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VfGH vom 15.06.2002, g112/99

VfGH vom 15.06.2002, g112/99

Sammlungsnummer

16542

Leitsatz

Keine Unsachlichkeit der Beschränkung der Gewährung von Unterhaltsvorschuß auf Minderjährige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Landesgericht für ZRS Wien ist ein Rekurs gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Favoriten vom anhängig, mit welchen die den minderjährigen Geschwistern G. M. und M. M. gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des eingestellt wurden.

2. Die beiden Minderjährigen befinden sich in der alleinigen Obsorge ihrer Mutter. Der Vater ist zur Leistung von Geldunterhalt verpflichtet. Den Minderjährigen wurden Unterhaltsvorschüsse nach §§3, 4 Z 1 Unterhaltsvorschußgesetz 1985, BGBl. 451 für den Zeitraum bis gewährt. Nachdem der Vater mitgeteilt hatte, daß sich die beiden Minderjährigen am in die USA begeben hatten und dies von der Mutter in einem Schreiben im wesentlichen bestätigt worden war, wobei sie mitteilte, daß ihr und der beiden Minderjährigen Hauptwohnsitz nach wie vor Wien sei und sie sich nur auf Grund gesundheitlicher Probleme der minderjährigen M. M. wegen des besseren Klimas in Südarizona befänden, stellte das Bezirksgericht Favoriten die gewährten Unterhaltsvorschüsse ein. Begründend wurde ausgeführt, daß sich die beiden Minderjährigen seit bis auf weiteres in den USA aufhielten, wo sie auch eine öffentliche Schule besuchten. Gegen diese Beschlüsse erhoben die Minderjährigen Rekurs.

3.1. Aus Anlaß dieses Rekurses stellte das Landesgericht für ZRS Wien gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag, in § 2 Abs 1 Unterhaltsvorschußgesetz 1985, BGBl. 451 (im folgenden: UVG), näher bezeichnete Wortfolgen als verfassungswidrig aufzuheben.

§ 2 Abs 1 UVG lautet (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Anspruch auf Vorschüsse haben minderjährige Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und entweder österreichische Staatsbürger oder staatenlos sind. Hat derjenige, mit dem das Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, in Erfüllung seiner Dienstpflicht gegenüber einer inländischen öffentlich-rechtlichen Körperschaft seinen Aufenthalt im Ausland, so ist für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes anzunehmen, daß das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel seines Vormundschafts- oder Pflegschaftsgerichts hat."

Nachfolgende Novellen ließen § 2 Abs 1 UVG unberührt.

3.2. Vorschüsse sind nach § 3 UVG zu gewähren, wenn für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht und eine wegen der laufenden Unterhaltsbeiträge geführte Exekution auch nur einen in den letzten sechs Monaten vor Stellung des Antrags auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeitrag nicht voll gedeckt hat.

Der Anspruch auf Unterhaltsvorschuß besteht unabhängig davon, ob das Kind Unterhalt von einem anderen Unterhaltspflichtigen erhalten könnte (§7 Abs 3 UVG). Kein Anspruch besteht jedoch, wenn das Kind mit dem Unterhaltsschuldner im gemeinsamen Haushalt lebt oder auf Grund einer Maßnahme der Sozialhilfe oder der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung untergebracht ist (§2 Abs 2 UVG).

Für die Unterhaltsvorschüsse werden Mittel des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen herangezogen, in den auch die Rückzahlungen fließen (§39 Abs 8 Familienlastenausgleichsgesetz).

