OGH vom 18.08.2016, 9ObA97/16d

OGH vom 18.08.2016, 9ObA97/16d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon. Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ingrid Schwarzinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 33.330,36 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 31/16a 16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung führt, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die – gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) – Zustimmung der Arbeitnehmer zur schlüssigen Ergänzung des Einzelvertrags jedes begünstigten Arbeitnehmers und damit zu einzelvertraglichen Ansprüchen (RIS Justiz RS0014539). Betrifft das wiederholte Verhalten nur einen (oder wenige individualisierte Arbeitnehmer), so spricht man von einer Individualübung.

Auf das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an; entscheidend ist, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Würdigung seinem Erklärungsverhalten entnehmen können bzw welchen Eindruck sie von seinem schlüssigen Verhalten haben durften (RIS Justiz RS0014154).

2. Eine stillschweigende Erklärung iSd § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss die Handlung – oder Unterlassung – nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt. Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist regelmäßig einzelfallbezogen und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS Justiz RS0109021), es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit beziehungsweise der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste.

Die Frage, ob ein eine Betriebs- oder Individualübung begründendes schlüssiges Verhalten vorliegt, kann dementsprechend ebenfalls nur anhand der konkreten Umstände beurteilt werden, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht vorliegt (8 ObA 39/07d; 9 ObA 165/05p ua).

3. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass aus einer einmalig ohne Vorliegen der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen gewährten Provision, kein generelles Abgehen von der getroffenen Zielvereinbarung und den darin enthaltenen Bedingungen für Provisionszahlungen abgeleitet werden kann, auch wenn auf eine Widerruflichkeit nicht ausdrücklich hingewiesen wurde, ist nicht korrekturbedürftig.

4. Die außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00097.16D.0818.000