OGH vom 18.03.2016, 9Ob7/16v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr in der Rechtssache des Antragstellers M***** W*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die Antragsgegnerin J***** H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber ua, Rechtsanwälte in Melk, wegen Unterhalt (Streitwert: 4.452 EUR sA), über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 391/15w 48, mit dem dem Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom , GZ 1 FAM 12/14d 36, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs des Antragstellers wird zuückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist Vater der ***** 1996 geborenen Antragsgegnerin. Diese erlangte im Juni 2013 den positiven Abschluss einer dreijährigen Fachschule für Sozialberufe, mit der ihr die Berufe einer Heimhelferin, Haus und Familienpflegerin, Kinderbetreuerin, Kinderdorfmutter, Kindergartenassistentin ( helferin), Kindergruppenbetreuerin oder Pflegehelferin zur Verfügung stehen. Vor allem aber dient die Schule der Vorbereitung und Erstqualifikation für eine weitere Ausbildung in der Gesundheits und Krankenpflege. Die Ordinationsgehilfinnenprüfung wurde von der Antragsgegnerin nicht abgelegt. Seit September 2013 besucht sie die Fachschule für Keramik und Ofenbau in S*****.
Die Vorinstanzen verpflichteten den Antragsteller zur Fortzahlung von (der Höhe nach nicht mehr strittigem) Unterhalt und einem Sonderbedarfskostenbeitrag für den Schul und Internatsbesuch. Bei einem 14 jährigen Kind könne sich im Laufe eines dreijährigen Schulbesuchs die Erkenntnis entwickeln, nicht in diesem Berufszweig bleiben zu wollen. Der Antragsgegnerin sei daher ein einmaliger Ausbildungswechsel zuzubilligen. Auch habe sie die Keramikschule bisher positiv abgeschlossen und sei für diese Ausbildung geeignet.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers, in dem er im Wesentlichen meint, nicht zur Finanzierung einer zweiten Berufsausbildung seiner Tochter verpflichtet zu sein, wurde vom Rekursgericht nachträglich für zulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof ist an den Zulassungsausspruch nicht gebunden (§ 71 Abs 1 AußStrG). Der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass nicht nur beim Hochschulstudium, sondern auch bei anderen beruflichen Ausbildungen zumindest ein einmaliger Wechsel zu tolerieren ist (RIS Justiz RS0107722 [T3]; 3 Ob 212/12s mwN [dort: nach der Hauptschule Abschluss einer dreijährigen land und forstwirtschaftlichen Fachschule; danach Lehre zur Restaurantfachfrau). Eine Zweitausbildung nach abgeschlossener erster Berufsausbildung steht einem Unterhaltsanspruch daher nicht von vornherein entgegen. Das Weiterbestehen des Unterhaltsanspruchs ist in diesem Fall jedoch an strengere Voraussetzungen gebunden als jene, die für die Finanzierung der Erstausbildung maßgeblich sind (2 Ob 179/10b mwN). Nach der Rechtsprechung kann einem Kind eine zweite Berufsausbildung zugebilligt werden, wenn es eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung sowie ausreichenden Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennen lässt, wenn es dem Unterhaltsschuldner zumutbar erscheint, dafür Leistungen zu erbringen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass dadurch eine nicht unbedeutende Verbesserung des künftigen Fortkommens des Kindes eintreten wird (s RIS Justiz RS0107722). Die Bestimmungsfaktoren stellen ein bewegliches System dar, das eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen soll (8 Ob 82/13m mwN). Maßstab für die Belastbarkeit eines Geldunterhaltspflichtigen bei einer weiteren Ausbildung ist die Orientierung an der intakten Familie, dh ob auch solche Eltern einen durch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit begrenzten finanziellen Beitrag zu einer weiteren Berufsausbildung leisten würden (2 Ob 179/10b mwN).
Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Festgestellt wurde, dass die abgeschlossene Erstausbildung der Antragsgegnerin lediglich eine Grundausbildung für Sozialbetreuungs und Gesundheitsberufe darstellt, sodass attraktive Stellen am Arbeitsmarkt in der Regel einer weiterführenden Ausbildung bedürften, und die Berufsaussichten für ihre nunmehrige Ausbildung gut sind. Richtig maßen die Vorinstanzen hier auch dem Umstand besonderes Gewicht bei, dass sich die Antragsgegnerin noch als Schülerin im Alter von 14 Jahren für die Pflegeschule entschieden hatte, sohin in einem Alter, in dem die Neigung und die Eignung für einen bestimmten Beruf häufig noch nicht verfestigt sind. Hinweise auf eine fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers, auf eine fehlende Eignung der Antragsgegnerin oder darauf, dass sie die Ausbildung nicht zielstrebig betreibt, liegen nach dem festgestellten Sachverhalt nicht vor. Wenn die Vorinstanzen zum Ergebnis kamen, dass der Berufswechsel der Antragsgegnerin hier zu keinem Erlöschen ihres Unterhaltsanspruchs führte, ist dies vertretbar und nicht weiter korrekturbedürftig.
Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen (vgl RIS Justiz RS0035962).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00007.16V.0318.000