzogen waren.

Die Beschränkungen des § 20 AsylG 1991 waren damit wesentlich weit reichender als jene des in § 32 Abs 1. Der entscheidende Bundesminister hatte nur dann eine Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen - und darin Parteiengehör zu gewähren - wenn das Ermittlungsverfahren offensichtlich mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren in erster Instanz nicht zugänglich waren oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hatte. Das Wort 'offensichtlich' wurde im zitierten Erkenntnis wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips als verfassungswidrig aufgehoben.

Der nunmehr angefochtene § 32 Abs 1 weist demgegenüber wesentliche Unterschiede auf, die im Ergebnis auch seine Verfassungskonformität begründen: Durch § 32 Abs 1 werden nämlich im Unterschied zu § 20 Asylgesetz 1991 die Möglichkeiten der Berufungsinstanz im Ermittlungsverfahren nicht eingeschränkt, sondern lediglich das erlaubte Vorbringen in der Berufung selbst begrenzt.

Zu einer effektiven Verschlechterung des Rechtsschutzes im Verfahren zweiter Instanz kann es durch § 32 Abs 1 nicht kommen, da § 28 AsylG und § 37 AVG (zur Ermittlung der materiellen Wahrheit vgl Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht (1999) [Rz 266]) uneingeschränkt anzuwenden sind, da diese von der Sonderregel des § 32 Abs 1 nicht berührt sind. Daher hat auch der unabhängige Bundesasylsenat die Pflicht, der materiellen Wahrheit nachzuforschen, den Asylwerber anzuleiten und zur Vervollständigung seiner Angaben und Bezeichnung seiner Bescheinigungsmittel aufzufordern. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es dem Gesetzgeber gelungen, für die Entscheidungen des unabhängigen Bundesasylsenates eine gesetzliche Grundlage für einen verfassungsrechtlich unbedenklichen Vollzug zu schaffen.

In diesem Zusammenhang ist auch hervor zu streichen, dass sich der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis 13.834/1994 mit dem Unterschied der Regelung des § 20 Abs 2 Asylgesetz 1991 zu Neuerungsverboten auseinandersetzt:

'Das Neuerungsverbot zwingt die Parteien zur effektiven Mitwirkung am Verfahren, nimmt ihnen aber nicht die Möglichkeit, Fehler der Behörde aufzugreifen.'

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ungeachtet der Regelung des § 32 Abs 1 AsylG 1997 weiterhin die unbeschränkte Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns - insbesondere durch den Verwaltungsgerichtshof - gewährleistet ist. Ein allfälliges rechtswidriges Verhalten der Behörde kann daher weiterhin in einer dem Rechtsstaatsprinzip entsprechenden Weise geltend gemacht werden, weshalb eine Verletzung dieses sich aus Art 18 B-VG ergebenden Prinzips durch die angefochtene Bestimmung vor diesem Hintergrund nicht erblickt werden kann."

Der Behauptung der oberösterreichischen Landesregierung, der angefochtene § 32 Abs 1 AsylG verstoße gegen Art 11 Abs 2 B-VG tritt die Bundesregierung mit dem Hinweis entgegen, dass Asylwerber mit Inkrafttreten der AsylG-Novelle 2003 bereits vor Zulassung des Verfahrens einen faktischen Abschiebeschutz und nach Zulassung des Verfahrens ein - durch die Dauer des Verfahren begrenztes - Aufenthaltsrecht (§19 Abs 1) genießen. Damit verfüge der Asylwerber ab Antragstellung bereits vorläufig über jenes Recht, dessen Erlangung letztlich das wichtigste Ziel der Asylgewährung sei, nämlich das Recht, sich im Bundesgebiet aufzuhalten. Die Bundesregierung zitiert Teile des Einleitungsbeschlusses zum Erk. VfSlg. 13.838/1994 und meint, dass vom AVG abweichende Bestimmungen, die sicherstellen, dass Asylwerber am Verfahren mitwirken und dieses nicht verzögern, im Zusammenhang mit der Begünstigung der vorläufigen Berechtigung zum Aufenthalt und zur Sicherstellung der Mitwirkung der Antragsteller am Verfahren unerlässlich seien. Derartige Vorschriften würden der Besonderheit des Asylverfahrens entsprechen.

§ 32 Abs 1 trage diesem Anliegen Rechnung. Die Praxis habe gezeigt, dass das Asylverfahren auch als Möglichkeit der "vorübergehenden Aufenthaltserlangung" genützt werde, um sich im Bundesgebiet aus anderen Motiven als der Erlangung von Asyl aufhalten zu können. Zur Verlängerung des Aufenthaltes genüge es de lege lata, in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vollkommen neue Angaben zu machen, die die zweite Instanz zwinge, ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchzuführen. Daher stellt sich eine Regelung, wie sie in § 32 Abs 1 AsylG getroffen wurde, als unerlässlich heraus.

Der Behauptung Art 13 EMRK sei verletzt, hält die Bundesregierung weiters Folgendes entgegen: Ein Neuerungsverbot halte die Parteien zur effektiven Mitwirkung am Verfahren an, nehme ihnen aber nicht die Möglichkeit, Vorbringen zu erstatten, die auf Grund der Offizialmaxime dazu führen, dass der unabhängige Bundesasylsenat von Amts wegen Ermittlungen anzustellen habe, um eine verfassungskonforme Entscheidung zu garantieren. Das aus Art 13 EMRK erfließende Recht auf Wirksamkeit einer Beschwerde bei einer nationalen Instanz wird durch die gegenständlich getroffene Regelung im Ergebnis daher nicht verletzt.

Zur behaupteten Gleichheitswidrigkeit verweist die Bundesregierung auf die Systematik der AsylG-Novelle, wonach durch die Schaffung verstärkter Informationspflichten der Behörde gegenüber dem Asylwerber und einer Rechtsberatung im Falle einer negativen Entscheidungsabsicht des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren ein Gegengewicht zu § 32 Abs 1 geschaffen worden sei. So sehe das AsylG in § 24 Abs 3 unverzüglich nach der Einbringung des Asylantrags eine Orientierungs- und Erstinformation des Asylwerbers über das Asylverfahren, in § 24a Abs 2 eine Belehrung über die verstärkte Glaubwürdigkeit seiner Aussagen in der Erstaufnahmestelle und in § 26 die obligatorische Auflegung eines Merkblattes, das den Asylwerber über seine Rechte und Pflichten informiert, vor. Überdies sei durch den systematischen Aufbau der Norm des § 24a gewährleistet, dass nunmehr - in klarer Abweichung von der bisherigen Rechtslage - im Falle einer negativen Entscheidung jedenfalls zwei Anhörungen des Asylwerbers stattfinden würden. Ferner bringt die Bundesregierung vor:

"Replizierend auf das im Antrag genannte Beispiel des UNHCR [...] ist auszuführen, dass Asylwerber, die ihre Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung gründen, das Recht haben, von einem Organwalter desselben Geschlechts einvernommen zu werden (vgl auch ). Über diese Möglichkeit sind die Asylwerber nachweislich in Kenntnis zu setzen (§24b Abs 2). Zu dem seitens des UNHCR genannten Beispielfall sei letztlich angemerkt, dass dieser einen typischen Fall der Ausnahmeregelung des § 32 Abs 1 Z 4 darzustellen scheint."

4.4.3. Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 2 und 8 AsylG

Der Behauptung, § 32 Abs 2 AsylG verletze das Rechtsstaatsprinzip, hält die Bundesregierung zunächst das Erk. VfSlg. 14.374/1995 entgegen, worin der Verfassungsgerichtshof festgehalten habe, dass der Gesetzgeber Ausweisungstatbestände umschreiben dürfe, hinsichtlich deren ein sofortiger Vollzug aus dringenden öffentlichen Interessen vorgesehen sei. Die in diesem Erkenntnis erkannte Verfassungswidrigkeit des § 17 Abs 2 Fremdengesetz 1992 (sowie des § 27 Abs 3 zweiter Satz leg.cit.) habe darin bestanden, dass die aufschiebende Wirkung in sämtlichen der von § 17 Abs 2 FrG erfassten Fälle aberkannt gewesen sei. Entscheidend sei die automatische sofortige Vollstreckbarkeit in jeglicher Fallkonstellation gewesen. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Prüfungsbeschluss zu VfSlg. 14.374/1995 auch ausgeführt, dass bei Regelungen, in denen aufschiebende Wirkungen ausgeschlossen werden, nicht nur die Position des Rechtsschutzsuchenden, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse zu berücksichtigen seien. Für die Einschränkung des Grundsatzes der faktischen Effektivität eines Rechtsbehelfs würden - wie vom Verfassungsgerichtshof gefordert - im vorliegenden Fall sachlich gebotene und triftige Gründe vorliegen:



"Nach Ansicht der Bundesregierung ist hervorzuheben, dass § 32 Abs 2 nur auf ganz eng begrenzte, im Hinblick auf gemeinschaftsrechtliche Rechtsinstrumente sachlich begründete Fälle zur Anwendung kommt:

Einerseits handelt es sich bei der Anwendung der Verordnung (EG) Nr 343/2003 des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag zuständig ist (kurz: Dublin II Verordnung) um besondere Verfahren, da durch die notwendige Zustimmung oder Verschweigung des zuständigen Mitgliedsstaates (Art18 Dublin II Verordnung) bereits ein Indiz für die rechtliche Richtigkeit der Entscheidung gegeben ist (Vier-Augen-Prinzip) - der ersuchte Staat muss als Folge seiner ausdrücklichen oder schlüssigen Zustimmung den Asylwerber aufnehmen - und andererseits hat das Gesetz auch Vorkehrungen für den Fall der Aufhebung der Entscheidung gemäß § 5 durch den Unabhängigen Bundesasylsenat getroffen. Dem Fremden ist diesfalls gemäß § 19 Abs 3 die Wiedereinreise zu gewähren. Gleiches gilt sinngemäß auch für jene Fälle, in denen das Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages (kurz: Dublin I Übereinkommen) zur Anwendung kommt. Hier wird die Wirkung der Berufung in Verfahren, die sich auf Dublin I und Dublin II stützen, vereinheitlicht, da trotz unterschiedlicher europäischer Rechtslage die Voraussetzungen die gleichen sind. Ausweisungen in gegenständlichen Verfahren werden nicht ins Herkunftsland verfügt, sondern in einen EU-Mitgliedsstaat - diese beachten die einschlägigen Normen aus der EMRK, der GFK und dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, denen alle Mitgliedstaaten der EU beigetreten sind und sich in der Regel schriftlich für die Übernahme des Asylantrages zuständig erklärt. Es ist daher davon auszugehen, dass im jeweils zuständigen Staat ein den angeführten internationalen Normen entsprechendes Asylverfahren geführt wird."

Was § 32 Abs 8 AsylG anbelangt, bemängelt die Bundesregierung zunächst, dass die oberösterreichische Landesregierung eine genaue Auseinandersetzung mit der behaupteten Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch die angefochtene Regelung vermissen lasse. Dann erläutert sie den Zweck des § 32 Abs 8 AsylG: Es solle verhindert werden, dass das Asylsystem lediglich zur Erlangung eines (vorläufigen) Aufenthaltsrechts und Vermeidung fremdenpolizeilicher Maßnahmen genützt werde. Um in den Anwendungsbereich des § 32 Abs 8 zu fallen, müsse der Asylwerber bereits einmal ein Verfahren bis zur Rechtskraft durchlaufen haben und dann einen weiteren Asylantrag stellen, der wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist. Das derzeitige Fehlen solcher Regelungen habe in der Praxis negative Auswirkungen nach sich gezogen: Fremde, die sich illegal im Bundesgebiet aufhalten, könnten sich derzeit durch das wiederholte Stellen von Asylanträgen der Durchsetzbarkeit der Ausweisung erfolgreich entziehen.

Ohne § 32 Abs 8 hätte auch in Zukunft jede Berufung, soweit es sich nicht um ein Sonderverfahren (§§4 bis 6) handelt, jedenfalls aufschiebende Wirkung, sodass der Fremde nach einer negativen zweitinstanzlichen Entscheidung erneut einen Asylantrag stellen und ein weiteres Mal ein vorläufiges Aufenthaltsrecht erlangen könnte. Bei der Regelung des Problembereichs "Folgeanträge" habe der Gesetzgeber eine schwierige Gratwanderung zwischen einem hohem Prüf- und Entscheidungsstandard und der Vollziehbarkeit des Gesetzes und Durchsetzbarkeit der Entscheidungen vorzunehmen gehabt. Zweck der Norm des § 32 Abs 8 AsylG sei auch bei einem Folgeantrag - soweit sich die Voraussetzungen wirklich geändert haben - die Möglichkeit für positive Entscheidungen offen zu halten, ohne die Effektivität des Verfahrens zu schmälern. Damit sei es dem Gesetzgeber aber auch gelungen, einen ausgewogenen Ausgleich der berührten Interessen vorzunehmen. Vor dem Hintergrund der oben erörterten verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen könne auch zu § 32 Abs 8 festgehalten werden, dass dem sich aus Art 18 B-VG ergebenden Rechtsstaatsprinzip in sachlich begründeter Weise Genüge getan werde.

Der behaupteten Verletzung des Art 11 Abs 2 B-VG tritt die Bundesregierung - zunächst hinsichtlich § 32 Abs 2 AsylG - mit dem Hinweis entgegen, dass diese Bestimmung einerseits Art 19 Abs 2 der Dublin II-VO nachbilde und andererseits Asylwerber von der Wirkung der Berufung her gleichstelle, für die das Dubliner Übereinkommen anzuwenden sei. Zwar bestehe prinzipiell ein europarechtliches Verbot der Wiederholung einer unmittelbar anwendbaren Verordnung in einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift, ausnahmsweise sei es jedoch erlaubt, in innerstaatlichen Vorschriften bestimmte Teile von Verordnungen zu wiederholen, wenn es zu einem Zusammentreffen einer ganzen Reihe von gemeinschaftsrechtlicher und einzelstaatlicher Vorschriften komme. Auch seien innerstaatliche Normen, die in Widerspruch zu Bestimmungen einer Verordnung stehen, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes der Gemeinschaften ungeachtet der unmittelbaren Geltung und des Anwendungsvorranges von Verordnungen anzupassen. Dann führt die Bundesregierung aus:

"§64 Abs 1 AVG normiert - für den Anwendungsbereich der Verfahrensgesetze -, dass eine rechtzeitig eingebrachte Berufung aufschiebende Wirkung hat. Diese Bestimmung widerspricht Art 19 Abs 2 Dublin II Verordnung, wenn es um Verfahren nach dieser Norm geht. Die letztgenannte Bestimmung normiert, dass einer Berufung per se keine aufschiebende Wirkung zukommt, es sei denn, der Gesetzgeber würde die Zuerkennung im Einzelfall durch eine zuständige Behörde oder ein Gericht ermöglichen. Solche Normen kennt das AVG jedoch nicht. Daher war es für die Regelung des Gegenstandes unerlässlich, entweder die Verfahrensgesetze anzupassen - was aber auf Grund des speziellen Geltungsbereichs der Verordnung unangemessen gewesen wäre - oder im Asylgesetz eine vom AVG abweichende Regelung zu treffen.

Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Möglichkeit der Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung im Falle einer Berufung nicht einzuräumen, um der generellen Zielsetzung, wie sie in Punkt 4 der Erwägungsgründe der Dublin II - Verordnung zum Ausdruck gebracht wird, die formelle Prüfung der Zuständigkeit zugunsten der wesentlichen Frage der Gewährung des Flüchtlingsschutzes so kurz wie möglich zu halten, zu entsprechen. § 32 Abs 2 ist die Abbildung von Art 19 Abs 2 der Dublin II Verordnung, der auch nach In-Kraft-Treten der AsylG-Novelle 2003 unmittelbar anwendbar bleibt. Die leg. cit. nimmt der Berufung die aufschiebende Wirkung, sofern der nationale Gesetzgeber eine Art 19 Abs 2 Dublin II Verordnung entsprechende Normierung der Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung nicht schafft."

Daher sei § 32 Abs 2 AsylG als für den gegenständlichen Vollziehungsbereich unerlässlich und damit verfassungskonform zu qualifizieren.

Im Hinblick auf § 32 Abs 8 AsylG meint die Bundesregierung, dass jene die Konformität mit dem Rechtsstaatsprinzip darlegenden Argumente auch die Vereinbarkeit mit Art 11 Abs 2 B-VG begründen würden. Die Bundesregierung beruft sich erneut auf

VfSlg. 13.834/1994, 13.831/1994, 13.838/1994 und 15.218/1998, woraus hervorgehe, dass vom AVG abweichende Regelungen, die im Zusammenhang mit der Begünstigung der vorläufigen Berechtigung stehen, als der Besonderheit des Asylverfahrens entsprechend zu qualifizieren seien.

4.4.4. Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG

Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG hält die Bundesregierung der von der oberösterreichischen Landesregierung erhobenen Behauptung eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes entgegen, dass der Gesetzgeber auch mit diesen angefochtenen Regelungen einen sachlichen und fairen Ausgleich der wahrzunehmenden Interessen vorgenommen habe. ISd Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Erk. VfSlg. 14.374/1995 sei nicht undifferenziert in einer Fülle von verschiedenartigen Fallkonstellationen die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen worden. Vielmehr sehe der Gesetzgeber auch vor, dass der unabhängige Bundesasylsenat in Einzelfällen auch die aufschiebende Wirkung zuerkennen könne. Zur Sachlichkeit der getroffenen Regelungen kann nach Auffassung der Bundesregierung im Einzelnen Folgendes ausgeführt werden:

"Sowohl Anträge, die wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen als auch Anträge, die als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden, sind im Regelfall Verfahren mit klarem Sachverhalt. Hiezu trägt auch die 'Redimensionierung' des § 6 durch die AsylG-Novelle 2003 bei (siehe auch die EB zu § 6 der AsylG-Novelle 2003, RV 120 BlgNR 22. GP, Seite 13 f). Gerade im Bereich der Drittstaatssicherheit werden Verfahren, die - auch wegen einer komplexeren Sachlage - nicht binnen 20 Tagen entschieden werden können, zugelassen, da § 24a Abs 8 vorsieht, dass ein Verfahren 20 Tage nach Einbringung des Antrages ex lege als zugelassen gilt. Der Gesetzgeber hat sich - wie erwähnt - dazu entschlossen, Berufungen nur nach Einzelfallprüfung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Maßstab für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist § 32 Abs 4a. Dieser orientiert sich an § 30 VwGG, wobei die Norm des Asylgesetzes einerseits auf ein Ein-Parteien-Verfahren zugeschnitten wurde und daher nicht auf Interessen anderer Parteien abstellt und andererseits auf Grund der Aktenlage eine Prognoseentscheidung vom Unabhängigen Bundesasylsenat verlangt. Wenn dieser - zum Zeitpunkt der Prüfung - feststellt, dass die Berufung nicht aussichtslos erscheint, erkennt er die aufschiebende Wirkung zu."

Zum Vorwurf einer Verletzung des Art 11 Abs 2 B-VG meint die Bundesregierung, die verfassungsrechtlich geforderte Unerlässlichkeit des § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG zeige sich im täglichen Vollzug. Derzeit sei es möglich, dass Fremde in ihrem Asylantrag nicht einmal einen Asylgrund geltend machen müssten, um sich bereits durchaus längere Zeit legal in Österreich - etwa zwecks Verfolgung wirtschaftlicher Interessen - aufhalten zu dürfen. Dass der Asylantrag nach Monaten - auch als offensichtlich unbegründet - rechtskräftig abgewiesen würde, sei für diese Asylwerber von geringerer Bedeutung, da das Ziel - die Befriedigung wirtschaftlicher Interessen - bereits erreicht worden sei.

Daher habe sich der Gesetzgeber entschieden, in diesen eindeutigen Fällen der Berufung die aufschiebende Wirkung nicht ex lege zuzuerkennen; um allerdings die - verfassungsrechtlich gebotene - faktische Effektivität des Rechtsmittels zu gewährleisten, sei der im Instanzenzug übergeordneten Behörde die Möglichkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingeräumt worden. Dass auch hier das System des AVG verlassen werde, begründe sich in der Stellung des Asylwerbers, dem schon mit Antragstellung der wichtigste Aspekt der Asylgewährung - nämlich der gesicherte Aufenthalt in Österreich und Schutz vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen - vorläufig zuteil werde. Auch hier sei wieder auf die Erläuterungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Einleitungsbeschluss zu VfSlg. 13.834/1994 zu verweisen.

4.5. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

4.5.1. Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 1 wegen Verstoßes gegen Art 129, 129a und 129c B-VG

Der Behauptung einer Verletzung der Art 129, 129a und 129c B-VG durch § 32 Abs 1 AsylG tritt die Bundesregierung zunächst mit der Auffassung entgegen, dass Art 129 B-VG zwar die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung durch die unabhängigen Verwaltungssenate und den Verwaltungsgerichtshof festlege, jedoch noch keine Aussage darüber treffe, wie das Verfahren vor diesen Institutionen ausgestaltet sein müsse. Es sei dieser Bestimmung auch kein verfassungsrechtliches Gebot oder Verbot zu entnehmen, etwa das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof einfachgesetzlich in Richtung eines reformatorischen oder kassatorischen Verfahrens einzurichten. Unter Zugrundelegung der Ansicht, dass Art 129 B-VG ein verfassungsgesetzliches Gebot der "vollen Kognitionsbefugnis" der dort genannten Rechtsschutzeinrichtungen normiere, erscheine der Bundesregierung sogar die dem Verwaltungsgerichtshof nicht zukommende volle Kognitionsbefugnis in der Tatfrage bedenklich. Wie schon die Überschrift zu Art 129a B-VG zeige, treffe diese Bestimmung nähere Anordnungen über die Einrichtung und die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.

Schon bei der Zusammenschau der im Antrag herangezogenen Bestimmungen des B-VG zeige sich, dass allein in der Frage der verfassungsgesetzlich vorgegebenen "institutionellen Garantie" der genannten Rechtsschutzeinrichtungen durchaus Unterschiede bestehen. Während etwa die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und der unabhängige Finanzsenat auf Verfassungsebene eingerichtet bzw. deren Bestand verfassungsrechtlich abgesichert sei, sehe Art 129c hinsichtlich des unabhängigen Bundesasylsenates vor, dass dieser als oberste Berufungsbehörde in Asylsachen eingerichtet werden könne. Sofern der Antrag letztlich darauf Bezug nehme, dass durch die Einrichtung der unabhängigen Verwaltungssenate als "tribunal" iSd. Art 6 EMRK den Anforderungen der EMRK Genüge getan werden sollte, genüge nach Ansicht der Bundesregierung der Hinweis, dass es sich beim Asylrecht um kein "civil right" iSd EMRK handle. Auch vor diesem Hintergrund sei nicht von einem aus Art 129a B-VG erfließendem Gebot der Einräumung einer "vollen Rechts- und Tatsachenkognitionsbefugnis" in Angelegenheiten, die kein "civil right" zum Gegenstand haben, auszugehen. Der Verfassungsgesetzgeber selbst habe in Art 129b Abs 6 B-VG angeordnet, dass das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten durch Bundesgesetz zu regeln sei. Auch Köhler (in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 5 zu Art 129b B-VG) komme zum Ergebnis, dass der Verfassungsgesetzgeber auf das durch Art 11 Abs 2 B-VG angelegte System des Verwaltungsverfahrensrechts verweisen wollte. Nach Ansicht der Bundesregierung sei zusammengefasst davon auszugehen, dass allfällige abweichende Bestimmungen über das Verfahren vor einem Verwaltungssenat an der verfassungsrechtlichen Norm des Art 11 Abs 2, nicht jedoch an den Normen der Art 129 ff. B-VG zu messen wären. Die diesbezüglich geäußerten Bedenken der Wiener Landesregierung gingen daher ins Leere.

4.5.2. Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 1 wegen Verstoßes gegen Art 11 Abs 2 B-VG

Zum Bedenken des Verstoßes gegen Art 11 Abs 2 B-VG wiederholt die Bundesregierung ihren Hinweis auf den faktischen Abschiebeschutz und das nach Zulassung des Verfahrens auf dessen Dauer begrenzte Aufenthaltsrecht des Asylwerbers nach § 19 AsylG vor dem Hintergrund des Erk. VfSlg. 13.838/1994. Anschließend meint die Bundesregierung zu der von der Wiener Landesregierung behaupteten Unmöglichkeit der Geltendmachung sog. "Nachfluchtgründe", dass solche Tatsachen aus ihrer Sicht in den Anwendungsbereich des § 32 Abs 1 Z 1 AsylG fallen würden. Als "Nachfluchtgründe" iSd Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien insb. "exilpolitische Tätigkeiten" oder auch die Erlassung eines Gesetzes im Heimatland des Asylwerbers, wonach Kriegsdienstverweigerer vor ein Armeegericht zu stellen sind, gewertet worden.

4.5.3. Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 1 und § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und gegen Art 13 EMRK

Dem von der Wiener Landesregierung erhobenen Bedenken der Verletzung des rechtsstaatlichen Gebots der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes hält die Bundesregierung - wie bereits dem diesbezüglichen Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung - entgegen, dass durch § 32 Abs 1 die Möglichkeiten der Berufungsinstanz im Ermittlungsverfahren nicht eingeschränkt, sondern lediglich das erlaubte Vorbringen in der Berufung selbst begrenzt werde.

Die Bundesregierung betont ferner neuerlich, dass eine effektive Verschlechterung des Rechtsschutzes im Berufungsverfahren auf Grund der weiterhin uneingeschränkten Anwendung von § 28 AsylG und § 37 AVG nicht eintreten könne, und erläutert die ihrer Meinung nach bestehenden Unterschiede zwischen der angefochtenen Regelung und jener des § 20 Asylgesetz 1991 im Hinblick auf das Erk. VfSlg. 13.834/1994.

Zur behaupteten Verletzung des Art 13 EMRK erwidert die Bundesregierung:

"In den Erläuterungen zur AsylG-Novelle 2003 (120 BlgNR, 20. GP) wird zum Ausdruck gebracht, dass der Unabhängige Bundesasylsenat weiterhin 'die materielle Wahrheit zu ermitteln' hat. Der sich aus § 37 AVG ergebende und auch allgemein für das Verfahren vor den Berufungsbehörden geltende Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit soll - wie aus den Erläuterungen folgt - durch § 32 Abs 1 AsylG 1997 keine Einschränkungen erfahren. Aufgrund der Offizialmaxime ist davon auszugehen, dass der Unabhängige Bundesasylsenat von Amts wegen Ermittlungen anzustellen hat, um eine verfassungskonforme Entscheidung zu garantieren. Ergeben sich daher anlässlich des Berufungsverfahrens Anhaltspunkte dahingehend, dass etwa eine Ausweisungsentscheidung geeignet sein könnte, im Fall des Berufungswerbers zu einer Verletzung des Art 3 EMRK zu führen, so ist der UBAS durch § 32 Abs 1 AsylG 1997 nicht daran gehindert, dies in seiner Entscheidung entsprechend zu berücksichtigen.

Das aus Art 13 EMRK erfließende Recht auf Wirksamkeit einer Beschwerde bei einer nationalen Instanz wird durch die gegenständlich getroffene Regelung im Ergebnis daher nicht verletzt."

4.5.4. Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 2 und Abs 8 wegen Verstoßes gegen Art 11 Abs 2 B-VG

Im Hinblick auf die von der Wiener Landesregierung behauptete Verletzung des Art 11 Abs 2 B-VG zitiert die Bundesregierung eingangs Teile des Erk. VfSlg. 13.834/1994 und wiederholt die in wortgleichen Ausführungen in der Äußerung zum Antrag der oberösterreichischen Landesregierung vorgebrachte Argumentation, dass § 32 Abs 2 den Art 19 Abs 2 Dublin II-VO nachbilde und Asylwerber, auf die das Dubliner Übereinkommen anzuwenden sei, gleichstelle sowie dass § 64 Abs 1 AVG von Art 19 Abs 2 Dublin II-VO verdrängt werde, weshalb entweder eine Anpassung der Verfahrensgesetze oder eine vom AVG abweichende Regelung im AsylG unerlässlich gewesen sei, wobei sich der Gesetzgeber für letzteres entschieden habe.

4.5.5. Zu den Bedenken gegen § 32 Abs 2 und Abs 8 iVm § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und Art 13 EMRK

Zu den von der Wiener Landesregierung gegen § 5a Abs 1 zweiter Satz iVm § 32 Abs 2 und Abs 8 AsylG erhobenen Bedenken des Verstoßes gegen das Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes und des Sachlichkeitsgebotes verweist die Bundesregierung zunächst auf das Erk. VfSlg. 15.511/1999. In diesem Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof (zum generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung im Arbeitslosenversicherungsrecht) ausgesprochen, dass unterschiedliche Interessenlagen auch unterschiedliche Regelungen rechtfertigen könnten: Im vorliegenden Fall sei nun nicht die aufschiebende Wirkung der Berufung gegen Asylbescheide insgesamt ausgeschlossen, sondern lediglich für den Bereich der zurückweisenden Entscheidungen nach §§4, 4a oder 5 AsylG. Gegen Zurückweisungsbescheide nach §§4 und 4a könne der unabhängige Bundesasylsenat allerdings binnen sieben Tagen gemäß § 32 Abs 3 AsylG einer Berufung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Die aufschiebende Wirkung sei somit nur in jenen Fällen ausgeschlossen, in welchen der Asylantrag zurückgewiesen wurde, weil ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig sei.

Dann verweist die Bundesregierung - wie bereits in ihrer Äußerung zum Antrag der oberösterreichischen Landesregierung - erneut auf das Erk. VfSlg. 14.374/1995 und betont, dass die ihrer Auffassung nach in diesem Erkenntnis verlangten "sachlich gebotenen, triftigen Gründe" für eine Einschränkung des Grundsatzes der faktischen Effektivität eines Rechtsbehelfs im vorliegenden Fall gegeben seien. Die Bundesregierung wiederholt die in ihrer Äußerung zum Antrag der oberösterreichischen Landesregierung gemachten (und unter Punkt 4.4.3. dargestellten) Ausführungen zum Verfahren nach der Dublin II-VO und meint anschließend zum behaupteten Widerspruch zwischen § 5a Abs 1 zweiter Satz, der die Ausweisung ab dem Zeitpunkt ihrer Erlassung für durchsetzbar erkläre, und § 32 Abs 3, 4 und 4a, wonach eine aufschiebende Wirkung der Berufung zuerkannt werden könne:

"Die Bundesregierung geht davon aus, dass dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, Sinnloses zu regeln (vgl. VwSlg 6035A/1963, 6191A/1963 und 8812A/1975); wäre die Ausweisung gemäß § 5a Abs 1 zweiter Satz auch bei gegebener Drittstaatssicherheit sofort durchsetzbar, erschiene die Regelung in § 32 Abs 3 bis 4a sinnlos, da die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Unabhängigen Bundesasylsenat nicht sinnvoll wäre. § 5a Abs 1 zweiter Satz stellt klar, dass die Ausweisung nach § 5a Abs 1 zu ihrer Durchsetzbarkeit nicht der Rechtskraft bedarf, sondern nach den Normen des § 32 Abs 2, im Falle von 'Dublin-Verfahren', bzw. nach den Normen des § 32 Abs 3 bis 4a, im Falle von 'Drittstaats-Verfahren durchsetzbar wird.

Sollte der Verfassungsgerichtshof dieser Argumentation der Bundesregierung nicht folgen, so kann weiters auf das Interpretationswerkzeug des Rückgriffs auf den Willen des Normsetzers zurückgegriffen werden. Voraussetzung für eine berichtigende Auslegung ist, dass 'den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden' kann, 'dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt.' (VwSlg. 6872A/1966, ähnlich VfSlg. 2872/1955 und 5153/1965, zitiert nach Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³, [102] mwN; vgl auch Potacs, Auslegung im öffentlichen Recht [1994] 23 ff). Die Ausschussberichte zum Abänderungsantrag zur AsylG-Nov 2003 (vgl. GP XXII, AB 253) lauten:

'Die Änderungen in § 32 Abs 2 und 3 sind erforderlich, um dem Anliegen, auch in Fällen des § 4 (sichere Drittstaaten) der Berufung die

aufschiebende Wirkung durch den UBAS zuerkennen zu lassen. ... Mit

der nunmehr gewählten Formulierung wird den Bedenken von UNHCR, dass zurück- oder abweisende Bescheide gemäß der §§4a bis 6 vor Ablauf der Rechtsmittelfrist durchgesetzt werden können, Rechnung getragen. ...'

