OGH vom 08.11.2000, 13Os72/00
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schwahofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ettore V***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Baden als Finanzstrafbehörde I. Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 42 Vr 906/98-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, der Vertreterin des Finanzamtes Baden als Finanzstrafbehörde I. Instanz Oberrätin Dr. Ulrike Mifek, des Angeklagten sowie dessen Verteidigers Dr. Kerschhackel zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ettore V***** von der Anklage, er habe in Baden in den Jahren 1996 und 1997 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem gemäß § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen (wissentlich) Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Gesamthöhe von 1,239.990 S bewirkt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der Angeklagte habe die subjektive Tatseite nicht verwirklicht und fahrlässige Begehung sei "nicht strafbar".
Rechtliche Beurteilung
Der aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Baden als Finanzstrafbehörde I. Instanz kommt (teils aus formellen Gründen) keine Berechtigung zu. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider haften dem Urteil Begründungsmängel nicht an.
Der Sache nach als Unvollständigkeit des Ausspruches über die entscheidende Tatsache des dem Angeklagten fehlenden Vorsatzes auf Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen wird die unterbliebene Erörterung der "sich aus den (verlesenen) Akten des Finanzamtes ergebenden" Umstände geltend gemacht, wonach "bereits vor dem hier in Rede stehenden Anklagezeitraum wiederholt sinnfällige Diskrepanzen zwischen den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen und den tatsächlichen Zahllasten auftraten, was auch in mehreren Fällen zu abgabenbehördlichen Beanstandungen und spezifischen Überprüfungen Anlass gab".
Wegen dieser "Diskrepanzen" wurde der Angeklagte allerdings erst mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , somit nach dem von der Anklage umfassten Tatzeitraum, rechtskräftig schuldig erkannt. Aus den in der Hauptverhandlung verlesenen (S 93) "angeschlossenen" Finanzakten ist jedoch nicht ersichtlich (und wird dies auch von der Beschwerde nicht behauptet), dass die vor dem nunmehrigen Tatzeitraum erfolgten wiederholten Überprüfungen und Beanstandungen durch die Abgabenbehörde ihren Grund in einer mangelhaften Erledigung der Katharina W***** übertragenen Aufgaben gehabt hätten. Demgemäß kann ein Einfluss der vermissten Erörterung auf die Lösung der Beweisfrage im angestrebten Sinn nicht angenommen werden.
Mit dem weiteren Vorbringen, es sei auszuschließen, dass dem Angeklagten bei der Einsichtnahme in sein Abgabenkonto die fehlenden Belastungen durch Umsatzsteuervorauszahlungen über mehrere Monate hindurch ebensowenig wie der erhebliche Abgabenrückstand nicht aufgefallen seien, bekämpft die Beschwerdeführerin nach Art einer Schuldberufung die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, wonach Katharina W***** die steuerlichen Angelegenheiten im Unternehmen selbständig erledigte und der Angeklagte nur die Überweisung der Steuern an das Finanzamt vornahm (US 3, 5). Formale Mängel der Begründung zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) strebt eine Verurteilung wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG an, hält aber nicht an den tatsächlichen Annahmen zur inneren Tatseite des Angeklagten des Schöffengerichtes fest, sondern geht von einer "wissentlich" bewirkten "Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen" unter "vorsätzlicher Verletzung der der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG entsprechenden Voranmeldungen" aus. Das alternative Begehren im Rechtsmittel nach Urteilsaufhebung und Freispruch gemäß § 214 Abs 2 FinStrG durch den Obersten Gerichtshof (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO) ist nicht berechtigt, weil das Gericht die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe", ohnehin verneint hat (vgl SSt 48/26), eine Verletzung des § 214 Abs 3 FinStrG nicht unter der Nichtigkeitssanktion des § 281 Abs 1 Z 3 StPO steht und auch keine diesbezügliche Ergänzung der Strafprozessordnung durch das FinStrG (s insbes § 218 FinStrG zu § 281 StPO) vorgenommen wurde. Dieser in der Wahl des Freispruchs dem Erstgericht unterlaufene Gesetzesverstoß hindert aber (vorliegend) nicht ein Verfahren der Finanzstrafbehörde nach § 53 Abs 6 FinStrG, insbesondere wegen der von ihr im Rechtsmittelverfahren aufgezeigten Finanzordnungswidrig- keit.
