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OGH vom 29.03.2007, 15Os14/07h

OGH vom 29.03.2007, 15Os14/07h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom , GZ 034 Hv 97/06b-59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, der Vertreterin der Privatbeteiligten, Mag. Oberhuber, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Wünsch zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe wird Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf zwölf Jahre herabgesetzt. Der Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Gerhard W***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (A 1.), der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A 2.; B 2.), des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB (B 1.) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (B 3.) schuldig erkannt. Danach hat er

A. am in Linz Irene F*****

1. „durch Entziehung der persönlichen Freiheit, mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) dadurch, dass er sie in seiner Wohnung einsperrte, ihr Schläge versetzte, sie an den Haaren riss und den Schultern packte und festhielt, sie in beide Brüste biss sowie ihre Oberschenkel auseinander drückte und ihr weitere Schläge androhte, zur Vornahme und Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zur Vornahme eines Oralverkehrs und zur Duldung des Einführen eines Fingers in ihre Scheide genötigt, wobei er die Genannte dadurch, dass er in ihren Mund ejakulierte, in besonderer Weise erniedrigte;

2. dadurch widerrechtlich gefangen gehalten und ihr auf diese Weise die Freiheit entzogen, dass er sie in seiner Wohnung in *****, für die Dauer von etwa dreieinhalb Stunden einsperrte;

B. am an einem nicht näher bekannten Ort auf der Autobahn A1 zwischen Linz und Amstetten Eunice R*****

1. durch Entziehung der persönlichen Freiheit und mit Gewalt dadurch, dass er sie während einer Autobahnfahrt im Genick packte und mehrfach ihren Kopf zu seinem entblößten Geschlechtsteil drückte, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zur Vornahme eines Oralverkehrs, zu nötigen versucht;

2. dadurch widerrechtlich gefangen gehalten und ihr auf diese Weise die Freiheit entzogen, dass er mit ihr stundenlang mit dem PKW herumfuhr und sich auf ihre wiederholte Bitte hin weigerte, sie aussteigen zu lassen;

3. mit Gewalt, indem er ihr ein Mobiltelefon aus der Hand schlug und aus dem Fenster warf und ihre Handtasche mit dem zweiten Mobiltelefon an sich riss, sowie durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er äußerte, sie umzubringen, wenn sie die Polizei rufe, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme der telefonischen Verständigung der Polizei, genötigt."

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen die Annahme der Qualifikation des § 201 Abs 2 vierter Fall StGB zu A 1. richtet sich die auf die Gründe der Z 10a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

In seiner Tatsachenrüge verkennt der Beschwerdeführer das Wesen des Nichtigkeitsgrundes der Z 10a, dessen Wirkungsbereich erst dort beginnt, wo ein objektiver Beobachter aufgrund aktenkundiger Beweisergebnisse die Lösung der Schuldfrage vernünftiger Weise zu teilen nicht im Stande wäre (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470). Die Niederschrift der Geschworenen hinwieder ist nicht Gegenstand der Beweiswürdigung und kann daher - der Beschwerde zuwider (S 217/II) - überhaupt nicht Anknüpfungspunkt einer Tatsachenrüge sein (WK-StPO § 345 Rz 16; auch 13 Os 36/01 = JBl 2002, 129). Der Rechtsmittelwerber versucht in seiner Rüge unter Erörterung einzelner aus dem Zusammenhang gerissener Passagen der Aussage der Zeugin Irene F***** sowie unter Hinweis auf den Umstand, dass sie bei der Befundaufnahme durch die Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie Dr. Adelheid K***** eine Ejakulation verneinte (S 385/I) und bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung eines Mundhöhlenabstrichs des Tatopfers Spermaspuren nicht mehr nachgewiesen werden konnten (S 277/I, 48 ff/II), verbunden mit eigenständigen Beweiswerterwägungen die belastenden Angaben der genannten Zeugin über eine tatsächlich erfolgte Ejakulation in ihren Mund (S 170, 173/I) in Zweifel zu ziehen und solcherart die Richtigkeit der Erwägungen der Geschworenen zu bestreiten. Damit unternimmt er aber nur einen zur Darlegung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ungeeigneten Angriff auf die Lösung der Tatfrage nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld. Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch zu Grunde liegenden Feststellungen vermag er so allerdings nicht aufzuzeigen.