Es ist aus den zitierten Materialien der Wille des Gesetzgebers klar ersichtlich, dass er das 'Gesamtergebnis' des Asylverfahrens - Abspruch über Asylgewährung, subsidiären Schutz und Ausweisung - als ein 'Entscheidungspaket' gesehen hat, das zu einem Zeitpunkt durchsetzbar werden soll - jedes andere Ergebnis wäre sinnwidrig."

Den von der Wiener Landesregierung unter Berufung auf das Urteil des EGMR im Fall Jabari gegen Türkei erhobenen Bedenken, die angefochtenen Regelungen würden Art 13 EMRK verletzen, tritt die Bundesregierung folgendermaßen entgegen:

"Zu dem zitierten Urteil ist aus der Sicht der Bundesregierung festzuhalten, dass diesem ein Sachverhalt zugrunde lag, wonach die Beschwerdeführerin beim EGMR von ihrer Abschiebung aus der Türkei in den Iran bedroht war. Weiters war nicht auszuschließen, dass die Abschiebung geeignet sein könnte, die der Beschwerdeführerin durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte zu verletzen, da ihr eine unmenschliche Behandlung, wie Tod durch Steinigung, Auspeitschung oder Geißelung drohen könnte. Die Verletzung des Art 13 EMRK sei im zitierten Fall dadurch eingetreten, dass das türkische Verwaltungsgericht verabsäumt hatte, in Anbetracht der der Beschwerdeführerin real drohenden unumkehrbaren Schädigung durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung in dem Staat, in welchen sie abzuschieben gewesen wäre, der eingelegten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Bundesregierung vermag vor dem Hintergrund dieses Falls der Auffassung der Antragstellerin nicht beizutreten, dass den Aussagen des EGMR eine generalisierende Bedeutung für alle Ausweisungsverfahren zukommt. Es ist hervorzuheben, dass gerade in der von der Antragstellerin zitierten Z 50 des Urteils im Fall Jabari die geforderte unabhängige strenge Prüfung der Behauptung verlangt wird, dass 'echte Gründe für die Befürchtung einer realen Gefahr einer Art 3 zuwiderlaufenden Behandlung vorliegen' (zitiert aus ÖJZ 2001, S 37ff); in diesen Fällen verlangt der EGMR die Möglichkeit, die Durchführung der bekämpften Maßnahme auszusetzen.

Im selben Sinn hielt der Verwaltungsgerichtshof in dem auch von der Wiener Landesregierung zitierten Beschluss AW 98/21/0104 vom über die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung gem. § 30 Abs 2 VwGG im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof fest:

'Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verfassungsgerichtshof gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Entscheidung betreffend die Außerlandesschaffung eines Fremden unter dem Blickwinkel des Art 3 EMRK erheblich werden und eine Verantwortlichkeit des betreffenden Staates nach sich ziehen - und somit eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden (Refoulement-Verbot; vgl. etwa das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom im Falle Vilvarajah u.a., ÖJZ 1992, 309 ff, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 13.776, jeweils mit weiteren Nachweisen). Unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK besteht für die Fremdenbehörden diesbezüglich eine besondere Sorgfaltspflicht. Das in Art 13 EMRK gewährleistete Recht auf eine wirksame Beschwerde gegen die vertretbar behauptete Verletzung eines in der EMRK gewährleisteten Rechts ist auch auf den behaupteten Fall der Außerlandesschaffung eines Fremden und die damit verbundene Gefahr einer Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe anzuwenden. Von einer wirksamen Beschwerde kann nur dann gesprochen werden, wenn mit diesem Rechtsmittel auch eine aufschiebende Wirkung verbunden ist.'"

Demgegenüber - so die Bundesregierung - erfasse § 5a iVm § 32 Abs 2 AsylG lediglich Fälle der Feststellung, welcher "Dublin-Staat" oder welche Vertragspartei des Dubliner Abkommens oder auf Grund der Dublin II-VO zuständig sei. An dieser Stelle sei darauf hinzuweisen, dass auch in der Stellungnahme des UNHCR hinsichtlich des Antrages der oberösterreichischen Landesregierung darauf hingewiesen werde, dass im Rahmen multilateraler Vereinbarungen, die die Zuständigkeiten für den Flüchtlingsschutz zwischen Staaten mit ähnlichen Asylsystemen regeln, diese Verantwortung übertragen werden könne, wie dies etwa innerhalb der Europäischen Union geschehe. Abschließend führt die Bundesregierung aus:

"Da von der Antragstellerin nicht vorgebracht werde, inwiefern bei einer auf § 4, 4a oder 5 AsylG 1997 gestützten Entscheidung eine Verletzung der durch die EMRK gewährleisteten Rechte dadurch, dass der Berufung gegen die Entscheidung gemäß § 4 Abs 1 (auch wenn § 4a AsylG zur Anwendung gelangt, da dieser nur § 4 näher ausführt), vom Unabhängigen Bundesasylsenat keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wird (und auch eine solche Gefährdung nicht erkennbar scheint, da bei einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Asylantrages gem. § 4a ohnedies zu prüfen ist, ob der 'sichere Drittstaat' die EMRK und das Protokoll Nr. 11 zur EMRK ratifiziert hat), erweisen sich auch die insofern vorgebrachten Bedenken der Wiener Landesregierung als unbegründet."

4.6. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

4.6.1. Zu den Anträgen der oberösterreichischen Landesregierung

Zu dem von der oberösterreichischen Landesregierung behaupteten Verstoß gegen Art 13 EMRK meint die Bundesregierung, dass "in keiner Weise spezifiziert sei, welche Bestimmungen des AsylG dem Art 13 EMRK widersprechen". Es fehle die Begründung und genaue Darlegung der angenommenen Verfassungswidrigkeit bezüglich der jeweiligen asylrechtlichen Vorschriften.

Dem kann der Verfassungsgerichtshof nicht folgen: Unter Hinweis auf die Judikatur der Straßburger Organe meint die oberösterreichische Landesregierung, dass ein Vorbringen eines Asylwerbers, ihm drohe Folter oder Misshandlung im Zielstaat, nicht bloß wegen Verspätung zurückgewiesen werden dürfe. Dem Antrag ist somit deutlich zu entnehmen, warum die antragstellende Landesregierung Bedenken im Hinblick auf Art 13 EMRK hegt. Aus den Ausführungen geht auch klar hervor, dass sie sich auf alle angefochtenen Bestimmungen des § 32 AsylG beziehen.

Insoweit auch Gleichheitswidrigkeit aller angefochtenen Bestimmungen des § 32 AsylG behauptet wird, meint die oberösterreichische Landesregierung, der Verfassungsgerichtshof habe eine unzulässige Beeinträchtigung der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes immer wieder auch als gleichheitswidrig angesehen. Auch in diesem Punkt ist daher klar, worauf die Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung abzielen.

Die oberösterreichische Landesregierung hat - im Gegensatz zur Wiener Landesregierung - § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG nicht gemeinsam mit § 32 Abs 2 AsylG angefochten. Es stellt sich die Frage, ob durch eine allfällige Aufhebung des § 32 Abs 2 die behauptete Verfassungswidrigkeit überhaupt beseitigt würde.

Die Rechtslage des AsylG, das in Bezug auf die Durchsetzbarkeit nicht rechtskräftiger Bescheide an Klarheit zu wünschen übrig lässt, stellt sich wie folgt dar: Berufungen gegen Zurückweisungen nach § 5 AsylG (Unzuständigkeit) haben generell keine aufschiebende Wirkung (§32 Abs 2 AsylG). Mit der Zurückweisung ist die Feststellung zu verbinden, welcher Staat zuständig ist (§5 Abs 1 AsylG). Bei einer derartigen Zurückweisung ist der Asylwerber dem zuständigen Mitgliedstaat der EU zu überstellen (vgl. die Wahl des Wortes "Überstellung" in Art 19 Dublin II-VO), was der Gesetzgeber untechnisch in § 5a Abs 1 zweiter Satz auch als "Ausweisung" bezeichnet und womit er einen Begriff für an sich unterschiedliche Vorgänge (nämlich Ausweisung wegen Drittstaatsicherheit und Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat der EU) verwendet. Andererseits sind in § 5a Abs 1 auch die mit Zurückweisungen wegen Drittstaatsicherheit (§§4 und 4a AsylG) verbundenen Ausweisungen als sofort durchsetzbar genannt, obwohl für diese Fälle die Erteilung der aufschiebenden Wirkung durch den UBAS vorgesehen ist (§32 Abs 3 bis 4a AsylG). Solche Bescheide sind also nach § 5a Abs 1 "mit ihrer Erlassung", nach § 32 Abs 3 dagegen "nach Ablauf der Rechtsmittelfrist" und - im Falle der Erhebung einer Berufung - nach § 32 Abs 4 erst "sieben Tage nach Berufungsvorlage" an den UBAS durchsetzbar.

In die gleiche Kategorie wie Zurückweisungen wegen Drittstaatsicherheit fallen nach § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG auch Abweisungen offensichtlich unbegründeter Asylanträge (§6 AsylG):

Diese sind nicht in § 5a Abs 1 als mit der Erlassung durchsetzbar genannt, sondern es gelten im Hinblick auf die Durchsetzung von Abweisungen nach § 6 AsylG nur die Bestimmungen des § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG, obwohl auch diese Abweisungen mit einer Ausweisung zu verbinden sind (§6 Abs 3 AsylG) und daher - wenn aufschiebende Wirkung nicht oder nicht rechtzeitig erteilt wird - wie Zurückweisungen wegen Drittstaatsicherheit (§§4 und 4a AsylG) iSd § 32 Abs 3 und 4 durchsetzbar sind.

Eine die genannten Bestimmungen und wohl auch der Absicht des Gesetzgebers entsprechende harmonisierende Auslegung führt zu folgendem Schluss:

Für jene Fälle, in denen die aufschiebende Wirkung generell ausgeschlossen ist, wiederholt § 5a Abs 1 zweiter Satz bloß, was sich schon aus dem Umstand ergibt, dass einer Berufung generell keine aufschiebende Wirkung zukommt, nämlich dass die Entscheidung erster Instanz, mit der eine Ausweisung zu verbinden ist, mit ihrer Erlassung durchsetzbar ist.

Für jene Fälle, in denen das Gesetz die Erteilung der aufschiebenden Wirkung durch den UBAS ermöglicht (§32 Abs 3 AsylG), ist § 5a Abs 1 zweiter Satz einschränkend auszulegen und mit § 32 Abs 3 und 4 so zu harmonisieren, dass der Bescheid, der die Ausweisung

verfügt, entgegen den Worten "mit ihrer ... Erlassung durchsetzbar"

erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. - wurde ein Rechtsmittel erhoben - sieben Tage ab Einlangen der Berufungsvorlage beim UBAS durchsetzbar wird. In den Fällen des § 4 und § 4a AsylG (Zurückweisung wegen Drittstaatsicherheit) wird also § 5a Abs 1 AsylG durch die spezielleren Bestimmungen des § 32 AsylG Abs 3, 4 und 4a AsylG verdrängt. In Fällen der Abweisung nach § 6 AsylG (offensichtlich unbegründete Asylanträge) gelten ohnehin nur die genannten Absätze des § 32 AsylG. Bei Zurückweisung wegen Unzuständigkeit (§5 AsylG) besteht kein sprachlicher Widerspruch. Nur in diesem Fall ist ein Bescheid, der auch die Ausweisung verfügt, sofort "mit Erlassung" des erstinstanzlichen Bescheides iSd § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG durchsetzbar.

Dies bedeutet für die Zulässigkeit der Anträge der oberösterreichischen Landesregierung Folgendes:

Der Antrag auf Aufhebung des § 32 Abs 1 AsylG ist zulässig.

Die Anfechtung des § 32 Abs 2 AsylG ist unzulässig, da die Aufhebung dieser Bestimmungen nicht dazu führen würde, dass die Ausweisungen nun nicht mehr sofort nach Erlassung des die Ausweisung aussprechenden Bescheids durchsetzbar wären. Dem stünde § 5a Abs 1 zweiter Satz entgegen.

Gleiches gilt für Zurückweisungen wegen Drittstaatsicherheit (§4 und § 4a AsylG). Im Falle der Aufhebung der Abs 3, 4 und 4a fielen diese spezielleren Normen weg, und § 5a Abs 1 zweiter Satz käme vollständig zum Tragen. Eine zwischen § 32 Abs 3 bis 4a mit § 5a Abs 1 zweiter Satz harmonisierende Lösung wäre nicht mehr möglich. Hingegen würde § 5a AsylG nicht für die Fälle des § 6 AsylG gelten, da diese Fälle dort nicht genannt sind.

Daher ist der Antrag auf Aufhebung des § 32 Abs 2 unzulässig und der Antrag auf Aufhebung der Abs 3, 4 und 4a nur hinsichtlich jeweils der Worte "und 6" zulässig.

Der Antrag auf Aufhebung des § 32 Abs 8 AsylG ist ebenfalls unzulässig: Die oberösterreichische Landesregierung weist in ihren Bedenken zu § 32 Abs 8 AsylG bloß auf jene zu Abs 2 hin, ohne besondere Argumente zu Abs 8 vorzubringen. Jene Interessen, die in Fällen des Abs 2 gegeneinander abzuwägen sind, sind jedoch nicht jenen gleich, die allenfalls für oder gegen den generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Entscheidung über einen Folgeantrag (Abs8) sprechen könnten. So spielt etwa auch das nach Abs 8 relevante öffentliche Interesse, nämlich zu verhindern, dass durch stets neue Asylanträge der Abschiebungsschutz perpetuiert wird, bei der Beurteilung der Regelung des Abs 2 keine Rolle. Die Bedenken zum Antrag auf Aufhebung des Abs 8 des § 32 AsylG sind somit nicht ordnungsgemäß ausgeführt, sodass der Antrag zurückzuweisen ist.

4.6.2. Zum Antrag der Wiener Landesregierung auf Aufhebung des § 32 Abs 1, 2 und 8 AsylG

Zum Hauptantrag der Wiener Landesregierung, das Wort "nur" im Einleitungshalbsatz und die Z 1 bis 4 des § 32 AsylG aufzuheben, bringt die Bundesregierung vor, dass bei bloßer Aufhebung von Teilen des § 32 Abs 1 AsylG der verbleibende Teil seine Bedeutung veränderte und so nicht mehr dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers entspräche, weshalb der Hauptantrag zurückzuweisen sei.

Der Verfassungsgerichtshof teilt im Ergebnis die Ansicht der Bundesregierung. Die Aufhebung bloß der im Hauptantrag genannten Teile des § 32 Abs 1 AsylG würde das vom Gesetzgeber beabsichtigte Neuerungsverbot durch die verbleibenden Worte "In Berufungen gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden" geradezu in das Gegenteil verkehren (vgl. VfSlg. 12.465/1990, 13.179/1992, 12.235/1998 uva.).

Der Hauptantrag, bloß die Z 1 bis 4 und das Wort "nur" in § 32 Abs 1 AsylG aufzuheben, ist somit zurückzuweisen. Der Eventualantrag der Wiener Landesregierung, den gesamten § 32 Abs 1 aufzuheben, ist hingegen zulässig.

Ebenso sind die Anträge auf Aufhebung des § 5a Abs 1 zweiter Satz sowie des § 32 Abs 2 aus den bereits unter Punkt 4.6.1. genannten Gründen zulässig. Die Wiener Landesregierung hat - anders als die oberösterreichische Landesregierung - auch § 5a Abs 1 zweiter Satz gemeinsam mit § 32 Abs 2 AsylG angefochten.

Hingegen hat auch die Wiener Landesregierung keine speziellen Bedenken zu § 32 Abs 8 ausgeführt, sodass aus den bereits unter 4.6.1. angeführten Gründen auch ihr Antrag auf Aufhebung des Abs 8 zurückzuweisen ist.

4.7. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs in der Sache

4.7.1. Zur behaupteten Verletzung des Art 11 Abs 2 B-VG

Hat der Bund einheitliche Vorschriften über das Verwaltungsverfahren erlassen, so können abweichende Regelungen in Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind (Art11 Abs 2 B-VG). Die angefochtenen Bestimmungen weichen von den einheitlichen Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze, insb. jenen des AVG, ab. Es ist daher zu untersuchen, ob sie "zur Regelung des Gegenstandes erforderlich" sind (vgl. allgemein VfSlg. 14.153/1995, 14.381/1995, 15.351/1998 uva.).

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits mehrmals mit der Frage befasst, inwieweit abweichende Regelungen im Fremden- und Asylrecht erforderlich sind. Bereits in den Erk. VfSlg. 13.831/1994, 13.834/1994 und 13.838/1994 hat der Verfassungsgerichtshof zum Asylgesetz 1991 in Bezug auf Art 11 Abs 2 B-VG ausgesprochen, dass das Verfahren zur Gewährung von Asyl Besonderheiten aufweise, die Abweichungen von den Bestimmungen des AVG erforderlich machen können. Solche Abweichungen seien allerdings nur dann "erforderlich", wenn sie zur Regelung des Gegenstandes "unerlässlich" sind. Eine Abweichung könnte sich etwa in Verbindung mit der Begünstigung des Asylwerbers zum vorläufigen Aufenthalt ergeben oder aus Umständen, wie etwa dem Erfordernis der alsbaldigen Klärung der Frage, ob der Asylwerber Schutz in einem sicheren Drittstaat findet (vgl. VfSlg. 15.218/1998).

Im Erk. VfSlg. 15.218/1998 folgte der Verfassungsgerichtshof dieser Vorjudikatur, meinte aber, dass eine Abweichung nicht erforderlich sei, wenn dadurch gegen den Grundsatz der faktischen Effektivität von Rechtsschutzeinrichtungen verstoßen würde. Es sei bei Asylwerbern auch darauf Bedacht zu nehmen, dass sie idR nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Demgemäß hob der Verfassungsgerichtshof eine Bestimmung auf, die eine Verkürzung der Berufungsfrist bei Berufungen gegen Bescheide, mit welchen die Drittstaatsicherheit, vertragliche Unzuständigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit festgestellt wurde, auf bloß zwei Tage vorsah. Solche Vorschriften seien nicht unerlässlich und widersprächen auch dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. auch VfSlg. 15.369/1998 und 15.529/1999).

Der Verfassungsgerichtshof geht in diesem Sinne davon aus, dass gesetzliche Maßnahmen, die von den Bestimmungen des AVG abweichen, aber die Vielzahl von Asylverfahren (30.135 im Jahr 2001, 39.354 im Jahr 2002 und 32.359 im Jahr 2003) berücksichtigen, dazu geeignet sind, der Beschleunigung der Verfahren zu dienen, "erforderlich" iSd Art 11 Abs 2 B-VG sind; dies jedoch nur insofern, als sie nicht anderen Verfassungsbestimmungen, etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, widersprechen. Ob die in den gegenständlichen Verfahren angefochtenen Bestimmungen, die insgesamt der Verfahrensbeschleunigung dienen sollen, gegen Art 11 Abs 2 B-VG verstoßen, hängt also mit der Frage zusammen, ob sie den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen. Dass sie nicht geeignet wären, der Verfahrensbeschleunigung zu dienen, wurde von den antragstellenden Landesregierungen nicht vorgebracht. Diese Frage ist daher vom Verfassungsgerichtshof auch nicht zu beurteilen.

4.7.2. Zur behaupteten Verletzung des Art 129c B-VG durch § 32 Abs 1 AsylG

Gemäß Art 129c Abs 1 B-VG (BGBl. I Nr. 87/1997, geändert durch BGBl. I Nr. 148/1999) kann durch Bundesgesetz "ein weiterer unabhängiger Verwaltungssenat als oberste Berufungsbehörde in Asylsachen eingerichtet werden (unabhängiger Bundesasylsenat)". Das B-VG regelt ferner die Bestellung der Mitglieder des UBAS und deren (unabhängige) Rechtsstellung. Der UBAS wurde schließlich mit dem "Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS)", BGBl. I Nr. 77/1997, das mit in Kraft trat, eingeführt (siehe ferner die Verfassungsbestimmung des § 42 Abs 1 AsylG). Da der UBAS im B-VG als "weiterer" unabhängiger Verwaltungssenat bezeichnet wird, beziehen sich verfassungsrechtliche Bestimmungen über die unabhängigen Verwaltungssenate auch auf den UBAS (insb. die Art 129 bis 129b B-VG; vgl. auch Köhler in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Rz 4 zu Art 129c B-VG).

Die Bestimmungen über unabhängige Verwaltungssenate (Art129a und 129b B-VG) wurden mit BGBl. Nr. 685/1988 erlassen. Mit demselben Bundesverfassungsgesetz wurde auch dem Art 131 B-VG ein Abs 3 angefügt, der den Verwaltungsgerichtshof ermächtigte, die Behandlung von Beschwerden gegen Bescheide eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit denen nur geringe Geldstrafen verhängt wurden, abzulehnen. Gleichzeitig mit der Einfügung des Art 129c B-VG wurde auch Art 131 Abs 3 B-VG geändert, indem die Möglichkeit der Ablehnung auf Bescheide eines unabhängigen Verwaltungssenates und damit auch des UBAS in allen Verwaltungssachen ausgedehnt wurde. Lediglich in Verwaltungsstrafsachen sollte die Ablehnung weiterhin nur möglich sein, wenn eine geringe Geldstrafe verhängt wurde. Im Bericht des Verfassungsausschusses (785 BlgNR XX. GP, 1 f.) heißt es zur Erweiterung der Ablehnungsmöglichkeit:

"Bereits die derzeitige Rechtslage sieht die Ablehnung einer Beschwerde in Verwaltungsstrafsachen durch den Verwaltungsgerichtshof unter bestimmten Voraussetzungen vor. Diese Voraussetzungen für die Ablehnung einer Beschwerde sollen auf jene Fälle erweitert werden, in denen ein unabhängiger Verwaltungssenat oder der unabhängige Bundesasylsenat entschieden hat. Die sachliche Rechtfertigung wird darin gesehen, dass sowohl die unabhängigen Verwaltungssenate als auch der unabhängige Bundesasylsenat gerichtsähnliche Einrichtungen sind."

Die Wiener Landesregierung bezieht sich bei Darlegung ihrer Bedenken nicht auf eine konkrete Bestimmung der Art 129a bis 129c B-VG, sondern auf die Entstehungsgeschichte der genannten Bestimmungen sowie (va.) auf das gesetzgeberische Motiv für die Einsetzung von unabhängigen Verwaltungssenaten, nämlich eine gerichtsähnliche Behörde zu schaffen, die den Anforderungen der EMRK an ein unabhängiges Tribunal entspricht. Um Art 6 EMRK zu genügen, war es auch erforderlich, den unabhängigen Verwaltungssenaten volle Kognitionsbefugnis in Tatsachen und Rechtsfragen zu übertragen (idS auch Köhler in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Rz 16 zu Art 129a B-VG).

Das Motiv des Gesetzgebers, an Stelle von Verwaltungsgerichten unter dem Verwaltungsgerichtshof eine Behörde zu schaffen, die Art 6 EMRK entspricht, geht auch aus den Gesetzesmaterialien hervor; in den Erläuterungen (RV 132 BlgNR XVII. GP, 4) heißt es ua.:

"Die grundsätzliche Zielsetzung des vorliegenden Entwurfes besteht darin, verfassungsgesetzliche Grundlagen zu schaffen, die es ermöglichen, eine in Übereinstimmung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention stehende Organisationsstruktur zu schaffen, die den mit der Ratifikation der Europäischen Menschenrechtskonvention eingegangenen Verpflichtungen voll entspricht und es erlaubt, auf den Vorbehalt zu Art 5 der europäischen Menschenrechtskonvention zu verzichten."

Die Rechtsprechung des EGMR zu Art 6 EMRK erfordert, dass einem "Tribunal", als das die unabhängigen Verwaltungssenate gedacht waren, volle Kognitionsbefugnis in Rechts- und Tatsachenfragen zukommen muss.

Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch der Ansicht, dass die Bestimmungen des B-VG die Organisation des UBAS regeln, nicht aber das Verfahren vor dem UBAS, und weiters, dass für Verfahren, die nicht Art 6 EMRK unterliegen, die also bloß den allgemeinen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein rechtsstaatliches Verfahren entsprechen müssen, der Gesetzgeber eine uneingeschränkte Kognition eines unabhängigen Verwaltungssenates vorsehen kann, dazu aber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht gehalten ist.

4.7.3. Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz

Die oberösterreichische Landesregierung erwähnt den von ihr behaupteten Verstoß gegen das aus dem Gleichheitssatz erfließende Sachlichkeitsgebot in einem Satz mit der Behauptung eines Verstoßes gegen das Prinzip der faktischen Effektivität, führt aber zum Sachlichkeitsgebot keine gesonderten Argumente an, sodass auf die behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes nicht weiter einzugehen ist.

Die Wiener Landesregierung erachtet es - unter Berufung auf die dem AVG zugrunde liegenden Verfahrensgrundsätzen - als unsachlich, "verfahrensrechtliche Prinzipien so umzugestalten [...], dass das Verfahrensrecht [jenen] Anforderungen, den das jeweils geregelte Verfahren Rechnung tragen soll, nicht mehr genügen" könne. Das Neuerungsverbot verunmögliche es dem UBAS, seiner gesetzlich zugewiesenen Aufgabe nachzukommen.

Auch damit werden substantiierte Gleichheitsbedenken nicht vorgebracht.

4.7.4. Zur behaupteten Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und des Art 13 EMRK

4.7.4.1. Allgemeines

Der Verfassungsgerichtshof leitet in ständiger Judikatur aus dem rechtsstaatlichen Prinzip die Forderung nach einem solchen System von Rechtsschutzeinrichtungen ab, das gewährleistet, dass rechtswidrige Akte staatlicher Organe beseitigt werden. Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach das Prinzip der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes betont (vgl. VfSlg. 11.196/1986, 11.590/1987, 12.683/1991, 13.003/1992, 13.182/1992, 13.805/1994, 14.765/1997, u.a.).

Im Erk. VfSlg. 13.834/1994 ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass das mit "Garantien der Verfassung und Verwaltung" überschriebene Sechste Hauptstück des B-VG ein System des Rechtsschutzes gebietet, wonach jede Art von rechtswidrigem Vorgehen einer Verwaltungsbehörde gegenüber dem Einzelnen von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, zumindest aber von einer nach Art 133 Z 4 B-VG eingerichteten Kollegialbehörde, überprüfbar sein muss.

4.7.4.2. Zu § 32 Abs 1 AsylG im Besonderen

Der Gewährung von Asyl liegt zu Grunde, dass staatlichen Organen verfassungsrechtlich nicht nur verboten ist, selbst das Recht auf Leben (Art2 EMRK) zu missachten, jemanden zu foltern, unmenschlich zu behandeln oder erniedrigender Strafe oder Behandlung zu unterwerfen (Art3 EMRK), sondern auch verboten ist, Personen an andere Staaten auszuliefern, in denen sie einem Risiko der Verletzung dieser Grundrechte ausgesetzt sind (vgl. hiezu EGMR , 1/1989/161/217, EuGRZ 1989, 314 - Soering gegen Vereinigtes Königreich; , 70/1995/576/662, ÖJZ 1997, 632 - Chahal gegen Vereinigtes Königreich; , 28341/95, ÖJZ 2001, 77 - Rotaru gegen Rumänien; EGMR , 40035/89, ÖJZ 2002, 37 - Jabari gegen Türkei; VfSlg. 13.981/1994 und die dort zitierten Vorentscheidungen). Eine Folge dieses allgemeinen Grundsatzes ist das sog. Refoulementverbot (vgl. EGMR , 45/1990/236/302-306, ÖJZ 1992, 309 - Vilvarajah gegen Vereinigtes Königreich; VfSlg. 13.561/1993 uva.). Der in seinen Grundrechten nach der EMRK Verletzte hat das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen (Art13 EMRK). Art 13 EMRK schreibt zwar keine Details des Verfahrens über eine solche wirksame Beschwerde vor, doch kann es problematisch sein, wenn die Zulässigkeit einer Beschwerde von weiteren Voraussetzungen, etwa Beschränkungen des Zugangs zur Institution, die über die Beschwerde zu entscheiden hat, abhängig gemacht wird (EGMR , 136/1996/755/954, ÖJZ 1998,

797 - Camenzind gegen Schweiz).

Im Fall Chahal gegen Vereinigtes Königreich, der das Risiko einer Verletzung des Art 3 EMRK durch eine Ausweisung zum Inhalt hatte, meinte der EGMR, dass in solchen Fällen nach dem Konzept eines wirksamen Rechtsmittels nach Art 13 EMRK "im Hinblick auf die irreversible Art des Schadens, und im Hinblick auf die große Bedeutung, die der Gerichtshof Art 3 EMRK beimisst", eine unabhängige Prüfung der Behauptung, dass wesentliche Gründe Anlass zur Befürchtung geben, dass eine echte Gefahr einer dem Art 3 EMRK zuwiderlaufende Behandlung bestehe", erfolgen müsse. In der beschränkten Überprüfungsmöglichkeit einer Ausweisungsentscheidung und in der Mangelhaftigkeit des Überprüfungsverfahrens sah der EGMR eine Verletzung des Art 13 EMRK.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs erfordert das Rechtsstaatsprinzip, dass ein Verfahren in der Weise gestaltet sein muss, dass es gewährleistet, letztlich zu einem rechtlich richtigen Ergebnis zu führen. Dabei kann die Verfassungsmäßigkeit von Beschränkungen im Rechtsmittelverfahren nicht rein abstrakt für alle denkbaren Fälle beurteilt werden.

Beschränkungen, die bloß dazu führen, die Parteien zu einer Mitwirkung an der raschen Sachverhaltsermittlung zu verhalten, stehen im Allgemeinen der Effektivität des Rechtsschutzes nicht entgegen. Es liegt schließlich in der Hand der Parteien selbst, effektiv am Verfahren mitzuwirken und ihr Vorbringen ehestens umfangreich und rechtzeitig zu erstatten, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Voraussetzung ist aber die Gewähr, dass die Partei im Verfahren tatsächlich eine solche Möglichkeit effektiv wahrnehmen kann.

Das Asylverfahren weist Besonderheiten auf, die keine Gewähr dafür bieten, dass ein Asylwerber, der willig ist, an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken, bereits in erster Instanz alles für ihn Sachdienliche vorbringt. Dies aus folgenden Gründen:

Der Gesetzgeber hat ein beschleunigtes Zulassungsverfahren vorgesehen, in welchem binnen 48 bzw. 72 Stunden nach Einbringung des Asylantrages eine Ersteinvernahme des Asylwerbers zu erfolgen hat. Gleich nach Abschluss der Ersteinvernahme ist dem Asylwerber die Absicht der Verfahrenszulassung oder der Zurück- oder Abweisung seines Asylantrages mitzuteilen und ihm eine Aktenabschrift auszuhändigen. Nach § 24a Abs 5 zweiter Satz AsylG wird ihm eine kurze Frist (von mindestens 24 Stunden) zur Stellungnahme eingeräumt, und er wird zur neuerlichen Einvernahme nach Fristablauf geladen. In § 24a Abs 8 wird eine 20-Tagesfrist für die maximale Dauer des Zulassungsverfahrens angeordnet.

Asylwerber werden demnach unmittelbar nach ihrer Einreise einvernommen, also zu einem Zeitpunkt, in dem sie sich idR in einem physischen und psychischen Ausnahmezustand befinden.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass Asylwerber meist die deutsche Sprache nicht verstehen. Sie sind auf eine korrekte Übersetzung angewiesen, die sie aber im Augenblick nicht überprüfen lassen können. Die Ursache für ein neues Vorbringen in der zweiten Instanz kann durchaus sein, dass ein Vorbringen in der ersten Instanz unkorrekt oder unvollständig übersetzt oder protokolliert wurde. Dies ist jedoch aus dem Akteninhalt des erstinstanzlichen Aktes nicht ersichtlich und kann daher in aller Regel nicht als Verfahrensmangel geltend gemacht werden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof wies die oberösterreichische Landesregierung auch auf Fälle hin, in denen Asylwerber eine Sprache sprechen, für die Dolmetscher nicht zur Verfügung stehen, sodass die Verständigung über eine Drittsprache erfolgen muss, die der Asylwerber nur fragmentarisch versteht (Protokoll vom , S 14). So wies der Vertreter der oberösterreichischen Landesregierung auf das Beispiel eines tschetschenischen Asylwerbers hin, der auf Grund des Nichtvorhandenseins eines Dolmetschers, der vom Tschetschenischen ins Deutsche übersetzen könnte, in Gegenwart eines Russisch-Dolmetschers vernommen wurde. Auch in der Literatur wird auf zahlreiche Möglichkeiten von Missverständnissen in der Kommunikation zwischen Asylwerbern und der Behörde hingewiesen (vgl. auch Pöllabauer/Schumacher, Kommunikationsprobleme und Neuerungsverbot im Asylverfahren, migralex 2004, 20).

