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VfGH vom 03.03.2015, G107/2013

VfGH vom 03.03.2015, G107/2013

Leitsatz

Abweisung eines weiteren Individualantrags auf Aufhebung der Regelungen über das Verbot des Offenhaltens von Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr und an Sonntagen; kein Vorliegen einer entschiedenen Sache im Hinblick auf die vorgetragenen Bedenken zum Gleichheitssatz; normierte Ausnahmen vom allgemeinen Öffnungszeitenregime sachlich gerechtfertigt; keine unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung; keine Prüfung einer Verletzung der "unternehmerischen Freiheit" nach der EU-Grundrechte-Charta mangels Anwendbarkeit dieser Garantie

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag und Vorverfahren

1. Die antragstellenden Gesellschaften begehren gestützt auf Art 140 Abs 1 letzter Satz B VG idF BGBl I 2/2008 (nunmehr: Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG), folgende Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes 2003, BGBl I 48, idF BGBl I 62/2007 (in der Folge: ÖffnungszeitenG), als verfassungswidrig aufzuheben:

"[D]en gesamten zweiten Satz des § 3

den gesamten ersten Absatz des § 4

den gesamten ersten Absatz des § 5;

Eventualiter stellen [die antragstellenden Gesellschaften] den Antrag, nur zwei (bzw. nochmals eventualiter: eine) dieser vorbezeichneten Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben."

2. Die erste bis einschließlich die siebente der antragstellenden Gesellschaften traten schon im zu G66/2011 protokollierten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof als antragstellende Gesellschaften auf. Den zu G66/2011 protokollierten und auf Art 140 Abs 1 B VG idF BGBl I 2/2008 gestützten Antrag hatten sie im Wesentlichen damit begründet, die auch nunmehr im Verfahren zu G107/2013 protokollierten Antrag angefochtenen Bestimmungen des ÖffnungszeitenG seien verfassungswidrig, da diese sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzen würden. Der zu G66/2011 protokollierte Antrag der nunmehr ersten bis siebenten der antragstellenden Gesellschaften auf Aufhebung des § 3 zweiter Satz, des § 4 Abs 1 und des § 5 Abs 1 ÖffnungszeitenG wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom abgewiesen, im Übrigen wurde der Antrag zurückgewiesen (VfSlg 19.639/2012)

3. .

4. Zum nunmehrigen zu G107/2013 protokollierten Antrag wird begründend im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

1.1. Die antragstellenden Gesellschaften seien allesamt Eigentümer von für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen. Sie betrieben Verkaufsstellen iSd § 1 Abs 1 ÖffnungszeitenG in der Wiener "Lugner-City". Sie seien daher Adressaten der Anordnungen in den angefochtenen Bestimmungen. Durch diese seien die antragstellenden Gesellschaften unmittelbar in ihren Rechten verletzt, da die angefochtenen Bestimmungen zwingend anordneten, die für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Verkaufsstellen der antragstellenden Gesellschaften an Samstagen nach 18 Uhr und an Sonntagen zur Gänze geschlossen zu halten. Längere Offenhaltezeiten – insbesondere zu nachfrageintensiven Zeiten vor kulturellen Anlässen und Messeterminen und insbesondere an Samstagen nach 18 Uhr und an Sonntagen – führten für sie zu höheren Umsätzen. Das Verbot der Öffnung der Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr und an Sonntagen sei ein für die antragstellenden Gesellschaften nachteiliger Rechtseingriff, durch den nicht nur deren wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt, sondern auch in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften nachteilig eingegriffen werde. Die rechtlich geschützten Interessen der antragstellenden Gesellschaften seien aktuell beeinträchtigt, da diese täglich bzw. wöchentlich zu den im ÖffnungszeitenG festgelegten Zeiten ihre Verkaufsstellen geschlossen zu halten hätten. Sie seien an jedem Samstagabend bzw. Sonntag erneut daran gehindert, ihre Geschäfte offen zu halten. Dieser Rechtsnachteil sei für die antragstellenden Gesellschaften tatsächlich und ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam. Es mangle an einem anderen zumutbaren Weg, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

1.1.1. Im Hinblick auf das im Verfahren zu G66/2011 gefällte Erkenntnis VfSlg 19.639/2012 (s. oben 2 .) liege keine res iudicata vor. Der Verfassungsgerichtshof habe sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der im Antrag aufgeworfenen Fragen zu beschränken. Folglich habe er im Falle eines Individualantrages zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig sei. Der Verfassungsgerichtshof habe sich daher im Verfahren zu G66/2011 ausschließlich auf die im Individualantrag zu diesem Verfahren geltend gemachte "Kongruenz der angefochtenen Bestimmungen mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG" zu beschränken gehabt. Mit dem nunmehrigen Antrag werde nicht ein Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG, sondern ein Verstoß gegen andere verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geltend gemacht.

1.2. Auf Grund des ÖffnungszeitenG sei es den antragstellenden Gesellschaften untersagt, ihre Geschäfte an Sonntagen zu öffnen, während die Sonntagsöffnung beispielsweise für Verkaufsstellen in Bahnhöfen, Flughäfen, Tankstellen und an Schiffslandeplätzen erlaubt sei. Das Offenhalten an Sonntagen sei auch in Tourismusgebieten "saisonbegrenzt und infolge Verordnung des jeweiligen Landeshauptmannes" zulässig. Darin erblickten die antragstellenden Gesellschaften einen Verstoß gegen ihre verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte,

"und zwar zuvörderst aus den tragenden objektiven Erwägungen

 dass Beispiele aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass sozialpolitische Interessen ein generelles Verbot des Offenhaltens an Samstagabenden und Sonntagen, wie es derzeit in Österreich für die Antragsteller gilt, nicht rechtfertigen könnten,

 dass insofern eine Diskriminierung vorliegt und eine Ungleichbehandlung in Österreich gegenüber anderen europäischen Ländern,

 dass es sich außerdem auch um eine Ungleichbehandlung in Österreich handelt, zumal das die Antragsteller treffende Verbot der Sonntagsöffnung in Österreich einerseits und die die ganzjährige Zulässigkeit der Sonntagsöffnung für Tourismusgebiete […], Bahnhöfe, Flughäfen, Schiffslandeplätze, Tankstellen in Österreich andererseits eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstellt,

 dass die Berücksichtigung religiöser und familiärer Bedürfnisse der Arbeitnehmer und deren Familien möglich ist, da der Gesetzgeber ein generelles Offenhalten an Sonntagen erst ab Mittag zulassen könnte und da die Arbeit der Arbeitnehmer am Sonntag ja freiwillig ist,

 dass die grundsätzliche Zielsetzung von ausreichenden Ruhezeiten für Arbeitnehmer nicht zwingend ein Sonntagsöffnungsverbot erfordert,

 dass es sich überdies bei den Wochenenden mehrheitlich nicht um Festtage handelt, welche die Arbeitnehmer möglicherweise im Kreis der Familie verbringen möchten – was durch eine generelle Erlaubnis der Sonntagsöffnung in keiner Weise verunmöglicht wäre, weil für Festtage ja ohnedies eigene Regelungen gelten,

 und dass, obzwar der Schutz sozialpolitischer Interessen ein legitimes Ziel der Beschränkung einer gewerblichen Tätigkeit sein kann, dies jedenfalls nicht Aufgabe des Öffnungszeitenrechts ist bzw. sein dürfte (sondern des Arbeitsrechts)."

