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VfGH vom 10.10.2008, g20/07

VfGH vom 10.10.2008, g20/07

Sammlungsnummer

18607

Leitsatz

Keine Gleichheitswidrigkeit einer Regelung des GSVG betreffend eine höhere Beitragsgrundlage der "neuen Selbständigen" in den ersten zwei Jahren der Pflichtversicherung; keine unsachliche Beschränkung der "fixen Neuzugangsgrundlage" auf andere pflichtversicherte Gewerbetreibende angesichts der neuen Selbständigen dauernd gewährten Begünstigung des Entfalls der Beitragspflicht bei Einkünften unterhalb der Versicherungsgrenze

Spruch

Die Wortfolge "Z 1 bis 3" in § 25 Abs 4 Z 1 zweiter Satz des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, in der Fassung der 27. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 141/2002, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B880/06 ein Verfahren

gemäß Art 144 B-VG anhängig, dem folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

Die Beschwerdeführerin ist selbständig erwerbstätige Physiotherapeutin und als solche gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG ("neue Selbständige") in der Kranken- und in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Laut Einkommensteuerbescheid hat sie im Jahr 2003 Einkünfte in der Höhe von € 25.711,71 erzielt.

Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Kärnten, wurden ihre (endgültigen) Beitragsgrundlagen in der Kranken- und in der Pensionsversicherung im Zeitraum von April bis Dezember 2003 mit monatlich (jeweils) @ 2.937,67 festgesetzt.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch beantragte die Beschwerdeführerin, die Beitragsgrundlage in der Krankenversicherung in der Höhe der - für nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG pflichtversicherte Gewerbetreibende geltenden - sog. "fixen Neuzugangsgrundlage" von monatlich € 537,78 festzusetzen. Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten wurde diesem Einspruch keine Folge gegeben.

2. Die hier (für das Beitragsjahr 2003) maßgeblichen Bestimmungen des GSVG - die in Prüfung gezogene (hervorgehobene) Wortfolge in § 25 Abs 4 Z 1 idF der 27. Novelle zum GSVG, BGBl. I 141/2002 - lauten samt Überschriften wie folgt:

"Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und in der
Pensionsversicherung

§2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:


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1.
die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft;


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2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, die Gesellschafter einer offenen Erwerbsgesellschaft und die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft, sofern diese Gesellschaften Mitglieder einer der in Z 1 bezeichneten Kammern sind;


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3.
die zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sofern diese Gesellschaft Mitglied einer der in Z 1 bezeichneten Kammern ist und diese Personen nicht bereits aufgrund ihrer Beschäftigung (§4 Abs 1 Z 1 in Verbindung mit § 4 Abs 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) als Geschäftsführer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterliegen oder aufgrund dieser Pflichtversicherung Anspruch auf Kranken- oder Wochengeld aus der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz haben, auch wenn dieser Anspruch ruht, oder auf Rechnung eines Versicherungsträgers Anstaltspflege erhalten oder in einem Genesungs-, Erholungs- oder Kurheim oder in einer Sonderkrankenanstalt untergebracht sind oder Anspruch auf Ersatz der Pflegegebühren gemäß § 131 oder § 150 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes einem Versicherungsträger gegenüber haben;


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4.
selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den)
entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§4 Abs 1 Z 5 oder Z 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nachhinein festzustellen.


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...

Beitragsgrundlage

§25. (1) Für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs 1 sind, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs 1 Z 5 und 6, unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

(2) Die Beitragsgrundlage ist der gemäß Abs 1 ermittelte Betrag ...

...