Ferner ist bei Beurteilung von Rechtsmittelbeschränkungen auch die Schwere der Folgen einer potentiellen Fehlentscheidung in Betracht zu ziehen: In dem bereits erwähnten Fall Chahal gegen Vereinigtes Königreich hat der EGMR auf die große Bedeutung hingewiesen, die der Gerichtshof Art 3 EMRK beimisst.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt dabei nicht, dass es Asylwerber gibt, die lediglich zur Erreichung eines längeren Aufenthaltes in Österreich - und nicht aus den oben genannten Gründen - ihre Asylgründe nicht bereits in erster Instanz angeben bzw. in zweiter Instanz ändern. Jedoch ist die Möglichkeit, dass Asylwerber auch aus Gründen, die in ihrer physischen und psychischen Sondersituation liegen, Vorbringen in erster Instanz zurückhalten und dann in der zweiten Instanz nicht mehr vorbringen können, gerade bei jenen deutlich größer, die tatsächlich verfolgt wurden, als bei jenen, die aus asylfremden Gründen einreisen.

Das AsylG berücksichtigt diesen Umstand jedoch nur im Zusammenhang mit einer medizinisch belegbaren Traumatisierung und erfasst die geschilderte physische und psychische Ausnahmesituation daher nur unzureichend (§32 Abs 1 Z 4 AsylG).

Auch in solchen Fällen kann einem Asylwerber eine Weigerung, an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken, nicht subjektiv vorgeworfen werden.

Der Verfassungsgerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass die Beschränkung der Ausnahme in § 32 Abs 1 Z 4 auf Fälle der Traumatisierung überschießend ist, sodass die Worte "auf Grund medizinisch belegbarer Traumatisierung" wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, des Art 13 EMRK und somit auch wegen Verletzung des Art 11 Abs 2 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben sind.

Dem Anliegen des Gesetzgebers, Missbräuchen vorzubeugen, ist auch dadurch Rechnung getragen, dass Ausnahmen vom Neuerungsverbot auf die in den Z 1 bis 3 genannten und auf jene Fälle beschränkt werden, in denen der Asylwerber aus Gründen, die nicht als mangelnde Mitwirkung am Verfahren zu werten sind, nicht in der Lage war, Tatsachen und Beweismittel bereits in erster Instanz vorzubringen. Somit bleibt nach Aufhebung der genannten Wortfolge in Z 4 vom Neuerungsverbot ein Vorbringen erfasst, mit dem ein Asylwerber das Verfahren missbräuchlich zu verlängern versucht.

Im Hinblick auf dieses Ergebnis erübrigt es sich, auf die weiteren Argumente der Bundesregierung zur Zulässigkeit eines Neuerungsverbotes einzugehen.

4.7.4.3. Zu § 32 Abs 2 sowie § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG

Die Bundesregierung weist darauf hin, dass das Gesetz sich auf die Dublin II-VO stützen könne. In deren Art 19 Abs 2 letzter Satz wird bestimmt, dass ein Rechtsbehelf keine Aufschiebung für die Durchführung der Überstellung bewirke,

"es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist."

Nach dem Grundsatz der doppelten Bindung hat der Gesetzgeber sowohl Gemeinschaftsrecht als auch innerstaatliches Verfassungsrecht zu beachten. Die Dublin II-VO hindert ihn nicht daran vorzusehen, dass Rechtsmitteln unter bestimmten Voraussetzungen aufschiebende Wirkung zukommt. Der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ist durch die Dublin II-VO demnach nicht zwingend vorgegeben. Es ist daher zu prüfen, ob § 32 Abs 2 AsylG innerstaatlichem Verfassungsrecht entspricht.

Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Beurteilung von Bestimmungen, die eine vorzeitige Vollstreckbarkeit noch nicht rechtskräftiger Bescheide anordneten, mehrfach ausgesprochen, dass "es nicht angeht, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist" (VfSlg. 11.196/1986 betreffend die Berufung gegen Abgabebescheide, vgl. ferner VfSlg. 12.683/1991 und 14.548/1996 betreffend die Vollstreckung von Dienstnehmeransprüchen, VfSlg. 13.003/1992 und 13.305/1992 betreffend den Einspruch in Verwaltungssachen nach dem ASVG, VfSlg. 14.765/1997 betreffend Umlagen nach ApothekerkammerG, VfSlg. 15.511/1999 betreffend Bestimmungen nach dem AlVG uva.). Mit Erk. VfSlg. 14.374/1995 hat der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf seine Vorjudikatur die den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Berufungen gegen Ausweisungen anordnenden § 17 Abs 3 und § 27 Abs 3 zweiter Satz Fremdengesetz 1992 als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Bundesregierung rechtfertigt den generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen Entscheidungen nach § 5 AsylG im Wesentlichen mit dem Hinweis, dass einer solchen Entscheidung ein besonderes Verfahren vorausgehe, bei dem durch die Mitwirkung des anderen "Dublin-Staates" bereits ein Indiz für die Richtigkeit der Entscheidung gegeben sei.

Die Dublin II-VO sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat - auch wenn ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien der Verordnung zuständig wäre - einen von einem Drittstaatsangehörigen eingebrachten Asylantrag selbst prüfen kann (Art3 Abs 2). Er wird damit zum zuständigen Mitgliedstaat (sog. Selbsteintrittsrecht). Ein solches Selbsteintrittsrecht war schon im - noch heute für das Verhältnis zu Dänemark geltenden - Dubliner Übereinkommen vorgesehen. Der EGMR hat zum Dubliner Übereinkommen ausgesprochen, dass derartige Vereinbarungen die Mitgliedstaaten nicht von ihren Verpflichtungen aus der Konvention entbinden (, 3844/98 - T.I. gegen Vereinigtes Königreich; siehe ferner , 32829/96 - Iruretagoyena gegen Frankreich; , 51564/99 - Conka gegen Belgien).

Im Erk. VfSlg. 16.122/2001 hat der Gerichtshof aus Anlass der Anfechtung des § 5 AsylG in der Stammfassung im Hinblick auf das Dubliner Übereinkommen ausgeführt, dass das dort "in Art 3 Abs 4 festgelegte Eintrittsrecht Österreichs als Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens zwingend zu berücksichtigen" sei. Dieses Eintrittsrecht schaffe "nicht etwa ein durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausschaltbares Recht österreichischer Staatsorgane, die betreffende Asylsache an sich zu ziehen, sondern verpflichtet die zuständige Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung iSd § 5 vorzunehmen und von der Annahme einer negativen Prozessvoraussetzung in der Asylsache abzusehen." Eine "strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs 1 [sei] durch die Heranziehung des Art 3 Abs 4 des Dubliner Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden" (idS auch VfSlg. 16.160/2001; , B1351/00, B1749/00 sowie , B901/01;

ferner VwGH VS , 2000/01/0498; , 2000/01/0386;

, 99/01/0446; , 2002/20/0199; , 2001/20/0258; , 2001/20/0472 uva.).

Der Verfassungsgerichtshof geht im Hinblick auf die inhaltlich gleiche Regelung in der Dublin II-VO davon aus, dass diese


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
zum gegenüber Dänemark weiterhin anwendbaren Dubliner Übereinkommen
-
angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art 3 Abs 2 Dublin II-VO zutreffen (idS auch Muzak, Verfahrensrechtliche Fragen der AsylG-Nov 2003 [Teil 2], migralex 2004, 15 [17f.]; Schmid/Frank/Anerinhof, AsylG² [2004] 123; Thallinger, Das neue Asylgesetz - ein verfassungsrechtlicher Grenzgänger, ZfV 2004, 161 [FN 44]).

Dies bedeutet für die angefochtenen Bestimmungen des AsylG Folgendes:

In einer Entscheidung über "unzulässige Asylanträge wegen vertraglicher Unzuständigkeit oder wegen Unzuständigkeit auf Grund eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union" (§5 AsylG) wird zunächst darüber abgesprochen, ob die österreichischen Asylbehörden oder solche eines anderen Staates, auf die die Dublin II-VO oder das Dubliner Übereinkommen anzuwenden ist, zuständig sind. Die Entscheidung gemäß § 5 AsylG ist weiters mit einer Verfügung der Ausweisung zu verbinden. Der Ausspruch über die Ausweisung ist mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar.

Aus der Sicht der Bundesverfassung bestehen keine Bedenken dagegen, der Berufung gegen eine bloße Zuständigkeitsentscheidung die aufschiebende Wirkung generell zu versagen, würde sich doch im Allgemeinen die Position des Berufungswerbers während des Rechtsmittelverfahrens nicht ändern, wobei dahin gestellt bleiben kann, ob ein Rechtsmittel gegen eine Zuständigkeitsentscheidung einer aufschiebenden Wirkung überhaupt zugänglich ist.

Die Bedenken der Wiener Landesregierung sind daher erst für den Ausspruch über die Ausweisung verfassungsrechtlich relevant. Den öffentlichen Interessen an der Raschheit der Durchführung der Ausweisung können mögliche Nachteile des Berufungswerbers entgegen stehen, wie etwa die faktische Schwierigkeit, vom Ausland aus ein Berufungsverfahren zu führen, oder Beeinträchtigungen, die sogar in den Schutzbereich des Art 3 EMRK (zB Durchführung der Ausweisung von schwangeren oder kranken Personen) oder Art 8 EMRK fallen können. Eine solche Interessenabwägung kann aber nur im Einzelfall vorgenommen werden. Der ausnahmslose Ausschluss der aufschiebenden Wirkung würde selbst in jenen besonderen Fällen eine Interessenabwägung zu Gunsten des Asylwerbers unmöglich machen und damit den Berufungswerber in verfassungsrechtlich verbotener Weise einseitig mit den Folgen einer potentiell unrichtigen Entscheidung belasten.

Der zweite Satz des § 32 Abs 2 sowie der zweite Satz des § 5a Abs 1 AsylG sind daher wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und somit auch gegen Art 11 Abs 2 B-VG aufzuheben. Der verbleibende erste Satz des § 32 Abs 2 AsylG bewirkt, dass nur der Berufung über den Ausspruch über die Zuständigkeit keine aufschiebende Wirkung zukommt, während der Berufung hinsichtlich der Durchführung der Ausweisung aufschiebende Wirkung zukommt (§64 Abs 1 AVG), wenn sie nicht aberkannt wird (§64 Abs 2 AVG). Die Dublin II-VO steht dieser Auslegung nicht entgegen, weil sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, Rechtsmitteln aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zum Vorbringen der Bundesregierung, der Asylwerber könne - gegen Vorlage der stattgebenden Berufungsentscheidung - gemäß § 19 Abs 3 AsylG wieder einreisen, genügt der Hinweis, dass der Verfassungsgerichtshof bereits im Erk. VfSlg. 14.374/1995 ausgesprochen hat, dass die faktische Möglichkeit der Rückkehr nicht die effektive Rechtsschutzgewähr substituieren kann.

4.7.4.4. Zu den Worten "und 6" in § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG

Wie bereits oben unter 4.6. ausgeführt, ist der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung auf Aufhebung nur der Worte "und 6" in § 32 Abs 3, 4 und 4a AsylG zulässig.

Die Bundesregierung meint, dass der Gesetzgeber durch das Abweichen von den Bestimmungen des AVG und die Möglichkeit der Erteilung der aufschiebenden Wirkung im Einzelfall einen sachlichen und fairen Ausgleich in jenen Fällen schaffen wollte, bei denen idR der Sachverhalt klar ist, zumal bei komplexer Sachlage ohnehin nicht innerhalb von 20 Tagen entschieden wird und dann die Einbringung des Antrages ex lege als zugelassen gilt. Es sollen nicht Fremde, die nicht einmal einen Asylgrund geltend machen, sich durch Erhebung eines Rechtsmittels längere Zeit in Österreich aufhalten können. Die Regelung verstoße auch nicht gegen Art 11 Abs 2 B-VG, sondern sei zur Vermeidung eben solcher längerer gesicherter Aufenthalte in Österreich unerlässlich.

Der Verfassungsgerichtshof folgt der Bundesregierung, dass die mit einem Asylverfahren verbundene Berechtigung zum Aufenthalt im Inland es rechtfertigt, dem (eigentlichen) Asylverfahren ein Zulassungsverfahren voranzustellen, um jene Fälle in kurzer Frist auszuscheiden, denen offensichtlich kein Erfolg beschieden sein kann.

Es ist auch grundsätzlich zulässig, einem Rechtsmittel gegen eine negative Entscheidung im Zulassungsverfahren nicht - wie in § 64 Abs 1 AVG vorgesehen - generell aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, sondern dem UBAS die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung im Einzelfall zu überlassen.

Wird aber eine Entscheidung gefällt, bei der die aufschiebende Wirkung durch die höhere Instanz bewilligt wird, so besteht zwischen dem Zeitpunkt der Entscheidung einerseits und der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung andererseits ein Zeitraum, innerhalb dessen die Entscheidung vollstreckt werden könnte. Ein gleicher Zustand besteht etwa auch zwischen der Erlassung eines (auch rechtswidrigen) Bescheides der obersten Instanz im Verwaltungsverfahren und der Erteilung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof, wobei es den Gepflogenheiten entspricht, dass Vollstreckungsbehörden bis zur Entscheidung der Höchstgerichte über die beantragte aufschiebende Wirkung mit der Durchsetzung von Bescheiden zuwarten. Im Vergleich dazu erweist sich die Regelung des AsylG, wonach Entscheidungen gemäß der §§4, 4a und 6 AsylG erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Ablauf von sieben Tagen nach Vorlage der Berufung an den UBAS vollstreckbar werden (zur Auslegung der Bestimmungen siehe 4.6.1. oben) für den Berufungswerber im Asylverfahren günstiger.

Für den UBAS besteht die Verpflichtung, binnen sieben Tagen die aufschiebende Wirkung zu bewilligen, wenn die Voraussetzungen hiefür gegeben sind. Ein allfälliges Fehlverhalten des UBAS kann - wie in anderen Fällen des Fehlverhaltens von Behörden - Amtshaftung auslösen. Im Übrigen hindert die Frist von sieben Tagen den UBAS nicht an der wirksamen Bewilligung der aufschiebenden Wirkung auch nach Ablauf der Frist, wenngleich die Nichteinhaltung der Frist eine Verletzung der Pflicht, die Entscheidung innerhalb der Frist zu fällen, darstellt.

Die im zulässigen Umfang angefochtenen Bestimmungen, nämlich in § 32 Abs 3, 4 und 4a jeweils die Wortfolge "und 6", stehen daher nicht im Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip und Art 13 EMRK.

5. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 16 Abs 1 AsylG (Botschaftsverfahren)

5.1. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung beantragt mit ihrem Hauptantrag die Aufhebung des § 16 Abs 1 AsylG. Da mit Aufhebung des Abs 1 auch Abs 2 des § 16 AsylG die Grundlage entzogen werde, sei die Annahme eines untrennbaren Zusammenhangs zwischen beiden Absätzen vertretbar, weshalb ein Eventualantrag die Aufhebung von § 16 Abs 1 und 2 vorsehe.

Nach Erörterung der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991 und der Stammfassung des AsylG 1997 führt die Wiener Landesregierung aus, dass die nunmehr ausnahmslose Abschaffung der Möglichkeit, einen originären Asylantrag (und damit verbunden einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels) in einer österreichischen Vertretungsbehörde zu stellen, Art 3 EMRK verletze. Den Vorgaben der EMRK folgend mache § 57 Fremdengesetz 1997 Refoulementschutz nicht von der Anwesenheit Fremder auf österreichischem Staatsgebiet abhängig, sondern gewähre diesen auch bei echter Einreiseverhinderung, also bei einer Zurückweisung des Fremden vor dem Betreten des Bundesgebietes. Wenn die Einreiseverweigerung an der Grenze Verantwortlichkeit nach Art 3 EMRK auslösen und Refoulement darstellen könne, so müsse dies auch für diejenigen Fälle gelten, in denen Verfolgte sich noch in ihrem Heimatland oder einem Drittstaat befinden, von dem ihnen Refoulement droht, und ihnen die Einreise nach Österreich durch Verweigerung der Ausstellung eines Einreisevisums verwehrt wird:

"Konsequenterweise muss man deshalb zum Ergebnis kommen, Fremden, denen ansonsten im Herkunftsstaat Verfolgung oder Misshandlung droht, die Stellung eines Antrags auf Asylgewährung und damit verbunden auf Einreise in das Bundesgebiet in der Vertretungsbehörde zu ermöglichen. Schließlich ist der Jurisdiktionsbereich der Staaten gemäß den Entscheidungen von EGMR und EKMR nicht auf das Staatsterritorium beschränkt. Vielmehr können Organe eines Staates, die im Ausland Hoheitsgewalt ausüben, wie dies zum Beispiel im diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Fall ist, die Verantwortlichkeit dieses Staates begründen (EGMR, Drozd und Janousek, Urteil vom ; EGMR, Loizidou, Urteil vom ; EKMR, X. gegen BRD, ; EKMR, Zypern gegen Türkei, ; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Seite 19). Daraus ergibt sich, dass auch das Handeln der Organe in den österreichischen Vertretungsbehörden im Einklang mit der EMRK stehen muss.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass durch die Abschaffung der Möglichkeit der originären Antragsstellung in den Vertretungsbehörden, potentielle Flüchtlinge mangels Einreisevisums dazu veranlasst werden können, über das organisierte Schlepperwesen oder auf andere Weise unrechtmäßig nach Österreich zu gelangen. Dies konterkariert jene Bestrebungen der Bundesregierung zur Eindämmung der illegalen Einreise und auf Schlepperei ausgerichteter krimineller Organisationen (vgl. § 278a StGB).

Bereits vor der gesetzlichen Verankerung der Asylantragsstellung in den Vertretungsbehörden durch das Asylgesetz 1991 in der Fassung BGBl. Nr. 8/1992 stellte sich die Frage, ob die Stellung von Asylanträgen vom Ausland aus zulässig war. Diesbezüglich wurde verschiedentlich vorgebracht, dass ein vom Ausland aus gestellter Asylantrag gemäß § 3 litc AVG in der Fassung vor BGBl. Nr. 51/1991 (Wiederverlautbarung) bei der sachlich in Betracht kommenden obersten Behörde, also beim BMI, eingebracht werden könne. Dagegen sprach allerdings die subsidiäre Natur der Regelung des § 3 litc AVG in der Fassung vor BGBl. Nr. 51/1991 (Wiederverlautbarung), da das Asylgesetz als Materiengesetz Sondervorschriften über die örtliche Zuständigkeit enthält (vgl. Merl, Rechtsfragen des Zugangs zum Asylverfahren, ÖJZ 1990, 592). Demgegenüber stand allerdings die Praxis der Vertretungsbehörden, die, so Merl entsprechend einer Auskunft des BMAA aus 1988, darin bestand, einem Sichtvermerkswerber, der gegenüber einer Vertretungsbehörde im Ausland vorbrachte, in Österreich ein Asylansuchen stellen zu wollen und sich dabei auf einen Verfolgungstatbestand der GFK berief, in Einzelfällen den Sichtvermerk nach Rückfrage im BMI zu erteilen (vgl. Merl, Rechtsfragen des Zugangs zum Asylverfahren, ÖJZ 1990, 592). Es ist festzuhalten, dass ein vom Ausland betriebenes Asylverfahren niemals Asylgewährung im Herrschaftsgebiet des Verfolgerstaats, sondern immer bloß eine Asylzusage für den Fall des Erreichens des Staatsgebiets des Zufluchtslandes beinhalten kann. Asylschutz im Sinne der GFK bedeutet allerdings auch einen möglichst freien und ungehinderten Zugang zum Asylverfahren, etwa in Gestalt erleichterter Einreisebestimmungen für Flüchtlinge, zu gewähren. Diese Vorwirkungen des Asylrechts müssen bereits vor der erst im Inland möglichen Asylgewährung beachtet werden und in Einklang mit Art 3 EMRK stehen. Ein gänzlicher Ausschluss der originären Asylantragsstellung in einer österreichischen Vertretungsbehörde, ungeachtet einer Prüfung ob Refoulementgefahr vorliegt, verletzt daher Art 3 EMRK und ist somit verfassungswidrig."

5.2. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

Die Bundesregierung hält den Bedenken der Wiener Landesregierung entgegen, dass es auf Grund des Fremdengesetzes 1997 möglich sei, in Botschaften Visa zu beantragen und diese ausgestellt zu erhalten. Selbst in Fällen, in denen vom Vorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes auszugehen sei, könne gemäß § 10 Abs 4 Fremdengesetz 1997 aus humanitären Gründen ein Visum ausgestellt werden. Unter einem solchen "humanitären Grund" werde eine drohende Verfolgung iSd EMRK aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention jedenfalls zu verstehen sein. Dann führt die Bundesregierung aus:

"Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass aus den Bestimmungen der EMRK (insbes. dem von der Antragstellerin herangezogenen Art 3) nicht abzuleiten ist, dass ein Staat verpflichtet wäre, ein wie im bisherigen § 16 AsylG vorgesehenes Botschaftsverfahren einzurichten.

Für eine derartige, aus Art 3 EMRK erfließende positive Verpflichtung des Staates fehlt jedoch jeglicher Hinweis in der bisherigen Rechtssprechung des EGMR. Es darf in diesem Zusammenhang vielmehr auf Aussagen des EGMR hingewiesen werden, dass die Vertragsstaaten entsprechend dem allgemeinen Völkerrecht und nach Maßgabe ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der Konvention das Recht haben, die Einreise von Ausländern zu regeln. Darüber hinaus ist das Recht auf politisches Asyl weder in der Konvention noch in deren Zusatzprotokoll enthalten (Urteil des EGMR im Fall Vilvarajah gegen UK vom , Z 102; Urteil im Fall Jabari gegen die Türkei vom , Z 38).

Eine vergleichende Zusammenschau der Rechtslage in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz zeigt folgendes:

'Botschaftsverfahren' bestehen derzeit in Frankreich, in der Schweiz und in Spanien (in Österreich bis zum ). In Dänemark wurden Botschaftsverfahren im Juni 2002 und in den Niederlanden Anfang des Jahres 2003 abgeschafft.



Im Vereinigten Königreich gibt es ein - mit den Grundzügen des Systems nach der AsylG-Novelle 2003 vergleichbares - System zur Familienzusammenführung. Ein Botschaftsverfahren ist hier nur unter dem Aspekt der (wiederum nur die Kernfamilie betreffenden) Familienzusammenführung vorgesehen. Für Personen, die für sich Asyl ohne Beziehung zu einem Familienangehörigen, dem bereits Asyl gewährt wird, beantragen, ist die Möglichkeit der Antragstellung in einer Botschaft nicht vorgesehen. In seltenen Fällen wird jedoch - weil es nicht ausdrücklich verboten ist - eine entsprechende Antragstellung bei einer Botschaft (aus humanitären Gründen) akzeptiert. Ob ein solcher Asylantrag akzeptiert wird, liegt jedoch im freien Ermessen des Innenministers des Vereinten Königreichs.

Nach der Rechtslage in Frankreich ist ein Botschaftsverfahren ohne Einschränkung auch für originäre Antragsteller bestimmt; diese Verfahren werden sowohl in Dritt- als auch in den Herkunftsstaaten der Asylwerber geführt. Die Rechtslage in Spanien ist vergleichbar, nur werden die Verfahren lediglich in Drittstaaten, nicht jedoch in den Herkunftsstaaten der Asylwerber geführt. Bei Betrachtung der Rechtslage in der Schweiz zeigt sich, dass die Möglichkeit der Antragstellung nicht eingeschränkt wird und die Verfahren sowohl in Dritt- als auch Herkunftsstaaten geführt werden. Daneben sind nach Schweizer Rechtslage die Erteilung eigener Visa für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehen."

Ferner sei es auch internationaler Usus, bei besonderen Massenfluchtbewegungen in anderen Regionen "politische Lösungen" herbeizuführen: Diese Möglichkeit werde durch § 9 AsylG eröffnet; hier werde die Entscheidung von einer völkerrechtlichen Erklärung Österreichs abhängig gemacht. Auch die vergleichende Zusammenschau zeige jedenfalls, dass von einer - wie von der Wiener Landesregierung ausgeführten - "Verpflichtung" der Einrichtung von Botschaftsverfahren nicht auszugehen sei, weshalb die unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK geäußerten Bedenken gegen die Regelung des § 16 Abs 1 und Abs 2 AsylG nicht zutreffen würden.

5.3. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

§ 16 AsylG erlaubt nur Familienangehörigen eines Asylberechtigten die Antragstellung bei einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde. Die Antragstellung eines Asylwerbers bei einer Botschaft ist hingegen ausgeschlossen. Voraussetzung für die Erlangung von Asyl ist, dass sich der Asylwerber im Bundesgebiet aufhält (§2 Abs 1 AsylG). Dieses Erfordernis besteht bei Anträgen im Familienverfahren nicht, wie auch der Verfassungsgerichtshof bereits im Erk. vom , B1701/02, zur Rechtslage vor der AsylG-Novelle 2003 ausgeführt hat.

Die beantragte Aufhebung des § 16 Abs 1 oder Abs 1 und Abs 2 würde die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen, da Asylwerber nach dem AsylG nur Asyl erlangen können, wenn sie sich im Bundesgebiet aufhalten. Ein im Ausland gestellter Asylantrag müsste erfolglos bleiben, weil sich der Asylwerber im Ausland aufhält.

Im Übrigen war nach der Fassung des § 16 AsylG vor der AsylG-Novelle 2003 das Ergebnis des sog. Botschaftsverfahrens nicht die Erteilung von Asyl, sondern die Erteilung eines Visums, falls das Bundesasylamt der Vertretungsbehörde mitgeteilt hat, dass die Asylgewährung wahrscheinlich ist. Das Asylverfahren wurde nach der Einreise vor dem Bundesasylamt geführt, dem der Asylantrag zuzuleiten war. Nach der damaligen Rechtslage diente das Botschaftsverfahren der Ermöglichung der Erlangung eines Visums zur Einreise, um danach im Inland Asyl von den Asylbehörden zu erlangen.

Nun wären die Bedenken der Wiener Landesregierung nur dann beachtlich, wenn sich herausstellen würde, dass es nach der neuen Rechtslage einem asylsuchenden Fremden nicht mehr möglich ist, einen Einreisetitel zu erlangen. Die Wiener Landesregierung legt in ihrem Antrag jedoch nicht dar, weshalb für einen Fremden, der Verfolgung behauptet, nach dem Fremdenrecht keine Möglichkeit bestehen soll, in einer Vertretungsbehörde die Erteilung eines Einreisevisums zu beantragen, oder weshalb bei der Erledigung des Visumsantrages auf die behauptete Verfolgung keine Rücksicht zu nehmen wäre. Die Bundesregierung weist jedenfalls auf solche Möglichkeiten hin.

Die Wiener Landesregierung hat nur § 16 Abs 1 - eventualiter diesen Absund auch Abs 2 - angefochten; eine Aufhebung bloß dieser Bestimmungen könnte aber wegen des Erfordernisses des Inlandsaufenthaltes (§2 AsylG) zu keinem anderen Ergebnis als nach der derzeitigen Rechtslage, nämlich einer negativen Erledigung des Asylantrages, führen. Insoweit sich aber die Bedenken auf das Fehlen einer Einreisemöglichkeit und damit der Schaffung einer wesentlichen Voraussetzung für die positive Erledigung eines Asylantrages beziehen, ist nicht dargetan, warum eine solche Möglichkeit nicht bestehen soll.

Haupt- und Eventualantrag waren daher zurückzuweisen.

6. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs 3 erster Satz und § 31 Abs 2 AsylG (Unzulässigkeit der Antragszurückziehung)

6.1. Der Antrag der Wiener Landesregierung

In ihrem Hauptantrag begehrt die Wiener Landesregierung die Aufhebung des § 23 Abs 3 erster Satz und § 31 Abs 2 AsylG, in einem Eventualantrag die Aufhebung lediglich des ersten Satzes des § 23 Abs 3 AsylG.

Die Wiener Landesregierung erachtet § 23 Abs 3 erster Satz sowie § 31 Abs 2 AsylG als verfassungswidrig, da erstere Bestimmung gegen Art 11. Abs 2 B-VG verstoße. Sie stehe in Konflikt mit § 13 Abs 7 AVG, wonach "Anbringen" in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden dürfen. Zu hinterfragen sei, warum gerade der generelle Ausschluss der Möglichkeit, einen Antrag vor Rechtskraft des Bescheids zurückzuziehen, "unerlässlich" sein solle. Die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR XXII. GP, 17) enthaltene Begründung, nämlich der "Asylmissbrauch" und die dadurch bedingte "Lähmung" der Asylbehörden, überzeuge die Wiener Landesregierung nicht:

"Zum einen gilt es zu bedenken, dass auch andere 'Verwaltungsbereiche' einem 'Missbrauch' zugänglich sind, wenn man an den 'Sozialbereich' (Sozialhilfe, zum Beispiel Pflegegeld nach BPGG), das 'Steuerwesen' oder das Anlagenrecht (GewO) denkt; im Unterschied zum Asylrecht ist in allen Materien das Zurückziehen eines verfahrenseinleitenden Antrages jederzeit möglich (vgl. die §§24 BPGG in Verbindung mit § 13 Abs 7 AVG, § 85 Abs 2 BAO). Zum anderen wäre es verfehlt, gerade in der Tatsache der 'Überlastung' der für das Asylverfahren zuständigen Behörden eine taugliche Begründung für den Ausschluss der Möglichkeit im Asylgesetz, einen Antrag zurückzuziehen, zu erblicken, da auch andere Verwaltungsbehörden - speziell in den oben genannten Verwaltungsmaterien - 'überlastet' sein können."

Da in diesem Zusammenhang somit kein Argument ersichtlich sei, das eine Ausnahme von Art 11 Abs 2 B-VG unter den Kriterien der "Unerlässlichkeit" oder "Erforderlichkeit" stützen könnte, sei die Regelung des § 23 Abs 3 erster Satz AsylG verfassungswidrig.

6.2. Die Äußerung der Bundesregierung zur Zulässigkeit des Antrags

Zur Zulässigkeit des Antrages meint die Bundesregierung, dass die Wiener Landesregierung gegen den (mit dem Hauptantrag) ebenfalls angefochtenen § 31 Abs 2 AsylG keine verfassungsrechtlichen Bedenken vorgebracht habe. Würde man dem Aufhebungsantrag der Wiener Landesregierung stattgeben, hätte dies zur Folge, dass eine entsprechende Rechtsbelehrung darüber, dass die Zurückziehung des Asylantrages im Stadium der Berufung als Zurückziehung der Berufung gilt - der zweite Satz des § 23 Abs 3 AsylG sei nicht angefochten worden -, nicht stattzufinden hätte. Dies stehe jedoch den Intentionen des Gesetzgebers, über diese für den Asylwerber im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip wesentliche Frage umfassend zu informieren, geradezu diametral entgegen. Weiters bringt die Bundesregierung vor:

"Nach Ansicht der Bundesregierung ist zu dem [...] Antrag auf Aufhebung des § 23 Abs 3 erster Satz und § 31 Abs 2 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 [...] darauf hinzuweisen, dass sich dieser Antrag im Hinblick auf die [...] ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Sinne des § 62 Abs 1 VerfGG als unbegründet erweist, und - insofern eine Aufhebung des § 31 Abs 2 AsylG 1997 begehrt wird, wird kein Verstoß gegen eine Verfassungsbestimmung behauptet - der Hauptantrag aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen sein wird."

6.3. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

Den Bedenken der Wiener Landesregierung, die angefochtenen Bestimmungen widersprächen Art 11 Abs 2 B-VG, tritt die Bundesregierung wie folgt entgegen:

"§23 Abs 3 AsylG 1997 unterscheidet zwei Fälle; die Zurückziehung des Asylantrags vor und nach einer allfälligen Berufungserhebung. Wird versucht, den Asylantrag vor Entscheidung der ersten Instanz zurückzuziehen, so ist dies unzulässig, der Antrag (auf Zurückziehung des Antrags) wird als gegenstandslos abgelegt; wird der Antrag nach Entscheidung der ersten Instanz zurückgezogen, so gilt nur die Berufung als zurückgezogen, die Entscheidung der ersten Instanz erwächst in Rechtskraft.

