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OGH vom 11.06.2008, 13Os8/08p

OGH vom 11.06.2008, 13Os8/08p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Just als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann S***** und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom , GZ 14 Hv 9/04s-129, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Johann S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann S***** und Andreas Sto***** im zweiten Rechtsgang jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabehehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (I) und der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG (II) schuldig erkannt.

Danach haben Johann S***** und Andreas Sto*****

I. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorsätzlich Sachen, hinsichtlich welcher von unbekannten Tätern eine Verkürzung von Verbrauchssteuern begangen worden ist, nämlich nachgemachte, in Österreich illegal hergestellte Zigaretten der Sorten „Marlboro" und „Marlboro Light", gekauft, sonst an sich gebracht, verheimlicht und verhandelt, wobei es ihnen darauf angekommen ist, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1. von Februar 2004 bis in Stadl-Paura und Wels, indem Andreas Sto***** in mehreren Angriffen insgesamt 300 Stangen (= 60.000 Stück), darauf lastende Tabaksteuer von 5.634 Euro, von Johann S***** um 16 Euro pro Stange erwarb und in der Folge einen Großteil an unbekannte Abnehmer gewinnbringend weiterveräußerte,

2. am 2. März und in zwei Angriffen, indem sie insgesamt 14.000 Stangen (= 2,800.000 Stück), darauf lastende Tabaksteuer von 262.920 Euro, von Eugendorf nach Vorchdorf verbrachten und hievon am einen Teil, nämlich 16 bis 20 Kartons zu je 50 Stangen in Gmunden an eine unbekannte Person übergaben,

3. auch im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Gerhard R***** und Rickard B***** am , indem Johann S***** und Andreas Sto***** 7.000 Stangen (= 1,400.000 Stück), darauf lastende Tabaksteuer von 131.460 Euro, von Eugendorf über Regau nach Pinsdorf verbrachten, wo sie an eine unbekannte, von Gerhard R***** und Rickard B***** vermittelte Person verkauft werden sollten,

II. durch die unter I. beschriebenen Tathandlungen Monopolgegenstände (§ 17 Abs 4 FinStrG), nämlich insgesamt 21.300 Stangen Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis von 724.200 Euro, hinsichtlich welcher in Monopolrechte eingegriffen worden ist, gekauft, sonst an sich gebracht, verheimlicht und verhandelt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten Johann S***** aus Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

1. Gegen den strafbestimmenden Wertbetrag und die Wertersatzstrafe gerichtet (S 493/III oben) wendet der Angeklagte aus Z 11 erster Fall (Beschwerdepunkt a) ein, das Erstgericht habe es unterlassen, „die Berechnungsgrundlagen" in das Urteil aufzunehmen, es habe „hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen für die Strafbemessung auf die (nunmehrigen) Ausführungen und Berechnungen des Zollamts Graz (ON 99, Beilage ./1 zu ON 114) verwiesen", wäre aber „verpflichtet gewesen, exakt detailliert darzulegen, wie es zu den angenommenen Beträgen gelangt".

Soweit sich dies auf die Tatsachengrundlage der im Urteil genannten rechtlichen Annahme beziehen soll, der strafbestimmende Wertbetrag (§ 37 Abs 2 FinStrG) belaufe sich auf 400.014 Euro (US 15 oben) und der gemeine Wert (iSd § 19 Abs 3 FinStrG; missverständlich US 13 oben) der nicht mehr greifbaren Tatgegenstände mache 34 Euro je Stange aus (US 13 unten), geht der Beschwerdeführer über die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zu Menge, Aufmachung und Preis der tatverfangenen Zigaretten ebenso hinweg wie über die Konstatierungen zur sichergestellten Teilmenge (US 5 bis 8) und legt nicht dar, welcher weiteren Tatsachenannahmen es seiner Ansicht nach bedurft hätte. Begründungsmängel oder erhebliche Bedenken in Betreff der vorliegenden Feststellungen (Z 11 erster Fall iVm § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO) werden (demgemäß) gar nicht geltend gemacht.

