VfGH vom 01.12.1983, B39/83

VfGH vom 01.12.1983, B39/83

Sammlungsnummer

9879

Leitsatz

VereinsG; zu Beginn und Ende der Untersagungsfrist nach § 6 Abs 2; rechtmäßige Untersagung der mit § 3 Abs 1 Z 1 bis 3 GelVerkG übereinstimmenden beabsichtigten Vereinstätigkeit als auf Gewinn berechnet

Art12 StGG; ausschließliche Zuständigkeit des VfGH nach Art 144 Abs 1 B-VG bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechtes

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem VwGH abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Die Bf. hat mit einer am zur Post gegebenen und am beim Bundesministerium für Inneres eingelangten Eingabe die beabsichtigte Bildung eines Vereines mit dem Namen "Erster Wr. Reise Diskont, Club für Personenbeförderung", "E WRDC P" mit dem Sitz in Wien angezeigt.

Gemäß § 1 der Statuten erstreckt der Verein seine Tätigkeit auf das gesamte Gebiet der Republik Österreich; die Errichtung von Zweigvereinen in allen Bundesländern ist beabsichtigt.

§2 der vorgelegten Statuten umschreibt den Vereinszweck wie folgt:

"Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt zum allgemeinen Wohle aller Mitbürger im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen:

a) die Personenbeförderung mit Omnibussen aller Art, die zu jedermanns Gebrauch unter Einzelvergebung der Sitzplätze an öffentlichen Orten bereitgehalten oder angeboten werden;

b) die Beförderung eines geschlossenen Teilnehmerkreises mit Kraftfahrzeugen (Omnibussen oder Personenkraftwagen) unter Beistellung des Lenkers aufgrund besonderer Aufträge;

c) die Personenbeförderung mit Personenkraftwagen, die zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereitgehalten werden oder durch Zuhilfenahme von Fernmeldeeinrichtungen angefordert werden.

l) Um den Vereinszweck optimalst in seinem gesamten Bereich zu fördern, werden noch nachfolgende Ziele verfolgt:

a) Der Betrieb von Einrichtungen sowie die Errichtung derselben, die zur Verwirklichung der unter Absatz 1 lita - c genannten Ziele dienen;

b) Errichtung und Führung von Wirtschaftsbetrieben, die nach gemeinnützigen Grundsätzen unter Beobachtung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verwaltet und geführt werden und deren Erlöse für die Erreichung und Verwirklichung des Vereinszweckes verwendet werden müssen."

§3 der Statuten sieht als Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes vor:


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"a)
Mitgliedsbeitrag;
b)
Förderungsbeitrag;
c)
Spenden;
d)
Sammlungen;
e)
Stiftungen;
f)
Legate;
g)
Subventionen;
h)
Erträge aus Veranstaltungen aller Art;
i)
Erträge aus Fahrtkostenbeiträgen;
j)
Vorträge;
k)
Herausgabe von Zeitschriften;
l)
Vereinsmitteilungen;
m)
gesellige Veranstaltungen;
n)
Erträgnisse durch die verschiedenen Einrichtungen und Betriebe;
o)
Aufnahme von Krediten, Darlehen und Anleihen."

b) Der Bundesminister für Inneres hat mit Bescheid vom die beabsichtigte Bildung dieses Vereines gemäß § 6 Abs 1 iVm § 2 des Vereinsgesetzes 1951, BGBl. Nr. 233 (im folgenden kurz: VG), untersagt.

