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VfGH vom 10.03.2004, g140/03

VfGH vom 10.03.2004, g140/03

Sammlungsnummer

17160

Leitsatz

Kompetenzwidrigkeit der Regelungen des Verrechnungsstellengesetzes über die Organisation und die Aufgaben der Verrechnungsstelle zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung; keine Angelegenheit der alleinigen Bundesgesetzgebung, sondern der Grundsatzgesetzgebung des Bundes und der Ausführungsgesetzgebung der Länder; keine Einrichtung einer Börse durch Errichtung der Verrechnungsstelle

Spruch

Die §§3, 4 und 9 des Bundesgesetzes, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden, Art 9 des Energieliberalisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine Beschwerde der Energy Balancing AG (EBAG) gegen die Bescheide des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom , Zl. 551.355/5-VIII/1/01 und Zl. 551.355/29-VIII/1/01, anhängig, mit denen der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit der APCS Power Clearing and Settlement AG (APCS) gemäß § 3 iVm § 4 des Verrechnungsstellengesetzes die Konzession für den Betrieb einer Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie für jenen Regelzonenbereich, der durch den vom Übertragungsnetz der Austrian Power Grid Gmbh abgedeckten Netzbereich gebildet ist, erteilte und den Antrag der EBAG auf Erteilung einer gleichartigen Konzession gemäß § 3 iVm § 4 des Verrechnungsstellengesetzes abwies.

2. Diesen Bescheiden liegt folgende Rechtslage zugrunde:

Die §§1 bis 4, 9 und 10 des Bundesgesetzes, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden, Art 9 des Energieliberalisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000, in der Folge Verrechnungsstellengesetz, lauten (die aufzuhebenden Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Anwendungsbereich

§1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Ausübungsvoraussetzungen, die Tätigkeit und Organisation von Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie.

(2) Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Einrichtungen, die anhand der von Netzbetreibern und Marktteilnehmern zur Verfügung gestellten Daten, die Berechnung der für die einzelnen Marktteilnehmer und Netzbetreiber anfallende Ausgleichsenergie vornimmt, auf Basis von Angeboten von Stromerzeugern eine Rangfolge für den Abruf von Kraftwerken zur Aufbringung von Ausgleichsenergie erstellt und die Preise für Ausgleichsenergie ermittelt sowie Bilanzgruppen in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht verwaltet.

Bilanzgruppenkoordinator

§ 2. Wer eine Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie betreibt, ist ein Bilanzgruppenkoordinator. Insoweit ein Bilanzgruppenkoordinator nach diesem Bundesgesetz als beliehenes Unternehmen handelt, hat es die ihm übertragenen Aufgaben unter Bedachtnahme auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Clearing und Settlement (§3 Abs 1) zu besorgen.

Ausübungsvoraussetzungen

§3. (1) Der Betrieb einer Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie bedarf einer Konzession des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit. Eine Konzession wird in der Regel nur für eine Regelzone erteilt. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis ist jedoch die Erteilung der Konzession für zwei Regelbereiche möglich.

(2) Die Konzession ist schriftlich zu erteilen und kann mit den zur Sicherstellung der Aufgaben erforderlichen Bedingungen und Auflagen versehen werden.

(3) Der Antragsteller hat dem Antrag auf Erteilung einer Konzession folgende Unterlagen anzuschließen:


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1.
Angaben über den Sitz und die Rechtsform;
2.
die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag;
3.
den Geschäftsplan, aus dem der organisatorische Aufbau des Unternehmens und die internen Kontrollverfahren hervorgehen; weiters hat der Geschäftsplan eine Budgetvorschau für die ersten drei Geschäftsjahre zu enthalten;
4.
eine Beschreibung des zur Verfügung stehenden Verrechnungs- und Preisbildungssystems für die Ausgleichsenergie in technischer und
organisatorischer Hinsicht;
5.
die Höhe des den Geschäftsführern im Inland unbeschränkt und ohne Belastung zur freien Verfügung stehenden Anfangskapitals;
6.
die Identität und die Höhe des Beteiligungsbetrages der Eigentümer, die eine qualifizierte Beteiligung am Unternehmen halten, sowie die Angabe der Konzernstruktur, sofern diese Eigentümer einem Konzern angehören;
7.
die Namen der vorgesehenen Geschäftsführer und deren Qualifikation zum Betrieb des Unternehmens.

(4) Liegen für einen Regelbereich mehrere Anträge auf Konzessionserteilung vor, ist die Konzession dem Konzessionswerber zu erteilen, der den Konzessionsvoraussetzungen und dem volkswirtschaftlichen Interesse an einem funktionierenden Strommarkt bestmöglich entspricht.

Konzessionsvoraussetzungen

§4. (1) Eine Konzession gemäß § 3 darf nur erteilt werden, wenn


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1.
der Konzessionswerber die im § 9 angeführten Aufgaben kostengünstig und sicher zu erfüllen vermag;
2.
für den Regelbereich, für den die Konzession beantragt wird, keine Konzession für eine Verrechnungsstelle vergeben wurde;
3.
die Personen, die eine qualifizierte Beteiligung am Unternehmen halten, den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Unternehmens zu stellenden Ansprüche genügen;
4.
durch enge Verbindungen des Unternehmens mit anderen natürlichen oder juristischen Personen die Aufsichtsbehörden an der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht nicht gehindert werden;
5.
Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Drittlandes, denen eine mit dem Unternehmen in enger Verbindung stehende natürliche oder juristische Person unterliegt, oder Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Vorschriften die Aufsichtsbehörden nicht an der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Überwachungspflicht hindern;
6.
das Anfangskapital mindestens 30 Millionen Schilling beträgt und den Geschäftsführern unbeschränkt und ohne Belastung zur freien Verfügung steht und die materielle und personelle Ausstattung des Unternehmens die Leitung und Verwaltung der Verrechnungsstelle bestmöglich gewährleistet ist;
7.
bei keinem der Geschäftsführer ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 13 Abs 1 bis 6 GewO 1994 vorliegt;
8.
gegen keinen Geschäftsführer eine gerichtliche Voruntersuchung wegen einer vorsätzlichen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung eingeleitet worden ist, bis zu der Rechtskraft der Entscheidung, die das Strafverfahren beendet;
9.
die Geschäftsführer auf Grund ihrer Vorbildung fachlich geeignet sind und die für den Betrieb des Unternehmens erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen haben. Die fachliche Eignung eines Geschäftsführers setzt voraus, dass dieser in ausreichendem Maße theoretische und praktische Kenntnisse in der Abrechnung von Ausgleichsenergie sowie Leitungserfahrung hat; die fachliche Eignung für die Leitung einer Verrechnungsstelle ist anzunehmen, wenn eine zumindest dreijährige leitende Tätigkeit auf dem Gebiet der Tarifierung oder des Rechnungswesens nachgewiesen wird;
10.
mindestens ein Geschäftsführer den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich hat;
11.
das Unternehmen mindestes zwei Geschäftsführer hat und in der Satzung die Einzelvertretungsmacht, eine Einzelprokura oder eine Einzelhandlungsvollmacht für den gesamten Geschäftsbetrieb ausgeschlossen ist;
12.
kein Geschäftsführer einen anderen Hauptberuf außerhalb des Unternehmens ausübt, der geeignet ist, Interessenskonflikte hervorzurufen;
13.
der Sitz und die Hauptverwaltung im Inland liegen;
14.
wenn das zur Verfügung stehende Abwicklungssystem den Anforderungen eines zeitgemäßen Abrechnungssystems genügt;
15.
die Neutralität, Unabhängigkeit und die Datenvertraulichkeit gegenüber Marktteilnehmern gewährleistet ist.

(2) Ein Bilanzgruppenkoordinator darf als Firma nur dann in das Firmenbuch eingetragen werden, wenn die entsprechenden rechtskräftigen Bescheide in Urschrift oder beglaubigter Abschrift (Kopie) vorliegen. Das zuständige Gericht hat Beschlüsse über solche Firmenbucheintragungen auch dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit als oberster Elektrizitätsbehörde und der Elektrizitäts-Control GmbH als Aufsichtsbehörde zuzustellen.

[...]

Aufgaben

§9. (1) Aufgaben der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie sind:


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1.
die Verwaltung der Bilanzgruppen in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht;
2.
die Berechnung und Zuordnung der Ausgleichsenergie;
3.
der Abschluss von Verträgen
a)
mit Bilanzgruppenverantwortlichen, Regelzonenführern, Netzbetreibern und Stromlieferanten (Erzeugern und Händlern);
b)
mit Einrichtungen zum Zwecke des Datenaustausches zur Erstellung eines Indexes;
c)
mit Strombörsen über die Weitergabe von Daten;
d)
mit Lieferanten (Erzeugern und Stromhändlern) über die Weitergabe von Daten.

(2) Die Verwaltung der Bilanzgruppe in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht umfasst insbesondere


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1.
die Vergabe von Identifikationsnummern der Bilanzgruppen;
2.
die Bereitstellung von Schnittstellen im Bereich Informationstechnologie;
3.
die Verwaltung der Fahrpläne zwischen Bilanzgruppen;
4.
die Übernahme der von den Netzbetreibern in vorgegebener Form übermittelten Messdaten, deren Auswertung und Weitergabe an die betroffenen Marktteilnehmer und anderen Bilanzgruppenverantwortlichen entsprechend den in den Verträgen enthaltenen Vorgaben;
5.
die Übernahme von Fahrplänen der Bilanzgruppenverantwortlichen und die Weitergabe an die betroffenen Marktteilnehmer (andere Bilanzgruppenverantwortliche) entsprechend den in den Verträgen enthaltenen Vorgaben;
6.
die Bonitätsprüfung der Bilanzgruppenverantwortlichen;
7.
die Mitarbeit bei der Ausarbeitung und Adaptierung von Regelungen im Bereich Kundenwechsel, Abwicklung und Abrechnung;
8.
die Abrechnung und organisatorische Maßnahmen bei Auflösung von Bilanzgruppen;
9.
die Aufteilung und Zuweisung der sich auf Grund der Verwendung von standardisierten Lastprofilen ergebenden Differenz auf die am Netz eines Netzbetreibers angeschlossenen Marktteilnehmer nach Vorliegen der Messwerte nach transparenten Kriterien;
10.
die Verrechnung der Gebühren gemäß § 12 an die Bilanzgruppenverantwortlichen.

(3) Im Rahmen der Berechnung und Zuweisung der Ausgleichsenergie sind - sofern nicht besondere Regelungen im Rahmen von Verträgen gemäß § 70 Abs 2 ElWOG bestehen - jedenfalls


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1.
Angebote für Ausgleichsenergie einzuholen, zu übernehmen und eine Abrufreihenfolge als Vorgabe für Regelzonenführer zu erstellen;
2.
die Differenz von Fahrplänen zu Messdaten zu übernehmen und daraus Ausgleichsenergie zu errechnen;
3.
die Preise für Ausgleichsenergie entsprechend dem im § 10 beschriebenen Verfahren zu ermitteln und in geeigneter Form ständig zu veröffentlichen;
4.
die Entgelte für Ausgleichsenergie zu berechnen und den Bilanzgruppenverantwortlichen und Regelzonenführer mitzuteilen;
5.
besondere Maßnahmen zu ergreifen, wenn keine Angebote für Ausgleichsenergie vorliegen;
6.
die verwendeten standardisierten Lastprofile zu verzeichnen, zu archivieren und in geeigneter Form zu veröffentlichen.

Verfahren zur Ermittlung des Preises für Ausgleichsenergie

§10. (1) Preise für Ausgleichsenergie sind unter Zugrundelegung des in Abs 2 und 3 vorgesehenen Verfahrens zu ermitteln.

(2) Die Preise für Ausgleichsenergie sind aus den Angeboten der für Ausgleichsenergielieferungen in Frage kommenden Kraftwerken (Bieterkurve) und der nachgefragten Ausgleichsenergie (Nachfragekurve) je Ausgleichsperiode zu bestimmen.

(3) Die Preise für die Ausgleichsenergie sind unter Zugrundelegung eines marktorientierten Modells zu ermitteln. Dieses Modell ist von der Verrechnungsstelle zu erarbeiten und bedarf der Genehmigung der Regulierungsbehörde.

(4) Der Preis für die Ausgleichsenergie in der Regelzone Vorarlberg richtet sich nach den Preisen im Regelblock der Energie Baden-Württemberg AG."

3. Aus Anlass dieser Beschwerde sind Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§3, 4 und 9 Verrechnungsstellengesetz entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am zu Zlen. B772, 773/01 beschlossen, gemäß Art 140 B-VG die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen von Amts wegen zu prüfen.

II. 1. In seinem Prüfungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Beschwerde gegen beide Bescheide zulässig ist, die belangte Behörde die in Prüfung gezogenen Bestimmungen bei ihren Entscheidungen angewendet hat und auch der Verfassungsgerichtshof sie bei seiner Entscheidung anzuwenden hätte. Er führte dazu im Prüfungsbeschluss Folgendes aus:

"1.1. Zur vorläufigen Beurteilung der Zulässigkeit der Beschwerde:

'1.1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft bekämpft mit der auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde nicht nur den ihren Konzessionsantrag abweisenden Bescheid sondern auch den Bescheid, mit dem die Konzession für den Betrieb einer Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie für jenen Regelzonenbereich, der durch den vom Übertragungsnetz der Austrian Power Grid GmbH abgedeckten Netzbereich gebildet ist, an den Mitbewerber APCS erteilt wurde.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Beschwerde gegen beide Bescheide zulässig ist.

Das Verrechnungsstellengesetz regelt die Parteistellung im Verfahren zur Erteilung der Konzession gemäß § 3 leg. cit. nicht ausdrücklich, scheint aber auch nicht ausdrücklich auszuschließen, dass dem nicht zum Zuge gekommenen Mitbewerber um eine Konzession Parteistellung im Verfahren zur Verleihung einer Konzession an einen anderen Mitbewerber zukommt.

Der Betrieb einer Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie bedarf einer Konzession des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit (§3 Abs 1 Verrechnungsstellengesetz). Liegen für einen Regelbereich mehrere Anträge auf Konzessionserteilung vor, ist die Konzession gemäß § 3 Abs 4 leg. cit. dem Konzessionswerber zu erteilen, der den Konzessionsvoraussetzungen und dem volkswirtschaftlichen Interesse an einem funktionierenden Strommarkt bestmöglich entspricht. Daraus ergibt sich, dass für jede Regelzone nur eine Konzession erteilt werden darf.

Auf Grund der im Verrechnungsstellengesetz enthaltenen Regelung, wonach für einen Regelbereich nur eine Konzession erteilt werden kann, dürfte trotz zweier Bescheide von einem einheitlichen Konzessionsverleihungsverfahren auszugehen sein, in dem die vorliegenden Anträge insgesamt zu beurteilen waren, gegeneinander abgewogen werden mussten und insoweit ein umfassendes Gesamtverfahren von der Behörde abzuführen war. Die Erteilung der Konzession an einen Bewerber dürfte zwangsweise als untrennbare Folge zur Abweisung anderer Anträge auf Erteilung der Konzession führen. Die beiden Konzessionswerber dürften demnach eine 'Verwaltungsverfahrensgemeinschaft' bilden (vgl. VfSlg. 12.014/1989, 13.329/1993 und 15.926/2000; vgl. auch Stolzlechner, 'Formen und Instrumente des Konkurrenzschutzes im öffentlichen Wirtschaftsrecht', ÖZW 1982, 109; VwGH, , AW 2001/05/0024 mwH).

Es dürfte mit dem rechtsstaatlichen Prinzip unvereinbar sein, den von der Behörde nicht berücksichtigten Mitbewerber um eine Konzession lediglich darauf zu verweisen, dass bereits eine Konzession an einen anderen Mitbewerber erteilt wurde und die Erteilung einer zweiten Konzession für dieselbe Regelzone im Gesetz nicht gedeckt sei. Vielmehr scheint es erforderlich, dem nicht zum Zuge gekommenen Bewerber eine verfahrensrechtliche Stellung einzuräumen, die ihn in die Lage versetzt, die gemäß § 3 Abs 4 Verrechnungsstellengesetz vorgesehene Auswahlentscheidung überprüfen zu lassen (vgl. auch VwSlg. 14.103 A/1990).

