TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 30.06.2011, g15/11

VfGH vom 30.06.2011, g15/11

Sammlungsnummer

19449

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit einer Regelung des Umgründungssteuergesetzes über die eingeschränkte Möglichkeit der Verwertung nicht verrechneter Mindeststeuern einer umgewandelten Kapitalgesellschaft für vormalige Gesellschafter

Spruch

I. Die Wortfolge "nach Berücksichtigung der in § 46 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge" im dritten Satz des § 9 Abs 8 des Bundesgesetzes, mit dem abgabenrechtliche Maßnahmen bei der Umgründung von Unternehmen getroffen und das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Bewertungsgesetz 1955, das Strukturverbesserungsgesetz und das Finanzstrafgesetz geändert werden (Umgründungssteuergesetz - UmgrStG), BGBl. Nr. 699/1991 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

IV. Der letzte Satz des § 9 Abs 8 UmgrStG, BGBl. Nr. 699/1991 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B412/10 eine Beschwerde anhängig, der im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

Die Beschwerdeführerin war in den Jahren 2000 bis 2005 zu 50 % an einer GmbH beteiligt, die im Jahr 2005 in eine KG umgewandelt wurde. Die KG wurde im Jahr 2006 aufgelöst; die Beschwerdeführerin war fortan unselbständig beschäftigt. Da die GmbH bis zu ihrer Umwandlung keine Gewinne erwirtschaftet hatte, ging ein von ihr entrichteter Betrag an Mindestkörperschaftsteuer iHv € 7.499,38 im Zuge der Umwandlung auf ihre Gesellschafter über (§9 Abs 8 Umgründungssteuergesetz - in der Folge: UmgrStG; diese Norm spricht durchwegs von "Mindeststeuern"). Die Beschwerdeführerin begehrte im Zuge der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 (der eine Gutschrift iHv € 258,73 auswies), den auf sie entfallenden Betrag an Mindeststeuern (€ 3.749,69) anzurechnen bzw. auszuzahlen.

Mit letztinstanzlichem Bescheid versagte die belangte Behörde die Anrechnung bzw. Auszahlung des geltend gemachten Betrages mit der Begründung, dass eine Anrechnung von Mindeststeuern erst dann erfolgen könne, wenn von der Einkommensteuerschuld die in § 46 Abs 1 EStG 1988 genannten Beträge abgezogen worden sind und danach ein über Null liegender Betrag verbleibt. Durch die Anrechnung der Lohnsteuer habe sich aber bereits ein Guthaben ergeben, weshalb eine Anrechnung der Mindeststeuer nicht in Betracht komme. Die Mindeststeuer selbst könne nicht zu einem Guthaben führen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verfassungswidrigkeit des letzten Satzes des § 9 Abs 8 Umgründungssteuergesetz und die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet.

2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "nach Berücksichtigung der in § 46 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge" im dritten Satz sowie der Verfassungsmäßigkeit des vierten Satzes des § 9 Abs 8 des Umgründungssteuergesetzes, BGBl. 699/1991 idF BGBl. 201/1996, entstanden. Er hat daher mit Beschluss vom von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Wortfolgen eingeleitet.

Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss (vorläufig) davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, dass die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung des § 9 Abs 8 UmgrStG angewendet hat und dass auch der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsvorschrift bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden hätte. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er dort wie folgt dar:

"3.1. Gemäß § 24 Abs 4 KStG 1988 haben unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften eine Mindestkörperschaftsteuer zu entrichten, die in der Folge auf die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld wie eine Vorauszahlung angerechnet wird. Im Fall der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft ist gemäß § 9 Abs 8 UmgrStG nicht nur die Nachfolgegesellschaft, sondern auch eine natürliche Person als Rechtsnachfolgerin berechtigt, diese vormals geleistete Mindeststeuer unter bestimmten Voraussetzungen auf ihre Einkommensteuer anzurechnen.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit der Verfassungskonformität der Mindestkörperschaftsteuer wiederholt zu befassen gehabt. Wie sich insbesondere aus den Erkenntnissen VfSlg. 14.723/1997 und 15.060/1997 ergibt, hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken in die Richtung, dass die Mindestkörperschaftsteuer auch von Kapitalgesellschaften zu entrichten ist, die einen entsprechenden Gewinn nicht (mehr) erzielen. Es wäre daher verfassungsrechtlich offenbar unbedenklich, würde der Gesetzgeber im Fall der "Beendigung" einer Kapitalgesellschaft eine weitere Berücksichtigung noch nicht verrechneter Mindestkörperschaftsteuerbeträge auf der Ebene der vormaligen Gesellschafter gänzlich ausschließen. In der Tat ist eine solche Berücksichtigung im Fall der Liquidation einer Kapitalgesellschaft auch nicht vorgesehen.

Für den Fall einer Umwandlung erlaubt hingegen § 9 Abs 8 UmgrStG seit der Novelle BGBl. 201/1996 (Strukturanpassungsgesetz 1996) eine Verwertung nicht verrechneter Mindeststeuern nicht nur bei allfälligen Nachfolgekapitalgesellschaften, sondern auch dann, wenn die Gesellschafter natürliche Personen waren. In diesem Fall unterwirft § 9 Abs 8 UmgrStG die Verwertung allerdings mehreren Schranken: Zum einen sind die Mindeststeuern erst nach Berücksichtigung der in § 46 Abs 1 EStG 1988 genannten Beträge anzurechnen. Zum anderen ist eine Anrechnung nur im Ausmaß entstehender Einkommensteuerschulden möglich, wobei - das ergibt sich aus dem letzten Satz des § 9 Abs 8 UmgrStG - ein übersteigender Betrag an Mindeststeuern nicht zu einer Gutschrift führen kann.

Damit ist die Möglichkeit der Verwertung der Mindeststeuern für natürliche Personen auf den Fall beschränkt, dass sich für sie im betreffenden Jahr eine Einkommensteuerschuld ergibt. (Nur) In einem solchen Fall kann die Mindeststeuer dazu verwendet werden, die Einkommensteuerschuld auszugleichen bzw. einen Null-Stand zu erreichen. Ist eine Einkommensteuerschuld hingegen nicht ausgewiesen, dürfte eine Verwertung der entrichteten Mindeststeuern ausgeschlossen sein: Es kommen anscheinend weder eine Anrechnung der Steuer noch eine Gutschrift in Betracht.

Der Verfassungsgerichtshof hat keine Bedenken dagegen, dass Mindeststeuern bei jenen (vormaligen) Gesellschaftern, die nach ihrem Ausscheiden aus der Kapitalgesellschaft einkommenslos sind, nicht mehr berücksichtigt werden (können). Eine Erstattung ist in diesen Fällen verfassungsrechtlich nicht geboten. Die derzeit anwendbare Rechtslage scheint aber dazu zu führen, dass bei Gesellschaftern, die nach ihrem Ausscheiden noch ein Einkommen beziehen und Einkommensteuer (sei es im Abzugsweg oder im Weg der Veranlagung) zu entrichten haben, die Berücksichtigung der Mindeststeuern nach unsachlichen Gesichtspunkten erfolgt. Gemäß § 46 Abs 1 EStG 1988 werden auf die Einkommensteuerschuld einerseits die für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Vorauszahlungen, andererseits die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen (somit insbesondere Lohnsteuer), angerechnet. Da Mindeststeuern niemals zu einer Gutschrift führen können, dürfte § 9 Abs 8 UmgrStG im Fall von Vorauszahlungen (veranlagte Einkommensteuer) die Konsequenz haben, dass eine Berücksichtigung entrichteter Mindeststeuern nur in Betracht kommt, wenn die Vorauszahlungen in Summe niedriger sind als die Einkommensteuerschuld des betreffenden Jahres und daher eine Steuerschuld entsteht, die durch die Mindeststeuern gekürzt oder kompensiert werden kann.

