VfGH vom 08.03.2016, E1477/2015
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Nichtgestattung der Gründung eines Vereins für Sterbehilfe wegen Verfolgung eines strafgesetzwidrigen Zwecks; keine Überschreitung des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums durch das generelle Verbot der Mitwirkung am Selbstmord
Spruch
I. Der Erstbeschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Erstbeschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
III. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers wird das Verfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Schreiben vom 30. Jänner sowie vom zeigten die Beschwerdeführer bei der Landespolizeidirektion Wien die Errichtung des Vereins "Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben" unter Vorlage der Vereinsstatuten an.
Die Vereinsstatuten lauten auszugsweise wie folgt:
"§2 Zweck
Der gemeinnützige Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt, da
- das Grundrecht auf Leben, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und insbesondere das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens jeder Person das Recht einräumen, autonom über den Zeitpunkt und die Art des eigenen Freitodes zu bestimmen;
- das würdevolle Sterben einer mündigen Person nur unter Wahrung ihrer uneingeschränkten Autonomie möglich ist;
- um eine reifliche Entscheidung treffen zu können und, gegebenenfalls, um einen sicheren, schnellen und schmerzlosen Tod herbeizuführen, ein uneingeschränkter Austausch mit anderen Personen und fachk[u]ndige Hilfe benötigt werden;
- ein flächendeckendes und hochqualitatives Angebot an palliativmedizinischer Versorgung bzw. Hospizen keinen Ersatz für einen selbstbestimmten Freitod, als frei gewählter Ausweg von einer nicht zumutbaren Lebenssituation, darstellen;
- die Suizidversuchsrate zwischen 10 und 20 mal höher ist als die Suizidrate und die Möglichkeit, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen, einen Beitrag zur Senkung sowohl der Suizidversuchsrate als auch der Suizidrate leistet;
- die derzeit geltende undifferenzierte Strafbestimmung zur 'Beihilfe zum Selbstmord' (§78 StGB) primär religiös und daher nicht sachlich begründet ist, eine unangemessene Strafdrohung enthält und in Bezug auf die nicht strafbare Haupthandlung gegen das Prinzip der limitierten Akzessorietät verstößt,
seinen Mitgliedern […] ein würdiges Leben sowie Sterben zu sichern, einen Beitrag zur Senkung der Anzahl der Suizidversuche zu liefern und für eine evidenzbasierte, ethisch vertretbare und den Grundrechten verpflichtete Sterbehilfe-Gesetzgebung zu kämpfen.
§3 Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes
(1) Der Verein verfolgt seinen Zweck (§2) in dem er
1. Seinen Mitgliedern beim Verfassen einer Patientenverfügung beratend zur Seite steht, ihnen für die Dauer der Mitgliedschaft eine rechtsgültige Patientenverfügung verschafft und gegebenenfalls für die Durchsetzung dieser kämpft.
2. Mündigen Mitgliedern, die an einer unheilbaren, schweren Krankheit leiden, schwer behindert sind bzw. mit einer schweren Behinderung zu rechnen haben oder unerträglichen Schmerzen ausgesetzt sind, auf ihren expliziten Wunsch beratend bezüglich eines Freitodes zur Seite steht.
3. Mündigen Mitgliedern, die an einer unheilbaren, schweren Krankheit leiden, schwer behindert sind bzw. mit einer schweren Behinderung zu rechnen haben oder unerträglichen Schmerzen ausgesetzt sind, auf ihren expliziten Wunsch alleine oder gemeinsam mit anderen Organisationen im In- und Ausland behilflich ist, ein Sterben in Würde zu ermöglichen.
4. Sich über Medien- und Öffentlichkeitsarbeit für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit bzw. für eine entsprechende Gesetzgebung im Sinne der Vereinszwecke einsetzt.
(2) Die erforderlichen materiellen Mittel werden primär aufgebracht durch
1. Mitgliedsbeiträge
2. Erträgnisse aus Veranstaltungen und vereinseigenen Unternehmungen
3. Spenden, Sammlungen und Vermächtnisse
4. Sonstige Zuwendungen"
2. Die Landespolizeidirektion Wien holte eine Stellungnahme zu den vorgelegten Vereinsstatuten beim Bundesministerium für Justiz ein. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
"Ausgehend von den […] getroffenen Ausführungen scheint nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz insbesondere § 3 Abs 1 Z 2 aber auch § 3 Abs 1 Z 3 der Statuten in Bezug auf § 78 StGB bedenklich.
Die darin beschriebenen Handlungen könnten […] strafbar im Sinne des § 78 StGB sein.
