VfGH vom 08.10.2015, G20/2015 ua
Leitsatz
Verfassungswidrigkeit des an Versicherer gerichteten umfassenden, undifferenzierten Verbots der Erhebung und Verwendung von Daten aus genetischen Analysen von Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern; keine sachliche Rechtfertigung des Verbots im Hinblick auf Ergebnisse aus nicht prädikativen genetischen Analysen angesichts ihrer Vergleichbarkeit mit konventionellen Untersuchungen; Zulässigkeit des Individualantrags von Versicherungsunternehmen
Spruch
I. 1. Die Wortfolgen "und Versicherern" und "oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern" in § 67 des Bundesgesetzes, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG), BGBl Nr 510/1994, idF BGBl I Nr 127/2005, sowie der letzte Satz in § 11a Abs 1 des Bundesgesetzes vom über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VersVG), BGBl Nr 2/1959, idF BGBl I Nr 34/2012, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Der Antrag des Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs wird zurückgewiesen.
III. Der Bund (Bundesministerin für Gesundheit) ist schuldig, den zweit- bis achtantragstellenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 3.771,60 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
1. Die antragstellenden Parteien begehren mit ihrem auf Art 140 Abs 1 B VG gestützten Individualantrag, "der Verfassungsgerichtshof möge
1. die Worte 'und Versicherern' und 'oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern' in § 67 GTG sowie die in § 11a Abs 1 VersVG enthaltene Wortfolge 'Das Verbot der Ermittlung genanalytischer Daten gemäß § 67 Gentechnikgesetz bleibt unberührt', in eventu
2. die Worte 'oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern' in § 67 GTG sowie die in § 11a Abs 1 VersVG enthaltene Wortfolge 'Das Verbot der Ermittlung genanalytischer Daten gemäß § 67 Gentechnikgesetz bleibt unberührt'
als verfassungswidrig aufheben".
II. Rechtslage
1. § 4 und § 67 des Bundesgesetzes, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG), lauteten in ihrer mit BGBl 510/1994 kundgemachten Stammfassung:
"Begriffsbestimmungen
§4. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten:
1. – 22. [...]
23. Genanalyse: die molekulargenetische Untersuchung an Chromosomen, Genen und DNS-Abschnitten eines Menschen zur Feststellung von Mutationen;
24. [...]
[...]
Verbot der Erhebung und Verwendung von Daten aus Genanalysen für
bestimmte Zwecke
§67. Arbeitgebern und Versicherern einschließlich deren Beauftragten und Mitarbeitern ist es verboten, Ergebnisse von Genanalysen von ihren Arbeitnehmern, Arbeitsuchenden oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 1465 BlgNR 18. GP) wird dazu ausgeführt:
"Zu § 4:
§4 enthält die zum Verständnis des Gesetzes erforderlichen Begriffsbestimmungen. Diese sind zum Teil aus den EG-Richtlinien 901219/EWG und 901220/EWG übernommen bzw. entsprechen den Ergebnissen einer eigens dafür gebildeten Unterarbeitsgruppe sowie Anregungen aus dem Begutachtungsverfahren.
[...]
Z22 definiert die Genanalyse. Genanalysen sind molekulargenetische Studien an ausgewählten Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten, deren Ziel es ist, Mutationen innerhalb des Gens oder des Genoms zu untersuchen.
Dazu zählen zB die Zuhilfenahme von Gensonden, etwa bei der In-situ-Hybridisierung, oder die Polymerase Chain Reaction (PCR). Nicht dazu zählen zB mikroskopische Untersuchungen von Chromosomen.
[...]
Zu § 67:
Das hier umschriebene Verbot dient dem Schutz des sozial Schwächeren in Rechtsverhältnissen, bei denen eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, das heißt im Falle eines Arbeitssuchenden bei allen Arten von Arbeitsverhältnissen und arbeitsähnlichen Verhältnissen; als Arbeitgeber gelten auch alle Dienstgeber. Darüber hinaus soll auch die freiwillige Vorlage von Analyseergebnissen durch Arbeitnehmer, Versicherungsnehmer usw. unterbunden werden: Schutzziel dieser Bestimmung ist die genetische Privatsphäre des einzelnen Menschen, deren Unantastbarkeit vor allem in jenen Fällen nicht gewährleistet ist, wo der einzelne faktischen Zwangssituationen, wie sie im Erwerbsleben gegeben sein können, unterliegt."
2. Mit der Novelle BGBl I 127/2005 wurde insbesondere der IV. Abschnitt des Gentechnikgesetzes ("Genetische Analysen und Gentherapie am Menschen") neu geregelt. § 4, § 65, §§67 bis 71a und § 109 GTG lauten in der geltenden Fassung (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"Begriffsbestimmungen
§4. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten:
1. – 22. [...]
23. Genetische Analyse: Laboranalyse, die zu Aussagen über konkrete Eigenschaften hinsichtlich Anzahl, Struktur oder Sequenz von Chromosomen, Genen oder DNA – Abschnitten oder von Produkten der DNA und deren konkrete chemische Modifikationen führt, und die damit nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Aussagen über einen Überträgerstatus, ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf an einem Menschen ermöglicht.
24. [...]
[...]
Genetische Analysen am Menschen zu medizinischen Zwecken
§65. (1) Genetische Analysen am Menschen zu medizinischen Zwecken dürfen nur nach dem Stand von Wissenschaft und Technik durchgeführt werden. Sie werden in vier Typen unterschieden:
1. Typ 1 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, der Vorbereitung einer Therapie oder Kontrolle eines Therapieverlaufs und basiert auf Aussagen über konkrete somatische Veränderung von Anzahl, Struktur, Sequenz oder deren konkrete chemische Modifikationen von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten
2. Typ 2 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, welche auf einer Keimbahnmutation beruht
3. Typ 3 dient der Feststellung einer Prädisposition für eine Krankheit, insbesondere der Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Erkrankung oder Feststellung eines Überträgerstatus, für welche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Prophylaxe oder Therapie möglich sind
4. Typ 4 dient der Feststellung einer Prädisposition für eine Krankheit, insbesondere der Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Erkrankung oder Feststellung eines Überträgerstatus, für welche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik keine Prophylaxe oder Therapie möglich sind.
(2) Verwandtenuntersuchungen (§70) können Untersuchungen des Typs 2, 3 oder 4 sein.
[...]
Verbot der Erhebung und Verwendung von Daten
aus genetischen Analysen für bestimmte Zwecke
§67. Arbeitgebern und Versicherern einschließlich deren Beauftragten und Mitarbeitern ist es verboten, Ergebnisse von genetischen Analysen von ihren Arbeitnehmern, Arbeitsuchenden oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten. Von diesem Verbot sind auch das Verlangen nach Abgabe und die Annahme von Körpersubstanz für genanalytische Zwecke umfasst.
Durchführung von genetischen Analysen am Menschen zu
medizinischen Zwecken – Behördliches Verfahren
§68. (1) Die Durchführung von genetischen Analysen im Sinne des § 65 Abs 1 Z 3 und 4 darf nur in hiefür zugelassenen Einrichtungen und nur auf Veranlassung eines in Humangenetik/medizinischer Genetik ausgebildeten Facharztes oder eines für das Indikationsgebiet zuständigen behandelnden oder diagnosestellenden Facharztes erfolgen.
(2) Die Zulassung ist vom Leiter der Einrichtung, in der die Durchführung von derartigen genetischen Analysen beabsichtigt ist, beim Bundesminister für Gesundheit und Frauen zu beantragen.
(3) Die Zulassung ist vom Bundesminister für Gesundheit und Frauen nach Anhörung des zuständigen wissenschaftlichen Ausschusses - erforderlichenfalls unter Festlegung geeigneter Auflagen und Bedingungen - zu erteilen, wenn auf Grund der personellen und sachlichen Ausstattung eine dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechende Durchführung der genetischen Analysen und der Schutz der dabei anfallenden genetischen Daten gemäß § 71 sichergestellt ist.
(4) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat die Zulassung, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sind, zu widerrufen oder bei Vorliegen schwerer Mängel sonst geeignete Auflagen, verbunden mit der Anordnung aufzuerlegen, bis zur Erfüllung dieser Auflagen keine genetischen Analysen gemäß § 65 Abs 1 Z 3 oder 4 mehr durchzuführen.
[...]
Einwilligung und Beratung
§69. (1) Eine genetische Analyse des Typs 2, 3 oder 4 einschließlich einer genetischen Analyse im Rahmen einer pränatalen Untersuchung, darf nur nach Vorliegen einer schriftlichen Bestätigung der zu untersuchenden Person durchgeführt werden, dass sie zuvor durch einen in Humangenetik/medizinische Genetik ausgebildeten Facharzt oder einen für das Indikationsgebiet zuständigen Facharzt über deren Wesen, Tragweite und Aussagekraft aufgeklärt worden ist und aufgrund eines auf diesem Wissen beruhenden freien Einverständnisses der genetischen Analyse zugestimmt hat. Werden diese Untersuchungen pränatal durchgeführt, so müssen Aufklärung und Zustimmung der Schwangeren auch die Risken des vorgesehenen Eingriffes umfassen.
(2) Die Bestätigung gemäß Abs 1 erteilt
1. für eine mündige minderjährige Person diese selbst nach Maßgabe des § 146c ABGB,
2. für eine unmündige Person ein Erziehungsberechtigter und
3. für eine Person, der ein Sachwalter bestellt ist, dessen Wirkungsbereich die Zustimmung zur genetischen Analyse umfasst, der Sachwalter.
(3) Vor Durchführung einer genetischen Analyse gemäß Abs. 1 hat eine ausführliche Beratung der zu untersuchenden Person sowie des allenfalls gemäß Abs 2 vertretungsbefugten Erziehungsberechtigten oder Sachwalters über das Wesen, die Tragweite und die Aussagekraft der Analyse durch den diese genetische Analyse veranlassenden in Humangenetik/medizinischer Genetik ausgebildeten Facharzt bzw. den für das Indikationsgebiet zuständigen Facharzt stattzufinden.
(4) Die Beratung nach Durchführung einer genetischen Analyse gemäß Abs. 1 muss die sachbezogene umfassende Erörterung aller Untersuchungsergebnisse und medizinischen Tatsachen sowie mögliche medizinische, soziale und psychische Konsequenzen umfassen. Dabei ist bei entsprechender Disposition für eine erbliche Erkrankung mit gravierenden physischen, psychischen und sozialen Auswirkungen auch auf die Zweckmäßigkeit einer zusätzlichen nichtmedizinischen Beratung durch einen Psychologen oder Psychotherapeuten oder durch einen Sozialarbeiter schriftlich hinzuweisen. Zusätzlich kann auf andere Beratungseinrichtungen und Selbsthilfegruppen hingewiesen werden.
(5) Beratungen vor und nach einer genetischen Analyse gemäß Abs. 1 dürfen nicht direktiv erfolgen. Der Ratsuchende ist bereits bei Beginn der Beratungsgespräche darauf hinzuweisen, dass er - auch nach erfolgter Einwilligung zur genetischen Analyse oder nach erfolgter Beratung - jederzeit mitteilen kann, dass er das Ergebnis der Analyse und der daraus ableitbaren Konsequenzen nicht erfahren möchte.
(6) Beratungen vor und nach einer genetischen Analyse gemäß Abs. 1 sind mit einem individuellen Beratungsbrief an den Ratsuchenden abzuschließen, in dem die wesentlichen Inhalte des Beratungsgespräches in allgemein verständlicher Weise zusammengefasst sind.
Einbeziehung von Verwandten
§70. Der die genetische Analyse veranlassende Arzt hat,
1. wenn zur Beurteilung des Ergebnisses einer genetischen Analyse die Einbeziehung von Verwandten der untersuchten Person erforderlich ist, oder
2. wenn anzunehmen ist, daß eine ernste Gefahr einer Erkrankung von Verwandten der untersuchten Person besteht,
der untersuchten Person zu empfehlen, ihren möglicherweise betroffenen Verwandten zu einer humangenetischen Untersuchung und Beratung zu raten.
Datenschutz
§71. (1) Wer genetische Analysen durchführt oder veranlasst, hat die dabei gewonnenen personenbezogenen Daten geheim zu halten und die folgenden Bestimmungen zu beachten:
1. Der untersuchten Person ist über deren Verlangen Einsicht in alle sie betreffenden Daten zu gewähren.
2. Der untersuchten Person sind unerwartete Ergebnisse mitzuteilen, die von unmittelbarer klinischer Bedeutung sind oder nach denen sie ausdrücklich gefragt hat. Diese Mitteilung ist insbesondere dann, wenn die untersuchte Person nicht danach gefragt hat, so zu gestalten, dass sie auf die untersuchte Person nicht beunruhigend wirkt; in Grenzfällen kann diese Mitteilung gänzlich unterbleiben.
3. Daten in nicht anonymisierter Form (§66 Abs 1) dürfen für einen anderen als den Zweck, für den sie ursprünglich erhoben worden sind, nur mit ausdrücklicher und schriftlicher Zustimmung der untersuchten Person verwendet werden.
4. Daten dürfen unbeschadet der Bestimmungen des § 71a über die Dokumentation der Untersuchungsergebnisse nur übermittelt werden
a) an Personen, die in der Einrichtung, in der sie erhoben worden sind, mit der Ermittlung, Verarbeitung oder Auswertung der Daten unmittelbar befasst sind,
b) an die untersuchte Person,
c) an die in § 69 Abs 2 genannten Personen,
d) an den Arzt, der die genetischen Analysen veranlasst hat, und an den behandelnden Arzt,
e) an andere Personen nur, soweit die untersuchte Person hiezu ausdrücklich und schriftlich zugestimmt hat, wobei ein schriftlicher Widerruf dieser Zustimmung jederzeit möglich ist.
5. Daten müssen vor dem Zugriff Unbefugter in geeigneter Weise geschützt werden.
6. Die Verpflichtungen gemäß Z 3 bis 5 gelten auch für Personen, die bei der Durchführung von genetischen Analysen oder bei der Aufbewahrung oder Verwaltung der dabei erhobenen Daten mitwirken.
(2) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, bleiben das Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000, BGBl I Nr 165/1999, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, BGBl I Nr 111/2012, sowie Vorschriften, die besondere Verschwiegenheits- oder Meldepflichten beinhalten, unberührt.
Dokumentation der Untersuchungsergebnisse
§71a. (1) Ergebnisse aus genetischen Analysen des Typs 1 dürfen in jedem Fall, Ergebnisse aus genetischen Analysen des Typs 2 und 3 nur sofern der Patient dem nicht schriftlich widersprochen hat, in Arztbriefen und Krankengeschichten dokumentiert werden. Auf die Möglichkeit des Widerspruches ist in der Beratung gem. § 69 Abs 3 hinzuweisen.
(2) Ergebnisse aus genetischen Analysen des Typs 4, ebenso wie Ergebnisse des Typs 2 oder3, wenn die Dokumentation in Arztbriefen und Krankengeschichten wegen Widerspruches des Patienten nicht zulässig ist, dürfen nur in der Einrichtung, in der sie erhoben worden sind, und nur auf Veranlassung des behandelnden Arztes automationsunterstützt verarbeitet werden; sie sind von anderen Datenarten gesondert aufzubewahren oder zu speichern und dürfen nur von jenen Personen die in der Einrichtung mit der Ermittlung, Verarbeitung oder Auswertung der Daten unmittelbar befasst sind, und nur mit einer gesonderten Zugriffsmöglichkeit abrufbar sein."
[...]
Strafbestimmungen, Beschlagnahme, Verfall
§109. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 36 300 Euro zu bestrafen, wer
1. entgegen dem Verbot des § 67 von Arbeitnehmern oder von Arbeitssuchenden Ergebnisse von genetischen Analysen erhebt, verlangt, annimmt oder sonst verwertet,
2. entgegen dem Verbot des § 67 von Versicherungsnehmern oder von Versicherungswerbern Ergebnisse von genetischen Analysen erhebt, verlangt, annimmt oder sonst verwertet.
Der Versuch ist strafbar.
(2) – (7) [...]"
In den Erläuterungen zur Novelle BGBl I 127/2005 (RV 1083 BlgNR 22. GP) wird – soweit im vorliegenden Zusammenhang wesentlich – ausgeführt:
"Problem und Ziel des Vorhabens:
Österreich verfügt mit dem Gentechnikgesetz (GTG), BGBl Nr 510/1994, seit mehr als 10 Jahren über rechtliche Rahmenbedingungen für die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen und hatte damit in diesem Bereich eine gesetzgeberische Vorreiterrolle in Europa. Die besonders hohe Entwicklungsgeschwindigkeit in allen Bereichen der Gentechnologie bringt es jedoch mit sich, dass laufend normative Anpassungen an den technischen Fortschritt vorgenommen werden müssen. So wurden bereits mehrere Novellen des GTG, die u.a. auf den beiden Gentechnikrichtlinien des Rates vom über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, 90//219/EWG, sowie über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Mikroorganismen in die Umwelt, 90/220/EWG, beruhen, verabschiedet.
Mit dem vorliegenden Entwurf soll in erster Linie der derzeit von der EU nicht geregelte Bereich der medizinischen Anwendungen der Gentechnik (IV. Abschnitt des geltenden Gentechnikgesetzes – Genanalyse und Gentherapie am Menschen) dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst werden.
Kernpunkte der Novelle sind die Neudefinition und Differenzierung genetischer Analysen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik, eine leichte Deregulierung, was die Verwaltungsverfahren zur Durchführung von Gentherapien sowie bestimmten Genanalysen betrifft, die Berücksichtigung neuer Technologien und Methoden, sowie eine im Lichte der jüngsten Entwicklungen gegenüber der bisherigen Rechtslage differenzierte Beurteilung der mit diesen Anwendungen verbundenen Qualitäts-, Beratungs- und Datenschutzaspekte.
[...]
Zweck der Novelle ist die rechtliche Anpassung an den Stand von Wissenschaft und Technik, mit dem Ziel der Aufrechterhaltung und des adäquaten Ausbaues eines weiterhin hohen Schutz- und Sicherheitsniveaus.
[...]
1. Reformbedarf
Mit dem IV. Abschnitt des österreichischen Gentechnikgesetzes über die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen hat Österreich 1994 europaweit gesehen Pionierarbeit geleistet. Es wurde damals in Voraussicht der bald zu erwartenden neuen medizinischen Anwendungen ein rechtlicher Rahmen geschaffen, innerhalb dessen – neben der Missbrauchsvorbeugung – die Sicherheit (§1 Z 1) der Anwendungen das oberste Ziel ist. Mittlerweile sind bereits 46 Einrichtungen zur Durchführung von Genanalysen zugelassen, 7 behördlich genehmigte klinische Prüfungen zur Durchführung einer somatischen Gentherapie finden derzeit statt, bzw. sind bereits abgeschlossen (Stand: ). Weitere Zulassungsverfahren stehen vor dem Abschluss.
[...]
3. Schwerpunkte und Ergebnisse der Diskussion:
Die zu eng gefasste Definition 'Genanalyse' soll modifiziert und dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst werden. Wünschenswert ist eine Erweiterung des Begriffes, die die bisher bewährten Kriterien der Qualitätssicherung, Beratung und Datenschutz auch auf andere Untersuchungen, die die gleichen Ergebnisse wie die bisherigen Genanalysen liefern, anwendbar machen. Gleichzeitig sollen bei bestimmten Untersuchungen, für die in bereits langjähriger Erfahrung hohe Sicherheit nachgewiesen ist, deregulierende Maßnahmen, vorzugsweise in Form 'Vereinfachter Verfahren' zur Anwendung kommen. Ausgehend vom grundsätzlich bewährten System des GTG und der großen Akzeptanz, den der im GTG geregelte medizinische Teil der Gentechnik in der Öffentlichkeit genießt, ist daher zur Aufrechterhaltung des Schutzniveaus dieser Bestimmungen, eine Adaptierung der §§65 ff GTG vorzunehmen.
Die bisherigen Grundtypen prädiktiver bzw. nicht prädiktiver Genanalysen sollen weiter differenziert werden. Je nach Notwendigkeit (für den Patienten, und eventuell auch seine Angehörigen) soll dann entsprechend auch die Beratung des Patienten bzw. der Umgang mit seinen genetischen Daten in Arztbriefen und Krankengeschichten unterschiedlich gestaltet werden. Dabei darf es allerdings nicht zu einer Überreglementierung der Materie kommen. Bei der Umsetzung dieses Vorhabens sollte verstärkt das Gentechnikbuch, dessen Zweck es ja ist, den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu dokumentieren, als rechtliches Instrument genutzt werden.
[...]
Die Bestimmungen über die Beratung und Einwilligung des Patienten werden ausgebaut und erweitert. Wesentlich erscheint eine gegenüber der derzeitigen Regelung verstärkte Unterscheidung nach der Bedeutung des Ergebnisses der Untersuchung für den Patienten, sowie die Einbindung von Psychologen in die Beratung. Das bereits aus den bisherigen Bestimmungen interpretierbare 'Recht auf Nichtwissen' wird ausdrücklich festgelegt.
Besonders intensive Beratungen erfolgten auch zum Thema Datenschutz. Es wurde seitens der AG grundsätzlich überdacht, welche Daten schützenswert sind, wovor sie geschützt werden sollen und mit welchen Mitteln sie geschützt werden können. Damit verbunden war auch die Frage nach einem allfälligen Anpassungsbedarf der einschlägigen Gentechnikbestimmungen aus dem Jahr 1994 an das später erlassene Datenschutzgesetz 2000 sowie die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Weiters wurde die Frage diskutiert, ob die derzeit geltenden Datenschutzbestimmungen des GTG vor dem Hintergrund ihrer technischen Umsetzungsmöglichkeiten und dem damit allenfalls verbundenen wirtschaftlichen Aufwand noch zeitgemäß sind.
Im Ergebnis vertrat die Arbeitsgruppe dabei die Meinung, dass nur jene Datenschutzbestimmungen, die für den Bereich der Gentechnik notwendig und unumgänglich sind, also die Einwilligung des Patienten, das Auskunftsrecht und die Kommunikation der Daten als solche, Gegenstand der Diskussion wie auch einer allfälligen Neuregelung sein können und sollten.
Die Arbeitsgruppe hat dabei grundsätzlich an der Meinung festgehalten, dass dem Datenschutz bei prädiktiven Analysen ein anderer Stellenwert zukommt als bei manifesten Erkrankungen; dies durchaus im Bewusstsein, dass die Unterscheidung von genetischer und medizinischer Information im Zuge der medizinisch-technischen Entwicklungen im Einzelfall zusehends schwieriger wird und es bei zahlreichen Anwendungen zu einem Verschwimmen der Trennlinie zwischen prädiktiven und nichtprädiktiven Elementen kommen kann. Eine angemessene rechtliche Differenzierung erscheint dennoch angebracht, wobei der Wille des Patienten stärker als bisher einbezogen werden sollte: er hat nun – innerhalb eines bestimmten Rahmens – die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, welche seiner Daten an wen weitergegeben werden dürfen.
[...]
zu Z 5 (§4 Z 23 und 24):
Der Begriff 'Genanalyse', nun: 'genetische Analyse', wird dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst.
In dieser Definition sind folgende Untersuchungen enthalten:
• Laboranalysen der Chromosomen:
Diese umfassen zytogenetische Untersuchungsmethoden unter anderem:
Veränderungen der Anzahl der Chromosomen:
Diese umfasst alle Untersuchungen, bei denen Karyogramme erstellt werden.
Beispiele für numerische Chromosomenaberrationen sind:
Down-Syndrom (Trisomie 21):
Das Chromosom 21 liegt in dreifacher Ausprägung vor.