Da die Vorauszahlungen - wie sich insbesondere aus § 45 EStG 1988 ergibt - in Summe der Einkommensteuerschuld des laufenden Jahres entsprechen oder nahe kommen sollen (vgl. auch VfSlg. 16.590/2002), scheint diese Rechtslage dazu zu führen, dass die Berücksichtigung von Mindeststeuern davon abhängt, ob das Einkommen steigt, ohne dass das Finanzamt eine Anpassung der Vorauszahlungen vornimmt, bzw. ob es dem Steuerpflichtigen gelingt, mit plausiblen Argumenten ein Sinken des Einkommens zu begründen, um damit eine Herabsetzung der Vorauszahlungen und letztlich den Ausweis einer Einkommensteuerschuld im Jahresbescheid zu erreichen. Der Verfassungsgerichtshof ist vorderhand der Meinung, dass damit die Berücksichtigung von Mindeststeuern von zufälligen und daher unsachlichen Umständen abhängig gemacht wird.

Vergleichbare Effekte scheinen sich aber auch im Fall von Abzugssteuern, speziell der Lohnsteuer, zu ergeben: Bezieht der vormalige Gesellschafter nach der Umwandlung nur noch Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, dann kann eine Einkommensteuerschuld (die über die anzurechnenden Lohnsteuerbeträge hinausgeht) anscheinend nur entstehen, wenn mehrere Dienstverhältnisse vorliegen und es im Wege der Veranlagung zu einer Nachzahlung kommt oder wenn im Lohnsteuerverfahren Abzugsposten geltend gemacht wurden, die letztlich nicht anerkannt werden, oder wenn aus sonstigen Gründen die Lohnsteuer vom Arbeitgeber nicht oder in zu geringem Ausmaß abgeführt wurde. Auch hierbei handelt es sich um Umstände, die anscheinend mit einer sachgerechten Berücksichtigung von Mindeststeuern nichts zu tun haben.

4. Zusammengefasst hat der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Wortfolgen anscheinend dazu führen, dass die Berücksichtigung von Mindeststeuern einer umgewandelten Kapitalgesellschaft bei den vormaligen Gesellschaftern (natürliche Personen) von zufälligen Umständen abhängt, und dass diese Vorschriften daher unsachliche und somit gleichheitswidrige Ergebnisse zeitigen.

Der Verfassungsgerichtshof kann vorderhand nicht erkennen, dass diesen Bedenken durch eine verfassungskonforme Interpretation der Rechtslage Rechnung getragen werden könnte. Es wird im Prüfungsverfahren zu untersuchen sein, ob es - sollten die Bedenken zutreffen - erforderlich ist, zu ihrer Beseitigung die in Prüfung gezogenen Wortfolgen zur Gänze aufzuheben."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die in Prüfung stehenden Wortfolgen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Zudem beantragt sie für den Fall der Aufhebung, eine Frist für das Außer-Kraft-Treten von einem Jahr zu bestimmen.

3.1. In ihrer Stellungnahme legt die Bundesregierung eingangs dar, dass es im Hinblick auf die vom Verfassungsgerichtshof geäußerte Unbedenklichkeit des Unterganges der entrichteten und noch nicht verrechneten Mindestkörperschaftsteuerbeträge im Fall der Liquidation einer Kapitalgesellschaft ihrer Auffassung nach verfassungsrechtlich nicht geboten erscheine, eine entsprechende Berücksichtigung des Mindestkörperschaftsteuerguthabens im Fall einer Umwandlung nach dem Umgründungssteuergesetz vorzusehen. Die Bestimmung des § 9 Abs 8 UmgrStG sei eine - aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht gebotene - Begünstigungsvorschrift.

