OGH vom 23.11.2016, 13Os6/16f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Christian T***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 lit a, Abs 2 und Abs 3 lit b FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann M***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 126 Hv 13/14a 136, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Johann M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung –Johann M***** des Finanzvergehens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 lit a „und Abs 3 lit a“ FinStrG (B) schuldig erkannt.
Danach hat der Genannte dadurch, dass er namens der T.*****gesellschaft mbH Scheinrechnungen an die F***** GmbH legte, in denen Umsatzsteuer im Gesamtbetrag von 142.292,56 Euro ausgewiesen war, vorsätzlich dazu beigetragen, dass Christian T***** als Geschäftsführer der F***** GmbH im Bereich des Finanzamts Wien 9/18/19/Klosterneuburg am unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuer für Jänner 2013 um 236.368,79 Euro bewirkte, indem er namens der F***** GmbH eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung abgab, in welcher er unter Verwendung von Scheinrechnungen, mithin falschen Beweismitteln, zu Unrecht Vorsteuerguthaben geltend machte, denen keine Lieferungen oder sonstige Leistungen zu Grunde lagen, wobei Johann M***** den Eintritt der Verkürzung für gewiss hielt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und „9a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann M*****.
Vorweg ist zur Stellungnahme der Generalprokuratur, wonach § 39 Abs 3 FinStrG als (bloße) Sanktionsnorm in Abhängigkeit vom strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) nur den Strafrahmen umschreibe, während die finanzstrafrechtlichen Tatbestände des Abgabenbetrugs in §§ 33 Abs 1, Abs 2 und Abs 4, 35 Abs 1, Abs 2 und Abs 3, 37 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b und Abs 2 FinStrG umschrieben seien, anzumerken, dass es sich bei den in § 39 Abs 3 lit b und c FinStrG genannten strafbestimmenden Wertbeträgen um Qualifikationsgrenzen handelt ( Lässig in WK 2 FinStrG § 39 Rz 28; vgl auch 13 Os 115/14g, 13 Os 73/15g).
Feststellungen, wonach der Nichtigkeitswerber die „vom Zweitangeklagten in den Rechnungen genannten Handelswaren von der Fa. H***** GmbH gekauft und diese mit einem geringen Gewinnaufschlag an die F***** weiter verkauft“ habe, finden sich dem Beschwerdevorbringen zuwider in der angefochtenen Entscheidung nicht (vgl US 18). Hinsichtlich nicht getroffener Feststellungen kommt eine Mängelrüge von vornherein nicht in Betracht (RIS Justiz RS0099575 [T5], RS0128974). Die dagegen gerichtete Mängelrüge (Z 5) geht daher schon im Ansatz ins Leere.
Unter Hinweis auf die vom Erstgericht ohnedies gewürdigte Verantwortung des Nichtigkeitswerbers sowie die ebenfalls berücksichtigte Aussage des Zeugen Franz H***** (US 34 f) und mit eigenen Erwägungen behauptet die Mängelrüge (Z 5) die „Unrichtigkeit“ der Feststellung, wonach es sich bei den Rechnungen der T.***** an die F***** um Scheinrechnungen handelte, weil das Erstgericht „die subjektive Tatseite nicht berücksichtigt“ habe. Damit orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, wonach der Nichtigkeitswerber die Leistung tatsächlich nicht erbrachte und auch nie erbringen wollte (US 18; RIS Justiz RS0119370). Der Sache nach wendet sich der Beschwerdeführer abseits der Anfechtungskategorien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässig gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Gleiches gilt für die Behauptung, das Erstgericht habe nicht nachvollziehbar dargestellt, warum es sich nicht um „Anzahlungsrechnungen“ handeln könnte.
Die vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Nichtigkeitswerbers (der Sache nach Z 9 lit a) finden sich – somit prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0099810) übergangen – auf US 18 und wurden der Beschwerdekritik (Z 5 vierter Fall) zuwider auf US 34 f ohne Widerspruch zu den Gesetzen der Logik oder grundlegenden Erfahrungswerten begründet.
