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OGH vom 01.10.2008, 13Os76/08p

OGH vom 01.10.2008, 13Os76/08p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Schmidmayr als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Otto L***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 123 Hv 140/06v-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch Punkt 2. betreffend das Jahr 1993 und demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem auch einen Teilfreispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Otto L***** (richtig:) jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (1.) und der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (2.) schuldig erkannt.

Danach hat er vorsätzlich im Bereich des Finanzamts Mödling als Geschäftsführer der I***** vorsätzlich

1. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuererklärung eine Verkürzung an Umsatzsteuer für das Jahr 1992 um 62.096 S (= 4.512,69 Euro) bewirkt;

2. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 und 1994 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen von Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und zwar

für das Jahr 1992 um 594.330 S (= 43.191,64 Euro),

für das Jahr 1993 um 379.062,05 S (= 27.547,51 Euro),

für das Jahr 1994 um 475.094,04 S (= 34.526,43 Euro) und

für das Jahr 1995 um 428.219,95 S (= 31.119,95 Euro).

Den strafbestimmenden Wertbetrag bezifferte das Erstgericht mit 1.876.706,04 S (= 136.385,53 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde

Die gegen das Urteil vom Angeklagten aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Mit dem auf den Schuldspruch Punkt 1 bezogenen Vorbringen, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte „die Umsatzerhöhung" betreffend das Jahr 1992 (US 16) durch ein vorsätzliches Verhalten bewirkt habe, macht der Beschwerdeführer der Sache nach einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend (Z 9 lit a), geht jedoch daran vorbei, dass mit der im Urteil angesprochenen „Umsatzerhöhung" das steuerliche Mehrergebnis aufgrund der Betriebsprüfung und nicht eine dem Angeklagten angelastete Manipulation gemeint ist, was die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (va US 18 f) in ausreichendem Maß verdeutlicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

Die zum selben Schuldspruchfaktum weiters geäußerte Kritik, den Entscheidungsgründen mangle es an der Klarstellung, auf welche Weise der Angeklagte die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht verletzt, insbesondere, ob er die Umsatzsteuerjahreserklärung für 1992 selbst verfasst oder seine steuerliche Vertretung vorsätzlich unrichtig informiert habe (der Sache nach gleichfalls Z 9 lit a), übergeht prozessordnungswidrig die zunächst explizit zur Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen im Jahr 1992 getroffenen Feststellungen (US 16) und die damit im Zusammenhang stehenden Erörterungen (US 18 f), aus denen insgesamt klar zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer seiner steuerlichen Vertretung zunächst (wissentlich) unvollständige Unterlagen lieferte und die infolgedessen unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen auch anlässlich der - ua nicht wahrheitsgemäß deklarierte Beträge an Eigenverbrauch enthaltenden - Steuererklärung für das Jahr 1992 (zumindest teilweise) nicht richtig stellen „wollte". Welche Feststellungen zur Verletzung der Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht darüber hinaus erforderlich gewesen wären, lässt die Rüge offen.

Ein pauschal geltend gemachter, jedoch nicht näher bezeichneter Begründungsmangel (Z 5) ist in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu erkennen.

Angesichts dieser eindeutigen Urteilsannahmen unterlässt es der Beschwerdeführer, im Rahmen der in Bezug auf das Schuldspruchfaktum 2 ausgeführten Rechtsrüge (Z 9 lit a) konkret darzulegen, welche vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz er unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt anstrebt (RIS-Justiz RS0118580). Welchen Einfluss insbesondere ein Hinweis der Steuerberater auf Differenzen zwischen den Umsatzsteuervoranmeldungen und den korrespondierenden Jahressteuererklärungen auf die - im Zeitpunkt der Fatierung längst abgeschlossene - Verwirklichung des Tatbestandes des § 33 Abs 2 lit a FinStrG durch den Angeklagten hätte haben können, bleibt unklar.