Gleiches dürfte aber auch für den Fall gelten, dass der Antrag auf Erteilung der Konzession an den nicht zum Zuge gekommenen Mitbewerber wegen Nichterfüllung der Konzessionsvoraussetzungen abgewiesen wird. Bliebe die Parteistellung des Bewerbers um eine Konzession auf das Verfahren betreffend die Erteilung seiner eigenen Konzession beschränkt, so könnte dem nicht zum Zuge gekommenen Bewerber - selbst wenn sich nachträglich herausstellt, er habe die Konzessionsvoraussetzungen erfüllt - die Rechtskraft der an den anderen Mitbewerber erteilten Konzession entgegen gehalten werden.

Da der beschwerdeführenden Gesellschaft sohin sowohl im Verfahren, das zur Abweisung ihres Konzessionsantrages führte, als auch im Verfahren zur Verleihung der Konzession an den Mitbewerber Parteistellung zukommen dürfte, erscheint sie gemäß Art 144 B-VG zur Erhebung der Beschwerde gegen die eingangs genannten Bescheide legitimiert.

1.1.2. Die mitbeteiligte Partei wendet ein, die beschwerdeführende Gesellschaft habe nicht ausreichend dargetan, in welchen Rechten sie verletzt zu sein behauptet. Daher sei die Beschwerde unzulässig. Dieses Vorbringen dürfte aus folgenden Gründen nicht zutreffen:

§ 3 Verrechnungsstellengesetz sieht mit der Erteilung der Konzession die Verleihung einer Rechtsposition, nämlich die ausschließliche Berechtigung zum Betrieb einer Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für Ausgleichsenergie für eine bestimmte Regelzone vor. Es scheint keiner näheren Begründung zu bedürfen, dass ein auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhender Bescheid, mit dem der Antrag auf Verleihung einer Rechtsposition abgewiesen wird oder mit dem einem Mitbewerber eine Rechtsposition verliehen wird, eine Verletzung in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm bedeutet.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die belangte Behörde in dem den Konzessionsantrag abweisenden Bescheid nicht nur § 3 und § 4 Z 12 und 15, sondern auch § 3 und § 4 Verrechnungsstellengesetz zur Gänze angewendet hat; jedenfalls dürfte sie aber in dem die Konzession für den Betrieb einer Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie für jenen Regelzonenbereich, der durch den vom Übertragungsnetz der Austrian Power Grid GmbH abgedeckten Netzbereich gebildet ist, an den Mitbewerber APCS erteilenden Bescheid die in Prüfung gezogenen Bestimmungen zur Gänze angewendet haben.

1.3. In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof weiters durchwegs den Standpunkt eingenommen, er habe den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werde, als Voraussetzung für den Anlassfall sei, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfahre; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 11.506/1987). Die Grenzen der Aufhebung müssen so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden; dies treffe sowohl auf von Amts wegen als auch auf auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (VfSlg. 8155/1977, 12.465/1990, 13.140/1992, 13.964/1994).

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass das Vorliegen der Konzessionsvoraussetzungen (vgl. z.B. § 4 Abs 1 Z 1, 9 und 15 Verrechnungsstellengesetz) nur unter Bedachtnahme auf die Erfüllung der Aufgaben der Verrechnungsstelle gemäß § 9 leg. cit. überprüft werden kann und die im Folgenden dargestellten Bedenken erst vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung der Verrechungsstelle bestehen dürften. Daher scheint die Bestimmung des § 9 Verrechnungsstellengesetz in einem untrennbaren Zusammenhang mit §§3 und 4 leg. cit. zu stehen und somit ebenso vorläufig in Prüfung zu ziehen zu sein."

2. Zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens haben den Verfassungsgerichtshof folgende Erwägungen veranlasst:

"2.1. Das Bundesgesetz, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden, wurde als Artikel 9 des Energieliberalisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000, erlassen und stellt unmittelbar anwendbares Bundesrecht dar.

Die parlamentarischen Materialien (66 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP in der Fassung der am von der Bundesregierung gemäß § 25 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 410, beschlossenen Änderung) führen zu Art 9 aus:

'Die im Bundesgesetz, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden, enthaltenen Regelungen stellen sich inhaltlich als Angelegenheiten dar, die den Kompetenztatbeständen des Art 10 Abs 1 Z 5 (Börsewesen, Maß- und Gewichts- und Normenwesen), Z 6 (Zivilrechtswesen) und Z 8 (Angelegenheiten des Gewerbes) systematisch zuzuordnen sind.'

Zu § 1 des Entwurfs eines Verrechnungsstellengesetzes führen die Erläuterungen aus:

'Die Einrichtung von unabhängigen Verrechnungsstellen stellt eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren eines vollliberalisierten Elektrizitätsmarktes dar. Die bisher von den integrierten Versorgungsunternehmen wahrgenommene Aufgabe des Ausgleichs von Aufbringung und Bedarf in den von diesen Unternehmungen betriebenen Systemen wird nunmehr vom Regelzonenführer übernommen. Die Funktion der neu einzurichtenden Verrechnungsstellen in der mit der Vollliberalisierung verbundenen virtuellen Zusammenfassung von Erzeugern und Verbrauchern ist, anhand der von den Netzbetreibern und Marktteilnehmern (Bilanzgruppenverantwortlichen) zur Verfügung gestellten Daten die Berechnung der für die einzelnen Bilanzgruppenverantwortlichen anfallenden Ausgleichsenergie vorzunehmen und auf Basis von Angeboten der Stromerzeuger Preise für die Ausgleichsenergie unter Zugrundelegung marktwirtschaftlicher Grundsätze (Angebot und Nachfrage) zu erstellen. Weiters ist auf Basis wirtschaftlicher Gesichtspunkte eine Rangfolge für den Abruf von Kraftwerken zu erstellen, die der Preisbildung für die Ausgleichsenergie zugrunde zu legen ist.'

2.2. Da die Kompetenztatbestände des 'Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesens' (Art10 Abs 1 Z 5 B-VG), des 'Elektrizitätswesens' (Art12 Abs 1 Z 5 B-VG), der 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG), der 'Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs' (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) oder des 'Zivilrechtswesens' (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) in der Bundesverfassung nicht näher umschrieben sind, sind sie im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Auslegung von Kompetenztatbeständen (vgl. VfSlg. 7074/1973, 10.831/1986, 11.777/1988, 12.996/1992, 13.234/1992, 13.237/1992, insbesondere 14.266/1995, S 278 u.v.a.) in der Bedeutung zu verstehen, die ihnen im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens - es war dies der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel des B-VG am (vgl. VfSlg. 4680/1964) - nach dem damaligen Stand der Rechtsordnung zugekommen ist (vgl. etwa auch VfSlg. 7759/1976).

Es ist demnach nunmehr zu untersuchen, wie sich die unterverfassungsrechtliche Rechtslage am dargestellt hat und welche Schlüsse aus ihr auf das so genannte entstehungszeitliche Begriffsverständnis des Bundes-Verfassungsgesetzgebers zu ziehen sind. Dabei ist - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont - nicht so vorzugehen, dass man den Umfang des Kompetenzbegriffs, also hier etwa der Begriffe des 'Börsewesens', der 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie', des 'unlauteren Wettbewerbs', des 'Zivilrechtswesens' oder des 'Elektrizitätswesens' im Bestand an einschlägigen Regelungen (also hier im Bestand an den sich kraft Bezeichnung oder Sachzusammenhang als börserechtliche, gewerberechtliche, wettbewerbsrechtliche, elektrizitätsrechtliche oder zivilrechtliche Vorschriften auszeichnenden Bestimmungen) erschöpft sieht. Der Inhalt der Kompetenzartikel ist, wie der Verfassungsgerichtshof in dem gleichfalls für viele Entscheidungen repräsentativen Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 sagt, 'nach dem Stande der einfachen Gesetzgebung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzverteilung zu ermitteln. Das bedeutet aber nicht, daß sich der Inhalt des Kompetenzartikels in der Gesamtheit der am Tage seines Wirksamwerdens geltenden Gesetze erschöpft, denn es sind auch Neuregelungen zulässig, sofern sie nur nach ihrem Inhalt systematisch dem Kompetenzgrund angehören' (vgl. ferner VfSlg. 3393/1958, 4117/1961, 4883/1964, 5748/1968, 6137/1970, 10.831/1986).

2.2.1.1. Die unterverfassungsrechtliche Rechtslage zum Kompetenzbegriff des 'Börsewesens' (Art10 Abs 1 Z 5 B-VG) beginnend mit dem stellt sich wie folgt dar:

Auf dem Gebiete des 'Börsewesens' dürfte in diesem Zusammenhang das Gesetz vom 1. April 1875, RGBl. Nr. 67/1875, betreffend die Organisirung der Börsen, in der Fassung des Gesetzes vom , mit welchem einige abändernde und ergänzende Bestimmungen zu dem Gesetze vom 1. April 1875, RGBl. Nr. 67/1875, betreffend die Organisirung der Börsen, erlassen werden (im Folgenden als Börsegesetz 1875 bezeichnet), von Bedeutung sein.

Gemäß § 8 des Börsegesetzes 1875 hat die 'ämtliche Ausmittlung der Course (Preise) der an der Börse umgesetzten Verkehrsgegenstände [hat] an jedem Börsetage nach dem Schlusse der Börse auf Grund der von den Handelsmäklern während der Börse abgeschlossenen Geschäfte und der den Mäklern in Ausübung ihres Amtes bekannt gewordenen Daten unter Aufsicht des Börsecommissärs von Mitgliedern der Börseleitung zu geschehen. Das amtliche Coursblatt (Preisliste) ist ohne Verzug durch die Börseleitung zu veröffentlichen'. [Als Börsegeschäfte sind gemäß § 12 des Börsegesetzes 1875 jene Geschäfte anzusehen, die 'im öffentlichen Börselocale in der festgesetzten Börsezeit (§3) über solche Verkehrsgegenstände geschlossen worden sind, welche an der betreffenden Börse gehandelt und notiert werden dürfen'.]

Mit dem [noch in Geltung stehenden] Gesetz vom , RGBl. Nr. 10/1903, mit welchem einige abändernde und ergänzende Bestimmungen zu dem Gesetze vom 1. April 1875, RGBl. Nr. 67/1875, betreffend die Organisirung der Börsen, erlassen werden, wurden Regelungen über landwirtschaftliche Börsen erlassen.

Gemäß § 1 Abs 1 des Börsegesetzes 1989, BGBl. Nr. 555/1989, sind Börsen im Sinne dieses Bundesgesetzes Wertpapierbörsen und allgemeine Warenbörsen.

Daraus dürfte sich ergeben, dass Hauptzweck einer Börse die Zurverfügungstellung eines Systems zum Abschluss von Geschäften ist und die laufende Erstellung von Kursen für vertretbare Sachen auf Grund von Angebot und Nachfrage ein zentrales Element der Tätigkeit der Börsen darstellt.

Der Begriff der Börse im Sinne des Kompetenztatbestandes war im Börsegesetz 1875 nicht definiert, sondern wurde offenbar als gegeben vorausgesetzt. Mayerhofer/Pace umschreiben im Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst, Bd 6, 5. Auflage, 1900, S. 1151 f, den Begriff der Börse folgendermaßen:

'Die Börsen sind autonome, unter staatlicher Aufsicht stehende Institutionen, welche den Zweck verfolgen, den Verkehr zu concentrieren, dadurch zu erleichtern und zu regeln, und zu ermöglichen, dass die für die Acte der öffentlichen Verwaltung, wie für die außerhalb der Börse stehenden Handelskreise und für das effectenbesitzende Publicum wichtigen, wahren Course constatiert werden.'

In Mischler/Ulbrich, Österreichisches Staatswörterbuch, Bd 1,

2. Auflage, 1905, S. 611 f, stellt Hammerschlag den Begriff der Börse folgendermaßen dar:

'Börse nennt man die regelmäßig an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten stattfindenden Zusammenkünfte von Kaufleuten zum Zwecke des Abschlusses von Handelsgeschäften in Wertpapieren oder vertretbaren Waren. Das unterscheidende Merkmal zwischen Börsen und anderen Märkten liegt darin, daß auf den letzteren individuell bestimmte Waren den Gegenstand des Umsatzes bilden, während im Börse-Verkehre Waren und Wertpapiere ihres individuellen Charakters vollkommen entkleidet werden (Struck); der Börsen-Handel ist somit Handel mit generell bestimmten Wertpapieren und typenmäßig bestimmten Waren. Die Geschäftsabschlüsse können daher erfolgen, ohne daß die gehandelten Wertpapiere oder Waren zur Stelle sind, wodurch die Negoziabilität der letzteren überaus gesteigert wird. Eine Folge der eben charakterisierten Eigenart des Börsen-Handels ist die Möglichkeit der Kursbildung. Allerdings kommen auch börsemäßige Abschlüsse vor, welche nicht auf Grund allgemeiner Gattungsbezeichnungen stattfinden, sondern bei welchen das Object indvidualisiert wird, wie z.B. bei dem Handel mit Wechseln, doch entspringt ein solcher Börsen-Handel nur aus seinem naturgemäßen Zusammenhange mit denjenigen Geschäften, welche den prinzipiellen Grundlagen des Börse-Verkehres entsprechen. Ebenso treten an Börsen Versicherungs-, Speditions-, Einlagerungsgeschäfte, Handel und Verleihen von Emballagen, Fässern und Säcken als Nebengeschäfte auf.

Als weiteres Merkmal des Börse-Verkehres ist auszuführen, daß die Geschäfte in der Regel unter Zugrundelegung bestimmter Quantitäts- (Schluß-) Einheiten abgeschlossen werden.

Man unterscheidet gewöhnliche Fonds- oder Effektenbörsen, welche dem Verkehre in Zahlungsmitteln und in Effekten, und Warenbörsen, welche dem Verkehre in vertretbaren Waren dienen, doch ist diese Trennung keine notwendige; so werden an den Börsen in Wien, Prag und Triest Effekten u. Waren gehandelt.'

Gemäß § 1 Abs 1 des Börsegesetzes 1989, BGBl. Nr. 555/1989, sind Börsen im Sinne dieses Bundesgesetzes Wertpapierbörsen und allgemeine Warenbörsen. Wertpapierbörsen sind Börsen, an denen Wertpapiere, ausländische Zahlungsmittel, Münzen und Edelmetalle, Optionen und Finanzterminkontrakte gehandelt und die damit in Verbindung stehenden Hilfsgeschäfte getätigt werden (§1 Abs 2). Allgemeine Warenbörsen sind Börsen, an denen alle zum börsemäßigen Handel geeigneten Waren, die nicht ausdrücklich den Wertpapierbörsen oder den [im Gesetz RGBl. Nr. 10/1903 geregelten] landwirtschaftlichen Produktenbörsen zum Handel zugewiesen sind, gehandelt sowie die mit dem Warenhandel in Verbindung stehenden Hilfsgeschäfte getätigt werden.

2.2.1.2. Es wird nicht verkannt, dass der Wortlaut des § 2 Verrechnungsstellengesetz dem § 2 Abs 1 Börsegesetz 1989, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 11/1998, nachgebildet ist, wonach ein Börseunternehmen die ihm übertragenen Aufgaben unter Bedachtnahme auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Börsewesen und auf die schutzwürdigen Interessen des anlagesuchenden Publikums zu besorgen hat. Dies allein dürfte jedoch nicht ausreichen, um die Regelungen des Verrechnungsstellengesetzes dem Kompetenztatbestand 'Börsewesen' unterstellen zu können. Es dürfte vielmehr bei der kompetenzrechtlichen Beurteilung der Regelungen des Verrechnungsstellengesetzes vom Aufgabenkatalog der Verrechnungsstellen auszugehen sein.