Der Bescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"Nach § 2 des Vereinsgesetzes sind Vereine, die auf Gewinn gerichtet sind, von der Wirksamkeit dieses Gesetzes ausgenommen. Diese Gesetzesbestimmung ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Inneres für den vorliegenden Fall anzuwenden. § 2 der Statuten ist im Grunde nur eine fast wörtliche Wiedergabe des § 3 des Bundesgesetzes vom über die nicht linienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen zu Lande und über einige Änderungen der Gewerbeordnung (Gelegenheitsverkehrs-Gesetz), BGBl. Nr. 85/1952 idgF. Daraus ergibt sich, daß die Ziele des Vereines nur darauf gerichtet waren, ein taxiähnliches Gewerbe zu betreiben. Dieser Eindruck wird dadurch noch unterstrichen, als im § 3 litn die 'Erträgnisse durch die verschiedenen Einrichtungen und Betriebe' als Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes angeführt werden. Hiezu ist anzumerken, daß Zweck und Mittel in enger Verbindung zueinander stehen müssen. Der Verein war daher nach seinen Zielsetzungen nur dazu angelegt, Personen wirtschaftliche Vorteile zu bringen. Von einem 'Idealverein' iS des Vereinsgesetzes 1951 konnte daher nicht gesprochen werden. Der Hinweis im § 2 der Statuten, daß der Verein nicht auf Gewinn gerichtet sei, stellt im Hinblick auf den tatsächlichen Vereinszweck nur eine inhaltslose Absichtserklärung dar.

Der Proponentin wurde mittels Ladungsbescheides nachweislich zur Kenntnis gebracht, daß ein Untersagungsgrund vorliege und daher ihr Erscheinen im ho. Amte notwendige wäre. Die Proponentin leistete der Ladung keine Folge, sondern schickte lediglich eine Gegendarstellung, die jedoch die Bedenken der Vereinsbildungsbehörde nicht beseitigen konnte."

Dieser Bescheid vom wurde der Bf. im Wege der Post sowohl an die von ihr in der Bildungsanzeige angegebene Adresse 1020 Wien, W-Straße, als auch an die von der Behörde durch Anfrage an das Meldeamt ermittelte (neue, von der Bf. der Behörde aber nicht bekanntgegebene) Adresse 1100 Wien, T-Straße, zugestellt. Die Rückscheinbriefe wurden bei den für diese Anschriften zuständigen Postämtern am 15. bzw. hinterlegt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Vereinsfreiheit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Der Bundesminister für Inneres als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der er begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach § 2 VG sind von der Wirksamkeit dieses Gesetzes ua. Vereine und Gesellschaften ausgenommen, "welche auf Gewinn berechnet sind".

Dem § 6 Abs 1 VG zufolge ist die beabsichtigte Bildung eines Vereines von der Behörde ua. dann zu untersagen, wenn "der Verein nach seinem Zwecke oder nach seiner Einrichtung gesetz- oder rechtswidrig oder staatsgefährlich ist".

Gemäß § 6 Abs 2 VG muß die Untersagung der Vereinsbildung binnen sechs Wochen nach Überreichung der Anzeige (§§4 und 5) schriftlich und unter Angabe der Gründe erfolgen.

Jeder Bescheid, der entgegen den Bestimmungen des VG - also ohne daß eine der in § 6 Abs 1 VG umschriebenen Voraussetzungen vorliegt oder der nach Ablauf der sechswöchigen Untersagungsfrist ergeht - die beabsichtigte Bildung eines Vereines untersagt, verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit (vgl. zB VfSlg. 9246/1981, ).

2. a) Die Bf. behauptet zunächst, daß der angefochtene Untersagungsbescheid nach Ablauf der in § 6 Abs 2 VG vorgesehenen Frist erlassen worden sei. Sie begründet ihre Meinung damit, daß diese Frist gemäß § 33 Abs 3 AVG 1950 mit Dienstag, dem zu laufen begonnen habe; an diesem Tag sei die Bildungsanzeige zur Post gegeben worden. Die sechswöchige Untersagungsfrist habe am Dienstag, dem geendet. Die an diesem Tag erfolgte Hinterlegung beim Postamt 1100 sei ungültig gewesen, weil ihre richtige Adresse 1020 Wien, W-Straße, gelautet habe. Die an diese Anschrift adressierte Bescheidausfertigung sei erst am beim Postamt 1020 hinterlegt worden; die an diesem Tag erfolgte Zustellung sei jedoch verspätet gewesen.

b) Mit diesem Vorbringen ist die Bf. nicht im Recht:

Der angefochtene Untersagungsbescheid wurde - wie auch die Bf. zugibt - spätestens am Mittwoch, dem rechtmäßig zugestellt. Hätte die sechswöchige Untersagungsfrist (§6 Abs 2 VG) am Mittwoch, dem zu laufen begonnen, wäre die Untersagung sohin jedenfalls rechtzeitig erfolgt. Wäre sie jedoch bereits am Dienstag, dem - wie die Bf. meint - in Gang gesetzt worden, wäre die Untersagung verspätet erfolgt, sofern die am beim Postamt 1100 erfolgte Hinterlegung der Bescheidausfertigung ungültig gewesen sein sollte.

