OGH 23.11.2016, 13Os6/16f
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Christian T***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 lit a, Abs 2 und Abs 3 lit b FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 126 Hv 13/14a-136, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Erste Generalanwältin Prof. Dr. Aicher, der Vertreter der Finanzstrafbehörde, Dr. Vogt und Mag. Wieser, sowie des Verteidigers des Christian T***** zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den den Angeklagten Christian T***** betreffenden Aussprüchen über die Wertersatzstrafe sowie über die teilbedingten Strafnachsichten aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
Gemäß § 19 Abs 1 lit a, Abs 3 FinStrG iVm §§ 37 Abs 2, 38 Abs 1 (idF vor BGBl I 2015/163), 44 Abs 3 FinStrG wird hinsichtlich der nicht sichergestellten, bereits verhandelten 1.558 Stangen Zigaretten auf eine Wertersatzstrafe in der Höhe von 15.000 Euro erkannt.
Gemäß § 43a Abs 2 StGB wird die für die in den Schuldsprüchen A./III./ und A./IV./ genannten strafbaren Handlungen über Christian T***** verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 26 Abs 1 FinStrG iVm § 43 Abs 1 StGB wird die über Christian T***** nach dem FinStrG verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Text
Gründe:
Soweit hier von Bedeutung wurde Christian T***** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 126 Hv 13/14a-136, (richtig:) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG aF (A./I./) und des vorsätzlichen Eingriffs in Monopolrechte nach §§ 11 dritter Fall, 44 Abs 1 FinStrG (A./II./), des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB (A./III./), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (A./IV./) sowie (richtig:) des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 lit a, Abs 2 und Abs 3 lit b FinStrG (A./V./) schuldig erkannt.
Danach hat in W*****
A./ Christian T*****
I./ im Zeitraum vom September 2012 bis zum in mehreren Angriffen im Bereich des Zollamts Wien vorsätzlich Sachen, hinsichtlich welcher von unbekannten Tätern eine Verkürzung von Verbrauchssteuern begangen worden ist (§ 33 FinStrG), nämlich nachgemachte, illegal hergestellte Zigaretten der Sorten „Marlboro“, „Memphis Classic“ und „Memphis Air Blue“, gekauft und teilweise verhandelt, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, indem er insgesamt 900.000 Stück Zigaretten (= 4.500 Stangen), darauf lastende Tabaksteuer von 109.158 Euro, von unbekannten Lieferanten um 15 Euro pro Stange erwarb und in der Folge einen Teil davon an unbekannte Abnehmer gewinnbringend weiterveräußerte;
II./ im Bereich des Zollamts Wien durch den Ankauf der unter I./ angeführten Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis von 184.900 Euro vorsätzlich zur Ausführung der Tathandlungen durch unbekannt gebliebene Täter, welche in Monopolrechte eingriffen, indem sie zu ihrem Vorteil die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Verbote hinsichtlich des Handels von Monopolgegenständen (§ 5 TabMG 1996) verletzten, beigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG);
III./ „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen Ende April und ein falsches Beweismittel, nämlich ein Dokument mit der Überschrift 'Confirmation and Attest under Oath', welches mit dem Namen Alekso B***** im Namen der 'A*****' unterfertigt ist, jedoch nicht von Alekso B***** stammt, mit dem Vorsatz hergestellt, dass es in einem gerichtlichen Verfahren, einem verwaltungsbehördlichen Verfahren und in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung gebraucht werde“;
IV./ die Befriedigung der nachfolgend genannten Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen dadurch geschmälert, dass er
1./ vom bis zum einen Bestandteil seines Vermögens, nämlich den an der F***** GmbH gehaltenen Geschäftsanteil in Höhe von 35.000 Euro, verheimlichte, indem er weder gegenüber dem Masseverwalter im Verfahren des Handelsgerichts Wien, AZ 3 S 48/12x, noch dem Insolvenzgericht gegenüber offen legte, dass er und nicht die im Firmenbuch eingetragene Edith P***** Alleineigentümer der Geschäftsanteile war;