Von den Aufgaben der Verrechnungsstelle, die selbst keinen organisierten, zu festgesetzten Zeiten, an einem bestimmten Ort stattfindenden Markt zum Kauf und Verkauf von Ausgleichsenergie darstellen dürfte, mögen allenfalls Teile der in § 9 Abs 3 Z 1 und 3 genannten Aufgaben, nämlich Angebote für Ausgleichsenergie einzuholen oder Preise für Ausgleichsenergie entsprechend dem in § 10 beschriebenen Verfahren zu ermitteln und zu veröffentlichen, börseähnliche Tätigkeiten darstellen. Bei einer Gesamtbetrachtung dürfte die Verrechnungsstelle für Ausgleichsenergie jedoch zum Setzen energielenkender Maßnahmen eingerichtet und ihre Aufgaben daher aus folgenden Gründen dem Kompetenztatbestand des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG (Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Art 10 B-VG fällt) zu unterstellen sein:

2.2.2.1. Der Kompetenzbegriff des 'Elektrizitätswesens' (Art12 Abs 1 Z 5 B-VG) stellt sich wie folgt dar:

Das Elektrizitätswesen ist in der Kompetenzfrage einmal nach Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG und im Übrigen nach Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG zu beurteilen. Aber auch der Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG ('aus Anlaß eines Krieges oder im Gefolge eines solchen zur Sicherung der einheitlichen Führung der Wirtschaft notwendig erscheinende Maßnahmen, insbesondere auch hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen') kommt in Betracht.

Die unterverfassungsrechtliche Rechtslage betreffend die Organisation der Elektrizitätswirtschaft am stellt sich wie folgt dar (Art12 Abs 1 Z 5 B-VG entsprach idF BGBl. Nr. 367/1925 Art 12 Abs 1 Z 8):

Auf dem Gebiete des 'Elektrizitätswesens' dürfte am nur das 'Bundesgesetz vom , betreffend elektrische Anlagen (Elektrizitätswegegesetz)', BGBl. Nr. 348/1922 von Bedeutung sein. Dieses Gesetz dürfte keine mit einer 'Ausgleichsorganisation' im weitesten Sinne im Zusammenhang stehenden Bestimmungen enthalten haben. Regelungen über den 'Ausgleich zwischen Erzeugung und Bedarf' unter Bedachtnahme auf 'die günstigste wirtschaftliche Verwendung des zur Verfügung stehenden Stroms' und der gleichmäßigen Belastung der 'Erzeugung mit unvermeidbaren Stromüberschüssen' dürfte erstmals das 2. Verstaatlichungsgesetz, BGBl. Nr. 81/1947 (außer Kraft getreten gem. § 4 Abs 2 Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, BGBl. I Nr. 143/1998, mit Ablauf des ) mit der gemäß § 5 Abs 4 litb leg. cit. an die Verbundgesellschaft übertragenen Aufgabe enthalten haben.

Im Erkenntnis VfSlg. 4570/1963 führte der Verfassungsgerichtshof zur Kompetenz betreffend das 2. Verstaatlichungsgesetz aus, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kompetenztatbestandes des Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG zwar seit dem Inkrafttreten des Staatsvertrages von Wien, BGBl. Nr. 152/1955, am zur Gänze weggefallen sind; dieser Wegfall könne aber keine Umwandlung eines aufgrund des Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG erlassenen Bundesgesetzes in ein Bundesgrundsatzgesetz bewirken. Dieses Erkenntnis scheint es offen zu lassen, ob ein Gesetz mit dem Inhalt des 2. Verstaatlichungsgesetzes (§5 Abs 4 litb), nun auf den Kompetenztatbestand des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG gestützt werden müsste. Der Verfassungsgerichtshof stellte jedoch fest, dass der Bundesgesetzgeber aufgrund des Kompetenztatbestandes des Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG künftig keine Gesetze in verfassungsmäßiger Weise erlassen könnte (VfSlg. 4939/1965).

2.2.2.2. Ausgleichsenergie ist gemäß § 7 Z 1 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, BGBl. I Nr. 143/1998 idF BGBl. I Nr. 121/2000, in der Folge: ElWOG, die Differenz zwischen dem vereinbarten Fahrplanwert und dem tatsächlichen Bezug oder der tatsächlichen Lieferung der Bilanzgruppe je definierter Messperiode, wobei die Energie je Messperiode tatsächlich erfasst oder rechnerisch ermittelt werden kann. Die Ausführungsgesetze der Länder haben gemäß § 47 Abs 1 Z 1 ElWOG den Bilanzgruppenverantwortlichen (= Vertreter der Bilanzgruppe) die Aufgabe der Erstellung von Fahrplänen und deren Übermittlung an die Verrechnungsstelle und die betroffenen Regelzonenführer, das sind gemäß § 7 Z 35 ElWOG diejenigen, die für die Leistungs-Frequenzregelungen in einer Regelzone verantwortlich sind, zuzuweisen. Die Ausführungsgesetze haben zwar gemäß § 22 Abs 2 Z 6 ElWOG dem Regelzonenführer die Pflicht zum Abruf der Kraftwerke zur Aufbringung von Ausgleichsenergie entsprechend der Bieterkurve im Zusammenwirken mit dem Bilanzgruppenkoordinator, das ist gemäß § 7 Z 3 ElWOG eine Person, die eine Verrechnungsstelle auf Grund einer Konzession betreibt, auferlegt. Die Vorsorge dafür, dass zu jedem Zeitpunkt die Abweichung zwischen der geplanten und der tatsächlichen Energieentnahme ausgeglichen wird und die Erhaltung des Frequenz-Sollwertes gewährleistet bleibt, dass also rechtzeitig fehlende Energie zu einem möglichst günstigen Preis besorgt und überschüssige Energie zu einem möglichst hohen Preis abgegeben werden kann, dürfte zu den zentralen Aufgaben der Verrechnungsstelle zählen. Damit dürfte die Verrechnungsstelle der Organisation der Elektrizitätswirtschaft dienliche, energielenkende Maßnahmen besorgen, die im vollliberalisierten Elektrizitätsmarkt erforderlich sein dürften. Regelungen betreffend die Einrichtung einer Stelle, die Aufgaben der Energielenkung zu besorgen hat, dürften nicht dem Kompetenztatbestand 'Börsewesen' sondern jenem des 'Elektrizitätswesens' zuzuordnen sein und daher nur bezüglich der Grundsatzgesetzgebung gemäß Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG in die Zuständigkeit des Bundes fallen.

Gleiches scheint auch für die in § 9 Abs 2 Verrechnungsstellengesetz enthaltenen Aufgaben der Verwaltung der Bilanzgruppen in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht zu gelten. Denn beispielsweise die Vergabe von Identifikationsnummern der Bilanzgruppen, die Bereitstellung von Schnittstellen im Bereich Informationstechnologie, die Übernahme, Auswertung und Weitergabe von Messdaten, die Übernahme und Weitergabe von Fahrplänen, scheinen in einem so engen Zusammenhang mit den oben beschriebenen energielenkenden Maßnahmen zu stehen, dass sie ebenfalls dem Kompetenztatbestand Elektrizitätswesen zuzuordnen sein dürften.

2.2.3. Zum Kompetenztatbestand des 'Zivilrechtswesens' gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG:

Schließlich dürfte die Regelung, dass die Verrechnungsstellen u. a. mit Bilanzgruppenverantwortlichen, Regelzonenführern, Netzbetreibern, Stromlieferanten und Strombörsen Verträge abzuschließen haben, diese deshalb noch nicht zu einer Regelung auf dem Gebiete des Zivilrechtswesens iSd Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG machen, sondern kompetenzrechtlich der Hauptaufgabe der Verrechnungsstelle zuzuordnen sein.

2.2.4. Im Gesetzesprüfungsverfahren wird zu erörtern sein, ob und welche Regelungen allenfalls den Kompetenztatbeständen des Art 10 Abs 1 Z 8 ('Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' und 'Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes') zugeordnet werden können."

III. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zunächst den rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergrund des Ausgleichsenergiemarktes darstellt und zu den vorgebrachten Bedenken Stellung nimmt:

"1. Rechtlicher und wirtschaftlicher Hintergrund des Ausgleichsenergiemarktes

1.1. Auf Grund physikalischer Notwendigkeiten hat der Betrieb eines Elektrizitätsnetzes zur Voraussetzung, dass die Summe der Entnahme von elektrischer Energie (in der Folge auch als 'Strom' oder 'Elektrizität' bezeichnet) aus dem Elektrizitätsnetz der Summe der Einspeisung von elektrischer Energie zu entsprechen hat. Vor der Energieliberalisierung war dieser Netzausgleich Bestandteil der Versorgungstätigkeit, die im Rahmen der Versorgungspflicht durch monopolistisch organisierte Elektrizitätsversorgungsunternehmen erfolgte. Im Rahmen dieser Versorgungspflicht hatten die Elektrizitätsunternehmen die Ware 'elektrische Energie' an den Verbraucher heranzuführen. Aufbringung, Transport und Verkauf von elektrischer Energie waren eine einheitliche Leistung, für die der Verbraucher ein Entgelt zu entrichten hatte. Dieses Entgelt wurde auf Basis der spezifischen Kosten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens ermittelt, wobei die Aufbringungskosten und Systemkosten (Netzkosten) die wesentlichen Kostenstellen darstellten. Die Kosten für den Netzausgleich wurden den Systemkosten (Kosten des Netzbetriebs) zugeordnet, wobei das Elektrizitätsversorgungsunternehmen die ihm tatsächlich entstanden Kosten (und nicht die Opportunitätskosten) in Rechnung stellte. Diese Struktur galt sowohl im Verhältnis Landesgesellschaften/Verbundgesellschaft als auch - auf untergeordneter Ebene - zwischen Stromversorgungsunternehmen und Verbraucher.

Die Stromliberalisierung brachte eine grundlegende Änderung dieses Regimes: Zentrale Zielsetzung der Stromliberalisierung war es, durch die freie Lieferantenwahl der Stromkunden die monopolistische Versorgungsstruktur der Elektrizitätsversorgung zu durchbrechen und durch gesetzliche Rahmenbedingungen sicher zu stellen, dass Stromkunden unter mehreren zu einander im Wettbewerb stehenden Anbietern von elektrischer Energie frei wählen können.

Da die Kunden durch 'Selbstbedienung' entscheiden, in welcher Höhe sie Leistung aus dem Netz beziehen, ergab sich die Notwendigkeit, Stromlieferanten und Stromkunden (bzw. deren Bilanzgruppenverantwortlichen) zu verpflichten, durch Fahrpläne bereits im Voraus die prognostizierte Stromeinspeisung und Stromentnahme in bzw. aus dem Netz bekannt zu geben, wobei sich die aus diesen Fahrplänen und der tatsächlichen Stromeinspeisung bzw. Stromentnahme (Lastprofile) ergebenden Differenzen durch folgende Mechanismen ausgeglichen werden:

a) kurzfristiger Lastausgleich (Ausgleich der Differenz zwischen Entnahme und Einspeisung) wird durch die so genannte 'Primärregelung' ausgeglichen, die durch die so genannte 'Sekundenreserve' bewältigt wird. Die Sekundenreserve dient vorwiegend der Frequenz- und Leistungsregelung;

b) Lastschwankungen, die über diese kurzfristige Frequenz- und Leistungsregelung hinausgehen, jedoch innerhalb des ¼-Stundenintervalls auftreten, werden durch die so genannte 'Sekundärregelung' ausgeglichen;

c) Schwankungen im Netz, die das ¼-Stundenintervall überschreiten, werden als Ausgleichsenergie nach Anweisung der Verrechnungsstelle ('entsprechend der Bieterkurve gemäß den Vorgaben des Bilanzgruppenkoordinators': § 22 Abs 2 Z 6 ElWOG), abgerufen [...].

Sowohl die Primär- wie auch Sekundärregelung kann nicht verursachergerecht aufgeteilt werden und wird daher von den Regelzonenführern im Rahmen der Systemdienstleistung erbracht. Die hiefür erforderlichen Aufwendungen werden den Netzbetreiber durch das Systemdienstleistungsentgelt nach § 25 ElWOG abgegolten.

§ 7 Z 1 ElWOG umschreibt die Ausgleichsenergie als 'die Differenz zwischen dem vereinbartem Fahrplanwert und dem tatsächlichen Bezug oder der tatsächlichen Lieferung der Bilanzgruppe je definierter Messperiode, wobei die Energie je Messperiode tatsächlich erfasst oder rechnerisch ermittelt werden kann'. (Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang auf das erst nach dem ElWOG erlassene Gaswirtschaftsgesetz - GWG, BGBl. I Nr. 121/2000, geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 149/2002, zu verweisen, das in § 6 Z 1 und 44 die Legaldefinition sowohl von 'Ausgleichsenergie' als auch 'Regelenergie' beinhaltet.)

Da die Kosten für Ausgleichsenergie sich als Marktzutrittsschranke für bestehende und neu eintretende Wettbewerber darstellen (so auch Entscheidung der Kommission vom 11/06/2003, COMP/M 2847, betreffend Verbund/Energie Allianz, Rz. 119), kommt der Ausgestaltung des Marktes für Ausgleichsenergie im Rahmen der Liberalisierung des österreichischen Elektrizitätsmarktes zentrale Bedeutung zu.

1.2. Hervorgestrichen sei, dass vor der Energieliberalisierung die Kosten für den physikalischen Ausgleich zwischen Erzeugung und Bedarf elektrischer Energie den Systemkosten zugerechnet wurden, wobei sich der Betreiber des Systems weitgehend seiner eigenen Kraftwerke bediente (nach der Terminologie des ElWOG: 'Regelenergie'). Die Notwendigkeit einer verursachergerechten Zuordnung bestand damals schon allein deshalb nicht, da im Hinblick auf das damals bestehende Versorgungssystem dem Stromabnehmer die von ihm aus dem Netz entnommene elektrische Energie (geteilt in Arbeitspreis und Grundpreis = Leistungspreis) in Rechnung gestellt wurde, wobei die Systemkosten nur eine Kostenkomponente darstellten. Eine Konkurrenzsituation zwischen mehreren Anbietern war aufgrund so genannter Gebietskonzessionen ausgeschlossen, die einen ausschließlichen Versorgungsanspruch des Konzessionsträgers (EVU) umfassten, alle in seinem Versorgungsgebiet gelegenen Kunden ('Verbraucher') zu allgemeinen Bedingungen und Tarifpreisen zu versorgen.

2. Eine der wesentlichen Neuerungen, die durch das Energieliberalisierungsgesetz erfolgte, besteht neben der freien Lieferantenwahl für Stromkunden in der Schaffung eines Marktes für Ausgleichsenergie, die von mehreren, im Wettbewerb zueinander stehenden Anbietern angeboten, verursachergerecht zugeordnet und abgerechnet wird; zur Gewährleistung des Wettbewerbs ist der Regelzonenführer in diesem Teilbereich des Elektrizitätsmarktes verpflichtet, die Ausgleichsenergie von demjenigen Anbieter abzurufen, der das günstigste Anbot stellt: Während nämlich die Regelenergie gemäß § 22 Abs 2 Z 1 und Z 8 ElWOG von den Regelzonenführern ohne gesetzliche Vorgaben nach eigener unternehmerischer Entscheidung aufzubringen ist, treten die Regelzonenführer in Bezug auf die Ausgleichsenergie als Netzdienstleister auf, die - entsprechend den Vorgaben der Verrechnungsstelle - die Ausgleichsenergie abzurufen haben. Dabei besteht die Organisation bzw. der Einsatz der Ausgleichsenergie durch den Regelzonenführer (§22 Abs 2 Z 3, 6 leg. cit.) darin, dass er die Ausgleichsenergie abruft, was als Vertragsabschluss zwischen dem jeweiligen Anbieter und der Verrechnungsstelle gilt. [...] Dabei hat der Regelzonenführer auch eine Abgrenzung zwischen Regelenergie zu Ausgleichsenergie nach transparenten und objektiven Kriterien vorzunehmen (§22 Abs 2 Z 7 leg. cit.).

Die Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie (im Folgenden: Verrechnungsstelle) sind zugleich Bilanzgruppenkoordinatoren (§7 Z 3 ElWOG, § 2 des Bundesgesetzes, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden - Art 9 des Energieliberalisierungsgesetzes - BGBl. I Nr. 121/2000 [im Folgenden:

VerrechnungsstellenG]).