Patau-Syndrom (Trisomie 13 oder D1-Trisomie):
Das Chromosom 13 liegt in dreifacher Ausprägung vor.
Edwards-Syndrom (Trisomie 18 oder E1-Trisomie):
Das Chromosom 18 liegt in dreifacher Ausprägung vor.
Klinefelter-Reifenstein-Syndrom:
Ist eine geschlechtsgebundene Trisomie, von der nur Männer betroffen sind. Die betroffenen Männer haben in ihren Chromosomen einen Überschuss an weiblichen Geschlechtschromosomen (XXY anstatt XY).
Veränderung der Struktur der Chromosomen:
Des weiteren können durch zytogenetische Techniken (wie z.B. Karyogrammbestimmungen) Deletionen, Translokationen, Inversionen und Amplifikationen der Chromosomen bestimmt werden. Für den Nachweis von Mikrodeletionen, -translokationen,-inversionen und – amplifikationen steht die FISH-Technik zur Verfügung.
Beispiele für Translokationen sind unter anderem:
Chromosomale Translokation bei Leukämien:
Translokation t(9;22):
Translokation t(14;18):
Translokationen t(8;21), t(15;17), inv(16).
Ein Beispiel für eine Amplifikation ist die Überexpression des HER2/neu Rezeptors.
• Laboranalysen von Genen:
Diese umfassen Laboranalysen, die zu Aussagen über die Beschaffenheit von Genen führen. Diese können zu Aussagen über die Änderungen der DNA-Sequenz, wie z.B.: Insertionen, Deletionen, Punktmutationen, Translokationen, SNPs, Methylierungen etc., von Genen führen
Beispiele für solche Analysen umfassen unter anderem:
Agarose-Gelelektrophorese, Fluoreszenz In Situ Hybridisierungen (FISH), Klonierungen, PCR, Restriktionsfragmentlängenpolymorphismen, Restriktionsenzymanalysen, Nukleinsäuresequenzierung.
• Laboranalysen von DNA – Abschnitten:
Diese umfassen alle Analysen der DNA, nicht nur der codierenden Abschnitte (Gene). Darunter fallen alle Analysen von Promotoren, Enhancern, Terminatoren sowie anderer regulatorischer Einheiten.
DNA Sequenz: Abfolge der Basen in 5’ – 3’ – Richtung eines Chromosoms; diese beinhaltet auch Promotoren, Terminatoren sowie andere regulatorische Einheiten.
Produkte der DNA – Abschnitte: RNA, mRNA, tRNA, Proteine etc.
Regulatorische Abschnitte der Gene:
Splicen: ein Gen kann dadurch bisweilen für verschiedene Proteine codieren, die ihrerseits wieder nachfolgend mannigfach modifiziert werden können:
Hochgradige Fluidität des Genoms, Genomabschnitte können wie Module hin- und hergeschaltet werden.
Superstrukturen der DNA:
Chromatin:
Komplex aus Proteinen (Histone und nicht Histon Proteine) und DNA.
Die DNA ist um Histonoktamere gewickelt. Solche Nucleosomen werden zu einer Struktur höherer Ordnung zusammengefasst, der 30 nm – Faser (Solenoid). Damit DNA überhaupt im Kern untergebracht werden kann, muss sie sich unter Schleifenbildung mittels Nicht–Histon-Proteinen weiter verdichten. Bei der Zellteilung erreicht diese Kondensation in Form der Mitose-Chromosomen ihr Maximum.
Struktur der DNA:
Primärstruktur: Sequenz
Sekundärstruktur: Doppelhelix in der B-, A-, und Z-Form
Bestimmte DNA-Strukturen begünstigen die Entstehung von Lymphomen:
Eine ungewöhnliche Struktur des Erbmoleküls DNA in den Chromosomen von Lymphozyten verursacht brüchige Stellen im Chromosom 18. Die anders strukturierte DNA begünstigt eine verbreitetete Form von Lymphdrüsenkrebs, das so genannte follikuläre Lymphom. Dies ist die erste Krankheit, die mit einer Abweichung der DNA – Struktur von der Watson – Crick – Doppelhelix verbunden ist. Der genaue Aufbau der Struktur ist noch unbekannt. Die weitere stabile DNA – Struktur bildet sich im Genom von B-Lymphozyten und ist eine Hybridstruktur aus einzelsträngiger DNA und ihrer in RNA übersetzten Variante. Diese Struktur spielt eine wesentliche Rolle für die Vielfalt der Antikörper. Sie befindet sich auf dem Chromosom 18. In diesem Gen, das den Lebenszyklus der Immunzellen regelt, kann es zu einem Bruch kommen. Dann werden Teile des Gens mit Abschnitten eines Gens auf Chromosom 14 ausgetauscht. Dies führt zu einem unkontrollierten Wachstum von Immunzellen, Leukämie entsteht.
[...]
Zu Z 9 (§65):
§65 Abs 1 unterscheidet nun vier Typen von genetischen Analysen, die je nach ihrem Zweck (Feststellung einer Prädisposition oder einer bereits bestehenden Erkrankung), ihrer Bedeutung für den Patienten oder auch für seine Nachkommen, und den Möglichkeiten einer Prophylaxe oder Therapie in unterschiedlicher Weise behördlicher Genehmigung und Überwachung unterliegen. Insbesondere sind aber auch die jeweiligen Folgen für die Qualitätssicherung, die Beratung und den Datenschutz abgestuft.
Ein wichtiger Punkt dabei ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus genetischen und anderen, konventionellen, Untersuchungsmethoden. Hier sollte bei den entsprechenden genetischen Analysen eine Deregulierung hinsichtlich der Antragspflicht erfolgen, andererseits aber was die Qualitätssicherung, die Beratung und den Datenschutz angeht, gleiche Rechtsfolgen ausgelöst werden.
Typ 1 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung mittels genetischer Analyse, bei der eine somatische Mutation festgestellt wird; diese Untersuchung kommt einer medizinischen Standarduntersuchung gleich, die Ergebnisse aus einer solchen Untersuchung können in Arztbriefen und Krankengeschichten wie herkömmliche medizinische Daten dokumentiert sein, um eine Therapie, Abrechnung mit der Krankenkasse u.s.w. zu ermöglichen. Bei der weitaus überwiegenden Zahl der genetisch untersuchten Erkrankungen handelt es sich um solche, die durch somatische Mutationen bedingt sind und daher in die Kategorie 1 fallen. Weiters unterliegt diesem Analysetyp die Vorbereitung einer Therapie oder die Kontrolle des Therapieverfahrens.
Die Feststellung einer Keimbahnmutation im Zuge einer solchen Untersuchung, fällt unter Typ 2, da eine Keimbahnmutation auch Angehörige betrifft und daher nach Durchführung der genetischen Analyse eine entsprechende Beratung zu erfolgen hat. Das Ergebnis kann in Arztbriefen und Krankengeschichte dokumentiert sein, soferne der Patient dem nicht widerspricht.
Typ 3 und 4 umfassen prädiktive genetische Untersuchungen im Sinne des derzeit geltenden § 65 Abs 1 Z 1. Für diese Analysen ist weiterhin eine Zulassung der Einrichtung gem. § 68 GTG sowie eine ausführliche Beratung vor und nach Durchführung der genetischen Analyse erforderlich. Für genetische Analysen des Typs 4 gelten darüber hinaus besondere Bestimmungen hinsichtlich des Umgangs bzw. der Weitergabe von Untersuchungsergebnissen. Kategorie 3 umfaßt dabei prädiktive genetische Analysen für jene Erkrankungen, bei denen eine Therapie oder Prophylaxe möglich ist; Ergebnisse aus solchen Analysen können in Arztbriefen und Krankengeschichten dokumentiert sein, soferne der Patient dem nicht widerspricht. Kategorie 4 umfasst hingegen prädiktive genetische Analysen für jene Erkrankungen, für die keine Therapie oder Prophylaxe möglich sind; Daten aus solchen Untersuchungen müssen gem. § 71 und § 71a GTG gehandhabt werden.
[...]
Zu Z 13 (§69):
Die Bestimmungen über die Beratung und Einwilligung bei genetischen Analysen werden in der vorgeschlagenen Textierung zusammengeführt und entsprechend den vier neu eingeführten Typen von Analysen adaptiert. Dabei wurden die bereits bisher geltenden Vorschriften über die Beratung vor und nach Durchführung der genetischen Analyse beibehalten. Das Recht auf Nichtwissen wurde nun ausdrücklich gesetzlich verankert. Es findet seine Grenze dort, wo es Voraussetzung für die Durchführung einer genetischen Analyse des Typs 2, 3 der 4 ist.
Die Bestimmung ermöglicht weiterhin eine Differenzierung zwischen humangenetischer Beratung (bei multigenetischen, komplexen Erkrankungen) und medizinischer Beratung (von Fachärzten zu beratende weniger schwerwiegende Erkrankungen), die detaillierte Regelung bleibt dem Gentechnikbuch vorbehalten.
Wesentlich für die Neuregelung war - im Zusammenhang mit der Neueinteilung und Neudefinition der genetischen Analysen gemäß § 65 – auch die Überlegung, dass eine Reihe von Krankheitsprädispositionen existiert, auf die nicht nur mittels der bisher unter den (engen) Begriff der Genanalyse fallenden Untersuchungen getestet werden kann, sondern für die auch andere Tests wie etwa Proteinanalysen zur Verfügung stehen.(z.B. bei Cystischer Fibrose , Thromboserisiko, angeborene Störungen im Fettstoffwechsel, Bluthochdruck etc). Diese Tests, für die bei unter Umständen gleichermassen bedeutungsvollem Ergebnis bisher keinerlei gesetzliche Vorschriften galten, fallen jetzt ebenfalls unter die Beratungsvorschriften des § 69: Durch die Neuregelung soll weitgehend verhindert werden, dass Prädispositionsuntersuchungen, die keine Genanalysen im Sinne des geltenden Gesetzes sind, sondern andere (vielleicht schlechtere) prädiktive Tests, für die keine gesetzlichen Regelungen vorliegen, genetische Analysen ersetzen.
[...]"
3. § 11a und § 16 des Bundesgesetzes vom über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VersVG), BGBl 2/1959, idF BGBl I 34/2012, lauten (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):
"§11a. (1) Der Versicherer darf im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen, bei welchen der Gesundheitszustand des Versicherten oder eines Geschädigten erheblich ist, personenbezogene Gesundheitsdaten verwenden, soweit dies
1. zur Beurteilung, ob und zu welchen Bedingungen ein Versicherungsvertrag abgeschlossen oder geändert wird, oder
2. zur Verwaltung bestehender Versicherungsverträge oder
3. zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag
unerläßlich ist. Das Verbot der Ermittlung genanalytischer Daten gemäß § 67 Gentechnikgesetz bleibt unberührt.
(2) Versicherer dürfen personenbezogene Gesundheitsdaten für die in Abs 1 genannten Zwecke nur auf folgende Art ermitteln:
1. durch Befragung der Person, die versichert werden soll oder bereits versichert ist, beziehungsweise durch Befragung des Geschädigten oder
2. anhand der vom Versicherungsnehmer oder vom Geschädigten beigebrachten Unterlagen oder
3. durch Auskünfte von Dritten bei Vorliegen einer für den Einzelfall erteilten ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen oder
4. zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem konkreten Versicherungsfall durch Auskünfte von untersuchenden oder behandelnden Ärzten, Krankenanstalten oder sonstigen Einrichtungen der Krankenversorgung oder Gesundheitsvorsorge (Gesundheitsdienstleister) über Diagnose sowie Art und Dauer der Behandlung, sofern der Betroffene der Ermittlung ausdrücklich und in einer gesonderten Erklärung, die er jederzeit widerrufen kann, in geschriebener Form zugestimmt hat, nachdem ihn der Versicherer auf die Möglichkeit einer Einzelzustimmung (Z3) aufmerksam machte und ihn klar und verständlich über die Folgen der Zustimmung sowie die Verweigerung der Zustimmung und über sein Widerrufsrecht im Falle der Zustimmung belehrte; solche Auskünfte dürfen erst eingeholt werden, nachdem der Betroffene von der beabsichtigten Auskunftserhebung unter Bekanntgabe der konkret nachgefragten Daten sowie des Zweckes der Datenermittlung verständigt und dabei über sein Widerspruchsrecht sowie die Folgen des Widerspruchs klar und verständlich belehrt wurde, und der Datenermittlung nicht binnen 14 Tagen (Einlangen des Widerspruchs) widersprochen hat; oder
5. durch Heranziehung sonstiger, dem Versicherer rechtmäßigerweise bekanntgewordener Daten; diese sind dem Betroffenen mitzuteilen; es steht ihm das Widerspruchsrecht gemäß § 28 Datenschutzgesetz 2000 zu.
[...]
Zweites Kapitel
Anzeigepflicht, Erhöhung der Gefahr
§16. (1) Der Versicherungsnehmer hat beim Abschluß des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind jene Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluß des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bestimmungen abzuschließen, einen Einfluß auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und in geschriebener Form gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich.
(2) Ist dieser Vorschrift zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben, so kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. Das gleiche gilt, wenn die Anzeige eines erheblichen Umstandes deshalb unterblieben ist, weil sich der Versicherungsnehmer der Kenntnis des Umstandes arglistig entzogen hat.
(3) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Umstand kannte. Er ist auch ausgeschlossen, wenn die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist; hat jedoch der Versicherungsnehmer einen Umstand nicht angezeigt, nach dem der Versicherer nicht ausdrücklich und genau umschrieben gefragt hat, so kann dieser vom Vertrag nur dann zurücktreten, wenn die Anzeige vorsätzlich oder grob fahrlässig unterblieben ist."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die antragstellenden Parteien begründen zunächst ihre Antragslegitimation im Wesentlichen damit, dass sie durch die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Wortfolge in § 67 GTG und des letzten Satzes in § 11a Abs 1 VersVG unmittelbar und nachteilig in ihren Rechten verletzt würden. Der Eingriff sei durch die angefochtenen Vorschriften nach Art und Ausmaß eindeutig bestimmt; die Vorschriften verletzten die antragstellenden Parteien aktuell und nicht bloß potentiell in deren Rechtsposition.
§67 GTG richte sich unter anderem unmittelbar an Versicherer und verbiete diesen, Ergebnisse von genetischen Analysen von Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten. Die antragstellenden Parteien als Versicherungsunternehmen seien somit Adressaten dieser Norm.
Durch die Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen in § 67 GTG und des letzten Satzes in § 11a Abs 1 VersVG würde der unmittelbare, nachteilige und aktuelle Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien beseitigt.
Ein zumutbarer Weg zur Abwehr dieses Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien stehe diesen nicht zur Verfügung. So sei es insbesondere für die antragstellenden Parteien nicht zumutbar, Daten aus genetischen Analysen zu erheben und zu verwenden, nur um ein verwaltungsbehördliches Strafverfahren zu provozieren.
Anschließend legen die antragstellenden Parteien ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen folgendermaßen dar:
"5.1 Grundsätzliches zum Versicherungswesen
Die Antragstellerinnen sind Versicherungsunternehmen. Die von den Antragstellerinnen mit ihren Versicherungsnehmern geschlossenen Versicherungsverträge sind gekennzeichnet durch das Element der Gefahrenübernahme durch die Antragstellerinnen und durch die Finanzierung ihrer Versicherungsleistungen durch die Summe der Beiträge, die von den Versicherten aufgebracht werden (dazu und zum Folgenden Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht, 1995, 32 ff). Diesem Versicherungskonstrukt liegt die Überlegung zu Grunde, dass sich ein Risiko innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht bei allen gefährdeten Personen, sondern nur bei einem bestimmten Prozentsatz verwirklicht. Der Versicherer ist daher bemüht, durch Zusammenfassung zahlreicher potenziell Betroffener zu einer Risikogemeinschaft aus den von den Versicherten geleisteten Prämien die Schäden jener abzudecken, bei denen sich das versicherte Risiko verwirklicht (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht, 1995, 34). Die Prämie ist dabei ein Äquivalent für das übernommene Risiko. Dieses Äquivalenzprinzip ' liegt in der Natur der Privatversicherung' (vgl Taupitz , Genetische Diagnostik und Versicherungsrecht, 2000, 9).
Dem Versicherungswesen wohnt zwingend ein Element der Ungewissheit inne. Es kann nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden, ob sich ein versichertes Risiko verwirklicht. Aus diesem Grund haben beide Vertragspartner schon vor Vertragsabschluss ein legitimes Interesse an ausreichender Information über das zu versichernde Risiko: Der Versicherungswerber will wissen, ob die in Aussicht gestellte Risikodeckung seinen Vorstellungen entspricht. Und der Versicherer will über das Risiko Bescheid wissen, das der Versicherungswerber versichern lassen will. Daher hat die genaue Kenntnis des Versicherers von der Möglichkeit der Verwirklichung der versicherten Gefahr erhebliche Auswirkungen auf den Inhalt des Versicherungsvertrags, was sich insbesondere auf die Höhe der Prämien auswirkt (vgl Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht, 1995, 32 ff; Bernert in Stelzer [Hg], Biomedizin — Herausforderung für den Datenschutz, 2005,20 ff). Die Risikoprüfung mit dem Ziel der Kalkulierbarkeit und der Schaffung klarer Verhältnisse vor Vertragsabschluss gilt daher als wesentliches Strukturmerkmal der Privatversicherung (mwN Taupitz , Genetische Diagnostik und Versicherungsrecht 9; Lorenz , Zur Berücksichtigung genetischer Tests und ihrer Ergebnisse beim Abschluss von Personenversicherungsverträgen, VersR 1999, 1310) und somit als zentrales Element des versicherungsrechtlichen ' Ordnungssystems '.
Ein Ausdruck dieser allgemeinen Grundsätze zum Schutz eines Informationsgleichgewichts ist zum einen, dass den Versicherungsnehmer dem Versicherer gegenüber eine Anzeigepflicht trifft: Gem § 16 VersVG (Versicherungsvertragsgesetz BGBI 1959/2 idGF) sind alle ihm bekannten Umstände anzuzeigen, die für die Übernahme einer Gefahr erheblich sind. Ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und in geschriebener Form gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (§16 Abs 1 VersVG). Unterbleibt die Anzeige vor Abschluss des Versicherungsvertrags, kann der Versicherer bei Kenntniserlangung über einen erheblichen Umstand vom bereits geschlossenen Vertrag zurücktreten. Diese Anzeigepflicht bezieht sich — je nach versichertem Risiko — auch auf medizinische Informationen und ärztliche Befunde, etwa über Vorerkrankung oder sonstige gefahrenrelevante Tatsachen. Es ist anerkannt, dass der Versicherer vor Abschluss des Versicherungsvertrags auch die Durchführung bestimmter medizinischer Untersuchungen oder die Beibringung von Untersuchungsergebnissen verlangen kann. Erzwingen kann er diese zwar nicht, er kann aber nach den Grundsätzen der Privatautonomie den Vertragsabschluss ablehnen oder nur zu höheren Prämien akzeptieren (dazu Lorenz , Zur Berücksichtigung genetischer Tests und ihrer Ergebnisse beim Abschluss von Personenversicherungsverträgen, VersR 1999, 1310). Zentrale Zielsetzung des § 16 VersVG ist somit die Ermöglichung einer umfassenden Risikoprüfung und damit die Hintanhaltung einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer.
Eine verwandte Zielsetzung weist § 11a VersVG auf, der die Verwendung von Gesundheitsdaten durch private Versicherer regelt: Danach darf der Versicherer im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen, bei welchen der Gesundheitszustand des Versicherten oder eines Geschädigten erheblich ist, personenbezogene Gesundheitsdaten verwenden, soweit dies zur Beurteilung, (i) ob und zu welchen Bedingungen ein Versicherungsvertrag abgeschlossen oder geändert wird, (ii) zur Verwaltung bestehender Versicherungsverträge oder (iii) zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag unerlässlich ist. Zu den zulässigen Methoden der Gesundheitsdatenermittlung gehört gem § 11a Abs 2 VersVG ua die Befragung der betroffenen Person, aber auch Auskünfte von Dritten (zB Ärzte, Krankenanstalten) bei Vorliegen einer für den Einzelfall erteilten ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen (vgl Bernert in Stelzer [Hg], Biomedizin – Herausforderung für den Datenschutz, 1995, 26 ff). § 11a VersVG trägt sohin den Anforderungen an einen adäquaten Informationsausgleich zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer bei der Leistungsfallprüfung Rechnung. Würde dem grundsätzlich auch im Leistungsfall bestehenden Informationsdefizit des Versicherers nicht ausreichend Rechnung getragen, so könnte dies letztlich die Erfüllbarkeit der Leistungsverpflichtungen des Versicherungsunternehmens in deren Gesamtheit gefährden, weil für den Versicherer keine Möglichkeit zur Prüfung bestünde, ob und in welchem Ausmaß er im angezeigten Leistungsfall zur Leistung verpflichtet wäre.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Gesetzgeber das berechtigte Interesse der Versicherungsunternehmen an der Kenntnis und Verwendung gesundheitsrelevanter Informationen ihrer Versicherungsnehmer sowohl bei der Antragsprüfung wie auch bei der Leistungsfallprüfung grundsätzlich anerkennt (vgl in diesem Zusammenhang auch die EB zu § 11a VersVG, XXIV. GP 1632 dB).
5.2 Beweggrund: Risiko der Antiselektion
Den Beweggrund dieses Antrags bildet das durch § 67 GTG verwirklichte Risiko der Antiselektion in den angesprochenen Versicherungsbereichen. So hat gem § 16 VersVG der Versicherungsnehmer beim Abschluss des Versicherungsvertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der zu versichernden Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind jene Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bestimmungen abzuschließen, einen Einfluss auszuüben.
Unstrittig ist, dass für die Übernahme von Versicherungsverhältnissen, bei welchen der Gesundheitszustand des Versicherten oder eines Geschädigten erheblich ist, Fragen und Informationen zum Gesundheitszustand des Versicherungswerbers im Antragszeitpunkt einen erheblichen Umstand iSd § 16 VersVG bilden.
Ist es einem Versicherer nun aber untersagt, jene Informationen einzuholen, die für die Übernahme der zu versichernden Gefahr erheblich sind, so droht hiedurch das Risiko der Antiselektion. Tendenziell schließen dann jene Versicherungsnehmer mit einem schlechten Gesundheitszustand, dessen Art und Ausmaß bei Antragstellung jedoch nicht erhoben werden darf, eine Versicherung ab, um gezielt die Verwirklichung dieses Gesundheitsrisikos zu versichern. Derartiges läuft dem Prinzip der Gesundheitsversicherung zuwider, wonach zwar ein allgemeines Gesundheitsrisiko versichert wird, nicht jedoch ein konkreter und bereits absehbarer Gesundheitsfall. Daraus ergibt sich eine Verschlechterung der Risikosituation des Versicherungsbestands, die unmittelbare finanzielle Auswirkungen auf die Prämiensituation der übrigen Versicherungsnehmer hat. Im Extremfall, dh wenn sehr viele Versicherungsnehmer 'gezielt' eine Versicherung über einen bereits im Antragszeitpunkt absehbaren Gesundheitsfalls abschließen, kann sogar die Erfüllbarkeit der Leistungsverpflichtungen des Versicherungsunternehmens in deren Gesamtheit gefährdet werden, weil die Rechnungsgrundlagen der Versicherung auf durchschnittliche Risiken mit einem Sicherheitszuschlag abstellen und daher keine wesentlichen, systemwidrigen Risikoverschlechterungen des Gesamtbestands zulassen.