1.3. Die angefochtenen Bestimmungen verstießen gegen den Gleichheitssatz gemäß Art 7 B VG und Art 2 StGG. Zunächst bestehe eine Ungleichbehandlung innerhalb Österreichs. Verkaufsstellen auf Bahnhöfen und Flughäfen hätten sonntags geöffnet. Verkaufsstellen in Einkaufszentren – wie zB in der "Lugner-City" – müssten am Sonntag geschlossen sein. Dies sei für sich schon eine Ungleichbehandlung. Durch den Umstand, dass an Bahnhöfen und Flughäfen aber nicht nur Reisende, sondern auch Nicht-Reisende einkaufen könnten, falle jede "auch nur theoretisch denkbare Rechtfertigung für ein Offenhalten auf Flughäfen und [Bahnhöfen]" weg. Eine Ungleichbehandlung ergebe sich auch durch Tankstellen, die sonntags offenhalten könnten, sowie durch "Ausnahmen für Tourismusgebiete". "Illustrativ" sei auch auf die Ungleichbehandlung innerhalb Europas und die wettbewerbsverzerrende Benachteiligung zu verweisen:

"Weil die Verkaufsläden in den Einkaufszentren in Österreich am Sonntag geschlossen halten müssen, erfolgen Konsumenten-Abwanderungen nach Kleinhaugsdorf, was sich im Grenzgebiet zwischen Österreich und Tschechien befindet, nach Bratislava zu den Einkaufszentren Aupark, Avion Shopping Park, Polus (City Center), Danubia und Eurovea – wofür in österreichischen Tageszeitungen mit der Sonntagsöffnung geworben wird, um österreichische Kunden dort hinzubringen –, weiters nach Sopron in Ungarn, nach Laibach in Slowenien, nach Tarvis und Udine in Italien und nach Bayern in Deutschland. Überall dort ist die Öffnungssituation weitaus liberaler und konsumentenfreundlicher als in Österreich: So können in Tschechien, in der Slowakei und in Ungarn die Geschäfte ohne Begrenzungen offenhalten. In Italien ist die Sonntagsöffnung seit freigegeben und werden daher die Geschäfte in Tarvis und Udine am Sonntag offengehalten. In Bayern sind die Geschäfte wochentags inklusive samstags bis 20 Uhr geöffnet (während sie in Österreich samstags nur bis 18 Uhr geöffnet sein dürfen). Dies bewirkt unweigerlich einen massiven Kaufkraftabfluss von Österreich weg und gerade zu den genannten Orten in den Grenzländern hin und verursacht markante Nachteile für die in ihrer unternehmerischen Freiheit eingeschränkten österreichischen Handelstreibenden.

Gerade am Wochenende und insbesondere am Sonntag haben die Leute Zeit zum Einkaufen und das tun sie dort, wo die Geschäfte offen sind, und nicht dort, wo sie zu sind. Daher bewirken die unterschiedlichen Öffnungszeitenregelungen als Konsequenz unweigerlich eine Kaufkraftabwanderung und eine grenzüberschreitende Wettbewerbsverzerrung. Es geht dabei um Österreicher, die im Ausland einkaufen, um kaufkräftige Konsumenten, die am Wochenende Impulskäufe tätigen, und um Wochenendtouristen, deren Kaufkraft gar nicht erst in Österreich zur Geltung kommt, denn die Wochenendtouristen, die nach Österreich kommen, machen zunächst samstags eine Stadtrundfahrt, dann sind ab 18 Uhr am Samstag sowie ganztags am Sonntag die Geschäfte geschlossen und am Montag sind sie wieder daheim. Kaufen können sie in österreichischen Geschäften nichts. Dafür tätigen sie dann ihre Einkäufe nach Rückkehr ins Ausland. Das ist ein Nachteil des österreichischen Handels gegenüber dem EU-Ausland wie Ungarn, Slowakei, Tschechien und Italien.

Weiters geht es – in innerstaatlicher Hinsicht – um den (auch in Österreich unmittelbar wirksamen und somit in seiner Auswirkung eine weitere innerstaatliche Ungleichbehandlung bewirkenden) Onlinehandel, der – da die Geschäfte in Österreich am Sonntag nicht offenhalten dürfen – ebenfalls eine Ungleichbehandlung bewirkt. Der Onlinehandel ist zu 50 Prozent in ausländischer Hand (Amazon). Er macht einen beträchtlichen Teil vom gesamten Handel aus (derzeit 6 %, mit stark steigender Tendenz) und die Konsumenten werden am Sonntag mit speziellen Konditionen (Preisnachlässen) im Onlinehandel gelockt. Sie kaufen natürlich im Onlinehandel (selbst ohne diese Lockungen), weil sie ja am Sonntag nicht in österreichischen Geschäften einkaufen können und ihnen somit nur der Einkauf im Ausland oder eben über den Onlinehandel zur Verfügung steht. Sogar Abholmöglichkeiten am Sonntag bietet der Online-Handel, der dadurch die Kunden lockt und zu Käufen am Sonntag animiert, ohne an irgendwelche Öffnungszeitenbeschränkungen gebunden zu sein. Dieser Online-Handel zerstört die stationären Handelsstrukturen und bewirkt eine weitere grenzüberschreitende Wettbewerbsverzerrung.

Hinzu kommt, dass der keinerlei Regulatorien unterliegende Online-Handel bis zu 95 %-Rabatt-Aktionen (so geschehen bei der sogenannten Black-Friday-Aktion am ) durchführt und dem an Öffnungszeiten gebundenen stationären Handel bereits jetzt 10 % des Umsatzes (dies mit steigender Tendenz) wegnimmt. Dieser Onlinehandel nimmt Bestellungen rund um die Uhr entgegen und liefert auch sonntags aus. Für den Onlinehandel gelten keine Handelsbeschränkungen. Dies stellt einen weiteren Aspekt des aufgezeigten Missverhältnisses dar und lässt die Unsachlichkeit der – einseitig geltenden – Öffnungszeitenregelungen erkennen.

Dadurch gehen Arbeitsplätze verloren und die Mehrwertsteuer entfällt bei den 50 % nicht-österreichischen Anbietern. Der Onlinehandel setzt österreichweit Millionen um, deren Mehrwertsteuer jedoch dem Auslande zufliegt. Dies bewirkt einen hohen Mehrwertsteuerverlust – zum Nachteil des österreichischen Staates und der österreichischen Bevölkerung.

Der Online-Handel schöpft aktuell 10 % des Handelsumsatzes ab, weil es für ihn keine Zeitbeschränkungen gibt.

Der Online-Handel findet auf der grünen Wiese mit Hilfskräften statt, während der stationäre Handel in der Stadt mit qualifizierten Fachkräften erfolgt und Umsätze sichert. Es werden beim – übrigens generell auch missbrauchsanfälligen – Onlinehandel zudem auch Abholmöglichkeiten geboten, was eine Umgehung der Sonntagsruhe im Handel bewirkt. Statt solcher wettbewerbsverzerrender Umwege für einige wäre eine generelle Freigabe der Sonntagsöffnung ab 12 Uhr für alle fair.

Dies auch in Wahrung der kirchlichen Gepflogenheiten im überwiegend katholischen Österreich, weil es zu bedenken gilt, dass eine Sonntagsöffnung wie bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 erst ab 12 Uhr den traditionellen Kirchgang am Sonntag in keiner Weise tangieren würde.

Als Parade-Beispiel für die Sinnhaftigkeit der Sonntagsöffnung dient eine konkrete Sachverhaltskonstellation, die in der Lugner-City empirisch erwiesen wurde:

Als die Lugner-City einst zur Fußball-Europameisterschaft 2008 an vier Sonntagen je sechs Stunden (von 12 bis 18 Uhr) offenhielt, brachte das einen um 70,5 % höheren Stundenumsatz als die Stundenumsätze in den anderen Stunden der restlichen Tage in der gleichen Woche. Das beweist, dass die Sonntagsöffnung ein Mehr an Kauftätigkeit mit sich bringt. Und wenn diese Sonntagsöffnung (und die Öffnung insbesondere am Samstag – dem umsatzstärksten Tag – zeitlich sehr beschränkt ist) fehlt, dann fehlt auch dieses Mehr an Kauftätigkeit bzw. wandert die diesbezügliche Kaufkraft eben in andere Länder und zum Onlinehandel ab.

All das führt zu einer Ungleichbehandlung und Wettbewerbsverzerrung in hohem Ausmaß und es sollte durch eine Lockerung der Öffnungszeitenregelungen die verfassungsmäßig garantierte unternehmerische Freiheit gestärkt werden.

Da es eben aufgrund des Öffnungszeitengesetzes in Österreich den Einkaufszentren grundsätzlich verboten ist, die Geschäfte am Sonntag offenzuhalten, während die Sonntagsöffnung in vielen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und insbesondere auch in an Österreich angrenzenden Ländern, erlaubt ist, verzerrt dies den Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union, weil die Konsumenten am Sonntag eben in den angrenzenden Ländern Österreichs - z.B. Tschechien, Slowakei, Ungarn und Italien - einkaufen, in Österreich jedoch nicht. Ebenso sind auch Wochenendtouristen aus den angrenzenden Ländern Österreichs daran gehindert, in Österreich in einer ihren Gewohnheiten entsprechenden Weise einzukaufen. Damit ist eine massive Wettbewerbsverzerrung gegeben; und ebenso ist sie durch den bereits erwähnten Onlinehandel gegeben.

Gleiches gilt für die Öffnungszeitenbeschränkungen am Abend – insbesondere am Samstag als dem umsatzstärksten Handelstag.