§3 Abs 1 Z 3 führt zwar lediglich an, dass der Verein seinen Mitgliedern: '[..] ein Sterben in Würde [...]' ermöglichen will, doch scheint angesichts des Zusammenspiels der § 2 und § 3 der Statuten, die Intention des Vereins sehr wohl gegeben, Handlungen zu setzen, die allenfalls den Tatbestand des § 78 StGB erfüllen könnten. Dies auch unter der Prämisse, dass der in § 2 angeführte Vereinszweck ('seinen Mitgliedern (§4) ein würdiges Leben sowie Sterben zu sichern') durchwegs 'neutral' formuliert ist.
Auszuführen ist dazu jedoch nochmals, dass […] eine allgemeingültige Beurteilung der Statuten, aufgrund deren allgemeiner Formulierung, derzeit nur schwer möglich scheint, da auch nicht klar ist mit welchen Mitteln exakt der Verein die Umsetzung seiner Ziele plant. Etwaige Handlungen könnten beispielsweise auch sozial adäquat sein."
3. Mit Bescheid vom versagte die Landespolizeidirektion Wien die Vereinsgründung wegen Verstoßes gegen § 78 StGB, nachdem den Beschwerdeführern die Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz zur Kenntnisnahme zugestellt worden war und diese einer Aufforderung zur Verbesserung der Vereinsstatuten nicht nachgekommen waren.
4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom ab.
Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Verein "Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben" insbesondere bezwecke, nach § 78 des Strafgesetzbuches (im Folgenden: StGB) strafbare Handlungen zu setzen. Der Vereinszweck sei somit gesetzwidrig. Dies werde von den Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt. § 78 StGB sei verfassungskonform sowie in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutze des Lebens und somit der Rechte anderer iSd Art 8 Abs 2, 9 Abs 2 und 11 Abs 2 EMRK notwendig. Die Nichtgestattung der Vereinsgründung sei daher gemäß § 12 des Vereinsgesetzes 2002 (im Folgenden: VerG) zu Recht erfolgt.
5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht Wien § 12 VerG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe, zu Unrecht von der Verfassungskonformität des § 78 StGB ausgegangen sei und dies nicht ausreichend begründet habe.
6. Die Landespolizeidirektion Wien sowie das Verwaltungsgericht Wien haben die Bezug habenden Akten vorgelegt. Das Verwaltungsgericht Wien hat eine Äußerung erstattet.
7. Der Erstbeschwerdeführer hat zur Äußerung des Verwaltungsgerichtes Wien eine Replik erstattet, in der u.a. mitgeteilt wird, dass der Zweitbeschwerdeführer inzwischen verstorben sei.
II. Rechtslage
1. § 12 des Bundesgesetzes über Vereine (Vereinsgesetz 2002 – VerG) BGBl I 66, idF BGBl I 161/2013, lautet:
"Erklärung, dass die Vereinsgründung nicht gestattet ist
§12. (1) Die Vereinsbehörde hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 11 Abs 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, mit Bescheid zu erklären, dass die Gründung eines Vereins nicht gestattet wird, wenn der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig wäre.
(2) Eine Erklärung gemäß Abs 1 muss ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen vier Wochen nach Einlangen der Errichtungsanzeige bei der zuständigen Vereinsbehörde schriftlich und unter Angabe der Gründe erfolgen.
(3) Ergibt eine erste Prüfung der vorgelegten Statuten Anhaltspunkte dafür, dass der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig sein könnte, so kann die Vereinsbehörde, wenn dies zur Prüfung dieser Fragen im Interesse eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens notwendig ist, die in Abs 2 angeführte Frist mit Bescheid auf längstens sechs Wochen verlängern.
(4) Ein Bescheid gemäß Abs 3 muss ohne unnötigen Aufschub schriftlich und unter Angabe der Gründe erlassen werden. Einer gegen einen solchen Bescheid erhobenen Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
(5) Ein Bescheid gemäß Abs 1 gilt hinsichtlich der in Abs 2 angeführten und allenfalls gemäß Abs 3 verlängerten Frist auch dann als rechtzeitig erlassen, wenn seine Zustellung innerhalb dieser Frist an der in der Errichtungsanzeige angegebenen Abgabestelle versucht worden ist."
2. § 78 des Bundesgesetzes vom über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), in der StF BGBl 60/1974, lautet:
"Mitwirkung am Selbstmord
§78. Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."