Sinngemäßes gilt für die Leistungsfallprüfung. Auch hier gilt, dass die Interessen der Versichertengemeinschaft gefährdet würden, wenn es den Versicherern versagt wäre, die für die Leistungsfallprüfung benötigten Gesundheitsinformationen des Versicherungsnehmers einzuholen. Nun erlaubt § 11a VersVG zwar den Versicherern in der Gesundheitsversicherung die Verwendung personenbezogener Gesundheitsdaten zur Prüfung, ob und zu welchen Bedingungen ein Versicherungsvertrag abgeschlossen oder geändert wird, wie auch zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag, jedoch bleibt gem § 11a Abs 1 Z 3 VersVG das Verbot der Ermittlung genanalytischer Daten gem § 67 GTG hiervon unberührt. Es ist Versicherungsunternehmen also verboten, im Rahmen der Antrags- wie auch der Leistungsfallprüfung personenbezogene Gesundheitsdaten des Versicherungsnehmers bzw Versicherungswerbers zu beurteilen, sofern diese in den Anwendungsbereich des § 67 GTG fallen.
Im Folgenden werden die verfassungsrechtlichen Bedenken an dieser Verbotswirkung des § 67 GTG dargelegt.
5.3 Historischer Rechtszusammenhang
Zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am statuierte § 67 GTG in der Stammfassung (BGBI 1994/510) unter der Überschrift 'Verbot der Erhebung und Verwendung von Daten aus Genanalysen für bestimmte Zwecke', dass es 'Arbeitgebern und Versicherern einschließlich deren Beauftragten und Mitarbeitern verboten [ist], Ergebnisse von Genanalysen von ihren Arbeitnehmern, Arbeitsuchenden oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten.' Die 'Genanalyse' war in der Stammfassung in § 4 Z 23 GTG definiert als 'die molekulargenetische Untersuchung an Chromosomen, Genen und DNS-Abschnitten eines Menschen zur Feststellung von Mutationen' . Die RV 1465 XVIII. GP (auf dieser RV beruhte der dem GTG zugrunde liegende Initiativantrag 732/A) hielten zu § 67 GTG fest, dass mit dem in dieser Norm umschriebenen Verbot der Schutz des sozial Schwächeren in Rechtsverhältnissen mit wirtschaftlicher Abhängigkeit gewahrt werden soll, wobei die Erläuterungen des Gesetzgebers durchwegs nur auf Fälle des Arbeitslebens, dh auf Arbeitssuchende, auf Arbeits- und arbeitsähnliche Verhältnisse und auf Zwangssituationen im Erwerbsleben Bezug nahmen. Dennoch wurden auch die Versicherungen in den Verbotsumfang mit aufgenommen.
Gerade diese Miterfassung von Versicherungsunternehmen in einer Verbotswirkung, die auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverhältnisse abstellen wollte, wurde seit jeher heftig kritisiert. Insbesondere die Art der Verbotsdefinition, nämlich das Abstellen darauf, ob die verbotsunterworfenen Daten aus einer bestimmten Art der Erhebung (die Genanalyse) stammen, wurde kritisch hinterfragt. Dies sei 'merkwürdig', weil damit 'der Versicherungsnehmer dem Versicherer die ihm bereits bekannten gesundheitlichen Defekte nur deshalb bewusst verschweigen dürfe, weil sie durch eine Genomanalyse ermittelt wurden' ( Welser , in BM für Wissenschaft und Forschung [Hrsg], Gentechnologie im österreichischen Recht 191, 221ff). Das Verbot der Verwendung genetischer Untersuchungen im Versicherungsbereich sei 'zufällig und willkürlich', weil die Sachfragen, die mit diesem Verbot geregelt hätten werden sollen, nur bedingt mit einer bestimmten Technik zu tun hätte, dennoch aber die Regelung nur an einer bestimmten Technik orientiert sei. Deshalb sei dieser Regelung 'die Sachlichkeit abzusprechen' ( Selb , Zum Entwurf eines Gentechnikgesetzes, JBL 1991, 749 ff). Im gleichen Sinn wurde kritisiert, dass das vom Gesetzgeber postulierte 'Recht auf Nichtwissen' nur in Bezug auf ein bestimmtes diagnostisches Verfahren (die Genanalyse) geschützt wird, während derselbe Krankheits- oder Prädispositionsbefund nicht mehr im gleichen Ausmaß schützenswert erscheint, wenn er durch andere Methoden gewonnen wird. Zudem sei es unsachlich, dass dem Versicherungsnehmer selbst bei ohnedies bereits manifesten Krankheiten ein 'Recht auf Schweigen' zugestanden würde, nur weil die Erbkrankheit im Wege einer Genanalyse diagnostiziert worden ist ([ Bernat] , FS Steffen, 1995, S 42 ff). Im Endeffekt laufe dies auf eine sachwidrige Lastenüberwälzung auf die Versichertengemeinschaft hinaus, weil die Verbotswirkung des § 67 GTG eine sachwidrige Erhöhung des Risikos der Versicherer bewirke ([ Bernat] , JRE 10 [2002] 200 ff).
Auch die jüngere Literatur übte Kritik an der Verbotswirkung des § 67 GTG für Versicherungsunternehmen. So lasse die Bestimmung die durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebotene Abwägung der betroffenen Interessen außer Acht; das Problem der Antiselektion werde von § 67 GTG nicht berücksichtigt und somit die Funktionsfähigkeit der Privatversicherung undifferenziert beeinträchtigt. Das generelle Verbot nach § 67 GTG erscheine hinsichtlich des öffentlichen Interesses, bei Vertragsabschlüssen einer absichtlichen Herbeiführung von Willensmängeln des Vertragspartners entgegenzuwirken bzw dies zumindest nicht zu ermöglichen, unverhältnismäßig ( Bern[e]rt , Europarechtliche Implikationen des Verbots nach § 67 GTG, in Stelzer [Hrsg], Biomedizin - Herausforderungen für den Datenschutz [2000] 19 ff).
Seit Inkrafttreten des § 67 GTG wurde dessen Verbotswirkung für Versicherungsunternehmen sohin kritisiert und es wurde — zu Recht — aufgezeigt, dass hiedurch ein nicht im öffentlichen Interesse gelegenes Risiko der Antiselektion geschaffen wurde. In dieses Bild fügt es sich, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 67 GTG das Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverhältnis vor Augen hatte, dennoch aber – aus letztlich unerfindlichen Gründen – die Privatversicherungen in dieses Verbot mit einbezog.
Mit den seither ergangenen Novellen zum GTG wurde dieser schon an der Stammfassung des § 67 GTG bestehenden Kritik nicht Rechnung getragen, sondern es wurde die in Rede stehende Bestimmung in einer Art und Weise modifiziert, dass sich die aufgezeigten Bedenken sogar verschärft haben. Dazu im Folgenden:
5.4 Der aktuelle Rechtszusammenhang des § 67 GTG
Die dem in § 67 GTG verankerten Verbot der Verwertung von Ergebnissen genetischer Analysen zugrunde liegende begriffliche Definition findet sich in § 4 Z 23 GTG. Demgemäß ist eine genetische Analyse eine 'Laboranalyse, die zu Aussagen über konkrete Eigenschaften hinsichtlich Anzahl, Struktur oder Sequenz von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten oder von Produkten der DNA und deren konkrete chemische Modifikationen führt, und die damit nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Aussagen über einen Überträgerstatus, ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf an einem Menschen ermöglicht' .
Das Verbot des § 67 GTG definiert sich also durch zwei Merkmale:
(i) die Aussage der Untersuchung, dh die Aussage über konkrete Eigenschaften der untersuchten Person; und
(ii) die Art der Untersuchung: nur eine Laboranalyse unterfällt dem Verbot des § 67 GTG.
Betrachtet man nun den Wortlaut der Regelungen des § 4 Z 23 iVm § 67 GTG, so fällt auf, dass von diesen - weiten - Begriffsbestimmungen eine Vielzahl von Untersuchungen mit umfasst sind, die mit dem vom Gesetzgeber angestrebten Schutz der 'genetischen Privatsphäre' (vgl 1465 BIgNR 18.GP, 63) der Betroffenen nur bedingt vereinbar sind. So dient etwa allein schon eine herkömmliche Blutlaboranalyse dazu, konkrete Eigenschaften zu den Chromosomen, Genen oder der DNA des Untersuchten zu bewerten, um daraus Aussagen über eine vorliegende Krankheit des Betroffenen, seinen Therapieverlauf usw zu treffen. Jegliche Blutlaboranalyse (so etwa ein Blutbild) fällt daher schon unter den Wortlaut des § 67 GTG.
Die Vielzahl der solcherart vom gesetzlichen Verbot des § 67 GTG umfassten Laboruntersuchungen lässt den Anwendungsbereich dieses Verbots weit über dessen ursprüngliche – und schon damals kritisierte – Fassung hinausgehen. In seiner Ursprungsfassung galt das Verbot des § 67 GTG nämlich nur für ' molekulargenetische Untersuchungen an Chromosomen, Genen und DNS Abschnitten eines Menschen zur Feststellung von Mutationen ' (§4 Z 23 GTG idF BGBI 1994/510). Während also der Schutz der 'genetischen Privatsphäre' gemäß dem ursprünglichen Konzept des Gesetzgebers auf Informationen über festgestellte Mutationen an Chromosomen, Genen und DNS Abschnitten eines Menschen beschränkt war, wurde das Verbot des § 67 GTG im Zuge der GTG-Novelle 2005, BGBI I 2005/127 auf die nunmehr geltende Verbotsfassung erweitert.
Die maßgeblichen durch diese Novelle bewirkten Tatbestandserweiterungen lassen sich wie folgt anschaulich gegenüberstellen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammfassung (BGBI 1994[/]510) | Aktuelle Fassung (BGBl I 2012/114) |
1. Untersuchungsart: | 1. Untersuchungsart: |
Molekulargenetische Untersuchung | Jede Laboranalyse |
2. Untersuchungsgegenstand: | 2. Untersuchungsgegenstand: |
Chromosome, Gene und DNS Abschnit- | Konkrete Eigenschaften von Chromo- |
ten eines Menschen | mosomen, Genen und DNA - Abschnitten oder Produkten der DNA eines Menschen und deren konkrete chemische Modifikationen |
3. Aussage der Untersuchung: | 3. Aussage der Untersuchung: |
Feststellung von Mutationen | Aussagen über einen Überträgerstatus, ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf an einem Menschen |
Diese Gegenüberstellung zeigt, dass das Verbot des § 67 GTG in seiner nunmehrigen Fassung weit von dem Verbot der Stammfassung abgewichen ist. Nicht nur die Untersuchungsart wurde von der molekulargenetischen Untersuchung auf jegliche (herkömmliche) Laboranalyse erweitert, auch der vom Verwendungsverbot umfasste Aussagezweck der Untersuchung wurde maßgeblich erweitert. Während ursprünglich bloß die Feststellung von Mutationen als ein iSd § 67 GTG verbotenes Ergebnis galt, ist nun jegliche Aussage über ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- und Therapieverlauf ein verbotenes Ergebnis iSd § 67 GTG.
Die unmittelbare Nachteiligkeit dieses Verbots für die Versicherungsunternehmen manifestiert sich nun darin, dass es ihnen verboten ist, jegliche Information aus Laborbefunden, Laborergebnissen oder sonstigen Laboranalysen stammenden Informationen zu Chromosomen, Genen und DNA-Abschnitten eines Versicherungsnehmers zu prüfen, sofern daraus Aussagen zu dessen Krankheitsrisiken, Krankheiten oder Krankheits- bzw Therapieverläufen ableitbar sind. Anders gesprochen: Es ist den Versicherern generell und allumfassend verboten, auf Laboranalysen beruhende Gesundheitsdaten ihrer Versicherungsnehmer zu verarbeiten und damit die erforderlichen Leistungsfall- und Antragsprüfungen im gebotenen Ausmaß vorzunehmen. Mit dem ursprünglich vom Gesetzgeber intendierten und in der Stammfassung des § 67 GTG manifestierten Schutz der 'genetischen Privatsphäre' des Betroffenen hat dies nichts mehr zu tun. Es wird den Versicherern schlicht verboten, Umstände zu erheben, die iSd § 16 VersVG für die Übernahme der zu versichernden Gefahr in der Gesundheitsversicherung erheblich oder für eine valide Leistungsfallprüfung erforderlich sind.
5.5 Verschärfung der verfassungsrechtlichen Bedenken zu § 67 GTG
Betrachtet man den derzeit in Geltung stehenden § 67 GTG im Lichte der obigen Gegenüberstellung zur Stammfassung des § 67 GTG, so zielt dessen Verbotswirkung nun umfänglich auf Aussagen über einen Überträgerstatus, ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf an einem Menschen ab. All dies wären Daten und Informationen, die der Versicherer zweifelsohne im Rahmen der §§11a ff VersVG zur Antrags- und Leistungsfallbearbeitung zu verwenden berechtigt wäre. Wenn nun aber diese Informationen im Wege einer Laboranalyse gewonnen wurden, so sind sie dem Verwendungsverbot des § 67 GTG unterstellt. Die schon jeher am Verbot des § 67 GTG bestehende Kritik, wonach sich die Verbotswirkung in unsachgerechter Weise nur an einer bestimmten Technik orientiert, wurde durch die seither vorgenommenen begrifflichen Erweiterungen des § 67 GTG verschärft.
Aus dem Dargelegten ergibt sich:
Das Verbot der Verwendung gentechnischer Daten war in seiner Ursprungsfassung enger gezogen. So war es in der –- ohnedies schon kritischen – Ursprungsfassung des Verbots lediglich untersagt, Aussagen über genetische Mutationen des Betroffenen zu verwerten. Die nachträgliche Ausweitung dieses Verbots brachte es mit sich, dass dadurch jegliche Aussagen über Krankheiten oder Krankheitsrisiken der Betroffenen dem Verwendungsverbot unterliegen, sofern sie nur durch eine Laboranalyse gewonnen wurden. Dies entspricht keinesfalls mehr der Intention des Verbotszwecks, wonach die 'genetische' Privatsphäre des Betroffenen sichergestellt werden sollte. Durch die nun vorliegende Fassung des § 67 GTG wurde vielmehr eine umfängliche 'Krankheitsprivatsphäre' für die Betroffenen geschaffen, gleichwohl die Rechtsordnung im Gewand des § 11a VersVG das berechtigte Interesse der Versicherungsunternehmen an der Kenntnis krankheitsbezogener Umstände ihrer Versicherungsnehmer und Versicherungswerber anerkennt.
Insofern stellt § 67 GTG in seiner nunmehrigen Fassung einen systemwidrigen Widerspruch zu § 11a VersVG dar. So darf ein und derselbe Krankheits- und Prädispositionsbefund vom Versicherer im Rahmen des § 11a VersVG zum – legitimen – Zweck der Antrags- und Leistungsfallprüfung verwendet werden, wenn er durch andere Methoden als eine Laboranalyse erstellt wird (so auch [ Bernat] , FS Steffen , 1995, 42ff). Wird hingegen dieser Befund durch eine Laboranalyse gewonnen, so ist es dem Versicherer gem § 67 GTG untersagt, den Befund in seine Antrags- oder Leistungsfallprüfung einzubeziehen. Dies ist schlicht nicht nachvollziehbar und hat mit der vom Gesetzgeber gewollten 'genetischen Selbstbestimmung' der Betroffenen nichts zu tun. Verschärft wird diese Systemwidrigkeit durch den Umstand, dass die angesprochenen Laboranalysen, bedingt durch medizinischen Fortschritt und durch Kostenüberlegungen, in Zukunft in immer stärkerem Ausmaß zum Einsatz kommen werden, was schließlich zu einer - vom Gesetzgeber in dieser Art nicht gewollten - absoluten 'Gesundheitsinformationssperre' für die Versicherungsunternehmen führt.
Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang, dass das Verbot des § 67 GTG absolut wirkt. Es ist also dem Versicherer auch nicht möglich, freiwillig vom Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellte Laboranalysen zu prüfen und zu bewerten (arg: Verbot der 'Annahme'). Auch ist es dem Versicherer untersagt, vom Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellte Körpersubstanzen für 'genanalytische Zwecke' zu verwenden (vgl § 67 GTG letzter Satz).
Es ist einem Versicherungsunternehmen sohin absolut untersagt, die dargelegten, auf einer Laboranalyse beruhenden Gesundheitsinformationen eines Versicherungsnehmers oder Versicherungswerbers zu verwenden, gleichwohl das Versicherungsunternehmen diese Informationen verwenden dürfte, wenn sie auf anderen Methoden als einer Laboranalyse beruhen.
5.6 Auswirkungen und Aktualität des Eingriffs
Tatsächlich sind die tatsächlichen Auswirkungen der zuvor beschriebenen Verbotswirkungen aktuell feststellbar. Auch wenn es den Versicherern gem § 67 GTG verboten ist, unter diese Bestimmungen fallende Daten und Informationen zu kompilieren und auszuwerten, so war doch bei den Leistungsfallprüfungen feststellbar, dass in steigendem Ausmaß operative Eingriffe stattfinden, die auf gendiagnostischen Untersuchungen beruhen und gezielt präventive Ziele und Zweck verfolgen. So werden vermehrt Brustamputationen als Leistungsfälle verzeichnet, bei denen kein Krebs diagnostiziert wurde, wohl aber eine diesbezügliche genetische Prädisposition aufgrund gendiagnostischer Untersuchungen befürchtet wird. Wie gesagt, ist es gem § 67 GTG verboten, hierüber Statistiken und Auswertungen zu erstellen. Dennoch lässt die Wahrnehmung im operativen Versicherungsfeld unzweifelhaft den Schluss zu, dass das gesetzgeberische Motiv des 'Rechts auf Nichtwissen' in der Praxis nicht praktiziert wird, sondern vielmehr gezielt Versicherungsabschlüsse im Wissen eines unmittelbar geplanten medizinischen Eingriffs getroffen werden. Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang bleiben, dass die Versicherung im Leistungsfall nur dann leisten darf, wenn der jeweilige Leistungsfall medizinisch indiziert ist. Die Versicherung ist daher auf jene medizinischen Daten und Gesundheitsinformationen, die sie zur Leistungsfallprüfung benötigt, unmittelbar angewiesen. Kann diese Anforderung durch das Verbot des § 67 GTG nicht (mehr) erfüllt werden, so wird dadurch weniger ein 'Recht auf Nichtwissen' realisiert, als vielmehr die Antrags- und Leistungsfallprüfung im Versicherungswesen, und letztlich das Versicherungswesen in dessen Gesamtheit, konterkariert.
Eine Unfallversicherung wird in der Erwartung (und dem Hoffen) geschlossen, nicht in unmittelbarer zeitlicher Folge zum Versicherungsschluss einen Unfall zu erleiden. Eine Gesundheitsversicherung wird in der Erwartung (und dem Hoffen) geschlossen, nicht in unmittelbarer zeitlicher Folge zum Versicherungsschluss zu erkranken. Auf diesem Gedanken basiert das Prinzip der Risikogemeinschaft im Versicherungswesen. Das Verbot des § 67 GTG eröffnet die Möglichkeit, dieses Prinzip nachhaltig und auf systematische Art und Weise zu unterlaufen. In der Praxis wird diese Möglichkeit in zunehmendem Ausmaß auch tatsächlich genutzt.
6 Beschwerdegründe
6.1 Vorangestellt: Gesetzgeberisches Motiv
Jeder Grundrechtseingriff hat einem legitimen Zweck zu dienen. Dieser muss im 'öffentlichen Interesse' liegen. Erklärtes Motiv und Ziel des Gesetzgebers war es bei der Schaffung des § 67 GTG, den Schutz der 'genetische[n] Privatsphäre des einzelnen Menschen', deren 'Unantastbarkeit vor allem in jenen Fällen nicht gewährleistet [sei], wo der einzelne faktischen Zwangssituationen, wie sie im Erwerbsleben gegeben sein können, unterliegt' , zu gewährleisten (1465 BIgNR XVIII. GP , 63).
§67 GTG in seiner geltenden Form ist weder geeignet, dieses Ziel umzusetzen, noch bietet er ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung dieses Ziels.
Dazu im Detail:
6.2 Verletzung des Eigentumsrechts und der Privatautonomie sowie der Freiheit der Erwerbsausübung
6.2.1 Einleitendes
Nach stRsp des VfGH ergibt sich aus der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsgarantie auch der Schutz der Privatautonomie (VfSlg 12.227, 13.963, 15.771, 15.907). Der Begriff ist weit zu verstehen. Der VfGH anerkennt damit, ebenso wie im Rahmen der Freiheit der Erwerbsausübung, das Recht, Verträge grundsätzlich zu beliebigen Konditionen abzuschließen. Es steht dem Rechtsunterworfenen daher prinzipiell frei, ob, mit wem und mit welchem Inhalt er Vereinbarungen abschließt (VfSlg 17071). Ein Gesetz, das den Abschluss bestimmter Verträge verhindert oder zum Abschluss bestimmter Verträge zwingt greift in das Eigentumsrecht der Vertragspartner ein (VfSlg 17.071). Die Grenzen müssen jedenfalls weit vor der gänzlichen Beseitigung der grundrechtlich gewährleisteten Freiheit gezogen werden, soll das Anliegen der Grundrechte auch gegenüber dem Gesetzgeber gewahrt bleiben (vgl Korinek , Die Beschränkung der Privatautonomie durch Wirtschaftsgesetze, Wiener Juristische Gesellschaft, Sitzung vom , JBI 1982, 29).
Aufgrund der in Art 5 und Art 6 StGG formulierten Gesetzesvorbehalte darf der einfache Gesetzgeber diese grundrechtlich gewährleisteten Positionen nur beschränken, wenn der Eingriff verhältnismäßig ist, dh er muss ein legitimes Ziel verfolgen (im öffentlichen Interesse liegen) (VfSlg 11.402; 12.227), geeignet (VfSlg 11.276), erforderlich (VfSlg 14.679) und adäquat sein (VfSlg 14.075; 14.503).
6.2.2 Eingriff
Im Lichte der Erwerbsfreiheit, der Eigentumsgarantie und des Schutzes der Privatautonomie steht es einem Versicherer nicht nur frei, die Konditionen des Vertragsschlusses zu wählen, sondern auch vom Vertragsschluss abzusehen wenn der Vertragspartner diese Konditionen nicht erfüllen kann oder will. Insofern ist der Versicherer frei, den Vertragsschluss abzulehnen, wenn der Versicherungswerber risikorelevante Informationen verweigert oder Versicherungsverträge nur mit Personen zu schließen, die sich einer bestimmten, dem Zweck der Risikoprüfung dienenden Untersuchung unterziehen (vgl Taupitz , Genetische Diagnostik, 38f). Ebenso steht es dem Versicherer frei, von der Versicherungsleistung abzusehen, wenn die diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
Wie unter Pkt dargelegt, untersagt § 67 GTG dem Versicherungsunternehmen wie auch dem Versicherungswerber bzw Versicherungsnehmer den Austausch all jener Gesundheitsdaten, die aus Laboranalysen stammen. Dieses Verbot ist für beide Vertragsparteien zwingend und nicht abdingbar. Insbesondere wird auch die freiwillige Preisgabe von Informationen durch den Versicherten gesetzlich untersagt. Damit wird dem Versicherer auch der – durch § 11a Abs 2 VersVG geschaffene – Zugang zu personenbezogenen Gesundheitsdaten aufgrund derer freiwilligen Bekanntgabe durch den Versicherungsnehmer verwehrt.
Insofern verbietet § 67 GTG dem Versicherer wie auch dem Versicherungsnehmer den Austausch bestimmter Informationen vor Vertragsabschluss, die aus den dargelegten Gründen aber Voraussetzung für die Prüfung sind, ob der Vertrag geschlossen werden soll. Gleichermaßen verbietet § 67 GTG den Vertragsparteien den Austausch bestimmter Informationen, obwohl diese zur Beurteilung von Ansprüchen und Leistungen aus dem Versicherungsvertrag notwendig sind.