Sofern der Einwand ein Unterbleiben vertiefter rechtlicher Argumentation im Urteil anspricht, weil nicht jeder Subsumtionsschritt dargelegt wurde, zielt er nicht auf Nichtigkeit nach Z 11 ab, die rechtliche Fehler in Betreff eines Sanktionsausspruchs erfasst (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 662 ff, va 665).

2. Das Vorbringen (Punkt b der Beschwerde), die Feststellung eines - in der Beschwerde so bezeichneten - „Detailverkaufspreises" von 14 oder 16 Euro pro Stange sei „denkunmöglich mit dem herangezogenen strafbestimmenden Wertbetrag gemäß § 37 FinStrG bzw der Bemessungsgrundlage gemäß § 44 Abs 2 FinStrG geschweige denn mit dem veranschlagten angeblichen gemeinen Wert von 413.100 Euro hinsichtlich der bereits verhandelten Zigarettenmenge vereinbar", geht an den Erwägungen des Erstgerichts vorbei:

Danach erwarb zwar (im Zug des Absatzes großer Zigarettenmengen) Sto***** von S***** von Februar bis 300 Stangen Zigaretten um 16 Euro pro Stange (US 5) und am sollten 7.000 von S***** gelieferte Stangen zum Preis von je 14 Euro an Großabnehmer verkauft werden (US 7 unten, 8 oben), während dem strafbestimmenden Wertbetrag nach § 37 Abs 2 FinStrG, dem gemeinen Wert nach § 19 Abs 3 FinStrG und der Bemessungsgrundlage nach § 44 Abs 2 lit c FinStrG aber, wie das Schöffengericht ausführte, ein Preis von 34 Euro pro Stange zugrunde zu legen ist (US 9, 12 ff).

3. Im damit angesprochenen Teil der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht in tatsächlicher Hinsicht von verfahrensgegenständlichen Zigaretten „in jener Stückelung und Aufmachung" aus, „wie derartige Tabakwaren bei ordnungsgemäßem Handel von Verbrauchern erworben werden können" (US 12), ohne dass, wie der Angeklagte einwendet (Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall, S 495/III oben), für die im gegebenen Zusammenhang interessierende Frage nach dem Preis erörterungsbedürftig gewesen wäre, ob der Verpackungstext samt Gesundheitswarnung in deutscher oder englischer Sprache angebracht war (vgl § 5 TabakG).

Ein Rechtsirrtum (Z 11 erster Fall) ist darin, dass sich das Schöffengericht in Betreff des strafbestimmenden Wertbetrags nach § 37 Abs 2 FinStrG am Kleinverkaufspreis für Zigaretten der Sorten „Marlboro" und „Marlboro Light" von (damals) 34 Euro pro Stange orientierte, entgegen der Beschwerde (Punkt c, Z 11 erster Fall), die mit Blick auf § 5 Abs 2 TabaksteuerG vom gemeinen Wert iSd § 10 Abs 2 BewertungsG ausgehen will, den sie für geringer hält, nicht zu erblicken:

Die Tabaksteuer für Zigaretten richtet sich gemäß § 4 Abs 1 Z 1 Tabaksteuergesetz 1995, BGBl 1994/704, auch idF BGBl I 2003/124, die im Jahr 2004 in Geltung stand, nach dem Kleinverkaufspreis iSd § 5 Abs 1 oder Abs 2 leg cit. Nach dem zweiten Satz des § 5 Abs 2 ist der gemeine Wert iSd § 10 Abs 2 BewertungsG nur im Fall von Tabakwaren maßgeblich, die üblicherweise nicht zur Abgabe an Verbraucher bestimmt sind, wovon hier keine Rede sein kann. Kommt es demnach auf § 5 Abs 2 erster Satz TabaksteuerG 1995 an, wonach als Kleinverkaufspreis der Preis anzusehen ist, der von als solchen befugten Tabakwarenhändlern bei Abgabe der Tabakwaren an den Verbraucher „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr" - womit vor allem Art und Ausmaß der Verkäufe gemeint sind, nicht aber, ob die Tabakware von einem Produzenten mit den nötigen Bewilligungen hergestellt und versteuert wurde - erzielbar wäre, ist das vom Erstgericht gefundene Ergebnis rechtlich einwandfrei.