3.3. Zur Präjudizialität bringt das Landesgericht für ZRS Wien folgendes vor:

Nach Lehre und Rechtsprechung zu § 2 Abs 1 UVG werde der von dieser Bestimmung geforderte gewöhnliche Aufenthalt im Inland durch einen zeitweiligen Auslandsaufenthalt zu Ausbildungs- oder Heilzwecken, zur vorübergehenden Pflege oder für einen mehrwöchigen Urlaub nicht aufgehoben. Abgestellt werde auf die erkennbare Absicht, an einem bestimmten Ort für einen längeren, aber nicht notwendigerweise ununterbrochenen Zeitraum seine Wohnung zu nehmen, wobei dies auch bei Minderjährigen für sie selbst und nicht für die Pflegeperson zu prüfen sei. Im Lichte dieser Lehre und Rechtsprechung wäre im vorliegenden Fall durch das Rekursgericht im Wege eines Aufhebungsbeschlusses der Auftrag zu erteilen, Erhebungen zur Klärung dieser Fragen durchzuführen. Durch die Aufhebung der im Spruch genannten Wortfolge bestünde diese Notwendigkeit nicht mehr.

Die Aufhebung des zweiten Satzes des § 2 Abs 1 UVG werde beantragt, weil dieser nur im Zusammenhang mit der angefochtenen Wortfolge in Satz 1 zu verstehen sei. Darüber hinaus stelle der zweite Satz eine authentische Interpretation des ersten Satzes dar. Bei Aufrechterhaltung des zweiten Satzes des § 2 Abs 1 UVG ergäbe sich im Interpretationsweg die Weitergeltung der angefochtenen Bestimmung des ersten Satzes, da der zweite Satz nur dann sinnhaft interpretiert werden könnte, wenn die angefochtene Wortfolge dazugedacht werde.

3.4. In der Sache hegt das Landesgericht für ZRS Wien das Bedenken, daß die angefochtenen Wortfolgen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 2 StGG bzw. Art 7 B-VG verstoßen.

3.4.1. Nach dem Bericht des Justizausschusses sei der Ausgangspunkt des UVG § 21 ABGB, wonach Minderjährige unter dem besonderen Schutz der Gesetze stünden und Gerichte ihnen gegenüber zu besonderer Fürsorge verpflichtet seien (AB 199 BlgNR XIV. GP 4). Unter diesem Blickwinkel sei nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber diesen besonderen Schutz nur jenen minderjährigen österreichischen Staatsbürgern angedeihen lasse, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten. Diese Ansicht stützt das Landesgericht für ZRS mit einem Verweis auf § 110 Abs 1 Z 1 JN. Diese Bestimmung zeige, daß der österreichische Gesetzgeber sehr wohl eine umfassende (Rechtsfürsorge-)Kompetenz hinsichtlich Pflegebefohlener, insbesondere Minderjähriger, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort in Anspruch nehme.

3.4.2. Die aus den Materialien zum UVG (RV 5 BlgNR XIV. GP 10) zu entnehmende Begründung für die angefochtene Einschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten, der Gesamtaufwand könne nicht uferlos sein, erweise sich als nicht tragfähig. Gerade bei einem Kind, das sich im Ausland aufhalte, könne - etwa wegen der dort herrschenden sozialen Lage oder dem Fehlen eines Anspruches auf Sozialhilfe - ein besonders dringendes Bedürfnis nach Sicherung des Unterhaltes bestehen. Bedenken, daß die gewährten Unterhaltsvorschüsse allenfalls den im Ausland entstehenden Kosten nicht entsprächen, könne durch die Anwendung des § 7 UVG (Bedenken gegen die Höhe der Unterhaltspflicht) begegnet werden. Auch die Notwendigkeit der Kontrolle der Verwendung der Gelder bzw. der Mitteilung von Gründen, die die Herabsetzung oder Einstellung der Vorschüsse zur Folge haben könnten, rechtfertige es nicht, auf den Aufenthalt des Minderjährigen im Inland abzustellen. Dies werde dadurch deutlich, daß im letzteren Fall die gleichen Schwierigkeiten auftreten könnten, wenn sich der Unterhaltspflichtige, auf dessen Aufenthalt das UVG nicht abstelle, im Ausland aufhalte.

