OGH vom 12.02.2003, 9Ob7/03z

OGH vom 12.02.2003, 9Ob7/03z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Friedrich U*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des von Dr. Peter G*****, im eigenen Namen und im Namen des Betroffenen als dessen Sachwalter erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 51 R 122/02v-79, mit dem der vom Sachwalter erhobene Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Hall i. T. vom , GZ 1 P 117/96k-75, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund meritorisch zu behandeln.

Text

Begründung:

Rechtsanwalt Dr. Peter G***** (im Folgenden: Sachwalter) wurde rechtskräftig zum Sachwalter des Betroffenen für die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten bestellt (ON 43, 44, 61). Im Rahmen seines Sachwalterschaftsberichts vom an das Erstgericht (ON 73) teilte er unter anderem mit, dass zwei von Rechtsanwälten gegen den Betroffenen geführte Honorarprozesse in erster Instanz im klagestattgebenden Sinn, sohin zum Nachteil des Betroffenen, entschieden worden seien; in beiden Fällen habe er (als Sachwalter) die bisherige Prozessführung genehmigt. Der Betroffene wünsche eine Bekämpfung der beiden Urteile durch Berufung. Der Sachwalter vertrete die Ansicht, dass in einem Fall das Urteil zutreffend sei, im anderen Fall halte er es zu einem Teil für unrichtig. In einem weiteren Verfahren (wegen Feststellung, Beseitigung und Unterlassung), das ein Nachbar gegen den Betroffenen angestrengt habe, sei dessen bisherige Prozessführung nicht genehmigt worden, worauf das bisherige Verfahren für nichtig erklärt und die Klage neuerlich - offenbar zu Handen des Sachwalters - zugestellt worden sei. In diesem Verfahren werde das Urteilsbegehren gewiss umgestellt werden, nachdem das vom dortigen Kläger beanstandete Fahrverbotsschild bereits längst entfernt worden sei. Schließlich teilte der Sachwalter mit, dass der Betroffene ursprünglich die Einbringung einer Besitzstörungsklage beabsichtigt habe, in der Folge von diesem Wunsch jedoch wieder abgekommen sei. Der Sachwalter habe bereits eine Klageschrift und einen Antrag auf gerichtliche Genehmigung der Klageführung entworfen; eine Kopie dieses Antrags wurde dem Sachwalterschaftsgericht beigelegt.

Das Erstgericht erklärte in seinem daraufhin gefassten Beschluss vom (ON 75) unter anderem, in den beiden Honorarprozessen "einer einzubringenden Berufung die sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung nicht zu erteilen" (Punkt c). Zum Feststellungs- und Unterlassungsverfahren erteilte es die Weisung, das Klagebegehren anzuerkennen und hinsichtlich der Kostenfolgen für den Beklagten eine vergleichsweise Regelung zu versuchen" (Punkt d). Schließlich sprach es für das vom Sachwalter erwähnte, vom Betroffenen erwogene Unterlassungsbegehren aus, dass "eine Klageführung des Betroffenen... sachwalterschaftsgerichtlich nicht genehmigt" werde (Punkt e).