Festzuhalten ist in Sachverhaltshinsicht überdies, dass die LUGNER-City während der Fußball-Europameisterschaft im Juni 2008 an den 4 Sonntagen des Monats die Geschäfte offen hielt und der Stundenumsatz um 70,5 Prozent höher war als in den Stunden der gleichen Wochen im Wochendurchschnitt. In 45 % der Geschäfte war der Sonntagsumsatz in den 6 offenen Stunden (12:00-18:00 Uhr) der beste Tagesumsatz der Woche, obwohl die Geschäfte Montag bis Mittwoch 10 Stunden und Donnerstag, Freitag 12 Stunden geöffnet hatten.

Daraus ist ersichtlich, dass ein Offenhalten am Sonntag ein Umsatzplus mit sich bringt. Und umgekehrt, dass das Verbot eines Offenhaltens am Sonntag Umsatzeinbußen mit sich bringt – jedenfalls gegenüber anderen Geschäften, die am Sonntag aufgrund von extensiven Ausnahmeregelungen in Österreich offenhalten dürfen (beispielsweise in Tourismusgebieten, auf Bahnhöfen, Flughäfen, Schiffslandeplätzen und Tankstellen).

Überdies besteht auch ein markanter Nachteil österreichischer Geschäfte gegenüber Geschäften in Nachbarländern Österreichs, in denen keine oder weniger gesetzliche Öffnungsbeschränkungen bestehen.

Das mitunter gegen die Sonntagsöffnung ins Treffen geführte Argument, es sei nicht mehr Kaufkraft da als eben da sei und diese würde sich lediglich verteilen, es würden also bei Sonntagsöffnungsfreigabe bloß Umsatzverlagerungen stattfinden, wird durch internationale Beispiele, aber auch durch innerstaatliche Beispiele wie die Sonntagsöffnung bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 klar widerlegt. Aber auch die überlaufenen Billa-Filialen am Praterstern und am Franz-Josefs-Bahnhof in Wien zeigen, dass die Kundennachfrage am Sonntag vorhanden ist.

Dies indiziert in wirtschaftlicher Hinsicht einen Öffnungsbedarf ab 12 Uhr am Sonntag, und zwar, nebst all dem bereits Dargelegten, insbesondere auch in Anbetracht von:

 Impulskäufen von Besserverdienenden

 Wochenendtourismuskäufen in Österreich (gerade bei Wochenendreisen sind Touristen einkaufs- und ausgabengeneigt)

 sowie in Anbetracht der positiven Folgen, welche eine Freigabe der Sonntagsöffnung in Österreich mit sich bringen würde:

 der Grund für die sonntägliche Abwanderung kaufwilliger österreichischer Kunden ins Ausland (Kleinhaugsdorf, Bratislava, Sopron, Laibach, Tarvis etc.) würde entfallen;

 das Weihnachtsshopping österreichischer Kunden im Ausland würde teilweise entfallen;

 der Online-Handel und damit die Bevorzugung von zu 50 % in ausländischer Hand befindlichen Unternehmensgruppen würde eingedämmt;

 es würden zusätzlich 10.000 Arbeitsplätze in Österreich […] geschaffen und 100 Millionen Euro an zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen generiert werden (wobei dies bei einem Mwst.-Umsatzanteil von 500 Millionen Euro sehr niedrig gegriffen ist, ganz abgesehen vom erwarteten Umsatzanteil durch den Sonntagsverkauf)." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

1.4. Die angefochtenen Bestimmung griffen auch in unzulässiger Weise in das den antragstellenden Gesellschaften verfassungsgesetzlich gewährleistete "Eigentumsgrundrecht" nach Art 5 StGG und Art 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK (in der Folge: ZPEMRK) ein. Dieses Grundrecht schütze nicht nur vor einem Entzug des Eigentums im engeren Sinne, sondern auch vor einer Beeinträchtigung der "Benutzung" des Eigentums. Eine Beeinträchtigung der Eigentumsnutzung in Form von Handelsausübungsbeschränkungen sei zufolge des Urteils des EGMR im Fall Handyside (EGMR , Fall Handyside , Appl. 5493/72, EuGRZ 1977, 38) ebenfalls ein Verstoß gegen dieses Grundrecht. Eine Beeinträchtigung der Eigentumsnutzung liege durch das Sonntagsöffnungsverbot und das Verbot, an Samstagen nach 18 Uhr die Geschäfte offen zu halten, vor: Denn wer sonntags nicht offenhalten dürfe, verkaufe – jedenfalls am Sonntag – weniger als jene, die sonntags offenhalten dürfen, denn der Konsument kaufe am Sonntag bei jenen, die offenhalten. Damit seien das Eigentum, dessen Nutzung und Mehrung, sowie die damit verbundenen Dispositionsmöglichkeiten der antragstellenden Gesellschaften nachhaltig beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigungen seien unverhältnismäßig und exzessiv. Sie seien auch nicht durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt, weil die Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung für ein Offenhalten der Geschäfte an Samstagabenden und Sonntagen sprächen. Ebenso seien auch die Bedürfnisse der Handelsangestellten durch ein Offenhalten an Samstagabenden und Sonntagen "positiv bedient", weil diese hundertprozentige Zuschläge bekämen und sich somit ihre wirtschaftliche Situation verbessere.

1.5. Die mit dem Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit verbundene Ungleichbehandlung bewirke auch einen Verstoß gegen Art 14 EMRK. Die ausnahmslose Geltung der Wochenendruheregelungen für die antragstellenden Gesellschaften und das Bestehen zahlreicher Ausnahmen von den Wochenendruheregelungen für andere – beispielsweise für Tourismusgebiete, Bahnhöfe, Flughäfen, Schiffslandeplätze, Tankstellen – stelle eine Hintansetzung dieses öffentlichen Interesses und "eine des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art 7 B VG und damit auch einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK in Verbindung mit Art 1 des 1. ZPEMRK" dar. Denn wenn die Wochenendruhe allgemein gelten solle, dann könne es unter dem Blickwinkel des Diskriminierungsverbotes nicht angehen, durch die zahlreichen Ausnahmen von der Wochenendruhe "selbige in einer ihren Wesenskern gefährdenden Weise" zu durchlöchern.

1.6. Auch das durch Art 13 EMRK gewährleistete Recht auf eine wirksame Beschwerde sei verletzt, weil die antragstellenden Gesellschaften keine Möglichkeit hätten, "eine innerstaatlich wirksame Beschwerde im ordentlichen Rechtszug zu erheben".

1.7. Schließlich sei auch "das im jüngsten Schrifttum ( Storr : in: Festschrift für Walter Berka, herausgegeben von Rudolf Feik und Roland Winkler, Verlag Sramek, Wien 2013) anerkannte Grundrecht der unternehmerischen Freiheit" verletzt. Die unternehmerische Freiheit sei ein in der Verfassung verankertes Grundrecht, das nur im öffentlichen Interesse eingeschränkt werden dürfe. Derzeit erfahre dieses Grundrecht jedoch angesichts der in Österreich vorherrschenden "rechtlichen Realität" eine unverhältnismäßige Durchlöcherung durch eine Vielzahl von Ausnahmen, die zu einem Ungleichgewicht und einer Benachteiligung des gesamten stationären Handels führten. Auf Flughäfen und Bahnhöfen dürften beispielsweise, wenn ein Bedarf für Reisende bestehe, Verkaufsstellen auf über achtzig Quadratmetern Fläche errichtet werden. In diesen Geschäften dürften und könnten ausnahmslos alle Kunden und nicht nur Reisende einkaufen. Selbige Situation sei in Fremdenverkehrsgebieten und im Hinblick auf Tankstellen vorzufinden. Diese Beispiele zeigten, dass es "markante Ausnahmen" von den für die antragstellenden Gesellschaften geltenden Öffnungszeitenregelungen gebe. Dies durchlöchere das Öffnungszeitenregime und benachteilige die antragstellenden Gesellschaften und den stationären Handel in unvertretbarem und existenzgefährdendem Ausmaß, da deren (nur im öffentlichen Interesse einschränkbare) unternehmerische Freiheit "durch das sie mit voller Wucht treffende gesetzliche Öffnungsverbot in exzessiver Weise eingeschränkt" sei. Den anderen sei im Hinblick auf die Sonntagsöffnung fast alles erlaubt, den antragstellenden Gesellschaften dagegen kaum etwas.