Es ist also zunächst die Frage zu klären, ob die Bildungsanzeige am

2. oder am dem Bundesminister für Inneres "überreicht" wurde.

Wenn die Bf. meint, es sei in diesem Zusammenhang § 33 Abs 3 AVG 1950 zu beachten (wonach die Tage des Posteinlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden), ist ihre Ausgangsposition verfehlt: Der Proponent eines Vereines macht mit seiner Eingabe ein Verfahren erst anhängig; erst ab diesem Zeitpunkt kann von einer - an eine Frist gebundenen - Prozeßhandlung gesprochen werden; es geht hier also nicht um die Einhaltung einer Frist, sondern darum, wann eine Frist beginnt.

Der Wortlaut des § 6 Abs 2 VG ("Überreichung der Anzeige") spricht dafür, daß die sechswöchige Untersagungsfrist mit dem Einlangen der Bildungsanzeige bei der Behörde zu laufen beginnt.

Auch eine am Zweck der Bestimmung orientierte Auslegung führt zum selben Ergebnis. Der Vereinsbehörde soll nämlich offenbar die sechswöchige Frist voll zur Verfügung stehen; das Ausmaß der Frist soll nicht vom Zufall abhängen, wie lange der Posteinlauf dauert.

Die sechswöchige Untersagungsfrist beginnt sohin mit dem Einlangen der Bildungsanzeige bei der zuständigen Behörde (vgl. VfSlg. 37/1921, 1241/1929, 1419/1931, 4936/1965, 8387/1978). Sie endet mit Ablauf desjenigen Tages der sechsten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Der Untersagungsbescheid muß innerhalb der sechswöchigen Frist nicht bloß abgefertigt, sondern dem Proponenten auch zugestellt werden (vgl. VfSlg. 2056/1950).

Da hier die Untersagungsfrist am Mittwoch, dem begann, endete die Untersagungsfrist am Mittwoch, dem . Spätestens an diesem Tag ist eine rechtmäßige Zustellung des Untersagungsbescheides an den Progonenten (die Bf.) erfolgt.

Die Untersagung ist also rechtzeitig erfolgt.

3. a) Die Bf. vertritt die Meinung, daß kein Untersagungsgrund vorgelegen sei. Die Behörde habe nicht nachgewiesen, daß den Statuten zufolge der Verein auf Gewinn berechnet sei. Wenn auch der Verein eine Tätigkeit iS des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes ausüben würde, sei damit nicht zwingend verbunden, daß er eine auf Gewinn berechnete Tätigkeit entfalten werde; vielmehr ergebe sich aus dem im Einleitungssatz des § 2 der Statuten enthaltenen Passus, daß der Verein nicht auf Gewinn gerichtet ist, gerade das Gegenteil.

Die Behörde habe überdies dadurch willkürlich gehandelt, daß sie sich mit dem Parteienvorbringen nicht auseinandergesetzt und das Vereinsgesetz denkunmöglich gehandhabt habe.

b) Es trifft wohl die Ansicht der Bf. zu, daß Vereinsstatuten im Zweifel gesetzeskonform und iS der Vereinsfreiheit auszulegen sind (vgl. zB VfSlg. 8844/1980; ).