In der Praxis ist wiederholt hervorgekommen, dass Asylwerber, die behaupten, Flüchtlinge iSd. Art 1 Abschnitt A GFK zu sein, ihren Asylantrag zurückziehen. Zur Erläuterung erlaubt sich die Bundesregierung, auf nachfolgende Statistiken des Bundesasylamtes über die Einstellung und die Zurückziehung der Asylanträge vorzulegen, aus denen die Notwendigkeit der entsprechenden Normen der AsylG-Novelle 2003 klar erkennbar ist, hinzuweisen:

Asylanträge 1998 - 2003

Jahr Anzahl Veränderungen zum

Vorjahr in %

1998 13.805 +105,46

1999 20.129 +45,81

2000 18.284 -9,16

2001 30.127 +64,77

2002 39.354 +30,62

2003 32.364 -17,76

Einstellungen 1998 - 2003

Jahr Anzahl Veränderungen zum

Vorjahr in %

1998 4.612

1999 8.013 +73,74

2000 10.616 +32,48

2001 14.436 +35,98

2002 20.250 +40,27

2003 18.052 -10,85

Zurückziehungen 1998 - 2003

Jahr Anzahl Veränderungen zum

Vorjahr in %

1998 700

1999 2.580 +268,57

2000 3.983 +54,38

2001 1.459 -63,37

2002 2.024 +38,73

2003 3.008 +48,62

Wird nach erfolgter Zurückziehung kein neuer Asylantrag eingebracht, steht weiterhin die Behauptung der Flüchtlingseigenschaft (und damit unter das Regelungsregime der GFK zu fallen und einen Anspruch auf dort gewährleistete Rechte zu haben) im Raum, ohne dass die zuständige Behörde darüber entscheiden kann. Dies deshalb, weshalb eine Asylgewährung von Amts wegen nur dann möglich ist, wenn sich die Republik Österreich völkerrechtlich dazu bereit erklärt hat (vgl. § 9 AsylG 1997, in welcher Bestimmung allerdings nicht einmal eine weitere Prüfung vorgesehen ist und die Massenfluchtbewegungen im Auge hatte). Ob ein Asylverfahren stattfindet oder - etwa wegen der Zurückziehung des Antrags - endet, spielt für das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft keine Rolle. Ist jedoch von der Flüchtlingseigenschaft auszugehen, so sind an diese weitreichende völkerrechtlich und einfachgesetzlich normierte Verpflichtungen der Republik Österreich aus der Genfer Flüchtlingskonvention geknüpft. Daher ist es unerlässlich, dass zumindest das Bundesasylamt das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft prüft.

Darüber hinausgehend ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der AsylG-Novelle 2003 eine weitere verfahrensrechtliche Konzentration, insbesondere der Fragen der Schutzgewährung, bei den Asylbehörden angestrebt wird. Gerade in Fällen, wo nach Asylantragstellung - somit einem eindeutigen Schutzbegehren - ein Antrag zurückgezogen wird, ist jedenfalls im Rahmen der fremdenpolizeilichen Maßnahme von Amts wegen auch auf die Verpflichtungen nach Art 3 EMRK Bedacht zu nehmen. Diese wird mit den Änderungen durch die AsylG-Novelle 2003 im Bereich der Asylbehörden belassen.

Anders stellt sich die Situation bei der Zurückziehung des Antrages nach der Entscheidung der ersten Instanz dar. Der Gesetzgeber der AsylG-Novelle 2003 war bemüht, Asylwerber anzuhalten, alle entscheidungsrelevanten Tatsachen, soweit ihnen das möglich und zumutbar ist, bereits in der ersten Instanz vorzubringen und hat ein Regelungssystem zum Umgang mit Folgeanträgen, das zum Teil auch Gegenstand des Antrages der Wiener Landesregierung ist, gefunden.

Bisher konnte durch ein wiederholtes Stellen von Asylanträgen eine Ausweisung oder deren Durchsetzung in jenen Fällen hintangehalten werden, in denen ein Drittstaatverfahren nicht möglich war, da ein Asylwerber nach der Rechtslage vor der AsylG-Novelle 2003 gemäß § 21 Abs 2 nicht in den Herkunftsstaat zurück- oder abgeschoben werden konnte. Nach der Rechtslage nach der AsylG-Novelle 2003 wird - im Falle eines Folgeantrages - die Ausweisung bereits mit Erlassung des Bescheides durchsetzbar.

Diese Regelung liefe aber ins Leere, wenn man einzelnen Asylwerbern ermöglichen würde, den Asylantrag zurückzuziehen. Erhebt etwa ein Asylwerber nach einer negativen erstinstanzlichen Entscheidung eine Berufung, ist der Bescheid der ersten Instanz - soweit es sich um kein Sonderverfahren handelt - nicht vollstreckbar; zieht der Asylwerber dann seinen Antrag (nicht seine Berufung) gemäß § 13 Abs 7 AVG zurück, sind die 'Folgeantragsnormen' nicht anwendbar, da - mangels rechtskräftiger Entscheidung - keine 'entschiedene Sache' vorliegt. Da jedoch das Bundesasylamt schon über den Asylantrag abgesprochen hat, ist - bei einem versuchten Zurückziehen des Antrages - die weitere Befassung des Unabhängigen Bundesasylsenates nicht notwendig, um den oben angesprochenen Verpflichtungen Österreichs mit der nötigen Sicherheit und Sorgfalt zu genügen.

Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass sich die gegenständlichen Bestimmungen als 'unerlässlich' im Sinn der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art 11 Abs 2 B-VG darstellen."

6.4. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

Die Bundesregierung beantragt die Zurückweisung des Hauptantrages, da sich die von der Wiener Landesregierung behauptete Verfassungswidrigkeit ihren Ausführungen zufolge aus dem Zusammenhalt der beiden Bestimmungen ergeben soll; es werde aber, "insofern eine Aufhebung des § 31 Abs 2 AsylG 1997 begehrt wird, kein Verstoß gegen eine Verfassungsbestimmung behauptet."

Richtig ist, dass die Wiener Landesregierung nur Bedenken gegen § 23 Abs 3 erster Satz AsylG geltend macht. Selbständige Bedenken gegen § 31 Abs 2 AsylG werden hingegen nicht vorgebracht. Würde jedoch bloß § 23 Abs 3 erster Satz aufgehoben, so bliebe § 31 Abs 2 als völlig inhaltsleerer Torso übrig. Nur wenn die Zurückziehung des Antrages unzulässig ist, kann der Schriftsatz, mit dem der Asylantrag zurückgezogen wird, als gegenstandslos abgelegt werden. Im Gegensatz dazu würde eine zulässige Antragszurückziehung zur Einstellung des Verfahrens führen.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass in § 31 Abs 2 die Rechtsfolge der Zurückziehung eines Antrags selbst geregelt ist. Die in § 31 Abs 2 enthaltene Wortfolge "Antrag auf Zurückziehung des Asylantrages" ist zwar sprachlich missglückt, aber doch in diesem Sinn zu verstehen. Die Bundesregierung meinte in der Verhandlung, es handle sich "hierbei um Anbringen, die in jedem Verfahrensstadium die Zurückziehung des Antrages zum Gegenstand haben" (Niederschrift der Verhandlung vom , S 54). Ein solches Anbringen wird wohl üblicherweise als Antragszurückziehung bezeichnet.

Der Hauptantrag der Wiener Landesregierung ist daher zulässig.

6.5. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs in der Sache

§ 23 Abs 3 AsylG geht davon aus, dass die Behörde auch bei Rückziehung des Asylantrages über den Asylantrag abzusprechen hat, es sei denn, das Verfahren wird eingestellt oder der Antrag als gegenstandslos abgelegt. In § 23 Abs 3 AsylG wird bei der Erwähnung der Ablegung als gegenstandslos § 40a Abs 3 AsylG zitiert. § 40a AsylG, der die Rückkehrhilfe und nicht die Gegenstandslosigkeit eines Asylantrages regelt, hat nur zwei Absätze, sodass der Verweis auf einen dritten Absatz des § 40a AsylG durch § 23 Abs 3 AsylG ins Leere geht.

Die Ablegung eines Antrages nach § 23 Abs 3 bezieht sich auf den Asylantrag selbst und nicht auf den in § 31 Abs 2 genannten "Antrag auf Zurückziehung des Asylantrages", sodass letztlich trotz der sprachlichen Unzukömmlichkeiten in § 23 Abs 3 (Verweis auf eine nicht existente Bestimmung) und § 31 Abs 2 ("Antrag auf Zurückziehung des Asylantrages") der Inhalt beider Bestimmungen klar wird: Wird ein Asylantrag zurückgezogen, ist die Zurückziehung als gegenstandslos abzulegen und das Asylverfahren fortzusetzen.

Damit soll nach Absicht des Gesetzgebers verhindert werden, dass Asylwerber den Aufenthalt in Österreich verlängern, indem sie bei erwartetem negativen Ausgang ihres Verfahrens den Antrag zurückziehen, so dass über ihn zunächst nicht entschieden werden kann, und dann einen neuen Asylantrag einbringen, der ein neues Verfahren in Gang setzt. Diese Absicht des Gesetzgebers, die er mit unzureichendem Gesetzestext umzusetzen versucht, ergibt sich auch aus den Erläuterungen (RV 120 BlgNR XXII. GP, 17). Es heißt dort zum Entwurf des § 23 AsylG:

"Die Abs 3 und 5 sind notwendig, um den Asylmissbrauch hintanzuhalten, der seine Ausformungen dadurch gewinnt, dass Asylanträge willkürlich zurückgezogen und neu eingebracht werden könnten. Diese Vorgangsweise führt zu einer Lähmung der Asylbehörden

[...]".

Nach den Bedenken der Wiener Landesregierung stellt sich die Frage, ob eine solche Bestimmung unerlässlich iSd Art 11 Abs 2 B-VG ist. Die Wiener Landesregierung stellt zu Recht fest, dass auch in anderen Verfahren die Möglichkeit des Missbrauches durch Zurückziehung und Neueinbringung von Anträgen gleichen Inhaltes besteht, ohne dass der Gesetzgeber eine Regelung, wie sie § 23 Abs 3 erster Satz AsylG vorsieht, getroffen hat.

Im Asylrecht gibt es aber die Besonderheit, dass nach Stellung des Asylantrages faktischer Abschiebeschutz besteht (§19 Abs 1 AsylG). Ein Asylwerber kann also, wenn er erkennt, keine Aussicht auf Asylerteilung und damit die Möglichkeit des ständigen Aufenthaltes in Österreich zu haben, durch verfahrensverzögernde Maßnahmen sein Ziel wenigstens teilweise erreichen, da er während des Verfahrens nicht abgeschoben werden kann und somit wenigstens einen zeitlich begrenzten Aufenthalt im Inland erlangt.

Es widerspricht daher nicht Art 11 Abs 2 B-VG, wenn der Gesetzgeber solchen Missbräuchen vorbeugt. Auch verstößt die materielle Erledigung eines Antrages trotz dessen Zurückziehung im gegebenen Zusammenhang weder gegen das Rechtsstaatsgebot noch Art 13

EMRK.

Der Antrag war somit abzuweisen.

7. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 18 Abs 3 und § 24 Abs 4 erster und zweiter Satz AsylG (Durchsuchung von Kleidung und mitgeführter Behältnisse)

7.1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung

Die oberösterreichische Landesregierung ficht den gesamten § 18 Abs 3 AsylG an und begründet dies damit, dass die Aufhebung lediglich einer Wortfolge des ersten Satzes die darin liegende Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen und der zweite Satz des § 18 Abs 3 einen unverständlichen und unanwendbaren Torso darstellen würde. Für den Fall, dass sich der Verfassungsgerichtshof dieser Meinung nicht anschließt, werde mit einem Eventualantrag die Aufhebung lediglich des ersten Satzes des § 18 Abs 3 AsylG begehrt. Auch den Hauptantrag zu § 24 Abs 4 AsylG, nämlich die Aufhebung des ersten und zweiten Satzes, rechtfertigt die oberösterreichische Landesregierung mit deren Untrennbarkeit; der dritte Satz des § 24 Abs 4 AsylG stehe mit den ersten beiden Sätzen dagegen weder in untrennbarem Zusammenhang, noch würde ein unanwendbarer Torso zurückbleiben. Der weitere Eventualantrag trage der möglichen Auffassung Rechnung, dass die Beseitigung der Verfassungswidrigkeit mit der alleinigen Aufhebung des § 24 Abs 4 erster Satz AsylG erreicht werden könne.

Die oberösterreichische Landesregierung hält die §§18 Abs 3 und 24 Abs 4 erster und zweiter Satz AsylG wegen Verletzung des Art 8 EMRK für verfassungswidrig. Die Durchsuchung von Personen und ihrer Sachen würde regelmäßig in den Schutzbereich des Art 8 EMRK eingreifen; Beschränkungen von Grundrechten und Eingriffe in ihren Schutzbereich seien nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig, wobei diese Bedingung grundsätzlich für alle Grundrechte gelte. In der Folge führt die oberösterreichische Landesregierung aus:

"Es trifft vielleicht zu, dass in der Regel Gegenstände oder Dokumente, die Aufschluss über die Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe geben können, für eine sachgerechte und effiziente Durchführung des Asylverfahrens benötigt werden, zwingend ist diese Verbindung allerdings nicht. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass schon auf Grund des Vorbringens des Asylwerbers in seinem Antrag die Sachlage völlig klar ist, sodass es zusätzlicher Beweismittel gar nicht mehr bedarf. Wenn aber Gegenstände oder Dokumente, die bei einer Durchsuchung zu Tage gefördert werden können, für das Verfahren in bestimmten Fällen jedenfalls ohne Bedeutung sind, ist auch der Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 EMRK, den § 18 Abs 3 und § 24 Abs 4 Asylgesetz 1997 zwingend vorschreiben, in Anbetracht der bereits zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs unverhältnismäßig und somit verfassungswidrig. Ein derart massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ist daher zwar im Dienst der Strafrechtspflege (vgl. § 24 und § 139 StPO 1975) und im Dienst der Sicherheitspolizei (vgl. § 3 und § 40 SPG), keinesfalls jedoch in einem Asylverfahren verfassungsrechtlich zulässig.

Weiters ist bezüglich der angefochtenen Bestimmungen die Formulierung 'soweit nicht ausgeschlossen werden kann' zu berücksichtigen. Es stellt sich hier nämlich auch die Frage, wann ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdiensts überhaupt jemals ausschließen kann, dass Fremde Gegenstände und Dokumente, die Aufschluss über die Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe geben können, mit sich führen. Wenn jedoch davon auszugehen ist, dass ein derartiger Ausschluss dieser Annahme in der Praxis niemals erfolgen wird, handelt es sich bei den angefochtenen Bestimmungen de facto nicht mehr um eine Ermächtigung zur Durchsuchung, sondern um eine zwingende Vorschreibung. Auch diese Tatsache untermauert daher den aufgezeigten Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen Art 8 EMRK."

7.2. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung beantragt in ihrem Hauptantrag die Aufhebung des § 24 Abs 4 erster und zweiter Satz AsylG. Ferner werden Eventualanträge gestellt, nämlich

* eventualiter nur § 24 Abs 4 erster Satz oder nur § 24

Abs 4 zweiter Satz,

* "eventualiter auch und somit bezogen auf alle

vorgenannten Alternativen § 18 Abs 3" AsylG aufzuheben.

Auch die Wiener Landesregierung erachtet § 24 Abs 4 erster und zweiter Satz AsylG mit der Begründung als verfassungswidrig, dass diese Bestimmungen gegen Art 8 EMRK sowie Art 1 des 1. ZPEMRK verstoßen.

Ebenso wie die oberösterreichische Landesregierung begründet die Wiener Landesregierung die Verletzung des Art 8 EMRK unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs. Die Formulierung "soweit nicht ausgeschlossen werden kann" deute darauf hin, dass in der Praxis kaum jemals der Fall eintreten werde, dass die Auffindung von Beweismitteln ex ante tatsächlich ausgeschlossen werden könne. Vielmehr würden die §§24 Abs 4 erster und zweiter Satz, 34a Abs 2 und Abs 3 iVm § 18 Abs 3 AsylG so auszulegen sein, dass es idR zu einer Durchsuchung und anschließenden Sicherstellung kommen müsse, da ja ex ante nicht feststehe bzw. feststehen könne, ob der Asylwerber nicht doch für ein Verwaltungsverfahren "sachdienliche" Dokumente oder Gegenstände bei sich führt. Dem amtshandelnden Organ werde durch diese Vorschriften somit nicht nur eine quasi "schrankenlose" Durchsuchungskompetenz eingeräumt, sondern auch eine "unbegrenzte" Kompetenz zur Sicherstellung von im Zuge einer Durchsuchung aufgefundenen Gegenständen. Damit werde dem amtshandelnden Organ ohne gesetzliche Schranken die Möglichkeit zur Willkür eröffnet.

Bedenklich sei zunächst, dass hinsichtlich der Zulässigkeit der Befugnisausübung im Bereich des Asylrechts - im Vergleich zu anderen Durchsuchungsermächtigungen der österreichischen Rechtsordnung, wie zB § 12 Abs 2 Militärbefugnisgesetz, nicht auf Kriterien wie "sofern unerlässlich", quasi als ultima ratio, abgestellt werde. Fraglich erscheine weiters, ob die in Rede stehende Durchsuchungs- und Sicherstellungsermächtigung mit den in Art 8 Abs 2 EMRK taxativ aufgezählten Zwecken vereinbar sei. Auch wenn dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukomme, sei fraglich, in welcher konkreten Zielbestimmung des Art 8 Abs 2 EMRK die Durchsuchungsermächtigung nach den §§24 Abs 4 erster Satz iVm § 34a Abs 2 AsylG (bzw. die Sicherstellungsermächtigung nach den §§24 Abs 4 zweiter Satz iVm § 34a Abs 3 AsylG) Deckung finde, da sich der Gesetzgeber hiezu - im Gegensatz etwa zu § 12 Abs 2 Militärbefugnisgesetz - nicht geäußert habe. Beim Asylwesen handle es sich wohl kaum um eine "Materie", in denen derart gravierende Grundrechtseingriffe - wie im Bereich der Sicherheitspolizei, des gerichtlichen Strafrechts, des Fremdenrechts oder aber auch in Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung - zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder zum Schutz der Rechte anderer "wesensnotwendig" seien. Dazu führt die Wiener Landesregierung weiter aus:

"Die Durchsuchungs- und damit verbundene Sicherstellungsermächtigung ist so weit gefasst, dass sie praktisch sämtliche persönliche Gegenstände beinhaltet, die ein Asylwerber typischerweise mit sich führt. Darunter fallen dann auch - oft die letzten, dem Asylwerber auf seiner Flucht noch verbliebenen - persönlichen Gegenstände, die für ihn die letzte noch verbliebene Verbindung zu seiner früheren Heimat, seinen familiären, gesellschaftlichen oder religiösen sozialen Beziehungen etc. darstellen. Alle diese oft tief in den Persönlichkeits- und Identitätskern des Asylwerbers hineinreichenden Gegenstände, deren Besitz für den Asylwerber oft einen gar nicht überschätzenden psychologischen Wert darstellt, können aufgrund der Ermächtigung durch die hier angefochtenen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 nicht nur in einem polizeilichen Durchsuchungsverfahren offen gelegt sondern dem Asylwerber auch zur Vorlage an die Asylbehörde entzogen werden. Dies alles unabhängig davon, in welchem Ausmaß diese Gegenstände im weiteren Asylverfahren von Bedeutung sind und unabhängig davon, ob nicht durch andere ohnedies schon festgestellte Tatsachen oder Beweismittel die entsprechenden Aufschlüsse über Identität, Staatsangehörigkeit, Reiseweg oder Fluchtgründe des Fremden bereits hinlänglich dokumentiert sind. Die gegenständliche Eingriffsermächtigung ist erkennbar von dem Grundgedanken getragen, dass der Asylwerber wie ein potentieller Rechtsbrecher sicherheitspolizeilich zu behandeln ist und entgegen seinem Willen und, ohne auf seine spezifische insbesondere psychische Situation Rücksicht zu nehmen, durch sicherheitspolizeiliche amtswegige Nachforschungen ein Sachverhalt zu ermitteln ist, an dessen Verschleierung oder unrichtiger Darstellung der Asylwerber zwangsläufig interessiert sein muss (Sinn?). Das Stellen eines Asylantrages ist aber - ganz genauso wie das Stellen eines Antrages auf gewerbliche Betriebsanlagengenehmigung oder der Antrag auf Ausstellen eines Reisepasses - kein Grund zu kriminalpolizeilichen Ermittlungen. Der Fremde, der oft gerade deswegen, weil er im Verfolgerstaat seine durch Art 8 EMRK gewährleistete Persönlichkeitsrechte nicht mehr gesichert sieht, in Österreich Schutz sucht, sieht sich 'anlässlich der Einbringung seines Asylantrags in der Erstaufnahmestelle' sofort einem Verfahren ausgesetzt, das in ihm unter Umständen Bilder einer Realität aufsteigen lässt, vor denen er gerade auf der Flucht ist."

Insoweit sind nach Auffassung der Wiener Landesregierung § 24 Abs 4 erster und zweiter Satz AsylG unverhältnismäßig weitreichende und undeterminierte, weil rechtsstaatlich und von der Eingriffsnotwendigkeit her nicht begrenzte Ermächtigungen, in den von Art 8 EMRK geschützten Persönlichkeitskern des Asylwerbers einzugreifen. Dieser Umstand unterscheide die Eingriffsermächtigung des § 24 Abs 4 erster und zweiter Satz AsylG auch von der Eingriffsermächtigung, die § 18 Abs 3 iZm § 18 Abs 1 AsylG an sich vorsehe. In Zusammenhang mit der Vorführung von Fremden möge die Eingriffsermächtigung des § 18 Abs 3 AsylG möglicherweise noch hingehen. Auch hier würden sich aber vergleichbare Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit stellen.

Außerdem verstoße § 24 Abs 4 zweiter Satz AsylG gegen Art 1 des

1. ZPEMRK und sei daher auch aus diesem Grund verfassungswidrig. Art 1 des 1. ZPEMRK verlange, dass das Eigentum jeder Person geachtet und nur "im öffentlichen Interesse" entzogen werde. Auch hier sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, und es erscheine fraglich, welches öffentliche Interesse eine Sicherstellung von Gegenständen des betroffenen Asylwerbers rechtfertige. Zu diesem Punkt habe sich der Gesetzgeber nicht geäußert. Die bereits hinsichtlich der Durchsuchungsberechtigung erhobenen Bedenken würden für die Formulierung "soweit nicht ausgeschlossen werden kann" hinsichtlich der Sicherstellungskompetenz des zweiten Satzes des § 24 Abs 4 iVm § 34a Abs 3 AsylG sinngemäß gelten: In der Praxis würden auf Grund der ausdrücklichen Textierung des Gesetzes kaum Fälle denkbar sein, in denen eine Sicherstellung tatsächlich unterbleibe, da das amtshandelnde Organ im Zeitpunkt der Amtshandlung nicht wissen könne, ob der Asylwerber entscheidungsrelevante Gegenstände und/oder Dokumente bei sich trage. Auch hinsichtlich Art 1 des 1. ZPEMRK biete § 24 Abs 4 zweiter Satz AsylG iVm § 34a Abs 3 AsylG keinesfalls die Möglichkeit einer verhältnismäßigen Einzelfallbetrachtung und stelle eine unverhältnismäßige Eingriffsermächtigung in das durch Art 1 des

1. ZPEMRK geschützte "Eigentum" des Fremden dar.

7.3. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung

Einleitend verweist die Bundesregierung auf § 27 Abs 2 AsylG 1997 in der Stammfassung, der eine vergleichbare Durchsuchungsermächtigung zum Zeitpunkt einer Einvernahme vorgesehen habe. Die Bundesregierung meint, die oberösterreichische Landesregierung gehe in ihrer Annahme, dass Fremde zwingend zu durchsuchen seien, selbst wenn es gar keiner zusätzlichen Beweismittel für das Verfahren bedürfte, von einem Missverständnis aus. Der Wortlaut des § 18 Abs 3 AsylG lasse schon klar erkennen, dass die Durchsuchungsermächtigung nur für jene Fälle vorgesehen sei, in denen keine oder zu wenig Beweismittel vorliegen.

Der Gesetzgeber habe nicht verkannt, dass jegliche Durchsuchung der Bekleidung von Personen in den Schutzbereich von Art 8 EMRK eingreife und daher nur unter den in Art 8 Abs 2 EMRK normierten Voraussetzungen zulässig sei. Da § 24 Abs 4 auf § 18 Abs 3 verweise, seien diese Voraussetzungen für die Durchsuchung der Bekleidung und Behältnisse von Personen in beiden angefochtenen Normen dieselben. Dann führt die Bundesregierung aus:

"Zweck und Ziel der Durchsuchung ist es, Gegenstände und Dokumente zu finden, die Aufschluss über die Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe geben können, die von den Asylwerbern trotz Aufforderung nicht freiwillig herausgegeben werden, vorzufinden und sicherzustellen. Der Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht ist zur Regelung der öffentlichen Ordnung sowohl im Bereich des Asylwesens wie auch in jenem des Fremdenpolizeiwesens notwendig, um die rechtsrichtige Anwendung der Normen des Asylgesetzes, die ja die fremdenpolizeilichen Regelungen beschränken, zu gewährleisten, da im Gegensatz zu anderen Verwaltungsverfahren einem Asylwerber einerseits bereits mit Stellung des Asylantrages die Rechtsfolgen des § 19 zu Gute kommen - während in anderen Verwaltungsverfahren die gewünschte Berechtigung erst mit rechtskräftiger Erledigung erlangt wird - und andererseits Fremde, die den Asylantrag nur zum Zwecke der Erlangung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gestellt haben, ohne wirklich Schutz vor Verfolgung zu suchen, kein Interesse daran haben, der Behörde durch Vorlage der oben genannten Urkunden und Beweismittel ein schnelles Verfahren zu ermöglichen. In anderen Verwaltungsverfahren hingegen hat der Antragsteller in der Regel regelmäßig Interesse an einer schnellen Verfahrensführung und wird dementsprechend an der Ermittlung der materiellen Wahrheit durch Vorlage der notwendigen Dokumente freiwillig mitwirken.

Die angefochtenen Normen des AsylG geben dem Bundesasylamt und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Möglichkeit, die Bekleidung und Behältnisse von Asylwerbern, welche für das Asylverfahren relevante Dokumente nicht freiwillig herausgeben, zu durchsuchen und die entsprechenden Dokumente sicherzustellen. Oft sind Identitätsdokumente die einzige Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit eines Asylwerbers zu klären oder nur der Ausreisestempel eines Reiselandes im Reisepass oder andere Urkunden - etwa ein U-Bahnfahrschein einer im Ausland gelegenen Stadt - ermöglichen es den Asylbehörden, den Reiseweg des Asylwerbers, der beispielsweise für die Durchführung eines Dublin-Verfahrens erforderlich erscheint, festzustellen und auch entsprechend nachzuweisen."

Der Gesetzgeber verkenne nicht, dass auch eine möglichst früh angeordnete Durchsuchung den Asylwerber nicht daran hindere, Beweismittel vor der Aufgreifung oder Asylantragstellung zu vernichten. In diesem Fall habe der Gesetzgeber aber keine Möglichkeit, dies hintanzuhalten. Dass dem Gesetzgeber an der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs gegenüber dem Zweck gelegen gewesen wäre, sei einerseits an der Beschränkung des § 18 Abs 3 und andererseits an der obligatorischen Aufforderung vor der Durchsuchung zu erkennen. Wenn eine Durchsuchung bereits vor Einbringung des Asylantrages im Rahmen einer Vorführung erfolgt sei, so sei eine neuerliche Durchsuchung nur noch ausnahmsweise zulässig. Schließlich sei davon auszugehen, dass von einer Ermächtigung nicht willkürlich, sondern nur zur Erreichung eines im Gesetz genannten Zieles Gebrauch zu machen sei, hier der Auffindung verborgener, relevanter Urkunden.

Die Bundesregierung verweist auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 18 Abs 3 und meint, auch den Erläuterungen sei zu entnehmen, dass - entgegen den Ausführungen im Antrag - nicht von einer "zwingenden Vorschreibung" gesprochen werden könne. Vielmehr solle eine Durchsuchung erst dann vorgenommen werden, wenn der Asylwerber nicht von sich aus initiativ die "Dokumente und Gegenstände, die Aufschluss über den Fluchtweg oder Fluchtgründe geben könnten", vorlege.

§ 24 Abs 5 AsylG sei so zu interpretieren, dass er auch die Ermächtigung zur (abermaligen) Durchsuchung insoweit einschränke, als diese - etwa auf Grund einer Aussage eines anderen Asylwerbers, der bereits durchsuchte Betroffene verstecke seinen Reisepass - nicht ausnahmsweise notwendig sei. Als Zeitpunkt der möglichen Durchsuchung sei vom Gesetzgeber - anders als im Fall des § 27 Abs 2 AsylG 1997 in der Stammfassung - der erste Kontakt des Asylwerbers mit der Behörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gewählt worden.

Abschließend bringt die Bundesregierung vor:

"Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens wurde seitens der Abteilung V/3 des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst (Datenschutz, Geschäftsstellen des Datenschutzrates und der Datenschutzkommission, Rechtliche Angelegenheiten der Verwaltungsreform) - im Begutachtungsentwurf war die Durchsuchung noch obligatorisch vorgesehen - darauf hingewiesen, dass eine Durchsuchung unter Einsatz von psychischem Zwang nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen darf. Der Asylwerber wäre auf seine Verpflichtung zur Vorlage der in seinem Besitz befindlichen Beweismittel und zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte hinzuweisen und es müsste Grund zur Annahme bestehen, dass der Betroffene trotz dieses Hinweises in seinem Besitz befindliche Beweismittel oder Identitätsdokumente nicht vorgelegt hat. Dieser Empfehlung wurde im Gesetzwerdungsprozess Rechnung getragen, sodass sich die gegen diese Bestimmungen vorgebrachten, auf Art 8 EMRK gestützten Bedenken insgesamt als nicht zutreffend erweisen."

7.4. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

Zum Bedenken der Verletzung des Art 8 EMRK verweist die Bundesregierung eingangs - wie bereits gegenüber dem Antrag der oberösterreichischen Landesregierung - auf § 27 Abs 2 AsylG 1997 in der Stammfassung. In wortgleichen Ausführungen erörtert die Bundesregierung den Zweck der angefochtenen Regelung und bezieht sich auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, um daraus zu folgern, dass entgegen den Ausführungen der Wiener Landesregierung nicht davon gesprochen werden könne, dass eine "schrankenlose" Durchsuchungskompetenz bzw. eine "unbegrenzte" Kompetenz zur Sicherstellung eingeräumt oder die Durchsuchung nicht als "ultima ratio" vorgesehen sei.

Zum Bedenken der Verletzung des Art 1 des 1. ZPEMRK führt die Bundesregierung Folgendes aus:

"Versteht man als Schutzobjekt des Art 1 1. ZPEMRK jedes 'vermögenswerte Privatrecht' (vgl. etwa Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, Rz. 4ff zu Art 1 des 1.ZP) ist anlässlich einer Sicherstellung aufgefundener Dokumente jedenfalls die Frage aufzuwerfen [...], inwiefern diese überhaupt Gegenstände von einem Wert darstellen, welcher durch Art 1 des 1. ZPEMRK als geschützt zu betrachten sind:

Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechts gem. Art 5 StGG 1867 durch Abnahme eines Führerscheins im Erkenntnis VfSlg. 15.431/1999 festgehalten:

'Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt festgestellt (vgl. VfSlg.7428/1974, 8669/1979, 9931/1984), dass der Führerschein lediglich der urkundliche Nachweis über die Erteilung der Berechtigung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr darstellt. Der Führerschein als Nachweis der öffentlich-rechtlich erteilten Lenkerberechtigung, der gegenüber dem Eigentum am Gegenstand (Papier) der Urkunde in wirtschaftlicher (geldeswerter) Hinsicht keine Bedeutung zukommt, ist demnach nicht als privates Vermögensrecht anzusehen. Daraus ergibt sich, dass in der Abnahme des Führerscheines kein Eingriff in ein privates Vermögensrecht gelegen ist und dass der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nicht verletzt worden sein kann.'