3.2. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass diese Begünstigungsvorschrift aus folgenden Überlegungen nicht zu verfassungswidrigen ertragsteuerlichen Folgen führt: Sowohl eine errichtende als auch eine verschmelzende Umwandlung auf eine natürliche Person sei im Hinblick auf § 7 UmgrStG nur möglich, wenn dabei ein Betrieb übertragen wird. ArtII UmgrStG setze daher immer die Fortführung einer betrieblichen Tätigkeit voraus, damit eine natürliche Person in den Genuss einer ertragsteuerlich neutralen Umwandlung kommen könne. Der Fortführungsgedanke komme allerdings im Wortlaut des § 9 Abs 8 UmgrStG nicht zum Ausdruck; eine Fortführung des Betriebes im Zeitpunkt der Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuer werde dort nicht vorausgesetzt. Zwar könnten die Mindeststeuerguthaben auf eine natürliche Person nur übergehen, wenn diese den vormals von der Kapitalgesellschaft geführten Betrieb anschließend selbst führt; nicht explizit vorgesehen sei jedoch ein Untergang der übergegangenen Mindeststeuerguthaben bei einer späteren Einstellung des Betriebes durch die natürliche Person. Allerdings deuteten sowohl die Ausgestaltung der Bestimmung als auch die Materialien zum Strukturanpassungsgesetz 1996 darauf hin, dass eine Einschränkung der Mindeststeuerverwertung auf Fälle der Betriebsfortführung beabsichtigt gewesen sei. Wörtlich führt die Bundesregierung sodann Folgendes aus:

"Das Fehlen einer ausdrücklich normierten Betriebsfortführungsklausel wird zum Teil durch die in § 9 Abs 8 UmgrStG vorgesehene Verknüpfung mit der Bestimmung des § 46 EStG 1988 sowie durch die sich daraus ergebende Einschränkung der Verlustverwertung ausgeglichen. Nach dem Wortlaut des § 9 Abs 8 UmgrStG soll ein offenes Mindestkörperschaftsteuerguthaben zwar auch dann auf die Einkommensteuerschuld angerechnet werden können, wenn keine betrieblichen Einkünfte mehr erzielt werden, jedoch nur unter Beachtung der normierten Einschränkungen, dass zuerst die in § 46 Abs 1 EStG 1988 genannten Beträge (bereits geleistete Einkommensteuervorauszahlungen und durch Steuerabzug einbehaltene Beträge wie etwa KESt) angerechnet werden und dass eine Gutschrift im Sinn des § 46 Abs 2 EStG 1988 nicht erfolgen kann. Das hat zur Folge, dass jene Steuerpflichtigen, die nach Übergang der Mindestkörperschaftsteuerguthaben durch eine Umwandlung - wie im Anlassfall - nur mehr nichtselbständige Einkünfte erzielen, in der Regel die Mindestkörperschaftsteuer nicht anrechnen können. Dies entspricht aber wie dargestellt dem Telos des Umgründungssteuerrechts, wonach nur bei Fortführung einer betrieblichen Tätigkeit nach der Umwandlung eine Anrechnung der durch eine betriebliche Tätigkeit bewirkten Mindestkörperschaftsteuerguthaben erfolgen soll. Eine derartige Einschränkung bei der weiteren Verrechnung offener Mindestkörperschaftsteuerguthaben kann nach Ansicht der Bundesregierung mit dem genannten Zweck der Umwandlung sachlich gerechtfertigt werden.

Die Bundesregierung stellt dem Verfassungsgerichtshof zur Erwägung, die im Prüfungsbeschluss aufgezeigten Bedenken mittels einer teleologisch reduzierenden Auslegung, die die Anwendung des § 9 Abs 8 UmgrStG auf Fälle der Betriebsfortführung beschränkt, zu beseitigen.

