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VfGH vom 09.03.1995, g181/94

VfGH vom 09.03.1995, g181/94

Sammlungsnummer

14076

Leitsatz

Keine Aufhebung der Regelung der Entscheidung des Zivilrichters über eine Wiederaufnahmeklage erst nach Beendigung des Strafverfahrens in der ZPO; keine verfassungswidrige Bindung des Zivilrichters; kein Verstoß gegen die Grundsätze der Unabhängigkeit der Gerichte und der Gewaltentrennung

Spruch

Der Antrag wird bezüglich der Wortfolge "oder wegen Mangels an Beweisen" im ersten Satz der zur Prüfung gestellten Bestimmung abgewiesen.

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Das Oberlandesgericht Innsbruck stellt den Antrag, die ersten drei Sätze des § 539 Abs 2 ZPO als verfassungswidrig aufzuheben.

§ 539 ZPO befaßt sich mit Klagen auf Wiederaufnahme bereits abgeschlossener Verfahren und knüpft an § 530 Abs 1 Z 1 bis 4 ZPO an, wonach ein abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden kann,

"1. wenn eine Urkunde, auf welche die Entscheidung gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht ist;

2. wenn sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder der Gegner bei seiner Vernehmung einer falschen Beweisaussage (§288 StGB) schuldig gemacht hat und die Entscheidung auf diese Aussage gegründet ist;

3. wenn die Entscheidung durch eine als Täuschung (§108 StGB), als Unterschlagung (§134 StGB), als Betrug (§146 StGB), als Urkundenfälschung (§223 StGB), als Fälschung besonders geschützter Urkunden (§224 StGB) oder öffentlicher Beglaubigungszeichen (§225 StGB), als mittelbare unrichtige Beurkundung oder Beglaubigung (§228 StGB), als Urkundenunterdrückung (§229 StGB) oder als Versetzung von Grenzzeichen (§230 StGB) gerichtlich strafbare Handlung des Vertreters der Partei, ihres Gegners oder dessen Vertreters erwirkt wurde;

4. wenn sich der Richter bei der Erlassung der Entscheidung oder einer der Entscheidung zugrunde liegenden früheren Entscheidung in Beziehung auf den Rechtsstreit zum Nachteil der Partei einer nach dem Strafgesetzbuch zu ahndenden Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat".

Er schreibt sodann insgesamt folgendes vor (angefochtener Teil des Abs 2 hervorgehoben):

"§539. (1) Wenn die Wiederaufnahme wegen einer der im § 530 Abs 1 Z 1 bis 4 angeführten strafbaren Handlungen begehrt wird, ohne daß ihrer wegen bereits eine rechtskräftige Verurteilung stattgefunden hätte, hat das Prozeßgericht ohne vorgängige mündliche Verhandlung die Einleitung des strafgerichtlichen Verfahrens behufs Ermittlung und Feststellung der behaupteten strafbaren Handlung zu veranlassen. Gegen diesen Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht zulässig; vor der Beschlußfassung kann das Gericht die Parteien oder eine derselben vernehmen und die ihm sonst wichtig scheinenden Erhebungen einleiten.

(2) Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage ist erst nach rechtskräftigem Abschlusse des strafgerichtlichen Verfahrens, und zwar nur dann anzuberaumen, wenn dieses Verfahren entweder zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der zur Begründung der Wiederaufnahmsklage geltend gemachten strafbaren Handlung geführt hat, oder wenn das strafgerichtliche Verfahren aus anderen Gründen als wegen mangelnden Tatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen zu einer Verurteilung nicht geführt hat. Andernfalls ist die Klage nach Bekanntgabe der Ergebnisse des strafgerichtlichen Verfahrens als unzulässig zurückzuweisen. Diese Zurückweisung geschieht gleichfalls ohne vorgängige mündliche Verhandlung und bei Gerichtshöfen durch einen in nicht öffentlicher Sitzung gefaßten Beschluß. Das Strafgericht oder die staatsanwaltschaftliche Behörde hat bei Bekanntgabe der wegen Nichteinleitung oder Einstellung des Strafverfahrens gefaßten Beschlüsse den Grund der unterlassenen Einleitung oder der Einstellung des Verfahrens stets ausdrücklich zu bezeichnen."