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rechtsprechung zur Frage der Fähigkeit, durch die Entwendung von Reisepässen oder Führerscheinen (vgl die bei Bertel, Wiener Kommentar zum StGB, Rz 4 ff zu § 127 StGB wiedergegebene Rechtsprechung) im Hinblick auf deren Wert einen Diebstahl zu begehen, hingewiesen. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken anlässlich einer einstweiligen Sicherstellung von Dokumenten im Hinblick auf Art 1 des

1. ZPEMRK als nicht zutreffend zu erachten sind.

Weiters ist zu bemerken, dass das Eigentum des Asylwerbers an den Gegenständen, die für die Dauer des Verfahrens dem Bundesasylamt zu übergeben sind, nicht entzogen wird. Es handelt sich allenfalls um eine zeitlich begrenzte Beschränkung der Verfügungsmöglichkeit über die Dokumente und/oder Gegenstände. Ein Eigentumsübergang an ihnen auf den Bund ist ebenfalls nicht vorgesehen. Dies folgt auch aus den Ausführungen im allgemeinen Teil der Erläuterungen 120 BlgNR, 22. GP wenn es heißt: 'Vorgefundene Dokumente und Gegenstände, die Hinweise auf Identität, Herkunftsland und Reiseweg geben können, werden vorläufig sichergestellt.'

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass auch § 24 Abs 2 zweiter Satz AsylG dahingehend auszulegen und anzuwenden ist, dass die Beschränkung verhältnismäßig ist (vgl. etwa VfSlg. 10.817/1986, 12468/1990, 15199/1998). Es ist daher einerseits davon auszugehen, dass Sicherstellungen nicht immer zulässig sind, wenn eine Durchsuchung zulässig war, da nur für das Asylverfahren relevante Dokumente und/oder Gegenstände als potentielles Sicherstellungsobjekt in Frage kommen. Andererseits ist die Dauer der Sicherstellung so kurz wie möglich zu halten, wobei die sichergestellten Dokumente oder Gegenstände dem Asylwerber wieder zurückzugeben sind, sofern kein anderer Grund für eine (weitere) Sicherstellung - etwa nach den Bestimmungen der StPO - vorliegt. So wird anlässlich der Vollziehung der angefochtenen Bestimmung ein - bezüglich seiner Echtheit unbedenklicher - Reisepass abzulichten und unverzüglich dem Asylwerber zurückzugeben sein, da auch hiedurch das intendierte Ergebnis, nämlich Aufschluss über die Reiseroute, die Identität oder die Nationalität des Asylwerbers zu gewinnen, erreicht werden kann. Andererseits ist denkbar, dass ein Reisepass, gegen dessen Echtheit etwa Bedenken bestehen, durchaus so lange in Verwahrung der Behörde verbleiben kann, bis diese die Echtheit des Dokuments verifizieren konnte.

Der Gesetzgeber hat nicht intendiert, Dokumente oder Gegenstände nach den Bestimmungen des Asylgesetzes für längere Zeit oder gar endgültig abzunehmen. Die Sicherstellung dieser Dokumente oder Gegenstände kann jedoch notwendig sein, um mit allen Asylwerbern ein - der materiellen Wahrheitsfindung verpflichtetes - Asylverfahren führen zu können. Die Führung eines der materiellen Wahrheit verpflichteten Asylverfahrens ist jedoch für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Bereich der Fremdenpolizei und des Einwanderungswesens unbedingt erforderlich. Andernfalls befände sich der über einen sicheren Drittstaat eingereiste Asylwerber, der mit der Behörde kooperiert gegenüber einen auf dem gleichen Weg und unter den gleichen Umständen eingereisten Asylwerber, der der Behörde wichtige Dokumente oder Gegenstände vorenthält im Nachteil - ersterem könnte der Reiseweg nachgewiesen werden und er wäre in den sicheren Drittstaat auszuweisen, letzterer verbliebe - mangels Nachweis der Reiseroute - in Österreich, bis das Asylverfahren rechtskräftig abgewiesen wäre; könnte man ihm - auch bei negativem Abschluss des Asylverfahrens - nicht nachweisen, welcher Staat sein Heimatstaat wäre, wäre auch eine Ausweisung nicht möglich.

Vor dem Hintergrund des oben Gesagten ist die Bundesregierung daher zusammengefasst der Ansicht, dass die geäußerten Bedenken im Hinblick auf eine Verletzung des Art 1 des

1. ZPEMRK nicht zutreffen."

7.5. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

Die Äußerungen der Bundesregierung enthalten keine Ausführungen, die sich speziell mit der Zulässigkeit der Anträge beschäftigen; der Verfassungsgerichtshof hat jedoch Folgendes erwogen:

§ 18 Abs 3 AsylG ermächtigt die Organe der öffentlichen Sicherheit (§18 Abs 1 AsylG) zur Durchsuchung der Kleidung und mitgeführter Behältnisse von Fremden. § 18 Abs 4 ermächtigt diese Organe zur Sicherstellung aller Gegenstände, die Aufschluss über die Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe geben könnten. Diese sind der Erstaufnahmestelle gleichzeitig mit der Vorführung zu übergeben. § 18 betrifft also insgesamt Durchsuchungen, die vor der Übergabe des Fremden an die Erstaufnahmestelle stattfinden.

Für die Zeit während des Aufenthaltes in der Erstaufnahmestelle sind die Organe der öffentlichen Sicherheit und besonders ermächtige Organe des Bundesasylamtes zur Durchsuchung (§24 Abs 4 erster Satz AsylG) und zur Sicherstellung (§24 Abs 4 zweiter Satz AsylG) befugt. Erfolgten Durchsuchung und Sicherstellung schon im Zuge der Vorführung, so kann dies in der Erstaufnahmestelle unterbleiben (§24 Abs 5 AsylG).

7.5.1. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge der oberösterreichischen Landesregierung

Die oberösterreichische Landesregierung beantragt mit dem Hauptantrag die Aufhebung jeweils des gesamten § 18 Abs 3 und des § 24 Abs 4 erster und zweiter Satz AsylG. Bedenken werden hinsichtlich der Durchsuchung, nicht jedoch der Sicherstellung vorgebracht. § 18 Abs 3 zweiter Satz AsylG betrifft die erkennungsdienstliche Behandlung, § 24 Abs 4 zweiter Satz die Sicherstellung; gegen diese beiden Sätze, die auch in keinem untrennbaren Zusammenhang mit den anderen Sätzen beider Bestimmungen stehen, werden aber keine Bedenken vorgebracht. Die Anträge, den § 18 Abs 3 zweiter Satz sowie § 24 Abs 4 zweiter Satz AsylG aufzuheben, sind daher nicht zulässig.

Mit Eventualantrag wird dann bloß die Aufhebung des § 18 Abs 3 erster Satz begehrt. Dieser Satz betrifft nur die Durchsuchung, nicht aber die Sicherstellung von Gegenständen, die in § 18 Abs 4 geregelt ist, der nicht angefochten wurde. Auch die bloße Durchsuchung ohne nachträgliche Sicherstellung ergebe Sinn, etwa indem das Ergebnis der Durchsuchung in einem Amtsvermerk festgehalten, Dokumente kopiert und die Gegenstände anschließend dem Fremden zurückgegeben, aber nicht sichergestellt werden. Es besteht also zwischen § 18 Abs 3 erster Satz (Durchsuchungsregelung) und § 18 Abs 4 (Sicherstellungsregelung) kein untrennbarer Zusammenhang. Aus dieser Sicht bestehen also keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anträge, (nur) den ersten Satz des § 18 Abs 3 sowie den ersten Satz des § 24 Abs 4 aufzuheben.

Im Verfahren ist auch sonst nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit des Eventualantrages der oberösterreichischen Landesregierung auf Aufhebung des § 18 Abs 3 erster Satz und dem Antrag auf Aufhebung des § 24 Abs 4 erster Satz AsylG zweifeln lässt.

7.5.2. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge der Wiener Landesregierung

Auch zur Zulässigkeit der Anträge der Wiener Landesregierung hat die Bundesregierung kein Vorbringen erstattet, und es sind auch beim Verfassungsgerichtshof keine solchen entstanden. Mit ihrem Hauptantrag begehrt die Wiener Landesregierung die Aufhebung des § 24 Abs 4 erster und zweiter Satz AsylG; dieser Antrag ist zulässig, da die Wiener Landesregierung - anders als die oberösterreichische Landesregierung - auch Bedenken gegen die Sicherstellung geltend gemacht hat.

7.6. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs in der Sache

Die Durchsuchung von Personen und deren Gepäck fällt in den Schutzbereich des Art 8 EMRK (VfSlg. 13.708/1994 und die dort zitierte weitere Judikatur; Wildhaber in Golsong ua. (Hrsg.), Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Rz 279 zu Art 8 EMRK; Wiederin in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 43 [2002]). Demgemäß sind solche Durchsuchungen verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Zwecken dienen sowie adäquat und verhältnismäßig sind. Die antragstellenden Landesregierungen bestreiten die Rechtfertigung durch öffentliche Zwecke und die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die Durchsuchung der Kleidung und mitgeführter Behältnisse von nach Vsterreich einreisenden Personen zur Wahrung der öffentlichen Interessen an der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ruhe und Ordnung notwendig ist. Es besteht ein öffentliches Interesse, die Identität Einreisender festzustellen. Suchen sie um Asyl an, so müssen solche Personen - wie in anderen Verwaltungsverfahren - an den Ermittlungen mitwirken und daher die zum Nachweis der Voraussetzungen für die beantragte Asylgewährung erforderlichen Beweismittel vorlegen. Die Unterlassung der Mitwirkung an einem Verfahren, in dem eine Partei eine Berechtigung erlangen will, ist im Allgemeinen keine Rechtfertigung für eine Durchsuchung nach Beweismitteln; die Nichtmitwirkung führt idR zur Abweisung des Antrags. Im Asylverfahren kann sich jedoch eine solche Rechtfertigung aus dem Umstand ergeben, dass die bloße Antragstellung zu einem faktischen Abschiebeschutz führt (§19 AsylG), sodass auch ein öffentliches Interesse an der raschen Ermittlung des Sachverhaltes und somit an der Verfügbarkeit über die zur Entscheidung relevanten Beweismittel besteht, wie die Bundesregierung zu Recht ausführt.

Dies bedeutet aber nicht, dass in Asylverfahren jedwede Durchsuchung ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zulässig ist. Ein Grundrechtseingriff durch Durchsuchung von Kleidung und mitgeführten Behältnissen kann nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Identität und die Berechtigung zum Aufenthalt anders nicht oder nur mit erheblichem Aufwand feststellbar wären. Dies insb. dann, wenn der Betroffene nicht kooperativ an der Sachverhaltsfeststellung mitwirkt oder erhebliche Zweifel an seinem Vorbringen bestehen, die durch die Durchsuchung ausgeräumt werden können.

Diesen Erfordernissen tragen die angefochtenen Bestimmungen Rechnung:

§ 24 Abs 4 erwähnt keine Einschränkungen bei der Durchsuchung, verweist jedoch auf § 18 Abs 3 AsylG, sodass die dort normierten Voraussetzungen der Durchsuchung auch für solche nach § 24 Abs 4 AsylG maßgebend sind. Die Landesregierungen brachten vor, dass durch die Wahl der Worte "nicht ausgeschlossen werden kann" der Durchsuchung keine Grenzen gesetzt wären. Die vom Gesetzgeber verfolgte - wenngleich sprachlich nicht optimal zum Ausdruck kommende - Absicht des Gesetzgebers ergibt sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR XXII. GP, 17):

Unter Bezugnahme auf die Durchsuchung vor bzw. in der Erstaufnahmestelle heißt es dort:

"Dies alles hat erst dann zu geschehen, wenn der Asylwerber trotz Aufforderung die asylverfahrensrelevanten Gegenstände und/oder Dokumente nicht vorlegt."

Ausgehend davon ist die Bestimmung daher so zu verstehen, dass eine Durchsuchung von Kleidern und mitgeführten Behältnissen nicht (mehr) zulässig ist, wenn der Asylwerber selbst durch Vorlage entsprechender Dokumente und Gegenstände an der Sachverhaltsfeststellung mitwirkt. Damit ist aber den Bedenken der antragstellenden Landesregierungen, die von einer anderen Auslegung ausgehen, der Boden entzogen. Eine Durchsuchung von Personen (und nicht nur deren Kleidung und mitgeführten Behältnisse) sieht das AsylG nicht vor.

Die Regelung über die Sicherstellung von Dokumenten und Gegenständen widerspricht nicht Art 1 des 1. ZPEMRK. Die Abnahme von Dokumenten ist kein Eingriff in das Eigentum (VfSlg. 15.431/1999 zur Abnahme des Führerscheins), es sei denn, dass durch Abnahme des Dokuments eine aus dem Privatrecht entspringende Nutzungsbefugnis beschränkt wird, wie etwa bei Entziehung des Waffenpasses (VfSlg. 9331/1982), des Motorradzulassungsscheines oder des Motorradkennzeichens (VfSlg. 12.270/1990). Jene Dokumente, die zur Feststellung der Identität, der Staatsbürgerschaft, des Fluchtweges oder der Fluchtgründe dienen, sind aber keine Dokumente, deren Abnahme einen Eingriff in das Eigentum bilden.

Was die übrigen Gegenstände betrifft, so bilden sie Beweismittel für das Verfahren und sind nach Einsicht durch die Asylbehörde unverzüglich den Eigentümern zurückzustellen. Asylwerber sind damit nicht in einer anderen Lage, als jede Partei eines Verfahrens, die Dokumente oder andere Gegenstände der Behörde vorlegen muss, und daher kurzfristig über sie nicht verfügen kann. Ein solcher, auf Beweismittel beschränkter kurzfristiger Eingriff in das Eigentumsrecht, ist aber durch das öffentliche Interesse an der korrekten Ermittlung des Sachverhaltes gerechtfertigt.

Der erste Satz des § 18 Abs 3 sowie der erste und zweite Satz des § 24 Abs 4 waren somit nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

8. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 24a Abs 5 AsylG (Stellungnahmefrist)

8.1. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung beantragt primär die Aufhebung des § 24a Abs 5 AsylG zur Gänze und stellt für den Fall, dass die Herstellung des verfassungskonformen Zustandes auch bloß durch die Aufhebung der Wortfolge "24 Stunden nicht unterschreitende," in § 24a Abs 5 zweiter Satz erreicht werden könne, einen entsprechenden Eventualantrag.

Nach Auffassung der Wiener Landesregierung verstoße § 24a Abs 5 AsylG gegen das rechtsstaatliche Prinzip und das Sachlichkeitsgebot und sei deshalb verfassungswidrig. Unter Berufung auf die Judikatur des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes meint die Wiener Landesregierung, dass mit einer "Stellungnahmefrist von (zumindest) 24 Stunden" einer der fundamentalen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens, nämlich das Recht der Partei auf Gehör, massiv beeinträchtigt werde. Die Gelegenheit zur Stellungnahme erfordere die Gestaltung des Vorganges in einer Weise, die der Partei jeweils nicht nur seine Bedeutung zu Bewusstsein bringe, sondern ihr auch die Möglichkeit der Überlegung und entsprechenden Formulierung ihrer Stellungnahme biete. Eine solche Möglichkeit zur Stellungnahme sei der Partei aber nur dann gegeben, wenn ihr hierfür auch eine ausreichende, angemessene Frist für die Einholung fachlichen Rates bzw. zur Vorlage eines entsprechenden Gutachtens eingeräumt werde:

"Bedenkt man die praktischen Umstände eines Asylverfahrens, etwa, dass Asylwerber in aller Regel die deutsche Sprache nicht beherrschen (und sich im Regelfall nicht gerade 'in einfachen Lebensumständen' befinden), bedarf es wesentlich mehr Zeit als 24 Stunden, sich mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde auseinanderzusetzen; es bedarf genügend Zeit, mit einem Rechtsberater die Umstände des Einzelfalls besprechen zu können, zu beratschlagen, bevor nach einer angemessenen Zeit eine Stellungnahme zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens abgegeben wird. Wie sich aus VfSlg. 15.529/1999 ergibt, fordern das rechtsstaatliche Prinzip und das allgemeine Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes, dass die 'Verfahrenseinrichtung' für den Antragsteller ein Mindestmaß an faktischer Effizienz aufweist; eine Frist von 24 Stunden zur Stellungnahme zu einer so elementaren Frage wie dem Ergebnis des Asylverfahrens erfüllt diese Forderung nicht."

8.2. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

Die Bundesregierung betont eingangs, dass es sich bei der angefochtenen Regelung nicht um eine Höchstfrist, innerhalb der ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid einzubringen sei, handle, sondern lediglich um eine Mindestfrist zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs 3 AVG zu einer beabsichtigten Entscheidung, den Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Ein allfälliger Mangel des Parteiengehörs könne - wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vertreten habe - durch die im Berufungsverfahren gegebene Möglichkeit der Stellungnahme geheilt werden. Dann führt die Bundesregierung weiter aus:

"Die angefochtene Bestimmung stellt sich als einem verfassungskonformen Vollzug zugänglich dar. Ist etwa der dem Bundesasylamt vorliegende Sachverhalt als hinreichend geklärt zu betrachten, und stellt sich aus diesem Grund die beabsichtigte Entscheidung des Bundesasylamtes als 'einfach' dar, so wird mit Einräumung der Mindestfrist das Auslangen gefunden werden können und das Recht auf Parteiengehör durch Einräumung einer '24-Stunden-Frist' als nicht verletzt erscheinen. Sofern jedoch aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes von einer umfangreicheren Stellungnahme auszugehen sein könnte, muss diese Frist - auch dem Umfang der auszuhändigenden Aktenabschrift entsprechend - länger bemessen werden, um das Parteiengehör hinreichend wahren zu können. In schwierigen Fällen hat die Behörde daher im Rahmen eines verfassungskonformen Vollzuges eine für die Vorbereitung notwendige 24 Stunden überschreitende Zeitspanne zwischen erster und zweiter Einvernahme festzulegen.

Überdies ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Fragen des Zulassungsverfahrens - und nur für diese ist § 24a Abs 5 AsylG 1997 anwendbar - in der Regel um die Frage handelt, ob das Verfahren zuzulassen oder wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen 'Dublinstaates' als unzulässig zurückzuweisen ist. Materielle Entscheidungen werden - abgesehen von ganz klaren Fällen - im Zulassungsverfahren nur nach § 6 AsylG 1997 gefällt werden. Die zur Darlegung seines Standpunktes und zur Wahrung seiner Interessen notwendige Stellungnahme des Asylwerbers wird mit Unterstützung eines - vom Bund gestellten - Rechtsberaters und einem Dolmetscher erarbeitet und im Beisein des Rechtsberaters vorgetragen."

Nach Ansicht der Bundesregierung sei daher davon auszugehen, dass durch die Normierung einer Mindestfrist von 24 Stunden keinesfalls eine abschließende Anordnung über die tatsächlich im Einzelfall einzuräumende Frist getroffen werde. Aus diesem Grund würden die von der Wiener Landesregierung vorgebrachten Bedenken gegen § 24a Abs 5 zweiter Satz AsylG somit nicht vorliegen.

8.3. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

Die Bedenken der Wiener Landesregierung richten sich gegen die Kürze der Frist zur Stellungnahme. Der erste Satz des § 24a Abs 5 AsylG betrifft die Aushändigung einer Aktenabschrift an den Asylwerber, der dritte Satz die Rechtsberatung. Gegen diese Bestimmungen wurden keine Bedenken vorgebracht, sodass der Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmungen unzulässig ist. Hingegen ist der Antrag auf Aufhebung des zweiten Satzes des § 24a Abs 5 AsylG zulässig.

8.4. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zu den Bedenken

Der Verfassungsgerichtshof hat - wie schon ausgeführt - in ständiger Judikatur betont, dass die Effektivität des Rechtsschutzes, zu dem die Wahrung des rechtlichen Gehörs zählt, ein wesentliches Element des rechtsstaatlichen Prinzips ist (VfSlg. 11.196/1986; 12.683/1991; 15.369/1998; 15.529/1999 uva.). Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof in mehreren Fällen ausgesprochen, dass eine Berufungsfrist von bloß zwei Tagen (nämlich nach § 32 AsylG 1997 in der Stammfassung) im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen stehe, weil ein faktisch effektiver Rechtsschutz für den idR der deutschen Sprache nicht mächtigen Asylwerber nicht gewahrt sei (VfSlg. 15.218/1998; 15.369/1998; 15.529/1999).

§ 24a Abs 5 sieht jedoch - anders als in jenen Fällen, die den obgenannten Erkenntnissen zu Grunde lagen - keine kurze Höchstfrist vor, sondern bestimmt nur eine Mindestfrist von 24 Stunden für eine Stellungnahme. Dadurch werden jedoch die Regelungen des AVG über das Ermittlungsverfahren, insb. auch das Recht auf Gehör nicht eingeschränkt. Es gelten auch für das Verfahren vor dem Bundesasylamt sowohl die Bestimmungen des AVG, darunter auch jene über das Ermittlungsverfahren (§§37 ff. AVG), als auch § 28 AsylG, der die Ermittlungspflichten speziell für das Asylverfahren festlegt, sodass auch die Asylbehörden verpflichtet sind, für die Stellungnahme ausreichend Zeit zur Verfügung zu stellen (vgl. ; , 2000/07/0003 ua.).

Die Bundesregierung weist darauf hin, dass im Zulassungsverfahren - und nur für dieses ist § 24a Abs 5 AsylG anwendbar - idR einfache Fragen zu behandeln sind, wie etwa die Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen "Dublinstaates". Dennoch wird in bestimmten Konstellationen eine bloß 24-stündige Frist unangemessen sein. Die Angemessenheit der Frist ist im Einzelfall zu beurteilen und nicht nur von der Kompliziertheit der Rechtsfrage, sondern auch von den individuellen Sprachschwierigkeiten, der Verfügbarkeit der Rechtsberater und Übersetzer, dem Wunsch nach Beischaffung weiterer Beweismittel oder der Beiziehung von Anwälten oder anderen Experten abhängig, wie etwa dann, wenn der Beschwerdeführer die Annahme der Drittstaatsicherheit zu widerlegen unternimmt (§4 Abs 2 und § 4a AsylG). Die Festlegung einer Mindestfrist für die Stellungnahme schließt nicht aus, dass all diesen Umständen im Einzelfall durch Festlegung einer längeren Frist oder Erstreckung der zunächst gesetzten Frist über Antrag des Asylwerbers Rechnung getragen werden muss, und dass die Setzung einer im Einzelfall unangemessen kurzen Frist zur Stellungnahme durch das Bundesasylamt einen vom UBAS und letztlich vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Verfahrensmangel darstellt. Der effektive Rechtsschutz wird daher durch die Mindestfrist nicht beeinträchtigt. Die Mindestfrist ist aus diesen Gründen auch nicht unsachlich. Dem Antrag war daher, soweit er zulässig ist, keine Folge zu geben.

9. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 34b Abs 1 Z 1 und Z 3 AsylG (Schubhaft)

9.1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung

Die oberösterreichische Landesregierung beantragte die Aufhebung von "§34b Abs 1 Z 1 und Z 3 Asylgesetz 1997, in eventu § 34b Abs 1 Z 1 Asylgesetz 1997, in eventu § 34b Abs 1 Z 3 Asylgesetz 1997".

Ihren Hauptantrag begründet die oberösterreichische Landesregierung damit, dass die ihrer Meinung nach bestehende Verfassungswidrigkeit beide Ziffern in gleicher Weise betreffe. Die neben dem Hauptantrag noch zusätzlich gestellten Eventualanträge würden der Möglichkeit Rechnung tragen, dass der Verfassungsgerichtshof die aufgezeigte Verfassungswidrigkeit nur hinsichtlich einer der beiden Ziffern als gegeben erachtet.

Die oberösterreichische Landesregierung äußert das Bedenken, dass Art 2 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit sowie Art 5 EMRK durch den angefochtenen § 34b Abs 1 Z 1 und Z 3 AsylG verletzt würden. Gemäß Art 1 Abs 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit habe jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit; Art 2 Abs 1 lege - in Nachbildung des Art 5 Abs 1 EMRK - die Gründe, aus denen eine Freiheitsentziehung erfolgen dürfe, taxativ fest. Im Hinblick auf § 61 Abs 1 erster Satz Fremdengesetz 1997 meint die oberösterreichische Landesregierung, es handle sich bei Z 1 des § 34b Abs 1 AsylG nicht um ein Sicherungsmittel für die Ausweisung, sondern um ein Sicherungsmittel für die Durchführung des Asylverfahrens. Für eine Freiheitsentziehung dieser Art enthalte Art 2 Abs 1 des zitierten BVG aber keine Grundlage. Gleiches gelte im Hinblick auf § 34b Abs 1 Z 3, wenn sich der Folgeantrag auf neue Sachverhaltselemente stütze und somit die Anordnung der Schubhaft ebenfalls nicht die bevorstehende Ausweisung sichere.

9.2. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Der Antrag der Wiener Landesregierung entspricht inhaltlich jenem der oberösterreichischen Landesregierung. Wie die oberösterreichische Landesregierung beantragt auch die Wiener Landesregierung die Aufhebung des § 34b Abs 1 Z 1 und Z 3 AsylG zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes und stellt für den Fall, dass nur eine der beiden Ziffern als verfassungswidrig erachtet wird, entsprechende Eventualanträge.

Die Wiener Landesregierung hält ebenfalls § 34b Abs 1 Z 1 und Z 3 AsylG wegen des Verstoßes gegen Art 2 Abs 1 Z 7 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit sowie gegen Art 5 EMRK für verfassungswidrig. Mit § 34b Abs 1 AsylG würden die Tatbestände des § 61 Abs 1 Fremdengesetz 1997 zur Schubhaftverhängung de facto erweitert. Vor dem Hintergrund der beiden angeführten Verfassungsbestimmungen dürfe das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit durch freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Rahmen der Fremdenpolizei nur unter der Bedingung eingeschränkt werden, dass dies zur Sicherung einer beabsichtigten Ausweisung und Auslieferung notwendig sei. Dazu führt die Wiener Landesregierung aus:

"Weder die Tatbestandsvoraussetzungen von § 34b Abs 1 Z. 1 Asylgesetz 1997 noch jene von § 34b Abs 1 Z. 3 Asylgesetz 1997 erfüllen diese Bedingung: Denn dass sich, wie es Z. 1 für die Verhängung von Schubhaft verlangt, der Asylwerber ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, kann viele Gründe haben. Die Regelung ist jedenfalls zu unbestimmt und überdies unverhältnismäßig, um aus diesem Umstand alleine zu schließen, dass die Schubhaft zur Ausweisung oder Auslieferung notwendig ist. Keinesfalls kann auch die Tatsache, dass der Fremde nach einer rechtskräftigen Zurückweisungsentscheidung im Zulassungsverfahren oder nach rechtskräftiger negativer Entscheidung einen neuerlichen Asylantrag (Folgeantrag) einbringt (Z. 3) alleine das Vorliegen der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Freiheitsbeschränkung begründen. § 34b Absl Z. 3 Asylgesetz 1997 ist nämlich nach dessen eindeutigen Wortlaut auch dann anwendbar, wenn der neuerliche Antrag aufgrund einer Änderung des Sachverhalts zulässig wäre. Z. 3 verkennt somit die Rechte eines 'refugie sur place', also eines Flüchtlings, der erst durch sein Verhalten (etwa kritische Äußerungen gegenüber dem Verfolgerstaat) bzw. Änderungen im Verfolgerstaat (zum Beispiel ein Wechsel des politischen Regimes) während seines Aufenthalts im Asylstaat Flüchtlingsstatus erlangt. In solchen Fällen kann ein Folgeantrag zulässig sein und zu einer positiven Erledigung führen, obwohl der Erstantrag noch zurück- oder abgewiesen wurde. So haben beispielsweise die Ereignisse im Kosovo gezeigt, dass Folgeanträge bei Änderung der Umstände im Heimatland gerechtfertigt sein können:

Nachdem die Asylanträge kosovarischer Antragsteller mit dem Verweis auf die durch das Abkommen von Rambouillet eintretende Sicherheit abgewiesen worden waren, setzten die ethnischen Säuberungen durch die serbische Armee im Kosovo ein. Die durch § 34b Abs 1 Z. 3 Asylgesetz 1997 geschaffene Möglichkeit der Inschubhaftnahme negiert die aufgezeigte Möglichkeit, dass Nachfluchtgründe bestehen und unterstellt - in rechtsstaatlich unzulässiger Weise - die Missbräuchlichkeit solcher Anträge."

Weder die Ermächtigung zur Inschubhaftnahme des § 34b Abs 1 Z 1 noch jene des § 34b Abs 1 Z 3 AsylG würden den Voraussetzungen von Art 5 Abs 1 litf EMRK bzw. Art 2 Abs 1 Z 7 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit entsprechen. In der Literatur habe Wiederin (Voraussetzungen der Schubhaft, ZUV 1996, 130) aus den beiden zuletzt genannten Bestimmungen gefolgert, dass als Voraussetzung für die Schubhaftverhängung gegen den Asylwerber bereits ein Ausweisungsverfahren schweben bzw. bereits ein Verfahren, an dessen Ende die Außerlandesschaffung stehe, eingeleitet worden sein müsse. Sinn und Zweck des Asylverfahrens sei jedoch die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft; nur wenn dieses Verfahren negativ ende, könne dies die Ausweisung zur Folge haben. Das Asylverfahren als solches sei keinesfalls ein Ausweisungsverfahren, ansonsten würde das Ergebnis des Asylverfahrens von Beginn an vorweggenommen.

Sowohl die EMRK als auch das BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit würden darüber hinaus als wesentliches Kriterium die Erforderlichkeit der Schubhaft verlangen. Daher sei die Schubhaftverhängung nur zulässig, wenn der Entzug der persönlichen Freiheit notwendig sei, um das Aufenthaltsbeendigungsverfahren oder die Außerlandesschaffung zu sichern. Die Haft stelle dabei die ultima ratio dar, und der Gesetzgeber müsse ohne Freiheitsentzug das Auslangen finden, wo immer derselbe Effekt mit gelinderen Mitteln erreicht werden könne. Selbst wenn entgegen dem Wortlaut des § 34b Abs 1 Z 1 und Z 3 AsylG noch andere Umstände hinzutreten würden, die zu einer Ausweisung des Asylwerbers führen könnten, gebe es sicherlich gelindere Mittel (wie zB die Abnahme von Dokumenten) als die Schubhaft, die eine beabsichtigte Ausweisung sicherstellen könnten.

9.3. Die Äußerung der Bundesregierung zur Zulässigkeit der Anträge

Zum Antrag der Wiener Landesregierung vermeint die Bundesregierung, dass die Anträge der Wiener Landesregierung insofern als nicht hinreichend konkretisiert betrachtet werden könnten, als durch die Vielzahl der Eventualanträge nicht ersichtlich scheine, welcher Antrag jeweils als Primärantrag zu werten sei. So stelle es die Wiener Landesregierung dem Verfassungsgerichtshof beispielsweise anheim, entweder § 34b Abs 1 Z 1 und Z 3 AsylG oder nur § 34b Abs 1 Z 1 AsylG oder nur § 34b Abs 1 Z 3 AsylG als verfassungswidrig aufzuheben. Der Formulierung nach könnte die von der Wiener Landesregierung vermutete Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesstellen (nämlich durch die Verletzung der Art 5 Abs 1 litf EMRK und Art 2 Abs 1 Z 7 PersFrG) also durch jede der drei Varianten des Antrages in gleicher Weise beseitigt werden.

9.4. Die Äußerung der Bundesregierung in der Sache (Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung)

Zu den Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung führt die Bundesregierung aus, dass die Schaffung des § 34b AsylG es dem Gesetzgeber ermögliche, "Asylwerber vor Zulassung des Verfahrens vom Anwendungsbereich des § 61 Fremdengesetz 1997 auszunehmen, selbst wenn klar ist, dass dem Asylwerber kein Asyl zuerkannt werden und sein Verfahren mit einer Ausweisung enden wird". Über die Gefahr, im Falle eines Wiederaufgriffs in Schubhaft genommen zu werden, sei der Asylwerber durch das Merkblatt gemäß § 26 Abs 1 AsylG zu informieren. Auch werde er in einer Erstinformation gemäß § 24 Abs 3 AsylG darauf hinzuweisen sein. Es sei dem Asylwerber durchaus zumutbar, während des Zulassungsverfahrens dem Bundesasylamt zur Verfügung zu stehen, da das Zulassungsverfahren nur eine zeitlich beschränkte Zeit, nämlich 20 Tage, dauere und der Asylwerber währenddessen versorgt werde. Auch stehe es dem Asylwerber offen, sich während des Zulassungsverfahrens frei zu bewegen. Der Asylwerber müsse dem Bundesasylamt nur für die - vorher angekündigten oder gleich nach dem Eintreffen stattfindenden - Verfahrenshandlungen zur Verfügung stehen. Die angefochtene Norm diene der Sicherung einer bei negativem Abschluss des Verfahrens zu verhängenden Ausweisung und sei vom Gesetzgeber auf den Fall eingeschränkt worden, in dem sich der Asylwerber dem Verfahren zu entziehen suche. Weiters führt die Bundesregierung aus:

"§34b Abs 1 Z 1 kann nun nicht isoliert, sondern muss auch im Zusammenhalt mit der Bestimmung des § 30 AsylG i.d.F. der AsylG-Novelle 2003 gelesen werden. Eine ungerechtfertigte Entfernung aus der Erstaufnahmestelle stellt nach letztgenannter Bestimmung (sofern über die Zulässigkeit des Asylverfahrens noch nicht abgesprochen wurde) einen Grund für die Einstellung des Asylverfahrens dar, wenn eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts noch nicht erfolgen kann.