1.8. "Unter dem Aspekt unionsrechtskonformer Interpretation" sei anzumerken, dass das grundsätzliche Verbot der Sonntagsöffnung im Widerspruch zum Ziel der Europäischen Union einer einheitlichen Wirtschaftsunion stehe und eine "markante grenzüberschreitende Wettbewerbsverzerrung" bewirke. Dies widerspreche unter anderem Art 7a EUV, Art 56 AEUV, dem Titel II des AEUV, Art 120 und Art 121 AEUV, sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Insbesondere bewirkten die "unterschiedlichen Öffnungszeiten in einzelnen EU-Ländern" eine Ungleichbehandlung, die eine Diskriminierung, einen Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht, eine Beeinträchtigung des freien Erwerbs und einen Verstoß gegen die unternehmerische Freiheit iSd Art 16 GRC und der Art 3 Abs 3, 119 und 120 AEUV nach sich zögen.

5. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der den im Antrag erhobenen Bedenken entgegengetreten wird:

6.

"I.

Zu den Prozessvoraussetzungen:

[…]

2. Die Bundesregierung geht im Lichte des Erkenntnisses VfSlg 19.639/2012, mit dem der Verfassungsgerichtshof die Anträge der – teilweise auch im vorliegenden Verfahren – antragstellenden Parteien auf Aufhebung des § 3 zweiter Satz, des § 4 Abs 1 und des § 5 Abs 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 in der geltenden Fassung für zulässig erachtet hat, davon aus, dass die Prozessvoraussetzungen vorliegen […]. Aufgrund der im vorliegenden Verfahren teilweise neu vorgebrachten Bedenken (insbesondere zu Art 13 EMRK) steht auch die Rechtskraft des Erkenntnisses VfSlg 19.639/2012 einer neuerlichen Prüfung dieser Bestimmungen nicht entgegen (vgl. VfSlg 16.374/2001).

II.

1. Zu den vorgebrachten Bedenken:

[…]

1.1. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B VG und Art 2 StGG):

Die antragstellenden Parteien bringen vor, dass die Sonderregelungen zu Gunsten von Verkaufsstellen in Bahnhöfen, auf Flughäfen und an Schiffslandeplätzen (§7 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003), für Tankstellen (§2 Z 3 leg. cit.) und für Tourismusgebiete (§5 Abs 2 leg. cit. ermöglicht im Falle besonderen regionalen Bedarfes eine Ausweitung der Öffnungszeiten durch Verordnung des Landeshauptmannes) einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bewirken.

Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. z.B. VfSlg 14.039/1995,16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten:

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis VfSlg 19.639/2012 bereits mit einer implizit behaupteten Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen auseinandergesetzt und gab das diesbezügliche Antragsvorbringen unter Pkt. 4.3. wie folgt wieder:

'Weiters wird vorgebracht, dass das ausnahmslose Verbot des Offenhaltens an Samstagabenden und Sonntagen im Vergleich zur Ausnahmebestimmung des § 5 Abs 2 ÖffnungszeitenG nicht sachlich nachvollziehbar sei. Die Ermächtigung sei auf Fälle eines besonderen regionalen Bedarfs beschränkt und schließe Fälle eines besonderen zeitlichen bzw. saisonalen Bedarfs aus; diese unterlägen somit weiterhin dem allgemeinen Offenhalteverbot. Der Gesetzgeber gewähre in einem Fall eine Erleichterung von der Beschränkung der Erwerbsfreiheit, ohne jedoch in einem ähnlichen Fall eine (die entgegengesetzten Interessen sogar weniger beschränkende) Erleichterung vorzusehen.'

In den Erwägungen führte der Verfassungsgerichtshof dazu unter Pkt. 3.3.2. aus:

'Soweit die antragstellenden Gesellschaften implizit eine Schlechterstellung ihrer Verkaufsstellen gegenüber anderen Geschäften geltend machen, die auf Grund von Ausnahmen günstigeren Bestimmungen unterliegen (zB Verkaufsstellen an Bahnhöfen oder in Tourismusgebieten), so ist ihnen entgegenzuhalten, dass diese Ausnahmen an bestimmte im Gesetz umschriebene Voraussetzungen materieller oder verfahrensrechtlicher Art geknüpft sind, die ihrerseits den Anforderungen der Bundesverfassung entsprechen müssen. Allfällige Defizite in der Vollziehung der Ausnahmeregelungen machen den Grundtatbestand in einem Fall wie diesem nicht verfassungswidrig.'

Da der Verfassungsgerichtshof – aufgrund inhaltlich gleich gelagerter Bedenken – somit eine inhaltliche Prüfung der angefochtenen Bestimmungen am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes bereits vorgenommen und diese insofern für unbedenklich erachtet hat, ist ihm aufgrund der Rechtskraft des Erkenntnisses VfSlg 19.639/2012 eine neuerlichen Prüfung der angefochtenen Bestimmungen im Hinblick auf das diesbezügliche Bedenken verwehrt (vgl. VfSlg 16.374/2001 mwH sowie VfSlg 13.221/1992).

Selbst unter der Annahme aber, dass im vorliegenden Verfahren ein neues Vorbringen in Bezug auf Art 7 B VG bzw. Art 2 StGG erstattet wurde, besteht kein Anlass für eine andere Beurteilung der nunmehr vorgebrachten Bedenken. So hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 19.639/2012 Ladenschlussregelungen am Wochenende grundsätzlich für verfassungsmäßig erachtet und dazu ausgeführt:

'Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis VfSlg 16.484/2002 ausgesprochen, dass das Verbot des Offenhaltens an Samstagnachmittagen angesichts der besonderen Funktion des Wochenendes prinzipiell verfassungsmäßig ist und dass die mit diesem Verbot verbundenen öffentlichen Interessen von erheblichem Gewicht sind. Das gilt auch für Regelungen, die einen allgemeinen Ladenschluss an Sonn- und Feiertagen (und an Samstagabenden) anordnen; dem öffentlichen Interesse an solchen Regelungen kommt demgemäß ein erhebliches Gewicht zu, das größer ist als das Gewicht der Nachteile für die Unternehmer, die Beschränkungen ihrer zeitlichen Dispositionsmöglichkeiten während der zweiten Hälfte des Wochenendes hinnehmen müssen.'

Nach Ansicht der Bundesregierung ändert der Umstand, dass der Gesetzgeber für bestimmte Verkaufsstellen Ausnahmeregelungen vorgesehen hat, an der Verfassungsmäßigkeit dieser Ladenschlussregelungen nichts:

§5 Abs 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 gestattet die Öffnung von Verkaufsstellen an Wochenenden, wenn durch Verordnungen gemäß Abs 2 bis 4 leg. cit. bestimmte Offenhaltezeiten festgelegt wurden. Der – im vorliegenden Verfahren nicht angefochtene – § 5 Abs 2 leg. cit. ermächtigt den Landeshauptmann – entgegen dem Antragsvorbringen – nicht nur in Tourismusregionen (vgl. Pkt. 1.2. des Allgemeinen Teiles der ErlRV 80 BlgNR 22. GP 3), sondern allgemein für 'Verkaufstätigkeiten, für die an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen oder an Montagen bis 6 Uhr ein besonderer regionaler Bedarf besteht', die Öffnungszeiten auf diese Zeiträume auszudehnen, wobei dabei sowohl räumliche (ganzes Land oder nur ein Teilgebiet) als auch zeitliche (das ganze Jahr über oder nur saisonal oder nur an bestimmten Tagen) Aspekte zu berücksichtigen sind. Der Gesetzgeber hat somit eine Regelung geschaffen, die es ermöglicht, über die (unbedenklichen) allgemeinen Öffnungszeiten hinaus auch an den Wochenenden – hinsichtlich diesen ist der Ladenschluss durch das vom Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund der Erwerbsausübungsfreiheit anerkannte besondere Ziel der Wahrung der sozial- und familienpolitischen Funktion des Wochenendes gerechtfertigt (vgl. VfSlg 19.639/2012, sowie VfSlg 12.094/1989 und 15.305/1998) – Ausnahmen vorzusehen, soweit diesbezüglich ein besonderer Bedarf besteht. Inwiefern der Inhalt des § 5 Abs 2 leg. cit., der die Vollziehung im Rahmen der Verordnungsermächtigung verpflichtet, den Bedarf an Ladenöffnungszeiten zu ermitteln und bei der Verordnungserlassung zu berücksichtigen, zur Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen führen soll, ist nicht nachvollziehbar (s. VfSlg 19.639/2012).