2./ als Geschäftsführer der F***** GmbH, sohin als leitender Angestellter dieser Gesellschaft, welche Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, Bestandteile des Vermögens der Gesellschaft durch nachfolgend genannte Barentnahmen oder Barauszahlungen für betriebsfremde Zwecke beiseite geschafft, und zwar
a./ am
aa./ 12.210 Euro,
bb./ 15.000 Euro;
b./ am 40.000 Euro;
wobei er dadurch bei seinen Gläubigern (IV./1./) und den Gläubigern der F***** GmbH (IV./2./) einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden von 102.210 Euro herbeiführte;
V./ als Geschäftsführer der F***** GmbH vorsätzlich in mehrfachen Tathandlungen unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldung eine Verkürzung an selbst zu berechnender Umsatzsteuer um 491.758,18 Euro bewirkt, indem er namens der F***** GmbH unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgab, in welchen er zu Unrecht Vorsteuerguthaben geltend machte, wobei er den Eintritt der Verkürzung für gewiss hielt und die Tat teilweise unter Verwendung von Scheinrechnungen, mithin falschen Beweismitteln, beging und teilweise Vorsteuerbeträge geltend machte, denen keine Lieferungen oder sonstigen Leistungen zugrunde lagen, und zwar
1./ im Bereich des Finanzamts Wien 6/7/15 am für Dezember 2012 um 144.520,06 Euro;
2./ im Bereich des Finanzamts Wien 9/18/19/Klosterneuburg, und zwar
a./ am für Jänner 2013 um 236.368,79 Euro;
b./ am für Februar 2013 um 19.924,71 Euro;
c./ am für März 2013 um 90.944,62 Euro.
Anzumerken ist, dass die Freisprüche der Angeklagten Christian T***** (US 8 f) und Johannes F***** (US 10) vom Vorwurf strafbarer Handlungen nach dem FinStrG verfehlt nach § 259 Z 3 StPO anstelle von § 214 FinStrG erfolgten (RIS-Justiz RS0114396 [T1]).
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den Schuldspruch des Angeklagten Johann M***** gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Genannten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom zu GZ 13 Os 6/16f-6, zurückgewiesen. Dabei hat der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO zukommenden Befugnis in Ansehung der den Angeklagten Christian T***** betreffenden Aussprüche über die Wertersatzstrafe sowie über die teilbedingten Strafnachsichten einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vorbehalten.
Zum Ausspruch über den Wertersatz:
Gemäß § 19 Abs 1 lit a FinStrG iVm §§ 37 Abs 2, 38 Abs 1 (idF vor BGBl I 2015/163), 44 Abs 3 FinStrG erkannte das Erstgericht hinsichtlich jener verhandelten 1.558 Stangen (US 12) Zigaretten, die nicht mehr sichergestellt werden konnten, auf Wertersatz in Höhe von 15.000 Euro (US 8). Den gemäß § 20 Abs 1 FinStrG zwingend vorgesehenen Ausspruch der den Wertersatz im Fall seiner Uneinbringlichkeit substituierenden Ersatzfreiheitsstrafe lässt der erstgerichtliche Strafausspruch vermissen.
Den gemeinen Wert der nicht sichergestellten verhandelten Zigaretten als Grundlage der Strafbefugnis (§ 19 Abs 3 FinStrG) haben die Tatrichter nicht festgestellt, was Nichtigkeit gemäß Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO bewirkt (vgl 13 Os 52/11p). Zudem hat das Erstgericht die von § 19 Abs 5 FinStrG zwingend angeordnete Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Gänze unterlassen, sodass dem Ausspruch über den Wertersatz Nichtigkeit nach Z 11 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO anhaftet (RIS-Justiz RS0088035).
Im Fall einer Nichtigkeit nach Z 11 hat der Oberste Gerichtshof die Möglichkeit, nach Aufhebung des Strafausspruchs auch im Tatsächlichen in der Sache selbst zu entscheiden (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO) und solcherart eine überflüssige Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens zu vermeiden (vgl Ratz, WK-StPO § 285i Rz 3–5).