Hinsichtlich der gegen die Z 3 der angefochtenen Bestimmungen geäußerten Bedenken ist die Antragstellerin darauf hinzuweisen, dass diese nicht als 'Sicherungsmittel zur Durchführung des Asylverfahrens', sondern vielmehr als Ergänzung zu den legistischen Maßnahmen zur Hintanhaltung von Folgeanträgen im Sinne des § 32 Abs 8 AsylG zu verstehen ist. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 34b Abs 1 Z 3 AsylG ist, dass gegen den Antrag einbringenden Asylwerber bereits eine rechtskräftige Ausweisung verhängt worden ist (ansonsten wäre sein neuer Antrag als Berufung zu werten), die nicht durchgesetzt werden könnte, weil der Asylwerber einen neuen Asylantrag gestellt hat.

Der Gesetzgeber hat sich hier bewusst für die abermalige Prüfung des Asylantrages entschieden, allerdings muss der Fremdenpolizeibehörde die Möglichkeit gegeben sein, die - sehr wahrscheinliche - Ausweisung des Asylwerbers im neuerlichen Verfahren durch Verhängung der Schubhaft zu sichern, wenn dies notwendig erscheint. Andernfalls wäre der Folgeantrag zwar de iure kein effektives Mittel zur Aufenthaltsverlängerung, aber de facto wäre es dem Folgeantragsteller ein Leichtes, sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde bis zur abermaligen Durchsetzbarkeit der Ausweisung zu entziehen. Dem Asylwerber kommt eben der faktische Abschiebungsschutz gemäß § 19 Abs 1 AsylG zugute, wonach er weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden kann; seine Ausweisung aus dem ersten Verfahren könnte auch während des 'Folgeverfahrens' nicht durchgesetzt werden."

Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 34b Abs 1 Z 3 sei die rechtskräftige Zurückweisung des Antrages im Zulassungsverfahren oder die rechtskräftig negative Entscheidung über den Antrag. Auch diese Bestimmung sei daher vor dem Hintergrund der Regelung des Zulassungsverfahrens in der Erstaufnahmestelle nach § 24a zu sehen. Wie auch im Fall der Z 1 sei hier im Fall der Zurückweisung oder Abweisung gemäß § 24a Abs 7 AsylG vorgesehen, dass in diesen Fällen der faktische Abschiebeschutz endet.

Die in § 34b Abs 1 Z 1 und 3 enthaltene Ermächtigung zur Anordnung der Schubhaft stelle sich daher als ein Mittel der Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung, und nicht als ein Mittel der Sicherung des Asylverfahrens dar. Im Erk. VfSlg. 13.300/1992 (zum damals bereits außer Kraft getretenen § 6 Abs 1 AsylG 1968) habe der Verfassungsgerichtshof eine angeordnete Verpflichtung zum Aufenthalt in der Überprüfungsstation Traiskirchen als im Widerspruch zu Art 2 Abs 1 Z 7 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit bzw. Art 5 Abs 1 litf EMRK stehend erachtet. Der Verfassungsgerichtshof habe dies damit begründet, dass die freiheitsentziehende Verpflichtung zum Aufenthalt in der Überprüfungsstation ausschließlich zum Zweck der Feststellung des - für die Entscheidung über den Asylantrag - maßgebenden Sachverhaltes ausgesprochen würde, also nicht etwa dazu, um die Außerlandschaffung des Fremden für den Fall der Abweisung des Asylantrages zu sichern. Da eben diese Sicherung der Außerlandesschaffung für den Fall der Ab- bzw. Zurückweisung des Antrages sichergestellt werden sollte, liege nach Ansicht der Bundesregierung der von der antragstellenden Landesregierung vorgebrachte Verstoß gegen Art 2 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit bzw. Art 5 EMRK nicht vor, da zu diesen Zwecken die persönliche Freiheit entzogen werden dürfe.

9.5. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

Zu den Bedenken der Wiener Landesregierung führt die Bundesregierung - wie bereits zu den Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung - aus, dass mit der Schaffung des § 34b AsylG ermöglicht werde, "Asylwerber vor Zulassung des Verfahrens vom Anwendungsbereich des § 61 Fremdengesetz 1997 auszunehmen, selbst wenn klar ist, dass dem Asylwerber kein Asyl zuerkannt werden und sein Verfahren mit einer Ausweisung enden wird". Asylwerber würden im Hinblick auf die Schubhaftbestimmungen entsprechend informiert. In wortgleichen Ausführungen wird die Zumutbarkeit, während des nur 20 Tage dauernden Zulassungsverfahrens dem Bundesasylamt - bei ohnedies ansonsten bestehender Bewegungsfreiheit - zur Verfügung zu stehen, sowie der Zweck der angefochtenen Bestimmung als Mittel zur Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung hervorgehoben und der Zusammenhang mit § 30 AsylG betont.

Anschließend führt die Bundesregierung aus:

"Zu dem von der Antragstellerin [...] vorgebrachten Hinweis auf Asylanträge kosovarischer Staatsangehöriger ist aus der Sicht der Bundesregierung zu entgegnen, dass in den damaligen Fällen ein Großteil der Verfahren noch anhängig war, weshalb auch nicht von 'Folgeanträgen' in diesem Zusammenhang gesprochen werden kann.

Die Regelung des § 34b Abs 1 Z 3 AsylG 1997 hatte auch nicht den 'refugie sur place' im Auge, sondern enthält eine Regelung betreffend Fremde, die nach erfolgter Ab- oder Zurückweisung eines Asylantrages - vor oder während der Effektuierung der Ausweisung - einen neuerlichen Asylantrag stellen. Dieser Antrag soll zwar materiell geprüft werden, jedoch erscheint es erforderlich, die Betroffenen in Schubhaft nehmen zu können, um eine eventuell nach negativer Entscheidung im zweiten Verfahren zu effektuierende Ausweisung zu sichern. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der angefochtenen Bestimmung um eine 'Kann-Bestimmung' handelt und die Fremdenpolizeibehörden von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes und eines verfassungskonformen Vollzugs Gebrauch machen müssen. Ist aufgrund der entscheidungsrelevanten Umstände klar, dass sich diese Umstände geändert haben, ist § 34b Abs 1 Z 3 nicht anzuwenden."

9.6. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

Die jeweiligen Hauptanträge der beiden antragstellenden Landesregierungen, sowohl Z 1 als auch Z 3 des § 34b Abs 1 AsylG aufzuheben, sind zulässig. Aus den Ausführungen der beiden antragstellenden Landesregierungen geht klar hervor, dass sie die Eventualanträge nur für den Fall stellen, dass der Verfassungsgerichtshof ihre Bedenken zu einer der beiden Ziffern nicht teilt. Der Meinung der Bundesregierung, es sei nicht ersichtlich, welcher Antrag jeweils als Primärantrag zu werten sei, kann nicht gefolgt werden.

9.7. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs in der Sache

9.7.1. Zu § 34b Abs 1 Z 1 AsylG

Gegen § 34b Abs 1 Z 1 AsylG werden drei Bedenken vorgebracht:

Der nach dem Gesetz gebotene Aufenthalt in der Erstaufnahmestelle und die Verhängung der Schubhaft bei ungerechtfertigtem Entfernen aus der Erstaufnahmestelle widerspreche dem BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) und Art 5 EMRK, der Begriff "ungerechtfertigtes Entfernen" sei zu unbestimmt, und die Schubhaftverhängung verletze unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

In ihrer Äußerung vermeint die Bundesregierung zunächst, dass es dem Asylwerber zumutbar sei, "während des Zulassungsverfahrens dem Bundesasylamt zur Verfügung zu stehen, da das Zulassungsverfahren nur eine zeitlich beschränkte Zeit (20 Tage) dauert." Die angefochtene Norm diene der Sicherung der Ausweisung nach negativem Abschluss des Verfahrens. In der mündlichen Verhandlung wurde diese Meinung präzisiert, indem der Vertreter der Bundesregierung ausführte, dass Asylwerber in der Erstaufnahmestelle nicht angehalten würden, sondern sich lediglich für die Führung des Verfahrens mitwirkend bereithalten müssten (Niederschrift der Verhandlung vom , S 25 f.).

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits erkannt, dass eine generelle Pflicht zum Aufenthalt in einem "als Überprüfungsstation eingerichteten Teil" eines Flüchtlingslagers während eines laufenden Verfahrens eine freiheitsentziehende Maßnahme wäre, auch wenn dort ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit bestünde (VfSlg. 13.300/1992 betreffend den Aufenthalt im Lager Traiskirchen während des laufenden Asylverfahrens; vgl. ferner EGMR , EuGRZ 1983, 633 - Guzzardi gegen Italien, in dem der EGMR erkannte, dass der erzwungene Aufenthalt auf einem 2,5 km2 großen Bereich einer Insel als Freiheitsentzug zu werten sei).

Hingegen ist ein verpflichtender Aufenthalt bloß während der Mitwirkung am Verfahren keine freiheitsentziehende Maßnahme. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur nicht jede Beschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit, wie zB bei der Mitwirkung an einem Verfahren, schon als Freiheitsentzug gewertet. Nur eine qualifizierte Beschränkung der Bewegungsfreiheit greift in das Grundrecht ein, wie etwa Verhaftungen, Inverwahrnahmen oder Konfinierungen (vgl. VfSlg. 8815/1980, 9917/1984, 9983/1984, 10.378/1985, 15.465/1999 uva.). Es fällt jedenfalls in den Schutzbereich des Grundrechtes, wenn im Wege des Zwanges, persönliche Ortsveränderungen entweder überhaupt unterbunden oder auf bestimmte, nach allen Seiten hin begrenzte Örtlichkeiten oder Gebiete eingeschränkt werden (zur früheren Rechtslage VfSlg. 3447/1958, 7149/1973, 7361/1974, 10.378/1985, 10.546/1985 ua. und zum PersFrG VfSlg. 15.046/1997, 15.465/1999 ua.).



Es ist den antragstellenden Landesregierungen zuzugestehen, dass die Formulierung des § 34b Abs 1 Z 1 AsylG den Eindruck erwecken kann, ein Asylwerber habe sich ständig in der Erstaufnahmestelle aufzuhalten. Aus § 30 Abs 1 zweiter Satz AsylG ergibt sich jedoch ein anderes Bild: Demnach ist das Entfernen aus der Erstaufnahmestelle dann ungerechtfertigt, "wenn der Asylwerber trotz Aufforderung zu den ihm vom Bundesasylamt gesetzten Terminen nicht kommt". Somit ist der zwangsweise Aufenthalt in der Erstaufnahmestelle nur für den Fall vorgesehen, dass der Asylwerber für eine ihm rechtzeitig bekannt gegebene angemessene Zeitspanne, etwa für eine Einvernahme oder ärztliche Untersuchung udgl., persönlich benötigt wird. Der zwangsweise Aufenthalt in der Erstaufnahmestelle ist also auf Fälle der Mitwirkung am Verfahren beschränkt. Solche Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sind aber - wie oben ausgeführt - keine freiheitsbeschränkenden Maßnahmen iSd Art 5 EMRK bzw. Art 2 PersFrG. Da das Verlassen der Erstaufnahmestelle zu anderen Zeiträumen gerechtfertigt ist, kann dies in rechtlich zulässiger Weise auch zu keiner Verhängung der Schubhaft führen.

Es bleibt daher zu untersuchen, ob die Wortfolge in § 34b Abs 1 Z 1 "ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt" iZm § 30 Abs 1 AsylG unbestimmt ist und daher gegen Art 18 B-VG verstößt sowie ob die Verhängung der Schubhaft bei Versäumung von Terminen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht.

§ 34b Abs 1 Z 1 ist iVm § 30 Abs 1 AsylG zu lesen. Durch § 30 Abs 1 AsylG wird zunächst der Zeitraum, während dessen sich der Asylwerber in der Erstaufnahmestelle zu befinden hat, auf die Dauer der Mitwirkung am Verfahren eingeschränkt. Der letzte Satz des § 30 Abs 1 AsylG nennt als Beispiel (arg.: "jedenfalls") für eine Rechtfertigung den Krankenhausaufenthalt und lässt damit erkennen, dass als Rechtfertigungsgrund alle Umstände gelten, denen sich der Asylwerber vernünftiger Weise nicht entziehen kann bzw. die ihm nicht subjektiv vorwerfbar sind. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR XXII. GP, 19) wird auch darauf hingewiesen, dass "eine

kurze Verspätung des Asylwerbers am Beginn einer Einvernahme ... noch

kein ungerechtfertigtes Entfernen" von der Erstaufnahmestelle ist (vgl. auch § 26 AsylG, demzufolge das vom Bundesminister für Inneres aufzulegende Merkblatt über die den Asylwerbern obliegenden Pflichten auch einen Hinweis auf die Rechtsfolge nach § 34b AsylG zu enthalten hat). Aus der Verwendung des Plurals beim Wort "Terminen" ergibt sich ferner, dass nicht das erstmalige Fernbleiben von einem Termin bereits zur Verhängung der Schubhaft führt (vgl. Muzak, Verfahrensrechtliche Fragen der AsylG-Nov 2003 [Teil 2], migralex 2004, 15 [16]).

Weiters sieht § 34b Abs 1 AsylG bei Erfüllung des Tatbestandes der Z 1 die Verhängung der Schubhaft nicht zwingend vor, sondern lässt der Behörde durch das Wort "kann" ein Ermessen, wobei als Ziel der Schubhaftverhängung im Einleitungssatz des § 34b Abs 1 die "Sicherung der Ausweisung und Abschiebung" angegeben ist. Bei gesetzmäßiger Ausübung dieses Ermessens muss aus den Umständen der Nichtmitwirkung an einer Verfahrenshandlung die Absicht des Asylwerbers zu erkennen sein, die mögliche Ausweisung verhindern oder verzögern zu wollen. Eine Zusammenschau der genannten Bestimmungen zeigt also, dass nicht jedes ungerechtfertigte Entfernen zur Inhaftierung führt, sondern nur die Weigerung an der Mitwirkung mit der Absicht, die mögliche Abschiebung zu verhindern oder zu verzögern. Eine solche Auslegung lässt aber § 34b Abs 1 Z 1 doch als ausreichend bestimmt erscheinen.

Im Rahmen des Ermessens ist auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. § 34b Abs 1 Z 1 AsylG ist somit nicht verfassungswidrig, so dass die Anträge abzuweisen waren. Auf die von den Parteien in der Verhandlung behandelte Frage, ob es gegen die Verfahrenseinstellung bei ungerechtfertigter Entfernung aus der Erstaufnahmestelle effektive Rechtsschutzmöglichkeiten gibt (Niederschrift der Verhandlung vom , S 22 ff.), war nicht einzugehen, da kein Antrag auf Aufhebung des § 30 Abs 1 AsylG gestellt wurde.

9.7.2. Zu § 34b Abs 1 Z 3 AsylG

Nach dieser Bestimmung genügt die bloße Stellung eines Folgeantrages zur Inhaftierung. Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass sich in der Stellung eines Folgeantrages nach einer rechtskräftigen Zurückweisungsentscheidung im Zulassungsverfahren oder nach rechtskräftig negativer Asylentscheidung bereits die Absicht des Asylwerbers manifestiert, nicht das Land verlassen zu wollen. Die antragstellenden Landesregierungen wenden dagegen ein, dass es Fälle gibt, in denen auf Grund der Änderung von Umständen ein Folgeantrag durchaus Aussicht auf Erfolg haben könnte.

Folgende Arten von Folgeanträgen sind nach dem AsylG zu unterscheiden:

* Anträge während des Berufungsverfahrens, die als
Berufungsergänzung zu werten sind (§23 Abs 5 AsylG);

* Anträge, die ohne Änderung der Sach- und Rechtslage gestellt werden und daher wegen res iudicata

zurückzuweisen sind, wobei hinsichtlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach § 32 Abs 8 AsylG danach zu differenzieren ist, ob die rechtskräftige Entscheidung über den Vorantrag weniger als 12 Monate zurückliegt oder nicht. Nur in ersterem Fall hat die Berufung keinesfalls aufschiebende Wirkung;

* Anträge, die nach Änderung der Sach- oder Rechtslage gestellt werden und daher zulässig sind.

Der Gesetzgeber lässt also selbst erkennen, dass er davon ausgeht, dass Folgeanträge bei Änderung der Sach- oder Rechtslage erfolgreich sein können.

§ 34b Abs 1 Z 3 AsylG unterscheidet hingegen nicht zwischen evident unzulässigen Folgeanträgen und solchen, die ein Asylwerber auf Grund der Änderung der Sach- oder Rechtslage mit Erfolgsaussichten stellt, bei denen also die Antragstellung nicht erkennen lässt, dass der Asylwerber beabsichtigt, sich nicht rechtstreu zu verhalten. Dennoch kann der Antragsteller in Schubhaft kommen. Das berechtigte Anliegen des Gesetzgebers, Missbräuchen in Form wiederholter Antragstellung bei gleicher Sach- und Rechtslage entgegenzuwirken, ist somit überschießend ausgestaltet und daher verfassungswidrig.

§ 34b Abs 1 Z 3 war daher als dem Rechtsstaatsprinzip widersprechend aufzuheben.

10. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit von § 1 Abs 3,§ 2 Abs 2 Z 6,§ 13a und § 16 Abs 11 BBetrG (Ausschluss von Rechtsansprüchen; zeitlicher Anwendungsbereich)

10.1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung

Die oberösterreichische Landesregierung beantragte die Aufhebung des § 1 Abs 3 und die Wortfolge "und Abs 3" in § 13a BBetrG, ferner die Wortfolge "und Abs 2 und § 2a" in § 13a BBetrG sowie (zunächst) § 2 Abs 2 Z 7, 8 und 9 BBetrG.

Mit dem am beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz zog die oberösterreichische Landesregierung unter Hinweis auf die Novelle BGBl. I Nr. 32/2004 den Antrag auf Aufhebung des § 2 Abs 2 Z 7, 8 und 9 BBetrG mit der Begründung zurück, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes diese Bestimmungen nicht mehr in Geltung stehen würden und damit auch nicht mehr Gegenstand eines Antrages einer Landesregierung sein könnten. Da jedoch die Regelung der ehemaligen Z 9 des § 2 Abs 2 BBetrG im Gegensatz zu den Z 7 und Z 8 nicht ersatzlos aufgehoben worden sei, sondern - wenn auch mit neuer Ziffernbezeichnung - inhaltlich unverändert im Rechtsbestand des BBetrG verblieben sei, stellte die oberösterreichische Landesregierung gleichzeitig den Antrag, diese nunmehr als § 2 Abs 2 Z 6 BBetrG in Kraft befindliche Bestimmung in der novellierten Fassung als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Anfechtung des gesamten Abs 3 des § 1 BBetrG begründet die oberösterreichische Landesregierung unter Hinweis auf die Erk. VfSlg. 8461/1978 und 14.944/1997 damit, dass nur der gesamte Absatz den engstmöglichen Teil des Gesetzes darstelle und dieser mit der Anfechtung einer bloßen Wortfolge dieses Absatzes nicht erfasst werden könne. Die Einbeziehung auch der Wortfolge "und Abs 3" des § 13a BBetrG sei erforderlich, weil die alleinige Anfechtung und Aufhebung des § 1 Abs 3 BBetrG die genannte Wortfolge im § 13a BBetrG als einen "legislativen Torso" zurückließe.

Da die Wortfolge "und Abs 2 und § 2a" in § 13a BBetrG die Ausdehnung der authentischen Interpretation auch auf die in § 2 Abs 2 und § 2a enthaltenen Ausschlussgründe für die Aufnahme in die Bundesbetreuung bewirke und durch die authentische Interpretation auch dieser Bestimmungen iZm § 1 Abs 3 und der Wortfolge "und Abs 3" in § 13a BBetrG ein Verfassungsverstoß bewirkt werde, sei auch diese Wortfolge des § 13a BBetrG in den Anfechtungsumfang einzubeziehen.

Nach Auffassung der oberösterreichischen Landesregierung verfolgt der Gesetzgeber mit der in § 1 Abs 3 iVm § 13a BBetrG vorgenommenen authentischen Interpretation das Ziel, das vom Obersten Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom , 1 Ob 272/02k und vom , 9 Ob 71/03m, festgestellte Bestehen von Rückersatzansprüchen von jedermann, der die Betreuung von rechtswidrig nicht in Bundesbetreuung aufgenommenen Asylwerbern übernommen hat, rückwirkend - mit Ausnahme von Verfahren, die am gegen die Republik Österreich gerichtsanhängig sind - wieder zu beseitigen. Durch diese Bestimmungen erfolge jedoch ein massiver verfassungswidriger Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG und Art 1 des 1. ZPEMRK, der auch den Gleichheitsgrundsatz nach Art 7 B-VG und Art 2 StGG verletze.

Nach Darstellung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Eigentumsbegriff sowie zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Eigentumseingriffen hält die oberösterreichische Landesregierung für nicht nachvollziehbar, warum ein rückwirkender Ausschluss von Ersatzforderungen, die ihre Grundlage in einem Selbstbindungsgesetz hätten, im nachweislichen öffentlichen Interesse liegen solle, nachdem selbst der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen festgestellt habe, dass selbstverständlich ein Rechtsanspruch auf derartige Ersatzforderungen bestehe. Die angefochtenen Bestimmungen des BBetrG würden aber jedenfalls gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffs verstoßen:

"Es ist wohl kein härterer, massiverer und somit auch unverhältnismäßigerer Eingriff in den Eigentumsschutz denkbar als eine rückwirkend vorgenommene gesetzliche Vernichtung von Rückforderungsansprüchen, deren generelles Bestehen auch vom OGH in seinen Entscheidungen in eindeutiger Weise bestätigt wurde. Sämtlichen aufgezeigten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs lagen - im Vergleich zu den mit den §§1 Abs 3 und 13a Bundesbetreuungsgesetz vorgenommenen gesetzlichen Eingriffen in das Eigentumsrecht - weit weniger gravierende Einschränkungen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen zu Grunde, die jedoch der Verfassungsgerichtshof in allen Fällen als bereits zu weitgehende und damit nicht mehr verhältnismäßige Eingriffe in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums erkannt hat. Die Ausführungen im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (253 BlgNR XXII. GP, S. 4 ff) vermögen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht schon deshalb nicht zu widerlegen, weil sie diesbezüglich keinerlei Aussagen enthalten."

Das im Ausschussbericht (253 BlgNR XXII. GP, 4 ff.) zur Untermauerung der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Regelungen herangezogene Erk. VfSlg. 15.231/1998 erachtet die oberösterreichische Landesregierung als nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Im zitierten Erkenntnis sei die rückwirkende Änderung des Gesetzes vor allem deshalb als mit dem Vertrauensschutz und damit dem Gleichheitsgrundsatz konform gesehen worden, weil dieser eine Änderung oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu Grunde lag. Beim nunmehrigen rückwirkenden Ausschluss von Rückforderungsansprüchen im BBetrG liege jedoch keine Änderung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor, die den gesetzgeberischen Eingriff sachlich zu rechtfertigen vermöge. Vielmehr habe der Oberste Gerichtshof lediglich ausgesprochen, dass die Rechtslage auch bis zu seinen Entscheidungen nicht anders zu werten war. Im vorliegenden Fall könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen von vornherein nicht entstehen konnte.

"Darüber hinaus ist auch noch zu berücksichtigen, dass die Wortfolge 'und Abs 2 und § 2a' im § 13a Bundesbetreuungsgesetz bewirkt, dass (durch § 2 Abs 2 und § 2a Bundesbetreuungsgesetz) zahlreiche Ausschlusstatbestände aus der Bundesbetreuung geschaffen wurden, die ebenfalls gemäß § 13a Bundesbetreuungsgesetz rückwirkend anzuwenden sind. Dies vermehrt jedoch die Anwendungsfälle drastisch, in denen durch den Bund - im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage, also rückwirkend - Asylsuchende nunmehr 'rechtmäßig' aus der Bundesbetreuung ausgeschlossen wurden. Dies führt im vorliegenden Zusammenhang in weiterer Folge ebenfalls dazu, dass - im Verbund mit § 1 Abs 3 und der Wortfolge 'und Abs 3' im § 13a des Bundesbetreuungsgesetzes - die bereits ausgeführten Rückforderungsansprüche an den Bund in zahlreichen Fällen nicht mehr bestehen werden. Damit verstößt auch die Wortfolge 'und Abs 2 und § 2a' im § 13a Bundesbetreuungsgesetz - unter Verweis auf die dort bereits aufgezeigte Judikatur des Verfassungsgerichtshofs - gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie - wie insbesondere auch im folgenden Absatz aufgezeigt wird - auch gegen den sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ergebenden sogenannten 'Vertrauensschutz'.

In Anbetracht der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zum Vertrauensschutz (vgl. insbesondere die weiteren Judikaturhinweise im Erkenntnis VfSlg. 15.231/1998 sowie z. B. VfSlg. 13.896/1994, 15.523/1999 und 16.381/2001) wird - insbesondere in Anbetracht der bereits aufgezeigten gravierenden Schwere des mit den angefochtenen Bestimmungen verbundenen Eingriffs - durch die bekämpften Bestimmungen des Bundesbetreuungsgesetzes vielmehr sehr wohl eine Verletzung des Vertrauensschutzes und somit eine Verletzung des verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art 7 B-VG und Art 2 StGG bewirkt. Dem vermögen auch die im zitierten Ausschussbericht angeführten Gründe, die einen derart gravierenden Eingriff rechtfertigen sollen, nichts Adäquates entgegenzusetzen: Im Gegensatz zu den dort getätigten Ausführungen bedeutet die Rechtsprechung des OGH keineswegs eine 'Quelle für massive Rechtsunsicherheit', wird durch die zitierten Entscheidungen des OGH doch genau im Gegenteil eine allenfalls noch bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Auch die Ausführungen, dass es zu 'Belastungen des Staatshaushaltes in unabsehbarem Ausmaß' kommen könnte, sind allein schon auf Grund ihrer Unbestimmtheit nicht geeignet, derart gravierende Eingriffe, wie sie die angefochtenen Bestimmungen des Bundesbetreuungsgesetzes bewirken, rechtfertigen zu können."

Zur begehrten Aufhebung des § 2 Abs 2 Z 6 zur Gänze führt die oberösterreichische Landesregierung aus, dass die angefochtene Bestimmung nicht ermögliche, die behauptete Verfassungswidrigkeit durch die Anfechtung bloß einer Wortfolge beheben zu können.

Nach Wiedergabe der Erläuterungen zu § 2 Abs 2 BBetrG und Darstellung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu dem aus Art 18 B-VG abgeleiteten Gebot der ausreichenden Determinierung gesetzlicher Bestimmungen vertritt die oberösterreichische Landesregierung die Auffassung, dass § 2 Abs 2 Z 6 BBetrG gegen diese verfassungsrechtlichen Anforderungen verstoßen. Dann wird ausgeführt:

"Der gesetzlich normierte Ausschlusstatbestand aus der Bundesbetreuung für Asylwerber, die in der Unterkunft 'ein für die anderen Mitbewohner unzumutbares Verhalten' an den Tag legen, ist im Sinn der aufgezeigten Judikatur keinesfalls soweit bestimmbar, dass der Asylwerber sein Verhalten danach einrichten kann, da für den Rechtsunterworfenen völlig im Dunkeln bleibt, was unter 'unzumutbarem Verhalten' zu verstehen sein soll, insbesondere wenn man darüber hinaus auch die Tatsache berücksichtigt, dass im Zuge einer derartigen Unterkunft im Regelfall Asylwerber aus teilweise völlig verschiedenen - und vor allem auch von unserem eigenen unterschiedlichen - Kulturkreisen aufeinander treffen, für die sich die 'Zumutbarkeit' eines Verhaltens oft vollkommen unterschiedlich darstellen wird; auch die zitierten Erläuterungen vermögen diesbezüglich keine ausreichende Klarheit zu schaffen. Darüber hinaus würde gerade der äußerst sensible Bereich des Asylrechts und des Bundesbetreuungsrechts im Sinn der aufgezeigten ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs einen entsprechenden Determinierungsgrad der jeweiligen Regelung erfordern, der im Fall des § 2 Abs 2 Z. 6 Bundesbetreuungsgesetz keinesfalls 'adäquat' ist. Letztlich ist - gemäß der zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. insbesondere z.B. VfSlg. 13.816/1994) - eine mangelnde Determinierung der im § 2 Abs 2 Z. 6 Bundesbetreuungsgesetz verwendeten Formulierung des 'für andere Mitbewohner unzumutbaren Verhaltens' auch bereits auf Grund der einschneidenden Folgen, die die Anwendung dieser Bestimmung nach sich zieht, gegeben, da diese Folgen in dem - für Asylwerber fatalen - Ausschluss aus der Bundesbetreuung liegen, sodass im vorliegenden Fall des § 2 Abs 2 Z. 6 Bundesbetreuungsgesetz an die gemäß Art 18 B-VG geforderte Determinierung besonders hohe Ansprüche zu stellen sind.

Eine Gesamtbetrachtung des § 2 Abs 2 Z. 6 Bundesbetreuungsgesetz und des darin geregelten Ausschlusses aus der Bundesbetreuung, wenn der Asylwerber 'ein für die anderen Mitbewohner unzumutbares Verhalten' an den Tag legt, unter Beachtung der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ergibt daher, dass diese Bestimmung mit dem sich aus Art 18 B-VG ergebenden Erfordernis der ausreichenden Determinierung von Rechtsvorschriften nicht im Einklang steht."

Darüber hinaus stehe die angefochtene Regelung auch mit der Aufnahme-RL in einem Spannungsverhältnis. Deren Art 16 sehe bestimmte Möglichkeiten der Einschränkung oder des Entzugs der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile vor, die jedoch den in der Z 6 des § 2 Abs 2 BBetrG normierten Fall nicht umfassen, sodass also ein Ausschluss aus der Bundesbetreuung auch nicht im Einklang mit der angeführten Richtlinie stehe. Die genannte Richtlinie sei zwar gemäß Art 26 Abs 1 von den Mitgliedstaaten erst mit umzusetzen, es dürfe jedoch dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass während der Fristen bis zum In-Kraft-Treten einer Richtlinie von den Mitgliedstaaten keine Vorschriften erlassen werden dürften, die geeignet seien, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels bei Ablauf der Umsetzungsfrist ernstlich in Frage zu stellen.

"In diesem Zusammenhang ist weiters zwar ebenfalls zu konzedieren, dass mit Artikel II des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2004 eine - mit in Kraft tretende - umfassende Neugestaltung des Bundesbetreuungsgesetzes vorgenommen wird, in deren Folge auch die nunmehr angefochtene Bestimmung des § 2 Abs 2 Z. 6 nicht mehr im Bundesbetreuungsgesetz enthalten sein wird. Die im Rahmen des bereits zitierten Abänderungsantrags erstellten Erläuterungen halten diesbezüglich fest, dass durch die mit Artikel II vorgenommene

Novelle '... die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom

zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden soll'. Das damit eindeutig zum Ausdruck kommende Wissen des Bundesgesetzgebers um die Erforderlichkeit der Umsetzung und der Beachtung der genannten Richtlinie verstärkt jedoch lediglich die geschilderte Problematik, wenn - trotz der aufgezeigten Tatsache, dass während der Fristen bis zum In-Kraft-Treten einer Richtlinie von den Mitgliedstaaten keine Vorschriften erlassen werden dürfen, 'die geeignet sind, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels bei Ablauf der Umsetzungsfrist ernstlich in Frage zu stellen' - der Bundesgesetzgeber eine dieser Richtlinie widersprechende Regelung im Rahmen der durch Artikel I des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2004 erfolgten Novellierung nach wie vor im Rechtsbestand des Bundesbetreuungsgesetzes belässt."

