OGH vom 31.07.1986, 13Os90/86
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Ing. Josef H*** wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom , GZ 29 Vr 2346/85-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, des Angeklagten Ing. Josef H*** und des Verteidigers Dr. Krüger zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird Folge gegeben und die Geldstrafe auf 300.000 (dreihunderttausend) Schilling, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 (zwei) Monate herabgesetzt. Der Berufung der Finanzstrafbehörde wird Folge gegeben und der Ausspruch über die bedingte Nachsicht der Geldstrafe aufgehoben. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am geborene Angestellte Josef H*** wurde des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG. schuldig erkannt. Darnach hat er als Geschäftsführer der D*** Bau GesmbH in Linz unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen Umsätze von 24,700.850 S nicht erklärt und dadurch eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Mai 1980 bis Mai 1982 von 2,753.205 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er vorbringt, nicht die (unbestrittene) Unterlassung der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen, sondern die (nach den Urteilsfeststellungen Ende 1980 eingetretene) Zahlungsunfähigkeit der Firma D*** habe die Verkürzung der Vorauszahlungen bewirkt. Da die Baugesellschaft der Umsatzsteuersollbesteuerung unterlag, hätten die Vorauszahlungen unabhängig von einem Zahlungseingang jeweils nach Rechnungslegung geleistet werden müssen, was aber wegen der Zahlungsunfähigkeit nicht möglich gewesen sei und sogar die Strafbarkeit nach § 158 StGB. zur Folge gehabt hätte. Die Nichterstattung der Voranmeldungen müsse aber für die Verkürzung kausal sein. Da dies nicht der Fall gewesen sei, liege eine gerichtlich strafbare Handlung nicht vor.
Indes muß entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung die Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht (etwa der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG. 1972 entsprechenden Voranmeldungen) keineswegs kausal für die Abgabenverkürzung sein. Da insbesondere bei Selbstberechnungsabgaben (§§ 201, 202 BAO) nicht immer die Verletzung einer Erklärungspflicht den Einnahmenausfall verursacht, sondern ihn mitunter nur begleitet, hat die Finanzstrafgesetz-Novelle 1975 auf die Tatbestandsvoraussetzung der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung verzichtet. Seither genügt es, daß die Abgabenverkürzung jeweils "unter" Verletzung einer Rechtspflicht bewirkt wird (LSK. 1984/15 = EvBl 1984/107 = RZ. 1984/36; Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch Anm. 3, Fellner Anm. 6, je zu § 33 FinStrG). Die hier verletzte Rechtspflicht ist die zur Abgabe der Voranmeldungen.
Die verschuldete Nichteinhaltung einer abgabenrechtlichen Erklärungsfrist führt als solche lediglich zu einem Verspätungszuschlag gemäß § 135 BAO (nicht grundsätzlich zu einem Säumniszuschlag nach §§ 217 ff. BAO.: siehe die klarstellende Ergänzung des § 135 Abs 1 BAO. durch die BAONov. 1980 BGBl. Nr. 151 sowie EvBl 1982 Nr. 123 u.a., doch unbeschadet des § 135 Abs 2 BAO.). Die vorsätzlich verspätete Erfüllung einer Abgabenschuldigkeit ist nur bei den vom Abgabenpflichtigen selbst zu berechnenden Abgaben, bei den Vorauszahlungen an Umsatzsteuer und bei den Vorauszahlungen an Abgabe von alkoholischen Getränken und auch hier lediglich als Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs 1 lit a FinStrG. strafbar, wobei diese Strafbarkeit überdies durch rechtzeitige Bekanntgabe der geschuldeten Beträge abgewendet werden kann. Die vorsätzliche Nichteinreichung einer vorgeschriebenen Steuererklärung ist subsidiär als Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Abs 1 lit a FinStrG. strafbar (EvBl 1982 Nr. 123; vgl. EvBl 1983 Nr. 10, 10 Os 190/81).