3. Die wesentlichen Aufgaben der Verrechnungsstellen werden bereits in § 1 Abs 2 VerrechnungsstellenG angeführt: Sie nehmen 'anhand der von Netzbetreibern und Marktteilnehmern zur Verfügung gestellten Daten die Berechnung der für die einzelnen Marktteilnehmer und Netzbetreiber anfallenden Ausgleichsenergie vor', erstellen 'auf Basis von Angeboten von Stromerzeugern eine Rangfolge für den Abruf von Kraftwerken zur Aufbringung von Ausgleichsenergie' und ermitteln 'die Preise für Ausgleichsenergie' sowie verwalten 'Bilanzgruppen in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht'. § 9 listet Details dieser Aufgaben auf, die die Tätigkeit der Verrechnungsstellen illustrieren, wie etwa 'die Verwaltung der Fahrpläne zwischen Bilanzgruppen', 'die Aufteilung und Zuweisung der sich auf Grund der Verwendung von standardisierten Lastprofilen ergebenden Differenz auf die am Netz eines Netzbetreibers angeschlossenen Marktteilnehmer nach Vorliegen der Messwerte nach transparenten Kriterien' und 'die Verrechnung der Gebühren gemäß § 12 an die Bilanzgruppenverantwortlichen'; schließlich gibt § 9 Abs 3 einzelne Pflichten hinsichtlich der 'Berechnung und Zuweisung der Ausgleichsenergie' vor.

Das in § 2 VerrechnungsstellenG erwähnte Programm, den Verrechnungsstellen auch hoheitliche Befugnisse zu überantworten ('Insoweit ein Bilanzgruppenkoordinator nach diesem Bundesgesetz als beliehenes Unternehmen handelt, ...'), wurde nicht verwirklicht (vgl. Pauger/Pichler, das österreichische Elektrizitätsrecht' 2. Aufl., 2002, 258, die von einer 'irreführenden Bezeichnung' sprechen; gemeint sei eine 'Indienstnahme' der Verrechnungsstelle). Die Verrechnungsstellen verwalten ihre Bilanzgruppe derzeit ausschließlich im Rahmen privatrechtlicher Verträge (vgl. auch § 9 Abs 1 Z 3 leg. cit.). § 10 Abs 2 und 3 Verrechnungsstellengesetz schreibt den Verrechnungsstellen zur Ermittlung der Preise für Ausgleichsenergie die Entwicklung eines Marktmodells ebenso vor, wie das Verfahren, das diesem Modell zugrunde zulegen ist. In diesem Rahmen erfolgen jedoch keinerlei Eingriffe in wirtschaftliche Grundrechte, wie dies für Lenkungsmaßnahmen an sich typisch ist (vgl. dazu ausführlich Wenger, Organisationsgrundlagen und Instrumentarium der direkten Wirtschaftslenkung, in: Korinek/Rill (Hrsg), Grundfragen des Wirtschaftslenkungsrechtes' 1982). Vielmehr erstellt die Verrechnungsstelle auf Grund der ihr vorliegenden Fahrpläne sowie der kurzfristig zu legenden Angebote auf Lieferung bzw. Abnahme von Ausgleichsenergie (Versteigerungsverfahren) eine Bieterkurve ('Merit Order List'), in der die Angebote nach der Höhe der geforderten Preise - das billigste an erster Stelle - gereiht werden. Die betroffenen Regelzonenführer haben sodann die erforderliche Ausgleichsenergie in der Reihenfolge der Liste abzurufen (§22 Abs 2 Z 6 ElWOG); sie werden dabei im Auftrag und im Namen der Verrechnungsstelle tätig, die die Ausgleichsenergie von den Anbietern aufkauft und in deckungsgleichen Geschäften weiterverkauft [...]. Weil bei diesem Vorgang die Ausgleichsenergie nicht in das Eigentum der Regelzonenführer übergeht, übernimmt die Verrechnungsstelle das Risiko der Vertragserfüllung. Dem Regelzonenführer ist vorerst lediglich das Volumen bekannt, der Preis der abgerufenen Ausgleichsenergie hingegen, ist erst im nachhinein für die jeweils folgenden zehn Tage im Internet für den Kreis der Anbieter einsehbar, die allgemeine Veröffentlichung der Preise erfolgt sodann nach dem Clearing. [...]

2. Zu den vorgebrachten Bedenken:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegt vorläufig - zusammengefasst - das Bedenken, dass die in Prüfung genommenen Bestimmungen energielenkender Natur seien; sie könnten daher nicht in Form eines einfachen Bundesgesetzes erlassen werden, weil sie keine Angelegenheit des Art 10 Abs 1 B-VG darstellten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache seien; derartige Bestimmungen bedürften vielmehr der Form eines Grundsatzgesetzes nach Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG.

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Begriffe, die in der Verfassung selbst nicht näher umschrieben sind, in dem Sinn zu verstehen, der ihnen nach dem Stand und der Systematik der Rechtsordnung zum Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens, hinsichtlich der Kompetenzartikel daher im allgemeinen zum , zugekommen ist. Nur für den Fall, dass ein bestimmter Gesichtspunkt eine ausdrückliche Regelung im Versteinerungsmaterial gefunden hat, ist auch insoweit eine Bundeskompetenz anzunehmen. Eine Fortentwicklung des Rechts innerhalb des Begriffsinhaltes ist aber dann nicht ausgeschlossen, wenn die Neuregelungen nach ihrem (wesentlichen) Inhalt systematisch dem Kompetenztatbestand angehören. Da die Bundesverfassung konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen nicht vorsieht, kann ein und dieselbe Materie nur einem einzigen Kompetenztatbestand zugeordnet werden (Prinzip der Exklusivität der Kompetenzbereiche), was freilich nicht ausschließt, dass bestimmte Sachverhalte nach verschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden (vgl. VfSlg. 15.552/1999 mit zahlreichen Hinweisen).

2.3. Im Lichte dieser Rechtsprechung sowie der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Prüfungsbeschluss sind in Bezug auf die oben beschriebene Tätigkeit und Rechtsstellung der Verrechnungsstellen nach den hier in Diskussion stehenden Bestimmungen des Verrechnungsstellengesetzes folgende Kompetenztatbestände zu beleuchten:

2.3.1. Zum Kompetenztatbestand 'Elektrizitätswesen' (Art12 Abs 1 Z 5 B-VG):

2.3.1.1. Zunächst ist auf den Umstand hinzuweisen, das es sich bei dem hier maßgebenden Kompetenztatbestand des Art 12 B-VG, aber auch des Art 10 leg. cit., um solche handelt, die alle gleichermaßen nach der 'Versteinerungstheorie' auszulegen sind. Der Abgrenzung zwischen jenem Bereich des Elektrizitätswesens, der durch Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG der Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Bundes übertragen ist ('Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiete; Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt') und jenem Bereich, der unter Art 12 B-VG fällt, liegt nach den Worten des Abgeordneten und Berichterstatters Dr. Seipel (vgl. Ermacora, Die Entstehung der Bundesverfassung 1920 III 271f) das Prinzip zugrunde, 'daß die Kompetenz des Bundes in Bezug auf Gesetzgebung und Vollziehung sich nur auf die technische oder Verwaltungsseite erstrecke, während die wirtschaftliche Seite im Artikel 12 geregelt werden' solle (siehe auch VfSlg. 6011/1969). Diese Aussage lässt allerdings unberücksichtigt, dass auch das 'Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt', auf öffentliche Interessen Bedacht nimmt, sodass auch der Bereich des Art 10 Abs 1 Z 10 in gewissem Maße elektrizitätswirtschaftliche Elemente enthält. Diese Unterscheidung zwischen den Angelegenheiten des Art 10 und jenen des Art 12 B-VG ist durch das Elektrizitätswegegesetz 1922, BGBl. Nr. 348, sowie die Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Inneres und Unterricht vom über das konzessionierte Gewerbe des Betriebes von Anlagen zur Erzeugung oder Leitung von Elektrizität, BGBl. Nr. 570, und die ebenfalls vor dem 'Versteinerungszeitpunkt' erlassene Starkstromverordnung (1922), BGBl. 436, geprägt. Schon aus § 1 Elektrizitätswegegesetz (1922) und § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 570/1922 ergibt sich, dass sich diese Vorschriften ausschließlich auf den gewerbsmäßigen, dh. auf Gewinn gerichteten, Betrieb von Anlagen zur Erzeugung oder Leitung von Elektrizität für die Abgabe an andere bezogen haben. Nicht mit umfasst von der Tätigkeit der Elektrizitätsversorgung war etwa die Berechtigung zur gewerbsmäßigen Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten. Die Abgrenzung kommt jedoch auch im Bundesgesetz vom über das Elektrizitätswesen (Elektrizitätsgesetz [1929]), BGBl. Nr. 250, deutlich zum Ausdruck. Zwar gehörte dieses am nicht dem Rechtsbestand an und kann daher nach der die kompetenzrechtliche Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes prägenden 'Versteinerungstheorie' nicht als 'Versteinerungsmaterial' im eigentlichen Sinne angesehen werden. Dessen ungeachtet kommt ihm im Rahmen historischer Auslegung eine gewisse Indizwirkung für das Begriffsverständnis des Verfassungsgesetzgebers zu, wurde doch seine Aufgabe explizit darin gesehen,

'die Aufteilung [des dem Elektrizitätswesen dienenden Rechtsstoffes] auf die beiden Kompetenzkreise, wie sie nunmehr nach Artikel 12 und nach Artikel 10 B.-V. G. bestehen, in einer möglichst einwandfreien Weise durchzuführen' und 'die bisher bewährte Rechtsordnung [...] der neuen verfassungsrechtlichen Kompetenzaufteilung vollständig [anzupassen]' (RV 209 BlgNR III. GP, 17).

In den Materialien des Elektrizitätsgesetzes 1929, BGBl. Nr. 250 (RV 209 BlgNR III. GP, 13), wird hiezu u.a. folgendes ausgeführt:

'. . . so war vor allem klar, daß das Elektrizitätswesen selbstverständlich nur als eine Zusammenfassung jener Angelegenheiten aufgefaßt werden kann, bei denen die Elektrizität Gegenstand einer rechtlichen Regelung und einer auf Grund dieser erfolgenden Vollziehungstätigkeit des Staates ist. Dabei konnte vor allem der bisherige Rechtszustand insofern als maßgebend angesehen werden, als es hinsichtlich des Rechtsstoffes, der bisher schon Gegenstand einer gesetzlichen Regelung war, wohl klar ist, daß dieser unter das Elektrizitätswesen fällt. Es war aber weiters auch noch zu prüfen, ob nicht auch andere Teile des Elektrizitätswesens Gegenstand einer Regelung sein können und nur aus zunächst für diese Prüfung gleichgültigen Gründen bisher nicht zum Gegenstand einer Regelung gemacht wurden. Was die 1. Gruppe von Angelegenheiten des Elektrizitätswesens betrifft, so hat zunächst die Gewerbeordnung, beziehungsweise die auf Grund der §§24 und 57 derselben erlassene sogenannte Konzessionsverordnung vom , BGBl. Nr. 570, bisher die Rechtsverhältnisse der Stromlieferungsunternehmungen geregelt, wozu noch die allgemeinen Bestimmungen der Gewerbeordnung über konzessionierte Gewerbe kommen. Große Teile des Elektrizitätswesens waren ferner durch das Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 348, betreffend elektrische Anlagen, das sogenannte Elektrizitätswegegesetz, geregelt. Schließlich waren nach dem Krieg, wohl hauptsächlich deshalb, weil das letzterwähnte Gesetz noch nicht erlassen war und gerade damals ein besonders starkes Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung dieser Materie bestand, in den meisten Bundesländern Novellen zu den Wasserrechtsgesetzen erlassen worden, die nicht nur das durch das erwähnte Elektrizitätswegegesetz geregelte Starkstromwegerecht vorwegnahmen, sondern darüber hinaus auch wichtige elektrizitätswirtschaftliche Normen enthielten. Diese letzteren Normen beziehen sich vor allem natürlich nur auf elektrische Anlagen, die den Strom aus Wasserkraftanlagen erzeugen. Sie gingen von dem Gedanken aus, bei der Ausnutzung der Gewässer die Interessen der Allgemeinheit stärker zur Geltung zu bringen und zu diesem Zweck gewissen öffentlichen Körperschaften, insbesondere den Ländern und Gemeinden von vornherein bei der Erlangung von Wasserbenutzungsrechten den Vorzug zu geben. Im einzelnen sind die Bestimmungen in den Ländern nicht völlig gleich.

Die vorstehende Übersicht zeigt, daß die bisherige Erfassung des Elektrizitätswesens in Österreich keine systematische war, sondern lediglich gewisse Teile des Elektrizitätswesens betraf: die Gewerbeordnung regelte das Elektrizitätswesen, soweit es sich als eine gewerbliche Betätigung darstellt (konzessioniertes Gewerbe der Stromlieferung und der Installation elektrischer Anlagen), das Elektrizitätswegegesetz wiederum behandelte die elektrischen Anlagen im wesentlichen vom Standpunkte der Genehmigung aus sicherheitspolizeilichen Gründen sowie das Starkstromwegerecht und brachte außerdem eine Ergänzung der Gewerbeordnung hinsichtlich des konzessionierten Gewerbes der Stromlieferungsunternehmungen, indem es für sie 'öffentliche Pflichten' aufstellte, die als ständige Konzessionsbedingungen zu gelten haben. Schließlich enthielt das Elektrizitätswegegesetz auch das Telegraphenwegerecht und einige allgemeine Bestimmungen über Elektrizitätsstatistik, über Einführung eines Elektrizitätsbuches sowie über die Behandlung elektrischer Anlagen im Strafrecht.

. . .

Wenn man übrigens die freilich in ihrer Intensität und in ihrem Umfange mit Österreich kaum vergleichbaren deutschen Verhältnisse in Betracht zieht, so wird die Elektrizitätswirtschaft auch weiterhin in Österreich aller Voraussicht nach einen Weg nehmen, der zwangsläufig immer mehr zu einer Plan- und Verbundwirtschaft führen muss, ohne dass ihre nach dem bisherigen Rechtszustand von gesetzlichen Vorschriften mehr oder minder freie Entwicklung durch die Staatshoheit mehr als bisher beeinflußt werden müßte. Schon jetzt reichen die Einflußsphären der einzelnen Wasserkraftunternehmungen der Länder weit über ihr Gebiet hinaus. Es werden Leitungen gebaut, die der Verbindung der wichtigsten Kraftquellen mit den wichtigsten Konsumgebieten dienen und hiebei auch auf die voraussichtlich weitere Entwicklung Rücksicht nehmen.

Die Wasserkraftgesellschaften mehrerer Länder haben sich schon zu einer Interessenvereinigung zusammengeschlossen, nicht nur um sich über eine Abgrenzung ihrer Verbrauchsgebiete zu einigen, sondern auch um zu einer rationellen Leitungsführung zu gelangen:

Diese Entwicklung macht immer weitere Fortschritte, und wenn es in Deutschland erst in allerjüngster Zeit gelungen ist, eine Zusammenfassung der Kräfte in die Wege zu leiten, so ist zu hoffen, daß auch in Österreich, wo doch die Entwicklung der übrigen Volkswirtschaft in einem viel bescheideneren und langsameren Tempo vor sich geht, wo vor allem die Verbrauchssteigerung eine viel flachere Kurve beschreibt, der Weg zur Plan- und Verbundwirtschaft, wenn auch langsamer, so doch auf dieselbe Weise, ohne gesetzliche Unterlagen, lediglich getragen von den wirtschaftlichen Kräften der Elektrizitätsunternehmungen selbst, gefunden werden wird.'

Der I. Teil des Elektrizitätsgesetzes 1929 enthielt die grundsatzgesetzlichen Bestimmungen und gliederte sich in zwei Abschnitte: in die Bestimmungen über die Stromlieferungsunternehmungen und - als Gegenstück zu dem in Art 10 B-VG angeführten Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt, - in den Abschnitt über das Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf ein Land beschränkt (RV 209 BlgNR III. GP, 17).

Die im I. Teil des Elektrizitätsgesetzes 1929 enthaltene Grundsatzbestimmung des § 2 bestimmte, dass der Betrieb einer Stromlieferungsunternehmung 'unabhängig von der Genehmigung der Anlagen nach § 28' einer besonderen Bewilligung bedarf. In der Grundsatzbestimmung des § 3 Abs 2 des Elektrizitätsgesetzes 1929 wurde die sinngemäße Anwendung der Gewerbeordnung 1859 auf Stromlieferungsunternehmungen lediglich hinsichtlich der 'Bestimmungen der Gewerbeordnung über die allgemeinen Bedingungen für die Erlangung einer Konzession, über Stellvertreter und Pächter sowie über den Übergang und den Verlust der Gewerbeberechtigung' - das waren die im II. Hauptstück ('Bedingungen des selbständigen Gewerbebetriebes') enthaltenen §§2 bis 10 und 15 bis 24 und die im IV. Hauptstück ('Umfang und Ausübung der Gewerberechte') enthaltenen §§55 bis 57 der Gewerbeordnung 1859 -, nicht jedoch hinsichtlich der im III. Hauptstück ('Erfordernis einer Genehmigung der Betriebsanlage bei einzelnen Gewerben') enthaltenen §§25 bis 34 angeordnet.