Der Wertersatz ist nach § 19 Abs 3 FinStrG mit dem Betrag festzulegen, der dem gemeinen Wert der dem Verfall unterliegenden Gegenstände, womit das Gesetz den inländischen Detailverkaufspreis versteht, entspricht (Lässig in WK2 FinStrG § 19 Rz 7 mwN). Ausgehend von dem im Abschlussbericht des Zollamts Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz vom (ON 14) genannten inländischen Verkaufspreis von 42 Euro pro Stange „Marlboro“ und 40 Euro pro Stange „Memphis Air Blue“ und „Memphis Classic“ (ON 14 S 37) errechnet sich daher bei 1.558 Stangen verkauften Zigaretten zu einem Preis von zumindest 40 Euro ein Betrag von 62.320 Euro. Aufgrund des auch bei Aufhebung des Wertersatzausspruchs zum Tragen kommenden Verschlechterungsverbots des § 290 Abs 2 StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 54) kann jedoch auf keinen höheren als den vom Erstgericht auferlegten Wertersatz von 15.000 Euro erkannt werden. Dieser weniger als ein Viertel des Detailverkaufspreises ausmachende Betrag steht weder zur Bedeutung der Tat, das heißt ausgehend von einem Vergleich des Werts der verfallsbedrohten Gegenstände mit dem strafbestimmenden Wertbetrag, noch zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis (vgl Lässig in WK2 FinStrG § 19 Rz 16 f; § 17 Rz 19).
Der unterbliebene Ausspruch der den Wertersatz im Fall seiner Uneinbringlichkeit substituierenden Ersatzfreiheitsstrafe kann wegen des in § 290 Abs 2 StPO normierten Verschlechterungsverbots nicht mehr nachgeholt werden (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 53).
Zu den Aussprüchen über die teilbedingten Strafnachsichten:
Für die strafbaren Handlungen nach dem FinStrG (Schuldsprüche A./I./, A./II./ und A./V./) wurde Christian T***** unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG nach dem Strafsatz des § 39 Abs 3 lit b FinStrG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten und einer Geldstrafe in der Höhe von 350.000 Euro verurteilt, wovon gemäß § 26 Abs 1 FinStrG iVm § 43 Abs 1 StGB die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Für die strafbaren Handlungen nach dem StGB (Schuldsprüche A./III./ und A./IV./) wurde Christian T***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 43a Abs 2 StGB nach dem Strafsatz des § 156 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten und einer Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagessätzen zu je 35 Euro, im Nichteinbringungsfall zu 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 2 StGB die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Die Wertung der „gänzlich leugnenden Verantwortung“ (US 43) betreffend die Schuldspruchpunkte A./III./ und A./IV./ sowie der „nur teilweise geständige(n)“ Verantwortung (US 44) betreffend die Schuldspruchpunkte A./I./, A./II./ und A./V./ als für die Ablehnung der Gewährung einer gänzlich bedingten Strafnachsicht (mit-)entscheidende Tatsachen stellt eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO unrichtige Gesetzesanwendung dar (RIS-Justiz RS0090897). Die Aussprüche über die teilbedingten Strafnachsichten waren daher aufzuheben.
Zur Gewährung teilbedingter Strafnachsicht in Ansehung des Strafausspruchs nach dem FinStrG:
Die vorgenannte Aufhebung zog insoweit eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst nach sich.
Der Angeklagte weist weder gerichtliche noch finanzstrafbehördliche Vorstrafen auf, unter Berücksichtigung dieses Umstands, andererseits aber auch des hohen Unwertgehalts der strafbaren Handlungen und des sowohl aus strafrechtlicher als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht gegebenen Erfordernisses, gleichgelagerte Delinquenz hintanzuhalten, ist zwar davon auszugehen, dass die Androhung der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit, nicht aber die teilweise (§ 26 Abs 1 dritter und vierter Satz FinStrG) bedingte Nachsicht der Geldstrafe spezial- und generalpräventiv genügen werde (§ 26 Abs 1 erster Fall FinStrG iVm § 43 Abs 1 StGB).
Die im Fall (teil-)bedingter Strafnachsicht (vgl Lässig in WK2 FinStrG § 26 Rz 8) zwingend vorgesehene Erteilung einer Weisung nach § 26 Abs 2 FinStrG (RIS-Justiz RS0086112), die vom Erstgericht zu Unrecht unterlassen wurde, kann aufgrund des Verschlechterungsverbots (§ 290 Abs 2 StPO) nicht mehr nachgeholt werden.