1. Das antragstellende Gericht legt dar, daß es über eine Wiederaufnahmsklage des Klägers in einem Rechtsstreit zu erkennen habe, in welchen es als Berufungsgericht nach Wiederholung von Beweisen, insbesondere Vernehmung einer näher genannten Zeugin, das Klagebegehren aufgrund geänderter Feststellungen abgewiesen habe. Die Klage behaupte, die Zeugin habe vorsätzlich falsch ausgesagt (§530 Abs 1 ZPO). Das Gericht hat daher nach § 539 Abs 1 ZPO die Einleitung des strafgerichtlichen Verfahrens veranlaßt; die Staatsanwaltschaft Innsbruck habe aber keine genügenden Gründe gefunden, ein Strafverfahren gegen die Zeugin einzuleiten, weil ihrer Meinung nach selbst dann, wenn deren Aussage - was nicht erweisbar sei - objektiv falsch wäre, eine falsche Beweisaussage nicht nachgewiesen werden könne. Das antragstellende Gericht hätte also nunmehr die ersten drei Sätze des § 539 Abs 2 ZPO anzuwenden, wonach das Zivilgericht an die Gründe eines freisprechenden Urteils, eines Einstellungsbeschlusses oder der Verfügung der Staatsanwaltschaft über eine Zurücklegung der Anzeige gebunden sei und lediglich im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung oder eines Freispruches (der Einstellung oder Nichteinleitung des Strafverfahrens) aus anderen Gründen als wegen mangelnden Tatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen das Verfahren durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung fortzusetzen, andernfalls aber die Klage als unzulässig zurückzuweisen habe.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Vorgangsweise bestünden jedoch folgende Bedenken:

"Diese Regelung stellt eine Konsequenz aus § 268 ZPO für das Wiederaufnahmeverfahren dar und trägt dafür Sorge, daß die Sachverhaltsfeststellungen des Zivilgerichts nicht von denen des Strafgerichtes abweichen (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen IV 544). § 268 ZPO wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G73/89, als verfassungswidrig aufgehoben, weil diese Vorschrift gegen das in Art 6 Abs 1 MRK garantierte rechtliche Gehör verstieß. Die bereits hinsichtlich des § 268 ZPO als verfassungswidrig angesehene Bindung an verurteilende Erkenntnisse der Strafgerichte besteht auch bei den hier bekämpften Gesetzesstellen. Sie ist in § 539 Abs 2 ZPO sogar weitergehend. Denn von der hier normierten Bindung sind nicht nur verurteilende strafgerichtliche Erkenntnisse, sondern auch der Freispruch und die Einstellung (oder Nichteinleitung) des Strafverfahrens erfaßt. Dazu kommt, daß die Bindung nicht nur gegenüber Entscheidungen des Strafgerichtes besteht, sondern auch gegenüber der Begründung der Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft.

Die Bindung an die Ergebnisse des strafgerichtlichen Verfahrens verstößt gegen Art 6 Abs 1 MRK, wobei zur näheren Begründung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G73/89 zu § 268 ZPO verwiesen werden darf. Die Bindung an die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, kein Strafverfahren einzuleiten (Zurücklegung der Anzeige), verstößt zudem gegen die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit nach Art 87 Abs 1 B-VG und gegen die Trennung der Justiz von der Verwaltung nach Art 94 B-VG. Die Sonderregelung des Anklageprinzips gilt für die Zivilgerichte nicht. Sie wurde durch Art 90 Abs 2 B-VG lediglich für das Strafverfahren eingeführt".

2. Die Bundesregierung bezweifelt die Zulässigkeit des Antrages. Die Regelung der Prozeßvoraussetzungen für eine Wiederaufnahmsklage bewirke keine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Entscheidungen; durch einen pauschalen Verweis auf VfSlg. 12504/1990 würden daher die Bedenken nicht im einzelnen dargelegt; gleiches gelte für die pauschale Behauptung, eine Bindung an die Entscheidung der Staatsanwaltschaft verstoße gegen die Art 87 Abs 1 und 94 B-VG.

Der Antrag sei aber auch zu eng, weil die Sachlichkeit des verbleibenden letzten Satzes in § 539 Abs 2 und des gleichfalls nicht angefochtenen Abs 1 des § 539 nach Beseitigung der angefochtenen Sätze "kaum mehr begründbar" sei.

In der Sache verteidigt die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmung:

"... Zur behaupteten Verletzung des Art 6 MRK:

1. Allgemeines

...


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2.
Vereinbarkeit des § 539 Abs 2 ZPO mit dem Art 6 MRK

a) Die das Rechtsschutzmonopol des Staates rechtfertigende Aufgabe des Zivilprozesses, eine effektive Möglichkeit der Interessendurchsetzung für einzelne darzustellen, erfordert es auch, daß außerhalb der ordentlichen Rechtsmittel vorgesehene Möglichkeiten der Beseitigung von inhaltlichen abschließenden Entscheidungen einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Stets ist mitzubedenken, daß es dabei nicht nur darum geht, eine möglicherweise in ihren Rechten durch strafgesetzwidrige Handlungen benachteiligte Prozeßpartei zu schützen, sondern daß damit automatisch auch die andere Partei einer Sachentscheidung verlustig gehen kann, die sie vielleicht erst nach einem jahrelangen Prozeß endlich zu erreichen vermochte, oder sich zumindest erneut mit dem Prozeßgegner auseinandersetzen muß. Eine Aufhebung ist demgemäß auch unter dem im Lichte des Art 6 MRK zu würdigenden Faktor der Verfahrensdauer problematisch. Es ist daher eine Zurückhaltung gegenüber einer weitherzigen Festlegung von Wiederaufnahmsgründen geboten.

