VfGH vom 23.06.2020, E4610/2019
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Versagung der Parteistellung für Inhaber umliegender bestehender öffentlicher Apotheken im vereinfachten Verfahren zur Verlegung einer öffentlichen Apotheke innerhalb des festgesetzten Standortes; verfassungskonforme Interpretation geboten
Spruch
I.Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II.Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt und Beschwerdevorbringen
1. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der öffentlichen Apotheke "A***" in ***.
2. Mit Eingabe vom beantragte der Konzessionsinhaber der bestehenden öffentlichen "S***-Apotheke" in ***, S 49-51, bei der Österreichischen Apothekerkammer die Genehmigung der Verlegung dieser Apotheke gemäß § 14 Abs 1 Apothekengesetz in ein Einkaufszentrum. Die Österreichische Apothekerkammer wies diesen Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass zwar der Haupt- und Nachteingang der neuen Betriebsstätte mit der Adresse N***4 innerhalb des festgelegten Apothekenstandortes liege, sie aber über einen weiteren Zugang durch das Einkaufszentrum mit der Adresse S 41 erreichbar sei, der sich außerhalb des festgesetzten Standortes befinde und der sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung zum Haupteingang der Apotheke entwickeln würde. Die geplante Verlegung der Apotheke würde daher eine Umgehung des Apothekengesetzes darstellen.
3. Der Bundesminister für Gesundheit gab der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Konzessionsinhabers der "S***-Apotheke" mit Bescheid vom , BMG-92310/0044-II/A/4/2013, Folge und genehmigte die beantragte Verlegung der "S***-Apotheke" gemäß § 14 Abs 1 Apothekengesetz "mit dem ausschließlichen Eingang an der Adresse N***4. Weitere Eingänge außerhalb des festgesetzten Standortes sind von der gegenständlichen Genehmigung nicht mitumfasst". Begründend führte der Bundesminister für Gesundheit aus, die Behörde sei an den verfahrenseinleitenden Antrag gebunden und dieser umfasse nur den Eingang N***4.
4. Am beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin zunächst beim Bundesminister für Gesundheit und Frauen und am vom Bundesverwaltungsgericht die Zustellung des die Verlegung der "S***-Apotheke" genehmigenden Bescheides des Bundesministers für Gesundheit vom , BMG-92310/0044-II/A/4/2013.
5. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Beschluss vom wies das Bundesverwaltungsgericht den an dieses gerichteten Antrag auf Zustellung des Bescheides des Bundesministers für Gesundheit gemäß § 14 Abs 1 Apothekengesetz und § 8 AVG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unzulässig zurück. Zwar sei das Bundesverwaltungsgericht unter anderem auf Grundlage von § 45 Abs 2 Apothekengesetz iVm dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz zuständig, über den Antrag auf Zustellung des in Rede stehenden Bescheides des Bundesministers zu entscheiden (Hinweis auf VwSlg 19.423 A/2016), mangels Parteistellung von Inhabern benachbarter Apotheken in Verfahren nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz sei der Antrag auf Zustellung des Bescheides aber als unzulässig zurückzuweisen.
6. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art 2 StGG) sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, die Genehmigung der Verlegung der Betriebsstätte der zur Apotheke der Beschwerdeführerin benachbarten "S***-Apotheke" sei zu Unrecht auf § 14 Abs 1 Apothekengesetz gestützt worden, weil die Verlegung nicht innerhalb der konzessionierten Standortgrenzen stattfinde. Es liege somit eine Erweiterung des Standortgebiets vor, welche richtigerweise in einem Verfahren nach § 14 Abs 2 Apothekengesetz zu behandeln wäre. In einem Verfahren nach § 14 Abs 2 Apothekengesetz hätte die Beschwerdeführerin jedoch zweifelsfrei Parteistellung und könnte mangelnden Bedarf iSv § 10 Abs 2 Apothekengesetz einwenden. Durch die Wahl des Verfahrens nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz sei ihr die Möglichkeit genommen worden, Einwendungen zu erheben und ihre Parteirechte wahrzunehmen. Es würde dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit sowie dem Sachlichkeitsgebot widersprechen, wenn ein für Verfahren nach § 14 Abs 2 Apothekengesetz gesetzlich normiertes Mitspracherecht der Konzessionsinhaber umliegender Apotheken dadurch unterlaufen werden könnte, dass zu Unrecht ein Verfahren nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz durchgeführt würde. Es sei daher verfassungsrechtlich geboten, eine beschränkte Parteistellung der Inhaber benachbarter konzessionierter Apotheken zur Frage anzunehmen, ob im konkreten Fall tatsächlich ein Verfahren nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz in Betracht komme. Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hätten sich bereits in anderen Verwaltungsmaterien, nämlich zum Gewerberecht und zum Abfallwirtschaftsrecht, mit vergleichbaren Fragen der Parteistellung auseinandergesetzt und erkannt, dass es den aus dem rechtsstaatlichen Prinzip abzuleitenden Anforderungen widerspreche, wenn in Fällen, in denen der Gesetzgeber die Parteistellung davon abhängig mache, ob die Voraussetzungen für eine bestimmte Verfahrensart vorliegen oder nicht, die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Art des Verfahrens ausschließlich der Behörde obliegen würde (Hinweis ua auf VfSlg 16.103/2001, 16.259/2001, 19.617/2012). In verfassungskonformer Interpretation des § 14 Abs 1 Apothekengesetz komme der Beschwerdeführerin eine zumindest auf die Frage beschränkte Parteistellung zu, ob die Voraussetzungen für die Anwendung eines Verfahrens nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz überhaupt gegeben seien. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt habe, habe es die genannten Grundrechte verletzt.
7. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen und auf die Begründung in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Apothekengesetzes, RGBl. 5/1907 idF BGBl I 65/2002 (§§9, 14), BGBl I 32/2014 (§45) und BGBl I 103/2016 (§10), lauten:
"Konzessionierte Apotheken.
§9. Konzession.
Der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, welche nicht auf einem Realrechte beruht (radizierte, verkäufliche Apotheken), ist nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig.
Im Konzessionsbescheid ist als Standort der Apotheke eine Gemeinde, eine Ortschaft, ein Stadtbezirk oder ein Teil eines solchen Gebietes zu bestimmen. Bei Apotheken, welche schon früher betrieben worden sind, ist der bisherige Standort aufrecht zu erhalten. Die Konzession hat nur für den Standort Geltung.
Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung
§10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn
1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder
2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder
3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.
(3) Ein Bedarf gemäß Abs 2 Z 1 besteht auch dann nicht, wenn sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke
1. eine ärztliche Hausapotheke und
2. eine Vertragsgruppenpraxis befindet, die versorgungswirksam höchstens eineinhalb besetzten Vertragsstellen nach Abs 2 Z 1 entspricht und in der Gemeinde keine weitere Vertragsstelle nach § 342 Abs 1 ASVG von einem Arzt für Allgemeinmedizin besetzt ist.
(3a) In einem Zeitraum, während dessen ein Gesamtvertrag gemäß § 341 ASVG nicht besteht, besteht ein Bedarf gemäß Abs 2 Z 1 dann nicht, wenn in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke weniger als zwei Ärzte für Allgemeinmedizin zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren ständigen Berufssitz haben und sich dort eine ärztliche Hausapotheke befindet.
(3b) Bei der Prüfung gemäß Abs 2 Z 1 sind bloß vorübergehende Vertragsstellen, die einmalig und auf höchstens 3 Jahre befristet sind, nicht zu berücksichtigen.
(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtig[t]en.
(6) Die Entfernung gemäß Abs 2 Z 2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.
(6a) Die Zahl der von der Betriebsstätte einer oder mehrerer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen gemäß Abs 2 Z 3 ist zu unterschreiten, wenn es auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken geboten ist.
(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß § 29 Abs 3 und 4 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen.
(8) Als bestehende Apotheken im Sinne des Abs 2 Z 2 und 3 gelten auch alle nach der Kundmachung BGBl I Nr 53/1998 rechtskräftig erteilten Konzessionen zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke.