Damit werden die Antragstellerinnen in der Prüfung der Annahme von Versicherungsverträgen, in der Gestaltung ihrer Versicherungsverträge wie auch in der Prüfung von Leistungsfällen beeinträchtigt bzw wird ihnen dies teils überhaupt verwehrt. Dies bewirkt einen Eingriff in die verfassungsgesetzlich eingeräumte Vertragsfreiheit und damit in die Privatautonomie und die Eigentumsrechte der Antragstellerinnen.
Verstärkt wird diese Eingriffswirkung in Bezug auf die Versicherungsunternehmen dadurch, dass diesen im Gewand des § 11a VersVG ein berechtigtes Interesse an den von § 67 GTG erfassten Informationen grundsätzlich zuerkannt wird. Der Gesetzgeber sieht bspw die Kenntnis von Befunden des Versicherungswerbers als notwendige Voraussetzung für den Versicherer an, um die versicherungsrelevanten Aspekte für den Vertragsschluss und im Leistungsfall zu prüfen. Werden aber ein und dieselben Informationen (der Befund) durch eine Laboranalyse gewonnen, so wird durch § 67 GTG eine Informationsassymetrie erzeugt, der § 11a VersVG gerade entgegenwirken soll. Dies, obwohl die Information selbst unverändert bleibt.
6.2.3 Öffentliches Interesse
Der VfGH gesteht dem Gesetzgeber bei der Bewertung der von einer Norm angestrebten öffentlichen Interessen in ständiger Rechtsprechung einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum zu (etwa VfGH G220/06). Bejaht man ein öffentliches Interesse am Schutz der 'genetischen Privatsphäre' der Versicherungsnehmer, so ist im Folgenden jeweils auch das gegenläufige öffentliche Interesse am Funktionieren des Privatversicherungswesens und an der Vermeidung einer unerwünschten Antiselektion in der Privatversicherung in Betracht zu ziehen.
6.2.4 Eignung
Erblickt man den Schutzzweck des § 67 GTG darin, dass der betroffene Versicherungswerber oder Versicherungsnehmer vor der Verwendung der in § 67 iVm § 4 Z 23 GTG angeführten Informationen durch ein Versicherungsunternehmen geschützt werden soll, so zeigt sich, dass das Verbot des § 67 GTG zur Erreichung dieses Zwecks untauglich ist. Hierzu ein Beispiel:
Ein radiologischer Lungenbefund über den Zustand des Bronchialgewebes des Versicherungsnehmers dürfte im Rahmen des § 11a VersVG zu Zwecken der Antrags- oder Leistungsfallprüfung vom Versicherer verwendet werden. Wird derselbe Befund aber über eine Blutbildauswertung, sohin im Wege der Laboranalyse, generiert, so verbietet § 67 GTG die Verwendung dieses Befunds. Dies jedoch nur aufgrund der Art und Weise wie der Befund erstellt wurde. Dass keine Bedenken gegen die Verwendung seines Ergebnisses bestehen, zeigt die Erlaubnisregel des § 11a VersVG. Dies zeigt, dass das Verbot des § 67 GTG etwas anderes regeln will, als es tatsächlich regelt. Während es die Intention des Gesetzgebers war, bestimmte 'Geninformationen' des Versicherungsnehmers zu schützen, bewirkt die tatsächlich in § 67 GTG getroffene Regelung ein über dieses Ziel hinausschießendes Verwendungsverbot. § 11a VersVG erlaubt nämlich die Verwendung derartiger Gesundheitsinformationen wenn sie nur auf andere Weise gewonnen wurden — nämlich nicht durch eine Laboranalyse.
Dies zeigt, dass das gesetzliche Regelwerk in sich widersprüchlich ist. Es wird auf die Art der Gewinnung des Befunds abgestellt und nicht auf den Befund selbst. Ein derartiges Verwendungsverbot war zu keinem Zeitpunkt das Ziel des Gesetzgebers.
Das Verbot des § 67 GTG erweist sich daher als ein zur gesetzgeberischen Zielerreichung ungeeignetes Mittel.
6.2.5 Adäquanz und sachliche Rechtfertigung
Bei der Prüfung, ob die Regelung des § 67 GTG zur Zielerreichung adäquat ist, ist auf deren sachliche Rechtfertigung insgesamt abzustellen. Dabei ist zu prüfen, ob die Norm angemessen ist ('Adäquanz'), und ob sie sachlich gerechtfertigt ist (dies als Aspekt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes).
Es ist folgendes zu erwägen:
In rechtlicher Sicht derogiert § 67 GTG den §§11a und 16 VersVG insofern, als mittels Laboranalyse gewonnene Ergebnisse vom Versicherer gem § 67 GTG nicht verwendet werden dürfen, wohingegen der Versicherer sonstige Gesundheitsinformationen des Versicherungsnehmers gem §§11a, 16 VersVG bei der Antrags- und Leistungsfallprüfung verwenden darf. Aus faktischer Sicht bedeutet dies, dass eine medizinische Information, je nachdem ob sie durch eine genetische (Labor-) Analyse gewonnen wurde oder nicht, vom Versicherungsunternehmen zu den genannten Zwecken verwendet oder nicht verwendet werden darf. Wird also das Ergebnis 'Farbsehschwäche' durch einen Farbsehtest ermittelt, so darf dieses Ergebnis vom Versicherer verwendet werden. Wird dasselbe Ergebnis hingegen durch eine genetische Laboranalyse ermittelt, so steht dessen Verwendung das Verbot des § 67 GTG entgegen.
Im Lichte der dem Adäquanzgedanken zugrunde liegenden, dem Gleichheitssatz angenäherten Prüfung ist zu hinterfragen, ob hier 'Gleiches gleich oder ungleich' behandelt wird, da aus verfassungsrechtlicher Sicht an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen geknüpft sein müssen und nur ungleiche Tatbestände entsprechend unterschiedliche Regelungen zu rechtfertigen vermögen (zB VfSlg 4.392, 8.475 uvm). Im konkreten Fall ist also zu hinterfragen, ob das gänzliche Verbot der Verwertung medizinischer Ergebnisse in bloßer Abhängigkeit von der Art und Weise ihrer Gewinnung gerechtfertigt ist. Anders gefragt: Ist die Unterscheidung der Tatsache, dass das medizinische Ergebnis 'Farbsehschwäche' durch einen Farbsehtest generiert wird, sachlich in solcher Art von der Gewinnung desselben Ergebnisses durch eine genetische Laboranalyse zu unterscheiden, dass im ersteren Fall dessen Verwendung für Versicherungsunternehmen erlaubt sein soll, im zweitgenannten Fall jedoch nicht?
- Medizinisches Verfahren
Die zuvor angeführten Beispiele zeigen, dass für diese Unterscheidung nicht allein auf die Art und Weise abgestellt werden darf, wie der medizinische Befund gewonnen wird. Für den Betroffenen ist es letztlich egal, ob das ihn betreffende Ergebnis durch eine Laboranalyse, durch Gentests oder sonst gewonnen wird. Für ihn zählt der Inhalt der Untersuchung und die sich daraus für ihn ergebenden Folgen. Insofern kann eine sachliche Differenzierung der Frage, ob ein medizinisches Ergebnis vom Versicherer verwendet werden darf oder nicht, nicht isoliert dadurch erfolgen, dass darauf abgestellt wird, wie dieses Ergebnis gewonnen wurde.
- Untersuchungsergebnis
Es ist daher zu hinterfragen, ob die Art und Weise der Gewinnung des Ergebnisses, verbunden mit der Aussagekraft des gewonnenen Ergebnisses, die Differenzierung des § 67 GTG zu rechtfertigen vermag. Vereinfacht ausgedrückt: Sind die im Wege einer genetischen Laboranalyse gewonnenen Ergebnisse derart 'gefährlich', dass deren Verwendungsverbot sachlich gerechtfertigt ist, wohingegen gleiche oder ähnliche Ergebnisse, die auf anderem Weg gewonnen werden – zurecht – verwendet werden dürfen?
Dies ist zu bezweifeln:
Die 'Gefährlichkeit' genetischer Untersuchungen wird im Regelfall darin erblickt, als sie oftmals erbliche bzw bislang unbekannte Krankheiten oder Veranlagungen des Betroffenen zu Tage brächten, was (insb in Fällen fehlender Therapiemöglichkeiten) unweigerlich zu einer hohen Belastung des Betroffenen führt. Davor sollen die Betroffenen geschützt werden ('Recht auf Nichtwissen'). Gleiches gilt auch für blutsverwandte Familienangehörige ('Drittwirkung') (zu alldem Bartram , Humangenetische Diagnostik 83ff).
Hiezu ist darauf hinzuweisen, dass derartiges auch bei 'konventionellen' medizinischen Untersuchungen eintreten kann. Spitalsuntersuchungen oder Vorsorgeuntersuchungen etwa können ebenso bislang unbekannte Krankheiten oder Veranlagungen zu Tage bringen wie genetische Laboranalysen. Es ist leider auch bei jeder 'konventionell' (zB durch Lungenröntgen) diagnostizierten Krankheit keineswegs davon auszugehen, dass hiefür Therapiemöglichkeiten bestehen. Ebenso wie eine genetische Laboranalyse entfaltet auch ein im Wege einer Vorsorgeuntersuchung festgestellter Bluthochdruck des Untersuchten insofern eine 'Drittwirkung', als gemeinhin nach wissenschaftlichen Standards von einer Vererblichkeit dieser Veranlagung ausgegangen wird.
Eine die dargestellte Differenzierung rechtfertigende Unterscheidung nach 'Krankheitsschwere' ist ebenso wenig auszumachen. 'Konventionell' diagnostizierte Krankheiten und Krankheitsbilder können durchwegs ähnliche Schweregrade aufweisen wie solche, die durch genetische Laboranalysen festgestellt werden.
Fasst man all diese Überlegungen zusammen, so lässt sich keine Differenzierung in der Aussagekraft eines durch genetische Laboranalysen gewonnenen Ergebnisses gegenüber 'konventionell' gewonnenen Ergebnissen feststellen, die das in § 67 GTG absolut statuierte Verwertungsverbot zu rechtfertigen vermag.
Zwar wurden (und werden) in der Literatur viele weitere Argumente pro und contra der moralischen Zulässigkeit, Sinnhaftigkeit und Wertigkeit gendiagnostischer Verfahren vertreten, jedoch entfalten diese in deren gesamthafter Betrachtung keine rechtliche Relevanz für den vorliegenden Antrag. Eine diesbezüglich vertiefte rechtliche Auseinandersetzung bietet ein vom VVO hierzu eingeholtes und diesem Antrag in der Beilage angefügtes Gutachten; aus Platzgründen wird von deren näheren Ausführung Abstand genommen.
Beilage: Rechtsgutachten des UnivProf DDr Christian Kopetzki zu Fragen der Verwertung von Ergebnissen genetischer Analysen für Versicherungszwecke, insbesondere zur Verfassungsmäßigkeit des § 67 GTG
Auch der in den gesetzgeberischen Materialien ins Treffen geführte Schutz der Privatsphäre vor faktischen Zwängen geht ins Leere. Im Wesentlichen werden in der Diskussion zwei Gründe für das Vorhandensein einer faktischen Zwangslage vorgebracht. Erstens führe das Verlangen genetischer Daten zu einem faktischen Druck gegenüber dem Versicherungsinteressenten, der sich auf den konkreten Vertragsabschluss auswirke. Zweitens würde dem Versicherungsnehmer im Fall der Zulässigkeit des Verlangens genetischer Daten generell die Möglichkeit zum Abschluss privater Personenversicherungen genommen.
Hierzu ist festzuhalten, dass es privaten Versicherungsunternehmen – wie jedem anderen Privatrechtssubjekt – freisteht, selbst zu entscheiden, ob und mit wem er einen Vertrag abschließen möchte. Er darf innerhalb der gesetzlichen Grenzen (zB gute Sitten gem § 879 ABGB) den Inhalt seiner Verträge bestimmen. Dem Versicherungsnehmer seinerseits steht es frei, zu den vom Versicherer formulierten Bedingungen zu kontrahieren.
Die beiden Vertragsparteien haben ein berechtigtes Interesse daran, die Angemessenheit des Leistungsaustauschs vorab möglichst genau beurteilen zu können. Zur Berechnung des Risikos muss der Versicherer Informationen über den Versicherungsgegenstand erhalten. Dem Interesse an der Erlangung gentechnischer Daten auf der einen Seite müsste ein[e] unerträgliche Zwangslage des Versicherten gegenüberstehen, welche einer gesetzlichen Korrektur Bedarf. Das ist jedoch nicht der Fall.
Der Anreiz zur Bekanntgabe genetischer Informationen ist in der Natur des privatrechtlichen Rechtsgeschäfts begründet. Ein vergleichbarer sozialer Informationsdruck ('faktische Zwangslage') ist generell bei Verträgen, in denen die Grundsätze der Privatautonomie und der freien Marktwirtschaft verwirklicht sind, zu beobachten. Er ist auch in anderen Bereichen der Rechtsordnung anzutreffen, ohne dass deshalb von einer unerträglichen (und gesetzlicher Korrektur bedürftigen) 'Zwangssituation' gesprochen wird. Daraus eine mit der Bekanntgabe genetischer Informationen verknüpfte Besonderheit ableiten zu wollen, wäre falsch.
Schließlich scheint es in keiner Weise rechtfertigbar, dass bereits vorliegende Gesundheitsinformationen, von denen der Versicherungsnehmer positive Kenntnis hat, dem Versicherungsunternehmen verschwiegen werden dürfen, wenn diese aus einer Laboranalyse gewonnen wurden. Das vom Gesetzgeber intendierte 'Recht auf Nichtwissen' verkehrt sich hierdurch in ein 'Recht auf Antiselektion'. Der Versicherungsnehmer muss Informationen, an denen der Gesetzgeber den Versicherungen grundsätzlich ein berechtigtes Kenntnisinteresse zuspricht, nicht preisgeben – nur weil sie aus einer Laboranalyse stammen. An diesem Punkt ist der durch § 67 GTG bewirkte Bruch mit dem Ordnungssystem der Privatversicherungen unübersehbar.
Während in der gesetzlichen Sozialversicherung das Versicherungsverhältnis im gesetzlichen Auftrag gelegen und die Prämienhöhe nicht vom versicherten Risiko abhängig ist, folgt die Privatversicherung einem privaten, nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten geschlossenen Vertrag, bei dem die Prämienhöhe vorn versicherten Risiko abhängt. Die Prämie ist das Äquivalent für das übernommene Risiko. Für deren betriebswirtschaftliche und mathematische Kalkulation hat der Versicherer genaue Kenntnis von der Möglichkeit der Verwirklichung der zu versichernden Gefahr zu haben ([ Bernat] , JRE 10 [s002] 200ff). Das hierfür erforderliche Informationsgleichgewicht zwischen Versicherer und Versicherten wird geradezu konterkariert, wenn es dem Versicherungsnehmer möglich ist, eine etwa durch § 16 VersVG geschuldete Information nur deshalb nicht preisgeben zu müssen, weil sie aus einer Laboranalyse stammt.
Daran ändert auch das sozialpolitische Motiv des 'Schutzes wirtschaftlich Schwacher' nichts, weil dieser Einwand ja bei jedem 'schlechten Risiko' zutreffen würde, wenn der Betroffene bei Bekanntwerden seiner risikoerhöhenden Befunde möglicherweise versicherungsrechtliche Nachteile auf sich nehmen muss (vgl zu § 67 GTG insb auch Berberich , Zur aktuellen Bedeutung genetischer Tests in der Privatversicherung, VW 1998, 352). Der Gesetzgeber hat mit dem gänzlichen Verbot des § 67GTG den ihm eingeräumten Ermessensspielraum schlicht überschritten.
Zwischenergebnis:
Der Schutz der 'genetischen Privatsphäre' und des informationellen Selbstbestimmungsrechts begründet keine verfassungsrechtliche Schutzpflicht zur Erlassung eines gesetzlichen Verbots des Verlangens oder der Verwertung von Ergebnissen aus Genanalysen zu Zwecken der Privatversicherung, weil diese Grundrechtspositionen lediglich die freie Selbstbestimmung über die Vornahme eines Gentests bzw die Verwertung dessen Ergebnisse schützen. Auch ist kein sonstiger rechtlicher Zwang zur Duldung derartiger Datenerhebung oder verwendung ersichtlich. Weder nach Versicherungsvertragsrecht noch nach anderen gesetzlichen Bestimmungen besteht im Zusammenhang mit Versicherungen ein Zwang zur Vornahme bzw zur Duldung genetischer Tests oder zur Preisgabe von Ergebnissen aus solchen Tests. Ein faktischer Zwang des Versicherungsnehmers zum Abschluss des Versicherungsvertrags kann die Normierung des gänzlichen Verbots nach § 67 GTG schließlich ebenso wenig rechtfertigen. Durch den Wegfall des in § 67 GTG enthaltenen Verbots wäre die Privatautonomie des Versicherungsnehmers gewahrt, weil sowohl die Durchführung des Tests als auch die Preisgabe der Testergebnisse nach allgemeinen Regeln des Zivil-, Straf- und Datenschutzrechts auf einer persönlichen Einwilligung beruhen müssen. Die vom Gesetzgeber angegebene Begründung zur Schaffung des Verbots ist daher weder aus rechtlicher noch aus faktischer Sicht nachvollziehbar.
6.3 Verletzung des Gleichheitssatzes
6.3.1 Allgemeines
In Entsprechung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ist gem Art 7 B VG bzw Art 2 StGG 'Gleiches gleich und Ungleiches ungleich' zu behandeln, weil aus verfassungsrechtlicher Sicht an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen geknüpft sein müssen und nur ungleiche Tatbestände entsprechend unterschiedliche Regelungen zu rechtfertigen vermögen (zB VfSlg 4.392, 8.475 uvm). Differenzierungen in der gesetzlichen Regelung haben sachlich zu sein.
6.3.2 Gleichheitswidrigkeit des § 67 GTG
Betrachtet man § 67 GTG im Lichte der verfassungsrechtlichen Gleichheitsprüfung, so ist zu hinterfragen, ob gerade im Hinblick auf das Regelungsziel des § 67 GTG die darin normierte Ungleichbehandlung zwischen medizinischen Ergebnissen, die durch genetische Laboranalysen gewonnen wurden, und zwischen 'konventionell' gewonnenen Ergebnissen sachlich gerechtfertigt werden kann.
Aufgrund der Ähnlichkeit der hierzu anzustellenden Erwägungen kann auf die Ausführungen unter Pkt 5.2.5 weitestgehend verwiesen werden. In Zusammenfassung der dort ausgeführten Überlegungen ist gerade im Lichte der Prüfung des § 67 GTG unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots festzuhalten, dass der Gesetzgeber, indem er in § 67 GTG auf die bloße Methodik der Untersuchung abzielt, eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vornimmt.
Im Lichte des vom VfGH aus dem Gleichheitssatz entwickelten allgemeinen Sachlichkeitsgebots ist zudem auf die objektive Wirkung der in Rede stehenden Norm abzustellen. Im Rahmen dieser Prüfung sieht der VfGH den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten, wenn die gesetzliche Regelung exzessiv ist (VfSlg 10.926 ua). Wenn der Gesetzgeber zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorsieht oder wenn die vorgesehenen, an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen, ist der Gleichheitssatz verletzt (VfSlg 12.227).
Wie in Pkt 6.2.5 dargelegt, ist die durch § 67 GTG bewirkte Differenzierung zwischen medizinischen Ergebnissen, die durch genetische Laboranalysen gewonnen wurden, und solchen Ergebnissen, die 'konventionell' gewonnenen werden, sachlich nicht zu rechtfertigen.
Aber auch im Lichte der Prüfung der objektiven Wirkung des § 67 GTG zeigt sich, dass diese Norm den Gleichheitssatz verletzt, weil sie ein völlig ungeeignetes Mittel zur Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Ziels darstellt. Die mangelnde Eignung des § 67 GTG zur Sicherstellung der vom Gesetzgeber gewünschten genetischen Selbstbestimmung der Betroffenen wurde in Pkt 5.4. ausführlich dargelegt.
Im Lichte der Gleichheitsprüfung ist auch darauf hinzuweisen, dass die absolute Verbotswirkung des § 67 GTG überschießend ist. Dies zeigt sich anschaulich anhand eines Ländervergleichs, der zeigt, dass in anderen Ländern ein der österreichischen Rechtslage vergleichbares 'Totalverbot' nicht besteht. Aus Platzgründen beschränkt sich der nachstehende Ländervergleich auf den deutschsprachigen Raum:
In Deutschland wurde zu Beginn des Jahres 2010 das Gendiagnostikgesetz in Kraft gesetzt. Dieses sollte, ähnlich den Motiven des österreichischen Gesetzgebers, das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen wie auch dessen Recht auf Nichtwissen im gendiagnostischen Bereich schützen. Unter anderem verbietet das Gendiagnostikgesetz Versicherungen, Gentests zu verlangen oder Gentestergebnisse zu verwerten (§18 Gendiagnostikgesetz). Zugleich wurde aber im Sinn eines Interessensausgleichs den (insofern zur österreichischen Rechtslage vergleichbaren) Interessen der Versicherungswirtschaft an der Vermeidung des Risikos einer Antiselektion Rechnung getragen, indem dieses Verbot nur auf ein bestimmtes Versicherungsvolumen beschränkt wurde (Versicherungsvolumen EUR 300.000, Versicherungsjahresrente EUR 30.000). Der deutsche Gesetzgeber war sich des durch das im Gendiagnostikgesetz statuierten Verwendungsverbots erzeugten Risikos der Informationsassymetrie zu Lasten von Versicherungsunternehmen bewusst. Um dem öffentlichen Interesse am Funktionieren der Versicherungswirtschaft nicht zuwider zu laufen, setzte der Gesetzgeber daher das Verwendungsverbot in Relation zu dem von ihm gewünschten Ziel, indem er die angesprochenen Betragsgrenzen normierte.
Dies bedeutet nicht zwingend, dass in Österreich die gleiche Regelung oder die gleichen Betragsgrenzen zu implementieren wären wie es in Deutschland der Fall ist. Wohl aber zeigt dieses Beispiel anschaulich die Exzessivität der Regelung des österreichischen Gesetzgebers, welcher 'ohne Wenn und Aber' ein undifferenziertes, absolutes Gentechnikverwendungsverbot statuierte. Der deutsche Gesetzgeber wählte einen differenzierten (und damit auch nach österreichischem Rechtsverständnis sachgerechteren) Ansatz. Auf die Vergleichbarkeit der österreichischen Rechts- aber auch Interessenlage wird an dieser Stelle nochmals ausdrücklich verwiesen.
Eine ähnliche Differenzierung des Verbots gentechnischer Informationen traf auch der Schweizer Gesetzgeber (Art27 des Schweizer Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen). Auch hier wird das Verwertungsverbot für Versicherungen mit einem bestimmten Versicherungsvolumen begrenzt (Versicherungssumme 400.000 Franken; Jahresprämie 40.000 Franken). Auch hier wird ausdrücklich auf die Vergleichbarkeit zur österreichischen Rechts- und Interessenslage verwiesen, sodass die Unverhältnismäßigkeit des undifferenzierten, absolut wirkenden österreichischen Verwendungsverbots des § 67 GTG anschaulich zu Tage tritt.