Zur Gewährung teilbedingter Strafnachsicht in Ansehung der Strafe nach dem StGB:
Eine gänzlich bedingte Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB verbietet sich aus den bereits dargestellten, auch im Bereich der strafbaren Handlungen nach dem StGB bestehenden generalpräventiven Erwägungen.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bleibt anzumerken:
Nach den Urteilskonstatierungen zu Schuldspruch A./III./ stellte Christian T***** ein Dokument mit der Überschrift „Confirmation and Attest under Oath“ her, welches mit dem Namen Alekso B***** unterfertigt ist, aber nicht vom Genannten stammt (US 14). Dieses verwendete er in der Folge durch Übermittlung an den von der Staatsanwaltschaft bestellten Sachverständigen (US 21). Er wollte, dass „dieses falsche Beweismittel“ (US 14) in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung verwendet wird, um eine falsche Tatsache, nämlich die betriebliche Notwendigkeit der Entnahme von 40.000 Euro in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren zu rechtfertigen (US 14, 23). Die Sachverhaltsannahmen tragen daher sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht die rechtliche Beurteilung als Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB. Auch wenn § 293 StGB dem § 223 StGB ausdrücklich subsidiär ist (Plöchl/Seidl in WK2 StGB § 293 Rz 41), ist aufgrund der identen Strafdrohung der beiden Normen ein in concreto vorliegender Nachteil des Erstangeklagten nicht gegeben (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f), sodass es keiner amtswegigen Maßnahme bedarf.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Christian T***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 lit a, Abs 2 und Abs 3 lit b FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann M***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 126 Hv 13/14a-136, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Johann M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung –Johann M***** des Finanzvergehens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 lit a „und Abs 3 lit a“ FinStrG (B) schuldig erkannt.
Danach hat der Genannte dadurch, dass er namens der T.*****gesellschaft mbH Scheinrechnungen an die F***** GmbH legte, in denen Umsatzsteuer im Gesamtbetrag von 142.292,56 Euro ausgewiesen war, vorsätzlich dazu beigetragen, dass Christian T***** als Geschäftsführer der F***** GmbH im Bereich des Finanzamts Wien 9/18/19/Klosterneuburg am unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuer für Jänner 2013 um 236.368,79 Euro bewirkte, indem er namens der F***** GmbH eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung abgab, in welcher er unter Verwendung von Scheinrechnungen, mithin falschen Beweismitteln, zu Unrecht Vorsteuerguthaben geltend machte, denen keine Lieferungen oder sonstige Leistungen zu Grunde lagen, wobei Johann M***** den Eintritt der Verkürzung für gewiss hielt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und „9a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann M*****.
Vorweg ist zur Stellungnahme der Generalprokuratur, wonach § 39 Abs 3 FinStrG als (bloße) Sanktionsnorm in Abhängigkeit vom strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) nur den Strafrahmen umschreibe, während die finanzstrafrechtlichen Tatbestände des Abgabenbetrugs in §§ 33 Abs 1, Abs 2 und Abs 4, 35 Abs 1, Abs 2 und Abs 3, 37 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b und Abs 2 FinStrG umschrieben seien, anzumerken, dass es sich bei den in § 39 Abs 3 lit b und c FinStrG genannten strafbestimmenden Wertbeträgen um Qualifikationsgrenzen handelt (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 28; vgl auch 13 Os 115/14g, 13 Os 73/15g).
Feststellungen, wonach der Nichtigkeitswerber die „vom Zweitangeklagten in den Rechnungen genannten Handelswaren von der Fa. H***** GmbH gekauft und diese mit einem geringen Gewinnaufschlag an die F***** weiter verkauft“ habe, finden sich dem Beschwerdevorbringen zuwider in der angefochtenen Entscheidung nicht (vgl US 18). Hinsichtlich nicht getroffener Feststellungen kommt eine Mängelrüge von vornherein nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0099575 [T5], RS0128974). Die dagegen gerichtete Mängelrüge (Z 5) geht daher schon im Ansatz ins Leere.
Unter Hinweis auf die vom Erstgericht ohnedies gewürdigte Verantwortung des Nichtigkeitswerbers sowie die ebenfalls berücksichtigte Aussage des Zeugen Franz H***** (US 34 f) und mit eigenen Erwägungen behauptet die Mängelrüge (Z 5) die „Unrichtigkeit“ der Feststellung, wonach es sich bei den Rechnungen der T.***** an die F***** um Scheinrechnungen handelte, weil das Erstgericht „die subjektive Tatseite nicht berücksichtigt“ habe. Damit orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, wonach der Nichtigkeitswerber die Leistung tatsächlich nicht erbrachte und auch nie erbringen wollte (US 18; RIS-Justiz RS0119370). Der Sache nach wendet sich der Beschwerdeführer abseits der Anfechtungskategorien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässig gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Gleiches gilt für die Behauptung, das Erstgericht habe nicht nachvollziehbar dargestellt, warum es sich nicht um „Anzahlungsrechnungen“ handeln könnte.