10.2. Der Antrag der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung beantragte die Aufhebung des gesamten § 13a BBetrG, eventualiter die Wendung "und Abs 3" in § 13a BBetrG und stellte unter Bezugnahme auf die Novellierung durch BG BGBl. I Nr. 32/2004 mit Eingabe vom einen ergänzenden Antrag, eventualiter § 13a und § 16 Abs 11 BBetrG idF BGBl. I Nr. 101/2003 sowie 32/2004 als verfassungswidrig aufzuheben. Sie begründet diesen zweiten Eventualantrag damit, dass § 13a durch die Novellierung nicht geändert worden sei, § 16 Abs 11 jedoch auf die angefochtene Bestimmung Bezug nehme und im Falle der Aufhebung von § 13a gegenstandslos sei, weshalb die Auffassung eines untrennbaren Zusammenhanges zwischen den beiden Bestimmungen vertretbar sei.

Die Wiener Landesregierung begründet den Primärantrag damit, dass § 13a insgesamt das System der Ansprüche nach dem BBetrG regle und daher eine Einheit bilde. Es sei der weniger weitgehende Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, § 13a BBetrG zur Gänze aufzuheben und damit dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, im Rahmen einer verfassungskonformen Neuregelung das System ab einem verfassungsrechtlich zulässigen Zeitpunkt neu zu gestalten. Für den Fall, dass die rückwirkende Neubestimmung der durch das BBetrG eingeräumten Ansprüche verfassungskonform sei und nur der rückwirkende Ausschluss jeglichen Anspruchs gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot bzw. gegen Art 1 des 1. ZPEMRK iVm Art 5 StGG verstoße, wird der Eventualantrag gestellt, nur die Wendung "und Abs 3" in § 13a aufzuheben. Diesfalls würde weiterhin ein Anspruch iSd Rechtsprechung nach Maßgabe der neu gefassten Bestimmungen der §§1, 2 und 2a BBetrG bestehen.

Die Wiener Landesregierung stellt zunächst die Rechtslage vor Inkrafttreten des angefochtenen § 13a BBetrG und die zu dieser Rechtslage ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom , 1 Ob 272/02k und vom , 9 Ob 71/03m dar. Nach Erörterung des Inhalts des § 8 ABGB folgert die Wiener Landesregierung, dass der Gesetzgeber mit der rückwirkenden Anordnung den normativen Inhalt der §§1 und 2 BBetrG klarstellen wollte, dass Asylwerbern kein bei den ordentlichen Gerichten einklagbarer Anspruch auf Bundesbetreuung zukomme, wenn die "Kriterien" für die Aufnahme in die Bundesbetreuung bzw. den Verbleib in der Bundesbetreuung nicht erfüllt seien. Damit "korrigiere" der Gesetzgeber auch rückwirkend den Inhalt des § 1 BBetrG, wie ihn der Oberste Gerichtshof vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 angenommen habe. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass der Oberste Gerichtshof beim Regress nach § 1042 ABGB von der langen Verjährungsfrist des § 1478 ABGB ausgegangen sei. In Wahrheit solle verhindert werden, dass Personen auf Grundlage der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nachträglich Ansprüche gegen den Bund geltend machen können.

Wie bereits die oberösterreichische Landesregierung sieht die Wiener Landesregierung in der angefochtenen Bestimmung ferner einen Verstoß gegen Art 1 der 1. ZPEMRK iVm Art 5 StGG sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 7 B-VG.

Ausgehend von der Annahme, dass privatrechtliche Rückforderungsansprüche auf Basis des BBetrG unter den Eigentumsbegriff des Art 1 der 1. ZPEMRK und des Art 5 StGG fallen, argumentiert die Wiener Landesregierung, dass für den (mit der angefochtenen Bestimmung erfolgten) Eingriff in das Eigentumsrecht - anhand der Gesetzesmaterialien - kein erkennbares öffentliches Interesse ersichtlich sei. Auch der im Ausschussbericht geäußerte Gedanke der "Belastung des Staatshaushaltes" stelle keine taugliche Begründungsgrundlage für einen solch massiven Eigentumseingriff dar, wenn man berücksichtige, dass Klagen gegen den Bund abgewendet werden sollen, jedoch bedenke, dass es der Gesetzgeber selbst gewesen sei, der diese Art von Regel erlassen habe, die der Oberste Gerichtshof in weiterer Folge einer bestimmten Auslegung zugeführt hat. Dann führt die Wiener Landesregierung aus:

"Zusätzlich ist basierend auf der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 14.174/1995 oder VfSlg. 14.679/1996) und der Rechtsprechung des EGMR (z.B. Fredin, ÖJZ 1991, 514 oder Aristomenis, EuGRZ 1999, 319) erforderlich, dass der hier in Rede stehende Eigentumseingriff nur dann auferlegt wird, wenn er Asylwerbern 'wirtschaftlich zumutbar', also verhältnismäßig ist. Bei Asylwerbern, die sich bekanntermaßen in sehr schwierigen Lebensumständen befinden, oft ihr Hab und Gut in ihrer Heimat zurücklassen mussten, trifft dies augenscheinlich geradezu typischerweise nicht zu; wird ein Asylwerber, der die vom Gesetzgeber statuierten Voraussetzungen erfüllt, sprichwörtlich 'auf die Straße gesetzt', kann nicht allen Ernstes vertreten werden, dass es für diese Person leistbar wäre, sich alternativ selbst zu versorgen. Es kann damit davon ausgegangen werden, dass in der Regel die Beseitigung dieser Ansprüche einen unverhältnismäßigen Eigentumseingriff für den Asylwerber darstellt.

Dazu kommt, dass durch die generelle Beseitigung derartiger Ansprüche durch § 13a Bundesbetreuungsgesetz eine individuelle Prüfung, ob die Rücknahme dieses Anspruchs wirtschaftlich zumutbar, mithin verhältnismäßig ist, grundsätzlich und generell ausgeschlossen wird. Der Gesetzgeber nimmt durch § 13a Bundesbetreuungsgesetz in der Fassung der Asylgesetznovelle 2003 Asylwerbern einen eigentumsgrundrechtlich geschützten Anspruch unabhängig und ungeachtet der individuellen Situation, in der sich der Asylwerber - oder die in der Folge anspruchsberechtigte Institution - befinden.

Insoweit verletzt § 13a Bundesbetreuungsgesetz auch die aus Art 1 1. ZPEMRK in Verbindung mit Art 5 StGG folgende eigentumsgrundrechtliche Kontinuitätsgewähr. Denn wenn der Gesetzgeber mit einer Regelung Ansprüche schafft - und dass er dies getan hat, zeigt die genannte Rechtsprechung des OGH -, dann kann er jedenfalls die bis zu einer Änderung dieser Gesetzeslage entstandenen und somit mit deren Entstehen eigentumsgrundrechtlich geschützten Ansprüche nur unter den Voraussetzungen zumindest einer Eigentumsbeschränkung wieder beseitigen. Diese liegen hier aber, wie gezeigt, nicht vor.

Durch den Verweis auf unter anderem § 1 Abs 3 des Bundesbetreuungsgesetzes verstößt § 13a Bundesbetreuungsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. I 101/2003 daher gegen Art 1 1. ZPEMRK und Art 5 StGG und ist somit verfassungswidrig."

§ 13a BBetrG verstoße aber auch insgesamt gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art 7 Abs 1 B-VG folgende Rückwirkungsverbot von Gesetzen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes seien rückwirkende Gesetzesänderungen, die die Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, im Lichte des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebotes nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Eine dieser Voraussetzungen erblickt die Wiener Landesregierung darin, dass überhaupt ein schützenswertes Vertrauen auf das Bestehen einer bestimmten Rechtsposition entstanden ist, was insb. davon abhänge, ob sich die entsprechende Rechtsposition mit hinreichender Klarheit aus der gesetzlichen Regelung ergeben habe. Unstrittigerweise hätten sich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die in seinen beiden zitierten Entscheidungen dargelegten Ansprüche und Rechtspositionen von Asylwerbern aus § 1 BBetrG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 ergeben. Ferner würden Lehre und Rechtsprechung wohl herrschend davon ausgehen, dass gesetzliche Regelungen im Lichte der Fiskalgeltung insb. des Gleichheitsgrundsatzes dahingehend zu verstehen seien, dass sie ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Gleichbehandlung der von privatwirtschaftlichen Maßnahmen einer Gebietskörperschaft Betroffenen statuieren. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, dass die oberstgerichtliche Judikatur völlig überraschend gekommen sei oder einer begründeten dogmatischen Grundlage entbehre. Sie bringe nur zum Ausdruck, was der Gesetzgeber des § 1 BBetrG in der alten Fassung als von ihm gewollt gegen sich gelten lassen müsse. Insoweit unterscheide sich die vorliegende Fallkonstellation auch grundlegend von jener, in der ein Höchstgericht durch eine Rechtsprechungsänderung einem bestehenden Gesetz einen nunmehr anderen Inhalt zumisst, als es ihn bislang auch nach der Rechtsprechung dieses Höchstgerichts gehabt hat. Das Erk. VfSlg. 15.231/1998 sei daher auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragbar.

Seit den beiden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes könne also davon ausgegangen werden, dass Asylwerber in ihrer Erwartungshaltung gestärkt wurden, bei Vorliegen der gesetzlich statuierten Voraussetzungen in Bundesbetreuung übernommen zu werden bzw. bei gesetzwidrigem Ausschluss von derselbigen die ihnen entstandenen Kosten ersetzt zu bekommen. Die nunmehrige "rückwirkende Beseitigung" der Ansprüche auf Basis des BBetrG verlaufe damit entgegengesetzt zur berechtigten Erwartungshaltung der Asylwerber auf eine bestimmte Rechtsposition und enttäusche somit die Normunterworfenen in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage. Dabei handle es sich auch um einen Eingriff von "erheblichem Gewicht", weil die Beseitigung dieser Ansprüche für Asylwerber oft und geradezu typischerweise eine schwerwiegende existentielle Einschränkung darstelle. Weiters führt die Wiener Landesregierung aus:

"Wenn der Gesetzgeber, wie hier in § 13a Bundesbetreuungsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. I 101/2003 geschehen, die Rechtsposition der Asylwerber bzw. der in der Folge anspruchsberechtigten Institutionen rückwirkend beseitigt, dann ist ein derartiger Eingriff von erheblichem Gewicht in ein berechtigtes Vertrauen auf die bestehende Rechtslage nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn besondere Umstände eine solche Rückwirkung verlangen (VfSlg. 12.186/1989, 14.149/1995). Wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls bereits mehrfach betont hat, ist für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Gesetzesänderungen die Gravität des Eingriffs sowie das Gewicht der für diesen Eingriff sprechenden Gründe maßgeblich (siehe zuletzt wiederum VfSlg. 15.231/1998).

Dass es sich vorliegend um einen Eingriff von erheblichem Gewicht handelt, wurde bereits dargelegt. Demgegenüber können keine nachhaltigen öffentlichen Interessen geltend gemacht werden, die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten in der Lage sind, diesen schwerwiegenden Eingriff zu rechtfertigen:

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass von einer 'Bedrohung des Staatshaushalts' - vergleiche den Hinweis auf 'Belastungen des Staatshaushaltes in unabsehbarem Ausmaß' in AB 253 BlgNR, 22. GP, 4 - im vorliegenden Zusammenhang nicht ernsthaft gesprochen werden kann. Dass der Staatshaushalt insgesamt durch die hier in Rede stehenden Ansprüche bedroht sein soll, entbehrt jeder sachlichen Begründung.

Dass allfällige Ansprüche, die aufgrund § 1 Bundesbetreuungsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. I 101/2003 bestanden haben (und nach einer allfälligen Aufhebung des § 13a Bundesbetreuungsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. I 101/2003 wieder bestehen würden) den Haushalt des Bundes in gewisser Weise belasten, liegt auf der Hand. Das tut jeder vermögenswerte Anspruch gegen den Bund. Gerade die gesetzliche Regelung des Bundesbetreuungsgesetzes zeigt aber, dass der Bund selbst mit diesen Ansprüchen rechnet. Von einer 'unvorhergesehenen' Belastung kann daher nicht die Rede sein. Und dass der Bund eben in der Frage, wem er im Hinblick auf die gebotene Gleichbehandlung diese Ansprüche zukommen lässt und wann und wer daher eine entsprechende Belastung des Bundeshaushalts auslöst, nicht völlig frei ist, hat der OGH zutreffend dargelegt und kann jedenfalls kein öffentliches Interesse begründen, sämtliche derartige - vom Bundesgesetzgeber ursprünglich zugestandene - Ansprüche überhaupt zu beseitigen.

Als Beitrag zu einer allfälligen Konsolidierung des Staatshaushaltes bzw. zu gebotenen Einsparungsmaßnahmen kann die Neuregelung des § 13a Bundesbetreuungsgesetz ebenfalls nicht in sachlich gerechtfertigter Weise gewertet werden. Denn es ist im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sachlich nicht zu rechtfertigen, derartige Maßnahmen punktuell nur einer kleinen Gruppe von Personen (hier den Asylwerbern) aufzuerlegen. Dazu kommt, dass sich die betroffene Personengruppe noch dazu typischerweise viel schwerer auf die Änderungen durch die enttäuschte Erwartungshaltung einstellen kann als andere. Insgesamt ist daher keine Rechtfertigung ersichtlich, die im Lichte der verfassungsgerichtlichen Judikatur die rückwirkende Neuregelung der Ansprüche aufgrund des § 1 Bundesbetreuungsgesetz rechtfertigen könnte.

Daher kann festgehalten werden, dass der rückwirkende Ausschluss bereits bestehender Rückanforderungsansprüche im Lichte der bisherigen Ausführungen nicht nur unsachlich ist, sondern auch nicht im öffentlichen Interesse erfolgte. Die vom Gesetzgeber in § 13a Bundesbetreuungsgesetz erlassene Wortfolge 'und Abs 3' verstößt aus den genannten Gründen gegen Art 1 1. ZPEMRK in Verbindung mit Art 5 StGG und ist daher verfassungswidrig."

Es stehe außer Streit, dass der Gesetzgeber zulässiger Weise die gesetzlichen Anordnungen ändern und insoweit auch die Rechtsprechung eines Höchstgerichts "korrigieren" könne. Dies sei geradezu Kern des demokratischen Prinzips und der Überordnung der Gesetzgebung über die Vollziehung. Der Gesetzgeber sei dabei aber an die Verfassung sowie an die aus dem Gleichheitsgrundsatz fließenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und damit auch die Grenzen rückwirkender gesetzlicher Regelungen gebunden. In VfSlg. 15.231/1998 zugrunde liegenden Konstellation habe der Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber bescheinigt, dass er in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die neue Auslegung des Gesetzes durch die Rechtsprechungsänderung und zwar insoweit auch "rückwirkend korrigieren" durfte, als er anordnete, dass das Gesetz den vor der Rechtsprechungsänderung angenommenen Inhalt haben soll. Aus dieser Konstellation sei allerdings nichts für die Frage zu gewinnen, ob der Gesetzgeber rückwirkend ein geschütztes Vertrauen auf eine gesetzliche Regelung beseitigen darf, wenn die höchstgerichtliche Rechtsprechung einen bestimmten Inhalt dieses Gesetzes, den das Höchstgericht dogmatisch aus diesem Gesetz ableitet, verändern darf. Dies sei nur in den Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung eines Gesetzes der Fall. Die hier vorliegende Fallkonstellation sei also mit einer Situation vergleichbar, in welcher der Gesetzgeber in der Konstellation des Erk. VfSlg. 15.231/1998 gesetzliche Ansprüche rückwirkend vom Beginn der Geltung des dort in Rede stehenden Gesetzes, also auch für jene Zeitperiode verändert hätte, die vor der Rechtsprechungsänderung des Obersten Gerichtshofes lagen. Das sei dem Gesetzgeber aber durch den aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Vertrauensschutz grundsätzlich verwehrt:

"Wollte man dem Gesetzgeber nämlich derartiges zugestehen, so könnte er in der Konsequenz jede Rechtsprechung eines Gerichts bzw. eines Höchstgerichts zum Anlass nehmen, das Gesetz rückwirkend von Anbeginn an zu ändern. Damit wäre aber gerade jenes rechtsstaatliche Vertrauen in die Geltung der Gesetze beseitigt, das das Rückwirkungsverbot des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes schützt. Dazu kommt, dass eine derartige Auffassung gerade auch die rechtsstaatliche Funktion höchstgerichtlicher Entscheidungen, Rechtssicherheit über den Inhalt gesetzlicher Regelungen herzustellen, vollständig unterlaufen würde.

Die Reaktion des demokratischen Gesetzgebers auf eine grundsätzliche Rechtsprechungsänderung - womit der Sache nach immer indiziert ist, dass Fälle durchaus zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung vorliegen - sind daher grundsätzlich von jenen Konstellationen zu unterscheiden, in denen die höchstgerichtliche Rechtsprechung den Inhalt gesetzlicher Bestimmungen solange klärt, bis der demokratische Gesetzgeber den Inhalt des Gesetzes ändert. Dies ist ihm aber rückwirkend eben nur in engen, im vorliegenden Fall nicht eingehaltenen Grenzen möglich."

10.3. Die Äußerung der Bundesregierung zur Zulässigkeit der Anträge

10.3.1. Zur Zulässigkeit des Antrages der oberösterreichischen Landesregierung

Die Bundesregierung bringt vor, dass aus den Ausführungen zur behaupteten Verletzung der Eigentumsfreiheit zwar "mittelbar [...] erschließbar" sei, "dass sich ihre Bedenken offenbar gegen § 1 Abs 3 iVm § 13a BBetrG wenden, in den maßgeblichen Passagen wird aber immer wieder nur auf die 'angefochtenen Bestimmungen des Bundesbetreuungsgesetzes' verwiesen". Da die oberösterreichische Landesregierung auch Teile des § 2 BBetrG anficht, gehe aus ihrem Vorbringen nicht hinreichend deutlich hervor, ob alle angefochtenen oder nur einzelne Regelungen des BBetrG gegen die Eigentumsfreiheit verstoßen.

10.3.2. Zur Zulässigkeit des Antrages der Wiener Landesregierung

In der Äußerung vom nimmt die Bundesregierung zur Zulässigkeit des Antrages der Wiener Landesregierung nicht Stellung, bestreitet hingegen in ihrer Äußerung vom die Zulässigkeit des ergänzenden Eventualantrages der Wiener Landesregierung vom .

Nach Auffassung der Bundesregierung scheint dieser Antrag hinsichtlich des § 13a zu wiederholen, was bereits ursprünglich als Hauptantrag begehrt worden war, und hinsichtlich des § 16 Abs 11 ein neues Begehren zu enthalten. Dazu sei festzuhalten, dass in diesem Vorbringen der Wiener Landesregierung nicht die Geltendmachung von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen erblickt werden könne. Weder werde dargelegt, gegen welche Norm des Verfassungsrechtes der Zusammenhalt der angefochtenen Bestimmungen verstoßen würde, noch würden allfällige Bedenken näher begründet. Vor dem Hintergrund der von ihr näher dargelegten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes insb. zu § 62 Abs 1 VfGG, wie zB VfSlg. 12.263/1990, gelangt die Bundesregierung zur Ansicht, dass der von der Wiener Landesregierung ergänzend gestellte und "den Zusammenhalt der beiden Normen nicht zum Ausdruck bringende" Eventualantrag zurückzuweisen sei. Abschließend meint die Bundesregierung:

"Sofern jedoch dieses Vorbringen im Sinne einer Konkretisierung des Umfanges der Anfechtung zu verstehen sein sollte, dass 'einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt (VfSlg. 13.964/1994)' bleibt die Wiener Landesregierung jeden Hinweis dafür schuldig, ob die unter 'Punkt 11 der Anfechtung vom ' geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken auch auf den Zusammenhalt der Regelungen der nunmehr angefochtenen Stellen des Bundesbetreuungsgesetzes zutreffen."

10.4. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung

Im Hinblick auf die von der oberösterreichischen Landesregierung behauptete Verletzung des Art 5 StGG und Art 1 des 1. ZPEMRK verweist die Bundesregierung zunächst auf die Erläuterungen zum Bundesbetreuungsgesetz 1991 (RV 158 BlgNR XX. GP, 5 und 7). Das historische, rein auf die Herbeiführung einer Selbstbindung gerichtete Verständnis des Gesetzgebers habe in verschiedenen höchstgerichtlichen Entscheidungen seine Entsprechung gefunden, wie zB ; und .

Mit seinen Entscheidungen , 1 Ob 272/02k, und , 9 Ob 71/03, habe der Oberste Gerichtshof jedoch festgestellt, dass Asylwerber, die die gesetzlichen Voraussetzungen zur Aufnahme in die Bundesbetreuung erfüllen, in diese aufzunehmen seien. An eine Nichtaufnahme seien zivilrechtliche Konsequenzen geknüpft worden. Nach Meinung des Obersten Gerichtshofes sei § 1 Abs 3 BBetrG nicht mehr als "das nach der herrschenden Auffassung gebotene Feigenblatt". Dann führt die Bundesregierung aus:

"Der Oberste Gerichtshof vertritt die Auffassung, die den rechtspolitischen Anliegen des historischen Gesetzgebers nicht entspricht, dass Dritte, die die Betreuung jener Asylwerber |bernommen haben, die entgegen der Bestimmungen der geltenden Fassung des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 nicht in die Bundesbetreuung aufgenommen oder aus dieser wieder entlassen wurden, trotz der Anrechnungsregel von § 2 Abs 1 Satz 2 des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. Nr. 405/1991 und gestützt auf § 1042 ABGB Ersatzansprüche gegen die Republik Österreich geltend machen können, und zwar rückwirkend für 30 Jahre.

Im Ausschussbericht zur gegenständlichen Novelle werden klar jene rechtspolitischen Überlegungen wiedergegeben, die den Gesetzgeber dazu veranlassten, zu den ursprünglichen Intentionen, die dem Bundesbetreuungsgesetz 1991 zugrundelagen, zurückzukehren (AB 253 BlgNR 22. GP, 4).

Legistisch wurde dabei das Instrument der authentischen Interpretation gewählt. Man versteht darunter die Anordnung einer Rechtsautorität, dass eine bestimmte, von ihr früher erlassene Vorschrift in einem bestimmten Sinn zu verstehen sei und zwar gleichgültig, ob sie erkenntnisgemäß in diesem Sinn verstanden werden könnte (siehe etwa Pisko, in: Klangs Kommentar I/1, 1933, 151f; Wolff, in: Klangs Kommentar² I/1, 109; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 82).

Der Gesetzgeber 2003 war dabei auch bemüht, die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer derartigen Regelung zu beachten, sowohl was die Kompetenz angeht, als auch, was die Grundrechte betrifft. So hat eine Regelung, die Rechtsansprüche einräumt, das verfassungsrechtliche Problem zu lösen, dass dem Bund im Bereich des Armenwesens keine Kompetenz zukommt. Der Gesetzgeber hat daher den Weg gewählt, die Regelungen des BBetrG weiterhin auf Art 17 B-VG zu stützen, aber im Gesetz hinreichend klarzustellen, dass der einfache Gesetzgeber selbstverständlich nicht jene - privatrechtlichen - Ansprüche berühren möchte, die sich im zivilrechtlichen Bereich durch die von den Gerichten entwickelte Fiskalgeltung des Gleichheitssatzes ergeben.

Gleichzeitig hatte der Gesetzgeber - wie gesagt - auch die grundrechtliche Dimension zu beachten. Dies wurde maßgeblich durch § 13a BBetrG erreicht, der anhängige Verfahren von der Rückwirkung ausnimmt. Aber auch der nunmehr neu geschaffene Kriterienkatalog ist wesentlich vom Anliegen getragen, taxativ und daher Rechtssicherheit schaffend, klarzustellen, welche Ausschlussgründe von der Bundesbetreuung als sachlich gerechtfertigt anzuerkennen sind und somit Fälle der Willkür in Zukunft auszuschließen.

Im Ausschussbericht erfolgte auch eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.231/1998, in dem der Verfassungsgerichtshof eine rückwirkende Regelung des Gesetzgebers als verfassungskonform qualifiziert hat."

Dem Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung, dass kein geeignetes Interesse an der rückwirkenden Regelung bestehe, hält die Bundesregierung entgegen, dass die Bundesverwaltung nach Vorliegen der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes "Ansprüchen in einem Umfang ausgesetzt gewesen wäre, die sie - bei allen Bemühungen um die Steigerung der Betreuungsplätze - (noch) nicht hätte erfüllen können". Schließlich seien angesichts der mangelnden diesbezüglichen Ausgestaltung des vom historischen Gesetzgeber ausschließlich auf "Innenwirkung" hin konzipierten BBetrG Personen in den Genuss von klagbaren Ansprüchen gegen die Republik Österreich gekommen, deren diesbezügliche Schutzwürdigkeit vom Gesetzgeber mit Nachdruck in Frage gestellt wird. Um diesen Konsequenzen, die sich aus der vom Obersten Gerichtshof in seinen jüngsten Entscheidungen entwickelten und in der rechtswissenschaftlichen Literatur keineswegs unbestrittenen Rechtsansicht ergeben hätten, gegenzusteuern, habe sich der Gesetzgeber entschlossen, durch eine umgehend vorgenommene authentische Interpretation Klarstellungen vorzunehmen und die zivilrechtlichen Dimensionen der Bundesbetreuung im BBetrG selbst einer umfassenden und zweifelsfreien Regelung zuzuführen. Dazu führt die Bundesregierung aus:

"Das öffentliche Interesse an einer derartigen Maßnahme des Gesetzgebers ist, wie schon aus den bisherigen Ausführungen hervorleuchtet, zunächst darin zu erblicken, dass es im Lichte der vom OGH entwickelten Rechtsansicht ohne sie nicht möglich war und ist, die angesichts der in den letzten Jahren dramatisch angestiegenen Zahl von Asylwerbern (noch) nicht ausreichenden Ressourcen, die in der Bundesbetreuung vorhanden sind, sinnvoll zu bewirtschaften, dh vornehmlich jenen Asylwerbern zukommen zu lassen, deren Schutzwürdigkeit die von anderen Asylwerbern (die etwa bloß aus asylfremden Motiven einen Asylantrag gestellt haben) beträchtlich übersteigt. Auch kann ein gewisses öffentliches Interesse an dieser rückwirkenden Klarstellung durch den Gesetzgeber durch Schaffung eines taxativen Kriterienkataloges darin erblickt werden, dass, wie bereits erwähnt, die vom OGH vertretene Rechtsansicht im rechtswissenschaftlichen Diskurs nicht unbestritten geblieben ist und durchaus eine nicht unerhebliche Anzahl von Prozessen über die Frage zu befürchten gewesen wäre, ob es in der Tat überhaupt keine anderen als die in der alten Fassung des BBetrG genannten Gründe gibt, die im Einzelfall einen Ausschluss aus der Bundesbetreuung sachlich gerechtfertig erscheinen lassen."

Zu der von der oberösterreichischen Landesregierung behaupteten Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erwidert die Bundesregierung, dass einerseits § 1 Abs 3 BBetrG idF vor der AsylG-Novelle 2003 ausnahmslos normiert habe, dass ein Rechtsanspruch auf Bundesbetreuung nicht bestehe. Andererseits sei diese Ansicht auch von der Rechtsprechung bis zu den beiden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes geteilt worden. Zur weiteren Begründung der Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahme verweist die Bundesregierung auf die folgenden Ausführungen im Hinblick auf den Gleichheitssatz.

Zu den Bedenken meint die Bundesregierung, dass der Gesetzgeber bei seinen Überlegungen vom Erk. VfSlg. 15.231/1998 ausgegangen und im Ausschussbericht eine eingehende Auseinandersetzung mit den sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Schlussfolgerungen erfolgt sei. Die oberösterreichische Landesregierung beschränke sich lediglich auf den Hinweis, dass - anders als bei dem dem Erk. VfSlg. 15.231/1998 zugrunde liegenden Sachverhalt - der verfahrensgegenständliche Anlass für die gesetzliche Änderung keine Änderung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gewesen sei. Die antragstellende Landesregierung übersehe dabei, dass der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis ganz generell die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für rückwirkende Gesetzesänderungen festgehalten habe. In der Folge führt die Bundesregierung aus:

"Die Bundesregierung hat oben bereits ausgeführt, dass das BBetrG schon in seiner Stammfassung - ausgehend von den damals maßgeblichen rechtspolitischen Überlegungen - einen ausdrücklichen und eindeutigen Wortlaut enthielt, dem zunächst auch in der Rechtsprechung der Höchstgerichte Rechnung getragen wurde.

Im Erkenntnis VfSlg. 15.231/1998 führt der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich aus, dass eine geänderte Rechtsprechung eines Höchstgerichts nicht sofort Vertrauensschutz in demselben Ausmaß beanspruchen kann, wie eine Maßnahme des Gesetzgebers. Und weiter:

'Dabei wird dem Gesetzgeber in der Frage der Rückwirkung seiner Maßnahme ein umso größerer rechtspolitischer Spielraum zuzubilligen sein, je näher diese Maßnahme zeitlich an die Rechtsprechungsänderung anschließt.'

Der Verfassungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis zwar keinen zeitlichen Rahmen vorgegeben, es ist aber darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber im Falle des Erkenntnisses zur Urlaubsquotierung rund 18 Monate nach dem ersten Urteil reagiert hat. Die Erfüllung der zeitlichen Voraussetzung liegt auch im vorliegenden Fall vor.

Die Bundesregierung geht daher im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung davon aus, dass der Vertrauensschutz in vergleichbaren Fällen nicht in jenem Ausmaß zur Geltendmachung einer Verfassungswidrigkeit herangezogen werden kann, wie wenn in bisher gesetzlich geregelte Rechtspositionen durch eine Maßnahme des Gesetzgebers eingegriffen würde.

Es ist daher schon aus diesem Grund ausgeschlossen, dass - auf Grund der dargestellten Tatsachen - bei Rechtsunterworfenen schützenswerte Vertrauenspositionen vorliegen könnten, die verletzt wurden, da eben auf das Bestehen eines Rechtsanspruchs bis zu den Entscheidungen durch den OGH im Jahre 2003 nicht vertraut werden konnte.

Schließlich ist dem Gesetzgeber zugute zu halten, dass er sich durch die Bezugnahme auf § 8 ABGB und eine dann noch im Plenum des NR vorgenommene Änderung der authentischen Interpretation bemüht hat, tatsächlich schutzwürdigem Vertrauen hinreichend Rechnung zu tragen: Durch die Bezugnahme auf § 8 ABGB ist sichergestellt, dass bereits erledigte, dh vor allem rechtskräftig entschiedene Angelegenheiten vom Anwendungsbereich der rückwirkenden Klarstellung der zivilrechtlichen Dimensionen der Bundesbetreuung ausgenommen bleiben. Und durch die im Plenum erfolgte Ausnahme der bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung anhängigen Verfahren wurde den nach Ansicht des EGMR bei authentischen Interpretationen zu berücksichtigenden Vorgaben des Art 6 EMRK Rechnung getragen (vgl. EGMR , 24846/94, Zielinski und Pradal und Gonzalez Others gg Frankreich sowie EGMR , 38703/97 Agoudimos und Cefallonian Sky Shipping Company gegen Griechenland).

Abgesehen vom Erkenntnis VfSlg. 15.231/1998 hatte der Verfassungsgerichtshof überdies bereits mehrfach Gelegenheit, Gesetze zu prüfen, mit denen der Gesetzgeber auf (höchst)gerichtliche Entscheidungen reagiert hat, die seinen rechtspolitischen Vorstellungen nicht entsprochen haben. Einleitend ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof in all diesen Fällen das Argument, dass eine Entscheidung eines Höchstgerichtes verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf die darin vertretene Rechtsauffassung erzeuge, verworfen und keine der geprüften Regelungen als verfassungswidrig aufgehoben hat. Der Verfassungsgerichtshof hat es in diesen Fällen grundsätzlich als zulässig erachtet, wenn der Gesetzgeber auf eine Entscheidung eines Gerichts reagiert und im Hinblick darauf die Rechtslage ändert. So hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 15.319/1998 eine Regelung des niederösterreichischen Krankenanstaltengesetzes, mit der der Gesetzgeber auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes reagierte, als verfassungskonform erklärt. Auch in Bezug auf eine Regelung des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000 betreffend die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, mit der der Gesetzgeber auf das Urteil des EuGH in der Sache 'Buchner' reagierte, wurde als verfassungskonform qualifiziert (Erkenntnis vom , G186/02 ua.).

Diese Rechtsprechung konnte auf einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 1991 aufbauen, in dem der Gerichtshof ausgesprochen hat, dass angesichts der unterschiedlichen Deutbarkeit der Rechtslage und der gegenteiligen Praxis der Abgabenbehörden keine Enttäuschung eines berechtigten Vertrauens der Abgabepflichtigen im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vorliege (VfSlg. 12.890/1991).