(4) Die Beitragsgrundlage gemäß Abs 2 beträgt für jeden Beitragsmonat


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1.
für Pflichtversicherte nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 in der Krankenversicherung mindestens 551,76 € und in der Pensionsversicherung mindestens 1 072,82 €. In der Krankenversicherung tritt in den ersten beiden Kalenderjahren einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3, sofern innerhalb der letzten 120 Kalendermonate vor Beginn dieser Pflichtversicherung keine solche in der Pensions- und/oder Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz bestanden hat, an die Stelle des Betrages von 551,76 € der in Z 2 lita genannte Betrag (Neuzugangsgrundlage in der Krankenversicherung). In der Pensionsversicherung tritt im Kalenderjahr des erstmaligen Eintritts einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 und den darauf folgenden zwei Kalenderjahren an die Stelle des Betrages von 1 072,82 € der in Z 2 lita genannte Betrag. In der Krankenversicherung tritt im dritten Kalenderjahr des erstmaligen Eintrittes einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 an die Stelle des Betrages von 551,76 € der in Z 2 lita genannte Betrag.


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2. für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs 1 Z 4


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a)
sofern sie ausschließlich eine betriebliche Tätigkeit ausüben, mindestens 537,78 Euro;


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b)
sofern sie sonstige Erwerbstätigkeiten ausüben oder Leistungen im Sinne des § 4 Abs 1 Z 6 litb
beziehen, mindestens 309,38 €;


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3.
für Pflichtversicherte gemäß § 3 Abs 1 Z 2
mindestens 537,78 Euro.

Besteht für einen Beitragsmonat eine Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 und § 2 Abs 1 Z 4, gilt die Mindestbeitragsgrundlage eines Pflichtversicherten gemäß § 2 Abs 1 Z 1 bis 3. An die Stelle der Beträge gemäß Z 1 und Z 2 litb treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres die unter Bedachtnahme auf § 51 mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§47) vervielfachten Beträge.

(5) ...

(6) Die endgültige Beitragsgrundlage tritt an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage, sobald die hiefür notwendigen Nachweise vorliegen.

...

Vorläufige Beitragsgrundlage

§25a. (1) Die vorläufige monatliche Beitragsgrundlage ist, ausgenommen in den Fällen des Abs 4,


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1.
wenn eine Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz im drittvorangegangenen Kalenderjahr nicht bestanden hat,


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a)
für die gemäß § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 Pflichtversicherten die monatliche Beitragsgrundlage gemäß § 25 Abs 4 Z 1;§ 25 Abs 4 Z 1 letzter Satz ist anzuwenden;


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b)
für die gemäß § 2 Abs 1 Z 4 Pflichtversicherten die im § 25 Abs 4 Z 2 genannten Beträge;


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bestehen in einem Kalendermonat Pflichtversicherungen gemäß § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 und § 2 Abs 1 Z 4, so ist die Beitragsgrundlage gemäß lita anzuwenden;


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2.
in allen anderen Fällen die Summe der gemäß § 25 Abs 2 für das drittvorangegangene Kalenderjahr festgestellten Beitragsgrundlagen, geteilt durch die Zahl der Beitragsmonate der Pflichtversicherung in diesem Kalenderjahr, vervielfacht mit dem Produkt aus der Aufwertungszahl (§47) des Kalenderjahres, in das der Beitragsmonat (§25 Abs 10) fällt, und aus den Aufwertungszahlen der beiden vorangegangenen Kalenderjahre. Dieser Betrag ist auf Cent zu runden. Konnte die Beitragsgrundlage gemäß § 25 für das drittvorangegangene Kalenderjahr noch nicht festgestellt werden, weil der für die Beitragsbemessung maßgebende Einkommensteuerbescheid oder Einkommensnachweis noch nicht vorliegt, sind die Beitragsgrundlagen des Kalenderjahres heranzuziehen, in dem die Beitragsbemessung gemäß § 25 Abs 6 erfolgt ist. Bei der Vervielfachung ist das Produkt der Aufwertungszahlen entsprechend zu ergänzen.

Die vorläufige Beitragsgrundlage darf die in § 25 Abs 4 und 5 genannten Beträge nicht unter- oder überschreiten.

(2) Der gemäß Abs 1 ermittelte Betrag ist zum Zweck der Feststellung der Beiträge um 9,3% zu erhöhen und auf Cent zu runden. Dies gilt insoweit nicht, als dadurch die vorläufige Beitragsgrundlage den in § 25 Abs 5 genannten Betrag überschreiten würde.