Soweit der Beschwerdeführer Unterlagen der für ihn im Tatzeitraum tätigen Steuerberatungskanzleien vermisst, bekämpft er die tatrichterliche Beweiswürdigung unter (impliziter) Berufung auf den Zweifelsgrundsatz nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die ebenfalls im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit Berufung auf die Aussagen der steuerlichen Vertreter Dr. Peter O***** (S 257 ff/II) und Mag. Franz H***** (S 271 ff/II) angestrebte Feststellung, der Angeklagte habe bei den ihm angelasteten Taten im Vertrauen auf ein Steuerguthaben gehandelt, weshalb ihm keine vorsätzliche oder wissentliche Abgabenverkürzung zur Last gelegt werden könne, bezieht sich auf keinen entscheidungswesentlichen Umstand, weshalb auch dieser Einwand die gesetzmäßige Darstellung verfehlt. Ein allenfalls vorliegendes Guthaben (vgl § 215 Abs 1 BAO) betrifft nämlich lediglich die Frage der Einbringlichkeit des aus einer Abgabenverkürzung resultierenden Anspruchs und hat auf die Erfüllung der objektiven wie subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 33 Abs 2 lit a FinStrG keinen Einfluss (vgl RIS-Justiz RS0086553).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zur amtswegigen Maßnahme

Nach den Urteilsfeststellungen (US 16 ff) wurden die aufgrund unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen im Jahr 1993 bewirkten Steuerverkürzungen in der für dieses Jahr abgegebenen Steuererklärung offen gelegt; die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) wurde dennoch (zumindest implizit) verneint, weil das Erstgericht - gestützt auf den Auszug des den Angeklagten betreffenden Abgabenkontos (Blg ./A zu ON 69) - vermeinte, eine zeitgleiche Entrichtung (ua) des für das Jahr 1993 (nachträglich) erklärten Umsatzsteuerfehlbetrags nicht feststellen zu können (US 16).

Die getroffenen Konstatierungen lassen jedoch eine abschließende Beurteilung der - aufgrund der Verfahrensergebnisse indizierten - strafbefreienden Wirkung der Jahressteuererklärung 1993 nicht zu: Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Selbstanzeige ist - da es nicht um die Wahrung einer prozessualen Frist geht - deren Einlangen bei der Behörde (RIS-Justiz RS0086250); hinsichtlich der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1993 war dies dem Eingangsstempel des Finanzamts Mödling zufolge am (in der Hauptverhandlung vorgetragener [287/II] Körperschaftssteuerakt nach Jahresfahne 1993). Nach dem auch insoweit in der Hauptverhandlung vorgetragenen (vgl 13 Os 109/07i, 110/07m, EvBl 2008/38, 196) Akteninhalt wies zu diesem Zeitpunkt das Abgabenkonto ein den offen gelegten Steuerfehlbetrag übersteigendes Guthaben von 444.449 S auf (Blg ./A zu ON 69); einer der Ausschlussgründe des § 29 Abs 3 (insbesondere lit c) FinStrG ist im Unterschied zu den für die übrigen Abgabenjahre eingebrachten Steuererklärungen nicht ersichtlich (S 319/I).

Aus der kontokorrentmäßigen Führung eines Abgabenkontos (§ 213 Abs 1 BAO) folgt, dass Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt ist, (von Amts wegen) auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen sind (§ 214 Abs 1 BAO), wobei nur das tatsächliche Vorhandensein, nicht die Rechtmäßigkeit eines ausgewiesenen Guthabens bei derartigen Buchungsvorgängen eine Rolle spielt (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO § 213 E 5 f; Ritz, Bundesabgabenordnung³ § 239 Rz 1). Für diesen Regelfall bedarf es keiner Verrechnungsanweisung (Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht³ Rz 452). Diese ist iSd § 214 Abs 4 lit c BAO vielmehr nur dann erforderlich, wenn sich eine Selbstanzeige nicht auf die am längsten fällige Abgabenschuld bezieht und die aus ihrem Anlass geleistete Zahlung (oder die Verwendung eines Guthabens) entgegen dem Grundsatz des § 214 Abs 1 BAO (auf die jüngere Schuld) verrechnet werden soll (Ritz aaO § 214 Rz 11; ders, RdW 1988, 101; Stoll, BAO-Kommentar, 2303). Anhaltspunkte für das Vorliegen älterer Steuerschulden sind weder dem in Rede stehenden Abgabenkonto noch den sonstigen Verfahrensergebnissen zu entnehmen.