Ferner ist es nicht als erforderlich anzusehen, die Beurteilung aller für die Aufhebung entscheidenden Fragen jenem Gericht zu überlassen, das die Sachentscheidung gefällt hat.

Wenn auch nicht unmittelbar vergleichbar, so sei doch erwähnt, daß dieses Gericht auch nicht immer über die nach seiner Entscheidung gegen den Anspruch entstehenden Einwendungen - etwa über Oppositionsklagen - zu entscheiden hat.

Vielmehr ist es zielführend, bei jenen Wiederaufnahmeverfahren, die strafgerichtliche Tatbestände betreffen, die Zulässigkeit von solchen Verfahren primär vom Ergebnis der Prüfung der für Fragen der Strafverfolgung besonders geeigneten Staatsanwaltschaften und Strafgerichte abhängig zu machen.

Nichts anderes bedeutet aber die im § 539 Abs 1 und 2 ZPO vorgesehene Regelung. Zuerst hat die Staatsanwaltschaft bzw. das Strafgericht in einem Strafprozeß zu prüfen, ob ein strafrechtlicher Tatbestand erwiesen werden kann. Verneint dies die hiefür zuständige Stelle, dann ist eine auf strafrechtliche Wiederaufnahmstatbestände gestützte Wiederaufnahmsklage unzulässig. Nur wenn sie das Vorliegen eines solchen Tatbestands aus anderen Gründen (Verjährung etc.) nicht prüft oder deshalb das Verfahren einstellt, ist eine Wiederaufnahmsklage ohne strafrechtliche Verurteilung zulässig.

Die Rechtfertigung der Stellung der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren folgt aus dem im Art 90 Abs 2 B-VG vorgesehenen Anklageprinzip.

b) Der § 539 Abs 2 ZPO ordnet ... keine Bindung an strafgerichtliche Entscheidungen oder Entscheidungen der Staatsanwaltschaft an, sondern sieht im Zusammenhang mit dem § 539 Abs 1 ZPO nur die Durchführung und einen bestimmten Prozeßausgang des Strafverfahrens als Prozeßvoraussetzungen für die Zulässigkeit auf 'strafrechtliche' Tatbestände gestützter Wiederaufnahmsklagen vor.

Die vereinzelt auch in Entscheidungen im Zusammenhang mit dem § 539 ZPO auffindbaren Ausführungen, wonach dem Zivilgericht eine selbständige Beurteilung des Vorliegens des strafrechtlichen Tatbestands verwehrt sei, wenn bereits eine strafgerichtliche Verurteilung vorliege (vgl. etwa RZ 1936, 223), sind unter dem Gesichtspunkt der damals geltenden Regelung des § 268 ZPO zu verstehen. Auch zeigt gerade die Diskussion in Deutschland (vgl. Gaul, (Die Grenzen der Bindung des Zivilgerichts an Strafurteile, in FS Fasching), 177), daß dort auch - nach einem verurteilenden Straferkenntnis - von einer selbständigen Beurteilung des Zivilgerichts ausgegangen wird, wobei die strafgerichtliche Verurteilung als solche nur die Prozeßvoraussetzung für die Wiederaufnahme bildet.

c) Die Festlegung eines bestimmten Verfahrensausgangs in einem anderen Verfahren ist als Prozeßvoraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens (Zurückweisung oder Anberaumung der mündlichen Verhandlung) zu verstehen (s. oben a) und b)). Aber selbst wenn man den angesprochenen Ausgang eines Verfahrens als weitere Tatbestandsvoraussetzung der 'strafrechtlichen' Wiederaufnahmsgründe ansähe, wäre dies i.S.d. Art 6 MRK vertretbar, weil die besonderen Interessen der effektiven Verfahrenserledigung dafür sprechen (vgl. Musger, Verfahrensrechtliche Bindungswirkungen und Art 6 MRK, JBl. 1991, 425 f).