3.4.3. Weiters führt das Landesgericht für ZRS Wien aus, daß weder der durch die Zahlungen ins Ausland eintretende Kaufkraftabfluß noch der Umstand, daß sich zwar für die Entscheidung über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen aus § 109 JN ein zuständiges inländisches Gericht ergebe, dies aber für den nach § 9 UVG zuständigen Jugendwohlfahrtsträger nicht der Fall sei, eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könne.

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, den Gesetzesprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

4.1. Unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den Grenzen des Aufhebungsbegehrens vertritt die Bundesregierung die Ansicht, daß der Anfechtungsumfang nicht richtig abgegrenzt worden sei. Ein Normenprüfungsantrag sei nach ständiger Rechtsprechung als unzulässig zurückzuweisen, wenn durch die beantragte Aufhebung von Gesetzesbestimmungen dem Gesetz ein vollständig veränderter, dem Rechtssetzer überhaupt nicht zusinnbarer Inhalt gegeben werde (zB VfSlg. 12465/1990, 14131/1995, 14308/1995 und 14895/1997). Die Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen hätte zur Folge, daß alle staatenlosen Kinder unabhängig von ihrem Aufenthaltsort potentiell Ansprüche nach dem UVG hätten. Schon im Hinblick auf die Gesetzesmaterialien, in denen ausdrücklich davon die Rede sei, daß der durch das UVG verursachte Gesamtaufwand "nicht uferlos" sein dürfe, könne dem Gesetzgeber eine solche Absicht nicht unterstellt werden. Daher sei der Normenprüfungsantrag unzulässig.

Sollte der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit des Antrages bejahen, so verweist die Bundesregierung darauf, daß nur gegen § 2 Abs 1 erster Satz UVG Bedenken vorgebracht worden seien. Gehe man davon aus, daß zwischen den beiden in Rede stehenden Sätzen des § 2 Abs 1 UVG kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, so sei der Gesetzesprüfungsantrag überschießend und auch aus diesem Grund unzulässig.

4.2. Zu den erhobenen Bedenken bringt die Bundesregierung folgendes vor: Das UVG verfolge das Ziel, der finanziellen Notlage des Minderjährigen durch Vorschußgewährung durch den Bund in bestimmten, im Gesetz vorgesehenen Krisenfällen abzuhelfen. Dies könne nur durch ein straffes, unbürokratisches und schnell durchgeführtes Verfahren sichergestellt werden (RV 5 BlgNR XIV. GP 9). Außerdem müßten gesetzliche Vorkehrungen gegen einen etwaigen Mißbrauch der von der öffentlichen Hand gewährten, nicht unbegrenzt erweiterbaren Mittel getroffen werden. Dies sei schon durch die in Art 126 b Abs 5 B-VG verankerten Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der staatlichen Gesetzesvollziehung geboten. Vor diesem Hintergrund sei die angefochtene Bestimmung nicht unsachlich, da die Anknüpfung an den Aufenthalt im Inland sowohl zur Gewährleistung eines raschen und effektiven Verfahrens als auch zur Verhinderung von Mißbräuchen unumgänglich sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).

Unter Bedachtnahme auf den gegenständlichen Sachverhalt ist es nicht als denkunmöglich anzusehen, wenn das antragstellende Landesgericht für ZRS Wien davon ausgeht, daß es die angefochtenen Wortfolgen des § 2 Abs 1 UVG im zugrundeliegenden Anlaßfall anzuwenden hat.

In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 9374/1982, 11506/1987).

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11455/1987).

Die Bundesregierung bringt vor, der Antrag sei als unzulässig zurückzuweisen, weil durch die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge das UVG einen dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren, vollständig geänderten Inhalt erfahre, nämlich, daß alle staatenlosen Kinder unabhängig von ihrem Aufenthaltsort potentiell Ansprüche nach dem UVG hätten. Dem ist entgegenzuhalten, daß es zur Geltendmachung eines solchen Anspruches jedenfalls auch eines inländischen Anknüpfungspunktes, wie des Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit, bedarf.