Das für tätige Reue im Vermögensstrafrecht bestehende Erfordernis einer Widmung im Fall einer nicht den insgesamt offenen Betrag deckenden Ersatzleistung ergibt sich aus dem gezielt auf eine bestimmte (dem Ersatz zugrunde liegende) Tat abstellenden Wortlaut des § 167 StGB und dem wesentlichen Zweck jener Bestimmung. Letzterer besteht darin, dem Opfer zur raschen und einfachen Wiedergutmachung des erlittenen Schadens zu verhelfen. Dem stünde aus Sicht des Opfers bei ungewidmetem Teilersatz die Gefahr von Misslichkeiten einer späteren Auseinandersetzung mit dem Täter über die Verrechnung entgegen. Demzufolge ist zur strafbefreienden Wirkung einer Gutmachung nach § 167 StGB eine Widmung erforderlich, welche die dem Ersatz zugrunde liegende Tat bezeichnet, es sei denn, die Gutmachung betrifft auch ohne ausdrückliche Zuordnung klar ersichtlich eine ganz bestimmte Tat (RIS-Justiz RS0033543; 15 Os 99/05f; Kirchbacher/Presslauer in WK² § 167 Rz 10 mwN, 27 f). Auf das öffentlich-rechtliche Verhältnis betreffend Abgabenschuldigkeiten treffen diese Erwägungen, wie mit Blick auf die vorgenannten Bestimmungen der BAO und auf § 29 FinStrG klargestellt sei, nicht zu.

Die aus einer Selbstanzeige sich ergebenden (verkürzten) Beträge sind gemäß § 29 Abs 2 FinStrG nach den Abgaben- oder Monopolvorschriften zu entrichten, das heißt grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (zB Reger/Hacker/Kneidinger FinStrG § 29 Rz 11). Eine aus der Umsatzsteuerveranlagung hervorgehende Nachforderung begründet keine vom 15. des auf den Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonats abweichende Fälligkeit der Umsatzsteuer (Hinterleitner in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-Kommentar § 21 Rz 20 und 30). Die bescheidmäßige Festsetzung gibt dem Abgabepflichtigen in diesen Fällen lediglich die Möglichkeit , die Schadensgutmachung noch innerhalb eines Monats nach Bescheidzustellung zu leisten (), schließt aber eine frühere Entrichtung (nach Fälligkeit der Selbstbemessungsabgaben) keineswegs aus. Dass die Umsatzsteuer für das Jahr 1993 - auf Basis der nach den Urteilskonstatierungen ordnungsgemäßen Jahressteuererklärung - dem Akteninhalt zufolge (Körperschaftssteuerakt nach Jahresfahne 1993) bescheidmäßig erst am veranlagt wurde, zu welchem Zeitpunkt das Abgabenkonto des Angeklagten kein Guthaben mehr aufwies, ist daher bedeutungslos.

Wegen des Fehlens von Feststellungen zum Zeitpunkt des Einlangens der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1993 beim Finanzamt, zum damaligen Stand des Abgabenkontos (und zu allenfalls bestehenden älteren Abgabenschulden) sowie zur Rechtzeitigkeit der als Selbstanzeige zu wertenden Steuererklärung iSd § 29 Abs 3 FinStrG (insbesondere im Hinblick auf den - späteren - Beginn der Betriebsprüfung) sah sich der Oberste Gerichtshof zur Kassation des von der aufgezeigten Nichtigkeit (Z 9 lit b) betroffenen Teils des Schuldspruchs und demzufolge des Strafausspruchs veranlasst.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die - das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde, nicht die amtswegige Maßnahme betreffende - Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.