Auch der Blick über die Grenzen zeigt somit, dass § 67 GTG und das von ihm in Bezug auf Versicherungen statuierte absolute Verwendungsverbot in keiner sachgerechten Relation zu dem vom Gesetzgeber angestrebten Ziel steht.
Letztlich darf auf das vom Bioethischen Komitee des Europarats im Dezember 2013 erlassene Papier 'Draft Recommendation on the use for insurance purposes of personal health-related Information, in particular Information of a genetic and predictive nature' verwiesen werden. Das Bioethische Komitee dient der Festlegung ethischer Grundsätze der Biomedizin unter Berücksichtigung der Vorgaben der Konvention über Menschenrechte und Biomedizin. Mit dem angesprochenen Papier soll die Verwendung von Gendaten zu Versicherungszwecken einem europaweiten (wenn auch nicht verbindlichem) Standard zugeführt werden. Die Begutachtungsfrist zum zitierten Entwurf endete am ; derzeit werden die dazu aus den Mitgliedstaaten eingelangten Stellungnahmen geprüft. Auch wenn sich die angesprochene ' Recommendation ' aktuell noch im Entwurfsprozess befindet, ist doch festzuhalten, dass das Entwurfspapier kein generelles Verbot der Verwendung von Gendaten zu Versicherungszwecken vorsieht. Zwar wird die Verwendung derartiger Daten durchaus strengen Auflagen unterworfen, jedoch wird zwischen bereits bestehenden Gendaten und extra zum Zweck der Versicherungsprüfung neu generierten Gendaten unterschieden. Während gemäß dem Konzept des Entwurfspapiers letztere nicht für Versicherungszwecke verwendet werden dürfen, sollen bereits bestehende Gendaten unter näher beschriebenen Auflagen von Versicherungen zur Risikoprüfung herangezogen werden dürfen. Gemäß dem Konzept des Entwurfspapiers soll also verhindert werden, dass Versicherungen etwa ihre Versicherungsnehmer oder Antragsteller dazu verhalten, sich Gentests zum Zweck der Antragsprüfung zu unterziehen. Bereits bestehende (somit zu anderen Zwecken generierte) Gendaten sollen jedoch unter den im Entwurfspapier näher definierten Voraussetzungen für Versicherungszwecke verwendet werden dürfen. Auch wenn diesem Entwurfspapier keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, zeigt es doch, dass auch im Lichte der Konvention über Menschenrechte und Biomedizin kein dem österreichischen Rechtsgedanken gleichkommendes, absolutes (und undifferenziertes) Verbot der Verarbeitung von Gendaten zu Versicherungszwecken geboten ist.
7 Zusammenfassung
Das in § 67 GTG statuierte Verbot stellt auf die Art und Weise ab, wie die zu schützende Information erstellt wird, nicht aber auf die Information selbst;
§ 67 GTG ist daher ungeeignet, dem gesetzgeberischen Willen zu entsprechen;
Ein Vergleich mit der ohnehin schon bedenklichen Stammfassung des § 67 GTG zeigt, dass die in § 67 GTG nunmehr statuierte absolute Verbotswirkung jedenfalls unverhältnismäßig ist;
Das in § 67 GTG statuierte Verwendungsverbot von genetischen Daten beeinträchtigt die Antragstellerin in verfassungswidriger Weise unmittelbar in deren Rechten auf Eigentumsschutz, auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf Gleichbehandlung."
2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zunächst die Zulässigkeit des Individualantrags im Hinblick auf die erstantragstellende Partei bestreitet; diese sei die Interessenvertretung der privaten Versicherungsunternehmen Österreichs, jedoch selbst kein Versicherer im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes (in der Folge: VersVG). Die Vereinszwecke des erstantragstellenden Vereins seien in § 2 seiner Satzung abschließend aufgezählt. Das Anbieten von Versicherungsleistungen würde auf Grund der damit verbundenen Gewinnabsicht auch die Vereinseigenschaft ausschließen. Ein aktueller und unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des erstantragstellenden Vereins durch die angefochtenen Bestimmungen liege daher nicht vor.
Im Übrigen tritt die Bundesregierung den im Antrag erhobenen Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegen:
"[…]
Der Antrag enthält als 'Beilage' ein Rechtsgutachten von Univ.-Prof. DDr. Christian Kopetzki, auf das im gesamten Antrag lediglich ein einziges Mal eingegangen wird. Auf S 20 des Antrags heißt es [...]:
'Zwar wurden […] in der Literatur viele weitere Argumente pro und contra der moralischen Zulässigkeit […] gendiagnostischer Verfahren vertreten, jedoch entfalten diese in deren gesamthafter Betrachtung keine rechtliche Relevanz für den vorliegenden Antrag. Eine diesbezüglich vertiefte rechtliche Auseinandersetzung bietet ein vom VVO hierzu eingeholtes und diesem Antrag in der Beilage angefügtes Gutachten; aus Platzgründen wird von deren näheren Ausführung Abstand genommen. '
Das Rechtsgutachten wird dadurch weder ausdrücklich zum Inhalt des Antrags erklärt, noch lässt der Antrag den Willen erkennen, den Inhalt dieses – einhundertdreiseitigen – Rechtsgutachtens zu Bedenken der Antragsteller iSd. § 62 Abs 1 VfGG zu erheben. Die Bundesregierung versteht die wiedergegebenen Ausführungen des Antrags vielmehr so, dass das beigelegte Rechtsgutachten lediglich wissenschaftlich-informativen Charakter haben soll.
Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antragsschriftsatz vorgetragenen Bedenken.
1. Zur Rechtslage:
Die Bundesregierung verweist zunächst auf die Darstellung der Rechtslage (Pkt. I). Daraus ergibt sich, dass die Antragsteller in Bezug auf § 67 GTG iVm § 4 Z 23 GTG bzw. § 11a Abs 1 iVm. § 16 VersVG von falschen Prämissen ausgehen:
1.1. Das gesamte Antragsvorbringen baut auf dem Verständnis auf, dass auf Grund der Begriffsdefinition der 'genetischen Analyse' in § 4 Z 23 GTG 'jegliche Blutlaboranalyse (so etwa ein Blutbild)' vom Verbot des § 67 GTG erfasst sei (vgl. Antrag S 11).
Wie oben (Pkt. I.2.4.) ausführlich dargestellt, wurde der Begriff der Genanalyse (genetische Analyse) durch die GTG-Novelle BGBl I Nr 127/2005 über molekulargenetische Untersuchungen hinaus auf andere Laboranalysen mit einem bestimmten medizinisch[en] Aussagewert über das Genmaterial des Menschen erweitert. Routinediagnostik, wie etwa eine Blutfett- oder Blutzuckeranalyse, ist aber – entgegen dem Antragsvorbringen – weiterhin nicht vom Verbot des § 67 GTG umfasst ( Satzinger in Kerschner et al, Kommentar zum Gentechnikgesetz [2007] § 4 Rz 32, § 67 Rz 2). Die Antragsteller übersehen, dass alle – oben unter Pkt. I.2.4. näher dargestellten – Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Z 23 GTG kumulativ vorliegen müssen, damit eine Untersuchung unter das Verbot des § 67 GTG bzw. des § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG fällt: Es muss sich erstens um eine Laboranalyse handeln, die zweitens Aussagen über konkrete Eigenschaften von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten zulässt, woraus drittens Aussagen über einen Überträgerstatus, ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf an einem Menschen ermöglicht werden. Bei einer von den Antragstellern mehrfach als Beispiel herangezogenen herkömmlichen Blutlaboranalyse (sog. Blutbild) können zwar Aussagen über mögliche Erkrankungen einer Person gemacht werden, die sehr wohl auch genetische Ursachen haben können, jedoch werden dabei keine Chromosomen, Gene oder DNA-Abschnitte oder Produkte der DNA untersucht und es können daher auch keine konkreten Aussagen über die Anzahl, Struktur oder Sequenz bzw. über die konkreten chemischen Modifikationen getroffen werden (und daher auch keine weiterreichenden Aussagen etwa über Verwandtschaftsverhältnisse, ethnische Herkunft, Krankheitswahrscheinlichkeiten von Dritten uä. getroffen werden; vgl. dazu näher unten Pkt. II.2.3.3.).
Entgegen dem Antrag (S. 12 f) ist es Versicherern daher gerade nicht 'generell und allumfassend verboten, auf Laboranalysen beruhende Gesundheitsdaten ihrer Versicherungsnehmer zu verarbeiten […]'.
1.2. Der Antrag (S. 10) geht weiters davon aus, dass den Versicherungsnehmern 'selbst bei ohnedies bereits manifesten Krankheiten ein 'Recht auf Schweigen' zugestanden würde, nur weil die Erbkrankheit im Wege einer Genanalyse diagnostiziert worden ist.' Ein und derselbe Krankheits- und Prädispositionsbefund dürfe das eine Mal vom Versicherer im Rahmen des § 11a VersVG zur Antrags- und Leistungsfallprüfung verwendet werden, wenn er nicht durch genetische Analyse erstellt werde, das andere Mal jedoch nicht, wenn ein solcher Befund durch eine genetische Analyse gewonnen werde (Antrag S. 13). Damit verkennen die Antragsteller jedoch die Rechtslage:
§§11a und 16 VersVG erlauben die Befragung von und enthalten eine Anzeigepflicht für (potenzielle) Versicherungsnehmer, sowohl was deren eigene Vorerkrankungen und Krankheitsbilder betrifft als auch solche im engeren und weiteren Familienkreis. Lediglich genanalytische Daten dürfen nicht erfragt und übermittelt werden. Das 'Recht auf Schweigen' umfasst somit nur genanalytische Daten, nicht jedoch eine nach außen ohnedies bereits manifeste Krankheit, die sich erfahrungsgemäß durch Symptome äußert und daher durch Ärzte festgestellt werden kann, auch wenn das Vorliegen dieser Krankheit mittels genetischer Analyse (später) bestätigt wird. Der Schutzzweck des § 67 GTG iVm §§11a und 16 VersVG zielt somit vor allem auf den Schutz der Weitergabe von Ergebnissen prädiktiver Gentests (vgl dazu unten Pkt. III.2.1) ab, da eine manifeste Krankheit einer Person auch mit anderen Methoden erhoben werden kann und auch erhoben wird. So äußert sich die im Antrag (S. 18) erwähnte Farbsehschwäche darin, dass der Patient Farben schlecht sieht und bspw. der Grad dieser Sehschwäche vom Arzt festgestellt wird. Ob diese Farbsehschwäche mittels genetischer Analyse abgeklärt und somit der Ursprung der Krankheit erforscht wird oder nicht, ändert nichts an der Verpflichtung des Patienten, seine Farbsehschwäche dem Versicherer bekannt zu geben. Insoweit besteht daher keinerlei Beschränkung des Informationstransfers vom Versicherungsnehmer (Versicherten) zum Versicherer und damit auch keinerlei asymmetrische Informationsverteilung hinsichtlich bestehender Krankheiten.
Zu der von den Antragstellern befürchteten 'absoluten Gesundheitsinformationssperre für die Versicherungsunternehmen' (Antrag S. 14) kann es bei einer Zugrundelegung des richtigen Begriffsverständnisses daher nicht kommen.
2. Besondere Schutzwürdigkeit genetischer Daten:
2.1. Gemäß dem – im Verfassungsrang stehenden – § 1 Abs 1 Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000, BGBl I Nr 165/1999, hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht.
Nach § 1 Abs 2 DSG 2000 sind, soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl Nr 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
2.2. Das Verbot des § 67 GTG bzw. des § 11a Abs 1 VersVG erfasst auch genetische Daten mit Personenbezug, somit personenbezogene Gesundheitsdaten. Es handelt sich daher um sensible Daten iSd § 4 Z 2 DSG 2000 und um besonders schutzwürdige Daten iSd § 1 Abs 2 DSG 2000.
2.3. Personenbezogene genetische Daten (im Folgenden nur mehr: genetische Daten) weisen – verglichen mit sonstigen Gesundheitsdaten – mehrere Besonderheiten auf, die dazu führen, dass ihre Verwendung einen besonders intensiven Eingriff in die Privatsphäre und das Datenschutzrecht der Betroffenen darstellt.
2.3.1. So erlauben genetische Daten nicht nur Aussagen über den aktuellen Gesundheitszustand einer Person, sondern beinhalten darüber hinaus eine Fülle weiterer, besonders sensibler Informationen, etwa betreffend Verwandtschaftsverhältnisse, ethnische Herkunft und nicht zuletzt die bloße Prädisposition (Veranlagung) für eine Krankheit. Prädiktive genetische Analysen dienen zur Feststellung einer Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Erkrankung oder zur Feststellung eines Überträgerstatuts, unabhängig davon, ob nach dem Stand von Wissenschaft und Technik eine Prophylaxe oder Therapie möglich sind (§65 Abs 1 Z 3 und 4 GTG). Die aus einer prädiktiven Analyse gewonnenen Aussagen können eine erhebliche Belastung für den Betroffenen mit sich bringen, selbst wenn im Einzelfall keine sichere Vorhersage über den tatsächlichen Eintritt eines Krankheitsfalls getroffen werden kann.
2.3.2. Genetische Daten sind unveränderbar und daher auch vom Willen und der Lebensführung des Betroffenen unbeeinflussbar. Auf Grund des rasanten technischen und wirtschaftlichen Fortschrittes in der Gentechnik kann auch nicht vorhergesagt werden, ob anhand der Ergebnisse zulässiger genetischer Analysen in der Zukunft nicht weitere, derzeit noch nicht absehbare medizinische Aussagen getroffen werden können.
2.3.3. Genetische Daten sind nicht nur auf eine einzelne Person bezogen. Vielmehr besteht in jedem Fall auch ein unmittelbarer Personenbezug zu weiteren Betroffenen, nämlich den biologischen Verwandten dieser Person (vgl. zu dieser Gruppendimension auch Artikel 29 Datenschutzgruppe, Arbeitspapier über genetische Daten, Dok. 12178/03/DE, WP 91, S 8ff, http://ec.europa.eu/ justice/policies/privacy/docs/wpdocs/2004/wp91_de.pdf; vgl. auch EGMR [GK], Fall S. und Marper , Appl. 30562/04 und 30566/04, Z 72).
Das bedeutet, dass das Ergebnis einer genetischen Analyse zu einer bestimmten Person immer auch Rückschlüsse auf die genetischen Daten anderer Personen, wie deren Gesundheit, genetische Prädisposition für eine Krankheit usw., erlaubt (worauf § 70 Z 2 GTG Bedacht nimmt). Eine genetische Analyse greift daher auch in deren Privatsphäre und Grundrecht auf Datenschutz ein. Mag dies im Einzelfall auch auf andere Gesundheitsdaten zutreffen, ist es im Hinblick auf genetische Daten doch eine in der Natur dieser Daten gelegene Eigenschaft, auf die der Gesetzgeber bei der Regelung der Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten Bedacht zu nehmen hat.
2.4. Der EGMR hat anerkannt, dass das Recht auf Achtung der Privatsphäre (Art8 EMRK) das Recht auf Zugang zu verfügbaren Informationen über den eigenen Gesundheitszustand, einschließlich Gentests, umfasst (EGMR , R.R. v Poland, Appl 27617/04, Rz 197). In der Literatur wird darüber hinausgehend aus den grundrechtlichen Gewährleistungen der Privatsphäre und des Datenschutzes sowie aus § 16 ABGB ein Recht auf 'genetische Privatsphäre' bzw. auf 'geninformationelle Selbstbestimmung' abgeleitet. Dieses umfasst nicht nur das Recht auf Geheimhaltung genetischer Daten der eigenen Person (und damit den Schutz vor der Verwendung dieser Daten), sondern auch ein 'Recht auf Nichtwissen' im Sinne eines Rechts, über die eigene genetische Disposition nicht Bescheid zu wissen (zB Bernert , Europarechtliche Implikationen des Verbotes nach § 67 GTG, in Stelzer [Hrsg], Biomedizin – Herausforderung für den Datenschutz [2005] 19 [21]; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB 3 [Klang] § 16 Rz 147 mwN). Die genetische Privatsphäre schützt insbesondere auch den Wunsch, nicht über bestehende Erkrankungen oder über Informationen mit prädiktivem Charakter wie eine genetische Veranlagung für bestimmte Erkrankungen, den Überträgerstatus für eine Erbkrankheit usw., Kenntnis zu erlangen.
2.5. Auch der EGMR hat die besondere Sensibilität von genetischen Daten hervorgehoben, zumal deren künftige Verwendbarkeit und Aussagekraft und die damit einhergehenden Implikationen für die Interessen der Betroffenen nicht vorhergesehen werden können (EGMR [GK], S. und Marper, Appl. 30562/04 und 30566/04, Z 71). Diese Erwägung hat auch Eingang in die aktuelle Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gefunden (VfSlg 19.738/2013).
Der besonderen Sensibilität genetischer Daten trägt auch Art 21 Abs 1 GRC Rechnung, der Diskriminierungen ua. wegen der genetischen Merkmale verbietet. Dieses Diskriminierungsmerkmal 'trägt der Sorge Rechnung, dass Gentests, mit deren Hilfe eine genetische Krankheit oder eine Anfälligkeit für eine solche Krankheit festgestellt werden kann, als Mittel zur Diskriminierung verwendet werden könnten' ( Hölscheidt in Meyer [Hrsg], Charta der Grundrechte der Europäischen Union 3 [2011] Art 21 Rz 36).
2.6. Das 'Recht auf Nichtwissen' ist einfachgesetzlich in § 69 Abs 5 GTG ausdrücklich anerkannt (RV 1083 BlgNR 22. GP 9): Bei Beratungen, die ua. bei prädiktiven genetischen Analysen verpflichtend zu erfolgen haben, ist der Ratsuchende bereits bei Beginn der Beratungsgespräche darauf hinzuweisen, dass er – auch nach erfolgter Einwilligung zur genetischen Analyse oder nach erfolgter Beratung – jederzeit mitteilen kann, dass er das Ergebnis der Analyse und der daraus ableitbaren Konsequenzen nicht erfahren möchte. Diesem Schutzzweck dient auch das angefochtene Verbot des § 67 GTG: Diese Bestimmung soll die genetische Privatsphäre schützen und verhindern, dass Versicherungsnehmer auf ihr 'Recht auf Nichtwissen' im Sinne eines Rechts, über die eigene genetische Disposition nicht Bescheid zu wissen, lediglich deshalb verzichten und sich einer genetischen Analyse unterziehen, weil ihnen ansonsten faktisch der Zugang zu einer Versicherung (zu zumutbaren Konditionen) verwehrt wäre (vgl. die oben Pkt. I.2.3. wiedergegebene RV 1465 BlgNR 18. GP 63).
3. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Eigentumsfreiheit:
3.1. Die Antragsteller behaupten eine Verletzung der Eigentumsfreiheit auf das Wesentlichste zusammengefasst deshalb, weil § 67 GTG dem Versicherungsunternehmen wie auch dem Versicherungswerber bzw. -nehmer den Austausch aller aus Laboranalysen stammenden Gesundheitsdaten verbiete. Das Verbot des Austausches dieser Informationen vor Vertragsabschluss beeinträchtige die Antragsteller in der Prüfung der Annahme von Versicherungsverträgen, in der Gestaltung ihrer Versicherungsverträge wie auch in der Prüfung von Leistungsfällen. Dies bedeute einen Eingriff in die Privatautonomie und die Eigentumsrechte der Antragsteller. Dieser Eingriff liege nicht alleine im öffentlichen Interesse, sei aber jedenfalls untauglich zur Erreichung des Schutzzwecks. Der Gesetzgeber schieße mit dem in § 67 GTG getroffenen Verwendungsverbot über die Intention des Gesetzgebers, bestimmte 'Geninformationen' zu schützen, hinaus. § 11a VersVG erlaube nämlich die Verwendung derartiger Gesundheitsinformationen, wenn sie auf andere Weise als durch eine Laboranalyse gewonnen werden. Die Bestimmungen seien deshalb widersprüchlich und inadäquat, weil auf die Art der Gewinnung des Befunds abgestellt werde und nicht auf den Befund selbst.
3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 17.071/2003 mwN, 17.819/2006) ist eine Eigentumsbeschränkung zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse liegt und auch sonst verhältnismäßig ist. Das ist nach Ansicht der Bundesregierung hier der Fall:
3.2.1. Die Bundesregierung bezweifelt bereits den Eingriff in das Recht auf Eigentum:
Das Wesen der Privatversicherung besteht darin, durch Zusammenfassung zahlreicher potenziell Betroffener zu einer Risikogemeinschaft mit Hilfe der Prämien aller die Schäden jener abzudecken, bei denen sich das versicherte Risiko verwirklicht (so auch der Antrag S 6). Im Zentrum steht daher – auch bei der versicherungsmathematischen risikobezogenen Prämienermittlung – letztlich stets eine Gruppenbetrachtung. Die individuell risikoadäquate Prämienbestimmung findet ihre statistische Grenze in der für eine glaubwürdige Schätzung notwendigen Besetzungsstärke der abgegrenzten Risikogruppen. Die originären Risiken des Einzelnen sind als solche im Kollektiv nicht mehr willkürlich isolierbar, auch nach Risikotransformation verbleibt stets ein positives versicherungstechnisches Restrisiko, das der Versicherer zu tragen hat. Die spezifischen Ausprägungen der risikorelevanten Merkmale des Einzelvertrags bestimmen dessen Zuordnung zu einer bestimmten Risikogruppe (quasi-homogenes Teilkollektiv). Der auf der Grundlage von Beobachtungswerten prognostizierte durchschnittliche Schadensverlauf des quasi-homogenen Teilkollektivs ermöglicht erst die Prognose des Gesamtschadens für den einzelnen Vertrag und die risikoadäquate Prämienermittlung. Zur Reduktion von Irrtumsrisiken im Bereich der Diagnose und Prognose dienen Informationen über das transferierte Risiko, insbesondere durch Befragung der Versicherungsnehmer und Versicherten, aber auch durch Beobachtungen im Schadensverlauf der eigenen Gruppe sowie der Verbandsstatistiken und Daten der Rückversicherer (näheres dazu s. Schradin , Das Versicherungsrisiko in der Personenversicherung, Spannungsfelder der Interessenlagen, VR 2010 H 11, 18 [20 ff]).
Davon ausgehend ist jedenfalls die Nachteiligkeit eines Erhebungs- und Verwertungsverbots von mittels genetischer Analyse ermittelter Daten für eine adäquate Prämienfestlegung in den angeführten Versicherungssparten der Lebens-, Kranken- und Unfallversicherung nicht ohne weiteres offenkundig. Der Antrag legt auch nicht dar, die Erhebung und Verwertung welcher (bereits vorhandener) genetischer Daten für welche Risikogruppe sich in welcher konkreten Form und in welchem Ausmaß fördernd auswirken würde. Worin die Antragsteller konkrete Nachteile durch das Verbot sehen, bestimmte genetische Daten als Informationsquelle zu nutzen, geht aus dem Antrag nicht hervor.
Wie oben unter Pkt. III.1.2. dargelegt, ermöglichen §§11a iVm. 16 VersVG den für den Abschluss eines Versicherungsvertrages bzw. für die Leistungsbeurteilung notwendigen Informationstransfers vom Versicherungsnehmer (Versicherten) zum Versicherer. Gerade hinsichtlich der im Antrag angesprochenen Krebsfälle würde sich schon aus der Verpflichtung zur Angabe bestehender Krebserkrankungen der eigenen Person und in der Familie eine Zuordnung zu einer entsprechenden Risikogruppe ergeben, ohne dass es dafür des Zugangs zu einem genetischen Fingerabdruck des (potenziell) Versicherten bedürfte. Es steht dem Versicherer auch frei, die angeblich in steigendem – im Antrag freilich nicht näher quantifizierten – Ausmaß stattfindenden operativen Eingriffe bei Abschluss des Versicherungsvertrags vom Deckungsumfang der Krankenversicherung auszunehmen, sollten diese als nicht prämienadäquates Risiko in der jeweiligen Gruppe gesehen werden.