Der II. Teil des Gesetzes enthielt die gesetzliche Regelung jener Bereiche des Elektrizitätswesens, die nach Art 10 B-VG sowohl hinsichtlich der Gesetzgebung als auch hinsichtlich der Vollziehung Bundessache waren. Die Gliederung war dabei derart, dass zunächst in den ersten zwei Abschnitten jene Angelegenheiten zusammengefasst wurden, die in Art 10 (heute: Abs 1) Z 10 B-VG auf dem Gebiet des Elektrizitätswesens ausdrücklich angeführt waren, also die 'Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen sowie Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiete' und das 'Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt' (RV 209 BlgNR III. GP, 23). Die Vollziehung der Vorschriften über Normalisierung bestand einerseits in der Aufsicht über bestehende Starkstromanlagen (Unterabschnitt c, § 27 des Elektrizitätsgesetzes 1929) und andererseits in der Genehmigung neuer Anlagen (Unterabschnitt d, §§28 bis 38 des Elektrizitätsgesetzes 1929). Die Zuständigkeit der Behörden zur Genehmigung der elektrischen Anlagen wurde dabei gegenüber dem Elektrizitätswegegesetz, BGBl. Nr. 348/1922, nicht geändert: Für gewerbliche Betriebsanlagen wurden gemäß § 29 Abs 1 des Elektrizitätsgesetzes 1929 ausdrücklich die Gewerbebehörden als zuständig erklärt (RV 209 BlgNR III. GP, 24). Eben diese Behörden hatten nach § 28 Abs 2 des Elektrizitätsgesetzes 1929 im selben Verfahren und demselben Bescheid grundsätzlich auch zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen die Starkstromanlage

'auch vom Standpunkt sonstiger öffentlicher Interessen in Angelegenheiten der Bundesvollziehung, so insbesondere des Arbeiter- und Angestelltenschutzes (Artikel 10, Absatz 11, Zahl 1, B-VG.), des Denkmalschutzes (Artikel 10, Absatz 1, Zahl 13, B-VG), der Landesverteidigung (Artikel 10, Absatz 1, Zahl 15, B-VG) zulässig [war]'.

Laut Erläuterungen war dadurch angestrebt, 'soweit als möglich eine Konzentration des Verfahrens zu sichern'; die 'Beurteilung der Elektrizitätsanlagen vom Standpunkte anderer öffentlicher Interessen als jenen der Sicherheit und der Normalisierung und Typisierung' könne aber '[s]elbstverständlich [...] nur insoweit geschehen, als die Wahrung dieser anderen Interessen Gegenstand der Bundesvollziehung ist, während die Vereinigung von Verfahren, die Gegenstand der Landesvollziehung sind, der einschlägigen Landesgesetzgebung überlassen bleiben' müsse, was zum Beispiel für die baubehördliche Genehmigung gelte (RV 209 BlgNR III. GP, 24).

Der Vollständigkeit halber hinzuzufügen ist, dass bereits die oben erwähnte Starkstromverordnung (1922), BGBl. Nr. 436, eine Bestimmung enthielt, der zufolge zu den so genannten 'Rücksichten der öffentlichen Sicherheit' insbesondere 'die Sicherheit der Personen und des Eigentums' gehörten (§3).

2.3.1.2. Daraus ist zu schließen, dass der Kompetenztatbestand 'Elektrizitätswesen ...' im Sinne des Art 12 B-VG die Erteilung der Konzession zum Betrieb von Stromlieferungsunternehmungen bzw. die Gestaltung der Rechte und Pflichten von Unternehmen, die in Gewinnerzielungsabsicht Elektrizität erzeugen und/oder Leitungen zum Transport von Elektrizität betreiben, tragen, sowie Regelungen (ua betreffend die Errichtung von Stromerzeugungsanlagen) unter elektrizitätswirtschaftlichen Gesichtspunkten zum Gegenstand hatte (vgl. das I. Hauptstück des Elektrizitätswegegesetzes [1922], den 1. Abschnitt des I. Teiles des Elektrizitätsgesetzes 1929).

Den Vorschriften immanent waren auch gewisse Wirtschaftslenkungselemente sowie eine aus dem 'öffentlichen Interesse' abgeleitete Bevorzugung von Gebietskörperschaften bei der Erteilung der für den Betrieb eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens erforderlichen Konzession. Ausgehend von einer planmäßigen Rücksichtnahme im Erzeugungs- und Verteilungsbereich, sollte dadurch die Schaffung geschlossener Versorgungsgebiete bewirkt und die Einflussnahme des Staates in Bezug auf den weiteren Ausbau der Erzeugungs- und Verteileranlagen sowie auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit verankert werden. Zugleich war die Entwicklung von der Stromversorgung in geschlossenen Versorgungsgebieten durch 'Inselbetriebe' zum 'Verbundbetrieb' bereits vorgezeichnet. Verbundbetrieb setzt jedoch als physikalische Notwendigkeit den Ausgleich zwischen Erzeugung und Bedarf von Energie voraus. Die Organisation dieses technisch bedingten Ausgleichs ist sohin auf Grund des Versteinerungsmaterials zweifellos dem 'Elektrizitätswesen' zuzuordnen. Es dürfte hier allerdings entsprechend darauf Bedacht zu nehmen sein, dass das für die Auslegung dieses Kompetenztatbestandes maßgebliche Begriffsbild durch Bildung 'geschlossener Versorgungsgebiete' geprägt war, die Hand in Hand mit der Monopolstellung der Anbieter (=Versorger) von elektrischer Energie und dem Allgemeininteresse gingen, das sich einerseits in der Begünstigung von Gebietskörperschaften bei der Erlangung von Konzessionen, andererseits in den 'öffentlichen Pflichten' manifestierte, die den 'Starkstromunternehmungen' bei der Inanspruchnahme von Leitungsrechten auferlegt wurden. Die im Jahre 1925 bestehenden Ansätze zur Plan- und Verbundwirtschaft, wurden im Jahre 1948 durch das 2. Verstaatlichungsgesetz, BGBl. Nr. 81/1947, festgeschrieben und verstärkt. Der im § 5 Abs 6 litb

2. Verstaatlichungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 762/1992, angeordnete Ausgleich zwischen 'Erzeugung und Bedarf' erfolgte (ab jenem Zeitpunkt, ab dem keine Lenkungsmaßnahmen auf Grund des Lastverteilergesetzes 1952 erfolgt sind) durch den Einsatz von Regelkraftwerken (= Großkraftwerken gemäß § 5 Abs 6 leg.cit.).

2.3.1.3. Wie bereits ausgeführt wurde, entspricht dem Ausgleich von 'Erzeugung und Bedarf' im Netz in dem Sinn, wie er auch im § 5 Abs 6 2. Verstaatlichungsgesetz normiert war, die Bereitstellung der so genannten Regelenergie. Diese ist vom Regelzonenführer im Rahmen der Systemdienstleistung zu erbringen, wofür ihm ein Systemdienstleistungsentgelt zusteht (§25 Abs 1 Z 4 und Abs 14 ElWOG). Diese Tätigkeit ist zweifellos dem 'Elektrizitätswesen' im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG zuzuordnen, weshalb eine abschließende Regelung über die Aufbringung und Kostentragung von Regelenergie im ElWOG erfolgt ist. Demgegenüber hat die Organisation von Ausgleichsenergie das Bestehen eines (Ausgleichsenergie-)Marktes zur Voraussetzung, in dem eine Vielzahl von Anbietern von Ausgleichsenergie einer Vielzahl von 'Entnehmern' gegenüberstehen. Die Organisation der Zusammenführung von Angeboten mehrerer, im Wettbewerb zueinander stehender Anbietern von elektrischer Energie und der durch die 'Selbstentnahme' der Stromkonsumenten bewirkten 'Nachfrage an elektrischer Energie' (Stromentnahme) der Verbraucher stellt sich daher nicht als Preisregelung dar. Sie hat nämlich zum Gegenstand, den für eine Ware am Markt günstigsten Anschaffungspreis zu ermitteln, nicht jedoch einen Preis amtlich festzulegen oder Kalkulationsvorschriften, Abschöpfung von Mehrerlösen oder die Ersichtlichmachung von Preisen zu regeln (vgl. Rill, aaO, 98). Damit kann eine derartige Regelung auch nicht dem 'Elektrizitätswesen' im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG zugeordnet werden, weshalb im Rahmen elektrizitätsrechtlicher Vorschriften an derartige Vorschriften lediglich angeknüpft werden kann. Daher konnten bloß die Regelungen betreffend die allgemeine Pflicht zur Organisation und den Einsatz von Ausgleichsenergie (durch Regelzonenführer in Zusammenwirken mit dem Bilanzgruppenkoordinator = Verrechnungsstelle bzw. dem Bilanzgruppenverantwortlichen) konsequenterweise als Grundsatzbestimmungen dem ElWOG unterstellt werden (siehe §§22 und 47), während sich das übrige Regelungsregime der Ausgleichsenergieorganisation nicht unter das 'Elektrizitätswesen' des Art 12 B-VG reihen lässt (aA Pauger/Pichler, aaO, 256, jedoch ohne weitere Begründung). Der Gesetzgeber hat hier nämlich den Weg gewählt, dieses Regime weitestgehend eigenständig zu gestalten und im ElWOG daran anzuknüpfen. Damit ist die Schnittstelle zum eigenständigen Regime der Organisation und der Tätigkeit von Verrechnungsstellen hergestellt, d.h. das ElWOG setzt Verrechnungsstellen und ihre Funktion voraus, die Regelung ihrer Organisation und der Art und Weise, wie sie ihren vom ElWOG zugewiesenen Aufgaben nachzukommen haben, erfolgt hingegen im Verrechnungsstellengesetz.

2.3.1.4. Der Vollständigkeit halber ist abschließend hier darauf hinzuweisen, dass das Versteinerungsmaterial Preisbestimmungen kannte. So bedurften Preisregelungen im Rahmen der Elektrizitätsversorgung in Form von Höchsttarifen der Genehmigung des Landeshauptmanns (§3 Abs 1 litd Elektrizitätswegegesetz [1922]). Zu betonen ist jedoch, dass das Elektrizitätsrecht des Jahres 1925 keinen Ansatz für ein marktbezogenes System der Preisbildung bzw. Preisermittlung enthielt, in dem eine Vielzahl von Anbietern einer Vielzahl von Stromkonsumenten (Käufern) gegenübersteht. Die Organisation der Zusammenführung von Angeboten mehrerer, im Wettbewerb zueinander stehender Anbieter von elektrischer Energie und der durch die Stromkonsumenten bewirkten 'Nachfrage an elektrischer Energie' (Stromentnahme) der Verbraucher war nicht einmal ansatzweise geregelt.

2.3.1.5. Vor diesem Hintergrund vertritt die Bundesregierung insgesamt die Auffassung, dass sich die Erlassung der in Prüfung genommenen Bestimmungen des Verrechnungsstellengesetzes nicht auf Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG zu stützen vermag, da sie keine elektrizitätswirtschaftslenkenden Maßnahmen beinhalten.

2.3.2. Zum Kompetenztatbestand 'Börsewesen' (Art10 Abs 1 Z 5 B-VG):

2.3.2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss ausführt, war der Begriff der Börse im Versteinerungszeitpunkt nicht näher umschrieben. Das damals geltende Börsegesetz 1875, RGBl. Nr. 67, hat den Begriff als gegeben vorausgesetzt (vgl. Kalss, Kapitalmarktrecht, in: Holoubek/Potacs (Hrsg), Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts, Band 1, 2002, 611 f [623f mwH]; vgl zur Entwicklung des österreichischen Börserechts Oppitz, Grundfragen der Börseorganisation in Österreich, in Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg), Grundfragen des neue Börserechts, 1998, 1ff [6ff und 23ff]). Die Börse ist dennoch insoweit als fest umrissener Begriff zu verstehen, als sie durch eine staatliche Bewilligung, ein genehmigtes Statut, staatliche Aufsicht, amtliche Kursfestsetzung und weitere Aufsichtsmaßnahmen gekennzeichnet ist (siehe VfSlg. 7007/1973). Hingegen ist eine besondere Organisationsform einer Börse von Verfassungs wegen nicht geboten, dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, die Aufgaben der Börse auch privatautonom errichteten Institutionen zu überlassen und sich auf die wirtschaftsaufsichtsrechtliche Überwachung der Gestion solcher Einrichtungen zu beschränken oder ihnen allenfalls durch Gesetz auch bestimmte einzelne Hoheitsbefugnisse zu übertragen (siehe VfSlg. 11.938/1988, 14.473/1996).

Voraussetzung für die Tätigkeiten von Börsen war und ist auch heute noch ein Markt, wobei es zentrale Aufgabe von Börsen seit jeher ist, nach selbst gegebenen Börseregeln zu bestimmen, auf welche Weise Angebot und Nachfrage zusammengeführt werden, auf deren Basis die Preisbildung erfolgt, und schließlich, auf welche Weise die Transaktionen zwischen den Börseteilnehmern abzuwickeln sind. Bis zum In-Kraft-Treten des Börsegesetzes 1989, BGBl. Nr. 555, stand im Wesentlichen das Börsegesetz 1875, wenngleich mit entsprechenden Ergänzungen, in Geltung. Bis dahin war Kennzeichen einer Börse, dass die Börseteilnehmer regelmäßig zur Kursbildung der an der Börse gehandelten Waren oder Wertpapiere zusammengekommen sind ('Präsenzbörse'; vgl. Gabler Banklexikon, 12. Aufl., 1988; Oppitz, Alternative Handelssysteme im österreichischen Börserecht, ÖBA 2000, 1084ff; derselbe, in: Aicher/Kalss/Oppitz, Grundfragen des neuen Börserechts, 1998,1 ff [14]: 'Historische Überlegungen iS der Versteinerungstheorie führen hingegen zu einem Börsebegriff, der insb durch das Element der regelmäßigen Zusammenkünfte zum Zwecke des Abschlusses von Handelsgeschäften in vertretbaren Gütern gekennzeichnet ist'). Die Abwicklung von Börsengeschäften, war bereits als wesentliches Element der Börsetätigkeit im Gesetz vom 1. April 1875 betreffend die Organisation der Börsen, RGBl. 67/1875 vorgesehen, hat doch gemäß § 10 leg. cit. die Börsenleitung 'die Liquidationstermine und die Einrichtungen für die Liquidierung der Börsengeschäfte' bestimmt.

2.3.2.2. Die Entwicklung der elektronischen Kommunikation seit Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts ermöglichte Geschäftstransaktionen in Form von elektronischen Gutschriften sowie die verlässliche Protokollierung dieser Vorgänge, die bislang die Anwesenheit der Börseteilnehmer am selben Ort zur Voraussetzung hatte. Es wurde üblich, die bislang örtlich gebundene Preisbildung (Kursfestsetzung), die durch Angebot und Nachfrage am Börseplatz erfolgte, sowie den Handel mit Wertpapieren und börsegeeigneten Waren auf Basis dieser Kurse auch in elektronischer Form abzuwickeln. Es entwickelte sich die 'elektronische Handelsplattform', die nicht mehr durch einen geographisch begrenzten Raum gekennzeichnet ist, sondern sich als virtueller Raum versteht, an dem alle Teilnehmer, die über einen entsprechenden (Netz)Zugang bzw. eine Berechtigung verfügen, teilnehmen können. Die Anwesenheit der Börseteilnehmer an der Börse zur Kursbildung und zum Handel ist somit bei diesen Formen der Börsen nicht mehr erforderlich (vgl. M. Kraus, Einführungsvortrag anlässlich des Symposiums zum Thema 'Gestaltungsmöglichkeiten von Strombörsen' am in Mannheim, veranstaltet von der Gesellschaft für Energiewissenschaft und Energiepolitik eV: 'Börsensysteme für Strom oder für andere Güter bestehen auf der höchsten Abstraktionsebene aus vier grundlegenden Elementen: Handelsplattform, Preisbildung, Clearing und Abwicklung. Jedes dieser Elemente weist wiederum seine eigene Struktur auf. ... Das erste Element der börslichen Prozesskette ist die Handelsplattform. Sie kann physisch in Form des Parketthandels oder elektronisch existieren. Ihre Abläufe umfassen die Ordereingabe für bestimmte börsliche Produkte, das Orderrouting sowie die Orderbuchbildung.').