Im Hinblick auf: erstens die Vollendung der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG. mit der Bewirkung einer Verkürzung von Vorauszahlungen und zweitens die Bewirkung zufolge § 33 Abs 3 lit b FinStrG., mit der Nichtentrichtung der entsprechenden Zahllast im Zeitpunkt der Fälligkeit der Vorauszahlung (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch Anm. 9 zu § 33 FinStrG.; EvBl 1980 Nr. 96, 13 Os 16/81) kommt es auf die Möglichkeit der Festsetzung der Vorauszahlungen durch das Finanzamt im Schätzungsweg (§ 21 Abs 3 UStG. 1972) nicht an. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang anzuführen, daß ungeachtet der insoweit nicht differenzierenden Urteilsfeststellungen nur in den Monaten Dezember 1980, Jänner 1981, Oktober 1981 bis Mai 1982 keine Voranmeldungen abgegeben und keine Zahlungen geleistet wurden, im übrigen Deliktszeitraum aber inhaltlich unrichtige Voranmeldungen (hiezu 13 Os 56/86) erstattet und entsprechende (zu niedrige) Vorauszahlungen erbracht wurden (S 9 bis 11).
Die (im vorliegenden Fall entgegen dem auf den gesamten Deliktszeitraum bezogenen Beschwerdevorbringen überhaupt erst ab Ende 1980 aktuelle) Frage der Zahlungs(un)- fähigkeit des Abgabenschuldners reduziert sich somit auf die Frage der Einbringlichkeit der Abgabenschuld, die (auch hier) unbeachtlich ist (13 Os 16/81). Ein zahlungsunfähiger Abgabenschuldner kann jede strafrechtliche Haftung für die Nichtentrichtung selbst zu berechnender Abgaben vermeiden, indem er (wenigstens) seiner abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitpflicht nachkommt und der Abgabenbehörde die Höhe des geschuldeten Betrags mitteilt (§ 49 Abs 1 lit a FinStrG.). Weshalb der Beschwerdeführer diesen Ausweg nicht gewählt hat, wurde vom Erstgericht auf Grund dessen eigener Verantwortung festgestellt: weil er sich nämlich einen "finanziellen" Polster" schaffen wollte (S. 119 f.). Gegenüber dem Hinweis der Beschwerde auf § 158 StGB. genügt schließlich die Erinnerung an den allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß die Befolgung eines Gesetzes nicht strafbar machen kann. Wer also eine Steuerpflicht erfüllt, kann nicht wegen Begünstigung des Fiskus nach § 158 Abs 1 StGB. verantwortlich werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über Ing. Josef H*** nach § 33 Abs 5 FinStrG. (unter Anwendung des § 21 FinStrG.) eine Geldstrafe von 600.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe vier Monate), die es gemäß § 26 Abs 1 FinStrG. für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Gemäß § 26 Abs 2 FinStrG. sowie § 50 StGB. (irrig auch gemäß § 52 StGB.) wurde dem Angeklagten die Weisung erteilt, die hinterzogenen Abgaben innerhalb eines Jahrs an das Finanzamt abzuführen. Bei der Strafbemessung waren erschwerend die Tatwiederholung (§ 21 FinStrG.) und die große Höhe der hinterzogenen Abgaben, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und sein teilweises Geständnis.
Gegen den Strafausspruch wenden sich die Berufungen des Finanzamts und des Angeklagten. Das Rechtsmittel der Finanzstrafbehörde richtet sich gegen die dem Angeklagten gewährte bedingte Strafnachsicht, der Angeklagte begehrt eine Herabsetzung der Geldstrafe.
Beiden Berufungen kommt Berechtigung zu.
Die Geldstrafe, die hier maximal 5,506.410 S erreichen (und auch von einer Freiheitsstrafe begleitet sein) könnte, wurde nach Lage des Falls dennoch mit 600.000 S überhöht bemessen. Sie und die Ersatzfreiheitsstrafe waren daher entsprechend zu reduzieren. Dies insbesondere angesichts der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten (§ 23 Abs 3 FinStrG.), der das Strafübel auf sich zu nehmen haben wird. Denn die bedingte Strafnachsicht scheitert an der wissentlichen Tatbegehung über einen längeren Zeitraum, die zu einer Abgabenverkürzung in der Höhe von 2 3/4 Millionen Schilling geführt hat, und an der gebotenen Effektivität der Strafe (LSK. 1983/169; 13 Os 56/86).
Mit dem Wegfall der bedingten Strafnachsicht hat auch die Weisung ihre Rechtsgrundlage (im § 26 Abs 2 FinStrG., sonst nirgends) verloren, sodaß der diesbezügliche Beschluß (§ 494 StPO.) durch das Erstgericht aufzuheben sein wird.