Aber selbst wenn man dieser Auslegung nicht nahe tritt und daher auch bei nichtselbständigen Einkünften in Sonderfällen eine Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuer erfolgen kann, wären diese Fälle nach Ansicht der Bundesregierung Ausnahmefälle, die in Summe nicht geeignet sind, eine Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs 8 UmgrStG zu bewirken.

3.3. Berücksichtigung der offenen Mindestkörperschaftsteuerbeträge im Rahmen betrieblicher Betätigung

3.3.1. In den Umgründungssteuerrichtlinien, Rz. 565, ist auch die Möglichkeit vorgesehen, bei Vorhandensein offener Mindestkörperschaftsteuerguthaben eine Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen zu beantragen. Damit wird eine Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuern insbesondere bei betrieblichen Einkünften ermöglicht, die durch das Umgründungssteuergesetz begünstigt werden sollen. Nach Ansicht der Bundesregierung kann auch der in den Umgründungssteuerrichtlinien angesprochene Herabsetzungsantrag eine verfassungskonforme Interpretation des § 9 Abs 8 UmgrStG im Hinblick auf die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken aufzeigen.

3.3.2. Aber selbst wenn man die Zulässigkeit eines solchen - mit den Bestehen eines Mindestkörperschaftsteuerguthabens begründeten - Herabsetzungsantrags verneint, muss dies nicht die Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs 8 UmgrStG nach sich ziehen. Zwar kann es auch bei einer betrieblichen Betätigung dazu kommen, dass eine Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuerbeträge während der laufenden betrieblichen Tätigkeit nicht immer möglich sein wird, weil sich die festzusetzenden Vorauszahlungsbeträge an der voraussichtlich zu erwartenden Einkommensteuerschuld und nicht an möglicherweise vorhandenen Anrechnungsguthaben orientieren. Im Regelfall wird eine Berücksichtigung des offenen Mindestkörperschaftsteuerguthabens aber spätestens bei der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit möglich sein. Die sich im Zuge einer Betriebsveräußerung oder Einstellung im Sinn des § 24 EStG 1988 ergebende Einkommensteuerschuld kann daher noch um die Mindestkörperschaftsteuerbeträge reduziert werden. Dass auch bei einer Betriebsaufgabe eine Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuer nicht möglich ist, wird in der Praxis kaum vorkommen. Dieser selten vorkommende Fall muss auf Grund der typisierenden Ausgestaltung der Begünstigungsvorschrift des § 9 Abs 8 UmgrStG in Kauf genommen werden, was nach Ansicht der Bundesregierung aber nicht zur Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmung führt.

Indem betriebsführende natürliche Personen als Rechtsnachfolger einer durch die Umwandlung untergegangenen Kapitalgesellschaft - zwar möglicherweise nicht während der laufenden betrieblichen Betätigung, aber im Regelfall spätestens im Zeitpunkt der endgültigen Aufgabe im Sinn des § 24 EStG 1988 - noch offene Mindestkörperschaftsteuerguthaben anrechnen können, erweist sich § 9 Abs 8 UmgrStG nicht als gleichheitswidrig."

3.3. Zum Sitz einer allfälligen Verfassungswidrigkeit merkt die Bundesregierung an, dass der letzte Satz des § 9 Abs 8 UmgrStG, der das Entstehen einer Gutschrift unterbindet, ihrer Auffassung nach nicht als verfassungswidrig anzusehen sei, da der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss ausgeführt habe, dass eine Erstattung der Mindeststeuer bei vormaligen, nunmehr einkommenslosen Gesellschaftern verfassungsrechtlich nicht geboten sei. Die Aufhebung allein der in Prüfung gezogenen Wortfolge im vorletzten Satz des § 9 Abs 8 UmgrStG wäre daher hinreichend, um den seitens des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen.