Die vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Nichtigkeitswerbers (der Sache nach Z 9 lit a) finden sich – somit prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) übergangen – auf US 18 und wurden der Beschwerdekritik (Z 5 vierter Fall) zuwider auf US 34 f ohne Widerspruch zu den Gesetzen der Logik oder grundlegenden Erfahrungswerten begründet.
Worin der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der Begründung der Feststellungen zur inneren Tatseite liegen sollte, zeigt die Rüge nicht auf. Dieses Vorbringen entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.
Ein Eingehen auf den Einwand (der Sache nach Z 9 lit a), das Erstgericht habe zu Unrecht nicht „geprüft oder festgestellt, ob beim Drittangeklagten als Unternehmer, einer Ist- oder Sollbesteuerung vorlag“, erübrigt sich angesichts der Feststellungen zur rechtskräftig abgeurteilten Tatbegehung durch den Erstangeklagten als unmittelbaren Täter (US 6, 15 ff). Zudem ging es der Beschwerdekritik zuwider vorliegend nicht um die „Entstehung einer Steuerschuld“, sondern die Geltendmachung einer Umsatzsteuergutschrift (US 5, 17).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung und daraus resultierende unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Indem sich der Beschwerdeführer, Nichtigkeit nach Z 9 lit a reklamierend, unter Hinweis auf seine Verantwortung und mit der Behauptung seines nachträglichen Bemühens um die Schaffung – einer Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG nicht gleichzuhaltender – „umsatzsteuerrechtlicher Voraussetzungen“ mit eigenen Auffassungen und Erwägungen gegen die Feststellung der Wissentlichkeit in Bezug auf die Abgabenverkürzung wendet, verlässt er den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes. Gleiches gilt, soweit er die Konstatierung, es habe sich bei den Rechnungen der T.***** an die F***** um Scheinrechnungen gehandelt, bekämpft.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die sich nicht an den tatrichterlichen Feststellungen zur Wissentlichkeit in Bezug auf das Bewirken der Abgabenverkürzung (US 18) und den Konstatierungen orientiert, wonach der Beschwerdeführer niemals eine Leistung erbringen wollte (US 18), verfehlt daher ihr Ziel.
Die – im Übrigen im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren irrelevante – Feststellung der Wissentlichkeit des unmittelbaren Täters in Bezug auf das Bewirken der Abgabenverkürzung findet sich dem Beschwerdevorbringen zuwider auf US 17 f.
Der Einwand, die „Verletzung von Kontrollpflichten stellt nur eine Verletzung von Sorgfaltspflichten“ und somit fahrlässiges Verhalten dar, übergeht einmal mehr die Feststellungen zur Begehung der Tat mit deliktspezifischem Vorsatz (US 18) und bringt damit den materiellen Nichtigkeitsgrund erneut nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bleibt anzumerken, dass die Wertung des „hartnäckigen Leugnens“ des Angeklagten Johann M***** als eine für die Ablehnung der Gewährung einer gänzlichen bedingten Strafnachsicht (mit-)entscheidende Tatsache (US 44) eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS-Justiz RS0090897). Diesem von der Beschwerde nicht aufgegriffenen Umstand wird das Oberlandesgericht bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS-Justiz RS0122140).
Die im Fall (teil-)bedingter Strafnachsicht (vgl Lässig in WK2 FinStrG § 26 Rz 8) zwingend vorgesehene, vom Erstgericht verfehlt unterlassene Erteilung einer Weisung nach § 26 Abs 2 FinStrG (vgl RIS-Justiz RS0086112) ist dabei auch im Falle neuerlicher Gewährung bedingter Strafnachsicht zufolge des Verschlechterungsverbots (§ 290 Abs 2 StPO) vom Erstgericht (RIS-Justiz RS0086098 [T1]; Lässig in WK2 FinStrG § 26 Rz 9) nicht nachzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Über eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO in Ansehung eines Rechtsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) in Betreff der jeweils zu Christian T***** ausgesprochenen Wertersatzstrafe sowie teilbedingten Strafnachsichten entscheidet der Oberste Gerichtshof gesondert in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung (§ 285d Abs 2 StPO).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
Schlagworte | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00006.16F.1123.001 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAE-13191