In diesem Sinne hat auch der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom , 9 Ob A254/91, ausgeführt:

'Der Gesetzgeber hat die im § 530 Abs 1 Z 1 bis 4 ZPO genannten Umstände als Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens statuiert und dabei im § 539 ZPO angeordnet, daß aus diesen Gründen die Wiederaufnahme des Verfahrens (abgesehen von den in § 539 Abs 2 genannten Ausnahmsfällen) nur dann zu erfolgen hat, wenn eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung vorliegt. Es geht hier nicht um die Bindung des Zivilrichters an den Inhalt des strafrechtlichen Erkenntnisses, wie dies Gegenstand des aufgehobenen § 268 ZPO war, sondern um die Qualifikation als Wiederaufnahmsgrund, für die das Vorliegen einer strafrechtlichen Verurteilung Voraussetzung ist. Es steht dem Gesetzgeber frei, besonders schwerwiegende Umstände - in diesem Fall eine strafrechtliche Verurteilung wegen bestimmter Delikte - als Wiederaufnahmsgründe zu statuieren, ohne daß darin ein Verstoß gegen die Grundsätze läge, die die Verfassungswidrigkeit des § 268 ZPO begründeten. Erfolgt eine strafrechtliche Verurteilung, dann ist gemäß § 539 Abs 2 ZPO der Wiederaufnahmsklage stattzugeben, wobei allerdings im wiederaufgenommenen Verfahren nach Aufhebung des § 268 ZPO eine Bindung des Zivilrichters an den Inhalt des Strafurteiles nicht besteht. Erfolgt keine strafgerichtliche Verurteilung, dann liegt - abgesehen von den im § 539 Abs 2 ZPO genannten Ausnahmsfällen - ein Wiederaufnahmsgrund nicht vor; die Klage ist in diesem Fall zurückzuweisen. Da das strafgerichtliche Urteil wegen eines der im § 530 Abs 1 Z 1 bis 4 ZPO genannten Delikte eine Tatbestandsvoraussetzung des Wiederaufnahmsgrundes ist, liegt auch die von den Rekurswerbern behauptete Antinomie zwischen § 539 ZPO und § 281a ZPO nicht vor.'

d) In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, daß auch die Europäische Menschenrechtskommission in verschiedenen Entscheidungen (DR 7, 91; DR 14, 171; EKMR , ÖJZ 1990/6 MRK 216) ausgesprochen hat, daß Art 6 MRK auf Wiederaufnahmeverfahren nicht zur Anwendung kommt.

Die Europäische Menschenrechtskommission hat dazu allgemein ausgeführt, daß Art 6 MRK keinen Anspruch darauf gibt, eine rechtskräftige Entscheidung zu bekämpfen.

Dem ist nur hinzuzufügen, daß eine andere Rechtsansicht zu einer nicht enden wollenden Reihe von Wiederaufnahmeverfahren führen würde. Die Vorschaltung eines Strafverfahrens als formelle Prozeßvoraussetzung für das - auch wesentliche Kosten verursachende - Wiederaufnahmsverfahren soll dies hintanhalten (vgl. dazu, daß Art 6 MRK immer auf die Entscheidung in der Hauptsache abstellt, auch RZ 1994/59).

e) Schließlich sei noch erwähnt, daß den im vorausgegangenen Zivilverfahren beteiligten Parteien als durch die strafrechtliche Handlung Verletzten ohnehin auch Beteiligungsrechte in dem der Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme vorgeschalteten Strafverfahren zustehen (§§47 ff StPO), und sohin ihr rechtliches Gehör i.S.d. Art 6 MRK auch in diesem Strafverfahren gewährleistet ist.

Auch insoweit unterscheidet sich die gegenständliche Regelung von der aufgehobenen Bestimmung des § 268 ZPO.

... Zur behaupteten Verletzung des Art 94 und des Art 87 B-VG:

1. Nach dem Art 94 B-VG ist es dem Gesetzgeber verwehrt, ein und dieselbe Behörde gleichzeitig als Gericht und Verwaltungsbehörde einzurichten (vgl. etwa VfSlg. 11259/1987) oder über ein und dieselbe Frage sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden entweder im gemeinsamen Zusammenwirken oder im Instanzenzug entscheiden zu lassen (vgl. etwa VfSlg. 12929/1991).

2. Der § 539 Abs 2 ZPO normiert als Prozeßvoraussetzung, daß das gemäß § 539 Abs 1 ZPO einzuleitende Strafverfahren

a. entweder zu einer rechtskräftigen Verurteilung


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b.
oder aus anderen Gründen als wegen mangelnden Tatbestands oder wegen mangels an Beweisen zu keiner Verurteilung


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geführt hat.

Dies bedeutet mit anderen Worten, daß die Wiederaufnahmsklage als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn das Strafverfahren wegen mangelnden Tatbestands oder wegen Mangels an Beweisen zu keiner Verurteilung geführt hat.

Als 'komplementäre' Beendigungsgründe sind etwa die Verjährung oder das Vorliegen von Strafausschließungsgründen bzw. der Tod dessen denkbar, dem die Handlungen vorgeworfen werden. Eine Beendigung des Strafverfahrens aus diesen Gründen hat keinerlei Bindungswirkung gegenüber dem Zivilgericht, sondern bewirkt nur, daß eben die negative Prozeßvoraussetzung nicht eintritt und das Zivilgericht den Wiederaufnahmsanspruch inhaltlich zu beurteilen hat.