[…]
Verlegung
§14. (1) Die Verlegung einer Apotheke innerhalb des festgesetzten Standortes (§9 Abs 2) bedarf der Genehmigung durch die Österreichische Apothekerkammer.
(2) Die Verlegung einer öffentlichen Apotheke an einen anderen Standort ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bewilligen, wenn die Voraussetzungen des § 10 zutreffen und überdies von dem neuen Standort aus der Bedarf des Gebietes besser befriedigt werden kann.
[…]
§45.
Beschwerde
(1) Auf Beschwerden gegen Entscheidungen und Verfügungen der Bezirksverwaltungsbehörden, welche auf Grund der Vorschriften dieses Gesetzes oder der in Durchführung desselben erlassenen Anordnungen getroffen werden, finden die in dieser Hinsicht im Verfahren vor den Bezirksverwaltungsbehörden geltenden allgemeinen Vorschriften Anwendung.
(2) Gegen Bescheide der Österreichischen Apothekerkammer in den in § 2a Abs 1 des Apothekerkammergesetzes, 2001, BGBl I Nr 111, genannten Aufgaben kann Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden."
2. § 2a Abs 1 Z 11 Apothekerkammergesetz 2001, BGBl I Nr 111/2001 idF BGBl I Nr 48/2017, lautet:
"(1) Im übertragenen Wirkungsbereich hat die Apothekerkammer folgende Aufgaben wahrzunehmen:
[…]
11.die Bewilligung der Verlegung einer öffentlichen Apotheke, Filialapotheke gemäß § 24 Abs 7 Apothekengesetz oder Anstaltsapotheke gemäß § 38 Apothekengesetz innerhalb des festgesetzten Standortes gemäß § 14 Abs 1 Apothekengesetz,
[…]"
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin behauptet eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter Art 83 Abs 2 B-VG) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs 1 B-VG, Art 2 StGG).
Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes verletzt, wenn das Verwaltungsgericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn es in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit ablehnt, etwa indem es zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
2. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt an, dass Konzessionsinhaber benachbarter Apotheken im Fall einer Standortverlegung einer öffentlichen Apotheke nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz schlechthin keine Parteistellung hätten.
Mit dieser Annahme ist es jedoch nicht im Recht:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass grundsätzlich keine verfassungsrechtliche Bestimmung Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert (zB VfSlg 15.274/1998, 15.581/1999, 16.103/2001). Es ist der Gestaltungsfreiheit des einfachen Gesetzgebers überlassen, ob und inwieweit er Personen rechtlichen Schutz gewährt, die durch den einer anderen Person gegenüber ergangenen verwaltungsbehördlichen Bescheid in ihren Interessen betroffen sind. Diese Gestaltungsfreiheit ist verfassungsrechtlich lediglich dadurch begrenzt, dass das die Parteirechte bestimmende Gesetz dem aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot unterliegt (VfSlg 14.512/1996 mwN).
2.2. Gemäß § 9 Apothekengesetz ist der Betrieb einer öffentlichen Apotheke im Allgemeinen nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig; im Konzessionsbescheid ist auch ein bestimmtes Gebiet als Standort der Apotheke zu bestimmen; die Konzession hat nur für den Standort Geltung. Nach § 10 Abs 1 Z 2 Apothekengesetz ist die Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke nur zu erteilen, wenn ein Bedarf iSd Abs 2 leg. cit. besteht. Gemäß § 10 Abs 2 Z 3 Apothekengesetz besteht ein Bedarf grundsätzlich nicht, wenn die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird (sofern kein Fall des Abs 6a leg. cit. vorliegt). Die Erteilung der Konzession zur Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke obliegt der Bezirksverwaltungsbehörde des in Aussicht genommenen Standortes (§51 Abs 1 Apothekengesetz).