Mit der Wortfolge "ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und" wird vom antragstellenden Gericht nicht mehr angefochten, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist. Der zweite Satz des § 2 Abs 1 UVG steht zweifellos in untrennbarem Zusammenhang mit dem ersten Satz, da sich bei Aufrechterhaltung des zweiten Satzes im Interpretationsweg die Weitergeltung der angefochtenen Wortfolge des ersten Satzes ergäbe.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag in diesem Umfang zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof teilt jedoch die Bedenken des Landesgerichts für ZRS Wien nicht.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat auf Grund eines von einem Gericht eingebrachten Antrages die jeweils angefochtene Bestimmung nicht in jede Richtung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Der Gerichtshof ist vielmehr in einem solchen Verfahren an die vom Gericht geltend gemachten Bedenken gebunden und hat lediglich zu überprüfen, ob die behauptete Verfassungswidrigkeit der jeweils angefochtenen Bestimmung vorliegt bzw. vorgelegen ist.

2.2. Im wesentlichen wird vom Landesgericht für ZRS Wien vorgebracht, daß die in den Materialien zum UVG gegebene Begründung "da mit dem Gesetzesentwurf, auch international gesehen, weitgehend Neuland beschritten wird, durch die Vorschußleistungen dem Unterhaltsberechtigten vielfach nicht unbeträchtliche Beträge über einen längeren Zeitraum zugewendet werden und der Gesamtaufwand auf Grund des Gesetzesentwurfes nicht uferlos sein kann, muß der Kreis der Anspruchsberechtigten auf diese Weise begrenzt sein" (RV 5 BlgNR XIV. GP 10) eine Differenzierung zwischen Kindern, die sich im Ausland, und solchen, die sich im Inland aufhalten, sachlich nicht rechtfertige. Gerade bei der erstgenannten Gruppe könne ein besonders dringendes Bedürfnis zur Unterhaltssicherung bestehen.

Das antragstellende Gericht ist weiters der Ansicht, daß auch die Notwendigkeit einer Mißbrauchskontrolle das Abstellen auf den Aufenthalt des Minderjährigen im Inland nicht rechtfertige.

2.3. Die Bundesregierung betont, daß durch die Anknüpfung an das österreichische Personalstatut des anspruchsberechtigten Minderjährigen einerseits die einfache und zeitsparende Anwendung inländischen Rechts ermöglicht und andererseits eine möglichst große räumliche Nähe des Antragstellers zum vorschußbewilligenden Pflegschaftsgericht sichergestellt wird, sodaß dieses in die Lage versetzt wird, innerhalb vertretbarer Zeit Informationen über das Vorliegen bzw. Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen einzuholen.

Weiters hebt die Bundesregierung in ihrer Äußerung hervor, daß die räumliche Nähe des anspruchsberechtigten Kindes zum Pflegschaftsgericht und zum Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlichem Vertreter auch eine wichtige Vorkehrung gegen den Mißbrauch des Rechtsinstituts darstelle. Sie verdeutlicht diesen Umstand an folgendem Beispiel: Würde der Minderjährige im Ausland leben, so könnten dem Jugendwohlfahrtsträger bzw. dem Gericht sogar Fälle, in denen der Unterhaltsschuldner mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt und daher ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuß gemäß § 2 Abs 2 Z 1 UVG generell ausgeschlossen wäre, verborgen bleiben. Ebenso könnte der Umstand, ob der minderjährige Anspruchsberechtigte über eigene Einkünfte verfüge, nicht hinreichend überprüft werden. Die erforderliche Kontrolle und Durchführung der notwendigen Erhebungen sei außerhalb des Staatsgebietes der Republik Österreich nicht in der notwendigen Geschwindigkeit und im notwendigen Umfang durchführbar. Es müßte auf die Durchführung von Rechtshilfeverfahren zurückgegriffen werden, welche sich in der Regel als sehr zeitintensiv erweisen würden, sodaß es auch zur Gewährung weiterer Vorschüsse trotz Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen kommen könnte.

