OGH vom 10.06.2015, 13Os67/14y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oshidari und Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Harald A***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1, 11 zweiter und dritter Fall FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten Harald A***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 16 Hv 80/12t-214, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, sowie der Privatbeteiligten Finanzamt Baden Mödling, Dr. Pohanka, Finanzamt Linz, Peter Mader, und Finanzamt 3/11 Schwechat Gerasdorf, Mag. Winkler, der Angeklagten Harald A*****, Daniel H***** und Christof W***** und ihrer Verteidiger Dr. Felfernig und Mag. Dr. Birek zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird in dem die Schuldsprüche betreffenden Teil verworfen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch III./3./ und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:
Harald A***** wird vom Vorwurf, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Linz Mag. Johannes S***** gewerbsmäßig dadurch, dass er an diesen im Weg des Daniel H***** und des Christof W***** zwecks Durchführung von Geschäften „mit den im Umsatzsteuer-Karussell gehandelten Computerchips“ herantrat, vorsätzlich dazu bestimmt, unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer für Mai 2007 um 73.224 Euro zu bewirken, und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, gemäß § 214 FinStrG freigesprochen.
Für die ihm weiterhin zur Last liegenden Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1, 11 zweiter und dritter Fall FinStrG (I./, II./ und III./1./ und 2./) wird er unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG gemäß § 38 Abs 1 FinStrG zu einer
Geldstrafe von 900.000 Euro , für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von acht Monaten , sowie
einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.
Mit dem auf den Strafausspruch bezogenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte, mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.
Harald A***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald A***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1, 11 zweiter und dritter Fall FinStrG schuldig erkannt (I./ bis III./).
Danach hat er jeweils auf die im Urteil näher geschilderte Weise vorsätzlich gewerbsmäßig
I./ im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Baden Mödling als Geschäftsführer der C***** GmbH unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer für März bis Mai 2007 um insgesamt (US 8 14) 474.394,95 Euro bewirkt und das Bewirken der Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten;
II./ im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf zur Ausführung von Finanzvergehen des gesondert verfolgten Viliam L*****, der als für die abgabenrechtlichen Belange verantwortlicher Geschäftsführer der V***** GmbH unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer für März bis Mai 2007 um insgesamt (US 8 14) 474.122,95 Euro bewirkte, dadurch beigetragen, dass er mit Viliam L***** die Vornahme von Warenbestellungen und die anschließende Weiterveräußerung an die C***** GmbH vereinbarte, und das Bewirken der Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten;
III./ im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Linz den Geschäftsführer der N***** GmbH Mag. Johannes S***** dadurch, dass er an diesen im Wege des Daniel H***** und des Christof W***** zwecks Durchführung von Geschäften „mit den im Umsatzsteuer-Karussell gehandelten Computerchips“ herantrat, dazu bestimmt, unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer für März bis Mai 2007 um insgesamt 641.774,15 Euro zu bewirken, und das Bewirken der Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar
1./ für März 2007 um 172.502 Euro,
2./ für April 2007 um 396.048,15 Euro und
3./ für Mai 2007 um 73.224 Euro.
Hingegen wurden Daniel H***** und Christof W***** gemäß § 214 FinStrG von der Anklage freigesprochen, sie hätten durch das zu III./ des (Harald A***** betreffenden) Schuldspruchs geschilderte Verhalten vorsätzlich
- (Anklagepunkt B/III) im einverständlichen Zusammenwirken mit Harald A***** Mag. Johannes S***** zur Ausführung der zu III./ des (Harald A***** betreffenden) Schuldspruchs beschriebenen Finanzvergehen bestimmt;
- (Anklagepunkt C) zur Ausführung der zu I./ des (Harald A***** betreffenden) Schuldspruchs beschriebenen Finanzvergehen des Harald A***** beigetragen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Schuldsprüche richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harald A***** aus § 281 Abs 1 Z 2, 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO, gegen die Freisprüche der Angeklagten Daniel H***** und Christof W***** jene der Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO.