Gegen die angeführten Teile der Entscheidung des Erstgerichts erhob der Sachwalter Rekurs und beantragte, die angefochtenen Beschlussteile ersatzlos aufzuheben. Er führte unter anderem aus, dass er sich als Sachwalter im Interesse des Betroffenen verpflichtet fühle, den ihm zugestellten Beschluss anzufechten. Die spezifischen Weisungen des Pflegschaftsrichters könnten zum Nachteil des "Besachwalterten" sein. Da der Sachwalter nur zur Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten berufen sei, müsse es dem Betroffenen offenstehen, über die Einbringung einer neuen Klage selbständig zu entscheiden. Der Sachwalter sei auch nicht überzeugt, dass die Einbringung eines Rechtsmittels in den beiden Passivprozessen der sachwalterschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfte. Jedenfalls könnte das Pflegschaftsgericht erst nach Vorliegen eines Berufungsentwurfs die möglichen Erfolgsaussichten eines solchen Rechtsmittels beurteilen. Ein Anerkennen des Klagebegehrens im Nachbarschaftsstreit würde dem Betroffenen unverhältnismäßige Nachteile bringen. Eine Weisung dazu möge vielleicht einem Sachwalterschaftsverein erteilbar sein, nicht aber einem Rechtsanwalt. Insgesamt stelle sich der angefochtene Beschluss in seinen bekämpften Punkten als Nachteil für den Betroffenen dar.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel zurück. Ein Verfahrensbeteiligter sei nur insoweit rechtsmittellegitimiert, als durch die angefochtene Entscheidung in seine eigene materielle (oder prozessuale) Rechtsstellung eingegriffen werde. Durch die angefochtenen Entscheidungsteile werde aber nicht in die materielle Rechtsstellung oder in subjektive Rechte des Sachwalters eingegriffen. Aus dem Rechtsmittel ergebe sich eindeutig, dass dieses vom Sachwalter im eigenen Namen - und nicht in Vertretung des Betroffenen - erhoben worden sei. Es sei daher mangels Rechtsmittellegitimation des Beschwerdeführers zurückzuweisen. Da diese Auffassung der ständigen Judikatur entspreche, sei der ordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

In seinem - im eigenen Namen und im Namen des Betroffenen erhobenen - außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Sachwalter unter anderem geltend, er habe auch den Rekurs sowohl im eigenen Namen als auch in pflichtgemäßer Vertretung des Betroffenen zur Ausführung gebracht. Im Übrigen sei er schon deshalb auch persönlich rechtsmittellegitimiert, weil ihn im Falle der Befolgung einer (unzweckmäßigen) gerichtlichen Weisung eine Haftung gegenüber dem Betroffenen treffen könnte.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs erweist sich entgegen der Auffassung des Rekursgerichts als zulässig, weil dieses sowohl die Frage der Rechtsmittellegitimation gegen einen Beschluss, mit dem dem Sachwalter persönlich die Ausübung seiner Sachwaltertätigkeit betreffende Weisungen erteilt werden, unrichtig gelöst als auch die Frage unzutreffend beantwortet hat, in wessen Namen der Rekurs erhoben wurde. Der Revisionsrekurs ist in seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt. Nach § 9 Abs 1 AußStrG ist grundsätzlich jeder zur Rekurserhebung legitimiert, der sich durch eine Verfügung der ersten Instanz beschwert erachtet. Die Rechtsprechung hat die Anordnung insoweit eingeschränkt, als die Entscheidung einen Eingriff in die gesetzliche Rechtsspähre der betreffenden Person darstellen muss (RIS-Justiz RS0006497, RS0006641, 1 Ob 172/99x, 8 Ob 259/00x, 8 Ob 259/00x uva).

Nach § 9 Abs 1 AußStrG ist grundsätzlich jeder zur Rekurserhebung bestimmt, der sich durch eine Verfügung der ersten Instanz beschwert erachtet. Die Rechtsprechung hat die Anordnung insoweit eingeschränkt, als die Entscheidung einen Eingriff in die geschützte Rechtssphäre der betreffenden Person darstellen muss (RIS-Justiz RS0006497, RS0006641, 1 Ob 172/99x, 8 Ob 259/00x uva). Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts kann die Rechtsmittellegitimation des Sachwalters nicht mit dem Argument verneint werden, dass seine eigene Rechtssphäre durch den erstgerichtlichen Beschluss nicht berührt würde. Die dort unter Punkt d ausgesprochene Weisung, das Klagebegehren (namens des Betroffenen) anzuerkennen und "hinsichtlich der Kostenfolgen für den Beklagten eine vergleichsweise Regelung zu versuchen" richtet sich eindeutig an den Sachwalter und trägt ihm die Vornahme einer ganz bestimmten Vertretungshandlung im Rahmen seiner Sachwaltertätigkeit bei denknotwendigem Ausschluss eines in eigener Verantwortung zu wählenden, davon abweichenden Verhaltens auf. Einem Sachwalter, der grundsätzlich im Rahmen seines Wirkungsbereiches die Vertretung des Betroffenen eigenverantwortlich wahrzunehmen hat, steht das Recht zu, im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen, ob eine solche Weisung zulässig und gerechtfertigt ist.

