OGH vom 24.09.2015, 9ObA98/15z

OGH vom 24.09.2015, 9ObA98/15z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. ***** W*****, vertreten durch Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in Waidhofen/Thaya, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Graf Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 7.904,44 EUR brutto sA zuzüglich 500 EUR netto sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 148/10h 30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Kläger, begünstigter Behinderter, wurde von der Beklagten im Jahr 2002 einem Bundesministerium überlassen und verrichtet seither dort seinen Dienst. Er begehrt die Zahlung von Gehaltsdifferenzen, die Feststellung eines Anspruchs auf künftige Bezugs- und Pensionsdifferenzen und 500 EUR als Ersatz seines immateriellen Schadens, weil ihm als extern Beschäftigtem von der Beklagten kein Zugang zu ihrem Intranet gewährt worden sei und er sich deshalb nicht am Auswahlverfahren für die Position eines Abteilungsleiters der Beklagten beteiligen habe können. Eine Erkundigung über das Schwarze Brett der Beklagten sei ihm unzumutbar gewesen.

In seiner gegen die Klagsabweisung der Vorinstanzen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt er keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kläger ist der Ansicht, dass das Berufungsgericht den Intranetzugang zu Unrecht nur so weit zu den Arbeitsbedingungen gezählt habe, als er zur Verrichtung der Arbeit erforderlich sei, die darin liegende Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg jedoch nicht dazugerechnet habe.

Im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Behindertendiskriminierung folgte das Berufungsgericht damit jedoch der in § 7b Abs 1 BEinstG selbst angelegten Unterscheidung zwischen einer Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höherer entlohnter Verwendungen (Funktionen) (Z 5) und einer solchen bei den sonstigen Arbeitsbedingungen (Z 6). Der Begriff des beruflichen Aufstiegs ist dabei weit auszulegen (vgl Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG [2009] § 3 Rz 100). Eine Einstellungs- oder Beförderungsdiskriminierung setzt auch nicht zwingend eine Bewerbung voraus ( Hopf/Mayr/Eichinger , aaO § 12 GlBG Rz 56). Entgegen der Ansicht des Klägers kann der Nichtgewährung eines Intranetzugangs, der auch der Informationsbeschaffung über aktuelle Ausschreibungen dient, danach abstrakt sehr wohl die Eignung zukommen, eine Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg iSd § 7b Abs 1 Z 5 GlBG zu begründen. Aus dieser Differenzierung ist für den Standpunkt des Klägers hier jedoch nichts gewonnen.

2. Es steht fest, dass die Beklagte keinem ihrer Mitarbeiter, die an Ministerien, Institute oder Fachhochschulen überlassen sind, und auch keinem der sonst verliehenen, karenzierten, überlassenen Mitarbeiter oder auch Mitarbeiter mit aufgelöstem Dienstverhältnis und Wiedereinstellungszusage einen Intranetzugang gewährt. Auf eine unmittelbare Diskriminierung wegen seiner Behinderung im Sinn des § 7c Abs 1 iVm § 7b Abs 1 Z 5 oder 6 BEinstG kann sich der Kläger danach nicht berufen.

3. Auch eine mittelbare Diskriminierung des Klägers im Sinn des § 7c Abs 2 iVm § 7b Abs 1 Z 5 oder 6 BEinstG liegt nicht vor, weil die Nichtgewährung eines Intranetzugangs nicht nur den Kläger, sondern alle externen Mitarbeiter der Beklagten in vergleichbarer Weise trifft. Auch sie sind dadurch von einem einfach handhabbaren Informationszugang abgeschnitten und auf eine ersatzweise aktive Informationsbeschaffung wie Telefon, E-Mail, Briefverkehr, Kontakt mit Betriebsräten oder ähnliches angewiesen, wobei auch sie nicht erahnen können, wann die Beklagte ihre Ausschreibungen vornimmt. Zwar könnten die externen Mitarbeiter theoretisch noch das Schwarze Brett im Gebäude der Beklagten aufsuchen. Eine derartige Informationsbeschaffung ist für sie aber mit einem zeitlichen und organisatorischen Aufwand verbunden, wie ihn auch jede zur Beklagten fremde Person, die an einer Stellenbewerbung bei der Beklagten interessiert ist, auf sich zu nehmen hätte. Die Möglichkeit einer Informationsbeschaffung über das Schwarze Brett der Beklagten ist insofern aber nicht Ausfluss der Anstellung der externen Mitarbeiter, sondern eine von einem Dienstverhältnis mit der Beklagten unabhängige Gegebenheit, die den Kläger gegenüber den anderen externen Mitarbeitern in ihrer Eigenschaft als Angestellte nicht in besonderer Weise benachteiligt.

4. Der Kläger beruft sich schließlich auf eine Verletzung der Förderungspflicht der Beklagten im Sinn des § 6 Abs 1a BEinstG.

Nach § 6 Abs 1a BEinstG haben Dienstgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen ua den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Dienstgeber unverhältnismäßig belasten.

Diese Bestimmung wurde mit dem BGBl I 2005/82 gleichzeitig mit den dem Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt gewidmeten - Bestimmungen der §§ 7a ff BEinstG eingeführt und dient der Umsetzung von Art 5 der Rahmenrichtlinie 2000/78/EG (s BlgNR 22. GP S 13). Wie insbesondere aus ihrem Art 1 hervorgeht, dient diese Richtlinie der Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung ua aufgrund einer Behinderung im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten. Bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wegen einer Behinderung spielen auch Maßnahmen, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen, eine wichtige Rolle (ErwGr 16). Der in Art 5 RL und § 6 Abs 1a BEinstG enthaltene Auftrag, die geeigneten und konkret erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung auch den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, stellt damit keinen Gegensatz, sondern eine Begleitung und Ergänzung zu den Diskriminierungsbestimmungen der §§ 7a ff BEinstG dar, so insbesondere auch zum Verbot, Menschen mit Behinderung beim beruflichen Aufstieg oder bei den sonstigen Arbeitsbedingungen zu diskriminieren. Damit geht die Zielsetzung des § 6 Abs 1a BEinstG aber keinesfalls so weit, dass sie über die Diskriminierungstatbestände der § 7b Abs 1 Z 5 und 6 BEinstG hinaus ein eigenständiges Beförderungsgebot enthielte, dessen Verletzung den Dienstgeber in der vom Kläger begehrten Weise schadenersatzpflichtig machen würde. Schadenersatzpflichten des Dienstgebers für die diskriminierende Versagung des Zugangs zu einer Anstellung oder Beförderung werden vielmehr in § 7e BEinstG festgelegt, deren Voraussetzungen hier, wie dargelegt, jedoch nicht vorliegen.

5. Der geltend gemachte Verfahrensmangel, für den sich der Kläger auf eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes beruft, ist danach nicht weiter entscheidungswesentlich.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00098.15Z.0924.000