Die Rechtsmittel geben Anlass zu amtswegigem Vorgehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) und verfehlen im Übrigen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Mängelrüge macht Unvollständigkeit der Beweiswürdigung geltend (Z 5 zweiter Fall).
Soweit sie zu den Urteilsannahmen, dass die Angeklagten Daniel H***** und Christof W***** keine Kenntnis vom „Bestehen eines Umsatzsteuerkarussells“ hatten (US 9), auf Elemente aus dem Betriebsprüfungsbericht betreffend Lieferanten und Vorlieferanten verweist, berücksichtigt sie entgegen den Anfechtungserfordernissen nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe, die festhalten, dass diese Angeklagten „in der N***** keine (gesellschaftsrechtliche) Funktion ausübten“ (US 7, 34; RIS Justiz RS0119370).
Indem die Staatsanwaltschaft aus den ins Treffen geführten Einzelheiten andere Schlüsse als das Erstgericht zieht, kritisiert sie dessen Beweiswürdigung nach Art einer zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Weshalb mit Blick auf das Vorsatzerfordernis des § 33 Abs 2 lit a FinStrG erörterungsbedürftig gewesen sei, dass die Angeklagten Daniel H***** und Christof W***** bestimmte Einzelheiten der Geschäftsgebarung nicht „plausibel erklären“ konnten, lässt die Mängelrüge offen.
Was für den Rechtsmittelstandpunkt daraus zu gewinnen sein soll, dass die Zeugen Christian P***** und Peter M***** keine Beweise für vorsätzliches Handeln der Angeklagten Harald A***** und Christof W***** benennen konnten, gibt die Beschwerdeführerin nicht bekannt. Im Übrigen bekämpft sie auch insoweit bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Erstgericht nicht verpflichtet, sich mit sämtlichen Einzelheiten der (ohnedies berücksichtigten) Aussage des Zeugen Christian P***** (US 34) auseinanderzusetzen. Dessen Einschätzung hinsichtlich allfälligen vorsätzlichen Handelns der Angeklagten bildete gar keinen Gegenstand des Zeugenbeweises und unterlag somit auch nicht der Erörterungspflicht (RIS-Justiz RS0097540 [T2, T 18]; Kirchbacher , WK-StPO § 247 Rz 5).
Aus welchem Grund das Ausbleiben rechtlicher Schritte der N***** GmbH gegen Harald A***** Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite der Angeklagten Daniel H***** und Christof W***** zulassen sollte, obwohl diese nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen keine gesellschaftsrechtliche Funktion in der genannten Gesellschaft ausübten (vgl US 7 und 34), macht die Beschwerde nicht deutlich.
Mit Blick auf die erfolglos in Frage gestellten Konstatierungen zur fehlenden Kenntnis der Angeklagten erübrigt sich ein Eingehen auf die Rechtsrüge (Z 9 lit a).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harald A*****:
1. Die Einwände (aus Z 2, 4 und 5) in Betreff von Angaben des Zeugen Peter M***** gehen daran vorbei, dass dieser insoweit nicht über die Wahrnehmung von Tatsachen berichtet, sondern seine Einschätzung hinsichtlich vorsätzlichen Handelns der Beteiligten mitgeteilt hat (ON 159 S 20), die nicht Gegenstand des Zeugenbeweises ist (§ 154 Abs 1 StPO ) . Im Übrigen hat das Erstgericht dessen Einschätzung bloß illustrativ erwähnt.
2. Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Finanzbeamten Manfred L***** zum Beweis dafür, dass durch das „Finanzamt Mödling vor als auch nach der gesamten Tatzeit jeweils regelmäßige Umsatzsteuer- und Vorsteuerüberprüfungen durchgeführt wurden und bei keiner dieser Prüfungen irgendwelche Beanstandungen aufgetreten sind, die ein Indiz dahingehend ergeben hätten, dass unser Unternehmen bzw ich von dem mir nunmehr vorgeworfenen Umsatzsteuerkarussell Kenntnis hatte oder Kenntnisse haben müsste“ (ON 213 S 5 iVm ON 206), Verteidigungsrechte nicht verkürzt. Abgesehen davon, dass sich das Beweisbegehren nicht auf den von der Anklage erfassten Tatzeitraum bezog, war der Beweisantrag schon deshalb abzuweisen, weil Schlussfolgerungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge, hier die angestrebte Einschätzung des Zeugen vom Kenntnisstand des Angeklagten, kein Gegenstand des Zeugenbeweises sind (RIS-Justiz RS0097540).