(3) Die vorläufige Beitragsgrundlage ist, sofern nichts anderes bestimmt ist, in Anwendung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes der Beitragsgrundlage gemäß § 25 gleichzuhalten.

(4) In den Fällen des § 25 Abs 4 Z 1 zweiter Satz (Neuzugangsgrundlage in der Krankenversicherung) wird keine vorläufige Beitragsgrundlage gebildet."

3. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "Z 1 bis 3" in § 25 Abs 4 Z 1 zweiter Satz GSVG entstanden. Der Verfassungsgerichtshof leitete daher mit Beschluss vom ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung ein: Er hegte nämlich das Bedenken, dass die Beschränkung der "fixen Neuzugangsgrundlage" auf die nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG pflichtversicherten Gewerbetreibenden und der Ausschluss der nach Z 4 dieser Bestimmung versicherten "neuen Selbständigen" von dieser Begünstigung dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz widerspreche.

Der Verfassungsgerichtshof hat seine Bedenken im Einzelnen wie folgt begründet:

"4.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VfSlg. 15.859/2000 die höheren Beitragssätze für 'neue Selbständige' als verfassungswidrig aufgehoben, da keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedlichen Beitragssätze der nach GSVG pflichtversicherten Gewerbetreibenden und 'neuen Selbständigen' gegeben war. Er hat dazu begründend ua. ausgeführt:

'Zwar trifft es zu, daß die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG unabhängig von der Höhe der Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit (selbst bei Verlusten) eintritt und vorausgesetzt wird, daß zumindest die Mindestbeiträge für die Sozialversicherung aufgebracht werden können, während für die sogenannten 'neuen Selbständigen', soweit keine Erklärung nach § 2 Abs 1 Z 4 zweiter Satz GSVG abgegeben worden ist, erst durch das Überschreiten der im § 4 Abs 1 Z 5 oder 6 leg. cit. angeführten Einkommensgrenzen eine Pflichtversicherung begründet wird. Dies allein kann aber keine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Gestaltung des Beitragsrechts in Fällen von gleich hohen Einkünften (und damit gleich hoher Beitragsgrundlage) und gleichem Leistungsrecht innerhalb derselben Versichertengemeinschaft sein.'

4.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nun vorläufig der Auffassung, dass die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung aus denselben Gründen, die im Erkenntnis VfSlg. 15.859/2000 zur Aufhebung der höheren Beitragssätze für 'neue Selbständige' geführt haben, verfassungswidrig ist. Sie scheint nämlich bei gleich hohen, über der Versicherungsgrenze des § 4 Abs 1 Z 5 bzw. 6 GSVG liegenden Einkünften und gleich hohen Beitragssätzen (vgl. § 27 Abs 1 Z 1 GSVG idF BGBl. I Nr. 100/2001) in den beiden ersten Jahren der Pflichtversicherung zwangsläufig eine höhere Beitragsbelastung der 'neuen Selbständigen' in der Krankenversicherung im Unterschied zu den nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG versicherten Gewerbetreibenden zu bewirken.

4.3. Für diese unterschiedliche Ausgestaltung des Beitragsrechts dürfte sich nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes auch keine sachliche Rechtfertigung finden lassen:

4.3.1. In der gesetzlichen Sozialversicherung ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich verwehrt, innerhalb derselben Risikengemeinschaft zwischen 'guten' und 'schlechten' Risiken wie in der privatrechtlichen Versicherung zu unterscheiden. Es ist vielmehr ein Charakteristikum der gesetzlichen Sozialversicherung, dass in ihr alle Risiken zu einer Risikengemeinschaft zusammengefasst und einem einheitlichen Beitragsrecht unterstellt werden (VfSlg. 15.859/2000 mwN). Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass der Gesetzgeber - angesichts der in der oben wiedergegebenen Regierungsvorlage prognostizierten Mindereinnahmen - mit der Einführung einer fixen Beitragsgrundlage in der Krankenversicherung in den ersten beiden Jahren nach Aufnahme eines Gewerbebetriebes eine finanzielle Entlastung dieser Gruppe von Pflichtversicherten herbeiführen und damit wohl auch den Fortbestand von 'Jungunternehmen' sichern wollte.