Worin der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der Begründung der Feststellungen zur inneren Tatseite liegen sollte, zeigt die Rüge nicht auf. Dieses Vorbringen entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.
Ein Eingehen auf den Einwand (der Sache nach Z 9 lit a), das Erstgericht habe zu Unrecht nicht „geprüft oder festgestellt, ob beim Drittangeklagten als Unternehmer, einer Ist oder Sollbesteuerung vorlag“, erübrigt sich angesichts der Feststellungen zur rechtskräftig abgeurteilten Tatbegehung durch den Erstangeklagten als unmittelbaren Täter (US 6, 15 ff). Zudem ging es der Beschwerdekritik zuwider vorliegend nicht um die „Entstehung einer Steuerschuld“, sondern die Geltendmachung einer Umsatzsteuergutschrift (US 5, 17).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung und daraus resultierende unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).
Indem sich der Beschwerdeführer, Nichtigkeit nach Z 9 lit a reklamierend, unter Hinweis auf seine Verantwortung und mit der Behauptung seines nachträglichen Bemühens um die Schaffung – einer Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG nicht gleichzuhaltender – „umsatzsteuerrechtlicher Voraussetzungen“ mit eigenen Auffassungen und Erwägungen gegen die Feststellung der Wissentlichkeit in Bezug auf die Abgabenverkürzung wendet, verlässt er den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes. Gleiches gilt, soweit er die Konstatierung, es habe sich bei den Rechnungen der T.***** an die F***** um Scheinrechnungen gehandelt, bekämpft.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die sich nicht an den tatrichterlichen Feststellungen zur Wissentlichkeit in Bezug auf das Bewirken der Abgabenverkürzung (US 18) und den Konstatierungen orientiert, wonach der Beschwerdeführer niemals eine Leistung erbringen wollte (US 18), verfehlt daher ihr Ziel.
Die – im Übrigen im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren irrelevante – Feststellung der Wissentlichkeit des unmittelbaren Täters in Bezug auf das Bewirken der Abgabenverkürzung findet sich dem Beschwerdevorbringen zuwider auf US 17 f.
Der Einwand, die „Verletzung von Kontrollpflichten stellt nur eine Verletzung von Sorgfaltspflichten“ und somit fahrlässiges Verhalten dar, übergeht einmal mehr die Feststellungen zur Begehung der Tat mit deliktspezifischem Vorsatz (US 18) und bringt damit den materiellen Nichtigkeitsgrund erneut nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bleibt anzumerken, dass die Wertung des „hartnäckigen Leugnens“ des Angeklagten Johann M***** als eine für die Ablehnung der Gewährung einer gänzlichen bedingten Strafnachsicht (mit )entscheidende Tatsache (US 44) eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS Justiz RS0090897). Diesem von der Beschwerde nicht aufgegriffenen Umstand wird das Oberlandesgericht bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS Justiz RS0122140).
Die im Fall (teil-)bedingter Strafnachsicht (vgl Lässig in WK 2 FinStrG § 26 Rz 8) zwingend vorgesehene, vom Erstgericht verfehlt unterlassene Erteilung einer Weisung nach § 26 Abs 2 FinStrG (vgl RIS Justiz RS0086112) ist dabei auch im Falle neuerlicher Gewährung bedingter Strafnachsicht zufolge des Verschlechterungsverbots (§ 290 Abs 2 StPO) vom Erstgericht (RIS Justiz RS0086098 [T1]; Lässig in WK 2 FinStrG § 26 Rz 9) nicht nachzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Über eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO in Ansehung eines Rechtsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) in Betreff der jeweils zu Christian T***** ausgesprochenen Wertersatzstrafe sowie teilbedingten Strafnachsichten entscheidet der Oberste Gerichtshof gesondert in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung (§ 285d Abs 2 StPO).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00006.16F.1123.000