Soweit die Beschwerde die Begründung des abweisenden Beschlusses releviert, entfernt sie sich vom Prüfungsmaßstab des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0116749).
3. Das Erstgericht lastete dem Angeklagten organisierte Abgabenverkürzungen an (US 7 ff). Danach trug er zu den Umsatzsteuerverkürzungen des „missing traders“ V***** GmbH bei (II./), verkürzte als Geschäftsführer (somit als unmittelbarer Täter) des „buffers“ C***** GmbH diese Gesellschaft betreffende Umsatzsteuer (I./) und bestimmte den Geschäftsführer der N***** GmbH, Mag. Johannes S*****, in Bezug auf einen Teil der angeblichen Warenlieferungen (soweit er diese Gesellschaft als „Abnehmerin“ gewann) im Weg der vorsatzlos agierenden Daniel H***** und Christoph W***** zu die letzterwähnte Gesellschaft betreffenden Umsatzsteuerverkürzungen (III./).
Weshalb diese Konstatierungen nicht damit in Einklang zu bringen sein sollen, dass das Erstgericht in Bezug auf einzelne Geschäftsfälle die „Abnehmer“ der C***** GmbH nicht eruieren konnte, macht die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) nicht deutlich.
Bleibt anzumerken, dass die Beschwerde, soweit sie in Betreff der Umsatzsteuervoranmeldungen der V***** GmbH und der C***** GmbH für März und April 2007 bloß einzelne steuerlich trennbare Einzelaspekte (Geschäftsfälle 1./, 7./ bis 9./, 11./ und 12./; vgl US 8 ff) bemängelt, gar keinen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand (sondern einen Strafzumessungsaspekt) anspricht. Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG werden nämlich durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Voranmeldungszeiträume begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich eines jeden solchen Zeitraums (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbständige
Tat vorliegt (RIS-Justiz RS0118311 [T5]; vgl auch RS0124712).
Der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den Feststellungen zur gezielten Vorgangsweise zwecks Abgabenverkürzung und der Konstatierung, dass die Mitangeklagten Daniel H***** und Christof W***** davon keine Kenntnis hatten, liegt nicht vor. In diesem Zusammenhang sei zudem erneut darauf hingewiesen, dass die Genannten nach den Urteilskonstatierungen keine gesellschaftsrechtliche Funktion bei der Abnehmerin N***** GmbH bekleideten (US 7, 34).
4. Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher
Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Den genannten Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, soweit sie
- die Annahme, dass es sich bei der V***** GmbH um eine (unter anderem) zum Zweck der Abgabenverkürzungen gegründete Scheingesellschaft handelte (US 6, 21 f), unter Verweis auf ohnedies berücksichtigte (US 27) Angaben des Branko D***** bezweifelt,
- das Vorliegen von Scheingeschäften im Rahmen des vom Erstgericht so bezeichneten Umsatzsteuerkarussells sowie die Einbindung des Angeklagten durch Hinweis auf seine leugnende Verantwortung und die des gesondert verfolgten Viliam L***** in Abrede stellt,
- oben näher dargestellte und erledigte Einwände der Mängelrüge wiederholt (RIS-Justiz RS0115902) und
- (von den Tatrichtern als unglaubwürdig erachtete US 29 f) Zeugenaussagen betreffend Lieferungen, Kontrollen und den Verkauf von bei der Lagerhalterin E***** GmbH deponierten Waren hervorkehrt.