Über diese Verordnungsermächtigung hinaus hat der Gesetzgeber bestimmte Verkaufsstellen, an deren Öffnung außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten generell ein besonderes Interesse besteht, vom Öffnungszeitengesetz 2003 ausgenommen (Tankstellen) bzw. für diese (taxativ) explizite Sonderregelungen getroffen (u.a. Bahnhöfe, Flughäfen und Schiffslandeplätze, also bestimmte wichtige öffentliche Verkehrsknotenpunkte). Dabei hat der Gesetzgeber – um damit einhergehende Wettbewerbsverzerrungen soweit als möglich hintanzuhalten – entsprechende Vorkehrungen getroffen (z.B. durch Beschränkung der Verkaufsfläche) und das Warenangebot im Wesentlichen auf Lebensmittel und Reisebedarf eingeschränkt (vgl. § 2 Z 3 des Öffnungszeitengesetzes 2003 iVm § 157 Abs 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994 sowie § 7 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003; vgl. auch die ErlRV 80 BlgNR 22. GP 5 zu § 7 sowie die ErlRV 140 BlgNR 23. GP 3 zu § 2 Z 3). Die Entscheidung, gerade an solchen Orten, an denen auch an den Wochenenden erhöhtes Verkehrsaufkommen besteht, Verkaufstätigkeiten auch zu diesen Zeiten zu erlauben und dadurch den besonderen Bedürfnissen von Reisenden Rechnung zu tragen, liegt jedenfalls innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers (vgl. VfSlg 15.305/1998, 19.639/2012; vgl. auch VfSlg 15.316/1998). Dass die dadurch geschaffenen Einkaufsmöglichkeiten auch von anderen Personen genutzt werden können, macht diese Regelung nicht unsachlich.

Soweit die antragstellenden Parteien die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der angefochtenen Bestimmungen in Frage stellen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass die Frage, ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden kann (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

Hinsichtlich des Versandhandels, der nunmehr in der Form des Online- bzw. Internethandels ausgeübt wird, teilt die Bundesregierung im Ergebnis die Rechtsauffassung des OGH, nach der der Versandhandel nicht in den Anwendungsbereich des Öffnungszeitengesetzes 2003 fällt ( 8 Ob A 238/98 b […]).

Soweit die antragstellenden Parteien im Zusammenhang mit dem Gleichheitsgrundsatz eine unsachliche Benachteiligung gegenüber EU-Nachbarländern, in denen die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen abweichende Öffnungszeitenregelungen vorsehen, behaupten, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der Gleichheitsgrundsatz den Gesetzgeber dazu zwingt, gleiche Sachverhalte innerhalb des (räumlichen) Geltungsbereiches des betreffenden Gesetzes nicht ungleich zu regeln. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch unterschiedliche Regelungen der Öffnungszeiten in Rechtsordnungen anderer europäischer Staaten kommt daher nicht in Betracht. Es liegt auch kein Fall der Inländerdiskriminierung vor, weil die angefochtenen Bestimmungen unterschiedslos für Verkaufsstellen österreichischer Unternehmen sowie von Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten im Inland gelten.

1.2 Zu den Bedenken im Hinblick auf das Eigentumsrecht (Art5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK):

Sowohl das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG als auch der durch Art 1 1. ZPEMRK verbriefte Schutz des Eigentums stehen unter Gesetzesvorbehalt. Die angefochtenen Bestimmungen sind aus den oben genannten Gründen sachlich gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig (vgl. auch die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes zur Erwerbsfreiheit in VfSlg 19.639/2012). In der Folge kommt auch der behauptete Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (Art14 EMRK iVm Art 1 1. ZPEMRK) nicht in Betracht.

1.3 Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf wirksame Beschwerde (Art13 EMRK iVm Art 1 1. ZPEMRK):

Das in den angefochtenen Bestimmungen festgelegte Verbot der Samstagabend- und Sonntagsöffnung kann von den antragstellenden Parteien durch Individualantrag gemäß Art 140 B VG unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden. Darüber hinaus bestünde – im Falle der Verhängung einer Verwaltungsstrafe aufgrund von Verstößen gegen diese Bestimmungen, was dem Antragsvorbringen zufolge hier jedoch nicht vorliegt – die Möglichkeit, die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen im Rahmen einer Erkenntnisbeschwerde gemäß Art 144 B VG geltend zu machen.

Die Behauptung, dass den antragstellenden Parteien eine wirksame Beschwerdemöglichkeit vorenthalten wird, trifft daher nicht zu.

1.4 Zur Verletzung des 'Grundrechts auf unternehmerische Freiheit':

Ein über das in Bezug auf Öffnungszeiten bedeutsame Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art 6 StGG hinausgehendes Grundrecht auf 'unternehmerische Freiheit' ist in der Bundesverfassung nicht normiert. Im Antrag wird auch keine Rechtsgrundlage für ein solches Grundrecht angeführt. Was die im Antrag angeführten Gründe einer Verletzung des von den Antragstellern postulierten 'Grundrechtes auf unternehmerische Freiheit' betrifft, verweist die Bundesregierung auf ihre Ausführungen unter Punkt II.1.1.

1.5 Zum Vorbringen im Zusammenhang mit dem Unionsrecht:

Soweit die antragstellenden Parteien rügen, dass das Verbot der Sonntagsöffnung in Österreich gegenüber angrenzenden EU-Mitgliedstaaten, in denen diese erlaubt sei, in Widerspruch zu näher bezeichneten unionsrechtlichen Bestimmungen stehe, weist die Bundesregierung darauf hin, dass das Unionsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes keinen Maßstab im verfassungsgerichtlichen Verfahren darstellt (z.B. ; , B1537/2012; , B19/2013). Daran ändert im vorliegenden Fall auch das Erkenntnis VfSlg 19.632/2012, in dem der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass die in der Grundrechte-Charta verankerten Rechte als Prüfungsmaßstab in Normenprüfungsverfahren maßgeblich sind, nichts, zumal die antragstellenden Parteien lediglich allgemein auf die Grundrechte-Charta bzw. deren Art 16 (Unternehmerische Freiheit) verweisen, jedoch keine konkreten Bedenken im Hinblick auf diese Bestimmung darlegen. Im Übrigen verweist die Bundesregierung im Hinblick auf Art 16 Grundrechte-Charta auf die Ausführungen unter Pkt. 1.2. sowie das Erkenntnis VfSlg 19.639/2012.

Lediglich ergänzend sei bemerkt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom , Rs. C-84/94, ausgesprochen hat, dass der Einschluss des Sonntages in die wöchentliche Mindestruhezeit in Anbetracht der Unterschiedlichkeit der kulturellen, ethnischen und religiösen Faktoren in den einzelnen Mitgliedstaaten letztlich von diesen abhängt (Rz 37; vgl. auch VfSlg 16.484/2002)."

Die Bundesregierung beantragt, die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung wird der Antrag gestellt, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B VG für das Außerkrafttreten eine Frist von zwölf Monaten bestimmen.

7. Die antragstellenden Gesellschaften erstatteten in der Folge eine Stellungnahme zur Äußerung der Bundesregierung sowie eine weitere Äußerung.

Sie verweisen darauf, dass das Vorbringen auf die im Individualantrag vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken beschränkt bleibe. Im Einzelnen wiederholen die antragstellenden Gesellschaften in der Folge im Wesentlichen jene Argumente, die sie schon in ihrem Antrag vorgebracht hatten.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes 2003, BGBl I 48, idF BGBl I 62/2007, lauten wie folgt (die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):

"Geltungsbereich

§1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, sofern sich nicht nach § 2 anderes ergibt, für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) unterliegen.

(2) Als Betriebseinrichtung im Sinne des Abs 1 gelten auch alle Einrichtungen und Veranstaltungen der im Abs 1 genannten Unternehmungen, bei denen Warenbestellungen im Kleinverkauf entgegengenommen werden.

(3) […]

§2. Von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind ausgenommen

1. die Warenabgabe aus Automaten;

2. der Warenverkauf im Rahmen eines Gastgewerbes in dem im § 111 Abs 4 Z 4 GewO 1994 bezeichneten Umfang und eines Konditorgewerbes in dem im § 150 Abs 11 GewO 1994 bezeichneten Umfang;

3. Tankstellen für den Verkauf von Betriebsstoffen für Kraftfahrzeuge sowie für den Kleinverkauf von im § 157 Abs 1 Z 2 GewO 1994 angeführten Waren nach Maßgabe des § 157 Abs 2 GewO 1994;

4. – 5. […]

§3. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes regeln das Offenhalten der Verkaufsstellen (§1). An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen (§7 Abs 2 des Arbeitsruhegesetzes) und an Montagen bis 6 Uhr sind die Verkaufsstellen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, geschlossen zu halten.

Allgemeine Offenhaltezeiten an Werktagen

§4. (1) Die Verkaufsstellen (§1) dürfen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Montagen bis Freitagen von 6 Uhr bis 21 Uhr, an Samstagen von 6 Uhr bis 18 Uhr offen gehalten werden.