Im Übrigen ist nicht erkennbar, warum der gemeine Wert iSd § 10 Abs 2 BewertungsG geringer sein soll, handelt es sich doch dabei um den jeweiligen inländischen Detailverkaufspreis, bestehend aus dem Einstandspreis, den rechtmäßig zu entrichtenden Abgaben, den Frachtkosten und sonstigen Spesen sowie den Gewinnspannen (Dorazil/Harbich FinStrG § 19 Anm 7 sowie E 19 bis 24, 29, 31, vgl auch 36).

4. Bei der im Urteil konstatierten „Stückelung und Aufmachung" als Zigaretten der Sorten „Marlboro" und „Marlboro Light", von welcher der Beschwerdeführer nicht ausgeht, erweist sich auch die weiters kritisierte (Punkt d) rechtliche Annahme des gemeinen Wertes iSd § 19 Abs 3 FinStrG (eingehend US 13) als zutreffend.

Da für die Wertersatzstrafe dieser gemeine Wert (§ 19 Abs 3 FinStrG, § 10 Abs 2 BewertungsG) maßgebend ist, bleibt entgegen der Beschwerdemeinung irrelevant, ob die Zigaretten „für den Staat wertlos" sind und „als Fälschungen vernichtet werden" müssen.

5. Die in der Beschwerde aus Z 9 lit a vermissten Feststellungen zum Produktionszeitpunkt der Zigaretten sind dem Urteil im - insoweit übergangenen - Kontext gelesen durchaus zu entnehmen (US 8 zweiter Absatz, s auch US 5 und 7).

6. Warum „§ 46 eine lex specialis zu § 37 FinStrG" darstellen soll, legt der Beschwerdeführer auch mit Blick auf die von ihm zitierte Kommentarstelle (Seiler/Seiler FinStrG § 46 Rz 27) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar. Spezialität liegt dann vor, wenn eine strafbare Handlung die selben Merkmale wie die andere und zumindest ein weiteres aufweist (zB Leukauf/Steininger, Komm³ § 28 Rz 42). Die vom Beschwerdeführer angestrebte rechtliche Konsequenz ist nicht bloß zu behaupten, sondern methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (eingehend 13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [Burgstaller] = RZ 2004, 139 = SSt 2003/98; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), woran es hier (wie in der genannten Kommentarstelle, die auf den Spezialitätsbegriff in Bezug auf die in Rede stehenden Gesetzesstellen nicht eingeht) fehlt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Anzumerken bleibt, dass im gegebenen Fall - in dem nach den Feststellungen davon auszugehen ist, dass die Angeklagten die ersten Übernehmer der Zigaretten waren (und nicht Folge-Übernehmer) - nicht das Finanzvergehen der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG, sondern jenes des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Salzmonopols oder des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG (allenfalls in der Begehungsform des § 11 dritter Fall FinStrG) verwirklicht wurde, weil die Tathandlungen des § 46 Abs 1 FinStrG eine abgeschlossene Vortat erfordern. Das erste gewerbsmäßige Inverkehrbringen im Monopolgebiet stellt aber gerade erst jenen Handel mit Monopolgegenständen nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG iVm § 5 TabMG dar, an den die Strafbarkeit weiterer Übernehmer (in einer Absatzkette) nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG anknüpft (RIS-Justiz RS0120331). Im Hinblick auf die gleich hohen Strafdrohungen bei § 44 Abs 1 lit a FinStrG und § 46 Abs 1 lit a FinStrG gereicht aber der - nicht geltend gemachte - Subsumtionsirrtum den Angeklagten nicht zum Nachteil, sodass kein Grund für ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO (§ 195 Abs 1 FinStrG) bestand.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde hat die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Johann S***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.