II. Rechtslage

1. § 9 UmgrStG befasst sich mit den Konsequenzen von Umwandlungen iSd Bundesgesetzes über die Umwandlung von Handelsgesellschaften (UmwG) beim Rechtsnachfolger. § 9 Abs 8 leg.cit. lautet in der Fassung BGBl. 201/1996 (Strukturanpassungsgesetz 1996) wie folgt (die in Prüfung gezogenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"(8) Mindeststeuern der übertragenden Körperschaft im Sinne des § 24 Abs 4 des Körperschaftsteuergesetzes 1988, die bis zum Umwandlungsstichtag entstanden und noch nicht verrechnet sind, sind den Rechtsnachfolgern ab dem dem Umwandlungsstichtag folgenden Wirtschaftsjahr in jenem Ausmaß zuzurechnen, das sich aus der Höhe der Beteiligung an der umgewandelten Körperschaft im Zeitpunkt der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Firmenbuch ergibt. Dabei sind die Anteile abfindungsberechtigter Anteilsinhaber den Rechtsnachfolgern quotenmäßig zuzurechnen. § 24 Abs 4 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 gilt für natürliche Personen als Rechtsnachfolger mit der Maßgabe, daß die Mindeststeuern im Ausmaß entstehender Einkommensteuerschulden nach Berücksichtigung der in § 46 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge anzurechnen sind. § 46 Abs 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 ist nicht anzuwenden."

2. § 24 Abs 4 Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. 401 idF BGBl. I 161/2005, (in der Folge: KStG 1988) sieht für die Entrichtung der Mindestkörperschaftsteuer Folgendes vor:

"(4) Für unbeschränkt steuerpflichtige inländische Kapitalgesellschaften und diesen vergleichbaren unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Körperschaften gilt Folgendes:

1. Es ist für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer in Höhe von 5% eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (§7 des Aktiengesetzes 1965,§ 6 des GmbH-Gesetzes und Art 4 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L 294 vom S. 1) zu entrichten. Fehlt bei ausländischen Körperschaften eine gesetzliche Mindesthöhe des Kapitals oder ist diese niedriger als die gesetzliche Mindesthöhe nach § 6 des GmbH-Gesetzes, ist § 6 des GmbH-Gesetzes maßgebend. Ändert sich die für die Mindeststeuer maßgebliche Rechtsform während eines Kalendervierteljahres, ist dafür die am Beginn des Kalendervierteljahres bestehende Rechtsform maßgeblich.

2. Abweichend von Z 1 beträgt die Mindeststeuer für unbeschränkt steuerpflichtige Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft für jedes volle Kalendervierteljahr 1 363 Euro.

3. Abweichend von Z 1 und 2 beträgt die Mindeststeuer für die ersten vier Kalendervierteljahre ab Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht für jedes volle Kalendervierteljahr 273 Euro.

4. Die Mindeststeuer ist in dem Umfang, in dem sie die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wie eine Vorauszahlung im Sinne des § 45 des Einkommensteuergesetzes 1988 anzurechnen. Die Anrechnung ist mit jenem Betrag begrenzt, mit dem die im Veranlagungsjahr oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen entstehende tatsächliche Körperschaftsteuerschuld den sich aus den Z 1 bis 3 für diesen Veranlagungszeitraum ergebenden Betrag übersteigt."

3. In den Materialien (RV 72 BlgNR 20. GP, 284) wird zu § 9 Abs 8 UmgrStG Folgendes dargelegt:

"Zu Art 42 Z 5 (§9): ...

Mit dem neuen Abs 8 soll die Anrechnungsmöglichkeit auf natürliche Personen als Rechtsnachfolger nach einer Umwandlung ausgedehnt werden. Bei Nachfolger-Körperschaften gilt die in § 24 Abs 4 KStG 1988 vorgesehene betragsmäßige Einschränkung weiter, bei natürlichen Personen ist die Anrechenbarkeit auf die sich in einem Folgejahr ergebende Einkommensteuerschuld zu beziehen, sie kann allerdings mangels Geltung des § 46 Abs 2 EStG 1988 nicht zu einem Guthaben führen. ..."