3. Das Strafverfahren ist insgesamt - wie dies auch gemäß Art 90 Abs 2 B-VG vorgesehen ist - vom Anklageprinzip getragen, d. h., daß eine entsprechende Verurteilung nur über Antrag des Staatsanwalts erfolgen kann. Diese - verfassungsrechtlich zulässige - Verknüpfung schlägt auch hier durch und ist als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen.

Im Zivilverfahren schlägt das Ergebnis des Strafverfahrens nur als negative Prozeßvoraussetzung durch. Es kommt im Zivilverfahren zu keiner organisatorischen Verknüpfung mit den Staatsanwaltschaften.

Auch eine Überprüfung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft durch das Gericht im Sinne eines Instanzenzuges ist nicht vorgesehen. Spricht die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens mangels Vorliegens des Tatbestandes oder von Beweisen aus, so hat das Gericht von dieser negativen Prozeßvoraussetzung auszugehen und die Wiederaufnahmsklage zurückzuweisen. Gründet sich die Einstellung auf andere Voraussetzungen, so entscheidet das Gericht ohne Bindung an die Einstellung der Staatsanwaltschaft, aber auch ohne diese Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen.

Es kommt auch zu keinem unmittelbaren Zusammenwirken bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme, sondern die Staatsanwaltschaft entscheidet ausschließlich darüber, ob bestimmte Gründe für die Strafverfolgung vorliegen. Insoweit hier ein bestimmtes Ergebnis erzielt wird (Mangel am Tatbestand oder an Beweisen), ist eine Prüfung des Vorliegens des Wiederaufnahmsgrundes durch das Zivilgericht überhaupt nicht vorgesehen, sodaß es auch zu keinem 'Zusammenwirken' kommen kann, weil das Zivilgericht sein Verfahren sofort zu beenden und die Wiederaufnahmsklage zurückzuweisen hat. Dies stellt kein gemäß Art 94 B-VG verpöntes Zusammenwirken dar, da dann eben zu einem bestimmten Thema - Vorliegen der im § 530 Abs 1 Z 1 bis 4 ZPO genannten Wiederaufnahmstatbestände - vom Gericht kein meritorisches Verfahren durchzuführen ist.

Es liegt auch keine Möglichkeit für eine 'kompetenzverschiebende verwaltungsbehördliche Einzelanordnung' (VfSlg. 13273/1992) vor; die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Zuständigkeit ihre Entscheidung zu fällen und keine Anordnungen hinsichtlich des gerichtlichen Verfahrens zu treffen. Es verstößt nicht gegen den Art 94 B-VG, wenn im gerichtlichen Verfahren bestimmte Ergebnisse des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen sind.

4. Die Bedenken, daß die Regelung des § 539 Abs 2 ZPO gegen den Art 87 Abs 1 B-VG verstoße, sind nicht näher präzisiert. Im übrigen sei auf die obigen Ausführungen hingewiesen."

3. Auch der Beklagte des Anlaßverfahrens tritt den Bedenken des antragstellenden Gerichtes entgegen.

II. Der Antrag ist nur in bezug auf die Wortfolge "oder wegen Mangels an Beweisen" zulässig.

1. Das antragstellende Gericht zweiter Instanz geht davon aus, daß es bei Fortsetzung des anhängigen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage den ersten bis dritten Satz des § 539 Abs 2 ZPO anzuwenden hätte. In dieser Allgemeinheit trifft diese Auffassung aber offenkundig nicht zu. Die angefochtenen Sätze regeln nämlich vier verschiedene, einander ausschließende Sachverhalte. Das nach § 539 Abs 1 in Gang gesetzte gerichtliche Verfahren kann nämlich nur entweder (a) zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der zur Begründung der Wiederaufnahmeklage herangezogenen strafbaren Handlung oder eben (b) wegen mangelnden Tatbestandes, (c) wegen Mangels an Beweisen oder (d) aus anderen Gründen zu einer Verurteilung nicht geführt haben. Wie der Antrag ausführt, ist es im konkreten Fall aus Mangel an Beweisen nicht zu einer Verurteilung gekommen. Die Vorschrift, gegen deren Anwendung das antragstellende Gericht Bedenken hat, kann also nur mit jenem Teil maßgeblich sein, der das Ausbleiben einer Verurteilung wegen Mangels an Beweisen betrifft. Da dieser Teil in Gestalt der Wortfolge "oder wegen Mangels an Beweisen" ersichtlich ohne wesentliche Änderung des Sinnes der verbleibenden Teile aus dem Gesetzestext entfernt werden könnte und es offenkundig ausgeschlossen ist, daß das Gericht auch die anderen Teile der angegriffenen Bestimmung anzuwenden hätte, erweist sich nur diese Wortfolge als präjudiziell und der Antrag im übrigen als unzulässig.