4.3.2. Vergleicht man jedoch die Gruppe der nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG versicherten Gewerbetreibenden und der nach Z 4 dieser Bestimmung versicherten 'neuen Selbständigen', so kann der Gerichtshof vorderhand nicht solche Unterschiede im Tatsächlichen feststellen, die einen Ausschluss letzterer von dieser Begünstigung rechtfertigen würden.

Mit Erkenntnis vom , G151/06, hat der Verfassungsgerichtshof eine auf Bezieher von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus Gewerbebetrieb beschränkte steuerliche Begünstigung für nicht entnommene Gewinne als verfassungswidrig aufgehoben und dabei ausgesprochen, dass

'die Grenzen zwischen den betrieblichen Einkunftsarten, speziell diejenigen zwischen den Einkünften aus Gewerbebetrieb und den Einkünften aus selbständiger Arbeit, fließend und oft zufällig geworden sind und dass sich das betriebswirtschaftliche Umfeld freiberuflicher Tätigkeiten dem von Gewerbebetrieben stark angenähert hat.'

Diese Überlegungen dürften analog auch auf den Ausschluss der nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG pflichtversicherten 'selbständig erwerbstätigen Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988)' erzielen, die mit der im Erkenntnis G151/06 von der Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne ausgeschlossenen Personengruppe im Ergebnis im Wesentlichen übereinstimmt, von der Begünstigung der 'fixen Neuzugangsgrundlage' in der Krankenversicherung zu übertragen sein.

Das in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage genannte Ziel der Begünstigung, 'in den ersten beiden Jahren der unternehmerischen Tätigkeit' eine 'möglichst genaue Kalkulation der zu erwartenden Abgabenbelastung' zu ermöglichen, scheint die Bedenken ob des Ausschlusses der 'neuen Selbständigen' von der fixen Beitragsgrundlage in der Krankenversicherung vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung zu bestätigen.

5. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die allfällige Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG Pflichtversicherten von der 'fixen Neuzugangsgrundlage' in der Krankenversicherung ihren Sitz in der Wortfolge 'Z 1 bis 3' in § 25 Abs 4 Z 1 zweiter Satz leg. cit. hätte. Bei Aufhebung dieser Wortfolge würde nämlich zufolge § 25a Abs 4 leg. cit. auch bei den nach § 2 Abs 1 Z 4 leg. cit. Pflichtversicherten in den beiden ersten Jahren keine vorläufige Beitragsgrundlage in der Krankenversicherung zu bilden und somit auch keine Nachbemessung vorzunehmen sein."

4. Im Gesetzesprüfungsverfahren erstattete die Bundesregierung eine Stellungnahme, in der sie beantragt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten zu bestimmen, da "eine umfassende Neugestaltung des Beitragsrechts vorgenommen werden müsste". In der Sache tritt die Bundesregierung den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes wie folgt entgegen:

"1. Der Verfassungsgerichtshof hatte bereits mehrfach zu prüfen, ob innerhalb eines Versicherungssystems Differenzierungen in der Höhe der Beiträge zulässig sind und bejahte dies grundsätzlich. Im Einzelnen kommt es bei der Beurteilung solcher Differenzierungen darauf an, ob sie innerhalb des Systems der betreffenden Versicherungseinrichtung sachlich gerechtfertigt sind. Dabei sind verschiedene Rechtfertigungen einer unterschiedlichen Beitragshöhe denkbar (vgl. grundlegend VfSlg. 3721/1960).

So ist etwa die unterschiedliche Gestaltung des Leistungsrechts in verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung geeignet, eine Differenzierung des Beitragsrechts in diesen Versicherungszweigen sachlich zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 9365/1982) nicht darauf an, dass die durch das Leistungsrecht verursachten prognostizierten Mehraufwendungen im Bereich einer Sozialversicherung und die prognostizierten Mehreinnahmen auf Grund höherer Beiträge in diesem Versicherungszweig einander betragsmäßig vollständig entsprechen. Für den Verfassungsgerichtshof ist vielmehr maßgeblich, ob die Unterschiedlichkeit im Leistungsrecht von solchem Gewicht ist, dass sie die Unterschiedlichkeit im Beitragsrecht der betreffenden Sozialversicherung an sich rechtfertigt.