4. § 46 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. 400 idF BGBl. I 84/2002, (in der Folge: EStG 1988) bestimmt:

"Abschlußzahlungen

§46. (1) Auf die Einkommensteuerschuld werden angerechnet:

1. Die für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Vorauszahlungen,

2. die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen.

Eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer ist auch insoweit vorzunehmen, als die Kapitalerträge unter den Veranlagungsfreibetrag nach § 41 Abs 3 fallen, aber ohne Anwendung des Freibetrages keine oder eine geringere Einkommensteuer zu erheben wäre. Lohnsteuer, die im Haftungsweg (§82) beim Arbeitgeber nachgefordert wurde, ist nur insoweit anzurechnen, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde.

(2) Ist die Einkommensteuerschuld kleiner als die Summe der Beträge, die nach Abs 1 anzurechnen sind, so wird der Unterschiedsbetrag gutgeschrieben."

5. Rz 565 der Umgründungssteuerrichtlinien 2002, Z BMF-010201/0013-VI/6/2007 vom lautet:

"Für natürliche Personen als Rechtsnachfolger ist zu beachten, dass die Mindestkörperschaftsteuern auf die Einkommensteuerschulden nachrangig angerechnet werden, dh. erst nach Berücksichtigung der in § 46 Abs 1 EStG 1988 genannten Beträge (Einkommensteuer-Vorauszahlungen, Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer).

§ 46 Abs 2 EStG 1988 ist [nicht] anzuwenden, sodass sich aus der Anrechnung von Mindestkörperschaftsteuern keine Gutschrift ergeben kann. Die Anrechnung ist nur bis zur Höhe der (Rest)Einkommensteuerschuld möglich.

Es bestehen keine Bedenken, die Übernahme von Mindestkörperschaftsteuern durch natürliche Personen als Begründung für einen Antrag auf individuelle Anpassung von Einkommensteuervorauszahlungen nach § 45 EStG 1988 anzuerkennen."

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen

Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die Beschwerde zulässig ist, dass die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung des § 9 Abs 8 UmgrStG angewendet hat und dass auch der Verfassungsgerichthof diese Rechtsvorschrift bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden hätte, unzutreffend wären. Da im Verfahren auch sonst Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen weder vorgebracht noch entstanden sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "nach Berücksichtigung der in § 46 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge" im dritten Satz des § 9 Abs 8 des UmgrStG konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.

Diese Bedenken gingen im Wesentlichen dahin, dass die in § 9 Abs 8 UmgrStG vorgesehene - an sich verfassungsrechtlich nicht gebotene - Verrechnung von Mindeststeuern im Fall der Umwandlung für natürliche Personen als Rechtsnachfolger von zufälligen Umständen abhänge, weil sie im Fall der Veranlagung voraussetze, dass die Einkommensteuervorauszahlungen niedriger festgesetzt wurden als die Einkommensteuerschuld des betreffenden Jahres, im Fall des Lohnsteuerabzugs hingegen erfordere, dass es im Wege einer Veranlagung zu einer Nachzahlung kommt.

Der Bundesregierung ist Recht zu geben, dass eine Anrechnung von Mindestkörperschaftsteuer im Fall der Umwandlung - wenn sie überhaupt vorgesehen wird - sinnvollerweise auf die Fortführung des Betriebes abzustellen hätte und dass es dem Gedanken der Umwandlung entspricht, die Verrechnungsmöglichkeit ab der Betriebsveräußerung bzw. -einstellung auszuschließen. Die Bundesregierung räumt aber selbst ein, dass dieser Gedanke im maßgeblichen Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden hat. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht erkennen, dass eine solche Beschränkung verfassungsrechtlich geboten wäre, so dass eine verfassungskonforme (einschränkende) Interpretation jedenfalls ausscheidet.