Entsprechendes gilt für die unter Verweis auf die Nichtfeststellbarkeit von Abnehmern in einzelnen Geschäftsfällen (siehe dazu die Ausführungen zur Mängelrüge), fehlende diesbezügliche belastende Zeugenaussagen und Schlussfolgerungen des Zeugen Mag. As***** erhobene Kritik an der Annahme vorsätzlichen Handelns.
Angaben des Zeugen Peter M***** zu unterbliebenen Auszahlungen von Steuerguthaben (ON 213 S 14) betreffen keine entscheidende Tatsache, weil § 38 Abs 1 FinStrG einen tatsächlichen Mittelzufluss gar nicht voraussetzt (vgl Lässig in WK 2 FinStrG § 38 Rz 2).
Gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen werden auch durch den aus dem Zusammenhang gelösten (vgl ON 159 S 18) Hinweis auf einen Teil der Aussage des genannten Zeugen keine erheblichen Bedenken geweckt.
Warum die Gesellschaftsverhältnisse der C***** GmbH gegen die festgestellte Absicht des Angeklagten sprechen sollen, sich durch die wiederkehrende Begehung von derartigen Finanzvergehen eine nicht unbeträchtliche, fortlaufende Einnahme über zumindest einige Wochen hinweg zu verschaffen (US 18 f), bleibt schon im Hinblick darauf unklar, dass er nach den Feststellungen des Erstgerichts selbst einer der Gesellschafter war (US 6; RIS-Justiz RS0086571; Lässig in WK 2 FinStrG § 38 Rz 2 mwN).
5. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit ihrer Forderung nach Konstatierungen zu tatsächlich erfolgten Warenlieferungen von der V***** GmbH (über die Lagerhalterin E***** GmbH) an die C***** GmbH an den gegenteiligen Urteilsannahmen (US 22 f) vorbei, womit sie den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS-Justiz RS0099810).
Zum abermals erhobenen Einwand, wonach hinsichtlich einzelner Geschäftsfälle keine „Abnehmer“ festgestellt worden seien, genügt der Verweis auf die obenstehenden Ausführungen zur Mängelrüge.
Zur amtswegigen Maßnahme:
Gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von nicht geltend gemachter Nichtigkeit des Schuldspruchs III./3./ (Z 9 lit a).
Das Erstgericht stellte zu den zu III./ abgeurteilten Finanzvergehen fest, dass Harald A***** in einzeln bezeichnete Geschäftsfälle der N***** GmbH nicht eingebunden gewesen sei und von den diesbezüglichen Umsatzsteuervoranmeldungen keine Kenntnis gehabt habe. Die diesbezüglichen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ebenfalls enthaltenen Verkürzungsbeträge hätten aber mit Blick auf § 33 Abs 5 zweiter Satz FinStrG keine Strafrahmenrelevanz (US 19, 33, 39).
Die Tatrichter übersahen jedoch, dass sich diese Feststellungen was die dem Angeklagten zu III./3./ angelastete Geltendmachung von 73.224 Euro an Vorsteuer betrifft nicht bloß auf einzelne (von mehreren) steuerlich trennbare Einzelaspekte, sondern insoweit auf die gesamte durch die Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 2007 bewirkte Abgabenverkürzung beziehen. Damit brachte das Schöffengericht im Ergebnis zum Ausdruck, dass der Angeklagte das diesbezügliche Finanzvergehen nicht begangen hat (zum finanzstrafrechtlichen Tatbegriff vgl RIS-Justiz RS0118311 [T5]; Lässig in WK 2 Vor FinStrG Rz 10 mwN).
Insoweit war daher mit Freispruch vorzugehen.
Aufgrund der dadurch erforderlichen Aufhebung des Strafausspruchs erübrigt sich ein Eingehen auf die Sanktionsrüge (Z 11) des Angeklagten.