Damit fällt aber auch der Einwand der Bundesregierung, die Aufhebung der ersten drei Sätze des § 539 Abs 2 ZPO mache § 539 Abs 1 ZPO und den verbleibenden letzten Satz des Abs 2 unsachlich und der Antrag sei daher zu eng gefaßt. Kann der Antrag nämlich nur zur Entfernung der genannten Wortfolge führen, behält der restliche Teil der ersten drei Sätze des § 539 Abs 2 ZPO weiterhin seine Bedeutung.

2. Die Bedenken gegen die angegriffene Vorschrift, die jedenfalls auch den das Unterbleiben einer Verurteilung wegen Mangels an Beweisen betreffenden Teil einschließen, hält der Verfassungsgerichtshof unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK für hinreichend dargetan. Ausgehend von der These (Faschings), die angegriffene Regelung stelle "eine Konsequenz aus § 268 ZPO für das Wiederaufnahmsverfahren dar" und wolle vermeiden, daß die Sachverhaltsfeststellungen des Zivilgerichtes von denen des Strafgerichtes abweichen, hält das antragstellende Gericht seine Bindung an die strafgerichtliche Beurteilung aus den in VfSlg. 12504/1990 genannten Gründen für verfassungswidrig und zieht daraus einen Größenschluß für die Bindung an Akte der Staatsanwaltschaft. Es leitet ferner erkennbar aus den Art 87 Abs 1 und 94 B-VG ein Verbot der Bindung von Gerichten an Entscheidungen der Verwaltungsbehörden ab. Die Schlüssigkeit der Ableitung dieses Verbotes ist kein Problem der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrages.

III.Der Antrag ist aber auch im zulässigen Umfang nicht begründet.

1. Die in Rede stehenden Wiederaufnahmsgründe der Ziffern 1 bis 4 des § 530 Abs 1 ZPO stellen ausdrücklich oder schlüssig auf die Begehung strafbarer Handlungen ab. Diese strafbaren Handlungen sollen jedoch in aller Regel nur dann einen Wiederaufnahmsgrund bilden, wenn es zu einer rechtskräftigen Verurteilung durch das Strafgericht gekommen ist. Das Zivilgericht hat andernfalls die Einleitung des Strafverfahrens zu veranlassen und dessen Ausgang abzuwarten. Kommt es wegen mangelnden Tatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen nicht zur Verurteilung, so ist die Wiederaufnahmsklage nach Bekanntgabe der Ergebnisse des strafgerichtlichen Verfahrens ohne weiteres zurückzuweisen. Nur wenn es "aus anderen Gründen" - nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (688 BlgAH XI.Sess., 318) Tod, Verjährung, später eingetretener Unzurechnungsfähigkeit oder Abwesenheit, nach Fasching (Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Anmerkung 5 b zu § 539 ZPO) auch noch wegen Fehlens des berechtigten Anklägers, Rücktritts des Anklägers oder Abolition - nicht zu einer Verurteilung kommen kann, ist das Zivilgericht befugt, das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes selbst zu prüfen.

Der Gesetzgeber hat hiebei zwar einen Zusammenhang mit der grundlegenden - inzwischen als verfassungswidrig aufgehobenen - Bestimmung des § 268 ZPO gesehen, seine Motive gehen aber wesentlich darüber hinaus. So heißt es in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (317 f):