Entsprechendes hätte auch für die übrigen angefochtenen Teile des erstgerichtlichen Beschlusses zu gelten, wenn man die in den Punkten c und e formulierten Aussprüche, wonach die Einbringung von Berufungen in anhängigen Passivprozessen bzw eine erwogene Klageführung gegen einen Nachbarn nicht genehmigt werden, als unmittelbar an den Sachwalter gerichtete Weisungen, derartige Maßnahmen zu unterlassen, verstehen würde. Näher liegt es jedoch, die betreffenden Aussprüche über die Versagung einer "sachwalterschaftsgerichtlichen" Genehmigung als in (sinngemäßer) Anwendung des § 187 AußStrG - offenbar auf der Rechtsgrundlage des § 154 Abs 3 ABGB - getroffene Entscheidungen anzusehen, auch wenn das Erstgericht insoweit die von ihm herangezogenen Rechtsgrundlagen nicht offengelegt hat. Eine solche Versagung der Genehmigung von einzelnen Vertretungshandlungen stellt aber einen Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen selbst dar, wobei es für die Frage der Anfechtbarkeit auch nicht darauf ankommen kann, ob überhaupt ein auf eine Genehmigung abzielender Antrag vorliegt; in diesem Verfahren liegt lediglich ein Bericht des Sachwalters vor, in dem er schildert, welche Maßnahmen er in bestimmten Rechtsstreitigkeiten zu setzen beabsichtigt bzw in Erwägung zieht.

Es trifft auch nicht zu, dass kein Zweifel darüber bestehen könnte, dass der (vom Rekursgericht zurückgewiesene) Rekurs eindeutig vom Sachwalter ausschließlich im eigenen Namen - und nicht (auch) in Vertretung des Betroffenen - erhoben wurde. Diese Auffassung wird vom Rekursgericht damit begründet, dass sich solches sowohl aus der Anfechtungserklärung als auch aus dem Rekursantrag ergebe und zudem aus früheren Rechtsmitteln im Verfahren erhelle. Richtig ist, dass der Sachwalter nicht ausdrücklich erklärt hat, den Rekurs (auch) im Namen des Betroffenen zu erheben. Er hat sich aber auch nicht als (alleinigen) "Rekurswerber" bezeichnet, sondern am Ende des Rechtsmittels seinem Namen die Funktion "Sachwalter" beigefügt. Im Rechtsmittel selbst wird ua ausgeführt, dass der Sachwalter den Rekurs erhebe, weil er sich dazu "im Interesse des Betroffenen" verpflichtet fühle, und - wiederholt - dass der Beschluss Nachteile für den Betroffenen bringe. Diese Umstände hätten jedenfalls hinreichenden Anlass dafür gegeben, den Einschreiter zu einer Klarstellung darüber aufzufordern, ob er das Rechtsmittel im eigenen Namen, in dem des Betroffenen oder im Namen beider erhebt. Ein solcher Verbesserungsauftrag erübrigt sich im nunmehrigen Verfahrensstadium jedoch deshalb, weil der Sachwalter in seinem Revisionsrekurs - auch ohne ausdrückliche Aufforderung - klargestellt hat, dass er den Rekurs sowohl im eigenen Namen als auch in Vertretung des Betroffenen erheben wollte. Damit ist diese Frage ausreichend klargestellt.

Wie bereits dargestellt wurde, wird durch den angefochtenen Beschluss sowohl in die Rechtssphäre des Sachwalters selbst als auch in jene des Betroffenen eingegriffen, sodass eine Zurückweisung des Rechtsmittels mangels Beschwer des Rekurswerbers nicht in Frage kommt. Das Rekursgericht wird über das Rechtsmittel somit neuerlich zu entscheiden und dieses meritorisch zu behandeln haben.