Aber auch bei gleichem Leistungsrecht sind unterschiedliche Beitragssätze nicht von vornherein ausgeschlossen: Im Erkenntnis VfSlg. 16.492/2002 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass der höhere Beitragssatz in der Pensionsversicherung nach dem FSVG (20 %) gegenüber dem Beitragssatz in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (15 %) - bei prinzipieller Vergleichbarkeit der Systeme - trotz der weitgehenden Angleichung des Leistungsrechts nicht verfassungswidrig sei. Ausschlaggebend für die Sachlichkeit der Regelung war - neben dem Umstand, dass bei In-Kraft-Treten des FSVG nur eine freiwillige Einbeziehung der betroffenen Berufsgruppen erfolgen konnte (Antragsprinzip für die Kammern der freien Berufe) -, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Freiberuflerinnen wesentlich höher war als jene der Gewerbetreibenden.

Daraus lässt sich ableiten, dass bei grundsätzlich gleicher Riskengemeinschaft und homogenem Leistungsrecht sozial Schwächere nicht stärker belastet werden dürfen, es aber wirtschaftlich und einkommensmäßig starken Berufsgruppen zumutbar ist, einen höheren Versicherungsbeitrag zu leisten, ohne dass damit der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verletzt wird. Das Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten ist somit bereits als mögliche Grundlage für ein differenziertes Beitragsrecht anerkannt.

2. Die im Rahmen der 27. GSVG-Novelle, BGBl. I Nr. 141/2002, erfolgte Herabsetzung der Mindestbeitragsgrundlage für Gewerbetreibende von 1 045,63 € monatlich auf die Versicherungsgrenze für 'neue Selbständige' von 537,78 € und die gleichzeitige Einführung der fixen Neuzugangsgrundlage in den ersten zwei Jahren der unternehmerischen Tätigkeit hatte, wie auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1184 BlgNR 21. GP) ausgeführt wird, die stetig steigende Anzahl von Jungunternehmern und Jungunternehmerinnen ('Gründerwelle') zum Anlass.

Die Gewerbetreibenden stellen sich als Mitglieder der Wirtschaftskammern sofort und unmittelbar nach der Unternehmensgründung dem wirtschaftlichen Wettbewerb mit den im jeweiligen Marktsegment bereits etablierten Unternehmen, wobei gerade am Beginn der unternehmerischen Tätigkeit der Berechenbarkeit von Abgaben bzw. Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen der Veranschlagung der zu berücksichtigenden Fixkosten sehr große Bedeutung zukommt (vgl. auch zu diesem Aspekt die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien). Die Gewerbetreibenden unterliegen schließlich auch dann der Pflichtversicherung mit den damit verbundenen Fixkosten, wenn sie etwa auf Grund hoher notwendiger Anfangsinvestitionen Verluste erleiden.

Diese Argumente des Wettbewerbes und Unternehmensrisikos treffen zwar grundsätzlich auch auf 'neue Selbständige' zu, allerdings mit der Maßgabe, dass diese Versichertengruppe, wenn sie voraussichtlich keine Einkünfte über der maßgeblichen Versicherungsgrenze erzielen wird, nicht der Pflichtversicherung unterliegt und daher im Stadium der Unternehmensgründung solche Fixkosten auch nicht veranschlagt werden müssen.

Außerdem verfügen NeuunternehmerInnen, die nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG versichert sind, in der Regel über wenig Kapital, sodass der Gesetzgeber ihnen für mindestens 13 bis höchstens 24 Kalendermonate einen niedrigeren Beitrag in der Krankenversicherung gewährt, den sie aber jedenfalls zu entrichten haben. 'Neue Selbständige' hingegen sind oft in einem anderen Beruf (als selbständig oder unselbständig Erwerbstätige) etabliert, sodass sie einer solchen Förderung nicht bereits generell durch das System bedürfen.