"Auch der Zivilrichter soll - wie bereits erwähnt - an den verurtheilenden Ausspruch des Strafrichters gebunden sein. Schon daraus folgt, daß dort, wo die Wiederaufnahmsklage auf eine der im §. 552, Z. 1 bis 4, bezeichneten strafbaren Handlungen gestützt wird, dem Strafrichter der Vortritt zu lassen sei. Dem Civilrichter kann aber überhaupt nicht zugemuthet werden, als erster über delictische Thatbestände zu verhandeln und zu entscheiden, wie sie in jenen Fällen vorliegen. Es ist gar kein Grund vorhanden, die Untersuchung und Entscheidung darüber den hiefür bestimmungsgemäß berufenen Organen zu entziehen, welche alle dazu erforderlichen Mittel und Vollmachten besitzen und für diese Aufgabe ungleich mehr und besser vorbereitet sind, als es der Civilrichter ist, dessen Hauptfunctionen doch nach einer ganz anderen Richtung liegen. Wird daher eine Wiederaufnahmsklage nach §. 552, Z. 1 bis 4, angebracht, ohne daß wegen der behaupteten strafbaren Handlung bereits eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurtheilung stattgefunden hätte, so soll der Einleitung und Durchführung des civilgerichtlichen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage die Einleitung eines strafgerichtlichen Verfahrens vorausgehen (§561). Führt dies zu einer Verurtheilung wegen der als Wiederaufnahmsgrund angeführten Handlung, so ist nunmehr auf dieser Basis mit dem Wiederaufnahmsverfahren zu beginnen: der wichtigste und schwierigste Punkt ist dadurch für den Civilrichter bereits außer Discussion gestellt. Die Nichteinleitung oder Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens ist nur dann für den Civilrichter gleich bindend, wenn sie wegen mangelnden Thatbestandes oder wegen des Mangels an Beweisen erfolgt. Damit der Civilrichter auch bei solchem Abschlusse des Verfahrens für die Beurtheilung der weiteren Schritte, welche nun über die Wiederaufnahmsklage zu thun sind, ein genügendes Substrat habe, werden das Strafgericht und die staatsanwaltschaftliche Behörde verpflichtet, diesfalls bei Bekanntgabe der wegen Nichteinleitung oder Einstellung des Strafverfahrens gefaßten Beschlüsse den Grund der unterlassenen Einleitung oder der Einstellung eines Verfahrens stets ausdrücklich zu bezeichnen. Die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage ist, wie schon bemerkt wurde, nicht von einer wegen der strafbaren Handlung ergangenen Verurtheilung abhängig, aber es wird mangels einer solchen Verurtheilung das Civilgericht unter Umständen wegen des vorliegenden Ergebnisses der strafgerichtlichen Erhebungen die Einleitung des Wiederaufnahmsverfahrens zu verweigern haben. Denn wenn es den Organen der strafgerichtlichen Verfolgung nicht gelungen ist, den für die Wiederaufnahmsklage maßgebenden Thatbestand zu constatiren, so wird voraussichtlich auch das civilgerichtliche Verfahren keine besseren Resultate liefern. Es wird daher durch die im §. 561, Absatz 2 angeordnete Zurückweisung eben nur ein überflüssiges, unzweckmäßiges Wiederaufnahmsverfahren vermieden werden. Ist jedoch die Verurtheilung wegen äußerlicher hinzugetretener Umstände, wegen Todes, Verjährung, später eingetretener Unzurechnungsfähigkeit oder Abwesenheit unmöglich geworden, oder konnte sie im letzteren Falle nicht rechtskräftig werden, so würde es der Billigkeit nicht entsprechen, die Wiederaufnahmsklage zu versagen. Der Wiederaufnahmskläger wird aber dann im Civilprocesse nicht erst beweisen müssen, daß nur wegen solcher Hindernisse die strafgerichtliche Verurtheilung unterblieb, sondern die früher erwähnte Benachrichtigungspflicht der Strafgerichte und staatsanwaltschaftlichen Behörden gibt dem Civilgerichte unmittelbaren, authentischen Aufschluß. Auch nach dieser Richtung erweist sie sich daher als vortheilhaft."

Demnach wird der Zivilrichter nicht nur an das allfällige Ergebnis eines Strafverfahrens gebunden, sondern es wird ihm "überhaupt nicht zugemutet", als erster über das Vorliegen strafbarer Handlungen zu erkennen. Der Vorwurf soll im Strafverfahren geprüft werden. Nur hilfsweise, wenn ein Strafverfahren gar nicht möglich ist, soll dem Zivilrichter eine solche Befugnis zukommen. Der Zweck des § 539 ZPO ist daher nicht die Vermeidung einer "Überprüfung des Strafprozesses durch den Civilrichter" - wie das bei § 268 ZPO der Fall war (vgl. VfSlg. 12504/1990) -, sondern die Sicherstellung des Vorranges der zuständigen Strafgerichte und Strafverfolgungsbehörden.