(2) […]

(3) Die Gesamtoffenhaltezeit gemäß Abs 1 und 2 darf innerhalb einer Kalenderwoche 72 Stunden nicht überschreiten.

Besondere Offenhaltezeiten für Pendler/innen, Tourismusgebiete und Einkaufsevents

§4a. (1) Der Landeshauptmann kann nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie unter Berücksichtigung der Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch der am Pendelverkehr zwischen Wohn- und Arbeitsort teilnehmenden Berufstätigen, und der Einkaufsbedürfnisse der Touristen sowie besonderer regionaler und örtlicher Gegebenheiten mit Verordnung festlegen, dass die Verkaufsstellen an Werktagen ausgenommen Samstag

1. ab 5 Uhr offen gehalten werden dürfen oder

2. in besonders wichtigen Tourismusorten oder touristisch besonders wichtigen Teilen von Orten über 21 Uhr hinaus offen gehalten werden dürfen oder

3. aus Anlass von Orts- und Straßenfesten insbesondere in historischen Orts- oder Stadtkernen oder in Gebieten, in denen bedeutende Veranstaltungen stattfinden, am Tag der Veranstaltung über 21 Uhr hinaus offen gehalten werden dürfen oder

4. sofern sie in unmittelbarer Nähe eines für den Kleinverkauf bestimmten Marktes nach § 286 GewO 1994 gelegen sind, für den Verkauf von Waren, die Gegenstand des Marktverkehrs sind, während der Marktzeit offen gehalten werden dürfen, wobei Markttag, -zeit und Gemeinde anzuführen sind.

(2) Für Verkaufsstellen von Bäckereibetrieben, Verkaufsstellen für Naturblumen, Verkaufsstellen für Süßwaren und Verkaufsstellen für Obst und Gemüse kann der Landeshauptmann durch Verordnung eine 72 Stunden übersteigende wöchentliche Gesamtoffenhaltezeit festlegen; in einer solchen Verordnung kann der Landeshauptmann auch bestimmen, dass die genannten Verkaufsstellen am Samstag nach 18 Uhr offen gehalten werden dürfen.

(3) Soweit eine gebietsmäßige Abgrenzung nicht erforderlich ist, können Verordnungen gemäß Abs 1 und 2 sich auf das ganze Land oder auf ein bestimmtes Teilgebiet erstrecken. Soweit sich eine Verordnung nicht auf das ganze Land erstreckt, sind die betroffenen Gemeinden anzuhören. Die Verordnungen können weiters für das ganze Jahr oder nur saisonal oder für bestimmte Tage sowie beschränkt auf bestimmte Waren erlassen werden.

Sonderregelung für das Wochenende und für Feiertage

§5. (1) An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr dürfen die Verkaufsstellen nur für Verkaufstätigkeiten offen gehalten werden, für die durch Verordnungen gemäß Abs 2 bis 4 bestimmte Offenhaltezeiten festgelegt wurden.

(2) Für Verkaufstätigkeiten, für die an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen oder an Montagen bis 6 Uhr ein besonderer regionaler Bedarf besteht, hat der Landeshauptmann nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Verordnung jene Zeiten festzulegen, in denen diese Tätigkeiten an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen oder an Montagen bis 6 Uhr ausgeübt werden dürfen. Die Verordnung hat auch zu berücksichtigen, ob sich der besondere Bedarf auf das ganze Land oder nur auf ein Teilgebiet erstreckt sowie ob er das ganze Jahr über oder nur saisonal oder nur an bestimmten Tagen besteht. Soweit sich eine Verordnung nicht auf das ganze Land erstreckt, sind auch die betroffenen Gemeinden anzuhören.

(3) Durch eine Verordnung nach Abs 2 kann auch die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Ausnahme von jugendlichen Arbeitnehmern im Sinne des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes zugelassen werden, wenn ein außergewöhnlicher regionaler Bedarf an Versorgungsleistungen gegeben ist. Diese Verordnung hat weiters den örtlichen Geltungsbereich, die Tätigkeiten, die Zeiträume und das maximale Zeitausmaß, während dem die Beschäftigung von Arbeitnehmern zulässig ist, genau zu bezeichnen. Arbeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den bezeichneten zulässigen Arbeiten stehen oder ohne die diese nicht durchführbar wären, sind zuzulassen, soweit sie nicht vor oder nach der Wochenend- oder Feiertagsruhe (§§3 und 7 des Arbeitsruhegesetzes) vorgenommen werden können. Die Zulassung der Beschäftigung von Arbeitnehmern ist nicht zulässig, wenn bereits eine Ausnahme durch das Arbeitsruhegesetz oder durch eine Verordnung des zuständigen Bundesministers auf Grund des Arbeitsruhegesetzes festgelegt wurde.

(4) Verordnungen gemäß Abs 2 und 3 sind dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit jeweils zur Kenntnis zu bringen.

[…]

Verkaufsstellen bestimmter Art

§7. Abweichend von den Regelungen gemäß den §§4 bis 6 dürfen offen gehalten werden:

1. Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Autobusbahnhöfen, auf Flughäfen und an Schiffslandeplätzen für den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf (Reiselektüre, Schreibmaterialien, Blumen, Reise- und Toiletteartikel, Filme und dergleichen) und Artikeln des Trafiksortiments nach Maßgabe der Verkehrszeiten; die dem Verkauf dieser Waren gewidmete Fläche darf pro Verkaufsstelle 80 Quadratmeter nicht übersteigen. Soweit es die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden für bestimmte Verkehrseinrichtungen erforderlich machen, kann der Landeshauptmann durch Verordnung die zulässige Fläche von Verkaufsstellen in einem größeren Ausmaß als 80 Quadratmeter festlegen. Als Verkaufsstelle im Sinne dieser Bestimmung ist eine Verkaufsstelle nur dann anzusehen, wenn sie ausschließlich durch die betreffende Verkehrseinrichtung zugänglich ist;

2. Verkaufsstellen für Süßwaren, Erfrischungen und sonstige genussfertige Lebensmittel sowie für Waren, die einen Bezug zur Veranstaltung oder zum Veranstaltungsort haben, in Theatern, Museen und musealen Ausstellungen, Kinos, Konzerthäusern, Kongressgebäuden, Zirkussen und Sporthallen und auf Sportplätzen während der für die Bedienung der Besucher erforderlichen Zeit;

3. – 5. […]

[…]

Strafbestimmung

§11. Wer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen seine Verkaufsstelle nicht geschlossen hält, Waren verkauft, Bestellungen entgegennimmt oder die für seine Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeiten nicht kundmacht, ist nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 zu bestrafen. Übertretungen von Verordnungen nach § 5 Abs 3 sind nach den Bestimmungen des § 27 des Arbeitsruhegesetzes zu bestrafen."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

1.3. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifeln ließe (vgl. VfSlg 19.639/2012).

1.4. Insbesondere trifft der Einwand der Bundesregierung, dem Verfassungsgerichtshof sei auf Grund der Rechtskraftwirkung des Erkenntnisses VfSlg 19.639/2012 eine Prüfung der angefochtenen Bestimmungen am Maßstab des Gleichheitssatzes verwehrt, woraus folgen würde, dass der Antrag insoweit unzulässig wäre, nicht zu. Eine entschiedene Sache liegt im Verhältnis zwischen einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und einem neuen Gesetzesprüfungsantrag nur dann vor, wenn zum einen zwischen der seinerzeit geprüften und der nunmehr zur Prüfung gestellten Norm Identität besteht (vgl. hiezu zB VfSlg 11.646/1988 und 12.784/1991) und zum anderen über das im neuen Antrag vorgetragene Bedenken vom Verfassungsgerichtshof bereits im Vorerkenntnis abgesprochen wurde (VfSlg 16.374/2001 mwN).

1.4.1. Die erste bis einschließlich die siebente der antragstellenden Gesellschaften machten schon im zu G66/2011 protokollierten Antrag implizit eine Schlechterstellung ihrer Verkaufsstellen gegenüber anderen geltend. Dazu führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 19.639/2012 wörtlich aus:

"Soweit die antragstellenden Gesellschaften implizit eine Schlechterstellung ihrer Verkaufsstellen gegenüber anderen Geschäften geltend machen, die auf Grund von Ausnahmen günstigeren Bestimmungen unterliegen (zB Verkaufsstellen an Bahnhöfen oder in Tourismusgebieten), so ist ihnen entgegenzuhalten, dass diese Ausnahmen an bestimmte im Gesetz umschriebene Voraussetzungen materieller oder verfahrensrechtlicher Art geknüpft sind, die ihrerseits den Anforderungen der Bundesverfassung entsprechen müssen. Allfällige Defizite in der Vollziehung der Ausnahmeregelungen machen den Grundtatbestand in einem Fall wie diesem nicht verfassungswidrig."