Mag daher das Äquivalenzprinzip für die Prämienberechnung für eine bestimmte Risikogruppe in der Natur der Privatversicherung liegen, so wohnt dem Versicherungswesen daneben stets ein Element der Ungewissheit inne, wozu gerade in der Personenversicherung auch eine soziale Komponente hinzukommt. In diesem Sinne sieht etwa § 178f Abs 2 zweiter und dritter Satz VersVG bei der Krankenversicherung vor, dass Risikoerhöhungen auf Grund des Älterwerdens oder der Verschlechterung des Gesundheitszustands zu keiner Prämienerhöhung führen dürfen. Der Gesetzgeber sieht hier daher gerade kein strenges Äquivalenzprinzip vor, 'weil bei einer Risikoprämie (also einer mit dem altersgemäßen Risiko ansteigenden Prämie) der Versicherungsschutz für viele Versicherungsnehmer gerade im Alter, wenn er am dringendsten benötigt wird, nicht mehr erschwinglich wäre; das statistische Krankheitsrisiko steigt nämlich mit höherem Lebensalter sprunghaft an. Es wäre außerdem zu befürchten, daß junge Versicherungskunden zwar von extrem niedrigen Anfangsprämien angelockt würden, sie aber die Auswirkungen der altersbedingten Prämiensteigerungen in der erforderlichen langfristigen Perspektive nicht vollständig überblicken könnten. Die von [§178f] Abs 2 (indirekt) geforderte Rücklagenbildung wird der besonderen sozialen Komponente der privaten Krankenversicherung hingegen dadurch gerecht, daß sie den Interessen derjenigen Versicherungsnehmer besonders Rechnung trägt, die am meisten des Versicherungsschutzes bedürfen' (RV 1553 BlgNR 18. GP 32).
Unter diesem Blickwinkel ist auch das wiederholt behauptete Risiko der Antiselektion (S. 8 und 10 sowie 21 des Antrags) zu würdigen: Zu Antiselektionseffekten kann es sowohl zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als auch während der Laufzeit der Verträge kommen, wenn die Prämienkalkulation durch den Versicherer dazu führt, dass der Vertrag für 'gute Risiken' (mit geringer Schadensneigung) für die Versicherungsnehmer zu teuer wird und diese daher aus dem Vertragsverhältnis ausscheiden bzw. nicht mehr neu eintreten, während bloß 'schlechte Risiken' (mit hoher Schadensneigung) im Vertragsverhältnis verbleiben bzw. hineindrängen.
Der Antrag behauptet zwar, dass das Verbot des § 67 GTG Antiselektion bewirke und dass in der Praxis auch schon zunehmend die Möglichkeit genutzt werde, das Prinzip der Risikogemeinschaft zu unterlaufen (S 8 und 15). Diese Behauptung wird allerdings in keiner Weise näher begründet oder etwa durch Datenmaterial unterlegt. Die behauptete Nachteiligkeit des § 67 GTG auf die antragstellenden Versicherungsunternehmen bleibt sohin bloß hypothetisch, erschöpft sich im Allgemeinen und wird nicht einmal durch konkrete Zahlenschätzungen präzisiert.
Es erscheint der Bundesregierung daher zweifelhaft, dass das Verbot des § 67 GTG iVm. § 11a Abs 1 VersVG einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit darstellt.
Sollte der Verfassungsgerichtshof jedoch die angefochtenen Bestimmungen als Eingriff in Art 5 StGG werten, so ist dieser gerechtfertigt: Das angefochtene Verbot dient, wie dargestellt (vgl. zuvor Pkt. III.2.6.), dem Schutz der genetischen Privatsphäre und des Rechts auf Nichtwissen im Versicherungsvertragsverhältnis, in dem typischerweise ein Ungleichgewicht der Vertragspartner gegeben ist. Nach Auffassung der Bundesregierung kann kein Zweifel daran bestehen, dass dieses Ziel im öffentlichen Interesse liegt, was auch der Antrag nicht zu bestreiten scheint (vgl. Antrag S 3, 17).
3.2.2. Die Antragsteller bezweifeln allerdings die Eignung der angefochtenen Bestimmungen zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Ziels. Sie argumentieren, dass ein und derselbe Krankheits- und Prädispositionsbefund entweder gemäß § 11a VersVG zum Zweck der Antrags- und Leistungskontrolle verwendet werden dürfe (und sogar der Meldepflicht gemäß § 16 VersVG unterliege) oder dem absoluten Verwendungsverbot des § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG iVm. § 67 GTG unterliege, je nachdem, ob er durch genetische Analyse oder eine andere Methode gewonnen wurde. § 67 GTG stelle auf die Art der Gewinnung des Befundes und nicht auf den Befund selbst ab und enthalte damit ein über das Ziel, nämlich den Schutz bestimmter Geninformationen, 'hinausschießendes Verwendungsverbot' (Antrag S 17 f).
Damit tun die Antragsteller aber nicht die mangelnde Eignung des angefochtenen Verbotes dar, sondern behaupten der Sache nach vielmehr, dass dieses Verbot überschießend – also nicht verhältnismäßig im engeren Sinn – sei. Nach Auffassung der Bundesregierung kann kein Zweifel daran bestehen, dass das absolute Verbot der Erhebung und Verwendung von Daten im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen geeignet (tauglich) ist, das zuvor genannte Ziel – den Schutz der genetischen Privatsphäre und des Rechts auf Nichtwissen – zu erreichen.
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass der Begriff der 'genetischen Analyse' iSd. § 4 Z 23 GTG sowohl eine bestimmte Methode (Laboranalyse) als auch ein bestimmtes Ergebnis (Aussagen über das Genmaterial des Menschen) voraussetzt (vgl. näher oben Pkt. I.2.4.), das Verbot des § 67 GTG also keineswegs nur 'auf die Art der Gewinnung des Befundes abstellt und nicht auf den Befund selbst', wie die Antragsteller (S 18) fälschlich meinen.
3.2.3. Ein solches Verbot ist aber auch zur Zielerreichung erforderlich und verhältnismäßig:
Die Antragsteller hegen der Sache nach Bedenken gegen das absolute Verbot des § 67 GTG, weil eine Verwendung der Ergebnisse genetischer Analysen nicht einmal mit Zustimmung des Betroffenen zulässig sei, somit selbst 'freiwillig' vom Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellte Daten einer genetischen Analyse nicht verwendet werden dürfen.
3.2.3.1. Der datenschutzrechtliche Zustimmungsbegriff des § 4 Z 14 DSG 2000 bezeichnet eine gültige, insbesondere ohne Zwang abgegebene Willenserklärung des Betroffenen, dass er in Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall in die Verwendung seiner Daten einwilligt. Insbesondere ist es auch erforderlich, dass die Zustimmung jederzeit widerrufen werden kann (vgl. § 9 Abs 6 DSG 2000; s. auch Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim [Hrsg.], DSG, Anm. 12 zu § 1 iVm Anm. 14 zu § 4 Z 14).
Im Versicherungsvertragsrecht erscheint die ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen ganz allgemein keine geeignete datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für die Verwendung von genetischen Daten zu sein, da die von der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. Nr L 281 vom , S. 31, geforderte Freiwilligkeit der Zustimmung im Allgemeinen nicht gegeben sein wird (vgl. die Stellungnahme des Datenschutzrates zum Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2010 – VersRÄG 2010, GZBKA-817.405/0002-DSR/2010, https://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=39740). Diese Überlegung liegt der ausdrücklichen gesetzlichen Verwendungsermächtigung des § 11a Abs 1 erster Satz VersVG zu Grunde (vgl. AB 2029 BlgNR 20. GP 1).
Im Hinblick auf die nicht vorhersehbaren zukünftigen Verwendungsmöglichkeiten und Aussagekraft genetischer Daten (vgl. EGMR [GK], Fall S. und Marper , sowie VfSlg 19.738/2013) ist nämlich eine wirksame datenschutzrechtliche Zustimmung zu ihrer Verwendung 'in Kenntnis der Sachlage' kaum denkbar, zumal der Versicherungsvertrag (anders als etwa eine einzelne genetische Analyse zu Gesundheitszwecken) ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis begründet und durch den technischen und medizinischen Fortschritt aus ein und demselben Ergebnis einer Laboranalyse zu einem späteren Zeitpunkt wesentlich mehr Informationen abgeleitet werden können als zum Zeitpunkt der 'Zustimmung'.
Die Zustimmung des Betroffenen als Rechtsgrundlage für die Verwendung genetischer Daten im Rahmen des Versicherungsvertragsrechts wäre auch deshalb kein taugliches Mittel, weil eine datenschutzrechtliche Zustimmung jederzeit widerrufbar sein muss (AB 2029 BlgNR 20. GP 1).
Überdies ist es im Hinblick auf die oben (Pkt. II.2.3.3.). dargestellte Gruppenbezogenheit genetischer Daten zumindest zweifelhaft, dass die Zustimmung des betroffenen Versicherungsnehmers zur Verwendung seiner genetischen Daten ausreicht, um den damit verbundenen Eingriff in die Rechte weiterer betroffener Personen zu rechtfertigen.
3.2.3.2. Das angefochtene Verbot der Erhebung und Verwendung von Daten soll Versicherungswerber bzw. Versicherte davor schützen, in eine genetische Analyse oder in die Übermittlung der Ergebnisse einer solchen Analyse an den Versicherer nur deshalb einzuwilligen, weil ihnen sonst der Abschluss bzw. die Aufrechterhaltung eines Versicherungsvertrages nicht oder nur zu unangemessenen Konditionen möglich wäre (vgl. oben Pkt. I.2.3. bzw. II.2.6.). Nach Auffassung der Bundesregierung kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er im Hinblick auf die zuvor dargestellten Besonderheiten genetischer Daten und das Ungleichgewicht der Vertragspartner, wie es im Versicherungsvertragsrecht typischerweise besteht, ein absolutes Verbot der Verwendung von Daten aus genetischen Analysen vorsieht, um eine solche faktische Zwangslage des Versicherungswerbers bzw. -nehmers von vornherein auszuschließen. In vergleichbarer Weise hat der Verfassungsgerichtshof das pauschale Verbot von Naturalrabatten bei Arzneimitteln, das schon dem Anschein bzw. Verdacht einer nicht bloß fachlich motivierten Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln vorbeugen soll, für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Auf Grund der spezifischen Eignung von Naturalrabatten, das Verschreibe- und Abgabeverhalten zu beeinflussen, sei der Gesetzgeber auch von Verfassung wegen nicht gehalten, eine Geringfügigkeitsschwelle in das Verbot der Naturalrabatte einzuziehen (VfSlg 18.209/2007).
3.2.3.3. Eine solche wirtschaftliche Zwangslage tritt noch stärker dort hervor, wo Daten genetischer Analysen nicht für eine private Krankenversicherung, sondern etwa für eine Lebensversicherung verwendet würden (die bekanntlich von Banken häufig zur Besicherung von Krediten verlangt werden). Eine – von rein wirtschaftlichen Erwägungen unabhängige – 'freiwillige' Zustimmung eines Versicherungswerbers zu einer genetischen Analyse erscheint bei einer solchen Sachlage lebensfremd.
3.2.3.4. Die Bundesregierung weist auch darauf hin, dass dem Versicherungsvertragsrecht zwingende Vorschriften, die eine Beschränkung der Vertragsfreiheit des Versicherers darstellen und die auch mit Zustimmung des Betroffenen nicht umgangen werden dürfen, keineswegs fremd sind:
So hat gerade der Umstand, dass im Bereich der Versicherungsdienstleistungen der Grundsatz der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit des ABGB nicht ausreichend sind, den Gesetzgeber dazu veranlasst, das VersVG (und im Übrigen auch das Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG, BGBl Nr 579/1978) zu erlassen. Beide Regelungswerke enthalten – zusätzlich zu den Bestimmungen des KSchG für Verbraucher – eine Vielzahl von Schutzbestimmungen im Interesse der (potenziellen) Versicherungsnehmer und Versicherten, die zum Großteil zwingend sind. Zu deren Nachteil können ua. folgende allgemeine Bestimmungen des VersVG nicht abbedungen werden: § 1a, § 1b, § 1c, § 1d, § 3, § 5 Abs 1 bis 3, § 5a, § 5b, § 5c, § 6 Abs 1 bis 3 und Abs 5, § 8 Abs 2 und 3, § 11, § 11a, § 11b, § 11c, § 11d, § 12, § 14, § 15a, § 15b Abs 1, §§16 bis 30, § 34 Abs 2, § 34a, §§37 bis 41b, § 42, §§43 bis 46, § 47, § 48 Abs 2, § 51 Abs 1 und 2, § 58, § 62, § 64 Abs 4, § 65, § 67, § 68, § 68a, §§69 bis 71, § 72 und § 73; für die Lebensversicherung können ua. §§162 bis 164, § 165, § 165a, § 169, § 171 Abs 1 Satz 2, § 178 nicht abbedungen werden; für die Krankenversicherung betrifft dies ua. § 178a Abs 2 und 3, § 178b Abs 5, §§178c bis 178m, § 178n.
§67 GTG stellt also keineswegs einen 'Bruch mit dem Ordnungssystem der Privatversicherungen' dar, wie der Antrag (S 21) fälschlich behauptet.
3.2.3.5. Das Verbot des § 67 GTG steht auch im Einklang mit dem Unionsrecht und einschlägigen internationalen Rechtsinstrumenten:
Die Zulässigkeit der Verwendung sensibler personenbezogener Daten ist weitgehend durch die Richtlinie 95/46/EG determiniert: Art 8 Abs 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten – dazu zählen ua. Daten über die Gesundheit – zu untersagen. Dieses grundsätzliche Verarbeitungsverbot darf nur in den in Abs 2 bis 4 leg. cit. taxativ aufgezählten Fällen unterbrochen werden. Art 8 Abs 2 lita leg. cit. sieht zwar die ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen in die Verarbeitung als einen solchen Ausnahmegrund vor; die Mitgliedstaaten können aber vorsehen, dass das Verarbeitungsverbot des Art 8 Abs 1 leg. cit. auch durch die Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden kann (vgl. Ehmann/Helfrich , EG Datenschutzrichtlinie, Anm. 22 zu Art 8). Von dieser Möglichkeit macht § 67 GTG Gebrauch.
Das Unionsrecht überlässt den Mitgliedstaaten also die Entscheidung über das grundsätzliche Verarbeitungsverbot betreffend Gesundheitsdaten. Hinsichtlich dieses rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes der Mitgliedstaaten empfiehlt die Artikel 29 Datenschutzgruppe, ein auf Grund der Richtlinie 95/46/EG eingerichtetes unabhängiges europäisches Beratungsgremium in Datenschutzfragen, in ihrem Arbeitspapier über genetische Daten, angenommen am , S 12, ein prinzipielles Verbot der Verarbeitung genetischer Daten im Bereich der Versicherungen. Die Verarbeitung solcher Daten soll nur dann zulässig sein, wenn wirklich außergewöhnliche Umstände vorliegen, die per Gesetz eindeutig festgelegt sind (http://ec.europa.eu/justice/policies/privacy/docs/wpdocs/2004 /wp91_de.pdf).
Die Internationale Erklärung der UNESCO über menschliche genetische Daten (International Declaration on Human Genetic Data), beschlossen bei der 32. Generalkonferenz der UNESCO im Oktober 2003 (http://portal.unesco.org/en/ev.php-URL_ID=17720 URL_DO=DO_TOPIC URL_SECTION=201.html), legt fest, dass Gendaten nicht zu Stigmatisierung und Diskriminierung von Individuen, Familien, Gruppen oder Gemeinschaften führen sollen (Art7). Daten, die mit einer identifizierbaren Einzelperson assoziiert werden können, sollen Dritten – wie insbesondere Versicherungsunternehmen – grundsätzlich nicht zur Verfügung gestellt werden (Art14).
3.2.3.6. Die Bundesregierung weist schließlich darauf hin, dass für das Versicherungsvertragsverhältnis kein absolutes Verbot der Verwendung von Gesundheitsdaten besteht. Vielmehr trägt die Gesetzgebung den Interessen der Versicherer an der Verwendung gesundheitsbezogener Daten dadurch Rechnung, dass sie die Verwendung solcher Daten zur Beurteilung, ob und zu welchen Bedingungen ein Versicherungsvertrag abgeschlossen oder geändert wird und zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag, erlaubt (§11a Abs 1 erster Satz VersVG). Um es Versicherern zu ermöglichen, Vertragsverhältnisse nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu gestalten, sieht § 16 Abs 1 VersVG eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers beim Vertragsabschluss im Hinblick auf ihm bekannte Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind. Von der Datenverwendung und der Anzeigepflicht ausgenommen sind lediglich Daten aus genetischen Analysen (vgl. schon die Ausführungen unter Pkt. III.3.2.1.).
3.3. Die Bundesregierung geht daher zusammenfassend davon aus, dass das Verbot des § 67 GTG, das dem Schutz der genetischen Privatsphäre und des Rechts auf Nichtwissen dient, im öffentlichen Interesse gelegen und zur Zielerreichung geeignet ist. Auf Grund der besonderen Schutzwürdigkeit genetischer Daten und des im Versicherungsvertragsverhältnis typischerweise bestehenden Ungleichgewichts der Vertragspartner ist ein solches absolutes Verbot, das auch mit Zustimmung des Betroffenen nicht umgangen werden darf, erforderlich und verhältnismäßig, um seine Umgehung auf Grund einer faktischen Zwangslage des Versicherungswerbers von vornherein zu verhindern. Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit liegt daher nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor.
4. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit:
4.1. Die Antragsteller behaupten eine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit im Wesentlichen aus denselben Gründen wie bei der Eigentumsfreiheit (vgl. oben Pkt. III.3.1.).
4.2. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG (zB VfSlg 10.179/1984, 12.921/1991, 15.038/1997, 15.700/1999, 16.120/2001, 16.734/2002 und 17.932/2006) sind gesetzliche, die Erwerbs(ausübungs)freiheit beschränkende Regelungen auf Grund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehaltes nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.
Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nur solche Maßnahmen, die die Erwerbstätigkeit unmittelbar betreffen, in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht eingreifen. Ist eine Beeinträchtigung der Erwerbstätigkeit hingegen bloß eine faktische Verhinderung oder eine Nebenwirkung einer Maßnahme, die andere Zwecke verfolgt, so liegt mangels Intentionalität gar kein Eingriff vor (zB VfSlg 15.431/1999, 14.685/1996, 14.179/1995).
4.3. Nach Auffassung der Bundesregierung stellen § 67 GTG und § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG keinen Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG dar. Die angefochtenen Bestimmungen untersagen nicht Versicherungsgeschäfte als solche, sondern lediglich das Erheben, Verlangen, Annehmen und Verwerten von Ergebnissen genetischer Analysen bei Abschluss von Versicherungsverträgen und bei der Beurteilung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag zum Zweck des Schutzes des genetischen Selbstbestimmungsrechts und des Rechts des Versicherungsnehmers auf Nichtwissen.
Dass sich dies wirtschaftlich auf das Versicherungsvertragsgeschäft auswirkt, weil Versicherungsunternehmer die Kalkulation der Versicherungsprämien ohne genetische Informationen von Versicherungswerbern vornehmen müssen, wurde im Antrag nicht näher dargetan (vgl. schon Pkt. III.3.2.1.) und wäre – wenn überhaupt – bloß eine faktische Reflexwirkung des Verbotes. Die Ausübung des Versicherungsvertragsgeschäfts an sich wird dadurch jedoch in keiner Weise berührt. Soweit die Antragsteller ausführen, dass dadurch eine Informationsasymmetrie erzeugt werde und sie nicht in der Lage seien, Voraussetzungen und Verträge zu prüfen, stellen die Antragsteller bloß auf eine faktische Verhinderung ihrer Erwerbstätigkeit als Nebenwirkung der Schutzbestimmungen für genetische Daten ab. Ein grundrechtsrelevanter Eingriff liegt somit nach Auffassung der Bundesregierung gar nicht vor.
4.4. Sollte der Verfassungsgerichtshof jedoch die angefochtenen Bestimmungen als Eingriff in Art 6 StGG werten, wären sie als Berufsausübungsschranke zu qualifizieren, die aus den oben (Pkt. III.3.) zur Eigentumsfreiheit dargelegten Gründen gerechtfertigt wären.
4.5. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass auch keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit vorliegt.
5. Zu den Bedenken hinsichtlich des Gleichheitssatzes:
5.1. Die Antragsteller sehen auf das Wesentliche zusammengefasst eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung in § 67 GTG, weil dieser auf die bloße Methodik der Untersuchung abstelle. Medizinische Ergebnisse würden ungleich behandelt, je nachdem ob sie durch genetische Laboranalysen gewonnen wurden oder nicht. Der Gesetzgeber überschreite den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum, sehe zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vor und verletzte so den Gleichheitssatz.
5.2. Die Bundesregierung verweist zunächst darauf, dass – wie bereits oben Pkt. III.3.2.2. dargelegt – der Begriff der 'genetischen Analyse' iSd. § 4 Z 23 GTG sowohl eine bestimmte Methode (Laboranalyse) als auch ein bestimmtes Ergebnis (Aussagen über das Genmaterial des Menschen) voraussetzt, das Verbot des § 67 also nicht bloß auf die Methodik der Untersuchung abstellt, wie die Antragsteller (S 23) fälschlich meinen.
Im Übrigen geht die Bundesregierung davon aus, dass im Hinblick auf die oben (Pkt. III.2.) dargestellten Besonderheiten genetischer Daten und das Ungleichgewicht der Vertragspartner, wie es im Versicherungsvertragsrecht typischerweise besteht, ein absolutes Verbot der Verwendung von Daten aus genetischen Analysen sachlich gerechtfertigt und – wie das Erkenntnis VfSlg 18.209/2007 zum absoluten Verbot von Naturalrabatten zeigt – auch nicht exzessiv ist.
Zu der im Antrag (S 25) erwähnten 'Draft Recommendation on the processing for insurance purposes of personal health-related data, in partiuclar data resulting from genetic tests' merkt die Bundesregierung an, dass die Beratungen über diese Recommendation im zuständigen Expertenausschuss des Europarates (Committee on Bioethi[c]s [DH-BIO]) Ende Februar 2015 noch nicht abgeschlossen waren, und eine solche Empfehlung auf Ebene des Europarates erst politisch beschlossen werden müsste, was naturgemäß nicht absehbar ist. Es erübrigt sich daher, näher darauf einzugehen.
5.3. Nach Auffassung der Bundesregierung liegt daher auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor.
6. Zusammenfassend wird festgehalten, dass nach Auffassung der Bundesregierung § 67 GTG sowie § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG nicht verfassungswidrig sind."
3. Der Verfassungsgerichtshof führte am eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die verfassungsrechtlichen Bedenken der antragstellenden Parteien gegen die angefochtenen Bestimmungen erörtert wurden.
IV. Erwägungen
A. Zur Zulässigkeit des Antrags
1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
2. Die zweit- bis achtantragstellenden Parteien sind Versicherungsunternehmen, denen es auf Grund des § 67 Gentechnikgesetz (in der Folge: GTG) iVm § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG verwehrt ist, Ergebnisse von genetischen Analysen von Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten. Ein anderer zumutbarer Weg als jener des Individualantrages, um die behauptete Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen des Gentechnikgesetzes und des Versicherungsvertragsgesetzes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, besteht nicht. Es ist den zweit- bis achtantragstellenden Parteien insbesondere nicht zumutbar, ein verwaltungsstrafbehördliches Verfahren gemäß § 109 Abs 1 Z 2 GTG durch eine gegen § 67 GTG verstoßende Handlung zu provozieren und diesen Strafbescheid in der Folge beim Verwaltungsgericht bzw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.