Die § 259 StPO ergänzende Anordnung des § 214 FinStrG bringt zum Ausdruck, dass entweder durch die dem Schuldspruch zugrundeliegende(n) Tat(en) oder ein sonstiges von der Anklage erfasstes (vgl EvBl 2000/134), im Sinne eines sog Anschuldigungsbeweises für möglich gehaltenes Verhalten ein von den Finanzstrafbehörden zu ahndendes Finanzvergehen (§ 53 Abs 6 FinStrG) verwirklicht sein könnte, um solcherart das für diesen Aspekt des Geschehens zuständige Rechtsschutzorgan zur Wahrnehmung seiner Kompetenz zu veranlassen (§ 54 Abs 5 FinStrG; zu Art 4 des 7.ZPMRK vgl VfGH, JBl 1997, 447). Eine die Finanzstrafbehörde bindende rechtliche Vorprüfung des angenommenen oder zumindest für möglich gehaltenen Sachverhaltes, wie sie das Schöffengericht vorliegend mit der (verfehlten, vgl § 49 Abs 1 lit b FinStrG) Behauptung, "die fahrlässige Begehung der Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem gemäß § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen" sei auch finanzstrafbehördlich "nicht strafbar", vorgenommen hat, sieht das FinStrG demgegenüber nicht vor.
Spricht das Gericht den Angeklagten "nach § 259 Z 3 StPO" vom Anklagevorwurf frei und bringt es - wie hier (vgl US 6) - in den Entscheidungsgründen unmissverständlich zum Ausdruck, dass es einen einem verwaltungsbehördlich zu ahndenden Finanzvergehen subsumierbaren Sachverhalt für möglich und nur aus rechtlichen Gründen nicht für strafbar hält, ist die Finanzstrafbehörde an der Fortsetzung des Finanzstrafverfahrens nicht gehindert (§ 54 Abs 6 FinStrG), weil der rechtserhebliche Inhalt einer Entscheidung aufgrund des Wortlautes von Spruch und Gründen in Verbindung mit dem dadurch angewendeten Gesetz zu lösen ist (vgl EvBl 1997/89). Im Fall eines Freispruchs soll eine zweimalige Sachverhaltsprüfung nur dann hintangehalten werden - und wird demnach "das gerichtliche Verfahren anders als durch Unzuständigkeitsentscheidung" mit der Rechtswirkung beendet, dass "die Finanzstrafbehörde ihr Verfahren und den Strafvollzug endgültig einzustellen und eine bereits ergangene Entscheidung außer Kraft zu setzen" hat (§ 54 Abs 6 FinStrG) - wenn das Gericht nach Prüfung des dem Angeklagten zur Last gelegten Verhaltens nicht bloß die Frage, ob dadurch eine gerichtlich strafbare Handlung begründet wurde (vgl § 260 Abs 1 Z 2 StPO), sondern schon die Möglichkeit irgendeines finanzstrafbehördlich zu ahndenden Verhaltens verneint (Harbich, FinStrG6 Anm 2, zu § 214). Die gleichwohl hier vorliegende, die Fortsetzung des Finanzstrafverfahrens durch die Finanzstrafbehörde - wie dargelegt - nicht hindernde Gesetzesverletzung, welche darin liegt, dass das Schöffengericht seine Unzuständigkeit nicht ausdrücklich ausgesprochen und diesen Ausspruch in den Urteilssatz aufgenommen hat, stellt die geltend gemachte Nichtigkeit nicht her.