Insoweit hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 19.639/2012 über die inhaltlichen Schranken, die dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz im Zusammenhang mit den Öffnungszeiten von Verkaufsstellen auferlegt werden (s. dazu sogleich unten 2.2 ), nicht abgesprochen.

1.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 7 B VG:

2.2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

2.2.2. Schon in seinem Erkenntnis VfSlg 15.316/1998 hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit bestimmte Ausnahmen vom allgemein geltenden Öffnungszeitenregime des damals anzuwendenden Öffnungszeitengesetzes 1991 zu einer Unsachlichkeit und in der Folge einer Gleichheitswidrigkeit der "allgemeinen Regel" führen können. In Anbetracht der Zielsetzung der damals maßgeblichen Ausnahmen – nämlich der Verhinderung der Abwanderung von Verkaufsstellen aus Ortskernen und dem Verschwinden kleinerer Verkaufsstellen für die Nahversorgung – hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass "[w]eder eine solche Zielsetzung noch das angewendete – wettbewerbsordnende – Mittel […] unter den Gesichtspunkten des Gleichheitssatzes, der Erwerbsfreiheit oder der Gewährleistung von Privatautonomie verfassungsrechtlich bedenklich [sind]."

2.2.3. Die Zielsetzung der nunmehr in Rede stehenden Ausnahmen vom allgemeinen Öffnungszeitenregime des § 3 ÖffnungszeitenG kann mit der Befriedigung besonderer Einkaufsbedürfnisse zusammengefasst werden. Das ÖffnungszeitenG enthält in diesem Zusammenhang Ermächtigungen, durch Verordnungen besondere Offenhaltezeiten für Pendler und Pendlerinnen, Tourismusgebiete und Einkaufsevents (§4a ÖffnungszeitenG) oder Sonderregelungen für das Wochenende und für Feiertage (§5 ÖffnungszeitenG) festzulegen. Für die in § 7 ÖffnungszeitenG genannten Verkaufsstellen bestimmter Art geht der Gesetzgeber typisierend vom Bestehen besonderer Einkaufsbedürfnisse aus.

2.2.4. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass die Erlaubnis zum Offenhalten bestimmter Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr unter Umständen eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung der sie betreibenden Unternehmen darstellen kann. Halten beispielsweise Verkaufsstellen an Bahnhöfen auch an Sonntagen in jenem Ausmaß offen, das während der Woche gerechtfertigt ist, erfüllen sie allenfalls ein Bedürfnis jedermanns, auch an Sonntagen einkaufen zu können. Das wäre im Verhältnis zu jenen Unternehmen, die in dieser Zeit ihre Verkaufsstellen geschlossen halten müssen, ein deutlicher Wettbewerbsvorteil. Die bloße Lage in Bahnhöfen würde eine solche Privilegierung allein nicht rechtfertigen (VfSlg 17.730/2005).

2.2.5. Allerdings enthalten die genannten Ausnahmebestimmungen Vorkehrungen, die gewährleisten, dass eine allfällige Privilegierung von Betreibern von Verkaufsstellen, die an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr offen halten dürfen, an sachlich begründete Voraussetzungen geknüpft und in ihrer Wirkung auf das Notwendige beschränkt ist. So enthält § 7 Z 1 ÖffnungszeitenG eine örtliche, eine warenbezogene, eine zeitliche und eine räumliche Beschränkung der Ausnahmen, indem vorgesehen ist, dass an Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Autobusbahnhöfen, auf Flughäfen und an Schiffslandeplätzen lediglich der Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf sowie Artikeln des Trafiksortiments nach Maßgabe der Verkehrszeiten erlaubt ist. Die dem Verkauf dieser Waren gewidmete Fläche darf pro Verkaufsstelle 80 m² nicht übersteigen. Soweit es die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden für bestimmte Verkehrseinrichtungen erforderlich machen, kann der Landeshauptmann durch Verordnung die zulässige Fläche von Verkaufsstellen in einem größeren Ausmaß als 80 m² festlegen (vgl. zu einer auf diese Bestimmung gestützten Verordnung im Einzelnen insbesondere VfSlg 17.730/2005).

2.2.6. Die vom Gesetzgeber normierten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot, Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr offen zu halten, sind daher sachlich gerechtfertigt. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.639/2012 festgestellt hat, machen auch allfällige Defizite in der Vollziehung der Ausnahmeregelungen den Grundtatbestand in einem Fall wie diesem nicht verfassungswidrig.

2.2.7. Das ÖffnungszeitenG ist auf den "Onlinehandel" – jedenfalls sofern dieser ohne Verkaufsstellen iSd ÖffnungszeitenG abgewickelt wird – nicht anwendbar. Dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen Art 7 B VG verstoßen, weil diese Form des Handels nicht im Rahmen von Verkaufsstellen betrieben wird, die offengehalten oder geschlossen werden könnten.

2.2.8. Soweit die antragstellenden Gesellschaften behaupten, die angefochtenen Bestimmungen bewirkten eine Ungleichbehandlung "österreichischer Geschäfte gegenüber Geschäften in Nachbarländern Österreichs, in denen keine oder weniger gesetzliche Öffnungszeitenbeschränkungen bestehen", ist ihnen entgegenzuhalten, dass es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt ist, Öffnungszeitenregelungen anderer Staaten am Maßstab der österreichischen Bundesverfassung zu messen. Ebenso ist es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, die angefochtenen Bestimmungen mit ähnlichen Bestimmungen aus den Rechtsordnungen anderer Staaten zu vergleichen und daraus eine wie immer geartete "Ungleichbehandlung" abzuleiten.

2.3. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK:

2.3.1. Die antragstellenden Gesellschaften bringen vor, dass auch die "Beeinträchtigung der Benutzung" des Eigentums in Form von "Handelsausübungsbeschränkungen" – nämlich der angefochtenen Bestimmungen – einen Verstoß gegen die durch Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte darstelle.

2.3.2. Den Schutz des Art 5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht (vgl. zB VfSlg 8201/1977, 9887/1983, 10.322/1985 und 16.636/2002). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu VfSlg 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art 5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art 1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zB VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. etwa VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

2.3.3. Die angefochtenen Bestimmungen bewirken eine Beschränkung der Dispositionsmöglichkeiten der antragstellenden Gesellschaften über ihre Verkaufsstellen dahingehend, dass sie diese nicht zu beliebigen Zeiten offen halten dürfen, sondern an die Vorgaben des ÖffnungszeitenG gebunden sind, die durch § 11 dieses Gesetzes mit Verwaltungsstrafe bewehrt sind. Da Verfügungen über ihre Betriebseinrichtungen für die Verkaufsstellen dem Schutzbereich des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums unterliegen, liegt in der zeitlichen Beschränkung des Offenhaltens derselben eine Eigentumsbeschränkung.

2.3.4. Es ist dem einfachen Gesetzgeber bei der Entscheidung, welche rechtspolitischen Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Beurteilung durch den Verfassungsgerichtshof unterliegt nicht die Zweckmäßigkeit der Verfolgung bestimmter rechtspolitischer Ziele, sondern lediglich, ob diese Ziele vertretbar als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (zB VfSlg 12.094/1989, 19.687/2012).

2.3.5. Wie der Verfassungsgerichtshof zuletzt im Erkenntnis VfSlg 19.639/2012 ausgesprochen hat, liegen die allgemeinen Ziele, denen Ladenschluss- bzw. Öffnungszeitenregelungen dienen, nämlich der Schutz der Interessen der Verbraucher, das Ziel der Wettbewerbsordnung und die sozialpolitische Funktion, im öffentlichen Interesse (VfSlg 11.558/1987, 12.094/1989, 12.492/1990, 13.318/1992).

Für den Ladenschluss an Wochenenden tritt das besondere Ziel der Wahrung der sozial- und familienpolitischen Funktion des Wochenendes hinzu (vgl. VfSlg 15.305/1998 mwN und VfSlg 19.639/2012). Bereits in seinem Erkenntnis zur Regelung, die für den Samstagnachmittag das generelle Geschlossenhalten der Verkaufsstellen anordnete, betonte der Verfassungsgerichtshof, dass damit eine "weitgehende Synchronisation mit dem allgemeinen arbeitszeitrechtlichen Grundsatz der Wochenendruhe" hergestellt werde, und er verwies auf die besondere Funktion des Wochenendes "für Freizeit, Erholung und soziale Integration" (VfSlg 12.094/1989).