III. Erwägungen
1. Im Verfahren zur beabsichtigten Bildung eines Vereins sind die Proponenten Träger der Vereinsfreiheit; der Erstbeschwerdeführer – dem der Untersagungsbescheid und die angefochtene Entscheidung auch zugestellt wurden – ist legitimiert, Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gegen die die Untersagung der Bildung des Vereins bestätigende Entscheidung zu erheben.
Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers zulässig.
2. Gemäß § 11 VerG ist die beabsichtigte Errichtung eines Vereins von den Gründern der Vereinsbehörde anzuzeigen. Diese hat gemäß § 12 VerG bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 11 Abs 2 EMRK – nach Durchführung eines näher beschriebenen Verfahrens – "mit Bescheid zu erklären, dass die Gründung eines Vereins nicht gestattet wird, wenn der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig wäre."
2.1. Ein Eingriff in das durch Art 11 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art 11 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet wurde; ein solcher Fall liegt vor, wenn die Entscheidung mit einem so schweren Fehler belastet ist, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise ein verfassungswidriger, insbesondere ein dem Art 11 Abs 1 EMRK widersprechender und durch Art 11 Abs 2 EMRK nicht gedeckter Inhalt unterstellt wurde (vgl. zuletzt zur Versammlungsfreiheit ; , E968-969/2014).
Die behördliche Auflösung eines Vereins selbst (§29 VerG; vgl. zB VfSlg 19.078/2010, 19.120/2010, 19.208/2010) wie auch die Erklärung, dass die Vereinsgründung nicht gestattet ist (§12 VerG; vgl. zB VfSlg 13.025/1992, 16.395/2001, 19.260/2010), sind, so wie die Beurteilung der Frage, ob überhaupt ein Verein iSd Art 11 EMRK vorliegt, Entscheidungen, die den Kernbereich der Vereinsfreiheit betreffen. Eingriffe sind nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art 11 Abs 2 EMRK genannten Ziele zwingend notwendig sind (vgl. analog ; , E968-969/2014). Eine Entscheidung darüber obliegt dem Verfassungsgerichtshof.
2.2. § 78 StGB stellt unter Strafe, einen anderen zu verleiten oder ihm Hilfe zu leisten, sich selbst zu töten. In der angefochtenen Entscheidung wird angenommen, dass die beabsichtigte Gründung des Vereins "Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben" gegen § 78 StGB verstoße. Maßgeblich ist daher die Frage, ob das Landesverwaltungsgericht zutreffend davon ausgeht, dass der Zweck des Vereins über eine würdevolle Sterbebegleitung und ein rechtspolitisches Engagement für die Entpönalisierung der bewusst gewollten Unterstützung bei der Herbeiführung des eigenen Todes durch eine andere Person hinausgeht und auch Sachverhalte umfasst, die als Beihilfe zum Selbstmord im Sinne des § 78 StGB zu qualifizieren sind.
2.2.1. Die hier angefochtene Nichtgestattung der Vereinsgründung beruht auf der einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz "entnommenen" Rechtsauffassung, wonach insbesondere § 3 Abs 1 Z 2 und Z 3 iVm § 2 der Vereinsstatuten den Schluss zuließen, dass Maßnahmen gesetzt werden sollen, die den Tatbestand des § 78 StGB erfüllen könnten. Andererseits wurde nicht ausgeschlossen, dass etwaige bezweckte Handlungen als sozialadäquat anzusehen sein könnten. Diese Stellungnahme wurde dem Erstbeschwerdeführer auch zur Kenntnis gebracht.
2.2.2. Der Erstbeschwerdeführer trat diesem Schluss nicht entgegen. Er legte weder präzisierte Vereinsstatuten vor noch bemühte er sich um Klarstellung etwa dahingehend, dass sämtliche Aktivitäten des zu gründenden Vereins als sozialadäquat anzusehen seien und deshalb mit § 78 StGB in Einklang stünden. Im weiteren Verfahren nahm er stattdessen ein Fehlgehen dieser Auffassung allein deshalb an, da § 78 StGB nicht verfassungskonform sei. Etwas anderes hat sich auch nicht im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ergeben.
2.2.3. Die angefochtene Entscheidung legt daher der rechtlichen Würdigung zutreffend die – unbestritten gebliebene – Annahme zugrunde, dass der Zweck des Vereins "Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben" auch beinhalte, mündigen Vereinsmitgliedern unter bestimmten Voraussetzungen Hilfe zum Suizid leisten zu wollen (vgl. insbesondere § 3 Abs 1 Z 3 der Statuten). Die rechtliche Folgerung des Verwaltungsgerichtes Wien in der angefochtenen Entscheidung, dass dieser Vereinszweck gegen § 78 StGB verstößt, ist zutreffend. Schon deshalb – da der Vereinszweck offenbar zumindest teilweise gesetzwidrig ist – wurde die Bildung des Vereins zu Recht untersagt.