Im modernen Börsenhandel existiert eine Vielzahl von Marktmodellen, die jeweils einen unterschiedlichen Mechanismus vorsehen, auf welche Weise Order zu Geschäftsabschlüssen zusammengeführt werden, insbesondere die Priorisierung börslicher Order, Art und den Umfang der Informationen, die den Marktteilnehmern während der Handelszeit zur Verfügung gestellt werden, sowie wie die Preisermittlung erfolgt (zum Begriff Marktmodell siehe ausführlich

M. Kraus, aaO.; Budimir/Gomber; Dynamische Marktmodelle im elektronischen Wertpapierhandel, in: Electronic Business Engineering,

4. Internationale Tagung Wirtschaftsinformatik 1999, 1999, 254).

2.3.2.3. Infolge des rechtssystematischen Systemzusammenhangs von Präsenzbörsen als den klassischen Börsen und den so genannten elektronischen Handelssystemen ist von einer systemimmanenten Fortentwicklung dieser Institution auszugehen, sodass auch die modernen Computerbörsen dem Kompetenztatbestand 'Börsewesen' zuzuordnen sind. Heute wird die Börse als 'qualifizierter Marktintermediatär' verstanden, der 'als bestimmte geschäftliche (Erwerbs-)Gelegenheit angesehen wird, die von einem Börseunternehmen angeboten wird'; ihre Aufgaben liegen in der betriebswirtschaftlichen Führung des Börseunternehmens, in einer auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit in Form der Zurverfügungstellung des Marktforums und des Preisfeststellungsmechanismus sowie damit verbundenen Hilfsleistungen (vgl. Kalss, aaO, 624ff, unter Hinweis auf das Börsegesetz 1989 in seiner Ausgestaltung seit ).

Daher sind dem 'Börsenwesen' auch die Bestimmungen über das 'Clearing' und das 'Settlement' zuzurechnen. Da Börsenteilnehmer eine Vielzahl von Transaktionen vornehmen, entstehen zahlreiche Forderungen und Guthaben (an Geld bzw. Waren oder Wertpapieren) der Börseteilnehmer gegeneinander. Diese werden von der Clearingstelle kontenmäßig verrechnet und abgerechnet (saldiert) und in der Folge abgewickelt (Liquidation offener Positionen). Zur Minimierung bzw. Eliminierung des Counterpart-Risikos (Kontrahentenrisiko) tritt vielfach der 'Zentrale Kontrahent' zwischen die Parteien eines Börsegeschäfte (Näheres siehe Krumnow u.a. (Hrsg), Gabler Banklexikon, aaO; Deutsche Bank Research, Nr. 258, EU-Finanzmarkt Spezial, 3; Groll, Alternative Handelssysteme - Konkurrenz für elektronische Handelsplattformen von Börsen?, Diplomarbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg, 2002, 25ff).

Der Entwicklung der zunehmenden Verwendung elektronischer Handelssysteme wurde auch durch § 56 Abs 1 Börsegesetz 1989 Rechnung getragen:

'Das Börseunternehmen bestimmt die Art des Börsehandels unter Bedachtnahme auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Börsehandel, die schutzwürdigen Interessen des anlagesuchenden Publikums, die Wirtschaftlichkeit, die Art der Handelsgegenstände und das Ausmaß der Umsätze. Zulässig sind unter diesen Voraussetzungen insbesondere der Handel durch Vermittler, durch ein automatisiertes Handelssystem, durch Zuruf und durch verbindliche Nennung von An- und Verkaufspreisen durch ein Börsemitglied (Market-Maker). Auch die Verwendung mehrerer Handelsarten an einer Börse ist zulässig.'

In Österreich kommt die Stellung eines zentralen Kontrahenten u. a. der Energy Exchange Austria (EXAA) zu, die als Abwicklungsstelle der Wiener Börse am gegründet wurde und deren Marktstart am erfolgte (siehe auch § 1 Abs 3 der 'Bedingungen für die Abwicklung der im Handel mit elektrischer Energie abgeschlossenen Börsengeschäfte an der Wiener Börse als Allgemeine Warenbörse - Abwicklungsbedingungen elektrische Energie').

2.3.2.4. Wie eingangs dargestellt, handelt es sich bei einer Verrechnungsstelle um eine Einrichtung, deren Aufgabe darin besteht, Angebote und die Nachfrage am Markt von elektrischer Ausgleichsenergie zusammenzuführen, um so einerseits einen Preis für Ausgleichsenergie zu ermitteln und andererseits zugleich die durch die Fahrplanabweichungen der einzelnen Bilanzgruppen bewirkten Differenzen (bilanzgruppenbezogen) festzustellen, abzurechnen und abzuwickeln. Die Ausgleichsenergie wird bereits im Augenblick der Preisfeststellung konsumiert und erst bei der Ermittlung der Differenzen den einzelnen Bilanzgruppen unter Zugrundelegung des zum Zeitpunkt der Stromentnahme aus dem Netz festgestellten Preis in quantitativer und zeitlicher Hinsicht zugeordnet; das Settlement besteht daher lediglich in der Liquidation der offenen Geldforderungen. Zur Absicherung der Forderungen, die bereits zum Zeitpunkt der Entnahme der Ausgleichsenergie entstehen, jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt, abgerechnet und abgewickelt werden, ist eine Bonitätsprüfung sowie (in den allgemeinen Bedingungen) eine Margin (Sicherheitsleistung) vorgesehen.

Die Bundesregierung vertritt daher die Ansicht, dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausgleichsenergiemarktes die Verrechnungsstellen alle wesentlichen Merkmale einer Börse aufweisen.

2.3.3. Zum Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes' (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG):

Lediglich aus advokatorischer Vorsicht wird zu dem vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss weiters angeführten Gewerbe-Kompetenztatbestand Stellung genommen:

Ausgehend von der unter Punkt 3.1.2. dargelegten Auffassung, dass der Gesetzgeber die Ausgleichsenergieorganisation weitestgehend eigenständig gestaltet und in den Grundsatzbestimmungen des ElWOG - bloß - daran angeknüpft hat, könnten die in Prüfung genommenen Bestimmungen allenfalls auch als Sondergewerberecht angesehen werden. Die (gewerbliche) Tätigkeit der Verrechnungsstelle erschöpft sich in der Erbringung der Dienstleistungen der Ermittlung der Liste von Bestbietern von Ausgleichsenergie sowie zur Verrechnung der Handelsgeschäfte. Die Bestimmungen lehnen sich hiebei etwa an die Berechtigungen nach § 102 GewO 1994 (Buchhaltung), § 153 leg. cit. (Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik) sowie § 158 leg. cit. (Versteigerung beweglicher Sachen) an. Es sei jedoch wiederholt, dass der Gesetzgeber von einem ganz spezifischen Anforderungsprofil eines liberalisierten Ausgleichsenergiemarktes ausging, das es naheliegend (und sachlich gerechtfertigt) erscheinen lies, sich der von ihm bereits vorgefundenen Rechtsform der Börse zu bedienen, die die kumulierten Erfordernisse weitestgehend zu erfüllen vermag.

2.4. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass aus Sicht der Bundesregierung die vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung genommenen §§3, 4 und 9 des Bundesgesetzes, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden, Art 9 des Energieliberalisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000, Angelegenheiten regeln, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind und daher mit einfachem, unmittelbar anwendbarem Bundesgesetz geregelt werden dürfen.

3. Die Bundesregierung stellt somit den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

4. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von 18 Monaten bestimmen. Diese Frist erscheint erforderlich, da diesfalls der aufgrund der Vollliberalisierung der Elektrizitätswirtschaft erforderliche Preisbildungsmechanismus für Ausgleichsenergie im Wege eines Grundsatzgesetzes nach Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG neu geregelt werden müsste."

IV. Die mitbeteiligte Partei APCS erstattete eine umfangreiche Stellungnahme, in der sie zunächst die europarechtliche und technische Ausgangslage sowie das Funktionieren des Ausgleichsenergiemarktes darstellt. Im Rahmen der Erörterung des Kompetenztatbestandes Börsewesen geht sie auf den Begriff der "Börse" und seiner Entwicklung sowie die Tätigkeiten einer Börse ein. Weiters stellt sie die Organisation und Tätigkeit einer Verrechnungsstelle dar und kommt zu einer Parallelität der organisatorischen Struktur eines Börseunternehmens mit der Struktur der Verrechnungsstelle. Bei Betrachtung der funktionalen Tätigkeiten der Verrechnungsstelle stellt die APCS fest, dass die Preisfindung für Ausgleichsenergie nach einem börseähnlichen Verfahren an einer börsenmäßigen Einrichtung erfolge. Ferner sieht die APCS Parallelen zum Clearing und Settlement durch Abwicklungsstellen im Sinne des Börsegesetzes. Selbst wenn es sich bei der Verrechnungsstelle nicht um eine Börse handeln würde, sondern um eine Handelsplattform mit börseähnlichem Charakter, müsse die Regelung des Verrechnungsstellengesetzes bei intrasystematischer Fortentwicklung des Kompetenztatbestandes "Börsewesen" dem Bundesgesetzgeber zukommen.

Der Bundesgesetzgeber sei gemäß Art 10 Abs 1 Z 5 B-VG ("Börsewesen") zuständig, im Bereich des Stromhandels folgende Regelungen zu erlassen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Preisbestimmung für Ausgleichsenergie durch Zusammenführung der Bieter- und der Nachfragekurve gemäß § 10 Verrechnungsstellengesetz
-
Veröffentlichung dieser Preise
-
Clearing und Settlement der Verbindlichkeiten und Forderungen
-
Berechnung und Zuordnung der Ausgleichsenergie
-
Vergabe von Identifikationsnummern
-
Durchführung von Bonitätsprüfungen
-
Sicherheitenverwaltung
-
Mitarbeit bei der Ausarbeitung und Adaptierung von Regelungen im Bereich Kundenwechsel, Abwicklung und Abrechnung.

Wenn die klare Absicht des Gesetzgebers, eine börsemäßige Einrichtung zu schaffen, die alle wesentlichen Tätigkeiten einer Börse ausübt, aus dem Aufgabenkatalog des § 9 Verrechnungsstellengesetz allein nicht in dieser Deutlichkeit hervorkomme, liege das vor allem daran, dass mit der Schaffung der Verrechnungsstellen im Zuge der vollen Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes Neuland betreten wurde, sodass über die bedeutungsmäßige Gewichtung und die Abgrenzung der einzelnen Aufgaben erst im Zuge der Umsetzung in der Praxis letztlich Klarheit erzielt worden sei. Wie die Umsetzung zeige, sei auf der Grundlage des Verrechnungsstellengesetzes im Sinne der Absicht und des Auftrages des Gesetzgebers ein börsemäßiges Preisbildungsmodell entwickelt und insgesamt eine Einrichtung geschaffen worden, die sämtliche essentiellen Elemente einer Börse aufweise. § 9 Verrechnungsstellengesetz sei einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich, nicht zuletzt weil der Aufgabenkatalog des § 9 Verrechnungsstellengesetz eine unterschiedliche Gewichtung der dort genannten Aufgaben und eine einschränkende Interpretation zulasse.

Weiters geht die APCS auf den Kompetenztatbestand "Elektrizitätswesen" und auf das Verhältnis zwischen dem Verrechnungsstellengesetz und dem ElWOG ein. Gemäß § 23 Z 3 ElWOG in der Stammfassung sei es eine der Pflichten der Betreiber von Übertragungsnetzen gewesen, "den Ausgleich zwischen Aufbringung und Bedarf in dem von ihnen abzudeckenden System herzustellen." Diese Pflicht sei gemäß § 22 ElWOG in der Fassung des Energieliberalisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000, dem Regelzonenführer auferlegt worden, wobei die wesentliche Neuheit im System die Einführung eines Marktmechanismus für Ausgleichsenergie und die dazugehörige börsemäßige Einrichtung durch das Verrechnungsstellengesetz seien. Der Einsatz der Sekundärregelleistung erfolge durch die Systeme des Regelzonenführers, die Primärregelung automatisch durch die Kraftwerke.

Die Verrechnungsstelle setze keine energielenkenden Maßnahmen. Die APCS habe kein imperium gegenüber ihren Vertragspartnern oder anderen Marktteilnehmern. Die Beziehung der APCS mit dem Regelzonenführer sei eine rein privatrechtliche.

Dass der Aufgabenkatalog des § 9 Verrechnungsstellengesetz gerade im Zusammenhang mit der Aufgabe der "Verwaltung der Bilanzgruppen in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht" ohne Zusammenschau mit dem Gesamtsystem einschließlich des ElWOG, des § 11 Verrechnungsstellengesetz und der AB-BKO den Eindruck entstehen lassen könnte, dass die Verrechnungsstelle energielenkende Maßnahmen setzen könnte, werde zugestanden. Es entspreche aber weder der Absicht des Gesetzgebers noch der von der APCS auf der Grundlage der von der ECG genehmigten AB-BKO geübten Praxis. Die Verwaltung der Bilanzgruppen in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht erfolge nur insoweit, als dies für den Betrieb des EDV-Systems, die Preisbildung, das Clearing und Settlement und die sonstigen Tätigkeiten der APCS erforderlich sei. Ansonsten obliege die Verwaltung der Bilanzgruppen gemäß den §§46 f ElWOG dem Bilanzgruppenverantwortlichen, etwa die Führung einer Evidenz der Bilanzgruppenmitglieder gemäß § 47 Abs 2 Z 2 ElWOG. Auf der Grundlage der genehmigten AB-BKO und der Gesetze sei es dem Regelzonenführer und den Regulierungsbehörden vorbehalten, energielenkende Maßnahmen zu setzen.

Die im Prüfungsbeschluss angesprochene Vorsorge dafür, dass zu jedem Zeitpunkt die Abweichung zwischen der geplanten und der tatsächlichen Energieentnahme ausgeglichen werde und die Erhaltung des Frequenz-Sollwertes gewährleistet bleibe, falle in die Zuständigkeit des Regelzonenführers. Ihm allein obliege der (automatische) Einsatz von Regelenergie und - sofern die Abweichung über die 15-minütige Messperiode hinausgeht - der Abruf von Ausgleichsenergie. Die Verrechnungsstelle habe keine Möglichkeit, Regel- oder Ausgleichsenergie abzurufen. Sie sei auch nicht in der Lage, "rechtzeitig fehlende Energie zu einem möglichst günstigen Preis zu besorgen und überschüssige Energie zu einem möglichst hohen Preis abzugeben", sie stelle dafür nur eine Handelsplattform zur Verfügung, durch die zwischen Angebot und Nachfrage ein Preis für Ausgleichsenergie ermittelt werde. Da somit die Verrechnungsstelle keine Aufgaben der Energielenkung zu besorgen habe, seien die Aufgaben der Verwaltung der Bilanzgruppen in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht auch nicht als Tätigkeiten im Zusammenhang mit den energielenkenden Maßnahmen darzustellen. Sie stellen sich als die Haupttätigkeit der Verrechnungsstelle unterstützende Tätigkeiten dar.

In weiterer Folge geht die APCS auf die Kompetenztatbestände "Wettbewerbsrecht" und "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) ein: Würde man eine Zuordnung zum Kompetenztatbestand "Börsewesen" verneinen, so würde es sich bei der von der Verrechnungsstelle erbrachten Tätigkeit der Berechnung des Preises von Ausgleichsenergie um eine Tätigkeit handeln, die dem Wettbewerbsrecht zuzuordnen sei.

Eine wesentliche Zielsetzung des Verrechnungsstellengesetzes liege in der Bekämpfung oder präventiven Vermeidung von unlauterem Wettbewerb durch Einrichtung einer unabhängigen Stelle auf dem Ausgleichsenergiemarkt.

Ferner prüft die APCS eine Zuordnung der Regelungen des Verrechnungsstellengesetzes unter den Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) und kommt zu dem Ergebnis, jene Bestimmungen des § 11 Verrechnungsstellengesetz, die thematische Vorgaben für durch privatrechtliche Vereinbarungen zum Vertragsinhalt erhobene Allgemeine Bedingungen enthalten, ebenso wie jene Bestimmungen des Aufgabenkatalogs des § 9 Verrechnungsstellengesetz, die diese Vorgaben näher konkretisieren, dem Kompetenztatbestand des Zivilrechtswesens zuzuordnen.

