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OGH 22.07.2015, 15Os16/15i

OGH 22.07.2015, 15Os16/15i

Rechtssätze


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Normen
RS0130181
§ 113 StGB pönalisiert nur wahre Vorwürfe; unwahre verwirklichen hingegen (bloß) § 111 StGB.
Norm
RS0130182
Der Vergehenstatbestand nach § 113 StGB setzt den Vorwurf einer gerichtlich strafbaren Handlung voraus und ist daher nicht bereits bei einer bloßen Erwähnung, sondern erst einem tadelnden Vorhalt derselben verwirklicht.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache des Privatanklägers Mag. Christoph P***** gegen Daniela B***** wegen des Vergehens des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung nach § 113 StGB, AZ 95 Hv 29/13z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Daniela B***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit am eingebrachtem Schriftsatz erhob Mag. Christoph P***** - soweit hier von Bedeutung - Privatanklage gegen Daniela B***** wegen des Vergehens des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung nach § 113 StGB im Hinblick auf einen von der Genannten verfassten, am in der periodischen Druckschrift „M*****“ unter der Überschrift „Die irre Scheidung der K*****s“ sowie seit auf der Internetseite www.o*****.at unter der Überschrift „Die irre Scheidung der Barbara K*****“ veröffentlichten Artikel, in dem der (namentlich genannte) Privatankläger als „vermeintlicher Anwalt“ bezeichnet wurde, der 2006 „wegen Amtsmissbrauch längst Berufsverbot“ gehabt habe.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 95 Hv 29/13z-8, wurde Daniela B***** von diesem wider sie erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hatte sie im Rahmen eines Berichts über eine aktuelle Scheidung der Barbara K***** von ihrem zweiten Ehemann Roland H***** den Privatankläger - mit dem die Genannte 2006 verheiratet war - als vermeintlichen Anwalt bezeichnet, der aufgrund einer Verurteilung wegen „Amtsmissbrauchs“ zum Zeitpunkt der Ehe mit K***** ein Berufsverbot hatte, sich gern im Wiener Nachtleben herumtrieb und in den Medien inszenierte, wobei die Ehe bereits nach neun Monaten gescheitert und von K***** sogar „annulliert“ worden sei. Tatsächlich sei der Privatankläger am vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, wobei die Strafe am endgültig nachgesehen worden sei. Der Bericht über diese Verurteilung habe keinen Tadel oder Vorwurf, sondern lediglich die sachliche Mitteilung enthalten, dass der Privatankläger bereits wegen Missbrauchs der Amtsgewalt verurteilt worden sei; die Angeklagte wollte den Privatankläger auch weder tadeln oder ihm die strafbare Handlung vorwerfen, noch hielt sie es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass ihre Darstellung diesen Eindruck erwecken könne.

In Stattgebung der vom Privatankläger erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld hob das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht diese Entscheidung mit Urteil vom , AZ 17 Bs 103/14t, (ON 18) auf, sprach Daniela B***** - nach Beweiswiederholung - des Vergehens des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung nach § 113 StGB schuldig und verhängte über sie eine - zur Hälfte unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene - Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 70 Euro. Nach den Annahmen des Berufungsgerichts sei aufgrund der den Artikel einleitenden Bezeichnung des Privatanklägers als „böser Bube“ und der vom Erstgericht konstatierten weiteren seine Person betreffenden negativen Hinweise im Text davon auszugehen, dass die Darstellung der Verurteilung des Privatanklägers objektiv eine „tadelnde Färbung“ gehabt habe und auch ein entsprechender (bedingter) Vorsatz der Angeklagten in diese Richtung vorgelegen sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts richtet sich der - nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützte - Antrag der Daniela B***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS-Justiz RS0122228); dieser ist offenbar unbegründet:

Unter Berufung auf Lehrmeinungen (Kienapfel/Schroll, BT I5 § 113 Rz 6; Bertel/Schwaighofer, Strafrecht BTI12 § 113 Rz 2; Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 113 Rz 3) behauptet die Erneuerungswerberin zum einen, Art 10 MRK gebiete eine teleologische Reduktion des § 113 StGB dahin, dass die Erwähnung von Vorstrafen ein Mittel nicht nur politischer, sondern jeglicher medialer Kritik sein dürfe. Zum anderen verbleibe - wenn eine Äußerung wahr ist - bei verfassungskonformer Interpretation überhaupt kein Anwendungsbereich für die angesprochene Strafbestimmung.

Voranzustellen ist, dass § 113 StGB nur wahre Vorwürfe pönalisiert; unwahre hingegen verwirklichen (bloß) § 111 StGB (Rami in WK2 StGB § 113 Rz 5 mwN).

(Auch) Die Strafbestimmung des § 113 StGB unterliegt dem (generellen) Eingriffsvorbehalt nach Art 10 Abs 2 MRK und ist daher einer Interessenabwägung zu unterziehen (vgl EGMR , 13704/88, Schwabe/Österreich, ÖJZ 1993/3 [MRK]; RIS-Justiz RS0114460). Bei dieser sind ua die Gewichtigkeit des Themas (leistet die Veröffentlichung einen Beitrag zu einer Diskussion über eine Frage von allgemeinem Interesse), die Stellung, der Bekanntheitsgrad und das (Vor-)Verhalten des Betroffenen in der Öffentlichkeit sowie ein möglicherweise durch ihn herbeigeführter „Anlassfall“, der den Bericht mehr oder weniger „provoziert“, zu berücksichtigen (vgl 6 Ob 109/00y = MR 2001, 26 ff; EGMR, , 39954/08, Axel Springer AG/Deutschland = NL 2012, 42).

Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Wien ein - den Persönlichkeitsschutz des Privatanklägers überwiegendes - Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der gerichtlichen Verurteilung desselben zutreffend verneint:

Dabei waren - neben dem Aspekt, dass das im inkriminierten Artikel behandelte Thema für die Allgemeinheit weder wichtig noch diskussionswürdig war - insbesondere die Konstatierungen zur Stellung und zum Verhalten des Privatanklägers in der Öffentlichkeit sowie zum Anlass der inkriminierten Berichterstattung bedeutsam. Diesen zufolge war der Privatankläger als reine Privatperson, die keine politische Funktion innehatte und seit rund sechs Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit stand, bloß aus Anlass einer neuerlichen Scheidung seiner bereits seit mehreren Jahren von ihm geschiedenen, als TV-Moderatorin bekannten Ex-Frau durch Thematisierung seiner langen Jahre zurückliegenden Verurteilung wegen Missbrauchs der Amtsgewalt als Beteiligter (zu einer bedingt nachgesehenen Strafe, die bereits endgültig nachgesehen war) - somit nicht im Zusammenhang mit einer Debatte zu einem politisch oder gesellschaftspolitisch relevanten Thema - erneut „ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt“ worden.

Soweit sich die Erneuerungswerberin (unter Hinweis auf EGMR , 12268/03, „Ici Paris“/Frankreich = MR 2009, 298) darauf beruft, dass früher selbst gemachte Enthüllungen das Ausmaß des durch Art 8 MRK gewährleisteten Schutzes abschwächen und der Privatankläger im Zeitpunkt seiner Ehe mit K***** vermehrt im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden sei sowie nach seiner Scheidung der Tageszeitung Ku***** ein Interview über die Gründe für diese gegeben habe, behauptet sie zum einen nicht einmal, dass sich das Interview gerade auch auf die Straftat des Privatanklägers bezogen habe, sodass aus diesem keine „selbst gemachten Enthüllungen“ abzuleiten sind, aufgrund derer sich der Betroffene keinen Schutz seiner Privatsphäre erwarten dürfe. Zum anderen gehört eine schon lange (hier: zumindest acht Jahre) zurückliegende Straftat nach der Verbüßung oder endgültigen Nachsicht der Strafe wieder der Privatsphäre des Täters an, sodass eine Person - mag sie auch vorübergehend im Blickpunkt medialen Interesses gestanden sein - mit der Zeit wieder zu einer „privaten Person“ werden kann (vgl Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, MedienG3 § 7 Rz 14; Rami in WK² MedienG § 7 Rz 5; s zu § 7 Abs 2 Z 3 MedienG auch RIS-Justiz RS0125181 [T2]).

Indem die Erneuerungswerberin behauptet, sie hätte dem Privatankläger die strafbare Handlung gar nicht „vorgeworfen“, denn der Hinweis auf die Verurteilung habe bloß als Hintergrund für die Information gedient, dass der Privatankläger aufgrund bestehenden Berufsverbots gar kein Anwalt gewesen sei, bestreitet sie bloß die gegenteiligen Tatsachenannahmen des Berufungsgerichts (US 7 iVm US 10 bis 14 in ON 18), zeigt aber zu diesen weder Begründungsmängel auf noch vermag sie erhebliche Bedenken gegen ihre Richtigkeit zu wecken, womit sie den Bezugspunkt des geltend gemachten Rechtsbehelfs verfehlt (RIS-Justiz RS0125393).

Der Vergehenstatbestand nach § 113 StGB setzt den Vorwurf einer gerichtlich strafbaren Handlung voraus und ist daher nicht bereits bei einer bloßen Erwähnung, sondern erst einem tadelnden Vorhalt derselben verwirklicht (Fabrizy, StGB11 § 113 Rz 1; Leukauf/Steininger, Komm3 § 113 Rn 7; aM Rami in WK² StGB § 113 Rz 4 und Lambauer SbgK § 113 Rz 4). Die vom Oberlandesgericht vertretene Ansicht, dass dem Privatankläger im inkriminierten Artikel seine gerichtliche Verurteilung (gemeint: die dieser zugrunde liegende strafbare Handlung) „tadelnd gefärbt“ vorgeworfen wurde, ist auf Basis der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden.

Somit wurde - dem Erneuerungsantrag zuwider - die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestands des § 113 StGB ohne Verstoß gegen Art 10 MRK rechtsrichtig bejaht. Der offenbar unbegründete Erneuerungsantrag war daher gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO zurückzuweisen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache des Privatanklägers Mag. Christoph P***** gegen Daniela B***** wegen des Vergehens des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung nach § 113 StGB, AZ 95 Hv 29/13z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Kostenbestimmungsantrag des Privatanklägers im Erneuerungsverfahren nach Einsichtnahme der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Der Oberste Gerichtshof wies mit Beschluss vom , GZ 15 Os 16/15i-6, den Antrag der im Privatanklageverfahren AZ 95 Hv 29/13z des Landesgerichts für Strafsachen Wien wegen des Vergehens des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung nach § 113 StGB Verurteilten Daniela B***** auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO per analogiam) zurück.

Rechtliche Beurteilung

Mit an den Obersten Gerichtshof gerichteter Eingabe vom beantragt der Privatankläger die Bestimmung der ihm aufgrund des Erneuerungsantrags entstandenen und „von der Angeklagten zu ersetzenden Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof“.

Dieser Antrag war zurückzuweisen, weil ein Kostenersatz im Rahmen des Erneuerungsverfahrens (auch in seinem erweiterten Anwendungsbereich gemäß § 363a StPO per analogiam [RIS-Justiz RS0122228]) im Gesetz nicht vorgesehen ist (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 20; zur Möglichkeit der Geltendmachung dieser Kosten in einem erneuerten Verfahren vgl RIS-Justiz RS0126968).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00016.15I.0722.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAE-16448