3. Wenn nun der Erstbeschwerdeführer mit näherer Begründung vorbringt, dass § 78 StGB, also die Norm, deretwegen die Vereinsgründung als gesetzwidrig erachtet wurde, verfassungswidrig sei, genügt es vorerst, die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in Erinnerung zu rufen, dass dem Gesetzgeber bei der Bewertung des Unrechtsgehaltes einer Tat und damit auch bei der Festlegung der Strafdrohung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (zB ua.; , E1139/2014 ua.).
3.1. Entgegen der Auffassung des Erstbeschwerdeführer hat der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum weder überschritten noch durch das Verbot des § 78 StGB das Recht auf Achtung des Privatlebens oder das Diskriminierungsverbot verletzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der Entscheidung vom , Fall Pretty, Appl. 2346/02, Rz 76 ff., gerade keine Bedenken gegen ein generelles Verbot der Beihilfe zum Selbstmord gehegt; auch in dieser Entscheidung hat er betont, dass es in erster Linie den Vertragsstaaten obliege, das Risiko und die Wahrscheinlichkeit von Missbräuchen im Falle einer Lockerung des Verbotes der Beihilfe zum Selbstmord oder der Zulassung von Ausnahmen selbst zu beurteilen. Auch aus dieser Entscheidung ist bloß abzuleiten, dass es in die ausschließliche Zuständigkeit des jeweiligen Gesetzgebers falle, Sachverhalte wie die Beihilfe zum Selbstmord zu regeln.
Der der Versagung der Vereinsgründung zugrunde liegende § 78 StGB ist unter Bedachtnahme auf Art 11 Abs 2 EMRK nicht verfassungswidrig, da der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat, wenn er das generelle Verbot der Beihilfe zum Selbstmord als zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer als notwendig erachtet. Freilich ist hier dem Erstbeschwerdeführer zuzugestehen, dass der Gesetzgeber diesen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum auch mit anderem Ergebnis nutzen könnte.
Schließlich ist für den Beschwerdeführer auch nichts aus der Berufung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom im Fall Lambert (Appl. 46.043, NJW 2015, 2715) zu gewinnen, geht es dort doch um den Abbruch von Maßnahmen, mit denen das Leben künstlich erhalten wird.
3.2. Soweit der Erstbeschwerdeführer behauptet, dass § 78 StGB gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese Norm einer Interpretation im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zugänglich ist. Aus dem Wortlaut des § 78 StGB ist für den Einzelnen jedenfalls unter Heranziehung der Auslegung dieser Bestimmung durch die Strafgerichte erkennbar, welches Verhalten ihn strafbar werden lässt (zu diesem Erfordernis siehe auch VfSlg 19.665/2012 mwH sowie die Judikatur der Strafgerichte zu § 78 StGB, zB ).
4. Auch die darüber hinaus geltend gemachten Verletzungen in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten liegen nicht vor. Diese beruhen im Wesentlichen auf dem Vorwurf der Anwendung des § 78 StGB, gegen den – wie soeben erläutert – keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
5. Der Zweitbeschwerdeführer ist ausweislich der Mitteilung seines Rechtsvertreters nach Beschwerdeeinbringung verstorben.
Über eine Beschwerde kann, ungeachtet ihrer Zulässigkeit im Zeitpunkt der Einbringung, jedenfalls dann nicht mehr meritorisch entschieden werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Beschwerdeführer verstorben und kein Rechtsträger vorhanden ist, der die Rechtspersönlichkeit des Beschwerdeführers in Ansehung jener Rechte fortsetzt, deren Verletzung in der Beschwerde geltend gemacht worden ist und in welche die angefochtene Entscheidung eingreift (vgl. VfSlg 6697/1972, 9124/1981, 9637/1983, 13.625/1993).
Das angefochtene Erkenntnis hat insofern ausschließlich höchstpersönliche Rechte des Zweitbeschwerdeführers berührt, als diese Entscheidung die Nichtgestattung der Gründung eines Vereines betrifft. Da in Ansehung der Rechtswirkungen des Erkenntnisses eine Rechtsnachfolge nicht in Betracht kommt, ist das Verfahren einzustellen.
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Erstbeschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
2. Die Beschwerde ist daher hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers abzuweisen und gemäß Art 144 Abs 3 B VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
3. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers ist das Verfahren einzustellen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2016:E1477.2015