Auch der auf die Ausschaltung des Qualifikationsausspruches nach § 201 Abs 2 vierter Fall StGB zielende Einwand der Subsumtionsrüge (Z 12), der Angeklagte habe das Opfer Irene F***** durch sein Ejakulieren in deren Mund nicht einer besonderen Erniedrigung ausgesetzt, weil eine derartige Ejakulation Folge des Oralverkehrs sei und somit genauso wie die Ejakulation beim Vagnialverkehr in die Scheide bereits vom Grundtatbestand des § 201 Abs 1 StGB mitumfasst wäre, erweist sich als nicht berechtigt.

Denn das Ejakulieren in den Mund ist - der Beschwerde zuwider - keinesfalls notwendige Begleiterscheinung des Oralverkehrs, sondern stellt vielmehr - noch dazu im Kontext mit den übrigen im Wahrspruch angeführten Tatmodalitäten - eine derart schwerwiegende Herabsetzung des Opfers dar, dass damit das mit einer Vergewaltigung jedenfalls verbundene Maß an Demütigung erheblich überschritten wurde (Schick in WK2 § 201 [2006] Rz 33 mwN).

Das Erstgericht hat somit zu Recht eine in besonderer Weise erfolgte Erniedrigung des Opfers angenommen (vgl auch 11 Os 10/98, 15 Os 88/01, 13 Os 13/02, 12 Os 118/05b, 12 Os 144/05a).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung der Verteidigung - zu verwerfen. Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 201 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Jahren und sprach der Privatbeteiligten Irene F***** ein Teilschmerzengeld in der Höhe von 5.000 Euro, der Privatbeteiligten Eunice R***** Schadenersatz in der Höhe von 645 Euro zu.

Bei der Strafzumessung werteten die Tatrichter als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von drei Verbrechen mit zwei Vergehen, „teilweise bei Tatwiederholung", die Ausnutzung der geistigen Minderbegabung der Irene F***** sowie die dieser zugefügten Verletzungen. Als mildernd wurde berücksichtigt, dass es zu B 1. beim Versuch blieb.

Diesen Strafzumessungskriterien ist erschwerend noch die Kumulation der Nötigungsmittel bei den Fakten A1. und B1. hinzuzufügen. Die „erhebliche Alkoholisierung" des Angeklagten war - entgegen dem Berufungsvorbringen - nicht als mildernd zu werten, weil dem Angeklagten bekannt war, dass er im alkoholisierten Zustand zu aggressiven sexuellen Handlungen neigt (ON 32) und auch seine Vorstrafe auf einer im Zustand der Alkoholisierung begangenen Vergewaltigung beruht (ON 31 in AZ 27 Hv 2/98 des Landesgerichtes Linz). Zu Recht weist die Berufung allerdings auf die intellektuelle Minderbegabung des Angeklagten hin, die - als Grenzbegabung diagnostiziert (S 325, 330/I) - als schuldmildernd zu berücksichtigen ist (Ebner in WK2 § 34 Rz 4). Im Hinblick auf diesen zusätzlichen, die personale Täterschuld maßgeblich reduzierenden Milderungsgrund war die Sanktion auf eine der Tatschuld und der Täterpersönlichkeit angemessene zwölfjährige Freiheitsstrafe herabzusetzen. Nicht im Recht ist der Angeklagte mit seiner Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche. Einerseits ist das Erstgericht beim Zuspruch von 645 Euro für ein in Verlust geratenes Mobiltelefon und die Beschädigung von Sonnenbrille und Handtasche - dem Beschwerdevorbringen zuwider - ohnehin nicht vom Neuwert der Sachen ausgegangen (vgl S 265/I), sondern hat bei der Berechnung des gemeinen Wertes (Spenling, WK-StPO § 369 Rz 45) einen angemessenen Betrag in Abzug gebracht. Andererseits ist der Zuspruch von 5.000 Euro - global zu bemessendem (RIS-Justiz RS0108277) - Schmerzengeld (§§ 1325, 1328, 1329 ABGB) im Hinblick auf die von massiven Gewalthandlungen begleiteten sexuellen Übergriffe und den Freiheitsentzug von ca dreieinhalb Stunden keinesfalls überhöht. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.