2.4. Das UVG zielt auf eine wirksame Sicherung bereits festgestellter Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder ab. Probleme bei der Hereinbringung des Unterhalts haben den Gesetzgeber bewogen, eine Einrichtung zu schaffen, die an Stelle des Unterhaltspflichtigen einspringt, die Unterhaltsbeiträge auszahlt und dann den Rückersatz vom Unterhaltspflichtigen eintreibt (vgl. RV 5 BlgNR XIV. GP 6).

Unterhaltsleistungen erfüllen ihrem Wesen nach in der Regel nur dann ihren Zweck, wenn sie vollständig und rechtzeitig erbracht werden (vgl. RV 5 BlgNR XIV. GP 8). Die Gewährleistung eines straffen, konzentrierten Verfahrens ist daher ein tragender Grundsatz des UVG.

Erfüllt der Unterhaltsschuldner seine Pflichten nicht, stehen dem Unterhaltsberechtigten zunächst die Mittel der gerichtlichen Zwangsvollstreckung zur Verfügung. Nur wenn auch eine Zwangsvollstreckung nicht erfolgreich ist, greift der Staat durch Gewährung der Vorschüsse ein. Der Schuldner wird dadurch nicht von seiner Zahlungspflicht befreit; die Ansprüche gegen ihn gehen auf den Staat über, soweit dieser Vorschüsse leistet.

2.5.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur zum Ausdruck gebracht, daß der Gesetzgeber bei Verfolgung familienpolitischer Ziele frei ist. Der dem Gesetzgeber grundsätzlich zustehende Gestaltungsspielraum wird durch das Gleichheitsgebot nur insoferne beschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht (VfSlg. 8073/1977).

Unter Hinweis auf diese ständige Judikatur erkannte der Verfassungsgerichtshof, daß eine Regelung, die einen Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, ausschließt, nicht gleichheitswidrig ist. Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er für Situationen Familienbeihilfe nicht gewährt, in denen sich die Förderung im Inland nicht auswirkt (VfSlg. 8541/1979).

In seinem Erkenntnis vom , B2366/00, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß eine gesetzliche Regelung, die den Anspruch auf eine der Familienförderung dienende Transferleistung an eine Nahebeziehung des anspruchsvermittelnden Kindes zum Inland bindet und hiebei auf dessen Aufenthalt abstellt, als solche keine verfassungsrechtlichen Bedenken erweckt. Solches zu normieren, fällt in die rechtspolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.

2.5.2. Bei dem Unterhaltsvorschuß und der Familienbeihife (mit der Ausnahme, daß die Familienbeihilfe zum Teil auch der notwendigen steuerlichen Entlastung der Unterhaltsverpflichteten dient) handelt es sich um vergleichbare Leistungen, zumal ihnen eine ähnliche familienpolitische Zielsetzung zugrunde liegt. Dies wird auch durch die Tatsache deutlich, daß die Mittel für beide Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen aufgebracht werden.

Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber, um einerseits rasche Abhilfe bei einer finanziellen Notlage eines unterhaltsberechtigten Minderjährigen zu schaffen und andererseits den Mißbrauch der von der öffentlichen Hand gewährten Mittel wirksam zu verhindern, ein straffes, unbürokratisches und schnell durchführbares Verfahren vorsieht und die Gewährung des Unterhaltsvorschusses auf Minderjährige beschränkt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Die Anknüpfung des § 2 Abs 1 UVG an einen inländischen Aufenthaltsort des Minderjährigen zur Gewährleistung eines rasch durchführbaren Verfahrens sowie zur Kontrolle von Mißbräuchen fällt in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Die Sachlichkeit der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 1 zweiter Satz UVG bestreitet auch das antragstellende Gericht nicht.

Die vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu. Der Gesetzesprüfungsantrag war infolgedessen abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.