Auch die Verlegung einer öffentlichen Apotheke steht unter Genehmigungsvorbehalt, wobei § 14 Apothekengesetz wie folgt unterscheidet: Die Verlegung einer Apotheke innerhalb des nach § 9 Apothekengesetz festgesetzten Standortes bedarf der Genehmigung durch die Österreichische Apothekerkammer (§14 Abs 1 leg cit). Die Verlegung einer öffentlichen Apotheke an einen anderen Standort ist hingegen von der Bezirksverwaltungsbehörde (nur) zu bewilligen, wenn die Voraussetzungen des § 10 Apothekengesetz zutreffen und überdies von dem neuen Standort aus der Bedarf des Gebietes besser befriedigt werden kann (§14 Abs 2 und § 54 leg cit). Dieser Unterscheidung liegt die Annahme zugrunde, dass Verlegungen der Betriebsstätte innerhalb eines – gesetzmäßig festgesetzten – Standortes im Allgemeinen keine wesentlichen Auswirkungen auf die Bedarfssituation haben (VwSlg 17.737 A/2009; ).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Inhaber umliegender bestehender öffentlicher Apotheken sowohl im Verfahren zur Genehmigung der Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke als auch im Verfahren nach § 14 Abs 2 Apothekengesetz zur Verlegung einer öffentlichen Apotheke an einen anderen Standort Parteistellung hinsichtlich der Frage des Bedarfs iSv § 10 Abs 2 Z 2 und Z 3 leg cit (vgl etwa ; , Ra 2018/10/0147). Diese Bedarfsfrage ist jedoch im Verfahren zur Verlegung einer öffentlichen Apotheke innerhalb ihres festgesetzten Standortes nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz nicht zu prüfen (VfSlg 12.873/1991; VwSlg 15.813 A/2002; ; , 2001/10/0124), weshalb Inhabern umliegender bestehender öffentlicher Apotheken (insofern) im Verfahren nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz keine Parteistellung zukommt (VwSlg 15.813 A/2002). Davon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob Inhaber umliegender bestehender öffentlicher Apotheken Parteistellung im Hinblick auf die Frage haben, ob das Verfahren nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz überhaupt zur Anwendung kommt, mit anderen Worten, ob die Verlegung tatsächlich (bloß) innerhalb des festgesetzten Standortes stattfindet.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in anderem Zusammenhang zu Recht erkannt, dass der Ausschluss einer Parteistellung dann unsachlich wäre, wenn Betroffenen damit auch die Möglichkeit genommen wäre, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung eines vereinfachten Verfahrens, in dem sie im Unterschied zum regulären Verfahren keine Parteistellung genießen, überprüfen zu lassen (vgl VfSlg 16.103/2001, 16.259/2001, 19.617/2012).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, den Inhabern umliegender bestehender öffentlicher Apotheken die Parteistellung im Standortverlegungsverfahren nach § 14 Abs 1 Apothekengesetz schlechthin, also auch hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Verfahrens überhaupt vorliegen, zu versagen und diese Beurteilung allein der Behörde zu überlassen. Ein derartiger Ausschluss der Parteistellung liefe letztlich auf eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Inhaber umliegender bestehender öffentlicher Apotheken, denen im Rahmen eines Standortverlegungsverfahren nach § 14 Abs 2 Apothekengesetz Parteistellung zukommt, einerseits, und jener umliegenden Konzessionsinhaber, die deshalb keine solche Parteistellung haben, weil die Behörde zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 Apothekengesetz angenommen hat, andererseits hinaus.
In verfassungskonformer Interpretation ist die Bestimmung des § 14 Abs 1 Apothekengesetz iVm § 8 AVG daher dahingehend auszulegen, dass der Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse an der Überprüfung der Voraussetzungen der Anwendung des § 14 Abs 1 Apothekengesetz und daher eine auf die Beurteilung dieser Frage beschränkte Parteistellung zukommt.
4. Angesichts dessen hat das Bundesverwaltungsgericht, weil es den Antrag auf Zustellung des Bescheides, mit dem die Verlegung der Betriebsstätte einer öffentlichen Apotheke genehmigt wurde, die zu jener der Beschwerdeführerin "umliegend" ist, schlechthin mangels jeglicher Parteistellung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen hat, zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert. Damit hat es deren verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl VfSlg 19.617/2012).
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
2. Der bekämpfte Beschluss ist daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 iVm § 88a Abs 1 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2020:E4610.2019 |
Schlagworte: | Apotheken, Parteistellung, Auslegung verfassungskonforme |
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