Damit bleibt aber eine Rechtslage, die es auch nach Einstellung des übergegangenen Betriebes den vormaligen Gesellschaftern (natürlichen Personen) erlaubt, Mindeststeuern zu verwerten, allerdings nur unter den in § 9 Abs 8 UmgrStG genannten Voraussetzungen. Dass die Verrechnung(smöglichkeit) damit von zufälligen Umständen abhängt, bestreitet auch die Bundesregierung nicht. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht der Ansicht beitreten, dass es sich um vernachlässigbare Ausnahmefälle handelt. Wenn die Bundesregierung auf die in Rz 565 der Umgründungssteuerrichtlinien 2002 vorgesehene Möglichkeit verweist, bei Vorhandensein offener Mindeststeuerguthaben eine Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen zu beantragen (um auf diese Weise eine Einkommensteuerschuld auszuweisen, mit der die Mindeststeuer verrechenbar ist), dann zeigt sie auf, dass in der Praxis zumindest für den Fall der Veranlagung ein Weg gefunden wurde, um die Verwertung durch eine im Gesetz nicht vorgesehene Vorgangsweise zu ermöglichen; ein Rechtsanspruch auf eine solche Herabsetzung besteht freilich nicht, womit die Bundesregierung letztlich die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bestätigt. Dass die Verrechnung der Mindeststeuern typischerweise im Zuge der Betriebsveräußerung oder -einstellung möglich ist, mag zutreffen. Rz 565 der Umgründungssteuerrichtlinien 2002 bestätigt aber, dass auch die Finanzverwaltung diese Möglichkeit allein für nicht ausreichend erachtet hat.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt somit dabei, dass die in Prüfung gezogene Rechtslage deswegen unsachlich und daher gleichheitswidrig ist, weil die Berücksichtigung von Mindeststeuern einer umgewandelten Kapitalgesellschaft bei den vormaligen Gesellschaftern (natürlichen Personen) von zufälligen Umständen abhängt. Er stimmt der Bundesregierung jedoch zu, dass den Bedenken durch eine Aufhebung der in Prüfung gezogenen Wortfolge "nach Berücksichtigung der in § 46 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge" im dritten Satz des § 9 Abs 8 UmgrStG Rechnung getragen wird.

2.2. Der ebenfalls in Prüfung gezogene letzte Satz des § 9 Abs 8 UmgrStG verhindert, dass die Mindeststeuern (im Fall einer niedrigeren Einkommensteuerschuld) zum Ausweis einer Gutschrift führen. Der Verfassungsgerichtshof hat schon im Prüfungsbeschluss zum Ausdruck gebracht, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen bestehen, dass Mindeststeuern bei jenen Gesellschaftern, die nach ihrem Ausscheiden aus der Kapitalgesellschaft einkommenslos sind, nicht mehr berücksichtigt werden. Im Hinblick darauf bestehen aber auch keine Bedenken dagegen, dass eine Verrechnung der Mindeststeuern nur "im Ausmaß entstehender Einkommensteuerschulden" (so der vorletzte Satz des § 9 Abs 8 leg.cit.) erfolgt.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Es ist daher nur die Wortfolge "nach Berücksichtigung der in § 46 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge" im dritten Satz des § 9 Abs 8 des UmgrStG, BGBl. 699/1991 idF BGBl. 201/1996, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, für das Außer-Kraft-Treten eine Frist zu bestimmen. Nach der bereinigten Rechtslage ist die Verwertung von Mindeststeuern nicht mehr nachrangig gegenüber den Vorauszahlungen und den durch Steuerabzug einbehaltenen Beträgen. Dieses Ergebnis ist im Zusammenhang mit einer Rechtslage, die die Verwertung der Mindeststeuern im Fall der Umwandlung nicht von der Betriebsfortführung abhängig macht, verfassungskonform. Der Gesetzgeber ist dadurch nicht gehindert, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen, die auch anderen Gesichtspunkten Rechnung trägt.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit in Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.