Der gesellschaftliche Wandel der vergangenen beiden Jahrzehnte hat nichts am öffentlichen Interesse an der (weitgehenden) Synchronisation mit dem Grundsatz der Wochenendruhe geändert. In allen europäischen Gesellschaften gibt es einen Ruhetag in der Woche, mag dieser aus religiösen Gründen, aus Gründen der Erholung für die arbeitende Bevölkerung oder aus anderen sozial- und familienpolitischen Gründen angeordnet sein und mag die Ruhe in unterschiedlichem Maße eingehalten werden. Wenn der Gesetzgeber auch mit den Mitteln des Gewerberechts zur Wahrung und Erhaltung der Wochenendruhe beitragen möchte, so verfolgt er daher jedenfalls ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel.

2.3.6. Ladenschlussregelungen wie die angefochtenen sind dem Grundsatz nach geeignet, diese Ziele zu erreichen. Die Beschränkung der Ladenöffnungszeiten während des Wochenendes allgemein und im Besonderen des Sonntags stellt ein an sich geeignetes Mittel zur Erreichung der genannten Ziele dar (vgl. auch VfSlg 11.558/1987, 12.094/1990, 12.492/1990, 13.318/1992 und 19.639/2012).

2.3.7. Eine gesetzliche Regelung ist verhältnismäßig, wenn sie unter Bedachtnahme auf die Intensität der Grundrechtsbeschränkung eine angemessene Relation der Erfordernisse des Allgemeininteresses zu den Grundrechtsschutzinteressen des Einzelnen bewirkt (vgl. VfSlg 13.964/1994). Entgegen der Auffassung der antragstellenden Gesellschaften ist die Eigentumsbeschränkung auch nicht unverhältnismäßig. Das Gewicht der mit den Ladenschlussregelungen verfolgten Interessen ist größer als die Schwere des dadurch bewirkten Grundrechtseingriffs. Der Eingriff bildet eine verhältnismäßige Beschränkung des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums, welche die Grenzen des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht überschreitet (vgl. schon VfSlg 19.639/2012).

2.4. Vor diesem Hintergrund treffen die Bedenken der antragstellenden Gesellschaften im Hinblick auf einen Verstoß gegen Art 1 1. ZPEMRK iVm Art 14 EMRK schon auf Grund des bloß akzessorischen Charakters von Art 14 EMRK nicht zu.

2.5. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 13 EMRK:

2.5.1. Die antragstellenden Gesellschaften behaupten, es liege ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht aus Art 13 EMRK vor, da ihnen die Möglichkeit genommen sei, "eine innerstaatlich wirksame Beschwerde im ordentlichen Rechtszug zu erheben, sohin mangels Zur-Verfügung-Stehens eines wirksamen innerstaatlichen Rechtsmittels."

2.5.2. Dass diese Behauptung nicht zutrifft, ergibt sich schon daraus, dass den antragstellenden Gesellschaften die Möglichkeit einer Antragstellung gemäß Art 140 Abs 1 letzter Satz B VG idF BGBl I 2/2008 (s. nunmehr Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG idF BGBl I 114/2013) an den Verfassungsgerichtshof offen gestanden ist. Diesen Weg haben sie mit dem vorliegenden Antrag auch beschritten. Angesichts dessen braucht nicht weiter auf den Umstand eingegangen werden, dass der Sitz dieser behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht in jenen Bestimmungen läge, die die antragstellenden Gesellschaften bekämpfen (vgl. , G32/2014).

2.6. Zur "Verletzung des Grundrechts der unternehmerischen Freiheit":

2.6.1. Die antragstellenden Gesellschaften führen aus, dass durch die angefochtenen Bestimmungen das "Grundrecht der unternehmerischen Freiheit" verletzt sei. Dieses Grundrecht sei ein in der Verfassung verankertes Grundrecht, es dürfe nur im öffentlichen Interesse eingeschränkt werden. Die antragstellenden Gesellschaften machen damit eine Verletzung von Art 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechte-Charta – GRC) geltend, wie der Hinweis auf das Schrifttum und auf Art 16 GRC an späterer Stelle des Antrags deutlich macht.

2.6.2. Im Text des österreichischen Bundesverfassungsrechts findet sich kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht der "unternehmerischen Freiheit".

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 19.632/2012 jedoch ausgesprochen, dass die Rechte der GRC, die in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleichen, vor dem Verfassungsgerichtshof einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle bilden könnten, wenn der Anwendungsbereich der GRC (s. Art 51 Abs 1 GRC) eröffnet ist (vgl. grundlegend VfSlg 19.632/2012).

2.6.3. Das Recht der "unternehmerischen Freiheit" gleicht zwar einem Recht der Bundesverfassung in Formulierung und Bestimmtheit (vgl. Art 6 StGG). Allerdings sind die Regelungen des ÖffnungszeitenG keine solchen, die in Durchführung des Unionsrechts ergangen sind. Weder wird mit ihnen eine Richtlinie umgesetzt, noch beschränken sie eine der Grundfreiheiten des Binnenmarktes. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass das durch die Art 34 und 35 AEUV normierte Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten (Warenverkehrsfreiheit) nicht für mitgliedstaatliche Ladenschlussregelungen gilt (grundlegend , Torfaen Borough Council , Slg. 1989, 3851 [Rz. 17]). Auch handelt es sich bei den Vorschriften des ÖffnungszeitenG um keine produktbezogenen Regelungen, sondern um solche, die – unterschiedslos für Waren inländischen und ausländischen Ursprungs – bloß die Verkaufsmodalitäten der Waren betreffen ( verb. Rs. C-267/91 und C-268/91, Keck und Mithouard , Slg. 1993, I-6097 [Rz. 16 f.]; , Hünermund ua. , Slg. 1993, I-6816 [Rz. 21]; , Kommission/Italien , Slg. 2009, I-519 [Rz. 58 ff.]; , Mickelsson und Ross , Slg. 2009, I-4273 [Rz. 24 ff.]). Insoweit bestehen keine unionsrechtlichen Vorschriften, die eine mitgliedstaatliche Verpflichtung schaffen würden. Der alleinige Umstand, dass die angefochtenen Bestimmungen unionsrechtliche Vorschriften mittelbar beeinflussen könnten, vermag keinen hinreichenden Zusammenhang zum Unionsrecht zu begründen, der den Anwendungsbereich der GRC (Art51 Abs 1) eröffnen würde (, Siragusa [Rz. 25 ff.]; , Hernández [Rz. 35, 37]). Eine Prüfung der angefochtenen Bestimmungen unter dem Blickwinkel des Vorbringens im Hinblick auf das "Grundrecht der unternehmerischen Freiheit" am Maßstab der Bestimmungen der GRC kommt daher mangels Anwendbarkeit dieser Garantie nicht in Betracht.

2.6.4. Sofern die antragstellenden Gesellschaften sich aber mit ihrem Vorbringen auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung iSd Art 6 StGG berufen sollten, stünde – wie die Bundesregierung insoweit zutreffend ausführt – einer Prüfung der angefochtenen Bestimmungen am Maßstab dieses Grundrechts nicht nur das Prozesshindernis der res iudicata (s. dazu schon oben 1.4 ), sondern auch das Fehlen der Darlegung von Bedenken im Einzelnen (§62 Abs 1 VfGG) entgegen.

2.7. Des Weiteren vermeinen die antragstellenden Gesellschaften, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht nur im Widerspruch zu Art 16 GRC, sondern auch zu einer Reihe von Bestimmungen des EUV und des AEUV stehe. Dies werde "illustrativ […] unter dem Aspekt unionsrechtskonformer Interpretation" angemerkt. Der Antrag finde daher "eine zusätzlich Stütze im Gebot unionsrechtskonformer Interpretation".

2.7.1. Wie die Bundesregierung zutreffend entgegnet, ist das Unionsrecht – mit Ausnahme der oben (s. 2.6.2 ) genannten Bestimmungen der GRC – nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein Prüfungsmaßstab im verfassungsgerichtlichen Verfahren. Allfällige Anträge, die angefochtenen Bestimmungen auf Grund eines Verstoßes gegen Unionsrecht aufzuheben oder diese für "rechtsungültig" zu erklären, wären wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zB ).

IV. Ergebnis

8. Der Antrag, § 3 zweiter Satz, § 4 Abs 1 und § 5 Abs 1 Öffnungszeitengesetz 2003 als verfassungswidrig aufzuheben, wird abgewiesen.

9. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:G107.2013