Zur Strafneubemessung:
Vorauszuschicken ist, dass nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht alle den gegenständlichen Verkürzungen zu Grunde liegenden Unrichtigkeiten vom Vorsatz des Angeklagten umfasst waren (US 19). Mit Blick auf die Einfügung des zweiten Satzes des § 33 Abs 5 FinStrG durch die FinStrG Novelle 2010 BGBl I 2010/104 ist somit das nunmehr geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Angeklagten günstiger als das Tatzeit Recht, aus welchem Grund die Strafbemessung insgesamt (zur Unzulässigkeit der Kombination von zeitlich unterschiedlichen Normenlagen siehe Lässig in WK 2 FinStrG § 4 Rz 5) nach der durch BGBl I 2010/104 geänderten Fassung erfolgte.
Der Oberste Gerichtshof wertete das Zusammentreffen mehrerer Finanzvergehen (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 33 Abs 1 Z 1 StGB; vgl RIS-Justiz RS0085962 [T4]) und die führende Beteiligung (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 33 Abs 1 Z 4 StGB) als erschwerend. Mildernd war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 34 Abs 1 Z 2 StGB); weiters die Umstände, dass er die Taten schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) und dass das gegen ihn geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 23 Abs 2
FinStrG iVm § 34 Abs 2 StGB).
Zu letzterwähntem Milderungsgrund sei angemerkt, dass zwischen den insoweit maßgebenden Verfahrensschritten (vgl RIS-Justiz RS0124901) ein Zeitraum von etwas mehr als sieben Jahren liegt. Trotz der Komplexität des Falls (organisiertes Bewirken von Abgabenverkürzungen in einer Vielzahl von Fällen betreffend mehrere Unternehmen, mehrere Angeklagte) verstößt die Verfahrensdauer unter Anlegung des vom EGMR im Rahmen der Gesamtschau herangezogenen Maßstabs (vgl Meyer-Ladewig EMRK³ Art 6 Rz 207 f) gegen das Angemessenheitserfordernis des Art 6 Abs 1 erster Satz MRK, sodass sich eine Detailuntersuchung nach allfälligen Perioden behördlicher Untätigkeit erübrigt. Die in der Verfahrensdauer gelegene Grundrechtsverletzung wird anerkannt und in Form einer ausdrücklichen und messbaren Strafreduktion ausgeglichen.
An sich wäre eine Geldstrafe von 1.100.000 Euro (das sind rund 30 % der gesetzlich vorgegebenen Maximalsanktion [§ 33 Abs 5 FinStrG,§ 38 Abs 1 FinStrG) tat- und schuldangemessen. Die vorliegende Reduktion um 200.000 Euro auf 900.000 Euro (rund 25 % der Obergrenze) gleicht den in der überlangen Verfahrensdauer gelegenen Grundrechtsverstoß jedenfalls aus.
Die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe (§ 20 Abs 1 FinStrG) von acht Monaten steht mit Blick auf die diesbezügliche Höchststrafe von zwei Jahren (§ 20 Abs 2 dritter Fall FinStrG) in adäquater Relation zur Geldstrafe.
Mit Blick darauf, dass die mit betrügerischen Transaktionswegen einhergehende gezielte Schädigung von Volkswirtschaften (vgl dazu auch die zur Schaffung des § 39 FinStrG führenden gesetzgeberischen Intentionen; Lässig in WK 2 FinStrG § 39 Rz 1) entsprechender präventiver Akzentuierung bedarf, war zudem eine Freiheitsstrafe zu verhängen, um den Angeklagten von weiteren Finanzvergehen abzuhalten und der Begehung von Finanzvergehen durch andere entgegenzuwirken (§ 15 Abs 2 FinStrG). Bei dem hier aktuellen Rahmen von bis zu fünf Jahren (§ 38 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall
FinStrG) ist eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten tat- und schuldangemessen. Als Ausgleich für die in der langen Verfahrensdauer gelegene Grundrechtsverletzung war sie auf 15 Monate zu reduzieren.
Bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht kam im Hinblick auf den Schuldgehalt, die gezielte Vorgangsweise im Rahmen betrügerischer Transaktionswege und das Gewicht der Taten sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.
Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Harald A***** auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Der Kostenausspruch gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00067.14Y.0610.000