OGH vom 31.10.2012, 9Nc34/12t

OGH vom 31.10.2012, 9Nc34/12t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** Z*****, vertreten durch DDr. René Laurer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, wegen 13.998,99 EUR, über die Anzeige des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Mag. ***** seiner Ausgeschlossenheit und die Befangenheitsanzeigen des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs *****, des Hofrats des Obersten Gerichtshofs *****, der Hofrätin des Obersten Gerichtshofs ***** und des Hofrats des Obersten Gerichtshofs *****, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. ***** ist von der Entscheidung in der Rechtssache ***** ausgeschlossen.

Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs *****, Hofrat des Obersten Gerichtshofs *****, Hofrätin des Obersten Gerichtshofs ***** und Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** sind in dieser Rechtssache befangen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ***** ist ein Amtshaftungsanspruch, den der Kläger aus einer Entscheidung des Senates 16 des Oberlandesgerichts Wien ableitet. An dieser Entscheidung wirkte der Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. ***** als Berichterstatter mit. Er ist nun Mitglied des für die Entscheidung über den im Amtshaftungsverfahren angefochtenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zuständigen ***** Senats. Diesem Senat gehören auch der Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs ***** und die weiteren aus dem Spruch ersichtlichen Senatsmitglieder an.

Hofrat Mag. ***** zeigt seine Ausgeschlossenheit iSd § 20 Abs 1 Z 1 letzter Fall JN, in eventu seine Befangenheit an, weil er sich aufgrund seiner persönlichen Betroffenheit nicht in der Lage sehe, objektiv und unbefangen zu urteilen.

Die weiteren Senatsmitglieder geben bekannt, sich zwar imstande zu sehen, ungeachtet der Mitwirkung eines Senatskollegen an der „inkriminierten“ Entscheidung im Anlassverfahren die Frage objektiv beurteilen zu können, ob der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien eine unvertretbare Fehlbeurteilung anhafte. Es möge aber beurteilt werden, ob bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein ihrer Voreingenommenheit entstehen könnte.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 20 Z 1 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen ausgeschlossen, in denen sie selbst Partei sind, oder in Ansehung deren sie zu einer der Parteien im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen stehen.

Die nach § 3 Abs 1 AHG bestehende Möglichkeit, dass die Beklagte dann, wenn sie dem Kläger nach dem AHG schadenersatzpflichtig wird, unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs 1 AHG vom Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. ***** Rückersatz begehren könnte, schließt ihn iSd § 20 Z 1 JN von der Mitwirkung in der genannten Rechtssache aus.

2. Gemäß § 19 Z 2 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen; mögliche Befangenheitsgründe können auch vom betroffenen Richter selbst angezeigt werden (§ 22 GOG).

Nach herrschender Judikatur ist ein Richter dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dabei genügt schon die Besorgnis, dass bei der Entscheidung dieses Richters andere als rein sachliche Motive eine Rolle spielen könnten (s nur die Nachweise bei Mayr in Rechberger 3 § 19 JN Rz 4). Bei Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs reicht es grundsätzlich, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte.

Das ist hier zu bejahen: Wird einer Partei bekannt, dass die über ihren Anspruch urteilenden Senatsmitglieder gerade die Senatskollegen jenes Richters sind, aus dessen Tätigkeit sie einen Amtshaftungsanspruch ableiten will, so kann zumindest der Anschein entstehen, dass die Entscheidung über die Klagsansprüche auch von der Rücksichtnahme der Senatsmitglieder auf jenen Kollegen getragen wird, mit dem sie durch die kontinuierliche Senatsarbeit verbunden sind und auf den sie für eine fortwährende gedeihliche Zusammenarbeit im Senat auch angewiesen sind.

Dass Senatsmitglieder grundsätzlich dazu berufen sind, nach freier Überzeugung auch gegen die Meinung eines anderen Senatsmitglieds zu entscheiden, kann einem solchen Anschein nicht entgegen gehalten werden, weil dies Außenstehenden nicht ohne weiteres einsichtig sein muss.

Um angesichts des anzulegenden strengen Maßstabs nicht den Anschein einer Voreingenommenheit entstehen zu lassen, sind der Senatspräsident und die anzeigenden weiteren Mitglieder des ***** Senats in der genannten Rechtssache iSd § 19 Abs 2 JN für befangen zu erklären.