Die zweit- bis achtantragstellenden Parteien sind daher zur Antragstellung auf Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen in § 67 GTG und des letzten Satzes in § 11a Abs 1 VersVG wegen Verfassungswidrigkeit legitimiert.
Dem (erstantragstellenden) Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs fehlt hingegen die Legitimation zu einem solchen Individualantrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG:
Nach dem Antragsvorbringen sind die zweit- bis achtantragstellenden Parteien im erstantragstellenden Verband organisiert. Wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung zutreffend ausführt, handelt es sich beim erstantragstellenden Verband selbst (schon auf Grund seiner Rechtsform, vgl. § 3 Versicherungsaufsichtsgesetz) nicht um ein zum Betrieb der Vertragsversicherung befugtes Versicherungsunternehmen. Ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des erstantragstellenden Verbands scheidet daher aus, weswegen der Antrag des Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs (einschließlich des Eventualantrags) zurückzuweisen ist.
3. Gemäß § 62 Abs 1 erster Satz VfGG muss ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das – nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige – Gesetz seinem gesamten Inhalt oder in bestimmten Stellen aufzuheben. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des § 62 Abs 1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach (zB VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996) ausgesprochen hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (VfSlg 12.062/1989, 12.487/1990, 14.040/1995, 16.340/2001). Ein Antrag, der die konkrete Fassung der zur Aufhebung begehrten Norm nicht nennt, erfüllt das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des § 62 Abs 1 VfGG nicht. Es ist dem Verfassungsgerichtshof nämlich verwehrt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird, zu prüfen und im Fall des Zutreffens der geltend gemachten Bedenken aufzuheben (vgl. dazu VfSlg 11.802/1988, 14.261/1995, 14.634/1996, 15.962/2000 und ua.).
Die antragstellenden Parteien haben zwar in ihrem Aufhebungsantrag nicht bezeichnet, in welcher Fassung jeweils die Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen in § 67 GTG und des letzten Satzes in § 11a Abs 1 VersVG wegen Verfassungswidrigkeit begehrt wird. Da die antragstellenden Parteien aber in ihrem Antrag die von ihnen angefochtenen Bestimmungen wörtlich wiedergeben und auch sonst aus dem gesamten Vorbringen im Antrag deutlich hervorgeht, dass die antragstellenden Parteien die Aufhebung der im Antrag bezeichneten Wortfolgen in § 67 GTG idF BGBl I 127/2005 und des letzten Satzes in § 11a Abs 1 VersVG idF BGBl I 34/2012 begehren, entspricht der Antrag den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 VfGG (vgl. zB ua.).
4. Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfSlg 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. VfSlg 17.220/2004; ua.).
Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011; ua.).
Eine zu weite Fassung des Antrags macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit die unmittelbare und aktuelle Betroffenheit durch alle vom Antrag erfassten Bestimmungen gegeben ist oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013; ua.; , G73/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die den Antragsteller nicht unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre betreffen, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrags (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007; ua.; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrags).
Unzulässig ist ein Antrag auch dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB mwN; , G136/2014 ua.).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung die verbleibenden Bestimmungen unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letztes liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003; ua. mwN).
Im Verfahren hat sich nicht ergeben, dass die antragstellenden Parteien den Anfechtungsumfang nicht richtig abgegrenzt hätten. Die in § 67 GTG enthaltene Wortfolge "und Versicherern" und "oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern" in § 67 GTG sowie § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG ("Das Verbot der Ermittlung genanalytischer Daten gemäß § 67 Gentechnikgesetz bleibt unberührt.") stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Mit der Anfechtung (nur) der Wortfolgen "und Versicherern" und "oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern" in § 67 GTG wird der geringst mögliche Aufhebungsumfang gewählt, zumal damit der zweite Regelungsbereich des § 67 GTG, der sich auf Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitssuchende bezieht, unberührt bleibt.
Mit der beantragten Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen würde auch die von den antragstellenden Parteien behauptete Verfassungswidrigkeit beseitigt werden.
5. Der Antrag der erstantragstellenden Partei ist somit zurückzuweisen.
Der Hauptantrag der zweit- bis achtantragstellenden Parteien erweist sich hingegen als zulässig. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf deren Eventualantrag.
B. In der Sache
Der Antrag ist – soweit zulässig – begründet.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Die zweit- bis achtantragstellenden Parteien (ab hier: antragstellende Parteien) erachten sich durch das Verbot, "Ergebnisse von genetischen Analysen von ihren [...] Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten", insbesondere in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Erwerbsausübungsfreiheit sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
6. Zur Reichweite des Verbots des § 67 GTG iVm § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG
6.1. Nach der Interpretation durch die antragstellenden Parteien fällt auch jegliche Blutlaboranalyse (so etwa ein Blutbild) unter § 67 GTG. In der Stammfassung des Gentechnikgesetzes (BGBl 510/1994) habe bloß die Feststellung von Mutationen als ein iSd § 67 GTG verbotenes Ergebnis gegolten, nach der nun geltenden Fassung BGBl I 127/2005 sei jegliche Aussage über ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- und Therapieverlauf ein verbotenes Ergebnis iSd § 67 GTG. Mit dem ursprünglich vom Gesetzgeber intendierten und in der Stammfassung des § 67 GTG manifestierten Schutz der "genetischen Privatsphäre" des Betroffenen habe dies nichts mehr zu tun. Es werde den Versicherern schlicht verboten, Umstände zu erheben, die iSd § 16 VersVG für die Übernahme der zu versichernden Gefahr in der Gesundheitsversicherung erheblich oder für eine valide Leistungsfallprüfung erforderlich seien.
Das Verbot des § 67 GTG wirke absolut. Es sei dem Versicherer nicht möglich, freiwillig vom Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellte Laboranalysen zu prüfen und zu bewerten. Dem Versicherer sei gemäß § 67 letzter Satz GTG auch untersagt, vom Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellte Körpersubstanzen für "genanalytische Zwecke" zu verwenden.
6.2. Die Bundesregierung hält der Interpretation des § 67 GTG durch die antragstellenden Parteien entgegen, dass zwar der Begriff der Genanalyse (genetische Analyse) durch die GTG-Novelle BGBl I 127/2005 über molekulargenetische Untersuchungen hinaus auf andere Laboranalysen mit einem bestimmten medizinischen Aussagewert über das Genmaterial des Menschen erweitert worden sei. Eine Routinediagnostik, wie etwa eine Blutfett- oder Blutzuckeranalyse, sei aber weiterhin nicht vom Verbot des angefochtenen § 67 GTG umfasst. Alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Z 23 GTG müssten kumulativ vorliegen, damit eine Untersuchung unter das Verbot des § 67 GTG bzw. des § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG falle. Entgegen der Auffassung der antragstellenden Parteien sei es Versicherern gerade nicht "generell und allumfassend verboten, auf Laboranalysen beruhende Gesundheitsdaten ihrer Versicherungsnehmer zu verarbeiten".
6.3. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist § 67 GTG folgendermaßen zu verstehen:
6.3.1. § 67 GTG ("Verbot der Erhebung und Verwendung von Daten aus Genanalysen für bestimmte Zwecke") bestimmte in der Stammfassung BGBl 510/1994, dass es "Arbeitgebern und Versicherern einschließlich deren Beauftragten und Mitarbeitern […] verboten [ist], Ergebnisse von Genanalysen von ihren Arbeitnehmern, Arbeitsuchenden oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten". Nach der Legaldefinition des § 4 Z 23 GTG in der (Stamm-)Fassung BGBl 510/1994 war unter einer Genanalyse (nur) "die molekulargenetische Untersuchung an Chromosomen, Genen und DNS-Abschnitten eines Menschen zur Feststellung von Mutationen" zu verstehen. Dies bedeutete, dass all jene Untersuchungstechniken, die nicht "molekulargenetischer" Art sind, nicht vom Begriff der "Genanalyse" iSd Gentechnikgesetzes in der Stammfassung BGBl 510/1994 und folglich auch nicht vom Verwendungsverbot des § 67 GTG erfasst wurden (vgl. Satzinger, in: Kerschner/Lang/Satzinger/Wagner [Hrsg.], Kommentar zum Gentechnikgesetz, 2007, § 67, Rz 2).
Durch die GTG-Novelle BGBl I 127/2005 wurde der Anwendungsbereich des § 67 GTG erweitert: An die Stelle des Begriffes "Genanalyse" trat der Begriff der "genetischen Analyse". Darunter ist gemäß der mit der GTG-Novelle BGBl I 127/2005 neu gefassten Legaldefinition in § 4 Z 23 GTG nunmehr jede "Laboranalyse" zu verstehen, "die zu Aussagen über konkrete Eigenschaften hinsichtlich Anzahl, Struktur oder Sequenz von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten oder von Produkten der DNA und deren konkrete chemische Modifikationen führt, und die damit nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Aussagen über einen Überträgerstatus, ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf an einem Menschen ermöglicht".
Durch die Erweiterung der Begriffsdefinition der "genetischen Analyse" und die damit bewirkte Erweiterung des Verbots des § 67 GTG sollten in der Zukunft alle Untersuchungen einbezogen werden, "die die gleichen Ergebnisse wie die bisherigen Genanalysen liefern" (RV 1083 BlgNR 22. GP, 3).
Der Begriff der "genetischen Analyse" enthält folgende notwendige Begriffselemente, die kumulativ vorliegen müssen: Zum Ersten muss es sich um eine Laboranalyse handeln. Zum Zweiten muss die Laboranalyse zu Aussagen über konkrete biologische Eigenschaften (hinsichtlich Anzahl, Struktur und Sequenz) von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten oder von Produkten der DNA (und deren konkrete chemische Modifikationen) führen. Zum Dritten müssen die derart getroffenen Ergebnisse einen ganz bestimmten Aussagewert in Bezug auf einen Überträgerstatus, ein (künftiges) Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf aufweisen.
Entgegen der Interpretation der antragstellenden Parteien – die im Übrigen insoweit in klarem Gegensatz zu den Rechtsausführungen im von diesen vorgelegten Rechtsgutachten steht – liegt somit eine "genetische Analyse" nicht schon bei einer Laboranalyse vor, die Aussagen über einen Überträgerstatus, ein Krankheitsrisiko, eine bestehende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf ermöglicht. Es müssen vielmehr sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 4 Z 23 GTG kumulativ erfüllt werden, damit eine "genetische Analyse" vorliegt (vgl. Satzinger , GTG-Kommentar, § 67, Rz 2).
Das Verbot des § 67 GTG umfasst nicht nur die Forderung oder die "Erzwingung" der Durchführung eines Gentests von Seiten eines Versicherers, sondern auch die sonstige Erhebung und Verwertung anderweitig erlangter genanalytischer Daten. So wird auch die Annahme bzw. Nutzung von auf eigenen Wunsch des Versicherungsnehmers/Versicherungswerbers vorgelegten Analyseergebnissen ausgeschlossen. Das Verbot des § 67 GTG gilt unabhängig davon, wer die genetischen Analysen durchführt und auf welche Weise deren Ergebnisse zum Versicherer gelangen.
§67 GTG stellt ferner nicht darauf ab, ob die Ergebnisse einer genetischen Analyse dem Betroffenen schon bekannt sind oder ob es sich um erst (auf Initiative des Versicherers) durchzuführende Analysen handelt. Auch die Erhebung und Verwendung bereits vorhandener Ergebnisse genetischer Analysen ist vom Verbotsbereich umfasst (vgl. zB Bernat , Recht und Humangenetik – ein österreichischer Diskussionsbeitrag, FS Steffen, 1995, 44 f.).
Das Verbot des § 67 GTG gilt unterschiedslos für alle in § 65 Abs 1 GTG genannten Typen genetischer Analysen, dh. nicht nur für die Verwertung der Ergebnisse (Daten) prädiktiver, sondern auch für die Verwertung nicht prädiktiver genetischer Analysen bei bereits bestehender Erkrankung (vgl. Bernat , Schutz vor genetischer Diskriminierung und Schutzlosigkeit wegen genetischer Defekte: die Genanalyse am Menschen und das österreichische Recht, Jahrbuch für Recht und Ethik 2002, 183 [202]).
Unter prädiktiven genetischen Analysen, die dem in § 65 Abs 1 Z 3 und Z 4 GTG definierten Typ 3 bzw. Typ 4 entsprechen, sind – vereinfachend – Untersuchungen zu verstehen, die mit dem Ziel durchgeführt werden, bei Personen, die bisher noch nicht an einer bestimmten Krankheit leiden, eine Veranlagung (Prädisposition) für diese Krankheit vor dem Auftreten klinischer Symptome zu erkennen bzw. vor dem Vorliegen "konventioneller", nicht mit genanalytischen Methoden erstellter Befunde festzustellen. Nicht prädiktive genetische Analysen, die dem in § 65 Abs 1 Z 1 und Z 2 GTG genannten Typ 1 bzw. Typ 2 entsprechen, sind demgegenüber Untersuchungen, die sich auf bereits bestehende Krankheiten beziehen.
6.3.2. Auf das Vertragsversicherungsrecht hat § 67 GTG folgende Auswirkungen:
Gemäß § 16 Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer "beim Abschluß des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind jene Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluß des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bestimmungen abzuschließen, einen Einfluß auszuüben". Als solche Gefahrenumstände sind jedenfalls erkannte Krankheiten, Krankheitssymptome, aber auch (ausgeheilte) Vorerkrankungen anzusehen (vgl. Heiss/Lorenz , in: Fenyves/Schauer [Hrsg.], VersVG, 2014, §§16-17, Rz 6 mwN). Ist die Anzeige eines erheblichen Umstandes – entgegen § 16 Abs 1 VersVG – unterblieben, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten (§16 Abs 2 VersVG).
Soweit es um Informationen aus genetischen Analysen geht, wird dieser Anzeigepflicht gemäß § 16 VersVG nun aber durch § 67 GTG (teilweise) materiell derogiert. Soweit die bestehende Krankheit, Krankheitsdisposition oder ein sonstiger gefahrenerhöhender Umstand ausschließlich durch eine genetische Analyse iSd § 4 Z 23 GTG festgestellt worden ist, entfällt die Anzeigepflicht des § 16 VersVG (vgl. zB Bernat , Recht und Humangenetik, 46; derselbe , Schutz vor genetischer Diskriminierung, 200 ff.).
§67 GTG überlagert nicht nur § 16 VersVG, sondern kraft ausdrücklicher Anordnung auch § 11a Abs 1 VersVG: Gemäß § 11a Abs 1 VersVG darf der Versicherer im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen, bei denen der Gesundheitszustand des Versicherten erheblich ist, personenbezogene Gesundheitsdaten verwenden, soweit dies zur Beurteilung des Abschlusses eines Versicherungsvertrages oder zur Verwaltung eines bestehenden Versicherungsvertrags oder zur Beurteilung von Ansprüchen aus einem Versicherungsverhältnis unerlässlich ist. Da das Verbot der Ermittlung genanalytischer Daten gemäß § 67 GTG durch § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG ausdrücklich "unberührt" gelassen wird, wird auch § 11a VersVG durch § 67 GTG (partiell) derogiert.
7. Zur behaupteten Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie des Gleichheitssatzes
7.1. Nach Auffassung der antragstellenden Parteien begründet der Schutz der "genetischen Privatsphäre" und des informationellen Selbstbestimmungsrechts keine verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers zur Erlassung eines gesetzlichen Verbots für den Versicherer, Ergebnisse aus genetischen Analysen zu Zwecken der Privatversicherung zu verlangen oder zu verwerten, weil diese Grundrechtspositionen lediglich die freie Selbstbestimmung über die Vornahme eines Gentests bzw. die Verwertung dessen Ergebnisse schützten. Es sei auch kein sonstiger rechtlicher Zwang zur Duldung derartiger Datenerhebung oder -verwendung ersichtlich. Weder nach dem Versicherungsvertragsrecht noch nach anderen gesetzlichen Bestimmungen bestehe im Zusammenhang mit Versicherungen ein Zwang zur Vornahme bzw. zur Duldung genetischer Tests oder zur Preisgabe von Ergebnissen solcher Tests. Ein faktischer Zwang des Versicherungsnehmers zum Abschluss des Versicherungsvertrags könne die Normierung des gänzlichen Verbots nach § 67 GTG schließlich ebenso wenig rechtfertigen. Durch den Wegfall des in § 67 GTG enthaltenen Verbots wäre die Privatautonomie des Versicherungsnehmers gewahrt, weil sowohl die Durchführung des Tests als auch die Preisgabe der Testergebnisse nach allgemeinen Regeln des Zivil-, Straf- und Datenschutzrechts auf einer persönlichen Einwilligung des (potentiell) Versicherten beruhen müssten. Die vom Gesetzgeber angegebene Begründung zur Schaffung des Verbots sei daher weder aus rechtlicher noch aus faktischer Sicht nachvollziehbar.
7.1.1. § 67 GTG stelle einen systemwidrigen Widerspruch zu § 11a VersVG dar. Der Versicherer dürfe ein und denselben Krankheits- und Prädispositionsbefund im Rahmen des § 11a VersVG zum legitimen Zweck der Antrags- und Leistungsfallprüfung verwenden, wenn er durch andere Methoden als eine Laboranalyse erstellt werde. Werde hingegen dieser Befund durch eine Laboranalyse gewonnen, sei es dem Versicherer gemäß § 67 GTG untersagt, den Befund in seine Antrags- oder Leistungsfallprüfung einzubeziehen. Dies sei nicht nachvollziehbar und habe mit der vom Gesetzgeber gewollten "genetischen Selbstbestimmung" der Betroffenen nichts zu tun. Diese Systemwidrigkeit werde durch den Umstand verstärkt, dass die angesprochenen Laboranalysen, bedingt durch medizinischen Fortschritt und durch Kostenüberlegungen, in Zukunft in immer stärkerem Ausmaß zum Einsatz kommen würden, was schließlich zu einer – vom Gesetzgeber in dieser Art nicht gewollten – absoluten "Gesundheitsinformationssperre" für die Versicherer führe.
7.1.2. Die antragstellenden Gesellschaften hegen weiters das Bedenken, dass die angefochtenen Gesetzesbestimmungen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Es sei zweifelhaft, dass im Hinblick auf das Regelungsziel des § 67 GTG die darin normierte Ungleichbehandlung von medizinischen Ergebnissen, die durch genetische Laboranalysen gewonnen wurden, und "konventionell" gewonnenen Ergebnissen sachlich gerechtfertigt werden könne.
Der Gesetzgeber habe eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vorgenommen, indem er in § 67 GTG bloß auf die Methodik der Untersuchung abziele. Auf Grund der Ähnlichkeit der hiezu anzustellenden Erwägungen verweisen die antragstellenden Parteien auf ihre Ausführungen zu den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit.
Darüber hinaus sei die absolute Verbotswirkung des § 67 GTG überschießend. Dies zeige sich daran, dass in anderen Staaten ein der österreichischen Rechtslage vergleichbares "Totalverbot" nicht bestehe.
7.2. Die Bundesregierung tritt den antragstellenden Parteien zunächst mit grundsätzlichen Überlegungen entgegen, bevor sie auf die von den antragstellenden Parteien behauptete Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen eingeht.
7.2.1. Das Verbot des § 67 GTG bzw. des § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG erfasse genetische Daten mit Personenbezug. Es handle sich daher um sensible Daten iSd § 4 Z 2 DSG 2000 und um besonders schutzwürdige Daten iSd § 1 Abs 2 DSG 2000. So erlaubten genetische Daten nicht nur Aussagen über den aktuellen Gesundheitszustand einer Person, sondern enthielten darüber hinaus eine Fülle weiterer, besonders sensibler Informationen, etwa betreffend Verwandtschaftsverhältnisse, ethnische Herkunft und nicht zuletzt die bloße Prädisposition (Veranlagung) für eine Krankheit. Prädiktive genetische Analysen dienten zur Feststellung einer Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Erkrankung oder zur Feststellung eines Überträgerstatus, unabhängig davon, ob nach dem Stand von Wissenschaft und Technik eine Prophylaxe oder Therapie möglich seien(§65 Abs 1 Z 3 und 4 GTG). Die aus einer prädiktiven Analyse gewonnenen Aussagen könnten eine erhebliche Belastung für den Betroffenen mit sich bringen, selbst wenn im Einzelfall keine sichere Vorhersage über den tatsächlichen Eintritt eines Krankheitsfalls getroffen werden könne. Genetische Daten seien unveränderbar und daher auch vom Willen und der Lebensführung des Betroffenen unbeeinflussbar. Eine genetische Analyse greife auch in die Privatsphäre anderer Personen und damit in deren Grundrecht auf Datenschutz ein. Auch wenn dies im Einzelfall auf andere Gesundheitsdaten zutreffe, sei es im Hinblick auf genetische Daten eine in der Natur dieser Daten gelegene Eigenschaft, auf die der Gesetzgeber bei der Regelung der Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten Bedacht zu nehmen habe.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe anerkannt, dass das Recht auf Achtung der Privatsphäre (Art8 EMRK) das Recht auf Zugang zu verfügbaren Informationen über den eigenen Gesundheitszustand, einschließlich Gentests, umfasse (EGMR , Fall R.R. , Appl. 27617/04, Z 197). In der Literatur werde darüber hinausgehend aus den grundrechtlichen Gewährleistungen der Privatsphäre und des Datenschutzes sowie aus § 16 ABGB ein Recht auf "genetische Privatsphäre" bzw. auf "geninformationelle Selbstbestimmung" abgeleitet. Dieses umfasse nicht nur das Recht auf Geheimhaltung genetischer Daten der eigenen Person (und damit den Schutz vor der Verwendung dieser Daten), sondern auch ein "Recht auf Nichtwissen" im Sinne eines Rechts, über die eigene genetische Disposition nicht Bescheid zu wissen.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die besondere Sensibilität genetischer Daten hervorgehoben, zumal deren künftige Verwendbarkeit und Aussagekraft und die damit einhergehenden Implikationen für die Interessen der Betroffenen nicht vorhergesehen werden könnten (EGMR [GK], Fall S. und Marper , Appl. 30562/04 und 30566/04, Z 71). Diese Erwägung habe auch Eingang in die aktuelle Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gefunden (VfSlg 19.738/2013).
Der besonderen Sensibilität genetischer Daten trage auch Art 21 Abs 1 GRC Rechnung, der Diskriminierungen unter anderem wegen der genetischen Merkmale verbiete.
7.2.2. Die Bundesregierung bezweifelt, dass die angefochtenen Bestimmungen überhaupt in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingreifen.
Sollte man den Eingriff in Art 5 StGG bejahen, sei dieser gerechtfertigt: Das angefochtene Verbot diene dem Schutz der genetischen Privatsphäre und des Rechts auf Nichtwissen im Versicherungsvertragsverhältnis, in dem typischerweise ein Ungleichgewicht der Vertragspartner gegeben sei. Das absolute Verbot der Erhebung und Verwendung von Daten im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen sei tauglich, das Ziel des Schutzes der genetischen Privatsphäre und des Rechts auf Nichtwissen zu erreichen. Ein solches Verbot sei auch zur Zielerreichung erforderlich und verhältnismäßig:
Der datenschutzrechtliche Zustimmungsbegriff des § 4 Z 14 DSG 2000 bezeichne eine gültige, insbesondere ohne Zwang abgegebene Willenserklärung des Betroffenen, dass er in Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall in die Verwendung seiner Daten einwilligt. Insbesondere sei es auch erforderlich, dass die Zustimmung jederzeit widerrufen werden könne (vgl. § 9 Abs 6 DSG 2000). Im Versicherungsvertragsrecht erscheine die ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen ganz allgemein keine geeignete datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für die Verwendung von genetischen Daten zu sein, weil die von der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. 1995 L 281, 31, geforderte Freiwilligkeit der Zustimmung im Allgemeinen nicht gegeben sein werde. Diese Überlegung liege der ausdrücklichen gesetzlichen Verwendungsermächtigung des § 11a Abs 1 erster Satz VersVG zugrunde (vgl. AB 2029 BlgNR 20. GP, 1).
