OGH vom 16.10.2002, 13Os68/02
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Traar als Schriftführer, in der Finanzstrafsache gegen Gerhard R***** und Alexander G***** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a und b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom , GZ 11 Hv 1083/01w-57, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, der Angeklagten sowie ihrer Verteidiger Mag. Auner und Mag. Bertsch, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs, dass dabei auf das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom , 14 Vr 1073/99, gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht genommen wurde) aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO selbst erkannt:
Gerhard R***** und Alexander G***** werden nach § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von jeweils 330.000 EUR, im Falle der Uneinbringlichkeit zu fünf Monaten Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gerhard R***** und Alexander G***** des (richtig: der) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a und b FinStrG schuldig erkannt. Danach haben sie in der Zeit von Jänner 1999 bis Juli 1999 in Liezen als Geschäftsführer (Gerhard R*****) bzw als faktischer Geschäftsführer (Alexander G*****) der A*****-GmbH im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter vorsätzlich eine Verkürzung nachstehender Abgaben bewirkt, und zwar:
A. unter Verletzung ihrer Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 1999 in Höhe von 10,264.564,-- S 745.954,96 EUR), wobei sie dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielten;
B. unter Verletzung ihrer Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1988 entsprechenden Lohnkonten
1. eine Verkürzung von Lohnsteuer in Höhe von 4,500.000,-- S 327.027,75 EUR),
2. eine Verkürzung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe in Höhe von 1,350.000,-- S 98.108,33 EUR), wobei sie dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielten;
C. unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, indem sie die Anmeldung gemäß § 96 Abs 3 des Einkommensteuergesetzes unterließen, eine Verkürzung von Kapitalertragssteuer 1999 in Höhe von 7,123.256,-- S 517.667,20 EUR).
Das Schöffengericht verhängte hiefür über beide Angeklagte, und zwar jeweils unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom , AZ 14 Vr 1073/99, eine Geldstrafe von je 330.000,-- EUR, für den Fall der Uneinbringlichkeit fünf Monate Ersatzfreiheitsstrafe.
Mit dem genannten Urteil des Landesgerichtes Leoben vom waren beide Angeklagte jeweils der Verbrechen der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB und der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall StGB und Alexander G***** zusätzlich des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 5 Z 4 und 5 StGB schuldig erkannt und hiefür zu (unbedingten) Freiheitsstrafen von 15 Monaten (Gerhard R*****) bzw drei Jahren (Alexander G*****) verurteilt worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft ist mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie den Strafausspruch wegen gesetzwidriger Anwendung des § 31 StGB aus der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO bekämpft, im Recht:
§ 22 Abs 1 FinStrG sieht für den Fall des Zusammentreffens von Finanzvergehen mit gerichtlich strafbaren Handlungen anderer Art die Verhängung gesonderter Strafen vor (Strafenkumulierung). Wird in einem solchen Fall jemand, der bereits wegen eines derartigen Delikts bestraft worden ist, wegen einer anderen Tat bestraft, für welche er nach der Zeit der Begehung schon im früheren Verfahren hätte bestraft werden können, so ist eine Bedachtnahme auf die frühere Abstrafung (= die Verhängung einer Zusatzstrafe) nur getrennt, nämlich bei Finanzvergehen einerseits (gemäß § 21 Abs 3 und Abs 4 FinStrG) und sonstigen gerichtlichen Straftaten andererseits (gemäß § 31 StGB) möglich. Wegen des beim Zusammentreffen von Finanzvergehen und anderen gerichtlich strafbaren Handlungen geltenden Kumulierungsgrundsatzes ist eine wechselseitige Rücksichtnahme auf zeitlich nach der nunmehr zu ahndenden Tat erlittene Bestrafungen bzw die Verhängung von Zusatzstrafen zu Strafen betreffend jeweils die andere Deliktsgruppe nicht zulässig (vgl Dorazil/Harbich, Komm § 22 FinStrG Anm 6, vgl auch E 4). Das Erstgericht hat diese Rechtslage grundsätzlich richtig erkannt und daher zusätzlich zu der über beide Angeklagte wegen verschiedener Delikte nach dem Strafgesetzbuch im Verfahren AZ 14 Vr 1073/99 des Landesgerichtes Leoben ausgesprochenen Freiheitsstrafe für die nunmehr zur Aburteilung gelangten Finanzvergehen eine Geldstrafe verhängt. In den Gründen wiesen die Tatrichter auch darauf hin, dass die im Verfahren AZ 14 Vr 1073/99 des Landesgerichtes Leoben ausgesprochenen Freiheitsstrafen auf die Ausmessung der für die Finanzvergehen verhängten Geldstrafen keinen Einfluss hatten, diese Geldstrafen daher auch nicht als Zusatzstrafen (zu den vorhin erwähnten Freiheitsstrafen) verhängt wurden. Damit im Widerspruch steht die im Urteilsspruch trotzdem ausdrücklich erfolgte Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB auf die Vorverurteilung zu AZ 14 Vr 1073/99 des Landesgerichtes Leoben. Diesen rechtlich korrekturbedürftigen Ausspruch begründet das Erstgericht mit der Notwendigkeit der Klarstellung, "dass beide Verurteilungen eine Einheit bilden, was für die Tilgung von Bedeutung ist (§ 4 Abs 5 TilgG). Durch die nunmehrige Aburteilung nach dem FinStrG soll nämlich keine Schlechterstellung der Angeklagten im Vergleich zu einer gleichzeitigen Aburteilung für verschiedene Strafarten eintreten" (vgl nochmals US 14).
Diese Befürwortung einer Schlechterstellung ist unbegründet, gelten doch mehrere Verurteilungen für die Tilgung ohnedies dann nicht als gesonderte Verurteilungen, wenn sie "zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen" (§ 4 Abs 5 erster Satz TilgG). Maßgeblich aus tilgungsrechtlicher Sicht ist sohin allein, ob ein § 31 StGB entsprechendes Tatsachensubstrat gegeben ist, nicht aber die tatsächliche Anwendung dieser Bestimmung, wobei dem Erstgericht durchaus zukommt, dem Strafregisteramt zur Klarstellung zur Kenntnis zu bringen, dass es sich bei den in Rede stehenden Verurteilungen um eine Verurteilung iSd § 4 Abs 5 erster Satz TilgG handelt. Die von der Staatsanwaltschaft in der Anklage (S 294/V) und in der Hauptverhandlung beantragte (S 359/V), nunmehr aber von ihr zu Recht gerügte rechtsirrige Anwendung des § 31 StGB ist eine offenbar unrichtige Beurteilung einer für die Strafbemessung entscheidenden Tatsache und kann daher aus der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (EvBl 1996/44).
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - Folge zu geben.
Bei der notwendig gewordenen Strafneubemessung war bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen von drei Finanzvergehen, bei Gerhard R***** überdies dessen Vorstrafen gegen fremdes Vermögen als erschwerend zu werten, hingegen bei beiden Rechtsmittelwerbern das reumütige Geständnis und bei Gerhard R***** außerdem die untergeordnete Rolle als mildernd zugute zu halten. Unter Berücksichtigung aller Strafbemessungskriterien erachtet der Oberste Gerichtshof die (schon vom Erstgericht) verhängte Geldstrafe als tatschuldangemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.