2. Nach Art 6 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, daß seine Sache von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gehört wird, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat. Es ist daher zu prüfen, ob es im Verfahren über eine Wiederaufnahmsklage als solchem um eine Sache der Parteien des wiederaufgenommenen Verfahrens, insbesondere eine Sache des Wiederaufnahmsklägers geht, wie Art 6 Abs 1 EMRK sie unterstellt. Wird doch im Wiederaufnahmeverfahren nicht über die bereits entschiedene Sache (der Streitteile), sondern nur darüber befunden, ob das schon beendete Verfahren neu durchzuführen ist. Die im abeschlossenen Verfahren behandelte Sache wird jedenfalls durch die Bewilligung der Wiederaufnahme nur insoweit berührt, als die angefochtene Entscheidung außer Kraft tritt und das Verfahren neu durchgeführt wird - denn darin erschöpft sich die Bedeutung des Wiederaufnahmsverfahrens -; aber auch aus einer Ab- oder Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage folgt nur, daß es bei der (nach Anhörung der Parteien) rechtskräftig gefällten Entscheidung bleibt. Die Streitteile sind daher durch den Einfluß des Strafverfahrens auf das Wiederaufnahmeverfahren betroffen, über ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen wird jedoch im Wiederaufnahmeverfahren nicht entschieden und es wird auch keine für diese Ansprüche und Verpflichtungen selbst maßgebliche Vorfrage gelöst; die Lösung der Hauptfrage bleibt vielmehr völlig offen. Es geht sonach um die selbständige verfahrensrechtliche Frage, ob die Streitteile trotz rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens über ihre Sache neuerlich gehört werden sollen und ihnen abermals Rechtsschutz zu gewähren ist. Diese Frage ist - wenn auch nicht nur, so doch auch ganz wesentlich - eine Sache des den Rechtsschutz gewährenden Staates. Wenn dieser im Widerstreit zwischen Rechtskraft und Rechtsrichtigkeit die von einer Partei angestrebte Wiederaufnahme eines Verfahrens (soweit sie hier in Rede steht) nur wegen begangener Straftaten vorsieht und dafür Sorge trägt, daß der Vorwurf der Begehung solcher Straftaten durch die dafür vorgesehenen Organe der Strafrechtspflege mit Rückwirkung auf das Wiederaufnahmeverfahren geprüft wird, so folgt das aus dem Umstand, daß Gegenstand dieses Zwischenverfahrens die Rechtspflege selbst ist, vergleichsweise losgelöst vom konkreten Rechtsstreit und den Ansprüchen und Verpflichtungen der Streitteile.

Angesichts dieser begrenzten verfahrensrechtlichen Aufgabe und der strikten Beschränkung auf strafgerichtlich zu verfolgende Tatbestände lassen sich die zu § 268 ZPO angestellten Erwägungen auf § 539 ZPO schlechthin nicht übertragen. Die angegriffene Regelung verstößt nicht gegen Art 6 EMRK (vgl. im Ergebnis auch EKMR vom , ÖJZ 1990, 216 E 6 mwN).

3. Die zur Prüfung gestellte Regelung verstößt aber auch nicht gegen Art 87 Abs 1 und Art 94 B-VG.

Die Bundesverfassung unterscheidet zwischen Zivil- und Strafrechtssachen (Art90 Abs 1 B-VG). Das Strafverfahren ist im Interesse der Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes vom Anklageprinzip geprägt (Art90 Abs 2 B-VG; vgl. dazu VfSlg. 5235/1966). Die Aufgaben des Strafverfahrens sind demgemäß zwischen Anklagebehörden und Strafgerichten geteilt. Zur Einleitung eines förmlichen Strafverfahrens kommt es (abgesehen von den Fällen der Privatanklage) nur über Antrag einer Verwaltungsbehörde. Privaten Interessen an einer Strafverfolgung trägt die Einrichtung der Privatbeteiligung (§47 StPO) Rechnung:

Der in seinen Rechten Verletzte kann dem Staatsanwalt und dem Untersuchungsrichter alles in die Hand geben, was zur Überweisung des Beschuldigten dient, an der Hauptverhandlung teilnehmen und Anträge stellen - erforderlichenfalls ist er über seine Rechte im Strafverfahren zu belehren (§47a StPO) -, und er ist auch berechtigt, im Falle der Ablehnung der Verfolgung statt des Staatsanwaltes die Anklage zu erheben und durchzuführen (§48 StPO). Nach § 539 Abs 2 ZPO hat das wegen Wiederaufnahme des Verfahrens angerufene Zivilgericht auch die Erledigung einer solchen Subsidiaranklage abzuwarten ( SZ 26/226).

Bei dieser Rechts- und Verfassungslage kann weder die Maßgeblichkeit der Entscheidung des zuständigen Strafgerichtes über die Frage der Begehung einer die Wiederaufnahme des Zivilprozesses rechtfertigenden strafbaren Handlung gegen das Gebot der Unabhängigkeit der Gerichte noch die gleichartige Auswirkung der einschlägigen Beschlüsse der in § 539 Abs 2 Satz 4 ZPO genannten kraft des Anklageprinzips den Strafgerichten vorgeschalteten staatsanwaltschaftlichen Behörden gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung verstoßen. Es ist Sache des Gesetzgebers festzulegen, ob und unter welchen Umständen ein Zivilgericht das Vorliegen einer als Wiederaufnahmsgrund in Betracht kommenden strafbaren Handlung als Vorfrage selbständig beurteilen darf.

Welche Anforderungen die einschlägigen Verfassungsbestimmungen sonst und in anderen Zusammenhängen stellen, muß unter diesem Umstand auf sich beruhen.

Der Antrag ist daher insgesamt abzuweisen.