Im Hinblick auf die nicht vorhersehbaren zukünftigen Verwendungsmöglichkeiten und die Aussagekraft genetischer Daten (vgl. EGMR [GK], Fall S. und Marper , Appl. 30562/04 und 30566/04, sowie VfSlg 19.738/2013) sei eine wirksame datenschutzrechtliche Zustimmung zu ihrer Verwendung "in Kenntnis der Sachlage" kaum denkbar, zumal der Versicherungsvertrag (anders als etwa eine einzelne genetische Analyse zu Gesundheitszwecken) ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis begründe und durch den technischen und medizinischen Fortschritt aus ein und demselben Ergebnis einer Laboranalyse zu einem späteren Zeitpunkt wesentlich mehr Informationen abgeleitet werden könnten als zum Zeitpunkt der "Zustimmung".
Überdies sei es im Hinblick auf die Gruppenbezogenheit genetischer Daten zweifelhaft, dass die Zustimmung des betroffenen Versicherungsnehmers zur Verwendung seiner genetischen Daten ausreicht, um den damit verbundenen Eingriff in die Rechte weiterer betroffener Personen zu rechtfertigen.
Eine solche wirtschaftliche Zwangslage trete noch stärker hervor, wenn Daten genetischer Analysen nicht für eine private Krankenversicherung, sondern etwa für eine Lebensversicherung verwendet würden (die von Banken häufig zur Besicherung von Krediten verlangt würden). Eine – von rein wirtschaftlichen Erwägungen unabhängige – "freiwillige" Zustimmung eines Versicherungswerbers zu einer genetischen Analyse erscheine bei einer solchen Sachlage lebensfremd.
Die Bundesregierung weist auch darauf hin, dass dem Versicherungsvertragsrecht zwingende Vorschriften, die eine Beschränkung der Vertragsfreiheit des Versicherers darstellen und von denen auch mit Zustimmung des Betroffenen nicht abgegangen werden darf, keineswegs fremd seien. § 67 GTG stelle keineswegs einen "Bruch mit dem Ordnungssystem der Privatversicherungen" dar.
Das Verbot des § 67 GTG stehe auch im Einklang mit dem Unionsrecht (zB Art 8 der Richtlinie 95/46/EG) und einschlägigen internationalen Rechtsinstrumenten (zB Internationale Erklärung der UNESCO über menschliche genetische Daten).
7.2.3. Des Weiteren stellen nach Auffassung der Bundesregierung § 67 GTG und § 11a Abs 1 letzter Satz VersVG keinen Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG dar. Die angefochtenen Bestimmungen untersagten nicht Versicherungsgeschäfte als solche, sondern lediglich das Erheben, Verlangen, Annehmen und Verwerten von Ergebnissen genetischer Analysen bei Abschluss von Versicherungsverträgen und bei der Beurteilung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag. Die Ausübung des Versicherungsvertragsgeschäfts an sich werde dadurch nicht berührt. Wenn sich dies überhaupt auf das Versicherungsvertragsgeschäft auswirken sollte, wäre dies bloß eine faktische Reflexwirkung des Verbots. Ein grundrechtsrelevanter Eingriff liege somit nach Auffassung der Bundesregierung gar nicht vor.
Sollte der Verfassungsgerichtshof jedoch die angefochtenen Bestimmungen als Eingriff in Art 6 StGG werten, wären sie als Berufsausübungsschranke zu qualifizieren, die aus den von der Bundesregierung zum Eigentumsgrundrecht dargelegten Gründen gerechtfertigt sei.
7.2.4. Zur behaupteten Verletzung des Gleichheitssatzes verweist die Bundesregierung zunächst darauf, dass der Begriff der "genetischen Analyse" iSd § 4 Z 23 GTG sowohl eine bestimmte Methode (Laboranalyse) als auch ein bestimmtes Ergebnis (Aussagen über das Genmaterial des Menschen) voraussetze, das Verbot des § 67 GTG also nicht bloß auf die Methodik der Untersuchung abstelle, wie die antragstellenden Parteien meinten.
Im Übrigen gehe die Bundesregierung davon aus, dass im Hinblick auf die Besonderheiten genetischer Daten und das Ungleichgewicht der Vertragspartner, wie es im Versicherungsvertragsrecht typischerweise bestehe, ein absolutes Verbot der Verwendung von Daten aus genetischen Analysen sachlich gerechtfertigt und – wie das Erkenntnis VfSlg 18.209/2007 zum absoluten Verbot von Naturalrabatten bei Arzneimitteln zeige – auch nicht exzessiv sei.
7.3. Die angefochtenen Bestimmungen stehen im Widerspruch zum Gleichheitssatz :
7.3.1. Nach den (auch für den angefochtenen § 67 GTG idF BGBl I 127/2005 heranziehbaren) Materialien zu § 67 GTG in der Stammfassung BGBl 510/1994 sollte mit dem umfassenden und ausnahmslosen Verbot der Erhebung und Verwendung von Daten aus genetischen Analysen die "genetische Privatsphäre" und deren Unantastbarkeit vor allem in jenen Fällen gewährleistet werden, in denen der Einzelne faktischen Zwangs- und Abhängigkeitsverhältnissen im Erwerbsleben unterliegt (RV 1465 BlgNR 18. GP, 63):
"Das hier umschriebene Verbot dient dem Schutz des sozial Schwächeren in Rechtsverhältnissen, bei denen eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, das heißt im Fall eines Arbeitssuchenden bei allen Arten von Arbeitsverhältnissen und arbeitsähnlichen Verhältnissen; als Arbeitgeber gelten auch die Dienstgeber. Darüber hinaus soll auch die freiwillige Vorlage von Analyseergebnissen durch Arbeitnehmer, Versicherungsnehmer usw unterbunden werden: Schutzziel dieser Bestimmung ist die genetische Privatsphäre des einzelnen Menschen, deren Unantastbarkeit vor allem in jenen Fällen nicht gewährleistet ist, wo der einzelne faktischen Zwangssituationen, wie sie im Erwerbsleben gegeben sein können, unterliegt."
Die hinter § 67 GTG stehende Zielsetzung des Gesetzgebers wird allgemein auf den Schutz eines "geninformationellen Selbstbestimmungsrechts" (zB Taupitz , Genetische Diagnostik und Versicherungsrecht, 2000, 23 f.) bezogen, das sowohl das Recht, selbst zu bestimmen, ob und zu welchem Zweck personenbezogene Daten erhoben, verwendet und an Dritte weiter gegeben werden, als auch – als negative Seite des Selbstbestimmungsrechts – das "Recht auf Nichtwissen" umfasse. Das "Recht auf Nichtwissen" soll zum einen den Betroffenen vor der Weitergabe von Informationen an Dritte, zum anderen aber auch gerade den Betroffenen selbst vor einer Aufdeckung seiner genetischen Disposition schützen ( Bernat , Recht und Humangenetik, 42 ff.; Posch, in: Schwimann [Hrsg.], ABGB 3 , Bd. I, § 16, Rz 51). Dieses Interesse des Versicherungsnehmers/Versicherungswerbers wird auch durch das Recht auf Privatleben gemäß Art 8 EMRK geschützt, dem auch ein Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" über Daten über die eigene genetische Disposition innewohnt.
7.3.2. Da § 67 GTG sowohl der Anzeigepflicht gemäß § 16 VersVG (teilweise) materiell derogiert als auch die Möglichkeit eines vorvertraglichen Verlangens auf Zurverfügungstellung medizinischer Befunde rechtlich ausschließt, sofern es sich dabei um Ergebnisse aus genetischen Analysen im Sinne des § 4 Z 23 GTG handelt, stellt sich die Frage der sachlichen Rechtfertigung dafür, dass Gesundheitsdaten aus einer "konventionellen" Untersuchung verwendet werden dürfen, die Verwendung von Daten aus genetischen Analysen hingegen ausnahmslos verboten ist.
Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber nicht entgegentreten, wenn dieser den Schutz der Versicherungswerber/Versicherungsnehmer vor einer (unfreiwilligen) Aufdeckung ihrer genetischen Disposition gegenüber dem Versicherer als zu berücksichtigendes Interesse qualifiziert.
7.3.2.1. Der Versicherungswerber/Versicherungsnehmer besitzt gegenüber dem Versicherer regelmäßig einen Informationsvorsprung in Bezug auf das Vorliegen und die Beschaffenheit der einzelnen Risikoumstände für das Versicherungsverhältnis ( Heiss/Lorenz , in: VersVG, Vor §§16-22, Rz 9). Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer dient gerade zur Herstellung des Informationsgleichgewichts zwischen dem Versicherer und dem Versicherungswerber/Versicherungsnehmer: Gemäß § 16 Abs 1 VersVG hat der Versicherungswerber alle ihm bekannten Umstände anzuzeigen, die für die Übernahme einer Gefahr erheblich sind. Unterbleibt die Anzeige, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten (§16 Abs 2 VersVG). Diese Anzeigepflicht bezieht sich unter anderem auf medizinische Informationen und ärztliche Befunde, etwa über (geheilte) Vorerkrankungen oder sonstige gefahrenrelevante Tatsachen. Es ist anerkannt, dass es dem Versicherer erlaubt ist, den Abschluss des Versicherungsvertrages von der Durchführung bestimmter medizinischer Untersuchungen oder der Beibringung von Untersuchungsergebnissen abhängig zu machen (vgl. dazu Heiss/Lorenz, in: VersVG,§ 16-17, Rz 21; Bernert , Europarechtliche Implikationen, 20). Der Versicherer kann diese Untersuchungen zwar nicht (direkt) durchsetzen; er kann aber nach den Grundsätzen der Privatautonomie den Vertragsabschluss zur Gänze ablehnen, die Behandlung bestimmter Krankheiten vom Versicherungsschutz ausnehmen oder beispielsweise nur zu höheren Prämien akzeptieren.
7.3.2.2. Eine verwandte Zielsetzung hat § 11a VersVG, der die Verwendung von Gesundheitsdaten durch private Versicherer regelt: Danach darf der Versicherer gemäß § 11a Abs 1 VersVG im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen, bei welchen der Gesundheitszustand des Versicherten erheblich ist, personenbezogene Gesundheitsdaten verwenden, soweit dies zur Beurteilung, ob und zu welchen Bedingungen ein Versicherungsvertrag abgeschlossen oder geändert wird, zur Verwaltung bestehender Versicherungsverträge oder zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen (Leistungskontrolle) aus einem Versicherungsvertrag unerlässlich ist. Zu den zulässigen Methoden der Ermittlung gehören unter anderem die Befragung der betroffenen Personen, aber auch Auskünfte von Dritten (zB Ärzten, Krankenanstalten), wenn der betroffene Versicherungswerber/Versicherungsnehmer im Einzelfall eine ausdrückliche Zustimmung erteilt (vgl. näher § 11a Abs 2 Z 3 und 4 VersVG; Gruber , in: Fenyves/Schauer [Hrsg.], VersVG, 2014, § 11a, Rz 1 ff.; Bernert, Europarechtliche Implikationen, 26 ff.).
Das Verbot des Informationsverlangens bzw. der Verwendung der Information gemäß § 67 GTG knüpft an die "genetische Analyse" (vgl. § 4 Z 23 GTG), somit an eine bestimmte (labortechnische) Analysemethode. Die Methode als solche kann aber von vornherein nicht ein Kriterium für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung für die unterschiedliche Regelung in Bezug auf Informationen sein, die aus "konventionellen" Untersuchungen und aus genetischen Analysen gewonnen werden, zumal beide Untersuchungsmethoden (insbesondere auch die genetische Analyse nach §§65f. und §§68 ff. GTG) zulässig sind. Die sachliche Rechtfertigung kann sich nur aus der erzielbaren Aussagekraft einer bestimmten Untersuchung und deren Auswirkungen und Folgen auf die Interessen des Betroffenen (oder Dritter) ergeben (vgl. auch Stelzer/Schmiedecker , Gentechnikrecht, in: Holoubek/Potacs [Hrsg.], Öffentliches Wirtschaftsrecht 3 , Bd. II, 2013, 712).
In Bezug auf den Inhalt der gewonnenen Informationen werden – wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung ausführt – genetischen Analysen einige Besonderheiten zugeschrieben: So wird vorgebracht, dass sie typischer Weise erbliche Ursachen von Krankheiten betreffen, die bisher unbekannt waren und oft erst viel später manifest werden und daher eine lange Phase der Unsicherheit und gravierende Auswirkungen auf das individuelle Selbstverständnis nach sich ziehen. Da häufig auch keine Therapiemöglichkeit zur Verfügung stehe, habe dieses Wissen ein hohes Belastungspotential, was einen verstärkten Schutz vor einer ungewollten Kenntnisnahme solcher Ergebnisse ("Recht auf Nichtwissen") rechtfertige. Außerdem könnten Gentests auch belastende Information über blutsverwandte Familienangehörige zutage fördern, sie würden also mitunter eine erhebliche "Drittwirkung" aufweisen (vgl. Bartram et al , Humangenetische Diagnostik, 2000, 82 ff., zu den verschiedenen Argumenten hinsichtlich der Besonderheiten der Daten aus genetischen Analysen).
7.3.2.3. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes vermag diese Besonderheit der Daten aus genetischen Analysen gegenüber Ergebnissen "konventioneller" Untersuchungsmethoden das in § 67 GTG normierte, ausnahmslose Verbot der Erhebung und Verwendung von Ergebnissen jeglicher genetischer Analysen durch den Versicherer nicht zu rechtfertigen:
Der Gesetzgeber selbst hat mit der Novelle BGBl I 127/2005 eine differenzierte (datenschutzrechtliche) Regelung in Bezug auf die unterschiedlichen Typen der genetischen Analysen getroffen. § 65 Abs 1 GTG sieht vier Typen genetischer Analysen vor:
"1. Typ 1 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, der Vorbereitung einer Therapie oder Kontrolle eines Therapieverlaufs und basiert auf Aussagen über konkrete somatische Veränderung von Anzahl, Struktur, Sequenz oder deren konkrete chemische Modifikationen von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten
2. Typ 2 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, welche auf einer Keimbahnmutation beruht
3. Typ 3 dient der Feststellung einer Prädisposition für eine Krankheit, insbesondere der Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Erkrankung oder Feststellung eines Überträgerstatus, für welche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Prophylaxe oder Therapie möglich sind
4. Typ 4 dient der Feststellung einer Prädisposition für eine Krankheit, insbesondere der Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Erkrankung oder Feststellung eines Überträgerstatus, für welche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik keine Prophylaxe oder Therapie möglich sind."
In den Materialien zu § 65 GTG idF BGBl I 127/2005 wird ausdrücklich festgehalten, dass "dem Datenschutz bei prädiktiven Analysen ein anderer Stellenwert zukommt als bei manifesten Erkrankungen" (RV 1083 BlgNR 22. GP, 4).
Bei genetischen Analysen des Typs 3 und 4 (im Sinne des § 65 Abs 1 Z 3 und 4 GTG) handelt es sich um prädiktive genetische Tests, auf die sich – wie auch die mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof gezeigt hat – das Verbot des § 67 GTG in seinem Kerngehalt bezieht und bei denen der Zweck dieser Regelung – das "Recht auf Nichtwissen" um eine genetische Veranlagung – besonders zum Tragen kommt. Auf Grund prädiktiver genetischer Analysen könnte der Betroffene von bestimmten genetischen Veranlagungen erfahren, die ihm vor der Durchführung der genetischen Analyse nicht bekannt waren. Der Betroffene würde diesfalls mit einer Diagnose belastet, von der er andernfalls noch nicht oder möglicherweise nie etwas erfahren hätte. Dem Gesetzgeber ist unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nicht entgegenzutreten, wenn er den Versicherungswerber/Versicherungsnehmer in seinem aus Art 8 EMRK ableitbaren "Recht auf Nichtwissen" schützt; und zwar auch dann, wenn der Versicherungswerber/Versicherungsnehmer das Ergebnis einer genetischen Analyse dem Versicherer auf eigene Initiative bzw. allenfalls in seinem eigenen Interesse mitteilen will. Insoweit soll – wie auch die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – die Umgehung der in den angefochtenen Bestimmungen getroffenen Regelung verhindert werden.
Auch in Bezug auf genetische Analysen des Typs 2 ist das Verbot des § 67 GTG sachlich gerechtfertigt: Genetische Analysen des Typs 2 dienen der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, die auf einer Keimbahnmutation beruht. Im Gegensatz zu somatischen Mutationen werden, wie auch die mündliche Verhandlung ergeben hat, Mutationen von Zellen der Keimbahn an Nachkommen vererbt (vgl. etwa Bartram et al , Humangenetische Diagnostik, 2000, 28). Auf Grund der besonderen Bedeutung, die Informationen über die genetische Disposition Dritter zukommt, ist dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er die Erhebung und Verwendung von Ergebnissen genetischer Analysen des Typs 2 durch Versicherer verbietet.
Das in § 67 GTG normierte Verbot der Erhebung und Verwendung von Ergebnissen genetischer Analysen ist jedoch im Hinblick auf genetische Analysen des Typs 1 nicht sachlich gerechtfertigt, weil sich solche Untersuchungsergebnisse nicht wesentlich von jenen aus "konventionellen" Untersuchungen unterscheiden.
In den Materialien zur Novelle des Gentechnikgesetzes, BGBl I 127/2005, wird ausdrücklich die Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus (nicht prädiktiven) genetischen Analysen gemäß § 65 Abs 1 Z 1 GTG ("Typ 1") mit jenen aus "konventionellen" Untersuchungsmethoden festgehalten (RV 1083 BlgNR 22. GP, 7):
"Zu Z 9 (§65):
§65 Abs 1 unterscheidet nun vier Typen von genetischen Analysen, die je nach ihrem Zweck (Feststellung einer Prädisposition oder einer bereits bestehenden Erkrankung), ihrer Bedeutung für den Patienten oder auch für seine Nachkommen, und den Möglichkeiten einer Prophylaxe oder Therapie in unterschiedlicher
Weise behördlicher Genehmigung und Überwachung unterliegen. Insbesondere sind aber auch die jeweiligen Folgen für die Qualitätssicherung, die Beratung und den Datenschutz abgestuft.
Ein wichtiger Punkt dabei ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus genetischen und anderen, konventionellen, Untersuchungsmethoden. Hier sollte bei den entsprechenden genetischen Analysen eine Deregulierung hinsichtlich der Antragspflicht erfolgen, andererseits aber was die Qualitätssicherung, die Beratung und den Datenschutz angeht, gleiche Rechtsfolgen ausgelöst werden.
Typ 1 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung mittels genetischer Analyse, bei der eine somatische Mutation festgestellt wird; diese Untersuchung kommt einer medizinischen Standarduntersuchung gleich, die Ergebnisse aus einer solchen Untersuchung können in Arztbriefen und Krankengeschichten wie herkömmliche medizinische Daten dokumentiert sein, um eine Therapie, Abrechnung mit der Krankenkasse u.s.w. zu ermöglichen. Bei der weitaus überwiegenden Zahl der genetisch untersuchten Erkrankungen handelt es sich um solche, die durch somatische Mutationen bedingt sind und daher in die Kategorie 1 fallen. Weiters unterliegt diesem Analysetyp die Vorbereitung einer Therapie oder die Kontrolle des Therapieverfahrens."
Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass eine genetische Analyse des Typs 1 (iSd § 65 Abs 1 Z 1 GTG) einer medizinischen Standarduntersuchung gleichkommt. Die Ergebnisse aus einer solchen Untersuchung können in Arztbriefen und Krankengeschichten wie herkömmliche medizinische Daten dokumentiert sein, um etwa eine Therapie oder die Abrechnung mit der Krankenkasse zu ermöglichen (vgl. § 71a Abs 1 GTG).
Es ist nun kein Grund für den Verfassungsgerichtshof ersichtlich, der es rechtfertigen würde, dass Ergebnisse genetischer Analysen des Typs 1, die sich zum einen nur auf bereits bestehende Erkrankungen beziehen, die auf "Aussagen über konkrete somatische Veränderung von Anzahl, Struktur, Sequenz oder deren konkrete chemische Modifikationen von Chromosomen, Genen und DNA-Abschnitten" basiert, und die nach den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung zum anderen mit herkömmlichen Untersuchungsmethoden vergleichbar sind, vom Verbot des § 67 GTG erfasst werden.
Gegen die Zulässigkeit der Erhebung und Verwendung genetischer Analysen des Typs 1 (§65 Abs 1 Z 1 GTG) durch den Versicherer kann auch nicht das Recht auf ("genetische") Privatsphäre (Art8 EMRK) oder das Recht auf Datenschutz (§1 DSG 2000) ins Treffen geführt werden. Zum Zeitpunkt, zu dem der Versicherungswerber/Versicherungsnehmer die genetische Analyse des Typs 1 (§65 Abs 1 Z 1 GTG) durchführen lässt, ist ihm voraussetzungsgemäß die bestehende Krankheit bereits auf Grund einer "konventionellen" Untersuchung bekannt; der Versicherungswerber/Versicherungsnehmer ist nach § 16 VersVG verpflichtet, dem Versicherer diese ihm bereits bekannte Krankheit anzuzeigen (bzw. darf der Versicherer nach Maßgabe des § 11a VersVG diese personenbezogenen Gesundheitsdaten ermitteln und verwenden). Weiters lassen Ergebnisse von genetischen Analysen des Typs 1 keine Rückschlüsse auf die genetische Disposition Dritter zu.
Es ist daher nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht zu erkennen, inwiefern die Verpflichtung des Versicherungswerbers zur Preisgabe der Ergebnisse einer genetischen Analyse des Typs 1 (iSd § 65 Abs 1 Z 1 GTG) das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Privatheit gemäß Art 8 EMRK oder auf Datenschutz gemäß § 1 DSG 2000 verletzen könnte.
Die durch das ausnahmslose Verbot des § 67 GTG iVm § 11a VersVG bewirkte Ungleichbehandlung von Ergebnissen konventioneller Untersuchungen und von genetischen Analysen des Typs 1 iSd § 65 Abs 1 Z 1 GTG ist somit sachlich nicht gerechtfertigt.
7.3.3. Da die angefochtenen Wortfolgen in § 67 GTG und der letzte Satz in § 11a Abs 1 VersVG ein umfassendes, dh. undifferenziertes Verbot für jegliche Verwendung der Ergebnisse aus genetischen Analysen statuiert, verstoßen die angefochtenen Bestimmungen gegen den Gleichheitssatz.
8. Angesichts des Ergebnisses, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, erübrigt es sich, auf die Bedenken der antragstellenden Parteien im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsausübung einzugehen.
V. Ergebnis
1. Die Wortfolgen "und Versicherern" und "oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern" in § 67 GTG, BGBl 510/1994, idF BGBl I 127/2005, sowie der letzte Satz in § 11a Abs 1 VersVG, BGBl 2/1959, idF BGBl I 34/2012, sind als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B VG.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B VG.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
5. Der Antrag des erstantragstellenden Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs ist zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 65a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 763,–, Umsatzsteuer in Höhe von € 588,60 sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2015:G20.2015