Aber auch bei einer derartigen Interpretation ist der bel. Beh. im Ergebnis darin beizupflichten, daß - ungeachtet der im Einleitungssatz des § 2 der vorgelegten Statuten enthaltenen Wendung, wonach die Tätigkeit des Vereines nicht auf Gewinn gerichtet sei - der Verein nach § 2 VG von der Wirksamkeit dieses Gesetzes ausgenommen und die beabsichtigte Bildung nach diesem Gesetz gemäß § 6 Abs 1 VG daher zu untersagen war:

Wie der VfGH im Erk. vom , B190/82, dargetan hat, sind Personenvereinigungen, die darauf abzielen, einen Gewinn zu erwirtschaften (der dann Vereinsmitgliedern oder dritten Personen zugute kommen soll) oder die bloß den Deckmantel für die Erwerbstätigkeit anderer Personen abgeben, von der Wirksamkeit des VG ausgenommen, sodaß gemäß § 2 iVm § 6 VG ihre beabsichtigte Bildung als Verein zu untersagen ist. In diesem Erk. hat der VfGH weiters ausgeführt, der Umstand, daß sich die in den Statuten vorgesehene Vereinstätigkeit - als Nebeneffekt - für die Mitglieder auch wirtschaftlich positiv auswirkt, lasse noch nicht zu, den Verein als "auf Gewinn berechnet" anzusehen.

Aus § 2 lita und c der Statuten (wonach die Omnibusse und Personenkraftwagen "zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten" bereitgehalten werden sollen) ergibt sich zweifelsfrei, daß zumindest diese Leistungen auch Personen zur Verfügung stehen sollen, die nicht Mitglieder des Vereines sind. Dem § 3 liti der Statuten zufolge ist in Aussicht genommen, für diese Leistungen Fahrtkostenbeiträge einzuheben.

Das regelmäßige Befördern eines unbestimmten Personenkreises gegen Entgelt ist nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eine typisch gewerbliche, also eine auf Gewinn abzielende Tätigkeit. Es ist völlig unwahrscheinlich, daß der Verein hievon eine Ausnahme machen würde, zumal die gemäß § 2 der Statuten beabsichtigte Vereinstätigkeit nahezu wörtlich mit § 3 Abs 1 Z 1 bis 3 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. Nr. 85/1952, idF der Nov. BGBl. Nr. 486/1981, übereinstimmt. Es ist daher ausgeschlossen, daß der Verein die im Einleitungssatz des § 2 der Statuten enthaltene Verheißung, seine Tätigkeit sei nicht auf Gewinn gerichtet, einhalten kann.

Die Statuten sehen diese offenkundig gewinnorientierten, weitgehend nicht auf die Vereinsmitglieder bezogenen Aktivitäten als einzigen Vereinszweck vor. Dieser Vereinszweck tritt also nicht etwa gegenüber einem anderen (ideellen) derart zurück, daß der aus der Vereinstätigkeit erzielte Gewinn der Erreichung eines vornehmlich angestrebten (ideellen) Vereinszweckes dient.

Eine Zusammenschau all dieser Umstände ergibt, daß der zur Bildung angezeigte Verein "auf Gewinn berechnet" (§2 VG) war. Unter diesen Umständen war der Verein sohin nach seinem Zweck gesetzwidrig.

Bei diesem Ergebnis braucht nicht untersucht zu werden, ob der Behörde - wie die Bf. behauptet - allenfalls Verfahrensmängel unterlaufen sind, da diese für das - richtige - Ergebnis unmaßgeblich wären.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Vereinsbildung zu Recht untersagt worden ist.

Die Bf. ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Vereinsrecht nicht verletzt worden.

4. Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes kommt angesichts der festgestellten Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht (vgl. zB VfSlg. 9246/1981).

Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zB VfSlg. 9246/1981)

Die Bf. ist mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

5. Dem Antrag, die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG idF der Nov. BGBl. Nr. 350/1981 dem VwGH abzutreten, war keine Folge zu geben:

Bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechtes umfaßt die Zuständigkeit des VfGH sowohl die materiellen als auch die formalen verfahrensrechtlichen Fragen. Jeder Verwaltungsbescheid, der die Behinderung des Rechtes auf freie Bildung von Vereinen bewirkt und den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen nicht entspricht, ist nicht nur gesetzwidrig, sondern verletzt auch das durch Art 12 StGG gewährleistete Recht. Es tritt in jedem solchen Fall die im Art 144 Abs 1 B-VG festgelegte Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH ein, die nach Art 133 Z 1 B-VG die Zuständigkeit des VwGH ausschließt (vgl. zB ).