Sollte der Verfassungsgerichtshof jedoch davon ausgehen, dass im vorliegenden Fall vom Vorliegen einer Vertrauensposition auszugehen sei, so ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht verletzt wird:

Diesem Gedanken ist vorauszuschicken, dass ein Eingriff in einen möglichen vertrauensbegründenden Sachverhalt überhaupt nur bei denjenigen Asylwerbern anzunehmen sein könnte, die im Lichte der vom Gesetzgeber vorgenommenen Klarstellungen unter § 2 Abs 2 BBetrG fallen. Ein geschütztes Vertrauen auf Aufnahme in die Bundesbetreuung muss aber auch in diesen Fällen verneint werden, da es sich dabei um besondere gesetzlich festgelegte, sachlich gerechtfertigte Gründe für die Verweigerung handelt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof seine Rechtsauffassung auf die der Gesetzgeber reagiert hat, nicht mit dem Gleichheitssatz des Art 7 B-VG, sondern mit dem aus dem BBetrG ableitbaren Gleichbehandlungsgrundsatz begründet hat.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen seines ihm eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums gelungen ist, in verfassungskonformer Weise eine rasche Klärung der Rechtslage herbeizuführen."

Zur Anfechtung des § 2 Abs 2 Z 6 BBetrG vertritt die Bundesregierung unter Berufung auf die verfassungsgerichtliche Judikatur zur Zulässigkeit der Verwendung sog. unbestimmter Gesetzesbegriffe, insb. VfSlg. 16.588/2002, die Auffassung, dass es entgegen dem Vorbringen der oberösterreichischen Landesregierung durchaus möglich sei, den Begriff des "unzumutbaren Verhaltens" in hinreichendem Ausmaß klarzustellen. Dazu führt die Bundesregierung aus:

"Zur Auslegung dieses Begriffes kann einerseits Art 6 Abs 3 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung - Art 15a B-VG) (412 BlgNR, 22. GP im Hinblick auf das Fehlen der Zustimmung eines Bundeslandes noch nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht), herangezogen werden, welcher lautet:

'(3) Fremden, die die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Unterkunft durch ihr Verhalten fortgesetzt und nachhaltig gefährden, kann die Grundversorgung gemäß Abs 1 unter Berücksichtigung von Art 1 Abs 2 eingeschränkt oder eingestellt werden. Das gleiche gilt im Anwendungsfall des § 38a SPG.'

Weiters kann zur Auslegung auch § 2 Abs 4 des Bundesbetreuungsgesetzes (ArtII des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 32/2004) als - ab geltende Bestimmung - herangezogen werden, welche § 6 Abs 3 der 'Grundversorgungsvereinbarung' nachgebildet wurde (vgl. StenProt der 55. Sitzung des Nationalrates, 22. GP, S 111 ff). Hier zeigt sich, dass in Hinkunft die Versorgung von Asylwerbern dann eingeschränkt, unter Auflagen gewährt oder entzogen werden kann, wenn diese durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtung die Ordnung - in der Betreuungseinrichtung - fortgesetzt und nachhaltig gefährden. In Anbetracht des zeitlichen Zusammenhangs dieser Regelung mit dem angefochtenen § 2 Abs 2 Z 6 (vormals Z 9) Bundesbetreuungsgesetz in der Fassung des ArtI desselben Bundesgesetzes ist daher davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber insbesondere eine fortgesetzte und nachhaltige Störung der Ordnung in der Betreuungsstelle als 'unzumutbares Verhalten' verstanden wissen wollte. Als solche nachhaltige Störung wird beispielsweise die mutwillige erhebliche Beschädigung eines Einzelzimmers erwähnt.

Überdies wurde auch zur Erläuterung der bisherigen Ziffer 9 in der Begründung zu ArtI auf Seite 111 der StenProt der 55. Sitzung des Nationalrates in der 22. GP klargestellt, dass 'nur dann ein für andere Mitbewohner unzumutbares Verhalten vorliegt, wenn es zu einer erheblichen Störung des Zusammenlebens kommt, die auch mit anderen Maßnahmen - etwa Zuweisung des Störers in eine andere Unterkunft - nicht beseitigt werden kann'.

Zusammengefasst ist daher nach Ansicht der Bundesregierung davon auszugehen, dass die von der oberösterreichischen Landesregierung vorgebrachten Bedenken gegen § 2 Abs 2 Z 6 in der Fassung des Artikel I des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2004 vor dem Hintergrund des aus Art 18 B-VG erfließenden Determinierungsgebotes nicht zutreffen."

Dann wendet sich die Bundesregierung gegen die Auffassung der oberösterreichischen Landesregierung, dass die Erreichung des in der Aufnahme-RL vorgeschriebenen Ziels bei Ablauf der Umsetzungsfrist durch die angefochtene Regelung ernstlich iSd Rechtsprechung des EuGH in Frage gestellt sei: Auf Grund ArtII Z 4 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2004 sei davon auszugehen, dass ab eine Norm, welche den Ausschluss von der Bundesbetreuung auf Grund "anderen Asylwerbern nicht zumutbaren Verhaltens" ermöglichen würde, nicht mehr vorgesehen sei. Aus Art 26 der Aufnahme-RL ergebe sich, dass diese mit von den Mitgliedstaaten umzusetzen sei.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass die sog. Vorwirkung von EG-Richtlinien vor dem Auslaufen ihrer Umsetzungsfrist nicht so weit verstanden werden könne, dass Art 10 insofern eine generelle Sperrwirkung mit dem Inhalt entfalten würde, dass der nationale Gesetzgeber bereits während des Laufes der Umsetzungsfrist am Erlass jeglichen widersprechenden Rechts gehindert wäre. Die Annahme einer derartigen Vorwirkung von Richtlinien konterkarierte die in Art 249 Abs 3 EGV angelegte Zweistufigkeit der Rechtssetzung und wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit auch nicht zu vereinbaren.

10.5. Die Äußerung der Bundesregierung zu den Bedenken der Wiener Landesregierung

Einleitend legt die Bundesregierung Statistiken zur Größenordnung der in den letzten Jahren durchgeführten Bundesbetreuung vor, um den Anstieg an Kosten und Plätzen im Rahmen der Bundesbetreuung zu verdeutlichen und damit die rechtspolitische Dimension der getroffenen Maßnahmen darzulegen. Aus diesen Statistiken ergibt sich, dass die Asylanträge sich von 18.284 im Jahr 2000 auf 39.354 im Jahr 2002 mehr als verdoppelt haben, im Jahr 2003 aber auf 32.364 zurückgingen. Entsprechend stiegen auch die Zahl der Personen, die in Bundesbetreuung aufgenommen wurden, und der Kostenaufwand. Die Kosten für die Bundesbetreuung betrugen nach Angaben der Bundesregierung im Jahr 2003 47.600.000 Euro.

In der Folge tritt die Bundesregierung den Bedenken der Wiener Landesregierung (abgesehen vom Hinweis auf das Erk. vom , G298/02 ua.) mit den wortgleichen Ausführungen entgegen, mit denen sie sich bereits in ihrer Äußerung gegen den Antrag der oberösterreichischen Landesregierung gewendet hat.

10.6. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Anträge

§ 13a BBetrG lautet:

"Mit Ausnahme von Verfahren, die am gegen die Republik Österreich gerichtsanhängig sind, bestimmt sich der zeitliche Anwendungsbereich der Änderungen von § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 2 Abs 1 und Abs 2 und § 2a des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, nach den Regelungen des § 8 ABGB."

§ 8 ABGB lautet:

"Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muss auf alle noch zu entscheidende Rechtsfälle angewendet werden, dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, dass seine Erklärung bei Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstand haben, nicht bezogen werden solle."

Wenn § 13a BBetrG auf § 8 ABGB (authentische Interpretation) hinweist, so liegt darin die versteckte Anordnung einer Rückwirkung. Nach § 13a AsylG sind die dort genannten Bestimmungen des BBetrG (§1 Abs 1 erster Satz und Abs 3 sowie § 2 Abs 1 und Abs 2 und § 2a) auf jene Fälle, bei denen am (noch) kein Verfahren anhängig war, bereits idF der Novelle zum BBetrG, BGBl. I Nr. 101/2003, anzuwenden, obwohl die Novelle erst am kundgemacht wurde.

10.6.1. Zur Zulässigkeit der Anträge der oberösterreichischen Landesregierung

Die oberösterreichische Landesregierung beantragt die Aufhebung des § 1 Abs 3 und die Wortfolge "und Abs 3" in § 13a BBetrG, ferner die Wortfolge "und Abs 2 und § 2a" in § 13a BBetrG sowie letztlich auch § 2 Abs 2 Z 6 BBetrG.

Sie führt Bedenken hinsichtlich der Rückwirkung von § 1 Abs 3,§ 2 Abs 2 und § 2a BBetrG in § 13a BBetrG aus und beantragt demgemäß die Aufhebung der Nennung der entsprechenden Bestimmungen. Insofern sind die Anträge der oberösterreichischen Landesregierung zulässig. Sie ficht aber neben der Nennung in § 13a zusätzlich auch die Norm des § 1 Abs 3 BBetrG an. Eine Aufhebung auch des § 1 Abs 3 würde aber dazu führen, dass diese Bestimmung nicht nur in den Übergangsfällen, sondern allgemein auch für neue Fälle nicht mehr anzuwenden wäre. Die oberösterreichische Landesregierung macht aber Bedenken gegen diese Bestimmung nur im Zusammenhang mit der Rückwirkungsanordnung des § 13a BBetrG geltend und geht daher mit dem Antrag auf Aufhebung auch des § 1 Abs 3 über ihre eigenen Bedenken hinaus.

Die Anfechtung des § 1 Abs 3 erweist sich damit als unzulässig. Hingegen ist der Antrag auf Aufhebung der Wortfolgen "und Abs 3" sowie "und Abs 2 und § 2a" im § 13a BBetrG zulässig.

Gegen § 2 Abs 2 Z 6 BBetrG (§2 Abs 2 ist auch vom Hinweis des '13a umfasst) macht die oberösterreichische Landesregierung hingegen Bedenken geltend, die nicht von der Rückwirkung abhängig sind. Der Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung (und nicht bloß der Nennung in § 13a) ist zulässig.

10.6.2. Zur Zulässigkeit der Anträge der Wiener Landesregierung

Die Wiener Landesregierung erwähnt zwar, dass sich die durch § 13a BBetrG angeordnete Rückwirkung auch auf § 2 Abs 1 und 2 sowie § 2a bezieht, führt aber ihre Bedenken zu § 13a BBetrG nur wegen des Zusammenhangs mit § 1 Abs 3 näher aus und schränkt konsequenterweise auch ihren Eventualantrag auf den Hinweis auf § 1 Abs 3 ein. Sie ficht den ganzen § 13a BBetrG nur deshalb an, weil sie meint, dass die Anfechtung der ganzen Bestimmung durch den Gesamtzusammenhang geboten sei. Der Verfassungsgerichtshof vermag bei der Auflistung der unterschiedlichen Bestimmungen aber keinen untrennbaren Zusammenhang zwischen diesen zu erkennen. Gemeinsam ist diesen Verweisen nur, dass alle in § 13a genannten Bestimmungen rückwirkend anzuwenden sind. Die Aufhebung eines Hinweises wegen dessen Verfassungswidrigkeit muss aber nicht zwingend auch zur Aufhebung aller anderen Hinweise führen, was ja auch die Ausführungen der Wiener Landesregierung zeigen, die nur die Nennung des § 1 Abs 3 für verfassungswidrig hält. Der Hauptantrag der Wiener Landesregierung ist daher unzulässig, hingegen der Eventualantrag, den Verweis auf § 1 Abs 3 in § 13a BBetrG aufzuheben, zulässig.

Wegen der Zulässigkeit des ersten Eventualantrages ist auf den weiteren Eventualantrag, § 13a und § 16 Abs 11 BBetrG zur Gänze aufzuheben, nicht mehr einzugehen.

10.7. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs in der Sache

10.7.1. Zu den Bedenken gegen die Nennung des § 1 Abs 3 in § 13a BBetrG

Die Bedenken beider Landesregierungen betreffend § 1 Abs 3 und § 13a BBetrG richten sich gegen die für Asylwerber und Dritte, insb. karitative Organisationen, rückwirkende "Verschlechterung" ihrer Rechtsposition. Diese Rückwirkung verletze den Eigentumsschutz (Art5 StGG und Art 1 des 1. ZPEMRK) und den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG und Art 2 StGG). Es ist daher zunächst zu untersuchen, wie die angefochtenen Bestimmungen die Rechtslage veränderten.

§ 1 Abs 3 BBetrG lautete in der vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 geltenden Fassung (BGBl. Nr. 405/1991):

"Auf die Bundesbetreuung besteht kein Rechtsanspruch."

Hingegen lautet § 1 Abs 3 BBetrG idF der genannten Novelle:

"(3) Auf die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung besteht dann kein vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbarer Rechtsanspruch, wenn die Kriterien für die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung nicht erfüllt sind (Art17 B-VG)."

Es ist offenkundig, dass die Novelle BGBl. I Nr. 101/2003, die einen Rechtsanspruch nur mehr ausschließt, wenn bestimmte Kriterien für die Aufnahme in die Bundesbetreuung nicht erfüllt sind, Asylsuchende im Vergleich zur vorhergehenden Rechtslage nicht schlechter stellt.

Die antragstellenden Landesregierungen vergleichen in Wahrheit auch nicht die novellierte Fassung des § 1 Abs 3 BBetrG mit dessen früherer Fassung, die einen Rechtsanspruch ausschloss, sondern mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, nach der unter bestimmten Umständen kraft Gebots der Gleichbehandlung trotz des § 1 Abs 3 BBetrG (frühere Fassung) ein Rechtsanspruch angenommen wurde.

Die Neufassung des § 1 Abs 3 BBetrG war in der Regierungsvorlage noch nicht enthalten. Im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten wird die Änderung damit begründet, dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen habe und den Staatshaushalt belasten würde (AB 253 BlgNR XXII. GP, 5). Dann heißt es:

"Insbesondere sollen durch die mit diesem Bundesgesetz vorgenommenen Klarstellungen des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 keineswegs der - diesbezüglich im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig werdenden - Republik Österreich bzw. ihren Organen die Möglichkeit eingeräumt werden, bei der Entscheidung über die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung gegenüber Asylwerbern unsachliche oder gar willkürliche Kriterien zu berücksichtigen [...].

Vielmehr sollen anhand genereller, das willkürliche Vorgehen im Einzelfall gerade ausschließenden Klarstellungen innerhalb des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 jene - sachlich durchaus gerechtfertigten [...] - Beschränkungen zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden, denen die Bundesbetreuung nach Ansicht des Bundesgesetzgebers seit je her unterworfen war, mag dies auch im pauschalen Ausschluss jeglichen Rechtsanspruches in § 1 Abs 3 leg. cit. bislang nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen oder gar - aufgrund der lege non distinquente anzunehmenden Verneinung eines Rechtsanspruches auch im Falle einer offensichtlich willkürlichen Ablehnung der Leistungserbringung durch Organe der Republik Österreich - in einer unverhältnismäßig weitgehenden und damit möglicherweise (verfassungs-)rechtswidrigen Art und Weise geregelt gewesen sein."

Diese Ausführungen sind in ihrer vollen Tragweite nur im Zusammenhang mit den im Bericht genannten Entscheidungen vom (im AB versehentlich ), 1 Ob 272/02k, und vom , 9 Ob 71/03m, verständlich.

In der erstgenannten Entscheidung betont der Oberste Gerichtshof zunächst den reinen "Innennormcharakter" von Selbstbindungsgesetzen. Er schließt sich der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 13.973/1994) an, dass Selbstbindungsgesetze nicht unmittelbar nach außen wirken und daher - falls das Gesetz nichts Gegenteiliges anordnet - keine Rechte und Pflichten der Rechtsunterworfenen begründen. Der Oberste Gerichtshof hat daher einen möglichen Anspruch der klagenden Partei, die einen Asylwerber versorgt hatte, nicht unmittelbar auf die Bestimmungen des BBetrG gestützt, sondern auf seine Judikatur zum Kontrahierungszwang eines staatlichen Rechtsträgers, der Leistungen auf Grund des Gleichheitsgebotes nicht bestimmten Leistungswerbern verweigern darf, wenn er sie unter gleichen Bedingungen anderen Leistungswerbern gewährt (vgl. die im Beschluss vom angeführte Vorjudikatur und Literatur). Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

"Die inhaltlich synonymen Grundsätze des Gleichbehandlungsgebots und des Diskriminierungsverbots sorgen dafür, dass einem bestimmten Leistungswerber - bei im Kern gleichen Voraussetzungen - nicht etwas verweigert werden darf, was anderen gewährt wird. Somit bestünde für den staatlichen Rechtsträger nur noch die Alternative, gerade dasjenige, was Gegenstand der angeordneten Selbstbindung ist, unter Berufung auf den mangelnden Rechtsanspruch auf Leistung niemandem zu gewähren. Sobald jedoch einmal eine der Selbstbindung entsprechende Leistung zuerkannt wurde, vermittelt das unter gleichen Bedingungen anderen Leistungswerbern einen klagbaren Anspruch."

Wenn nun ein Asylwerber nach diesen Grundsätzen einen Leistungsanspruch gegen den Bund hat, so müsse der Bund einem Dritten den inhaltsgleichen Leistungsaufwand, den dieser an Stelle des Bundes gegenüber dem Asylwerber erbracht hat, gemäß § 1042 ABGB ersetzen. (In der zweitgenannten Entscheidung 9 Ob 71/03m wiederholte der Oberste Gerichtshof im Wesentlichen die in der früheren Entscheidung zum Ausdruck gebrachte Rechtsmeinung.)

Die Neufassung des § 1 Abs 3 BBetrG steht mit der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes an sich nicht in Widerspruch, da die §§2 und 2a BBetrG nun die Kriterien für die Aufnahme in die Bundesbetreuung - im Gegensatz zur früheren Rechtslage - im Gesetz festlegen und damit die Gleichbehandlung aller Asylwerber, die die Voraussetzungen erfüllen, garantieren. Die Bedenken gegen § 1 Abs 3 iZm der Nennung in § 13a BBetrG gehen also von falschen Prämissen über die Wirkung der Gesetzesänderung aus und treffen somit nicht zu. Somit ist der Hinweis auf § 1 Abs 3 in § 13a BBetrG nicht verfassungswidrig.

10.7.2. Zu den Bedenken gegen die Nennung des § 2 Abs 2 und des § 2a in § 13a BBetrG

Die oberösterreichische Landesregierung ficht ferner die Nennung des § 2 Abs 2 und des § 2a in § 13a BBetrG an.

§ 2 Abs 2 BBetrG schließt bestimmte Asylwerber oder Gruppen von Asylwerbern - trotz Hilfsbedürftigkeit - von der Bundesbetreuung aus. § 2a BBetrG sieht vor, dass bereits in die Bundesbetreuung aufgenommene Asylwerber unter bestimmten Umständen von der weiteren Betreuung ausgeschlossen werden oder ihre Betreuung eingeschränkt wird. Die oberösterreichische Landesregierung argumentiert, die Nennung des § 2 Abs 2 und des § 2a in § 13a BBetrG bewirke, dass zahlreiche Ausschlussgründe nun rückwirkend anzuwenden seien und somit Rechtsansprüche beseitigt würden, die nach der früheren Rechtslage bestanden. Damit würden Dritte, die im Vertrauen auf die Rechtslage Asylwerber verpflegt haben, ihren Rückgriffsanspruch verlieren. Die antragstellende Landesregierung geht davon aus, dass der Vertrauensschutz sich auf alle Fälle bezieht, in denen Dritte während einer dreißigjährigen Verjährungsfrist Versorgungsleistungen für Asylwerber erbracht haben.

Die antragstellende Landesregierung verkennt damit aber die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zum Vertrauensschutz:

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass der Gesetzgeber im Prinzip frei ist, die Rechtslage zu verändern, auch wenn er damit auf höchstrichterliche Rechtsprechung reagiert (VfSlg. 15.231/1998, 15.319/1998; ua.). Jedoch sind rückwirkende Gesetzesänderungen, welche die Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, im Lichte des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebotes nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Gesetzesänderungen sind die Gravität des Eingriffes sowie das Gewicht der für den Eingriff sprechenden Gründe maßgebend. Ob ein rückwirkendes Gesetz vertrauensverletzend ist, hängt von einer Mehrzahl von Umständen ab, insb. von der Klarheit der gesetzlichen Regelung, die durch die rückwirkende Bestimmung geändert wird; weiters davon, wie diese von den Gerichten vor der rückwirkenden Regelung gehandhabt wurde. In diesem Zusammenhang kommt der Rechtsprechung oberster Gerichte maßgebliche Bedeutung zu (vgl. auch VfSlg. 12.241/1998, 12.322/1990, 12.479/1990, 15.231/1998 und die dort zitierte umfangreiche Judikatur).

Wie bereits oben dargestellt, war es auf Grund des Gesetzestextes des § 1 Abs 3 BBetrG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 keinesfalls klar, dass diese Bestimmung Vertrauen in das Bestehen eines Anspruches bewirken konnte. Im Gegenteil, ein Rechtsanspruch wurde nach dem BBetrG sogar explizit verneint (vgl. auch die Anfechtung des § 1 Abs 3 BBetrG beim Verfassungsgerichtshof durch einen Individualantrag, der mangels Antragsvoraussetzungen mit Beschluss vom , G71/02, zurückgewiesen wurde). Auch schloss § 2 Abs 1 schon in seiner früheren Fassung infolge der Definition des Begriffes "hilfsbedürftig" Regressansprüche Dritter, die den Asylsuchenden versorgten, gegen den Bund aus.

Erst durch die oben erwähnte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom wurde erkennbar, dass doch ein Rechtsanspruch - abgeleitet jedoch nicht unmittelbar aus dem BBetrG, sondern dem Gebot der Gleichbehandlung von Leistungsempfängern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung - bestehen könnte. Mit dieser Entscheidung war aber kein Anspruch konkret zuerkannt worden, sondern für den beim Obersten Gerichtshof anhängigen Fall ausgesprochen worden, dass die von den Vorinstanzen für die Klagsabweisung ins Treffen geführten Gründe nicht tragfähig sind und der geltend gemachte Bereicherungsanspruch auch nicht an der Verjährung scheitern kann. Daher war das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen worden, die neuerlich in Bindung an die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes und somit unter Außerachtlassung der bisherigen Klagsabweisungsgründe zu beurteilen hatte, ob unter Beachtung des Gebotes der Gleichbehandlung die sonstigen Voraussetzungen für einen Bereicherungsanspruch vorliegen. Nach dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom blieben somit eine Reihe von Rechtsfragen offen.

Auch der Beschluss vom , 9 Ob 71/03m, der ein Verfahren betreffend die Erlassung einer einstweiligen Verfügung betraf, wiederholte die Grundsätze, die der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom aufstellte, ließ aber Detailfragen, die im Hauptverfahren zu beurteilen sein werden, offen.

Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 15.231/1998 aussprach, kann aber die Rechtsprechung selbst eines Höchstgerichtes nicht sofort Vertrauen in demselben Ausmaß wie eine Maßnahme des Gesetzgebers beanspruchen. Vertrauen in die Rechtsprechung kann sich wohl erst auf Grund gesicherter Judikatur zu allen wesentlichen Kriterien eines Anspruches bilden. Zum maßgebenden Zeitpunkt lag eine solche gesicherte Rechtsprechung nicht vor, auf Grund derer Dritte mit annähernder Gewissheit davon ausgehen konnten, jedenfalls Ersatzansprüche gegen den Bund stellen zu können. Insb. war - jedenfalls bis zur Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 - durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht mit hinreichender Deutlichkeit geklärt, unter welchen konkreten Umständen ein Asylwerber zur Vermeidung einer Diskriminierung einen Anspruch auf Leistung hat.

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stellt auf die Gleichbehandlung ab. Ein Asylwerber oder ein ihn versorgender Dritter könnte Ansprüche nur ableiten, wenn nach der Praxis des privatwirtschaftlich handelnden Bundes Asylwerber ungleich behandelt wurden, also einzelne Personen oder Personengruppen unter bestimmten Umständen in Bundesbetreuung aufgenommen wurden, andere unter denselben Umständen aber nicht. Nun sah das BBetrG vor, dass - neben dem Kriterium der Hilfsbedürftigkeit - die näheren Bestimmungen über die Aufnahme in die Bundesbetreuung durch Verordnung des Bundesministers für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu regeln ist. Eine solche Verordnung, die auch der Oberste Gerichtshof anzuwenden hätte, wurde nie kundgemacht: Die Bundesbetreuungsverordnung, BGBl. Nr. 31/1992 idF BGBl. II Nr. 180/1998 sowie BGBl. II Nr. 441/2001, präzisiert den Begriff "hilfsbedürftig" und bestimmt die im Rahmen der Bundesbetreuung zu erbringenden Leistungen, enthält aber nicht die Aufnahmebedingungen, die erstmals durch die AsylG-Novelle 2003 im BBetrG detailliert festgehalten sind.

Die Bedingungen für die Aufnahme und den Verbleib in der Bundesbetreuung wurden in einer Richtlinie des Bundesministers für Inneres festgehalten, deren Rechtmäßigkeit strittig war und die auch beim Verfassungsgerichtshof bekämpft wurde. Der Verfassungsgerichtshof hat den Individualantrag auf Aufhebung der Richtlinie mangels der Voraussetzungen für einen solchen Antrag zurückgewiesen (). Der Oberste Gerichtshof hat in der erwähnten Entscheidung vom auf diese Richtlinie Bezug genommen, sie aber schon mangels Kundmachung als für ihn nicht anwendbar erklärt und Zweifel an der Sachlichkeit geäußert.

Da aus der Rechtsprechung noch kein verlässlicher Vergleichsmaßstab für die Beurteilung einer möglichen Diskriminierung abzuleiten war, konnte ein Dritter, der einen Asylwerber zwischen dem Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung vom und dem (Inkrafttreten der Novelle) versorgt (und nicht bis zum die Klage eingebracht) hat, nicht mit nur annähernder Gewissheit darauf vertrauen, Ersatz vom Bund zu erhalten.

Dem Argument der Wiener Landesregierung, dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Diskriminierung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes nicht erst mit dem Beschluss vom begonnen hat, ist Folgendes zu erwidern: Die Rechtsprechung stellte zwar einen allgemeinen Grundsatz auf, betraf aber nicht speziell Fälle, in denen der Gesetzgeber sowohl einen Anspruch (§1 Abs 3 BBetrG) als auch Regressansprüche durch die Definition einer Anspruchsvoraussetzung (hier der Hilfsbedürftigkeit in § 2 Abs 1 zweiter Satz) ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Der Oberste Gerichtshof aber sprach im Beschluss vom aus, dass den Bestimmungen des BBetrG, die Ansprüche ausschlossen, ein derartiger Sinn nicht unterstellt werden könne, setze doch "eine solche Sicht der Rechtslage die Billigung einer habituellen Verletzung durch die gesetzliche Selbstbindung begründeten Leistungspflicht in Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes voraus."

Es stand also auf Grund der Besonderheiten des BBetrG keineswegs fest, dass die frühere Judikatur auch auf Fälle der Bundesbetreuung anzuwenden ist. Die Betroffenen konnten also auf keine gefestigte Judikatur vertrauen. Dass ein solches Vertrauen nicht bestand, zeigt auch die Diskussion um die erwähnte Richtlinie des Bundesministers für Inneres, bei der die Beteiligten davon ausgingen, dass in keinem Fall ein Rechtsanspruch besteht, und nicht auf die vom Obersten Gerichtshof dann judizierte Möglichkeit hingewiesen wurde.

Insoweit auf die Rechtsprechung des EGMR verwiesen wird (EGMR , 22/1993/417/496 - Andreadis gegen Griechenland; , 38/1994/485/567 - Pressos ua. gegen Belgien; , 97/1996/716/913 - Papageorgiou gegen Griechenland; , 24846/94 - Zielinski ua. gegen Frankreich; , 39374/98 - Anagnostopoulos gegen Griechenland; , 38703/97 - Agoudimos ua. gegen Griechenland), betreffen die Entscheidungen jeweils gesetzliche Eingriffe in laufende Verfahren, bei denen abzusehen war, dass staatliche Stellen ein zivilgerichtliches Verfahren verlieren würde. Die Anträge nennen keine derartig laufenden Verfahren. Sie verweisen vielmehr auf mögliche Fälle, für die die oben erwähnten Grundsätze des Vertrauensschutzes gelten sollten.

Aus den angeführten Gründen verletzen die angefochtenen Bestimmungen auch nicht Art 1 des 1. ZPEMRK. Der Antrag war daher abzuweisen.

10.7.3. Zu den Bedenken gegen § 2 Abs 2 Z 6 BBetrG idF BGBl. I Nr. 32/2004

Der Verfassungsgerichtshof hält den Begriff "unzumutbares Verhalten" für auslegbar, zumal eine kasuistische Aufzählung aller Möglichkeiten des Verhaltens, die den anderen Mitbewohnern unzumutbar sind, kaum möglich ist, ohne Lücken oder Unausgewogenheiten in Kauf zu nehmen. Die österreichische Rechtsordnung knüpft an mehreren Stellen Rechtsfolgen an unzumutbares Verhalten, wobei die verwendeten Worte, wie etwa "grob ungehöriges Verhalten" (§30 Abs 2 Z 1 MRG) oder "wichtiger Grund" (§16 Abs 2 GmbHG) ebenso unpräzise sind, sich aber dennoch als auslegungsfähig erwiesen. Solche unbestimmten Gesetzesbegriffe sind jeweils in Zusammenhang mit der jeweiligen Sachlage zu verstehen. Nicht anders ist das Verständnis des "unzumutbaren Verhaltens" zu sehen, das sich aus den Umständen des Zusammenlebens mit anderen Menschen in einer - idR - räumlichen Beengtheit, die besondere Rücksichtnahme erfordert, ergibt.

Der Antrag, § 2 Abs 2 Z 6 BBetrG als verfassungswidrig aufzuheben, war daher abzuweisen.

Die oberösterreichische Landesregierung führt weiters aus, dass Z 6 (vormals) des § 2 Abs 2 BBetrG zu Art 16 Aufnahme-RL "in einem Spannungsverhältnis steht". Mit ihren Ausführungen macht sie jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend.

IV. Schlussbemerkungen

1. Die Bundesregierung hat für den Fall der Aufhebung eine Frist begehrt. Dieser Anregung war nur teilweise zu folgen:

1.1. § 32 Abs 1 Z 4 AsylG bedarf nach Wegfall der aufgehobenen Worte keiner gesetzgeberischen Maßnahmen, da trotz Aufhebung die Absicht des Gesetzgebers, Missbräuchen vorzubeugen, weiterhin realisierbar bleibt.

1.2. Gegen die Fristsetzung zur Aufhebung des zweiten Satzes des § 32 Abs 2 sowie des zweiten Satzes des § 5a Abs 1 AsylG spricht die mögliche Verletzung von in der EMRK garantierten Grundrechten.

Für die Setzung einer Frist scheint hingegen der Umstand zu sprechen, dass nach der Aufhebung § 64 Abs 1 AVG anzuwenden ist, wodurch jeder Berufung gegen Bescheide nach § 5 AsylG aufschiebende Wirkung zukäme und damit auch der verfassungsrechtlich nicht verpönte Zweck, Missbräuchen durch Aberkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenzuwirken, vereitelt wäre. Diese Folge der Aufhebung kann aber während der Zeit bis zu einer Neuregelung in Missbrauchsfällen durch Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs 2 AVG vermieden werden. Daher erübrigt sich auch in diesem Fall eine Fristsetzung.

1.3. Für das In-Kraft-Treten der Aufhebung des § 34b Abs 1 Z 3 AsylG wird unter Berücksichtigung der Schwere eines möglichen verfassungswidrigen Eingriffes und der Absicht des Gesetzgebers, Missbräuche zu verhindern, eine kurze Frist gesetzt.

2. Der Verfassungsgerichtshof sah sich des Weiteren veranlasst, von der Ermächtigung des Art 140 Abs 7 B-VG Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass § 32 Abs 1 Z 4,§ 32 Abs 2 zweiter Satz und § 5a Abs 1 zweiter Satz AsylG nicht mehr anzuwenden sind. Hinsichtlich der unter Fristsetzung aufgehobenen Bestimmung war auszusprechen, dass § 34b Abs 1 Z 3 AsylG in den am beim Verfassungsgerichtshof, beim Verwaltungsgerichtshof und beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz

B-VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebungen und der damit im Zusammenhang stehenden weiteren Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.