Schließlich geht die APCS noch auf den Kompetenztatbestand "Maß- und Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen" (Art10 Abs 1 Z 5 B-VG) ein. Der diesem Kompetenztatbestand zugrunde liegende Normenbegriff habe ein Regelwerk vor Augen, das die Schaffung von einheitlichen Regeln im Hinblick auf Formen, Abmessungen, Begriffe, Eigenschaften, Verfahren und Lieferbedingungen vorsieht, um die Nachteile von unwirtschaftlicher und technisch unrationeller Vielfalt zu vermeiden. Dieser Zweck werde durch die Tätigkeiten der Verrechnungsstelle, insbesondere durch die zentrale Verzeichnung, Archivierung und Veröffentlichung standardisierter Lastprofile sowie die Übermittlung von Messdaten und Fahrplänen in vorgegebener, einheitlicher Form verfolgt.

V. Die beschwerdeführende Gesellschaft im Anlassverfahren erstattete zwei Stellungnahmen, in denen sie ua. davon ausgeht, für die Frage der Kompetenzgemäßheit der Einrichtung der Verrechnungsstellen komme es nicht darauf an, was diese Einrichtungen tatsächlich tun, sondern welche gesetzlichen Aufgaben diesen übertragen worden seien. Die übertragenen Aufgaben einer Verrechnungsstelle bzw. eines Bilanzgruppenkoordinators zeigten freilich nicht das Bild einer Börse oder börseähnlichen Einrichtung, sondern eine in ein gesetzlich ausdifferenziertes regulatorisches Umfeld eingebettete Einrichtung, deren Aufgabe es sei, zur Abwicklung der Energieversorgung beizutragen und nicht darin liege, einen Handelsplatz für den Austausch von Angebot und Nachfrage von Wertpapieren und Finanzderivaten oder auch Waren bereitzustellen. Die Aufgaben einer Verrechnungsstelle stellten Maßnahmen dar, welche dem Bereich der Elektrizitätsversorgung zuzuordnen seien und damit unter den Kompetenztatbestand des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG fielen.

Dass es sich bei der Tätigkeit der Verrechnungsstelle auch nach dem Gesetz nicht um Börsen handle, gehe zunächst aus dem Gesetz unmittelbar hervor, weil es gemäß § 9 Abs 1 Z 3 litc Verrechnungsstellengesetz Aufgabe der Verrechnungsstelle sei, mit Strombörsen über die Weitergabe von Daten Verträge zu schließen. Dies zeige, dass der Gesetzgeber die Verrechnungsstelle nicht als Börse ansehe, sondern diese verpflichte, mit Strombörsen Verträge abzuschließen.

Der wesentliche Unterschied zu Börsen oder börsenähnlichen Einrichtungen sei aber, dass die Teilnahme am System zur Bereitstellung von Ausgleichsenergie nicht freiwillig erfolge. Vielmehr sei unabdingbare Voraussetzung, dass alle vom ElWOG für die Stromversorgung bestimmten Marktteilnehmer zwingend am Ausgleichsenergieverfahren teilnehmen oder zur Teilnahme oder zu bestimmten Handlungen gezwungen werden könnten, wenn es erforderlich sei. Den Verrechnungsstellen würden zahlreiche Anordnungsbefugnisse eingeräumt. Zwar lasse § 9 Verrechnungsstellengesetz die inhaltliche Regelung dieser Pflichten größtenteils offen, weil er nur den Aufgabenbereich der Verrechnungsstelle beschreibe. Die gesetzlichen Grundlagen verpflichteten jedoch zur Eingehung, besser Unterwerfung unter zahlreiche Verpflichtungen, die es der Verrechnungsstelle erst ermöglichen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Es werde damit von Gesetzes wegen ein System von auf Kontrahierungszwang beruhenden Vereinbarungen zur Sicherstellung der Stromversorgung festgelegt und kein Handelsplatz für den freien Austausch von Wertpapieren oder Gütern geschaffen:

Regelzonenführer seien durch die Ausführungsgesetze zu verpflichten, die Organisation und den Einsatz der Ausgleichsenergie entsprechend der Bieterkurve im Zusammenwirken mit dem Bilanzgruppenkoordinator (jede Verrechnungsstelle ist gemäß § 7 Z 3 ElWOG auch Bilanzgruppenkoordinator) vorzunehmen (§22 Abs 2 Z 3 ElWOG), Kraftwerke zur Aufbringung von Ausgleichsenergie gemäß den Vorgaben des Bilanzgruppenkoordinators abzurufen (§22 Abs 2 Z 6 ElWOG), Ausgleichsenergie über einen Bilanzgruppenkoordinator zu verrechnen und diesem die zur Durchführung der Verrechnung erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen (§22 Abs 2 Z 9 ElWOG), Verträge über den Datenaustausch mit anderen Netzbetreibern, den Bilanzgruppenverantwortlichen sowie den Bilanzgruppenkoordinatoren und anderen Marktteilnehmern entsprechend den Marktregeln zu schließen (§22 Abs 2 Z 11 ElWOG), sowie den Anweisungen des Bilanzgruppenkoordinators Folge zu leisten, wenn keine Angebote für Ausgleichsenergie vorliegen (§22 Abs 2 Z 12 ElWOG).

Übertragungsnetzbetreiber seien durch die Ausführungsgesetze zu verpflichten, die zur Durchführung der Verrechnung und Datenübermittlung gemäß § 22 Abs 2 Z 9 ElWOG erforderlichen vertraglichen Maßnahmen vorzusehen (§23 Z 3 ElWOG) und Verträge über den Datenaustausch mit anderen Netzbetreibern, den Bilanzgruppenverantwortlichen sowie den Bilanzgruppenkoordinatoren und anderen Marktteilnehmern entsprechend den Marktregeln abzuschließen (§23 Z 7 ElWOG).

Verteilernetzbetreiber seien durch die Ausführungsgesetze zu verpflichten, die zur Durchführung der Berechnung und Zuordnung der Ausgleichsenergie erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen (§29 Z 1 ElWOG), die zur Durchführung der Verrechnung und Datenübermittlung gemäß Z 1 erforderlichen vertraglichen Maßnahmen vorzusehen (§29 Z 5 ElWOG), Leistungen, Strommengen, Lastprofile an den Schnittstellen zu anderen Netzen zu messen und die Daten an den betroffenen Netzbetreiber und die Bilanzgruppenkoordinatoren weiterzugeben (§29 Z 11 ElWOG) sowie Verträge über den Datenaustausch insbesondere mit den Bilanzgruppenkoordinatoren entsprechend den Marktregeln abzuschließen (§29 Z 18 ElWOG).

Stromhändler und sonstige Lieferanten, die Endverbraucher belieferten, seien nach den Ausführungsgesetzen zu verpflichten, Verträge über den Datenaustausch mit dem zuständigen Bilanzgruppenkoordinator abzuschließen (§45 Abs 1 ElWOG).

Die Länder hätten die Verpflichtungen der Grundsatzbestimmungen durchgehend umgesetzt und zumeist auch unter Strafsanktion gestellt (vgl. z.B. § 39 Z 15-17, 21 und 23, § 43 Z 4, 8 und 14, 48 Abs 1 Z 1-3 und § 78 Abs 1 Z 16 NÖ ElWG).

Dem entsprächen die Verpflichtungen für Bilanzgruppenkoordinatoren zur Verwaltung der Bilanzgruppen in organisatorischer und abrechnungstechnischer Hinsicht (§9 Abs 1 Z 1 Verrechnungsstellengesetz), zur Verwaltung der Fahrpläne zwischen Bilanzgruppen (§9 Abs 2 Z 3 Verrechnungsstellengesetz), zur Aufteilung und Zuweisung der sich auf Grund der Verwendung standardisierter Lastprofile ergebenden Differenz (§9 Abs 2 Z 9 Verrechnungsstellengesetz), sowie zur Ergreifung besonderer Maßnahmen, wenn keine Angebote für Ausgleichsenergie vorliegen (§9 Abs 3 Z 5 Verrechnungsstellengesetz).

All dies zeige, dass es sich bei der Organisation der Abwicklung der Ausgleichsenergie nicht um die Bereitstellung eines Marktplatzes für den Austausch von Angebot und Nachfrage im Stromsektor handle, sondern um die Sicherstellung der Stromversorgung durch lenkungsrechtliche Maßnahmen oder die Ermächtigung hiezu. Der Gesetzgeber bezwecke dies durch zahlreiche unter Strafsanktion stehende Verhaltenspflichten zum Abschluss von Verträgen und zur Lieferung von Daten sicherzustellen. Es liege nicht die Organisation einer Börse sondern die Sicherstellung der Energieversorgung, wie § 10 Abs 3 Verrechnungsstellengesetz festhalte, unter Zugrundelegung eines "marktorientierten Modells" vor.

VI. Die mitbeteiligte Partei APCS erstattete eine Replik, in der sie nochmals darauf hinweist, dass es sich bei den im § 9 Verrechnungsstellengesetz angeführten Aufgaben keineswegs um typische energiewirtschaftliche Tätigkeiten handle. Die Stellungnahme der EBAG erwecke den Eindruck, bei den Verrechnungsstellen handle es sich um behördenähnliche Einrichtungen, deren Handeln am Legalitätsprinzip zu messen wäre. Tatsächlich sei dies nicht der Fall und es bestehe ein weiter Spielraum, die Aufgaben im Sinne der Absicht des Gesetzgebers zu interpretieren.

Die EBAG spreche vom "gesetzlich ausdifferenzierten regulatorischen Umfeld", in welches die Verrechnungsstelle eingebettet sei, erwähne jedoch nicht, dass dieses regulatorische Umfeld aus zwei verschiedenen Regelungskreisen bestehe, die auch auf kompetenzrechtlichen Grundlagen aufbauten und Bestimmungen nach verschiedenen Regelungsgesichtspunkten enthielten.

Aus dem Argument, dass es sich bei Verrechnungsstellen um keine Börsen oder börseähnliche Einrichtungen handeln könne, weil es gemäß § 9 Abs 1 Z 3 litc Verrechnungsstellengesetz zu ihren Aufgaben gehöre, Verträge mit Strombörsen über die Weitergabe von Daten abzuschließen, sei nichts zu gewinnen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Börsen oder börseähnliche Einrichtungen untereinander Verträge abschließen, wie die Verträge der Wiener Börse als Warenbörse etwa mit der Frankfurter Börse oder zwischen der Wiener Börse als Warenbörse mit der EXAA als Abwicklungsstelle gemäß § 26 Abs 3 BörseG zeigten.

Unrichtig sei schließlich die Aussage, wonach die Teilnahme am System zur Bereitstellung von Ausgleichsenergie nicht freiwillig erfolge. Tatsächlich sei die Teilnahme von Anbietern von Ausgleichsenergie - sei es als Market Maker oder über die Angebotsplattform des "Day Ahead Market" - gemäß den AB-BKO und ihren Anhängen völlig freiwillig.

Für jene Marktteilnehmer, die für ihre Bilanzgruppen Ausgleichsenergie beziehen, namentlich die Bilanzgruppenverantwortlichen, sei eine Teilnahme am Ausgleichsenergiemarkt Voraussetzung für eine gesetzeskonforme Erfüllung ihrer Aufgaben als Bilanzgruppenverantwortliche. Die Verpflichtung, Ausgleichsenergie für die Bilanzgruppenmitglieder zu beschaffen und im Zusammenhang damit Verträge mit dem Bilanzgruppenkoordinator (=Verrechnungsstelle) abzuschließen, ist jedoch in § 47 ElWOG und damit verfassungsrechtlich unbedenklich geregelt.

VII. Der Verfassungsgerichtshof hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwogen:

1. Die Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde sowie die vorläufigen Präjudizialitätsannahmen des Prüfungsbeschlusses haben sich als zutreffend herausgestellt. Neue Argumente wurden im Gesetzesprüfungsverfahren nicht vorgebracht. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist damit insgesamt zulässig.

2.1. Bei einer Analyse des Kompetenztatbestandes des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG "Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Art 10 fällt", kommt die Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass dieser Kompetenztatbestand Regelungen betreffend


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-
die Erteilung der Konzession zum Betrieb von Stromlieferungsunternehmungen
-
die Gestaltung der Rechte und Pflichten von Unternehmen, die in Gewinnerzielungsabsicht Elektrizität erzeugen und/oder Leitungen zum Transport von Elektrizität betreiben,
-
die Errichtung vom Stromerzeugungsanlagen unter elektrizitätswirtschaftlichen Gesichtspunkten,

trage.

Den Vorschriften immanent seien auch gewisse Wirtschaftslenkungselemente sowie eine aus dem "öffentlichen Interesse" abgeleitete Bevorzugung von Gebietskörperschaften bei der Erteilung der für den Betrieb eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens erforderlichen Konzession. Ausgehend von einer planmäßigen Rücksichtnahme im Erzeugungs- und Verteilungsbereich sollte dadurch die Schaffung geschlossener Versorgungsgebiete bewirkt und die Einflussnahme des Staates in Bezug auf den weiteren Ausbau der Erzeugungs- und Verteileranlagen sowie auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit verankert werden. Zugleich sei die Entwicklung von der Stromversorgung in geschlossenen Versorgungsgebieten durch "Inselbetriebe" zum "Verbundbetrieb" bereits vorgezeichnet gewesen. Verbundbetrieb setze jedoch als physikalische Notwendigkeit den Ausgleich zwischen Erzeugung und Bedarf der Energie voraus. Die Organisation dieses technisch bedingten Ausgleichs sei sohin auf Grund des Versteinerungsmaterials zweifellos dem "Elektrizitätswesen" zuzuordnen, wobei das Begriffsbild "geschlossener Versorgungsgebiete" einschließlich der Monopolstellung der Anbieter damit verbunden sei. Dem Ausgleich von "Erzeugung und Bedarf" im Netz iSd § 5 Abs 6 2. Verstaatlichungsgesetz entspreche die Bereitstellung der so genannten Regelenergie. Diese sei vom Regelzonenführer im Rahmen der Systemdienstleistung zu erbringen, wofür ihm ein Systemdienstleistungsentgelt zustehe. Diese Tätigkeit sei zweifellos dem "Elektrizitätswesen" im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG zuzuordnen, weshalb eine abschließende Regelung über die Aufbringung und Kostentragung von Regelenergie im ElWOG getroffen worden sei. Demgegenüber habe die Organisation von Ausgleichsenergie das Bestehen eines (Ausgleichsenergie-)Marktes zur Voraussetzung, in dem eine Vielzahl von Anbietern von Ausgleichsenergie einer Vielzahl von "Entnehmern" gegenüberstehe. Die Organisation der Zusammenführung von Angeboten mehrerer, im Wettbewerb zueinander stehender Anbieter von elektrischer Energie und der durch die "Selbstentnahme" der Stromkonsumenten bewirkten "Nachfrage an elektrischer Energie" (Stromentnahme) der Verbraucher stelle sich daher nicht als Preisregelung dar. Sie habe nämlich zum Gegenstand, den für eine Ware am Markt günstigsten Anschaffungspreis zu ermitteln, nicht jedoch einen Preis amtlich festzulegen oder Kalkulationsvorschriften, Abschöpfung von Mehrerlösen oder die Ersichtlichmachung von Preisen zu regeln. Damit könne eine derartige Regelung auch nicht dem "Elektrizitätswesen" im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG zugeordnet werden, weshalb im Rahmen elektrizitätsrechtlicher Vorschriften an derartige Vorschriften lediglich angeknüpft werden könne. Daher hätten bloß die Regelungen betreffend die allgemeine Pflicht zur Organisation und den Einsatz von Ausgleichsenergie (durch Regelzonenführer in Zusammenwirken mit dem Bilanzgruppenkoordinator = Verrechnungsstelle bzw. dem Bilanzgruppenverantwortlichen) konsequenterweise als Grundsatzbestimmungen dem ElWOG unterstellt werden können, während sich das übrige Regelungsregime der Ausgleichsenergieorganisation nicht unter den Kompetenztatbestand "Elektrizitätswesen" des Art 12 B-VG reihen lasse. Der Gesetzgeber habe hier nämlich den Weg gewählt, dieses Regime weitestgehend eigenständig zu gestalten und im ElWOG daran anzuknüpfen. Damit sei die Schnittstelle zum eigenständigen Regime der Organisation und der Tätigkeit von Verrechnungsstellen hergestellt, d.h. das ElWOG setze Verrechnungsstellen und ihre Funktion voraus, die Regelung ihrer Organisation und der Art und Weise, wie sie ihren vom ElWOG zugewiesenen Aufgaben nachzukommen hätten, erfolge hingegen im Verrechnungsstellengesetz. Im Übrigen habe das Elektrizitätsrecht des Jahres 1925 zwar Preisbestimmungen, aber keinen Ansatz für ein marktbezogenes System der Preisbildung bzw. Preisermittlung enthalten, in dem eine Vielzahl von Anbietern einer Vielzahl von Stromkonsumenten (Käufern) gegenüberstehe. Die Organisation der Zusammenführung von Angeboten mehrerer, im Wettbewerb zueinander stehender Anbieter von elektrischer Energie und der durch die Stromkonsumenten bewirkten "Nachfrage an elektrischer Energie" (Stromentnahme) der Verbraucher sei nicht einmal ansatzweise geregelt gewesen.