Weiters unterliegen die nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG Pflichtversicherten einer oder mehreren Kammermitgliedschaften nach § 2 des Wirtschaftskammergesetzes 1998 und müssen als Pflichtmitglieder nicht unwesentliche Beiträge (Kammerumlagen und Grundumlagen) an die jeweilige Landeskammer, die Wirtschaftskammer Österreich und die jeweilige Fachgruppe (Fachverband) entrichten. Diese Verpflichtung trifft 'neue Selbständige' nicht.

In einer Gesamtschau zeigt sich also, dass die zu beurteilenden Sachverhalte der 'JungunternehmerInnen' hinsichtlich der Personengruppen der Gewerbetreibenden und der 'neuen Selbständigen' durchaus differenziert zu sehen sind. Ein 'Ausgleich', wie er zugunsten der Gewerbetreibenden für die nicht abzuwendende Beitragspflicht in der Gründungsphase auch bei Anfangsverlusten durch eine fixe Neuzugangsgrundlage geschaffen wurde, wäre für die 'neuen Selbständigen' somit nicht gerechtfertigt.

Durch die Aufhebung der Wortfolge 'Z 1 bis 3' in § 25 Abs 4 Z 1 zweiter Satz GSVG würde hingegen eine neue, nach Auffassung der Bundesregierung sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung geschaffen: Für jene 'neuen Selbständigen', für die die niedrigere Versicherungsgrenze (Geringfügigkeitsgrenze) nach § 25 Abs 4 Z 2 litb (iVm. § 4 Abs 1 Z 6) GSVG gilt und deren Einkünfte über dieser Grenze, aber unter der in § 25 Abs 4 Z 1 GSVG geregelten fixen Neuzugangsgrundlage liegen, erscheint nämlich die derzeitige Berücksichtigung ihrer tatsächlich erzielten Einkünfte jedenfalls sachgerechter als die Heranziehung der - in diesen Fällen höheren - fixen Neuzugangsgrundlage.

3. Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Gesetzgeber ein strenges Formalkriterium geschaffen hat: Die NeuunternehmerInnen genießen nur dann die gegenständliche Beitragsbegünstigung in der gewerblichen Krankenversicherung, wenn sie innerhalb der letzten 120 Kalendermonate vor Beginn ihrer Neuunternehmertätigkeit keiner Pflichtversicherung in der Kranken- und/oder Pensionsversicherung nach dem GSVG unterlegen sind. Ein zehnjähriger Karenzzeitraum stellt also sicher, dass der Krankenversicherungsbeitrag für NeuunternehmerInnen nicht spekulativ niedriger entrichtet wird (§25 Abs 4 Z 1 GSVG). Den Versicherungstatbestand der Neuen Selbständigkeit gibt es erst seit , weshalb ein zehnjähriger Zeitraum für diese Versichertengruppe noch gar nicht sinnvoll vorgesehen werden könnte.

4. Im Prüfungsbeschluss wird auch auf das Erkenntnis VfSlg. 15.859/2000 (zur Verfassungswidrigkeit des höheren Beitragssatzes in der Pensionsversicherung nach § 27 Abs 1 Z 3 GSVG für die 'neuen Selbständigen') und das Erkenntnis vom , G151/06 (betreffend die Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne der FreiberuflerInnen) verwiesen.

Die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Konstellationen sind aber nach Auffassung der Bundesregierung schon deswegen nicht mit der nun in Prüfung gezogenen Regelung vergleichbar, weil die Differenzierung bei der Bemessung der Beitragsgrundlage bloß eine 'Übergangsbestimmung' zu Beginn der Erwerbstätigkeits-Karriere darstellt: Die gegenständliche Begünstigung in der Krankenversicherung für NeuunternehmerInnen ist höchstens für 24 Monate wirksam, während der niedrigere Beitragssatz für die gesamte Zeit der gewerblichen Tätigkeit gegolten und die Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne eine dauernde steuerrechtliche Ungleichbehandlung dargestellt hätte.

5. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die beitragsrechtlichen Bestimmungen des GSVG ein Gesamtsystem bilden, sodass die Aufhebung einer Einzelbestimmung die bestehenden Unterschiede nicht beseitigen, sondern neue - nach Auffassung der Bundesregierung weniger sachgerecht erscheinende - Differenzierungen mit sich bringen würde."

5. Auch die am Verfahren beteiligte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft erstattete eine Äußerung, in der sie die in Prüfung gezogene Bestimmung verteidigt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Beschwerde oder an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe.

2. Die Bedenken haben sich aber im Ergebnis als nicht begründet erwiesen:

2.1. Die Bundesregierung weist der Sache nach darauf hin, dass sich das Bedenken, welches den Verfassungsgerichtshof zur Aufhebung des höheren Beitragssatzes für neue Selbständige bewogen (vgl. VfSlg. 15.859/2000) und auch hier zur Prüfung der im Spruch genannten Wortfolge veranlasst hat, nämlich eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Gruppen, gemessen jeweils an Einkünften, die oberhalb der Versicherungsgrenze für neue Selbständige liegen, nicht auf die hier vorliegende Konstellation übertragen lässt.

Es wird seitens der Bundesregierung in diesem Zusammenhang u. a. ins Treffen geführt, dass die Versichertengruppe im Sinne des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG aufgrund der nur bei dieser Personengruppe bestehenden Versicherungsgrenze in der Anfangsphase einer Erwerbstätigkeit, aber auch in der Folge im Falle von Verlusten - anders als dies bei Versicherten im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG der Fall ist - keine Beitragspflicht trifft.

2.2. Mit dieser Argumentation ist die Bundesregierung im Ergebnis im Recht:

Bei der Gleichheitsprüfung darf eine Bestimmung des Dauerrechts, welche für die gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG Versicherten gilt, mit einer die übrigen selbständig Erwerbstätigen nur während der ersten beiden Jahre nach Neuaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit (oder einer diesem Sachverhalt gleichgehaltenen Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach einer 10-jährigen Unterbrechung) beitragsrechtlich begünstigenden, gleichsam übergangsrechtlichen Regelung nicht ohne weiteres verglichen werden. Andernfalls würde dem Gesetzgeber der rechtspolitische Spielraum dafür genommen, die im Beitragsrecht einer Versichertengruppe typischerweise auftretenden finanziellen Härten auch nur für eine Übergangszeit von wenigen Jahren (wenngleich in einer den jeweiligen Einzelfall nicht berücksichtigenden, pauschalierenden Weise) auszugleichen, die bei der anderen Gruppe aufgrund des anders gearteten Systems der Pflichtversicherung gar nicht erst entstehen können, weil bei dieser Gruppe Einkünfte unterhalb der Versicherungsgrenze - außer im Falle der (freiwilligen) Abgabe einer Versicherungserklärung im Vorhinein - nicht zur Beitragspflicht führen.

Der Gesetzgeber ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht gehalten, der - unter dem Aspekt der Beitragslast betrachtet - an sich durch die Versicherungsgrenze im Verhältnis zu den nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG Versicherten auf ganz andere Weise dauernd "begünstigten" Versichertengruppe des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG zusätzliche Beitragsermäßigungen einzuräumen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die hier zu untersuchende Ermäßigung der Beitragsgrundlage für andere Versichertengruppen, denen eine Versicherungsgrenze nicht zugute kommt, sowohl unter anderen Versicherungsbedingungen als auch bloß nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum am Beginn der Versicherung gewährt wird.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich somit nicht in der Lage, den im Prüfungsbeschluss vorläufig angenommenen gleichheitsrechtlichen Vergleichsmaßstab aufrecht zu erhalten; damit ist aber seinen darauf gegründeten Bedenken zur Gänze der Boden entzogen.

Die Wortfolge "Z 1 bis 3" in § 25 Abs 4 Z 1 zweiter Satz des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. 560/1978, in der Fassung der 27. Novelle zum GSVG, BGBl. I 141/2002, war daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.