Bei der Verrechnungsstelle handle es sich um eine Einrichtung, deren Aufgabe darin bestehe, die Angebote und die Nachfrage am Markt von elektrischer Ausgleichsenergie zusammenzuführen, um so einerseits einen Preis für Ausgleichsenergie zu ermitteln und andererseits zugleich die durch die Fahrplanabweichungen der einzelnen Bilanzgruppen bewirkten Differenzen (bilanzgruppenbezogen) festzustellen, abzurechnen und abzuwickeln. Die Ausgleichsenergie werde bereits im Augenblick der Preisfeststellung konsumiert und erst bei der Ermittlung der Differenzen den einzelnen Bilanzgruppen unter Zugrundelegung des zum Zeitpunkt der Stromentnahme aus dem Netz festgestellten Preises in quantitativer und zeitlicher Hinsicht zugeordnet; das Settlement bestehe daher lediglich in der Liquidation der offenen Geldforderungen. Zur Absicherung der Forderungen, die bereits zum Zeitpunkt der Entnahme der Ausgleichsenergie entstünden, jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt, abgerechnet und abgewickelt würden, sei eine Bonitätsprüfung sowie (in den allgemeinen Bedingungen) eine Margin (Sicherheitsleistung) vorgesehen. Die Bundesregierung vertrete daher die Ansicht, dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausgleichsenergiemarktes die Verrechnungsstellen alle wesentlichen Merkmale einer Börse aufwiesen.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte im Prüfungsbeschluss Zweifel, ob die Verrechnungsstelle selbst einen organisierten, zu festgesetzten Zeiten, an einem bestimmten Ort stattfindenden Markt zum Kauf und Verkauf von Ausgleichsenergie darstellt. Dem hält die Bundesregierung entgegen, dass sich durch die Entwicklung der elektronischen Kommunikation "elektronische Handelsplattformen" entwickelt hätten, die nicht mehr durch einen geografisch begrenzten Raum gekennzeichnet seien, sondern sich als virtueller Raum verstünden, an dem alle Teilnehmer, die über einen entsprechenden Zugang verfügten, teilnehmen könnten. Die elektronischen Handelssysteme seien als intrasystematische Fortentwicklung der klassischen Präsenzbörsen anzusehen. Dazu ist zu bemerken, dass der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss zur kompetenzrechtlichen Beurteilung der Regelungen der Verrechungsstelle vorläufig vom Aufgabenkatalog der Verrechnungsstelle ausging, jedoch bereits einschränkte, dass Teile der im § 9 Abs 3 Z 1 und 3 genannten Aufgaben, nämlich Angebote für Ausgleichsenergie einzuholen oder Preise für Ausgleichsenergie entsprechend dem im § 10 beschriebenen Verfahren zu ermitteln und zu veröffentlichen, börseähnliche Tätigkeiten darstellen mögen. An der kompetenzrechtlichen Beurteilung der Bestimmungen vermag auch eine - isoliert betrachtet - tatsächlich zum Teil börseähnliche Einrichtung und Organisation der Verrechnungsstelle selbst nichts zu ändern. Gegen die Annahme der Einrichtung einer Börse im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 5 B-VG spricht nicht zuletzt auch die Verpflichtung zur Teilnahme am Ausgleichsenergiemarkt zumindest auf der Nachfrageseite.

Bei einer Gesamtbetrachtung des Problems der Bereitstellung von Ausgleichsenergie ging der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss jedoch davon aus, dass die Verrechnungsstelle für Ausgleichsenergie in engem Zusammenhang mit dem Setzen energielenkender Maßnahmen, wozu vornehmlich auch Maßnahmen, um eine Störung der Energieversorgung Österreichs zu verhindern, gehören, eingerichtet ist. Dies deshalb, weil er annahm, dass die Vorsorge dafür, dass zu jedem Zeitpunkt die Abweichung zwischen der geplanten und der tatsächlichen Energieentnahme ausgeglichen wird und die Erhaltung des Frequenz-Sollwertes gewährleistet bleibt, dass also rechtzeitig fehlende Energie zu einem möglichst günstigen Preis besorgt und überschüssige Energie zu einem möglichst hohen Preis abgegeben werden kann, zu den zentralen Aufgaben der Verrechnungsstelle zählt.

Demgegenüber weist die Bundesregierung darauf hin, dass dem Ausgleich von "Erzeugung und Bedarf" im Netz iSd § 5 Abs 6

2. Verstaatlichungsgesetz die Bereitstellung der so genannten Regelenergie (Primär- und Sekundärregelung im Falle eines kurzfristigen Frequenzabfalls im Netz) entspreche. Für die Bereitstellung der Regelenergie habe jedoch nicht die Verrechnungsstelle zu sorgen; dies sei eine Aufgabe des Regelzonenführers, die er im Rahmen der Systemdienstleistung zu erbringen habe und wofür ihm ein Systemdienstleistungsentgelt zustehe. Die Verrechnungsstelle hingegen habe lediglich die Aufgabe, den für eine Ware am Markt günstigsten Anschaffungspreis für Ausgleichsenergie zu ermitteln. Sie gesteht jedoch zu, dass die Regelungen betreffend die allgemeine Pflicht zur Organisation und den Einsatz von Ausgleichsenergie (durch Regelzonenführer in Zusammenwirken mit dem Bilanzgruppenkoordinator = Verrechnungsstelle bzw. dem Bilanzgruppenverantwortlichen) als auf Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG beruhende Grundsatzbestimmungen dem ElWOG zu unterstellen waren.

2.3. Gemäß § 22 Abs 2 ElWOG haben die Ausführungsgesetze dem Regelzonenführer (das ist gemäß § 7 Z 35 ElWOG derjenige, der für die Leistungs-Frequenzregelung in einer Regelzone verantwortlich ist) ua folgende Pflichten aufzuerlegen:

1. die Bereitstellung der Systemdienstleistung (Frequenz/Leistungsregelung) entsprechend den technischen Regeln, wie etwa der UCTE [Union for the Coordination of Transmission of Electricity], wobei diese Systemdienstleistung von einem dritten Unternehmen erbracht werden kann;

2. die Fahrplanabwicklung mit anderen Regelzonen;

3. die Organisation und den Einsatz der Ausgleichsenergie entsprechend der Bieterkurve im Zusammenwirken mit dem Bilanzgruppenkoordinator (das ist gemäß § 7 Z 3 ElWOG eine natürliche oder juristische Person, die eine Verrechnungsstelle auf Grund einer Konzession betreibt);

4. Messungen von elektrischen Größen an Schnittstellen seines Elektrizitätsnetzes und Übermittlung der Daten an den Bilanzgruppenkoordinator und andere Netzbetreiber;

5. die Durchführung von Maßnahmen zur Überwindung von Engpässen;

6. den Abruf der Kraftwerke zur Aufbringung von Ausgleichsenergie gemäß den Vorgaben des Bilanzgruppenkoordinators;

7. die Durchführung einer Abgrenzung von Regelenergie zu Ausgleichsenergie nach transparenten und objektiven Kriterien;

8. den physikalischen Ausgleich zwischen Aufbringung und Bedarf in dem von ihnen abzudeckenden System sicherzustellen;

9. die Verrechnung der Ausgleichsenergie über eine zur Ausübung dieser Tätigkeit befugte Verrechnungsstelle durchzuführen und dieser sowie den Bilanzgruppenverantwortlichen die zur Durchführung der Verrechnung erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen, wobei insbesondere jene Zählwerte zu übermitteln sind, die für die Berechnung der Fahrplanabweichungen und der Abweichung vom Lastprofil jeder Bilanzgruppe benötigt werden;

10. die Erstellung einer Lastprognose zur Erkennung von Engpässen;

11. Verträge über den Datenaustausch mit anderen Netzbetreibern, den Bilanzgruppenverantwortlichen sowie den Bilanzgruppenkoordinatoren und anderen Marktteilnehmern entsprechend den Marktregeln abzuschließen;

12. den Anweisungen des Bilanzgruppenkoordinators Folge zu leisten, wenn keine Angebote für Ausgleichsenergie vorliegen.

Die Ausführungsgesetze der Länder haben diese Grundsatzbestimmung im wesentlichen wörtlich übernommen (vgl. § 58 Abs 1 Z 1 bis 12 Burgenländisches Elektrizitätswesengesetz 2001, LGBl. Nr. 41/2001, § 31 Abs 3 lita bis l Kärntner Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2001, LGBl. Nr. 5/1999 idF LGBl. Nr. 75/2001, § 44 Abs 2 Z 1 bis 12 NÖ Elektrizitätswesengesetz 2001, LGBl. 7800-0, § 49 Abs 1 Z 1 bis 12 Oö Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2001, LGBl. Nr. 88/2001, § 8b Abs 1 Z 1 bis 12 Salzburger Landeselektrizitätsgesetz 1999, LGBl. Nr. 75/1999 idF LGBl. Nr. 46/2001 und 81/2001, § 36 Abs 7 Z 1 bis 12 Steiermärkisches Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2001, LGBl. Nr. 60/2001, § 38 Abs 4 lita bis l Tiroler Elektrizitätsgesetz 2003, LGBl. Nr. 88/2003, § 31 lita bis l Vorarlberger Elektrizitätswirtschaftsgesetz, LGBl. Nr. 59/2003 und § 43 Abs 2 Z 1 bis 12 Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2001, LGBl. Nr. 72/2001).

2.4. Wie unbestritten feststeht, hat der Betrieb eines Elektrizitätsnetzes auf Grund physikalischer Notwendigkeiten zur Voraussetzung, dass die Summe der Entnahme von elektrischer Energie aus dem Elektrizitätsnetz der Summe der Einspeisung von elektrischer Energie zu entsprechen hat. Zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung müssen daher Differenzen zwischen der prognostizierten Stromeinspeisung und Stromentnahme in bzw. aus dem Netz und der tatsächlichen Stromeinspeisung bzw. Stromentnahme ausgeglichen werden. Soweit Lastschwankungen nicht im Rahmen der "Primärregelung" (Sekundenreserve) oder der "Sekundärregelung" ausgeglichen werden, sind sie gemäß § 22 Abs 2 Z 6 ElWOG als Ausgleichsenergie (das ist gemäß § 7 Z 1 ElWOG die Differenz zwischen dem vereinbarten Fahrplanwert und dem tatsächlichen Bezug oder der tatsächlichen Lieferung der Bilanzgruppe je definierter Messperiode, wobei die Energie je Messperiode tatsächlich erfasst oder rechnerisch ermittelt werden kann) gemäß den Vorgaben des Bilanzgruppenkoordinators (= der Verrechnungsstelle) abzurufen. Gemäß § 22 Abs 2 Z 3 ElWOG gehört zu den Pflichten des Regelzonenführers die Organisation und der Einsatz der Ausgleichsenergie entsprechend der Bieterkurve im Zusammenwirken mit dem Bilanzgruppenkoordinator.

Die Bundesregierung stellt außer Streit, dass die Regelung betreffend die Bereitstellung der Regelenergie einerseits und die Regelungen betreffend die allgemeine Pflicht zur Organisation und den Einsatz von Ausgleichsenergie andererseits auf den Kompetenztatbestand des "Elektrizitätswesens" des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG gestützt werden müssen und deshalb im Bundesgrundsatzgesetz des ElWOG enthalten sind. Im Gesamtzusammenhang betrachtet stellen sich die Organisation und der Einsatz der Ausgleichsenergie - einschließlich der Einrichtung der Verrechnungsstelle - als eine zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung unabdingbare Funktion dar.

An diesem funktionellen Zusammenhang der Organisation der Ausgleichsenergie mit der Aufrechterhaltung der Stromversorgung ändert auch die Tatsache nichts, dass bis zur Stromliberalisierung der Netzausgleich als Bestandteil der Versorgungstätigkeit des Elektrizitätsunternehmens erfolgte, während nach der Stromliberalisierung als intrasystematische Fortentwicklung des Kompetenztatbestandes Elektrizitätswesen gemäß Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG ein marktwirtschaftlich orientiertes System zur Organisation der Ausgleichsenergie vorgesehen werden musste, um auch auf dem Gebiet der Ausgleichsenergie das System des freien Wettbewerbes sicherzustellen. Die Organisation von Ausgleichsenergie hat jedenfalls nach dem Willen des Gesetzgebers das Bestehen eines (Ausgleichsenergie-)Marktes zur Voraussetzung, an dem die Verrechnungsstelle mitzuwirken hat; dieser Markt ist insofern nach der geltenden Rechtslage für die Regelung der Ausgleichsenergie unerlässlich. Daher sind Ausgleichsenergie und Ausgleichsenergiemarkt kompetenzrechtlich als Einheit zu betrachten.

Auch die Tatsache, dass die Verrechnungsstelle selbst keine Preise bestimmt, sondern diese bloß ermittelt, führt nicht dazu, dass die die Einrichtung der Verrechnungsstelle regelnden Normen als Regelungen über die Einrichtung einer nicht unmittelbar mit der Elektrizitätsversorgung im Zusammenhang stehenden Handelsplattform angesehen werden können.

Für den notwendigen funktionalen Zusammenhang zwischen der Sicherstellung der Stromversorgung und Aufbringung von Ausgleichsenergie spricht schließlich auch die Regelung des § 22 Abs 2 Z 12 ElWOG, wonach der Regelzonenführer den Anweisungen des Bilanzgruppenkoordinators Folge zu leisten hat, wenn keine Angebote für Ausgleichsenergie vorliegen. Entgegen der Ansicht der Bundesregierung sieht diese Bestimmung - allenfalls durch die Ausführungsgesetzgebung näher auszugestaltende - hoheitliche Befugnisse gegenüber dem Regelzonenführer vor.

Bei einer Gesamtbetrachtung fallen daher die geprüften Regelungen über die Organisation und die Aufgaben der Verrechnungsstelle, die zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung unabdingbar ist, zur Gänze unter den Kompetenztatbestand des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG. Bei dieser kompetenzrechtlichen Zuordnung kann es nicht darauf ankommen, ob Regelungen, wie sie etwa im Verrechnungsstellengesetz enthalten sind, überhaupt im Rahmen des Kompetenztypus der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung im Sinne des Art 12 B-VG getroffen werden können. Die §§3, 4 und 9 Verrechnungsstellengesetz waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Da der Gerichtshof - ohne detaillierte Gesamtprüfung des Verrechnungsstellengesetzes auf seine Kompetenzgemäßheit - nicht zu der Auffassung gelangen konnte, dass das ganze Verrechnungsstellengesetz von einem nach der Kompetenzverteilung nicht berufenen Gesetzgebungsorgan erlassen wurde, war nicht nach Art 140 Abs 3 B-VG vorzugehen.

4. Es war auszusprechen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Dieser Ausspruch stützt sich auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

5. Im Hinblick auf eine allfällige Ersatzregelung war für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen eine Frist bis zu bestimmen. Der diesbezügliche Ausspruch beruht auf Art 140 Abs 5 vorletzter und letzter Satz B-VG.

6. Die dem Bundeskanzler auferlegte Kundmachungspflicht ergibt sich aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG iVm § 64 Abs 2 VfGG.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.